Thema:
"Man muss sich gegenseitig helfen,
das ist ein Naturgesetz."
Jean de La Fontaine
Es gibt solche Tage, da kann einem die ganze
Welt gestohlen bleiben, und man ist froh die
Türe hinter sich schließen zu können. So geht
es mir heute. Ich kam nach Hause voller Unmut,
doch als ich das Wohnzimmer betrat, da war
wieder dieses warme Lächeln im gütigen Gesicht
der Mutter, und das Gefühl alles wird gut.
Nach der Vorsorgung, aus dem Massagesessel in
den Rollstuhl ins Bad, danach die Verabreichung
der Medikamente und dem Abendessen, das der
Bruder vor dem Gang zur Arbeit schon vorbereitet
hat, löste sich die Verspannung des Gemüts.
In der Familie und den Lebenspartnern war es
nie ein Problem, sondern eine ganz normale
Selbstverständlichkeit, die Mutter nach ihrem
Schlaganfall im Haus zu pflegen. Doch kam von
außen immer wieder der Spruch "Dafür gibt es
Heime." man war der Meinung das eigene Leben
kommt zu kurz und man könnte das nicht.
Wenn man nicht jedes Wochenende um die Häuser
mitzieht, wenn man nicht jede Überstunde leistet,
wenn man nicht auf jeder Party erscheint, wenn
man nicht, dies und das, "Dafür gibt es Heime.
Da mein Bruder nachts arbeitete als Kellner
und ich Tags im Geschäft, gab es nie ein
Zeitproblem, auch die Schwester half mit
neben ihren Kindern. Da wir fünf Kinder
sind, war es immer ein sehr lebendiges Haus
und daran hat sich bis heute nichts geändert.
Wir wohnen nur fünf Minuten von der Landes
Klinik entfernt, so war die Rettung schnell
da, da zu ihrem Schlaganfall noch eine
Leberzerrrosse dazukam. Doch die Mutter hatte
einen solchen Lebenswillen, dass sie auch
damit ihr lächeln nie verlor. In den 18J.
ihrer Krankheit lag sie öfters im Spital,
wo zuvor der Vater an Krebs starb und so
gingen wir Jahre lang, in der Klinik aus
und ein.
Da fällt mir gerade die Geschichte mit dem
Obus ein, es war eine große Erleichterung
als die Niederflur Busse kamen und die
Mütter mit den Kinderwägen und die
Rollstuhlfahrer ohne Barriere in den Bus
einsteigen konnten. Aber es gab ein kleines
Problem mit der Elektronik, das sich
mittlerweile schon gelöst hatte, die Busse
empfingen Signale vor und nach einer jeden
Haltestelle und Kreuzung. Wir saßen mit
der Mutter im Rollstuhl im Bus, vor dem
Landesgericht am Rudolfsplatz, musste der
Fahrer scharf bremsen, da ein Auto vor ihm
noch bei Orange über die Kreuzung wollte
und kurz bremste und dann wieder Gas gab,
dadurch schaltete die Elektronik im Bus aus,
der Fahrer erklärte den Fahrgästen, wenn man
den Bus einen halben Meter zu dem weißen
Strich schiebt, kann er das System wieder
Starten.
Keiner der Fahrgäste reagierten, ich schaute
meinen Bruder an und er mich, wir gaben dem
Fahrer bescheid wir versuchen es. Und
tatsächlich die Räder bewegten sich, das gab
uns Schwung, und wie schoben den Bus bis uns
der Fahrer bescheid gab es hat funktioniert,
als wir wieder Einstiegen klatschten ca. 50
Leute, und ich hörte meinen Bruder sagen, es
wäre schöner gewesen, wenn mehr mitgeholfen
hätten, da wurde es still. Der Fahrer
bedankte sich und scherzte, damit könne man
bei Wetten Dass auftreten, die Fahrt ging
weiter und man sah der Mutter den Stolz
auf ihren Buben an.
Und die Geschichte, als wir in einem
Restaurant saßen und ein Fünfjähriger
Junge neben uns sich an einem Bonbon
verschluckte, und dessen Mutter aufgelöst
in Panik schrie, schnappte sich meine
Schwester denn Jungen hob in an den Füßen
hoch, klopfte ihn auf den Rücken, bis er
das Zuckerl ausspuckte, nur verduzte
Gesicht im Lokal, teils erstaunt, teil
erschrocken, Mutter und Kind waren
wieder glücklich und wir waren auf unsere
Schwester stolz.
Ja, wir waren viel unterwegs mit der Mutter
im Rollstuhl, und in unserer Straße hörte
man immer wieder, wie sehr wir uns um unsere
Mutter kümmerten. Als ihre Nieren versagten,
half alle ärztliche Kunst nicht mehr uns
sie verstarb mit 63 Jahren. Die Mutter ist
uns immer Vorbild, wenn das Leben einem
schwerfällt, ihr Lebenswille und ihre
Herzlichkeit, besonders ihr lächeln macht
uns immer wieder Mut.
Als ich meinen Schlaganfall hatte, kurz
nach Arbeitsbeginn, wurde ich mit Blaulicht
auf der Autobahn von Mondsee nach Salzburg
gebracht, weil es da eine eigene Ambulanz
und Station für Schlaganfälle gibt. Als
ich aus der Rettung auf einen Wagen gelegt
wurde, schob man mich durch lange Gänge,
ich sah nur das Blitzen des Deckenlichtes,
von einem Raum in den anderen wurde ich
gebracht, Wesen in strahlend weißen Kittel,
arbeiteten an meinem Körper. Bis ich endlich
in ein Zimmer auf ein Bett gelegt wurde.
Da kamen auch schon meine Lieben zur Tür
herein.
Nach dem Anruf der Firma machten sich mein
Bruder und meine Schwester und meine Liebste
sowie meine Nichte auf den Weg und kamen
gleichzeitig mit dem Krankenwagen in der
Klinik an. Es zählte keine Arbeit, man nahm
sich frei. Ich konnte kein Wort sprechen,
hörte nur wir sind alle da für dich, mach
dir keine Sorgen. Da kam auch schon wieder
die Ärzte und sie mussten gehen.
So war das immer schon bei uns, zuerst
der Vater mit dem Krebs, wir waren noch
Kinder, dann die Mutter mit dem Schlaganfall
und der Tod zweier Brüder und meine
Krankheit, immer war ein jeder für jeden
da. Auch wenn es für so was Heime gibt,
zu Hause ist zu Hause, und eine Familie ist
eine Familie, wenn sie zusammenhält, ohne
sich die Frage zu stellen, schafft man dass.
Texte:
Bildquelle: Fotofilia.
Tag der Veröffentlichung: 19.01.2012
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Text von Renato Franco
Gewidmet meiner Mutter