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1, Kapitel



Der Winter hatte Columbus in Ohio voll im Griff. Danera Eagle saß eingemummelt auf der gemütlichen Couch im Schwesternzimmer. Eine ihrer Hebammen war mit ihr in ihrem Raum. Sie schreckte auf, als der Stift auf dem Whiteboard quietschte.
„Sorry, Boss, musste nur kurz was aufschreiben, dös weiter“, erwiderte einer der neuen Hebammen auf ihrer Station und ließ sie wieder allein. Die Ober-Hebamme wollte gerade wieder eindösen, als wieder einer hereinkam.
„Hier bist du. Sorry, wolltest du gerade etwas schlafen?“, kam ihre beste Freundin und Kollegin Lea in den Raum.
„Nachdem ich jetzt bei einer fast 30-stündigen Geburt dabei war und zu müde bin um heimzugehen wollte ich hier schlafen, ja“, murmelte Danera müde.
„Wo ist Chase?“
„Keine Ahnung, woher soll ich das wissen?“, fragte sie leicht gereizt.
„Er ist 10 und dein Sohn“, konterte Danera trocken.
„Wow, ich bin so müde, dass du nicht mal meinen Sarkasmus bemerkst. Er ist bei Onkel Jones bis morgen“, lehnte sie sich müde zur Seite.
„Jones ist wirklich der Beste, mal sehen, ob er immer noch so viel Zeit hat, wenn sein Verlobter aus Mexiko offiziell zu ihm kommt!“
„Wenn der Präsident so weiter macht wird das wohl nicht so schnell passieren. Ach egal, vielleicht kann ich im Ruhezimmer etwas schlafen“, stand sie müde auf.
„Meine Schicht ist auch vorbei, soll ich dich heimfahren?“, schlug Lea vor.
„Das musst du nicht tun!“
„Muss ich nicht, will ich aber, ich genieß jede Minute, die ich nicht bei meinen Teenager-Kindern sein muss“, witzelte Lea.
„Dann nehm ich das Angebot gern an, danke“, bedankte sich Danera und Lea brachte sie heim.
Eine Spur von Spielzeug, was sie nach und nach aufhob und verräumte führte sie ins Kinderzimmer ihres Sohnes. Sie war geschieden, ihr Sohn war aber von ihrem „Australischen Cowboy“, wie sie ihren Ex-Freund Miles immer nannte. Er war 11 Jahre zuvor extra für sie in die USA gekommen, war aber nur ein Jahr geblieben. Sie war schwanger, als er ging, erfahren hatte er es aber nie. Sie nahm ein T-Shirt ihres Sohnes auf, roch daran und warf das stinkende Teil in den Wäschekorb.
Chase sah Tag für Tag mehr aus wie sein Vater, was sie schon etwas schmerzte. Miles war ihre große Liebe gewesen, aber sie musste ihn gehen lassen, weil er nicht in die Staaten gehörte. Ein Jahr nachdem Chase geboren worden war, fand sie ihren Ex-Mann, aber Vladimir war immer der Ersatz-Mann gewesen und das hatte am Ende zu ihrer Trennung geführt. Er war aber ein guter Vater für Chase gewesen und sie hatten noch Kontakt. Danera setzte sich kurz auf das Bett ihres Sohnes. So erschöpft wie sie war, schlief sie auf der Stelle ein.
 
„Eagle, wo steckst du?“, hörte sie Jones Stimme. Sie setzte sich auf. Ihr Nacken schmerzte, das Bett war viel zu klein für sie gewesen.
„Hier“, rief sie und sie hörte Schritte, die näherkamen.
„Morgen, hast du hier geschlafen, in deinen Klamotten?“, wunderte sich ihr schwuler bester Freund und Kollege Jones.
„Möglich, war gestern so müde, bin irgendwo eingeschlafen. Ich werde zu alt für diesen Job manchmal. Wo ist Chase?“
„Da war so nen Kerl, ich hab ihn bei ihm gelassen“, entgegnete er furztrocken.
„Was?“
„Er ist in der Küche, ich hatte nichts Kindgerechtes zu Hause fürs Frühstück. Geh duschen, ich mach ihm was. Du wirst nicht zu alt, du hattest nur ne lange Schicht. Wann musst du wieder arbeiten?“
„Erst heute Abend, Gott sei Dank. Keine Sorge, Joy passt heute Abend auf Chase auf. Sie macht das echt gut mit dem Babysitten, sie ist so schnell groß geworden und sieht Lea jeden Tag ähnlicher. Hast du heute auch Spätschicht?“, dachte sie laut nach.
„Du bist mein Boss, du machst den Plan. Ich fliege heute Nacht nach Tijuana, schon vergessen? Ich hab das vor Wochen eingereicht“, wunderte sich Jones.
„Du fliegst doch erst am 14. dachte ich?“
„Heute ist der 14., Süße, ich hab das doch schon vor Wochen im Plan eingetragen!“
„Ja, sicher, sorry, der Dezember ist schon schnell vergangen, du kommst am 23. zurück, oder?“
„Ist immer noch geplant, mit Glück zusammen mit Manuelo. Ich weiß, du hältst das für ne blöde Idee, aber ist mein Miles, ich will nicht mehr ohne ihn sein“, erklärte Jones ihr.
„Dann hol ihn dir, Jones, mach nicht denselben Fehler wie ich. Leg dich nur nicht mit irgendwelchen Gesetzen an, ich will dich nicht feuern müssen“, bat sie.
„Ich mach das alles auf legale Weise, versprochen, ich werde auch zu alt für Blödsinn. Jetzt geh duschen, zur Schule fahren kann ich den Zwerg nicht“, bat er.
„Ja, sorry, ich beeil mich. Gib ihm was Gescheites zum Essen“, verschwand sie im Badezimmer.
In ihrer Lieblings-Arbeitsuniform kam sie geduscht in die Küche. Ihr Sohn, der wie sein Vater wilde, rote Locken hatte, saß brav am Tisch. Sie küsste beim Vorbeigehen seinen Kopf und ging zur Kaffeemaschine.
„Mom, krieg ich nen Muffin in mein Lunch-Paket?“, fragte Chase.
„Wenn du versprichst dein Sandwich ganz aufzuessen kriegst du deinen Muffin!“
„Mach ich, versprochen“, bemerkte er.
„Dann kriegst du einen. War es schön bei Onkel Jones?“
„Ja, er hat mich Deadpool anschauen lassen!“
„Hat er? Darüber reden wir noch, Jon‘“, sah sie ihren besten Freund an.
„Was? Ich hab dir gestern sechs Nachrichten geschrieben, irgendwann hatte ich dann die Schnauze voll und hab selbst entschieden“, erwiderte er.
„Hast du wenigstens Vlad angerufen?“
„Der war gut, dein Ex ist ja noch schwerer zu erreichen, als du!“
„Mom, sei nicht sauer mit Jones, ich wollte es so und bei den bösen Szenen hab ich die Augen zugemacht, versprochen“, mischte sich Chase plötzlich ein.
„Ich vergess immer, wie groß zu inzwischen bist, aber solche Filme sind wirklich noch nichts für dich. Tut mir leid, dass ich gestern nicht erreichbar war, Jones, aber ich hatte ne Drillings-Geburt und du weißt wie anstrengend das ist. Okay, einigen wir uns darauf das wir alle gestern nicht so brav waren. Jetzt lasst uns Frühstücken, die Schule fängt bald an“, wollte sie das Gespräch vertagen und der Ablauf des Tages begann.
 
„Du hast heute Nacht wieder nicht geschlafen, oder?“, realisierte Lea, als sie an diesem Nachmittag zusammen am Brett standen und Danera sich die Augen rieb.
„Nein, meine Kontaktlinsen brennen, sonst ist alles gut. Du musst mich nicht bemuttern, Süße, hast ja zu Hause selbst genug Kinder, die du bemuttern kannst“, bat Danera.
„Du brauchst Urlaub!“
„Schon klar, aber seit ich hier das Sagen habe komm ich gar nicht mehr hier raus. Ich hab heut mal wieder festgestellt, dass sich mein Sohn Tag für Tag in einen jungen Mann verwandelt und ich es verpasse!“
„Dann nimm dir frei, Chefin zu sein gibt dir diese Freiheit“, riet sie ihr.
„Auch wenn ich wollte, ich muss mich an die Schulzeiten halten“, entgegnete sie.
„Du könntest ihn auch bei deinem Ex lassen!“
„Er ist nicht sein Vater, er hat keine Verpflichtung!“
„Er war fast 8 Jahre in seinem Leben, er ist sein Vater auf die eine Art oder die andere. Red mit ihm, du warst seit Jahren nicht mehr im Urlaub, du solltest mal wieder eine große Reise machen!“
„Wo soll ich denn allein hinfahren?“
„Keine Ahnung, Florida, Europa, Australien“, zählte Lea auf und nuschelte das letzte Wort.
„Wirklich?“
„Zu offensichtlich?“
„Da du mir seit Jahren vorhältst, dass ich Miles die Wahrheit sagen soll, schon, ja“, konterte sie.
„Es wird Zeit, ist schlimm genug, dass Chase immer noch denkt, dass Vlad der Pfähler sein Vater ist“, hielt sie ihr vor.
„Du hast Recht“, sagte sie völlig überraschend. Lea ließ vor Schreck den Marker fallen.
„Du stimmst mir zu?“, hob sie den Stift auf.
„Ja, wird Zeit“, widerholte sie.
„Warte, das muss ich aufnehmen“, zückte sie ihr Smartphone und ließ sie es wiederholen.
„Soll ich ihn mitnehmen? Das ist ne lange Reise!“
„Miles wird vielleicht niemals hierher zurückkommen, du solltest ihn schon mitnehmen. Ich würde so gern mitkommen“, überlegte Lea laut.
„Wir könnten in den Frühlingsferien gehen mit all den Kindern. Als deine Chefin kann ich das einrichten. Ich hab immer geträumt dir Australien zu zeigen“, konterte sie.
„Dann lass uns das planen, drei Monate sind zwar nicht lange, aber das kriegen wir hin. Bei so vielen Personen mieten wir am besten nen Haus“, plante Lea.
„Das wird richtig cool, jetzt freu ich mich fast darauf. Wir müssen Reisepässe jetzt schon machen lassen, die brauchen nen bisschen“, war Danera fast aufgekratzt.
„Wir haben Reisepässe“, erklärte Lea.
„Das machst du immer noch? Vance wird sein ganzes Leben eingesperrt sein, ihr müsst nicht flüchten!“
„Ich weiß, aber es fühlt sich besser an, wenn wir schnell wegkönnten. Was? Jetzt ist es ja hilfreich. Wir sollten am Wochenende zusammen kochen und den Kindern unsere Pläne erzählen!“
„Das klingt gut, machen wir es bei mir. Ich glaub’s nicht, ich sag ihm endlich die Wahrheit“, war Danera nachdenklich.
„Ja, bin stolz auf dich. Wirst du es Chase hier sagen, oder erst dort?“
„Das muss ich mir noch überlegen, das muss ich aber machen. So, lass uns den Plan anschauen, sieht gut aus. Wir werden mindestens 3 Wochen weg sein, das wird nicht einfach die Schichten zu jonglieren. Vor allem, dass die anderen nicht merken, dass wir das so planen, sonst gibt es Mord und Totschlag!“
„Das krieg ich dann schon hin, ich hab ja hier das Sagen, wenn ihr weg seid, oder?“, hörten sie plötzlich Jones Stimme.
„Jo, wann bist du denn gekommen?“, fragte Danera ertappt.
„Ich war schon vor euch da, wollte euch nicht stören. Diese Fachbücher sind manchmal echt spannend“, hielt er das Buch hoch, was er gerade las.
„Bitte, du machst das nur um alles mitzubekommen. Was willst du, dass du das geheim hältst?“
„Du hast mir so lang freigegeben, um Manuelo zu holen, wir sind cool“, versprach er.
„Gut, danke, das muss ich machen“, erklärte Danera.
„Ja, musst du. Bin stolz auf dich“, erwiderte er.
„Danke, denke ich. Aber ihr beide sagt keinen Ton zu Chase, bis ich das tue, verstanden!“
„Versprochen, ist deine Aufgabe. Aber wir dürfen ihm aber mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn er danach Fragen hat, oder?“
„Das würde ich sogar sehr begrüßen“, versicherte Danera.
„Gut, wir werden ihm beistehen, keine Sorge. Die beiden werden echt sauer sein, wenn sie es erfahren!“
„Danke, das weiß ich. Ich hoffe, sie verzeihen mir“, bemerkte sie.
„Das werden wir dann sehen, ich werde ja dann an deiner Seite sein, wenn es soweit ist. So, lass uns arbeiten, wir müssen noch etwas Geld sparen bis zu unserer Reise“, ging Lea voran aus dem Zimmer.
 
„Es wird für mich immer schwerer für Joy was zu finden, im nächsten Sommer beginnt sie ihr letztes Schuljahr, kannst du das glauben?“, wollte Lea wissen, als die beiden Freundinnen ein paar Tage später Weihnachtseinkäufe machten.
„Ja, echt unglaublich. Diese Halsbänder hier sind doch schön, oder?“, gab sie ihr eine Kette in die Hand.
„Oh nein, ich bin mir schmerzhaft bewusst, was Mädchen machen, die diese Dinger tragen“, entgegnete Lea angeekelt.
„Was meinst du?“
„Richtig, du hast nen Sohn, diese Kette ist ein Zeichen dafür, dass solche Mädchen Oralsex praktizieren“, erzählte Lea beschämt.
„Die Jugend heutzutage, in unserem Alter haben wir es einfach so gemacht“, konterte Danera trocken und Lea kippte die Kinnlade herunter.
„Du machst so was? Wir kennen uns jetzt fast 20 Jahre und das wusste ich nicht von dir!“
„Früher mal, jetzt ekelt es mich extrem an. Hier, diese Kette mit Unendlichkeitssymbol ist schön, oder repräsentiert die auch irgendwas Unanständiges?“, schmunzelte Danera.
„Nein, die ist schön, danke, die nehm ich. Kaufst du Chase das Fahrrad, dass er sich wünscht?“
„Ja, hab fast nen halbes Jahr dafür gespart, hoffe, das geht nicht gleich verloren. Hab überlegt einen GPS-Tracker im Sattel zu verstecken, aber so überwache ich ihn auch damit und das gefällt mir nicht. Wie hast du es mit Jasper gemacht?“
„Ich hab ihm vertraut, heutzutage muss ich ihn ja fast aus der Wohnung prügeln. Er macht nur zwei Sachen, masturbieren, oder Computerspiele spielen“, dachte sie laut nach.
„Er ist also nen normaler 15-jähriger“, frotzelte sie.
„Mach bloß keine Witze, in zwei, drei Jahren wird Chase auch damit anfangen. Er ist echt anstrengend, Joy ist ja so gut wie raus aus der Pubertät, er fängt erst grad an. Wir müssen ihm auf jedem Fall ein eigenes Zimmer geben in Australien, wenn das geht!“
„Auf jeden Fall, ich hab schon recherchiert, in Alice Springs kriegen wir gute Häuser, wenn wir uns bald entscheiden, wir sollten uns Weihnachten zusammensetzen und was buchen“, plante sie.
„Ja, können wir da in Raten zahlen? Nach Weihnachten sieht es wie immer mau bei mir aus!“
„Muss ich mal schauen, sonst tu ich es aus und du gibst es mir, wenn du es kannst“, versicherte sie.
„Du hast doch genauso wenig Geld, Süße!“
„Äh, ja!“
„Du hast ne gewaltige Gehaltserhöhung bekommen, oder?“
„Ich würde nicht sagen gewaltig, aber es vereinfacht Sachen. Es fällt mir nicht leicht darüber zu reden, da ich ja deine Chefin bin, und so!“
„Sicher, geht mich auch nichts an. Sollen wir nachher noch zu dem Platz gehen, wo sie Weihnachtsbäume verkaufen? Du hast doch noch keinen, oder?“
„Nein, Jones wollte mir eigentlich einen besorgen, aber jetzt ist er ja weg. Ich ruf noch Jas an, zu dritt kriegen wir ihn sicher nach Hause!“
„Mit Jasmine hab ich ne Weile nicht mehr gesprochen, wie geht’s Justin und ihr?“
„Gut, soweit ich weiß, wir sehen uns nicht mehr so häufig. Stört es dich, wenn ich sie anrufe?“
„Nein, das ist doch jetzt solange her, wir können vernünftig miteinander umgehen. Ruf sie ruhig an“, bemerkte sie.
„Dann mach ich das. Kannst du mir noch ein paar Weihnachtsbaum-Deko-Sachen leihen? Ich glaub Chas hat inzwischen fast alle meine Ornamente kaputt gemacht!“
„Dann geb ich dir die von meiner Mutter, die hab ich schon immer gehasst“, schmunzelte sie.
„Inzwischen schmeißt er sie nicht mehr runter, keine Sorge!“
„Kann er aber, dann hab ich wenigstens ne Ausrede dafür wo sie sind. Ist echt kalt geworden, vielleicht sollte ich Jasper ne neue Winterjacke kaufen“, ging Lea weiter. Sie sprach nicht viel über ihre Eltern und Danera wollte auch nicht neugierig sein.
 
Eine Woche später, Danera war gerade dabei den Weihnachtsbaum zu schmücken, klingelte ihr Handy.
„Chase, gibst du mir mal mein Telefon?“, bat sie ihren Sohn und der gab es ihr, da sie auf einer Leiter stand.
„Ja, ich übernehme die Kosten“, sprach sie mit einem System.
„Oh gut, du bist noch wach, ich brauch dringend deine Hilfe“, hörte sie die aufgekratzte Stimme ihres besten Freundes.
„Jo, was ist los?“
„Reg dich nicht auf“, begann er.
„Du bist im Knast, oder?“
„Möglich, ich kann das erklären!“
„Unsere Behörden haben sich geweigert, Manuelo herzuholen, du bist ausgerastet, hast zu viel getrunken und bist jetzt im Knast?“, fragte sie rechthaberisch.
„Manchmal hasse ich dich echt“, sagte er ertappt.
„Kenn dich halt schon den ein oder anderen Tag. Wie viel Geld brauchst du?“
„500 Mäuse, ich hab Geld in meiner Wohnung, du musst sie mir überweisen!“
„Wenn ich das überweise kriegst du das nicht vor Neujahr, ich hol dich persönlich da raus“, versicherte sie.
„Du kommst nach Tijuana?“
„Muss ich wohl, muss noch einige Sachen regeln, halt durch“, legte sie wieder auf.
„Chas, wird Zeit deinen Vater anzurufen“, stieg sie von der Leiter und wählte eine andere Nummer.

2. Kapitel

 
Die Weihnachtsdekoration wirkte irgendwie deplatziert, als sie in das Revier von Tijuana ging. Die mexikanischen Polizisten sahen sie an, sie war eine attraktive Frau und sorgte für Aufmerksamkeit.
„Hola, ich möchte gern Mr. Danson auslösen“, kam sie cool an den Tresen des Empfangs.
Der Polizist am Empfang sah sie verwundert an.
„El Gringo“, versuchte sie spanisch zu sprechen.
„Das ist ne Touristen-Stadt, ich kann Englisch, ist nur selten, dass die Ehefrauen ihre Männer auslösen“, erwiderte der Polizist trocken.
„Ich bin sehr verständnisvoll, also?“
„Haben Sie das Geld?“
Sie schob den Umschlag mit dem Geld über den Tresen. Er zählte es und brachte sie zu den Zellen.
„Danson, dein Weib ist da!“
„Meine Frau?“, fragte eine verschlafene Stimme.
„Jones, beweg dich, die Kinder warten zu Hause“, murrte Danera.
„Hör auf deine Frau, Gringo, sie sieht müde und genervt aus“, riet der Polizist ihr.
„Äh, hi … Schatz, danke, dass du gekommen bist“, bedankte sich Jones und die Zelle sprang auf.
„Hatte ja keine andere Wahl. Jetzt komm, unser Flug geht in einer Stunde“, spielte sie verärgert und zerrte ihn aus dem Revier.
„Soweit ich mich erinnern kann haben wir nicht geheiratet“, bemerkte Jones nur, als sie zum Taxi gingen.
„Er hat damit angefangen, ich hab nur mitgespielt. Also was war das? So bist du nicht!“
„Sie wollen Manuelo nicht einreisen lassen“, sagte er traurig.
„Dachte ich mir schon. Tut mir leid, aber du musst ihn zurücklassen, wir holen ihn in die Staaten, versprochen“, versicherte sie ihm.
„Ikann ihn nicht hierlassen, wenn die Mauer kommt werde ich ihn nie wieder sehen“, begann er zu weinen.
„Hey, diese Mauer wird niemals kommen, ganz sicher. Wir suchen nen Anwalt, das kriegen wir hin“, klopfte sie ihm auf die Schulter.
„Bleibt uns nichts Anderes übrig. Ich will mich noch verabschieden!“
„Kannst du, er muss aber zum Flughafen kommen, arg viel Zeit haben wir nicht“, entschied sie.
„Ich ruf ihn gleich an“, schniefte er und rief seinen Freund an.
 
Als Danera dem Pärchen zusah, wie sie sich romantisch und unter Tränen verabschiedeten, hatte sie ein Flashback. 10 Jahre zuvor hatte sie das mit Miles durchgemacht, sie wusste also genau, wie sie sich fühlten.
„Jo, es tut mir leid, aber das ist unser letzter Aufruf, wir müssen“, drängte sie ihn sanft.
„Ich kann nicht gehen“, war Jones total aufgelöst.
„Ich bin seit fast 30 Stunden wach, auch wenn ich herzlos klinge, ist mir scheißegal, komm“, bemerkte sie müde und zog ihn von seinem Freund weg.
„Du bist nicht verliebt, du kannst das nicht verstehen!“
„Nein, bin ich nicht, aber ich hab da gestanden, wo du jetzt stehst. Ich will nicht der böse Bulle sein, aber los“, zog sie ihn am Arm weg.
„Ich bin ein Erwachsener, das kannst du nicht machen!“, nörgelte er.
„Ich bin ne Mutter, ich kann so einiges. Glaub mir, ich mach das nicht gern“, drückte sie ihn Richtung Terminal.
Er weinte den ganzen Flug über. Es brach ihr das Herz, aber es war das richtige gewesen.
 
„Brauchst du keinen Waffenschein dafür?“, frotzelte Lea, als ihre Chefin zu ihrem Dienst erschien. Sie hatte einen dieser supergroßen Kaffeebecher in der Hand.
„Ich bin nicht zu Blödsinn aufgelegt, Lea“, murrte sie und trank einen großen Schluck.
„So schlimm? Wie war Tijuana?“
„Wundervoll, er hasst mich jetzt, ich hab vielleicht 2 Stunden geschlafen und ich musste mir heute Morgen eine einstündige Rede von meinem Ex anhören, das meine Beziehung zu Jones nicht gesund ist!“
„Er ist dein bester Freund, der dunkle Prinz soll sich mal nicht so haben. Ich red mit Jones, er ist traurig, ich kenn das Gefühl zu gut“, erklärte sie ihr.
„Das wäre lieb, danke. Schande, dass ich den nicht leermachen kann“, drückte Danera ihr den Kaffee in die Hand und begann ihre Schicht.
„Ein Baby im Arm macht alles andere so unwichtig, oder?“, fragte Lea sanft, als Danera nachdenklich eins der frischgeborenen Babys badete.
„Sie hat südamerikanische Eltern, was wird wohl mit ihr passieren, wenn sie erwachsen ist?“, philosophierte sie.
„Seit wann bist du so politisch?“
„Sorry, das macht der Schlafmangel. Ist sie nicht süß?“, wollte sie wissen und legte das Baby auf ein Handtuch auf ihrer Schulter.
„Das sind sie doch alle, oder? Sie ist ne Liebe, sie macht das ohne Probleme mit. Gib sie mir, mir gefallen deine zittrigen Hände nicht. Geh nach Hause“, bat Lea.
„Aber ich hab noch zwei Stunden Dienst“
„Die übernehm ich, du machst das Gleiche mal zu einem anderen Zeitpunkt, wenn du wieder fit bist“, übernahm Lea das Baby.
„Ich liebe dich, ich hoffe, das weißt du!“
„Ja, ich weiß, aber ist immer schön zu hören. Geh schlafen, ich sag Susan, sie soll auch Chase mit zu uns mitnehmen, ich bring ihn dann später zu dir“, plante sie.
„Du willst ne lange Schicht schieben und dann heute Abend noch drei Kinder betreuen?“
„Das ist das 21. Jahrhundert, heutzutage teilen sich diese Aufgaben eh Internet und die Glotze. Ich komm klar!“
„Du bist die Beste“, küsste sie sanft ihre Schulter und ging zu den Umkleiden.
 
Sie träumte von Miles. Es war lang her, seit sie sein sanftes Lächeln und seine roten Locken gesehen hatte, aber sein Bild war ganz klar in ihrem Kopf. Sie hatte kaum Fotos von ihm gemacht, sie hatte die meisten verloren, oder gelöscht.
„Er hat meinen Spinner genommen, ich hab es genau gesehen“, hörte sie die dominante Stimme von Jasper. Sie drehte sich im Bett herum.
„Jasper, wir sind hier zu Gast, benimm dich. Sei still, Tante Danera schläft noch“, hörte sie auch Leas Stimme.
„Jetzt nicht mehr, schon gut, ich hab genug geschlafen, sonst schlaf ich heute Nacht nicht. Gib ihm den Spinner zurück, Chase“, kam Danera zu den anderen und streckte ihre Hand ihrem Sohn entgegen.
„Ich hab ihn nicht“, behauptete Chase. Sie griff in seinen Rucksack und holte ihn raus.
„Sorry, nach der Scheidung haben wir ein paar Probleme mit ihm. Hier, der war eigentlich als Weihnachtsgeschenk gedacht, hab viel Spaß damit“, zog sie eine kleine Schachtel aus einer Schublade und reichte sie ihm. Er öffnete die Schachtel.
„Mein eigener Spinner? Danke, Mom“, freute sich Chase.
„Bitte, jetzt geh mit Jasper in dein Zimmer“, forderte sie und die Jungs trotteten davon.
„Hältst du das für die richtige Erziehungsmethode?“, fragte Lea, Danera und Danera sah sie nur an.
„Sicher, ist deine Sache. Geht’s dir besser?“
„Ja, viel besser, danke. Hast du schon mit ihm gesprochen?“
„Nein, er nimmt bei mir auch nicht ab, aber ich hatte auch nicht so viel Zeit öfter als einmal anzurufen. Wie ernst ist es ihm mit Manuelo?“, war Lea neugierig.
„Er hat gesagt, Manuelo wäre sein Miles“, erläuterte sie ihr.
„Okay, dann ist es echt ernst. Wie können wir helfen?“
„Ich werde in ner freien Minute ein paar Anrufe machen, ich weiß es nicht genau. Sie gehören aber zusammen, da bin ich ganz sicher“
„Wie lange sind sie denn zusammen?“
„Kann ich nicht genau sagen, er war im Sommer in Mexiko, vermutlich haben sie sich da kennengelernt. Dafür, dass er ihn so liebt, erzählt er wenig von ihm. Er scheint aber nett zu sein, ich hab ihn in Tijuana kurz kennengelernt. Ach, Liebe ist nicht einfach, egal wen man liebt. Ich hab vorhin von Miles geträumt, das erste Mal seit langer Zeit. Mein Unterbewusstsein ist wohl immer noch nicht fertig mit ihm!“
„Ist es dann gut, dass du ihn wiedersiehst?“
„Keine Ahnung, werde ich dann sehen, deswegen kommst du ja mit. Ich bin noch am Überlegen, ob ich Kiah ankündige, dass wir kommen, ich hab nach der Sache mit Miles den Kontakt mit ihr abgebrochen, ich konnte einfach nicht. Ihre Tochter müsste jetzt auch ein Pre-Teenager sein, ich hab damals geholfen sie auf die Welt zu bringen“, dachte Danera laut nach.
„Du hast in den letzten 15 Jahren tausende Kinder auf die Welt gebracht, diese Geburt scheint dir aber sehr in Erinnerung geblieben zu sein, was?“
„Nicht viele der Kinder habe ich in einem schnellfahrenden Van im Lagerraum zur Welt gebracht“, erwiderte sie.
„Das hast du mir nie erzählt!“
„Auf Tasmanien ist so einiges passiert, weil ich dich liebe, werde ich nicht mehr erzählen“, sagte sie mysteriös.
„Du hast mir die Sache mit dem Haus erzählt, Süße!“
„Hab ich?“
„Die Schmerzmittel bei Chases Geburt waren ziemlich mächtig!“
„Du hast mich nie darauf angesprochen!“
„Ich hab gemerkt, dass es für dich schwierig ist, deswegen hab ich es für mich behalten. Sind wir sicher, wenn wir dahingehen?“
„Ja, sind wir, aber kein Wort zu den Kindern!“
„Ganz sicher nicht. Ich bin inzwischen darüber weg, also lassen wir das Thema!“
„Sicher, wie du meinst. Ich hab gekocht, die Hausaufgaben von Chase sind auch gemacht, musst ihn nur noch ins Bett stecken“, wechselte Lea wieder das Thema.
„Danke, Süße!“
„Immer. Ich bin noch fit, willst du noch etwas abhängen? Die Jungs sind ja beschäftigt!“
„Du bist noch fit? Manchmal bewundere ich deine Stärke!“
„Musst du grad sagen, reist ganz allein nach Mexiko“, konterte sie.
„Er ist wie mein Bruder, ich konnte es nicht ertragen, ihn mir in einem mexikanischen Gefängnis vorzustellen!“
„Hast du ihm das so gesagt?“
„Das weiß er!“
„Glaub ich nicht, ruf ihn an, ich mach uns nen Tee!“
„Du wirst nicht gehen, bevor ich es gemacht habe, oder?“, fragte Danera nur.
„Sieht so aus. Also, Kamille oder Früchtetee?“
„Früchtetee, danke“, murmelte sie und Lea ging in die Küche.
Sie setzte sich auf den Rand ihres Sofas und wählte seine Nummer.
„Hey, danke, dass du mir die Zeit gegeben hast“, meldete sich Jones am Telefon.
„Bitte, wie geht’s dir?“
„Beschissen. Er sollte jetzt bei mir sein!“
„Ich weiß, Süßer, ich weiß. Lea und ich sitzen hier etwas zusammen, willst du nicht herkommen?“
„Tut mir leid, aber ich will lieber allein sein im Moment!“
„Okay, aber du kannst Tag und Nacht anrufen, das weißt du!“
„Danke, ich komm vielleicht auf das Angebot zurück. Sag Lea nen Gruß, sag ihr, ich wollte heute einfach nicht reden!“
„Sag ich ihr. Bitte mach keinen Mist!“
„Bitte, was soll ich denn für einen Mist machen“, spielte er es runter.
„Ich hoffe, das ist nen Scherz!“
„Ja, zu früh?“
„Nen bisschen. Bin ja froh, dass du Witze machen kannst. Wie auch immer, bevor du besoffen in Kanada aufwachst ruf mich an, okay?“
„Mach ich. Tut mir leid wegen der Sachen, die ich im Flugzeug gesagt habe!“
„Hey, ich war doch auch so drauf, als Miles damals wegging, wenn ich damals nicht schwanger gewesen wäre, hättest du mich sicher auch irgendwo besoffen aufgabeln müssen. Kommst du morgen zur Arbeit?“
„Ja, irgendwie muss ich mich ja ablenken!“
„Nüchtern, bitte“, bat sie ernst.
„Ich würde niemals betrunken zur Arbeit kommen!“
„Ja, natürlich, sorry. Ich liebe dich wie einen Bruder, das weißt du? Es bricht mir das Herz was momentan mit dir passiert, ich hoffe, das weißt du!“
„Ich liebe dich auch, Eagle, danke dir so sehr, dass du nach Tijuana gekommen bist, ich hatte ziemlich Angst im Knast!“
„Dachte ich mir, deswegen bin ich auch gleichgekommen. Wiederhol das nur nicht mehr!“
„Hab ich nicht geplant. Wünsch dir nen schönen Abend!“
„Dir auch, irgendwie, hab dich lieb!“, legte sie nachdenklich wieder auf.
 
„Hey, das Wasser ist auf dem Herd. Hast du ihn erreicht?“
„Ja, wir haben uns ausgesprochen, er möchte aber grade allein sein“, erklärte sie ihr.
„Okay, lassen wir ihn, zumindest hast du ihn gesprochen“, setzte sich Lea neben sie aufs Sofa.
„Als seine Chefin mache ich mir Sorgen, dass das seine Arbeit beeinflusst!“
„Er arbeitet länger als wir als Geburtshelfer, er ist ein Profi, er kriegt das hin und wenn nicht, musst du dir dann erst Gedanken darübermachen. Hast du Kekse da? Hätte jetzt Lust darauf!“
„Im Nähzeug auf dem Kühlschrank, bedien dich“, erwiderte sie und Lea ging wieder in die Küche.
 
Der Winter wich dem Frühling und bald standen die Frühlingsferien bevor.
„Okay, am Dienstag triffst du den Anwalt, wenn alles gut geht kriegst du die 30-Tage-Genehmigung in einem Monat. Dann sind wir wieder zurück und klären den Rest!“, besprach Danera in ihrem Büro die Einzelheiten mit Jones.
„Ist aber nicht so ein homophober Idiot, oder?“, fragte Jones, der auf dem Sofa in ihrem Büro Unterlagen durchsah.
„Ich hab dir extra einen homophoben, sexistischen Nazi gesucht“, entgegnete sie trocken.
„Sorry, war nen langer Tag, natürlich hast du einen verständnisvollen gesucht. Du warst sogar so gut, dass du einen Ratenzahlungs-Plan mit ihm verhandelt hast. Du bist echt eine gute Vorgesetzte!“
„Das mach ich privat, das ist dir schon klar?“
„Ja, schon klar, aber ich war am Tag deiner Beförderung etwas pampig zu dir weil ich ja der Dienstältere bin und so, aber du machst nen tollen Job, das wollte ich mal so sagen!“
„Das hätte dein Job sein sollen, obwohl sie hier alle so auf offen machen, bist du übergangen worden wegen deiner sexuellen Orientierung“, erklärte sie.
„Das glaubst du doch nicht wirklich? Du hast das genauso verdient wie ich, dich haben sie genommen, egal weswegen, das ist jetzt auch nicht wichtig!“
„Das ist aber nicht fair!“
„Das Leben ist nicht fair, so ist es halt, aber wenn ich eine Chefin haben wollte, wäre es immer du gewesen!“
„Hab dich auch lieb, aber du bist doch ein großer Verfechter für Schwulenrechte, du solltest dagegen angehen!“
„Ja, im Privaten, wenn ich das öffentlich mache, sorgt das nur für Ärger. Lass es sein, Eagle!“
„Mach ich, keine Sorge, überrascht mich nur. Zieh dir nen Anzug an, nur um dich etwas zu präsentieren!“
„Ich besitze gar keinen Anzug“, murmelte er.
„Na toll, dann kauf dir einen!“
„Kannst du mitkommen?“
„Tut mir leid, diesmal nicht, ich muss noch so viel planen für unsere Reise. Wir fliegen schon am Freitag und bis dahin hab ich noch drei Nachtschichten“, entschuldigte sie sich.
„Dann frag ich Jas, Lea ist vermutlich genauso im Stress!“
„Oh ja, lass sie bloß in Ruhe. Was die alles für die Reise besorgt hat, man könnte glauben, wir campen mitten im Amazonas-Gebiet“, schmunzelte sie.
„Sie war noch nie außerhalb von Ohio, sie will vermutlich nur vorbereitet sein. In Australien gibt es Dutzende Tiere, die dich töten können, man kann nie vorsichtig genug sein. Bin fast etwas neidisch, das wird sicher ne tolle Reise“, entgegnete er.
„Ich muss meinem Sohn und seinem Vater endlich die Wahrheit sagen und das nach so vielen Jahren, ein gemütlicher Urlaub wird das nicht, glaub mir!“
„Das hilft etwas, danke“, grinste er breit.
„Immer noch hab keine Ahnung, wie ich es anstellen soll. Chase könnte vielleicht inzwischen realisiert haben, dass Vlad nicht sein Vater ist, sie sehen sich so gar nicht ähnlich“, dachte sie laut nach.
„Sag es ihm auf jeden Fall bevor er vor seinem Vater steht, er muss diese Sache erstmal verdaut haben, bevor er vor vollendete Tatsachen gestellt wird!“
„Danke, das weiß ich, aber wie sagt man so was seinem Kind?“
„Das weiß ich nicht, tut mir leid!“
„Ich werde es ihm heute Abend sagen“, entschied sie plötzlich.
„Soll ich dazu kommen? Vielleicht will er danach mit jemandem anderen außer dir darüber reden!“
„Das wäre ganz lieb, du bist ja auch eine Vaterfigur in seinem Leben, fast mehr als Vlad es ist. Soll ich Vlad darüber auch informieren? Ich meine, ist eigentlich ne Sache zwischen Chase und mir, aber er hat ihn mit mir aufgezogen“, dachte sie laut nach.
„Du kannst ihn informieren, aber dazu sagen darf er nichts“, riet er ihr.
„Ja, das stimmt!“
„Du siehst mich als Vaterfigur für deinen Sohn an?“
„Natürlich, ich hab dich doch nicht umsonst zu seinem Paten gemacht“, sagte sie liebevoll.
„Es ist mir eine Ehre, ihm ein Vater zu sein. Was ist, wenn Miles ihn nicht sehen möchte?“, sprach er plötzlich an.
„Dann machen wir drei Wochen Urlaub in Australien und kommen zurück!“
„Und was sagst du deinem Sohn?“
„Ich werde mit ihm auch diese Möglichkeit besprechen!“
„Du weißt schon, dass das einem 10-jährigen zu erklären nicht so einfach ist, oder?“
„Ja, weiß ich, man, warum findest du immer Probleme für einfache Lösungen?“, murmelte sie.
„Wollte es dir nur klarmachen, ich hab die Erfahrung auch gemacht, wie du weißt!“
„Dein Vater war ein homophober Arsch, Miles ist anders!“
„10 Jahre sind ne lange Zeit, er war schon damals kein Super-Dad-Material!“
„Danke für die Erinnerung, ich will mit ihm auch keine Familie gründen, er soll nur endlich seinen Sohn kennenlernen, mehr nicht!“
„Das ist auch richtig, ich will dir nur klarmachen, auf was du dich einlässt!“
„Ja, das weiß ich, na toll jetzt bin ich doch nervös wegen allem“, stand sie auf und nahm ihre Tasche.
„Wo willst du hin?“
„Meinen Sohn abholen, wenn ich es nicht gleichmache, werde ich es nicht mehr machen“, schulterte sie ihre Tasche.
„Gut, dann machen wir es zusammen“, kramte er seine Sachen zusammen und folgte ihr.
 
„Mom, es ist zwar super, dass wir Eis essen gehen, aber irgendwas ist doch, oder?“, fragte Chase altklug, als sie, nachdem sie ihn von der Schule abgeholt hatten, in der nahgelegenen Eisdiele saßen.
„Du wirkst manchmal echt wie ein Erwachsener, lass das, du bist noch ein Kind. Aber ich muss mit dir gerade über was Erwachsenes reden. Es ist vermutlich viel zu spät mit dir darüber zu reden, aber Vladimir ist nicht dein Daddy“, begann sie gerade heraus.
„Ich weiß“, sagte er nur.
„Was? Du weißt es?“
„Ich seh aus wie ein Weasley, nicht wie er!“
„Man, du wirst jeden Tag mehr wie dein Vater“, redete sie vor sich hin.
„Du weißt also, wer mein Vater ist?“
„Ja, das weiß ich, er heißt Miles Woomera, aber alle nennen ihn Jarrah. Wir werden nach Australien gehen um ihn zu besuchen. Er weiß auch nichts von dir, es tut mir so leid, ich hab das viel zu lang schleifen lassen“, erklärte sie ihm mit einer ruhigen Stimme.
„Ist er cool?“, wollte Chase nur wissen.
„Der coolste überhaupt, so wie Crocodile Dundee!“
„Wer ist Crocodile Dundee?“, wunderte sich Chase.
„Verdammt, ich werde alt. Wir werden uns den Film noch ansehen, dann verstehst du es!“
„Was ist, wenn er mich nicht sehen möchte?“, sprach er das an, was sie befürchtet hatte.
„Er ist ein lieber Mann, ich hoffe, er wird dich akzeptieren, aber ich kann es nicht sagen“, erläuterte sie weiter.
„Wenn er mich nicht sehen will, ist er kein lieber Mann“, konnte er nur sagen.
„Du bist so ein kluges Kind, das ist so richtig. Wenn er nicht lieb ist, müssen wir nie mehr mit ihm reden“, versicherte sie ihm.
„Aber du liebst ihn?“, wollte er ganz überraschend wissen.
„Ähm ... nicht, wenn er dich nicht liebt“, stotterte sie.
„Verdammt, wenn er redet hör ich immer öfter Miles reden“, mischte sich Jones plötzlich ein.
„Wirklich? Das ist deine Unterstützung? Fluchen?“
„Sorry, bin wieder still!“
„Du hast meinen Vater gekannt?“, drehte sich Chase zu seinem Patenonkel.
„Ja, hab ich“, erwiderte er und sah für Bestätigung zu Danera.
„Erzähl es ihm ruhig“, bemerkte sie.
„Dein Dad hat etwa ein Jahr hier gelebt, aber er ist zurück nach Australien gegangen. Er wäre sicher geblieben, wenn er von dir gewusst hätte“, erklärte er ihm.
„Warum hat er es nicht gewusst?“, fragte Chase. Danera atmete tief ein. Sie fühlte Tränen kommen, also stand sie auf und ging ein paar Schritte.
„Was ist mit ihr?“
„Lass sie kurz, lass uns das Eis bestellen“, lenkte Jones ihn ab und sie bestellten.
„Hey, alles klar?“, fragte Jones, als er neben seiner besten Freundin auf dem Sofa in ihrer Wohnung saß. Chase hatten sie zuvor zum Fußball gebracht.
„Nein, nicht wirklich. Diese Frage von ihm hat mich umgehauen, ich hab jetzt zehn Jahre gedacht, ich wüsste, warum ich ihn gehen ließ, aber ich weiß es nicht“, erklärte sie ihm.
„Du hast ihn geliebt und hast gemerkt, dass er nicht hierhergehört. Das war sehr nobel von dir!“
„Das war nicht nobel, das war dämlich!“
„Nein, Süße, wärst du mit ihm zurück ins Outback gegangen? Das war richtig so“, entschied er.
„Das hast du damals auch gesagt, aber das ist immer noch nicht war. Ich hätte ihn nicht gehen lassen sollen!“
„Was auch immer du vor hast, lass es“, realisierte er.
„Ich weiß nicht, was du meinst!“
„Eagle, ich kenn dich sehr lange, du hast doch nen Plan!“
„Nein, keinen Plan, die Situation hat sich nicht geändert, er gehört dahin, ich gehör hierhin!“
„Aber du liebst ihn noch?“
„Ja, weißt du doch, aber er ist der, der mir entwischt ist, mehr nicht!“
„Das ist mehr, als “mehr nicht“, du wirst ihn bald sehen, was passiert dann?“
„Gar nichts“, murmelte sie.
„Du hattest nach Vlad nicht wirklich nen Kerl, du wirst dich auf ihn stürzen wie ein wilder Coyote“, realisierte Jones.
„Ganz sicher nicht, vermutlich ist er inzwischen verheiratet und hat ein paar andere Kinder!“
„Ja, vielleicht, und wenn nicht?“
„Das werde ich dann entscheiden. Jetzt hör auf damit“, erwiderte sie und griff in eine Schublade, aus dem sie ein großes Messer herauszog.
„Wow, ja, ich hör ja schon auf. Was ist los mit dir?“
„Oh nein, das ist Miles‘ altes Rasiermesser, das hab ich ihm gekauft, nachdem er sich wochenlang mit normalen Rasierern abgemüht hat. Er hat es bei mir gelassen, hat es wie du dir vielleicht denken kannst nicht durch den Zoll gekriegt. Ich wollte es Chase geben, wenn er 18. wird, aber jetzt …“, erklärte sie nachdenklich.
„Wenn du es ihm jetzt geben willst ruf ich den Sozialdienst, Süße!“
„Gut zu wissen, aber nein, ich will es dir geben!“
„Äh, was, nein, wieso?“
„Nimm es einfach, bitte“, bat sie und gab ihm das Messer, was in einem Lederumschlag lag.
„Okay, ist vielleicht besser, wenn es nicht im Haushalt mit einem 10-jährigen ist. Erklärst du mir, was das soll?“
„Ich weiß es selbst noch nicht so genau, behalt es bei dir, bis ich es weiß, okay?“
„Ja, sicher, muss es nicht verstehen, aber okay. Dir geht’s aber gut?“
„Ja, mir geht’s gut, war nur nen langer Tag. Ich würde jetzt gern allein sein“, bat sie.
„Sicher, Süße, dann fahr ich mal heim, muss ja noch einen Anzug kaufen“, erwiderte er und ließ sie allein.

3. Kapitel

 
In der Nacht träumte sie wieder von Miles. Die Träume wurden immer klarer, sie musste an die Traumzeit denken, die ihr von Miles‘ Schwester Kiah erklärt worden war. Bedeuteten die Träume etwas?“
„Süße, Frühstück ist fertig“, hörte sie Leas Stimme. Dies weckte sie.
„Du bist grad nicht wirklich in meinem Schlafzimmer, oder?“, fragte sie ohne ihre Augen zu öffnen.
„Rührei mit Speck und ein Croissant von deinem Lieblingsbäcker, ich kann es auch deinem Sohn geben“, erwiderte Lea und sie hörte einen Teller, der über ihren Nachttisch geschoben wurde.
„Du hast mir Frühstück gemacht? Ich soll Babysitten, oder?“, drehte sie sich zur Seite und öffnete die Augen.
„Meine Kinder sind alt genug um mal allein zu sein, das ist es nicht. Wollte dir nur was Gutes tun“, sagte sie lächelnd.
„Dann danke“, setzte sie sich mit verwundertem Gesichtsausdruck auf und begann zu essen.
„Dein Sohn hat auch was, sein Vesper ist auch gepackt und ich nehm ihn nachher mit!“
„Okay, das war nen bisschen zu viel des Guten, was ist los?“
„Nichts ist los, was soll los sein?“
„Lea, ich weiß schon im Halbschlaf, wenn du was planst!“
„Meinetwegen, Jones hat mir geschrieben, dass er sich Sorgen um dich macht nach gestern!“
„Was war gestern?“
„Du hast es deinem Sohn gestern gesagt und dann hast du sein Messer verschenkt, das Messer ist dir sehr wichtig, warum hast du es weggeben?“
„Das Messer ist mir doch nicht wichtig“, mampfte sie.
„Eagle!“
„Was?“
„Ich war damals Tag und Nacht an deiner Seite, wen willst du hier belügen?“
„Okay, das Messer bedeutet mir viel, aber ich möchte es momentan nicht in meiner Wohnung haben, das ist alles!“
„Hat Chase was mit dem Messer gemacht?“
„Nein, er wusste nicht, dass es da ist!“
„Ich bin nicht mehr so sicher, dass unsere Reise so eine gute Idee ist“, stellte Lea fest.
„Könnt ihr beide das mal lassen? Alles ist gut!“
„Wenn du das so sagst. Ich hol dir noch nen Kaffee, iss auf“, bat sie und ließ sie allein.
Essend kam sie ihrer Freundin hinterher.
„Mom, Tante Lea hat Bacon gemacht“, saß Chase wie die meisten Tage brav am Frühstückstisch.
„Ja, sie macht den wirklich immer super lecker. Wie hast du geschlafen, mein Süßer?“, nahm sie Lea den Kaffeebecher aus der Hand und füllte sich selbst Kaffee ein.
„Musste über so einiges nachdenken“, erklärte er ihr.
„Ja, denke ich mir. Bist du sauer auf mich?“, fragte sie vorsichtig.
„Nein, du bist meine Mommy“, sagte er nur.
„Ich hab dich lieb, Schatz, aber du kannst auch auf deine Mommy sauer sein, sie hat etwas falsches gemacht!“
„Ich bin schon etwas sauer auf dich“, sagte er vorsichtig.
„Das darfst du sein, ich hoffe nur, irgendwann bist du nicht mehr sauer auf mich!“
„Das weiß ich jetzt noch nicht“, wusste er nicht genau, was er sagen sollte.
„Ja, ich weiß und das ist okay, Süßer, alles was du fühlst ist gut“, entschied sie, beugte sich zu ihm runter und umarmte ihn fest.
„Muss ich ihn mögen?“, fragte er plötzlich.
„Deinen Dad, meinst du? Nein, natürlich nicht“, versicherte sie ihm.
„Hat er auch rote Haare?“
„Ja, feuerrot“, schmunzelte sie und ihr Gedanke ging sofort wieder zu Miles.
„Wurde er in der Schule auch gehänselt?“
„Das weiß ich nicht, warte, du wirst in der Schule gehänselt?“, fragte sie erstaunt und er sah sie vielsagend an.
„Mom, ich seh aus wie ein Troll, was denkst du?“
„Du musst mir das doch sagen, Süßer!“
„Bitte mach nichts, ich komm damit klar“, bat er mit ungewohnt ernster Stimme.
„Bist du sicher?“
„Ich finde die Weasleys sind immer die coolsten Charaktere in den Filmen, die können mir gar nichts“, erwiderte er mit starker Stimme.
„Du bist mein kleiner Held, ich hoffe, das weißt du!“
„Ich bin doch kein Held, ich bin einfach ich“, sagte er, weil er nicht ganz verstand, was sie meinte.
„Das hätte er auch gesagt“, murmelte sie vor sich hin.
„Ist er auch ein Held?“, wollte er überraschend wissen.
„Für mich war er es“, konterte sie.
„Dann ist er es“, stellte er klar.
„Ja, das stimmt. Jetzt iss deinen Bacon, ich geh duschen“, bat sie, stand auf, küsste seinen Kopf und ging ins Badezimmer.
 
„Du hast in der Dusche geweint, oder?“, fragte Lea, als sie nur im Handtuch aus ihrem Badezimmer kam.
„Jeez, Lea, ich dachte, du wärst schon weg“, erschreckte sie sich gewaltig.
„Sind grad auf dem Sprung. Also?“
„Geht dich nichts an, bring einfach meinen Sohn wie versprochen in die Schule und wir sehen uns auf der Arbeit“, murrte sie.
„Gut, dann sag es mir nicht. Ich bin heute in der Notaufnahme bei den Frühchen, also wenn du mich sehen willst, musst du hochkommen“, erklärte sie und ging aus dem Haus.
 
Sie ging ihre Liste nochmal durch. Sie hatte sicher zu viel eingepackt.
„Chase, wir sind drei Wochen weg, ich denk mal mehr als drei Unterhosen wären angebracht“, sah sie skeptisch von ihrer Liste auf. Sie ging die Sachen ihres Sohnes durch.
„Eine Unterhose pro Woche reicht doch!“, nörgelte er.
„Ich setz dich im Outback aus, wenn du nur ein Mal pro Woche deine Unterhosen wechselst. Hier sind nochmal 10, die reichen zwar nicht, aber wir können dort waschen“, schmiss sie weitere Unterhosen aufs Bett.
„Ist überhaupt noch Platz dafür in den Reisetaschen?“, neckte er seine Mutter.
„Witzig, Klugscheißer, das passt alles, keine Sorge. Wo ist deine Badehose? Und wehe du sagst jetzt, du badest nackt!“
„Da hinten, Mom“, murrte er.
„Ah, ja richtig, sorry. Nimm bitte deine billigen Kopfhörer mit, die Teuren gehen im Flugzeug sonst sicher verloren“, bat sie.
„Okay, brauchst du deinen Föhn? Hast du mit Tante Lea, oder Joy abgesprochen, ob ihr einen teilen könnt?“, wollte Chase wissen.
„Das ist ne gute Idee, das ist ein Gewicht was ich einsparen kann. Dein Tablet können wir auch mit den anderen teilen“, stellte sie fest.
„Wow, keiner fasst mein Tablet an!“
„Dann lassen wir es da!“
„Ich könnte auch mit den anderen teilen“, gab er nach.
„Siehst du, geht doch. Wo ist deine Mütze mit Nackenschutz?“, plante sie.
„Die sieht doof aus!“
„Weißt du, was auch doof aussieht? Hautkrebs. Die kommt mit“, bat sie.
„Aber Mom!“
„Die Sonne knallt da fast doppelt zu stark wie hier, du bist zwar ein stolzer Weasley, aber das heißt auch rothaarig. Vielleiht finden wir dort auch einen schönen Hut, dann tauschen wir deine Kopfbedeckung. Bist du nervös vor der Reise?“
„Schon etwas, aber ich freu mich auch. Müssen wir das Flugzeug wechseln?“
„Ja, einige Male, das ist eine lange Reise. Tu mir bitte den Gefallen und mach während der Reise alles was ich dir sage. Du bist allgemein mein kleiner braver Junge, aber bei der Reise musst du besonders lieb sein. Wir werden vermutlich 1-2 Tage nicht geschlafen haben, bis wir endlich da sind und ich kann auch nicht immer topfit sein. Also müssen wir zusammenarbeiten“, sprach sie mit ihm wie mit einem Erwachsenen.
„Mom, ich bin schon zehn“, versicherte er.
„Richtig, wir müssen noch deinen Seniorenausweis holen“, schmunzelte sie und stupste ihn sanft in die Seite.
 
Da standen sie also, mit viel zu vielen nörgelnden Teenagern und noch mehr schweren Taschen am Flughafen von New York City. Sie waren von Jones vor ein paar Stunden dorthin gefahren worden um einen Flug überspringen zu können. Die Kinder, die noch nie in einer Großstadt gewesen waren, sahen begeistert das riesige Terminal an.
„Okay, wie geplant, die Brodys gehen voran, wir gehen als nächstes“, plante Danera routiniert. Sie wurde an diesem Tag immer nervöser und holte sich Entspannung in der Planung.
„Ihr habt den Boss gehört, los“, kramte Lea all ihre Pässe heraus und die drei checkten ein. Als die drei schon in der Abflughalle saßen, kam sie mit ihrem Sohn dran.
„Morgen, große Reise habt ihr davor, was?“, fragte die Frau am Check-In locker.
„Ja, sieht so aus“, erwiderte Danera abgelenkt.
„Wir besuchen meinen Vater“, warf Chase ein.
„Dann bist du ja weit weg von deinem Dad, ist er Übersee stationiert?“
„Er weiß nicht, das ich existiere“, sagte er nur.
„Da er auf ner Insel ist, kann er nicht so schnell abhauen, verstehe“, sah die Check-In-Frau Danera vielsagend an.
„Machen Sie einfach Ihren Job, bitte“, murrte sie.
„Sicher, wollte nur nett sein“, war die Frau etwas überrumpelt.
„Verzeihen Sie, ist ne harte Reise für mich, danke, dass Sie so nett sind“, sagte Danera freundlicher.
„Bitte, keine Sorge, das wird schon“, versicherte die Frau und checkte sie ein.
 
Sie waren vermutlich irgendwo über dem Atlantik und die Kids schliefen, als Lea, Danera an die Schulter stupste.
„Süße, komm mal kurz mit, wir müssen reden“, bat sie.
„Okay, lass uns etwas weggehen, bin froh, dass die Kids etwas schlafen“, ging sie mit ihr zu den Toiletten.
„Wie fühlst du dich?“, begann Lea.
„Ich könnte mich übergeben, mir ist so übel“, entgegnete sie.
„Glaub ich dir, du hältst dich gut!“
„Nur äußerlich. Ja, ich hab neulich in der Dusche geheult“, gestand sie ihr.
„Ja, ich weiß, ist zwar etwas spät das zu fragen, aber kommst du klar?“
„Frag mich in 20 Stunden nochmal, momentan weiß ich es nicht!“
„Wusste, dass du das sagst“, zog sie zwei Schnapsfläschchen aus ihrer Strickjacken-Tasche.
„Sweetie, wir müssen noch Autofahren“, schmunzelte sie.
„Ja, morgen, heute trinken wir. Wir haben all unsere Kinder in einen Flieger auf einen anderen Kontinent verfrachtet, Zeit zu feiern und keiner ist dabei verloren gegangen“, erwiderte Lea und leerte ihr Fläschchen.
„Wenn wir in Kapstadt durch sind haben wir sogar zwei Kontinente hinter uns gelassen!“
„Richtig, darüber hab ich gar nicht nachgedacht. Wie hast du das damals gemacht? Das ist ganz schön aufregend“, entgegnete Lea aufgekratzt.
„Wenn du das aufregend findest, bist du noch nie in einem kleinen Flugzeug aus Tasmanien geflogen“, konterte Danera.
„Du warst auf Tasmanien?“
„Verdammt, warum fang ich immer wieder damit an?“, murmelte Danera und trank den Alkohol schnell herunter.
„Wir haben 20 Stunden und ich bin überhaupt nicht müde, Zeit zum Erzählen, Süße“, forderte sie.
„Na gut, aber die Kids dürfen das nie erfahren“, begann sie von den letzten Tagen ihres Aufenthalts auf dem Kontinent zu erzählen, auf den sie jetzt zusteuerten.
 
„Das war ein Unfall“, versicherte Lea ihr, als sie ihr alles erzählt hatte. Sie saßen auf dem Boden vor den Stationen der Bedienungswagen.
„Na ja, nicht so wirklich, wir haben das Feuer mit Absicht gelegt“, überlegte sie laut.
„Ja, aber nicht, um jemanden zu töten. Sie hatten euch gefangen genommen, es war Notwehr!“
„Möglicherweise, ich hab aber lang daran geknabbert, ich schenke Leben, nicht umgekehrt!“
„Sie hatten es verdient. Das war auch die Familie deines Sohnes“, stellte Lea plötzlich fest.
„Ja, aus diesem Grund müssen wir das mit der Beziehung von meinem Sohn zu Miles so wenig erwähnen wie möglich, wir wissen ja nicht, wer mithört“, bat sie.
„Verstanden, das musst du auch noch Chase erklären ohne ihm die ganze Story zu enthüllen!“
„Das wird noch lustig, keine Ahnung, wie ich ihm das erklären soll. Entschuldige mich“, rappelte sie sich auf und rannte zu den Toiletten.
 
„Hast du dich übergeben?“, fragte Lea, als sie zurückkam.
„Jup, Nervosität und Alkohol ist keine gute Mischung. Jetzt möchte ich schlafen“, torkelte sie zu den Sitzen zurück, auf dem sie die nächsten Stunden wieder schlafend verbrachte.

4. Kapitel

 
„Mom, wir landen“, hörte sie wie aus der Ferne die Stimme ihres Sohnes. Erschreckt setzte sie sich auf.
„Was, wo sind wir?“, fragte sie verwirrt.
„Kurz vor Kapstadt, du warst ne Weile weggetreten, alles klar mit dir?“, beugte sich Lea von ihrem Sitz aus zu ihnen.
„Ja, das nennt sich schlafen, wir sind wirklich schon in Afrika?“
„Beinahe. Kaffee gab’s leider schon, aber ich hab der Flugbegleiterin gesagt, sie soll dir ne Cola hinstellen“, erwiderte Lea freundlich.
„Danke, okay, Chase, es ist Tag, lass uns Afrika anschauen, bis wir landen“, rappelte sie sich auf und sah mit ihrem Sohn zusammen aus dem Flugzeugfenster bis sie landeten.
 
In Kapstadt hatten sie nur kurzen Aufenthalt. Da Danera etwas durcheinanderschien übernahm Lea kurzerhand die Planung.
„Okay, jeder hat seine Wasserflasche? Die trinkt ihr jetzt aus, wir haben im Flugzeug nicht wirklich viel zu trinken bekommen, das wird auf dem nächsten Flug nicht anders sein. Es ist sieben Uhr morgens und jeder hat geschlafen, bitte bleibt die restliche Zeit bis Alice Springs wach, dann wird der Jet lag nicht so heftig. Ihr könnt in der Ferienwohnung dann solang schlafen wie ihr wollt, wir haben sonst nichts Weiteres geplant“, erklärte Lea in die Runde.
„Ich hab Hunger“, warf Chase ein.
„Du hattest doch was im Flugzeug, Süßer“, wunderte sich Lea.
„Das war eklig“, bemerkte Chase.
„Okay, ich besorg dir was, Joy, da deine Tante Dani wohl etwas weggetreten ist hast du während meiner Abwesenheit das Sagen. Bleibt einfach hier stehen, noch jemand was zum Essen?“
„Ich hab ehrlich gesagt mein Essen auch kaum angerührt“, erklärte die 17-jährige ihrer Mutter.
„Was willst du denn essen?“
„Chips mit Käsegeschmack wenn sie haben, sonst Barbecue-Geschmack“, erwiderte sie.
„Okay, wer will das auch?“, wollte sie wissen und die Jungs hoben auch ihre Hände.
„Dann kriegt ihr ne Runde Chips, Eagle willst du auch was?“
Danera schüttelte den Kopf.
„Dann nicht, Joy, du passt auf, nehmt eure Taschen in die Mitte, ich bin bald zurück“, entgegnete sie, sah Danera nochmal in die trüben Augen und ging in den Supermarkt im Flughafen.
 
Als sie mit einer Tüte voller Essen zurückkam, waren zu ihrer Erleichterung alle noch da.
„Wo warst du?“, fragte Danera.
„Willkommen zurück bei den Lebenden, ich hab deinem Kind was zu essen geholt, ich hab dir auch was mitgebracht“, erwiderte Lea und gab ihr ein Pita-Brot mit Käse.
„Du bist die Beste, ich hab echt Hunger“, bedankte sie sich.
„Dachte ich mir, hab dich bis jetzt auch nicht Essen sehen. Ist dir noch übel?“
„Nein, geht wieder, danke. Wir sind tatsächlich in Afrika, ich hätte mir den Flughafen in meinem naiven amerikanischen Kopf nicht so modern vorgestellt“, biss sie beherzt in ihr Brot.
„Das hab ich auch gedacht. Also, wir haben ne halbe Stunde zum Essen, werft euer Zeug danach wieder in die Tüte und dann geht’s weiter. Wir haben noch ne Weile Flug vor uns, kontrolliert nochmal eure Stützstrümpfe, ich weiß, die sind peinlich, aber werden vor Thrombose schützen. Die Dinger sind verdammt eng, aber in ein paar Stunden seit ihr sie für ein paar Wochen los“, plante Lea und Danera umarmte ihre Freundin plötzlich.
„Du bist meine beste Freundin, ich liebe dich“, sagte sie nur.
„Ich weiß, ich dich auch, Süße. Essen wir“, bat sie und sie setzten sich in eine Runde und aßen.
 
Sie setzte ihre ersten Schritte wieder auf australischen Boden. Für eine Sekunde war es, als hätten die letzten zehn Jahre nicht stattgefunden. Bis zu dem Moment, als ihr Sohn sie sanft anstieß.
„Mom? Komm, wir müssen zur Autovermietung“, bat Chase. Sie war ohne es zu merken stehen geblieben.
„Ähm, ja, sorry, war in Gedanken. Das ist das Land deiner Ahnen, mein Süßer“, legte sie sanft ihre Arme um seine Brust.
„Ja, meine Verbrecherahnen“, murmelte er.
„Was hast du gesagt?“, fragte sie entsetzt.
„Das war doch ne Verbrecher-Insel, das hatten wir grade in der Schule“, erklärte er ihr.
„Ach so, ja, Süßer, das ist so lange her, das sind tolle Leute hier, erwähn das bitte nicht, das ist ein heikles Thema“, bemerkte sie.
„Verstanden. Was für einen Beruf hatte mein Vater als du ihn kennengelernt hast?“
„Er war so dies und das“, erklärte sie stockend.
„Also ein Verbrecher, na toll“, bemerkte Chase.
„Wie kommst du auf sowas?“, stammelte sie.
„Hab geraten, du bist so wage, also kann es nur so etwas sein“, sagte er altklug.
„Du bist manchmal so weise, dass ich vergesse, wie jung du noch bist“, dachte sie laut nach.
„Das hab ich von dir, Mom“, versicherte er und sie küsste seinen Kopf.
„Danke, mein Süßer. Gehen wir, bevor die anderen ohne uns losfahren“, erwiderte sie und zog ihn zur Autovermietung.
 
Sie hatten einen Van gemietet, der allen Platz bot. Lea fuhr und Danera sah die Landschaft an sich vorbeiziehen, während sie ihren schlafenden Sohn im Arm hatte.
„Wie ist es wieder hier zu sein?“, fragte Lea nach hinten.
„Komisch, aber auch schön. Es ist toll euch dabei zu haben“, erklärte sie ihr zufrieden.
„Chase schläft, was? Hat es wohl nicht länger ausgehalten, der Arme“, schmunzelte Lea.
„Deine Kinder sehen auch aus, als würden sie gegen den Schlaf ankämpfen. Wir sind sicher bald da, meine Süßen“, sah sie auf die erschöpften Jugendlichen.
„Noch ein paar Meilen, dann könnt ihr solang schlafen wir ihr wollt“, versicherte Lea, die aufs Navi sah.
„Lea, Linksverkehr“, ermahnte Danera sie, als ihre Freundin vom Weg abkam.
„Sorry, bin auch langsam müde“, wechselte sie wieder die Straßenseite.
„Zumindest sind wir jetzt alle wieder wach. Versuch uns nicht umzubringen, okay?“, schmunzelte sie.
„Ja, ich versuch es. Bin froh, dass es dir besser geht“, bemerkte Lea.
„Mir geht es besser seit wir hier aufgesetzt haben, weiß nicht, was das zu bedeuten hat. Ich brauch vermutlich ein paar Stunden Schlaf, dann ist alles wieder gut“, entgegnete sie.
„Die brauchen wir alle“, erkannte Lea und fuhr sie zu dem etwas abgelegenen Haus.
„Sieht gut aus, lasst uns reingehen und die Zimmer verteilen“, schulterte Danera ihre Reisetasche und die anderen folgten ihr in das Haus. Es war ein renoviertes Farmhaus mit mehreren Zimmern.
„Okay, wir Erwachsenen machen die Tödlichen-Tiere-Runde, dann könnt ihr schlafen“, plante Lea und alle luden ihre Sachen ab.
„Richtig, Australien, wenn ihr irgendwas großes und/oder giftiges im Wohnzimmer seht, geht bitte nach draußen, darum kümmern wir uns dann“, bat Danera und Lea und sie gingen die Treppe hoch.
„Haben die gerade tödliche Tiere gesagt?“, drehte sich Joy zu ihrem kleinen Bruder um.
„Du solltest mal mehr deinen Kopf in ein Buch stecken, als in Snapshot-Geschichten, auf dieser Insel leben die meisten tödlichen Tiere der Welt“, bemerkte Jasper trocken.
„Ich werde sowas von in meinem Schlafsack schlafen“, murmelte Joy.
 
„So, soweit wir gesehen haben ist hier alles gut isoliert und es sind keine Tiere reingekommen, lasst bitte die Fenster zu. Jetzt lasst uns schlafen, Joy kriegt das Zimmer ganz hinten, die Jungs die Zimmer daneben und wir Erwachsenen schlafen einer hier unten, einer oben in eurer Nähe. Wie wollen wir es machen, Süße, wer kriegt was?“
„Schere, Stein, Papier“, entschied Danera.
„Gute Idee, drei aus drei?“
„Wie immer“, bemerkte sie und so losten sie.
Lea fluchte, als sie verlor.
„Dann schlaf gut in deinem eigenen Stockwerk“, murrte Lea und nahm ihre Taschen.
„Werde ich, schlaft gut ihr alle, soll ich nochmal mit dir hoch gehen, Chase?“, wollte sie von ihrem Sohn wissen.
„Nein, Mom, alles cool“, versicherte Chase gespielt cool.
„Dann schlaf gut, wenn was ist, kannst du aber jederzeit zu mir kommen“, versprach sie ihm.
„Ich komm klar!“
„Dann ist gut, bis später“, erwiderte sie und verschwand in ihr Zimmer.

5. Kapitel

 
Als sie das Zimmer betrat kam ihr ein Schwall von Erdbeeren entgegen. Das war irgendwie schräg, da Erdbeeren ja ihre Favoriten waren. Auf dem Tisch stand ein Duftspender. Die Vermieter hatten wohl versucht einen Geruch mit dem Duftspender zu übertünchen. Sie wollte den penetranten Spender in das Badezimmer neben dem Zimmer stellen. Als sie näher an den Tisch herankam durchströmten sie all die Erinnerungen, die sie mit Miles verband. Sie musste fest schlucken. Warum war sie hier? Sie konnte nicht mit ihm zusammen sein, vermutlich wollte er nichts mit ihr zu tun haben, wenn er erfuhr, was sie ihm all die Jahre verschwiegen hatte. Etwas wütend auf sich selbst und die Situation feuerte sie den Spender in den Papierkorb unter sich. Er zerbärstete und eine intensive Wolke von Erdbeerduft durchströmte den Raum.
„Na ganz toll“, grummelte sie und setzte sich auf das Bett hinter sich. Nachdenklich betrachtete sie ihren leeren Ringfinger. Sie hatte sich nicht mal so mies nach der Trennung von Vladimir gefühlt wie in dem Moment. Sie nahm ein Kissen auf und weinte hinein, um die anderen nicht auf sich aufmerksam zu machen. Noch mit ihren Schuhen an schlief sie nach einer Weile auf die Seite gelehnt ein.
 
„Eagle, du bist schon so lange da drin, alles klar?“, weckte Leas Stimme sie. Für einen Moment musste sie überlegen, wo sie war. Der Erdbeerduft ließ sie aber gleich wieder zurückkehren.
„Ja, bin wach, komm rein“, rief sie schläfrig und Lea kam in ihr Zimmer.
„Wow, das stinkt vielleicht hier drin, fast noch schlimmer als in der Zeit, in der Joy so auf diese supersüßen Parfüms gestanden hat. Hast es wohl nicht mal geschafft dich auszuziehen, was?“, kam Lea vorsichtig rein.
„Sieht so aus, mir tun die Beine weh!“
„Du hast deine Stützstrümpfe noch an, zieh sie am besten gleich aus“, riet sie ihr.
„Ja, richtig, Mist, das ist nicht gesund. Wie lang hab ich geschlafen?“
„Fast 12 Stunden, wir aber auch, es ist noch ziemlich früh, du kannst noch schlafen, wenn du willst!“
„Ich würd gern duschen, ist das Bad frei?“
„Ja, wir sind alle im Wohnzimmer. Wir müssen einkaufen“, erklärte sie ihr.
„Ja, ich werde einkaufen, wenn ich von Kiah zurück bin“, versprach sie ihr.
„Wow, du willst das gleichmachen?“, war Lea überrascht.
„Ja, will nur Hallo sagen und die Lage checken, das lässt mir sonst keine Ruhe“, erklärte sie ihr.
„Sicher, wie du meinst, soll ich mitkommen?“
„Nein, einer sollte immer bei den Kindern bleiben, ich komm schon klar. Ich muss das allein machen“, bemerkte sie.
„Dann mach das. Was sagst du Chase?“
„Den Kindern sag ich nur, dass ich shoppen war und ne Weile gebraucht habe nen Laden zu finden“, erwiderte sie.
„Okay, lass uns aber nicht verhungern“, bat sie.
„Geb mir Mühe, ich werde alles besorgen was wie für eine Woche brauchen“, versicherte sie und zog ihre Strümpfe aus.
„Au, das hätte ich nicht machen sollen. Also ich geh duschen und komm dann mit Einkäufen wieder. Schau mal, ob du die Glotze hier ankriegst solang ich weg bin, vielleicht merken Sie dann nicht, wie lang ich weg bin. Ja, das klingt nicht nach mir, aber hier ist alles anders“, entschied sie.
„Klingt echt nicht nach dir, aber ich versteh’s. Denk dran, Joy ist Laktoseintolerant!“
„Ja, bring ihr ne Extra-Milch und Käse mit. Dann geh ich mal duschen. Geht es dir gut?“
„Ja, war ne lange Reise, aber ist schön hier zu sein. Meine Kinder sitzen schon auf heißen Kohlen, so aufgekratzt hab ich sie selten gesehen, sie können es kaum erwarten die Umgebung zu erkunden“, erzählte sie.
„Glaub ich, das werden wir auch machen, versprochen. Ich bin echt nervös, was ist, wenn er gleich vor mir steht?“
„Das kann ich dir nicht sagen, bist du denn bereit für ihn?“
„Nicht im Geringsten, aber es muss sein. Hilf mir mal zu überlegen, was ich anziehen soll!“
„Nichts zu aufreizendes, Shirt und Jeans, vielleicht deine Pumps!“
„Das klingt gut, danke. Bin echt froh, dass du mitgekommen bist“, erklärte sie ihr.
„Bin ich auch, du hast lang von diesem Land geschwärmt, jetzt weiß ich auch wieso. Geh unter die Dusche, ich leg dir was raus“, versicherte sie ihr.
 
Als sie geduscht zurückkam, lag ein Outfit für sie bereit. Sie grinste zufrieden.
„Was ist das?“, hörte sie Lea plötzlich. Sie saß auf einem Stuhl an der Tür und hielt eine Schachtel Kondome hoch.
„Ist ne Weile her bei dir, aber ich hoffe, du weißt noch, was das ist“, sagte sie keck.
„Du willst hier Sex haben?“
„Du weißt schon, dass ich nicht deine Tochter bin, oder?“
„Das war keine Antwort!“
„Ich hab mich vorbereitet, keine Ahnung, vielleicht. Ich bin seit fast einem Jahr Single, lass mir den Spaß!“
„Natürlich lass ich dir den Spaß, aber du gehst gleich davon aus, dass du mit Miles Sex hast. Er könnte verheiratet sein, das ist dir schon klar, oder?“
„Ich red nicht von Miles, vielleicht lern ich hier jemanden kennen“, entgegnete sie.
„Ja klar, schlaf bitte nicht mit ihm, wenn er verheiratet ist, okay?“
„Werde ich nicht, versprochen. Kann ich mich jetzt umziehen, bevor die Kinder noch da draußen verhungern?“, fragte sie leicht genervt.
„Sicher, bringst du mir Vegemite mit? Ich wollte schon immer wissen wie das schmeckt“, lenkte Lea vom Thema ab.
„Sicher, bring ich dir mit. Lässt du mich jetzt bitte allein?“
„Natürlich, ich geh zu den Kids und schau was sie sich im Fernsehen anschauen“, ließ sie sie allein.
 
Jeden Meter den sie Nähe an Kiahs Haus kam wurde sie nervöser. Sie hatte recherchiert und sie wohnte noch in dem Haus, dass sie schon zehn Jahre zuvor bewohnt hatte. Mehr konnte sie nicht rausfinden.
Schemenhaft kamen ihr wieder ihre Begegnungen mit Miles vor dieser Tür in den Kopf. Es hatte sich nicht viel verändert dort, ein paar Pflanzen waren gewachsen und die Tür schien neu lackiert worden zu sein. Sie schloss die Augen und klingelte.
„Nein, Abi, du musst nicht aufstehen, ich gehe, wie immer“, hörte sie Kiahs Stimme. Die Tür wurde ruckartig aufgerissen.
„Ja?“, fragte eine genervte Kiah und sah sie an.
„Man, du bist echt alt geworden“, konnte Danera nur von sich geben.
„Danke, das hat mir heute noch gefehlt. Also wenn Sie mir Kosmetikprodukte verkaufen wollen, lassen Sie es, ich bin mit meinen Produkten restlos zufrieden“, erkannte sie sie nicht.
„Das war ne dumme Idee hierher zu kommen“, verließ sie plötzlich der Mut und sie ging die Stufen des Hauses wieder herunter.
„Danera?“, realisierte Kiah plötzlich.
„Dachte gerade schon, ich wäre zu alt geworden“, drehte sie sich zu ihr um.
„Ja, bist du, aber ich hab dich nicht vergessen. Was machst du hier?“
„War grad in der Gegend und dachte ich schau mal vorbei“, sagte sie gespielt cool.
„Du wohnst 10.000 Meilen entfernt, du schaust nicht einfach so vorbei. Du willst es ihm endlich sagen, oder?“, fragte Kiah trocken.
„Was meinst du?“
„Süße, ich hab deine Heiratsanzeige und deine Geburtsanzeige per Mail bekommen, ich bin immer noch in deinem Verteiler. Ich bin seit fast 20 Jahren Hebamme, ich erkenne doch sofort, wenn ein Baby nicht zum Vater gehört. Vor allem wenn du deinen Mann erst nach der Geburt deines Kindes heiratest. Weiß dein Mann, dass du hier bist?“, erklärte sie ihr.
„Ja, weiß er, er ist mein Ex, übrigens“, war Danera erleichtert dass die Wahrheit bekannt war und zeigte ihren leeren Finger.
„Hast es ja nicht lang mit dem Russen ausgehalten. Er war nicht Miles, was?“, ließ Kiah ihre alte Freundin ins Haus.
„So sieht es aus. Weiß er es auch?“, wollte sie nervös wissen.
„Keine Ahnung, ich hab es ihm zumindest nicht gesagt, unser Verhältnis ist nicht das Beste, hab ihn schon fast nen Jahr nicht mehr gesehen. Abi, komm mal raus, ich will dir jemanden vorstellen“, erklärte sie und rief ihre Tochter her. Aus dem Baby, was Danera damals in einem Van in die Welt geholfen hatte war eine wunderschöne junge Lady geworden.
„Abi, das ist Danera, sie ist die Freundin, die mir damals geholfen hat, dich zur Welt zu bringen“, stellte Kiah, Danera ihre Tochter vor.
„Wie auch immer, der Schulbus ist da, denk dran, heute ist Elternabend, also musst du spätestens um sechs da sein“, erklärte Abiona ihrer Mutter, sah Danera kurz an und ging aus der noch offenen Haustüre.
„Teenagers, man muss sie nicht immer lieben, sorry“, sah Kiah ihrer Tochter nach.
„Kein Problem, sie kennt mich ja nicht wirklich. Halt ich dich auch von irgendwas ab?“
„Ne, hab heute frei, passt also. Komm setz dich, lass uns reden“, bat sie sie ins Wohnzimmer zu kommen.
„Ich hab aber nicht lang Zeit, ich bin offiziell eigentlich auf dem Weg Vorräte zu holen, bin mit Lea, ihren Kindern und meinem Sohn hierhergekommen“, erklärte sie ihr.
„Du hast deinen Sohn mitgebracht?“
„Er soll seinen Vater kennenlernen!“
„Ich weiß nicht, ob ich das so gut finde, Jarrah hat ein paar heftige Jahre hinter sich gebracht. Er ist jetzt wieder auf dem Damm, weiß aber nicht, ob das“ ihn wieder aus der Bahn wirft“, dachte Kiah laut nach.
„Drogen, oder Alkohol?“, fragte Danera besorgt.
„Nichts dergleichen, war nur schwierig wieder Fuß zu fassen, nachdem er aus den Staaten zurückkam. Hat nie gesagt, was damals los war, vielleicht kannst du mir das mal sagen“, erwiderte Kiah.
„Er fühlte sich dort einfach nicht wohl, ich hab ihn gehen lassen, obwohl ich schon schwanger von ihm war, weil ich ihn geliebt hatte und wusste, dass er nur hier glücklich wird“, entgegnete sie ihr.
„Das war ein großes Opfer für dich, aber es war nicht, dass er nicht glücklich mit dir war, aber seine Krankheit war ausgebrochen und er wollte dich nicht damit belasten“, erläuterte Kiah.
„Krankheit? Was ist mit ihm?“, war sie entsetzt.
„Süße, er hatte Depressionen, das kam von einem Tag auf den anderen, jetzt geht es ihm wieder viel besser, aber es war ein langer Kampf“, bemerkte Kiah stockend.
„Ich hätte nicht hierherkommen sollen, das wird ihm nicht gut tun“, realisierte Danera traurig.
„Nicht unbedingt, er würde sich sicher freuen, dich zu sehen, das mit dem Kind ist dann schon ne andere Sache, ich weiß nicht, wie er reagiert“, konterte sie.
„Du bist seine Schwester, du sagst rs mir am besten. Wenn du sagst, dass das nicht gut für ihn ist, dann werde ich ihn nicht besuchen und es bleibt weiter ein Geheimnis für ihn“, entgegnete Danera versichernd.
„Oh nein, das drückst du mir nicht auf, er würde mich noch mehr hassen wie jetzt schon, wenn musst du das ganz allein entscheiden!“
„Warum hasst er dich?“
„Ich wollte, dass er nach seiner Therapie wieder nach Hause zieht, dass ich ein Auge auf ihn habe, aber er dachte, ich wollte ihn bevormunden und seitdem weiß ich nur von einem Freund eines Freundes, das es ihm gut geht“, erklärte Kiah ihr.
„Das klingt aber nicht gut. Wo ist er gerade?“
„Santa Teresa, das ist ungefähr drei Stunden von hier. Er hat dort eine kleine Farm mit ein paar Tieren. Wenn du dorthin gehst bitte ich dich Rab oder mich mitzunehmen“, bat sie.
„Rabatin, richtig, wie geht’s ihm?“
„Gut, er ist Geschäftsführer eines Reisebüros in der Stadt, seit ich die Leitung der Hebammenstation übernommen habe bin ich viel beschäftigt und er muss viel mit Abi allein sein, da war es gut, dass er viel zu Hause war. Ihm gefällt es, er macht ab und zu mal ne Reise um nicht durchzudrehen, aber er ist ruhiger geworden. Er freut sich sicher auch dich zu sehen. Er ist momentan in seinem Büro, kannst ihn ja besuchen, wenn du willst. Es ist wirklich schön dich zu sehen, ich fand es immer schade, dass wir den Kontakt zueinander verloren haben und hab mich gefreut von deiner Hochzeit und von der Geburt deines Sohnes zu hören, auch wenn es anscheinend ein Versehen von dir war!“
„Ja, war es, aber ich hätte es dir sagen sollen. Ich wusste nur nicht, wie viel er davon mitbekommt und wie er es vertragen würde“, entschuldigte sie sich bei ihr.
„Von deiner Hochzeit hat er damals erfahren, das mit dem Kind haben wir ihm verschwiegen, vor allem weil es so eindeutig war, wer der Vater dieses Kindes ist!“
„Er heißt Chase“, sagte Danera darauf nur.
„Chase, ein schöner Name. Er ist dein jüngstes Kind?“
„Ja, bin auch die Karriere-Schiene gefahren, bin auch die Leiterin meiner Abteilung. Du hast noch andere Kinder?“
„Nein, nach Abi war es schwierig für mich weitere Kinder zu bekommen, hatte eine Fehlgeburt, danach haben wir es nicht mehr probiert“, erzählte Kiah ihr.
„Das tut mir leid zu hören. Ich habe es nicht mehr versucht, ich weiß nicht wieso. Was ist mit deiner restlichen Familie?“
„Meine Brüder sind weggezogen, einer ist in Sydney, ein anderer irgendwo im Outback, weiß nicht genau wo. Meine Mutter starb letztes Jahr“, zählte Kiah auf.
„Das tut mir leid zu hören!“
„Sie hatte Krebs, sie muss jetzt nicht mehr leiden, schon gut. Willst du eigentlich nen Kaffee, oder was Anderes?“, fiel ihr grad auf, dass sie ihrem Gast noch nichts angeboten hatte.
„Danke, aber ich muss langsam wieder weiter, meine Begleiter haben Hunger und ich muss Vorräte holen!“
„Ich hatte heute auch geplant einkaufen zu fahren, wir können zusammenfahren und wir reden weiter“, schlug Kiah vor.
„Das klingt gut, machen wir das“, erwiderte sie und fuhr mit ihr Einkaufen.
 
Es war schon fast Mittag, als Danera mit zwei Tüten voller Einkäufe zurück zum Ferienhaus kam.
„Na endlich, ich verhungere“, kam Joy auf sie zugestürmt.
„Dann deck den Tisch, ich räume die Sachen weg“, plante Danera und ging in die Küche.
 
„Vegemite ist echt widerlich“, verzog Lea beim Frühstück das Gesicht.
„Hätte ich dir vorhersagen können, wollte nur dein Gesicht sehen“, grinste Danera.
„Also ich mag es irgendwie“, bemerkte Chase in die Runde.
„Er ist tatsächlich ein halber Australier“, witzelte Joy.
„Bist ja nur neidisch. Ich will hier alles sehen, Kängurus, Koalas und alle anderen wichtigen Tiere“, war Chase aufgekratzt.
„Wir sind ne Weile hier, das werden wir alles noch sehen, mein Süßer“, strich Danera ihrem Sohn lächelnd über den Kopf.
„Was ist mit meinem Dad?“, fragte er unverhofft.
„Auch das wird passieren, im Moment lassen wir es ruhig angehen, wir besorgen uns Touristen-Broschüren und schauen, was wir machen wollen“, versicherte Danera.
„Das klingt gut, wir essen auf und fahren zurück in die Stadt“, plante auch Lea.
 
„Wie lief‘s bei Kiah?“, fragte Lea, als sie hinter den Kindern hergingen, während sie durch Alice Springs liefen.
„Kann ich nicht genau sagen, sie hat ein angespanntes Verhältnis zu ihrem Bruder, ihm geht’s emotional nicht so gut. Jetzt bin ich hin und hergerissen, ob ich ihm das antun kann!“
„Du musst es leider, dein Sohn würde es dir nie verzeihen, wenn er ihn nicht sehen kann!“
„Ich weiß, aber ich geh erst allein zu ihm um ihn langsam darauf vorzubereiten. Ich werde dies im Laufe dieser Woche irgendwann machen. Er wohnt etwas weg, also werde ich vermutlich erst spät nachts wieder heimkommen“, erklärte sie ihr.
„Du willst das also allein machen?“
„Ja, ich will ihn nicht mit uns allen überfallen. Von den Seyers wird einer mitkommen, dass wollen die so“, erwiderte sie.
„Gut, dass du da nicht allein hingehst. Stell ihm nicht so viele Fragen und lass ihn reden. Du redest nen bisschen viel, wenn du nervös bist“, riet sie ihr.
„Okay, ich lass ihn reden. Ich hab nicht gedacht, dass das komplizierter werden könnte als es jetzt schon ist, jetzt muss ich noch genau überlegen was ich sage. Was ist, wenn ich ihn damit Jahre zurückschmeiße mit seiner Therapie?“
„Das weiß ich nicht, Süße, hoffen wir es mal nicht. Jetzt mach dir nicht so viele Gedanken, es wird alles gut“, entgegnete Lea fürsorglich.
„Ich hoffe es wirklich. Ich hab das völlig falsch angepackt, ich hätte vorher anrufen sollen!“
„Ja, vielleicht, aber es ist trotzdem gut hier zu sein, meine Kinde blühen hier richtig auf, ich hab ihnen in den letzten Jahren nicht wirklich Freiheiten gelassen mit ihrem Vater und allem, dabei wird er nie wieder aus dem Knast kommen, sie sind sicher“, bemerkte sie.
„Du bist eine Mutter, du wirst nie aufhören dir Sorgen zu machen. Ich hab das nie verstanden, bis ich selbst Mutter wurde. Ich würde alles tun um ihn zu beschützen. Ich hätte es ihm nicht sagen sollen, sein Leben war doch gut so“, dachte sie laut nach.
„Nein, das war richtig, er muss seinen Vater kennen. Sie werden sich vermutlich auch nie wiedersehen und er wird an diesem Treffen zehren“, bemerkte Lea.
„Er wird seinen Vater nie wieder sehen“, redete Danera vor sich hin.
„Das wird dir erst jetzt richtig klar, oder?“
„Ja, schon, oh Gott, was hab ich getan?“, begann sie zu weinen.
„Hey, ganz ruhig, das war richtig, so muss es sein“, umarmte sie ihre Freundin.
„Hey, alles klar bei euch?“, fragte Joy nach hinten.
„Ja, kannst du mir nen Gefallen tun und mit den Jungs nen Eis essen gehen? Hier ist Geld“, bat Lea und die Kinder gingen davon.
„Danke, verdammt ich hab seit meiner Schwangerschaft nicht mehr so viel geflennt, was ist mit mir los?“
„Dein Problem ist nicht, dass das Herz deines Sohnes gebrochen wird, sondern deins. Wenn du ihn siehst, willst du nicht mehr von ihm wegwollen, aber du weißt, dass es sein muss“, schlussfolgerte Lea.
„Ja, ich liebe ihn immer noch, dabei hab ich ihn zehn Jahre nicht mehr gesehen. Wie kann das sein?“
„Ich bin jetzt fast 15 Jahre von Vance getrennt und ich weiß, dass er ein gewalttätiger Mörder ist, aber in manchen Nächten vermisse ich ihn. Das dürfen meine Kinder aber niemals erfahren, hörst du?“
„Natürlich, das bleibt unter uns. Es ist schade, dass du nie wieder Vertrauen zu einem Mann hattest, ich seh dich nicht gerne allein!“
„Ich bin nicht allein, ich hab meine Kinder!“
„Die werden aber bald auf dem College sein!“
„Hey, willst du mich jetzt auch noch runterziehen? Das ist mir schmerzlich bewusst!“
„Du wirst immer mich haben“, versicherte Danera ihr.
„Das ist wahr, außer du entscheidest dich hier zu bleiben!“
„Ich werde niemals hierbleiben, keine Sorge“, stellte sie klar.
„Gut, ich kann nämlich nicht ohne dich leben, Süße“, erwiderte Lea und Arm in Arm gingen sie weiter. Plötzlich tauchte die Silhouette eines rothaarigen Mannes vor ihnen auf. Der Mann trug einen schicken Anzug und eine Brille.

 

 


Danera blieb wie angewurzelt stehen.
„Was ist?“, wunderte sich Lea und Danera zeigte in die Richtung des Mannes.
„Ist das…?“, begann sie zu fragen, aber ohne eine Antwort zu geben sackte Danera ohnmächtig zusammen.

6. Kapitel

 
„Sie kommt wieder zu sich, geben Sie ihr das Wasser“, hörte sie Leas Stimme. Sie lag in den Armen eines Mannes auf einer Parkbank.
„Ich wusste gar nicht, wie umwerfend ich noch bin, hey, Eagle“, hörte sie eine sanfte Stimme.
„Jarrah?“, fragte sie benommen.
„Nein, falscher Woomera, aber fast“, strich die Person ihr eine Strähne aus dem Gesicht.
„Rab?“, erkannte sie den Mann ihrer Freundin.
„Der Weltberühmte, ich hatte dich hier langgehen sehen und wollte mal hallo sagen, wusste ja nicht, dass du so auf mich reagierst. Trink“, setzte er ihr eine Trinkflasche an den Mund, die sie gierig trank.
„Du siehst so anders aus?“, musterte sie ihn. Aus dem wilden Fremdenführer war ein seriöser Geschäftsmann mit Nerd-Brille geworden.
„Komm gerade von der Arbeit, da muss ich so rumlaufen. Du bist weit weg von zu Hause, Eagle“, half er ihr aufzusitzen.
„Bin im Urlaub!“
„Du weißt schon, dass meine Frau mir schon geschrieben und alles erzählt hat, was du vorhast, oder?“, fragte er und lächelte charmant.
„Richtig, moderne Technologie, ich wäre nie hierhergekommen, wenn ich es gewusst hätte“, entgegnete sie.
„Nen Anruf im Voraus wäre nicht schlecht gewesen. Deine Begleiterin schaut mich so seltsam an“, erwiderte Rabatin und Danera befreite sich von seinem beschützenden Griff.
„Sorry, Lea, das ist Rabatin Seyer, Kiah Ehemann und Miles‘ Cousin“, stellte Danera, Rabatin vor.
„Dachte ich schon, du hast gedacht, er wäre Miles, was? Wir müssen nen bisschen an deiner Standfestigkeit arbeiten, bevor du dem Original begegnen kannst“, konterte Lea trocken.
„Ich bin nicht sicher, ob ich es gutheißen kann was du vorhast, Eagle“, sagte er kritisch.
„Ich weiß, Kiah hat es mir schon gesagt!“
„Dann weißt du, dass ich nicht allein hier bin, oder?“
„Ja, ich hab übrigens die Wette gewonnen, Kiah und ich hatten gewettet, ob das Kind seins ist, oder nicht“, konterte er cool.
„Hoffentlich nicht vor Jarrah!“
„Natürlich nicht, nur so ein ehelicher Wettstreit. Wo ist dein Sohn überhaupt?“
„Da war so nen Wanderzirkus, die haben noch Leute gebraucht“, erwiderte sie sarkastisch.
„Oh, der amerikanische Sarkasmus, wie hab ich ihn nicht vermisst. Ach, da hinten kommen sie, der Rotschopf ist deiner, oder?“, sah Rabatin den Weg entlang, auf dem die drei Jugendlichen mit einem Eis in der Hand entlanggeschlendert kamen.
„Ja, sein Name ist Chase!“
„Netter Name. Und die anderen zwei?“
„Das sind meine Kinder, wir machen hier alle zusammen Urlaub!“
„Du hättest sie nicht hierherbringen sollen“, bemerkte er plötzlich mysteriös und sah Lea an.
„Sie weiß es, hab sie eingeweiht“, erklärte sie ihm.
„Auch das war ein Fehler, wir wollen sie doch nicht unnötig in Gefahr bringen!“
„Gefahr? Wir sind in Gefahr hier?“
„Meine Familie ist groß, wer weiß, was die machen können!“
„Habt ihr in den letzten 10 Jahren Probleme gehabt?“
„Nein, aber man kann nie wissen!“
„Wir sind etwas paranoid, was? Jetzt still, die Kinder wissen es nicht“, bat Danera und die Kinder waren bei ihnen angekommen.
„Alles klar bei euch?“, wollte Joy wissen.
„Ja, alles bestens. Kinder, das ist Rabatin, Miles‘ Cousin, wir haben ihn zufällig getroffen“, stellte Danera ihnen Rabatin vor.
„Ich bin Chase“, streckte Daneras Sohn, Rabatin brav die Hand hin.
„Schön dich kennenlernen, Chase“, drückte Rabatin seine Hand.
„Du siehst aus wie ich“, war Chase fasziniert von ihm.
„Ja und du wie er, du hast von deiner hübschen Mutter nicht viel abbekommen, du Armer“, bemerkte Rabatin und sah Danera an.
„Ich gefall mir so wie ich bin“, stellte Chase klar.
„Und auf den Mund gefallen ist er auch nicht, ganz der Vater. Er weiß, dass Miles sein Vater ist, oder?“
„Ja, er gewöhnt sich grade an den Gedanken, also überfordere ihn nicht“, bat Danera und wollte aufstehen. Ihr wurde aber schwindelig und sie musste sich abstützen.
„Mom?“, fragte Chase besorgt.
„Schon gut, mir steckt die lange Reise noch in den Knochen, mein Schatz, wir sollten zurück zum Haus fahren, wenn das okay für euch ist“, entschied sie.
„Sicher, gehen wir ins Haus zurück. War schön dich kennengerlernt zu haben“, stand auch Lea auf und ging mit ihren Kindern schon mal voran zum Auto.
„Chase, gehst du bitte kurz zu deiner Tante Lea, ich muss kurz mit deinem Onkel Rabatin reden“, bat Danera und Chase ging brav davon.
„Wie konntest du?“, hielt Rabatin ihr plötzlich vor.
„Ich weiß, es hat sich selbständig gemacht. Er war so weit weg“, versuchte sie sich zu erklären.
„Er wäre geblieben, wenn du es ihm gesagt hättest“, sagte er verärgert.
„Ja, ich weiß, deswegen hab ich es ihm nicht gesagt, er hat nicht dorthin gehört“, erwiderte sie weinerlich.
„Das hattest du nicht zu entscheiden. Ich hab ihn gefunden, weißt du das eigentlich?“, wurde er wütend.
„Er hat versucht sich umzubringen?“, schluchzte sie.
„Ja, kurz nachdem er aus den Staaten zurückkam. Er war sechs Monate in einer Klinik“, erzählte er weiter.
„Er wollte gehen, ich hab ihn gehen lassen“, begann sie zu weinen.
„Er hat dich so geliebt, ein Wort und er wäre geblieben“, schimpfte er weiter.
„Ein Wort von ihm und er hätte bleiben können“, stand sie sauer auf und stapfte davon.
 
Die Bierflasche klinkte, als sie auf den Metalltisch gestellt wurde. Der Fernseher lief mit irgendeiner amerikanischen Sitcom im Haus.
„Die Kinder sind beschäftigt, Chase hat gefragt, ob du okay bist“, ließ sich Lea müde auf den Gartenstuhl neben den Tisch fallen. Ihre Freundin saß schon ne Weile draußen auf der Terrasse des Ferienhauses und starrte in die Nacht.
„Ich geh nachher noch mal zu ihm, wenn er im Bett liegt. Danke, dass du dich um sie gekümmert hast“, bedankte sie sich und griff nach dem Bier.
„Dafür bin ich ja mitgekommen. Sein Cousin ist ein echtes Arschloch, scheint mir“, trank Lea auch ein Schluck aus ihrem Bier.
„Nein, ist er nicht, er hat Recht sauer auf mich zu sein, Miles hat versucht sich umzubringen damals“, erzählte sie ihr stockend.
„Verdammt, das hatte ich befürchtet. Aber ihm geht’s jetzt besser, hat Kiah gesagt, oder?“
„Ja, aber vielleicht auch nicht. Ich hätte nicht hierherkommen sollen“, erkannte sie.
„Vielleicht, aber dein Sohn hat das Recht seinen Vater kennenzulernen, du musst da halt durch“, erwiderte Lea.
„Ja, ich weiß, aber kein Wort zu ihm über seine Depression und schon gar nicht über seinen Selbstmordversuch. Verflucht, bis gestern dachte ich noch, mein einziges Problem ist, dass ich wenn ich ihn sehe, ich wieder zehn Jahre zurückspringe und es wieder höllisch wehtut ihn erneut zu verlassen. Jetzt muss ich aufpassen, dass er wegen der Neuigkeit nicht von irgendeiner Brücke springt“, sagte sie trocken.
„Ich bin mir nicht so sicher, ob das mit der Depression so stimmt, wo soll die plötzlich hergekommen sein? Die ganze Zeit in den Staaten war er glücklich und ein paar Wochen später will er sich umbringen?
„Depressionen können sich schnell aufbauen, oder langsam. Warum sollten sie darüber lügen?“
„Um dich von ihm fernzuhalten? Sie lieben ihn und wollen ihn schützen. Vermutlich ist er auch noch so verliebt in dich wie du in ihn“, rätselte Lea.
„Gibt nur eine Sache das rauszufinden. Ich setze euch morgen im Zoo ab und fahr zu ihm“, entschied sie.
„Okay, das machen wir. Warte, hast du nicht gesagt, du kommst spät heim?“
„Geht danach einfach was essen und wartet im Restaurant auf mich, die Kinder werden sich freuen mal länger aufbleiben zu dürfen“, plante sie.
„Wenn du meinst. Dann ruf noch Carrot-Top zurück, dass du eine Begleitung für morgen brauchst. Dein Handy klingelt schon eine ganze Weile auf dem Tisch drinnen“, schlug Lea vor.
„Mein Handy klingelt? Warum sagst du nichts? Ich geh in mein Zimmer zum Telefonieren, kannst du schon mal das Gemüse schneiden? Ich komm dann gleich zu dir“, bat sie.
„Mach ich. Echt gut das Bier hier“, stand Lea auf und ging mit ihrem Bier in der Hand ins Haus zurück. Danera sah für einen Moment wieder in die Nacht, schnaufte durch und nachdem sie ihr Smartphone vom Tisch genommen hatte, suchte sie die Privatsphäre ihres Zimmers.
„10 Jahre und einen Ehemann später und du hast immer noch deine alte Handynummer“, nahm Rabatin das Gespräch an.
„Von ersterem gab es keine Notwendigkeit zum Wechsel. Sorry, hatte mein Telefon nicht in meiner Nähe. Was willst du?“, erwiderte sie etwas kühl.
„Das hatte sich eine ganze Weile in mir angestaut, weißt du? Ich wollte nicht so reagieren“, entschuldigte er sich höflich.
„Dachte ich mir, ich hab eine Ehe in den Sand gesetzt, weil mich das immer noch belastet, wenn dich das beruhigt!“
„Du liebst ihn also noch?“
„Mehr, als du dir vorstellen kannst, aber keine Sorge, ich werde ihm seinen Sohn zeigen und nichts weiter“, stellte sie klar.
„Das glaubst du doch nicht wirklich, oder?“
„Wenn du dabei bist schon, erstmal ohne meinen Sohn. Wenn er sich dann damit befasst hat, kann er entweder sagen, dass ihn das nicht interessiert, oder er kommt zu uns, oder wir zu ihm“, erklärte sie ihren Plan.
„Nette Idee in Theorie, wir wissen aber beide, dass das nicht funktioniert“, stellte er klar.
„Hey, ich kann mich zusammenreißen, ich bin älter geworden, ich bin nicht mehr die Naive 20-jährige die ich damals war“, versicherte sie.
„Das hoffe ich für dich. Okay, dann komm Morgen um acht Uhr bei mir vorbei, ich versuch das irgendwie bei mir rein zu quetschen“, bat er sie.
„Danke!“
„Ich mach das für den Kleinen“, sagte er nur.
„Natürlich, dann bis morgen“, bedankte sie sich und legte wieder auf.
 
Nach einer schlaflosen Nacht saß sie an diesem Morgen in dem Van. Rabatin hatte angeboten zu fahren, also saß er auf dem Fahrersitz.
„Du warst also verheiratet, wie lange?“, fragte Rabatin in die Ruhe.
„Ne Weile, bin seit einem Jahr geschieden!“
„Was ist passiert?“
„Nichts Besonderes, hat halt nicht gepasst, wir sind aber als Freunde auseinandergegangen!“
„Er wusste das mit deinem Sohn?“
„Ich hatte meinen Sohn schon, als ich ihn kennengelernt habe, also ja, er wusste, dass es nicht sein Sohn ist. Er hat ihn aber wie seinen aufgezogen und dafür werde ich ihm immer dankbar sein. Chase ist ein helles Kerlchen, er hat es schon rausgefunden, bevor ich es ihm gesagt habe. Er nimmt das sehr gut auf, das sind eure starken Gene, ich drehe seit Tagen nur durch!“
„Super, gute Basis für das Treffen nachher!“
„Innerlich, äußerlich bin ich cool“, versprach sie.
„Das hoff ich!“
 
Nach einer Fahrt, die ihr wie Tage vorkamen waren sie endlich an der kleinen Farm angekommen.
„Schön hier“, bemerkte sie nur.
„Ja, war selbst noch nicht hier, wir haben uns immer bei uns zu Hause getroffen, unser letztes Treffen ist aber schon ne Weile her“, erklärte sie ihm.
„Ja, hat Kiah schon gesagt. Du weißt also überhaupt nicht, was gerade in seinem Leben los ist?“
„So in etwa, ich hoffe, ihm geht es gut“, bemerkte er nachdenklich.
„Das hoffe ich auch. Dann lass uns reingehen“, sagte sie nervös.
„Ja, dafür sind wir ja hergekommen. Das Haus sieht gut aus, ist schon mal nen gutes Zeichen“, erwiderte er und sie gingen zur Tür. Sie klopften und klingelten, aber niemand öffnete.
„Wir sind wohl zum falschen Zeitpunkt hergekommen“, realisierte sie.
„Ja, vielleicht, lass uns hinten mal schauen“, plante er und ging mit ihr ums Haus herum.
„Er ist ähm … nicht da“, drehte sich Rabatin plötzlich vor einem Fenster zu ihr um.
„Scheint so, was ist plötzlich mit dir los?“, wunderte sie sich, als sich Rabatin verdächtig verhielt.
„Gar nichts, lass uns wieder zum Auto gehen, wir kommen in ein paar Stunden nochmal“, drückte er sie weg.
„Okay, irgendwas ist doch, was hast du gesehen?“, wunderte sie sich und drückte ihn weg. Sie sah Miles, wie er mit einer hübschen Blondine auf dem Wohnzimmerboden Sex hatte.
„Wir kommen eindeutig zum falschen Zeitpunkt“, murmelte sie und torkelte zurück zum Auto. Als Rabatin bei ihr ankam, übergab sie sich gerade in einen Busch.
„Das hättest du nicht sehen sollen“, reichte er ihr ein Taschentuch.
„Nein, alles gut, hab wohl zu viel gefrühstückt“, lehnte sie sich gegen die Beifahrertür.
„Ich hätte das auch nicht sehen müssen, manche Sachen will man von seinem Cousin nicht wissen, weißt du?“, schmunzelte er und sie lächelte matt.
„Er hat jedes Recht zu tun und zu lassen was er machen will, aber trotzdem steckt gerade ein Messer genau hier“, berührte sie mit zwei Fingern ihre Brust.
„Ja, ich seh es ganz deutlich. Eure Liebe war groß“, erkannte er.
„Die Betonung liegt auf war, so lange Zeit ist vergangen, ich kann hier nicht einfach so weitermachen“, stellte sie fest.
„Gut, dass du das jetzt weißt, du hast hier einen Zeitsprung in die Vergangenheit gemacht, oder?“
„Ja, das wollte ich nicht, ist einfach passiert. Verdammt, ich hab mich vollgekotzt“, sah sie auf ihr T-Shirt was Flecken hatte.
„Warte, ich geb dir mein Hemd“, sagte Rabatin und zog sein Hemd aus, so dass er nur ein Unterhemd trug.
„Danke, drehst du dich bitte um?“, bat sie und zog sein Hemd an.
„Du bist schlanker als früher“, entgegnete sie und band das Ende seines Hemdes zu einem Knoten.
„Eigentlich nicht“, bemerkte er trocken.
„Dann bin ich wohl fetter geworden“, sagte sie trocken und lächelte ihn matt an.
„Du siehst immer noch so gut aus wie damals. Mein Cousin war ein Idiot dich zu verlassen“, bemerkte er.
„Ja, war er, aber ich war auch ne Idiotin, ihn gehen zu lassen. Okay, er hat genug gevögelt, lass uns nochmal klingeln“, stieß sie sich von der Beifahrertür ab und ging wieder zur Tür. Diesmal öffnete er die Tür.

7. Kapitel

 
„Sie kommt wieder zu sich, geben Sie ihr das Wasser“, hörte sie Leas Stimme. Sie lag in den Armen eines Mannes auf einer Parkbank.
„Ich wusste gar nicht, wie umwerfend ich noch bin, hey, Eagle“, hörte sie eine sanfte Stimme.
„Jarrah?“, fragte sie benommen.
„Nein, falscher Woomera, aber fast“, strich die Person ihr eine Strähne aus dem Gesicht.
„Rab?“, erkannte sie den Mann ihrer Freundin.
„Der Weltberühmte, ich hatte dich hier langgehen sehen und wollte mal hallo sagen, wusste ja nicht, dass du so auf mich reagierst. Trink“, setzte er ihr eine Trinkflasche an den Mund, die sie gierig trank.
„Du siehst so anders aus?“, musterte sie ihn. Aus dem wilden Fremdenführer war ein seriöser Geschäftsmann mit Nerd-Brille geworden.
„Komm gerade von der Arbeit, da muss ich so rumlaufen. Du bist weit weg von zu Hause, Eagle“, half er ihr aufzusitzen.
„Bin im Urlaub!“
„Du weißt schon, dass meine Frau mir schon geschrieben und alles erzählt hat, was du vorhast, oder?“, fragte er und lächelte charmant.
„Richtig, moderne Technologie, ich wäre nie hierhergekommen, wenn ich es gewusst hätte“, entgegnete sie.
„Nen Anruf im Voraus wäre nicht schlecht gewesen. Deine Begleiterin schaut mich so seltsam an“, erwiderte Rabatin und Danera befreite sich von seinem beschützenden Griff.
„Sorry, Lea, das ist Rabatin Seyer, Kiah Ehemann und Miles‘ Cousin“, stellte Danera, Rabatin vor.
„Dachte ich schon, du hast gedacht, er wäre Miles, was? Wir müssen nen bisschen an deiner Standfestigkeit arbeiten, bevor du dem Original begegnen kannst“, konterte Lea trocken.
„Ich bin nicht sicher, ob ich es gutheißen kann was du vorhast, Eagle“, sagte er kritisch.
„Ich weiß, Kiah hat es mir schon gesagt!“
„Dann weißt du, dass ich nicht allein hier bin, oder?“
„Ja, ich hab übrigens die Wette gewonnen, Kiah und ich hatten gewettet, ob das Kind seins ist, oder nicht“, konterte er cool.
„Hoffentlich nicht vor Jarrah!“
„Natürlich nicht, nur so ein ehelicher Wettstreit. Wo ist dein Sohn überhaupt?“
„Da war so nen Wanderzirkus, die haben noch Leute gebraucht“, erwiderte sie sarkastisch.
„Oh, der amerikanische Sarkasmus, wie hab ich ihn nicht vermisst. Ach, da hinten kommen sie, der Rotschopf ist deiner, oder?“, sah Rabatin den Weg entlang, auf dem die drei Jugendlichen mit einem Eis in der Hand entlanggeschlendert kamen.
„Ja, sein Name ist Chase!“
„Netter Name. Und die anderen zwei?“
„Das sind meine Kinder, wir machen hier alle zusammen Urlaub!“
„Du hättest sie nicht hierherbringen sollen“, bemerkte er plötzlich mysteriös und sah Lea an.
„Sie weiß es, hab sie eingeweiht“, erklärte sie ihm.
„Auch das war ein Fehler, wir wollen sie doch nicht unnötig in Gefahr bringen!“
„Gefahr? Wir sind in Gefahr hier?“
„Meine Familie ist groß, wer weiß, was die machen können!“
„Habt ihr in den letzten 10 Jahren Probleme gehabt?“
„Nein, aber man kann nie wissen!“
„Wir sind etwas paranoid, was? Jetzt still, die Kinder wissen es nicht“, bat Danera und die Kinder waren bei ihnen angekommen.
„Alles klar bei euch?“, wollte Joy wissen.
„Ja, alles bestens. Kinder, das ist Rabatin, Miles‘ Cousin, wir haben ihn zufällig getroffen“, stellte Danera ihnen Rabatin vor.
„Ich bin Chase“, streckte Daneras Sohn, Rabatin brav die Hand hin.
„Schön dich kennenlernen, Chase“, drückte Rabatin seine Hand.
„Du siehst aus wie ich“, war Chase fasziniert von ihm.
„Ja und du wie er, du hast von deiner hübschen Mutter nicht viel abbekommen, du Armer“, bemerkte Rabatin und sah Danera an.
„Ich gefall mir so wie ich bin“, stellte Chase klar.
„Und auf den Mund gefallen ist er auch nicht, ganz der Vater. Er weiß, dass Miles sein Vater ist, oder?“
„Ja, er gewöhnt sich grade an den Gedanken, also überfordere ihn nicht“, bat Danera und wollte aufstehen. Ihr wurde aber schwindelig und sie musste sich abstützen.
„Mom?“, fragte Chase besorgt.
„Schon gut, mir steckt die lange Reise noch in den Knochen, mein Schatz, wir sollten zurück zum Haus fahren, wenn das okay für euch ist“, entschied sie.
„Sicher, gehen wir ins Haus zurück. War schön dich kennengerlernt zu haben“, stand auch Lea auf und ging mit ihren Kindern schon mal voran zum Auto.
„Chase, gehst du bitte kurz zu deiner Tante Lea, ich muss kurz mit deinem Onkel Rabatin reden“, bat Danera und Chase ging brav davon.
„Wie konntest du?“, hielt Rabatin ihr plötzlich vor.
„Ich weiß, es hat sich selbständig gemacht. Er war so weit weg“, versuchte sie sich zu erklären.
„Er wäre geblieben, wenn du es ihm gesagt hättest“, sagte er verärgert.
„Ja, ich weiß, deswegen hab ich es ihm nicht gesagt, er hat nicht dorthin gehört“, erwiderte sie weinerlich.
„Das hattest du nicht zu entscheiden. Ich hab ihn gefunden, weißt du das eigentlich?“, wurde er wütend.
„Er hat versucht sich umzubringen?“, schluchzte sie.
„Ja, kurz nachdem er aus den Staaten zurückkam. Er war sechs Monate in einer Klinik“, erzählte er weiter.
„Er wollte gehen, ich hab ihn gehen lassen“, begann sie zu weinen.
„Er hat dich so geliebt, ein Wort und er wäre geblieben“, schimpfte er weiter.
„Ein Wort von ihm und er hätte bleiben können“, stand sie sauer auf und stapfte davon.
 
Die Bierflasche klinkte, als sie auf den Metalltisch gestellt wurde. Der Fernseher lief mit irgendeiner amerikanischen Sitcom im Haus.
„Die Kinder sind beschäftigt, Chase hat gefragt, ob du okay bist“, ließ sich Lea müde auf den Gartenstuhl neben den Tisch fallen. Ihre Freundin saß schon ne Weile draußen auf der Terrasse des Ferienhauses und starrte in die Nacht.
„Ich geh nachher noch mal zu ihm, wenn er im Bett liegt. Danke, dass du dich um sie gekümmert hast“, bedankte sie sich und griff nach dem Bier.
„Dafür bin ich ja mitgekommen. Sein Cousin ist ein echtes Arschloch, scheint mir“, trank Lea auch ein Schluck aus ihrem Bier.
„Nein, ist er nicht, er hat Recht sauer auf mich zu sein, Miles hat versucht sich umzubringen damals“, erzählte sie ihr stockend.
„Verdammt, das hatte ich befürchtet. Aber ihm geht’s jetzt besser, hat Kiah gesagt, oder?“
„Ja, aber vielleicht auch nicht. Ich hätte nicht hierherkommen sollen“, erkannte sie.
„Vielleicht, aber dein Sohn hat das Recht seinen Vater kennenzulernen, du musst da halt durch“, erwiderte Lea.
„Ja, ich weiß, aber kein Wort zu ihm über seine Depression und schon gar nicht über seinen Selbstmordversuch. Verflucht, bis gestern dachte ich noch, mein einziges Problem ist, dass ich wenn ich ihn sehe, ich wieder zehn Jahre zurückspringe und es wieder höllisch wehtut ihn erneut zu verlassen. Jetzt muss ich aufpassen, dass er wegen der Neuigkeit nicht von irgendeiner Brücke springt“, sagte sie trocken.
„Ich bin mir nicht so sicher, ob das mit der Depression so stimmt, wo soll die plötzlich hergekommen sein? Die ganze Zeit in den Staaten war er glücklich und ein paar Wochen später will er sich umbringen?
„Depressionen können sich schnell aufbauen, oder langsam. Warum sollten sie darüber lügen?“
„Um dich von ihm fernzuhalten? Sie lieben ihn und wollen ihn schützen. Vermutlich ist er auch noch so verliebt in dich wie du in ihn“, rätselte Lea.
„Gibt nur eine Sache das rauszufinden. Ich setze euch morgen im Zoo ab und fahr zu ihm“, entschied sie.
„Okay, das machen wir. Warte, hast du nicht gesagt, du kommst spät heim?“
„Geht danach einfach was essen und wartet im Restaurant auf mich, die Kinder werden sich freuen mal länger aufbleiben zu dürfen“, plante sie.
„Wenn du meinst. Dann ruf noch Carrot-Top zurück, dass du eine Begleitung für morgen brauchst. Dein Handy klingelt schon eine ganze Weile auf dem Tisch drinnen“, schlug Lea vor.
„Mein Handy klingelt? Warum sagst du nichts? Ich geh in mein Zimmer zum Telefonieren, kannst du schon mal das Gemüse schneiden? Ich komm dann gleich zu dir“, bat sie.
„Mach ich. Echt gut das Bier hier“, stand Lea auf und ging mit ihrem Bier in der Hand ins Haus zurück. Danera sah für einen Moment wieder in die Nacht, schnaufte durch und nachdem sie ihr Smartphone vom Tisch genommen hatte, suchte sie die Privatsphäre ihres Zimmers.
„10 Jahre und einen Ehemann später und du hast immer noch deine alte Handynummer“, nahm Rabatin das Gespräch an.
„Von ersterem gab es keine Notwendigkeit zum Wechsel. Sorry, hatte mein Telefon nicht in meiner Nähe. Was willst du?“, erwiderte sie etwas kühl.
„Das hatte sich eine ganze Weile in mir angestaut, weißt du? Ich wollte nicht so reagieren“, entschuldigte er sich höflich.
„Dachte ich mir, ich hab eine Ehe in den Sand gesetzt, weil mich das immer noch belastet, wenn dich das beruhigt!“
„Du liebst ihn also noch?“
„Mehr, als du dir vorstellen kannst, aber keine Sorge, ich werde ihm seinen Sohn zeigen und nichts weiter“, stellte sie klar.
„Das glaubst du doch nicht wirklich, oder?“
„Wenn du dabei bist schon, erstmal ohne meinen Sohn. Wenn er sich dann damit befasst hat, kann er entweder sagen, dass ihn das nicht interessiert, oder er kommt zu uns, oder wir zu ihm“, erklärte sie ihren Plan.
„Nette Idee in Theorie, wir wissen aber beide, dass das nicht funktioniert“, stellte er klar.
„Hey, ich kann mich zusammenreißen, ich bin älter geworden, ich bin nicht mehr die Naive 20-jährige die ich damals war“, versicherte sie.
„Das hoffe ich für dich. Okay, dann komm Morgen um acht Uhr bei mir vorbei, ich versuch das irgendwie bei mir rein zu quetschen“, bat er sie.
„Danke!“
„Ich mach das für den Kleinen“, sagte er nur.
„Natürlich, dann bis morgen“, bedankte sie sich und legte wieder auf.
 
Nach einer schlaflosen Nacht saß sie an diesem Morgen in dem Van. Rabatin hatte angeboten zu fahren, also saß er auf dem Fahrersitz.
„Du warst also verheiratet, wie lange?“, fragte Rabatin in die Ruhe.
„Ne Weile, bin seit einem Jahr geschieden!“
„Was ist passiert?“
„Nichts Besonderes, hat halt nicht gepasst, wir sind aber als Freunde auseinandergegangen!“
„Er wusste das mit deinem Sohn?“
„Ich hatte meinen Sohn schon, als ich ihn kennengelernt habe, also ja, er wusste, dass es nicht sein Sohn ist. Er hat ihn aber wie seinen aufgezogen und dafür werde ich ihm immer dankbar sein. Chase ist ein helles Kerlchen, er hat es schon rausgefunden, bevor ich es ihm gesagt habe. Er nimmt das sehr gut auf, das sind eure starken Gene, ich drehe seit Tagen nur durch!“
„Super, gute Basis für das Treffen nachher!“
„Innerlich, äußerlich bin ich cool“, versprach sie.
„Das hoff ich!“
 
Nach einer Fahrt, die ihr wie Tage vorkamen waren sie endlich an der kleinen Farm angekommen.
„Schön hier“, bemerkte sie nur.
„Ja, war selbst noch nicht hier, wir haben uns immer bei uns zu Hause getroffen, unser letztes Treffen ist aber schon ne Weile her“, erklärte sie ihm.
„Ja, hat Kiah schon gesagt. Du weißt also überhaupt nicht, was gerade in seinem Leben los ist?“
„So in etwa, ich hoffe, ihm geht es gut“, bemerkte er nachdenklich.
„Das hoffe ich auch. Dann lass uns reingehen“, sagte sie nervös.
„Ja, dafür sind wir ja hergekommen. Das Haus sieht gut aus, ist schon mal nen gutes Zeichen“, erwiderte er und sie gingen zur Tür. Sie klopften und klingelten, aber niemand öffnete.
„Wir sind wohl zum falschen Zeitpunkt hergekommen“, realisierte sie.
„Ja, vielleicht, lass uns hinten mal schauen“, plante er und ging mit ihr ums Haus herum.
„Er ist ähm … nicht da“, drehte sich Rabatin plötzlich vor einem Fenster zu ihr um.
„Scheint so, was ist plötzlich mit dir los?“, wunderte sie sich, als sich Rabatin verdächtig verhielt.
„Gar nichts, lass uns wieder zum Auto gehen, wir kommen in ein paar Stunden nochmal“, drückte er sie weg.
„Okay, irgendwas ist doch, was hast du gesehen?“, wunderte sie sich und drückte ihn weg. Sie sah Miles, wie er mit einer hübschen Blondine auf dem Wohnzimmerboden Sex hatte.
„Wir kommen eindeutig zum falschen Zeitpunkt“, murmelte sie und torkelte zurück zum Auto. Als Rabatin bei ihr ankam, übergab sie sich gerade in einen Busch.
„Das hättest du nicht sehen sollen“, reichte er ihr ein Taschentuch.
„Nein, alles gut, hab wohl zu viel gefrühstückt“, lehnte sie sich gegen die Beifahrertür.
„Ich hätte das auch nicht sehen müssen, manche Sachen will man von seinem Cousin nicht wissen, weißt du?“, schmunzelte er und sie lächelte matt.
„Er hat jedes Recht zu tun und zu lassen was er machen will, aber trotzdem steckt gerade ein Messer genau hier“, berührte sie mit zwei Fingern ihre Brust.
„Ja, ich seh es ganz deutlich. Eure Liebe war groß“, erkannte er.
„Die Betonung liegt auf war, so lange Zeit ist vergangen, ich kann hier nicht einfach so weitermachen“, stellte sie fest.
„Gut, dass du das jetzt weißt, du hast hier einen Zeitsprung in die Vergangenheit gemacht, oder?“
„Ja, das wollte ich nicht, ist einfach passiert. Verdammt, ich hab mich vollgekotzt“, sah sie auf ihr T-Shirt was Flecken hatte.
„Warte, ich geb dir mein Hemd“, sagte Rabatin und zog sein Hemd aus, so dass er nur ein Unterhemd trug.
„Danke, drehst du dich bitte um?“, bat sie und zog sein Hemd an.
„Du bist schlanker als früher“, entgegnete sie und band das Ende seines Hemdes zu einem Knoten.
„Eigentlich nicht“, bemerkte er trocken.
„Dann bin ich wohl fetter geworden“, sagte sie trocken und lächelte ihn matt an.
„Du siehst immer noch so gut aus wie damals. Mein Cousin war ein Idiot dich zu verlassen“, bemerkte er.
„Ja, war er, aber ich war auch ne Idiotin, ihn gehen zu lassen. Okay, er hat genug gevögelt, lass uns nochmal klingeln“, stieß sie sich von der Beifahrertür ab und ging wieder zur Tür. Diesmal öffnete er die Tür.

8. Kapitel

 
„Sie kommt zurück“, rief Joy. Sie saß auf der Sitzbank am Fenster und sah ihre Patentante zurückkommen.
„Wie sieht sie aus?“, rief ihre Mutter zurück.
„Durcheinander, sie hat nen Männerhemd an“, beschrieb sie ihre Tante.
„Oh verdammt, das hatte ich befürchtet. Jungs, könnt ihr mal den Grill im Garten anschmeißen?“, bat sie sie ihren Sohn und Chase, die irgendein Online-Spiel spielten.
„Aber Mom, wir sind grad mittendrin im Game“, maulte Jasper.
„Los, sonst kriegt ihr nur Tofu-Burger“, drohte sie ihnen.
„Das muss hier im Land des Fleisches doch irgendwie verboten sein, Kindern so was vorzusetzen“, pausierte Jasper das Spiel.
„Willst du es riskieren?“, reizte sie ihn.
„Na gut, lass aber den Fernseher an“, bat Jasper und ging mit Chase hinter das Haus.
 
Die Frauen gingen vor die Tür.
„N’Abend“, begrüßte Lea ihre Freundin vorsichtig.
„Verdammt, warum seid ihr zu Hause? Wie seid ihr heimgekommen?“
„Taxi, der Zoo war nicht so spannend wie wir dachten und wir konnten uns nicht auf irgendein Essen einigen, wir machen jetzt ein Barbecue. Wie war es bei dir?“
„Das sollte sie nicht hören“, sah Danera zu Joy.
„Ich bin fast 18, Tante D, ich weiß schon so einiges!“
„Na gut, auch wenn du hier schon trinken darfst, heißt das nicht, dass wir es dir erlauben!“, bemerkte ihre Mutter.
„Ich hab ihn beim Sex gestört“, begann Danera zu erzählen.
„Wow, das hab ich jetzt nicht erwartet. Will ich wissen, warum du was Anderes trägst als heute Morgen?“, wollte Joy weiterwissen.
„Okay, ich geh dann doch, will doch nicht wissen, was meine Patentante so treibt. Ich schau nach, ob die Jungs das Feuer ankriegen“, entschuldigte sich Joy und ging ums Haus.
„Ist eins von Rabatins!“, sagte sie nur.
„Brauch ich nen Bier für diese Geschichte?“, verzog Joy das Gesicht.
„Ich hab ihn mit dieser Frau gesehen und musste mich übergeben. Dass ich nicht vollgekotzt zu ihm gehen musste hat Rabatin mir sein Hemd geliehen. Hast du etwa grade gedacht, ich hätte mit Rabatin geschlafen?“
„Für nen Moment, die beiden sind sich ja sehr ähnlich. Er hat also ne Freundin, Miles mein ich jetzt!“
„Nein, eher wieder die alte Leier mit Bimbo-Touristinnen“, konterte sie.
„Wie dir?“, neckte sie sie.
„So in etwa. Ironischerweise hat mir das zu Sehen geholfen, ich bin über ihn hinweg“, entgegnete sie.
„Ernsthaft? 10 Jahre und ein Bimbo später und du bist einfach so über ihn hinweg?“
„Ja, alles ist gut. Er kommt Ende der Woche in die Stadt und dann sieht er seinen Sohn und danach ist alles gut!“
„Du sagst nur so oft gut, wenn irgendwas überhaupt nicht gut ist“, konterte Joy.
„Blödsinn, alles ist g…, exzellent“, behauptete sie.
„Du hast dich übergeben, als du ihn mit einer anderen Frau gesehen hast, wirklich exzellent“, bemerkte Joy trocken.
„Manchmal hasse ich dich echt dafür, dass du mich so gut kennst. Ich brauch nen Bier“, ging sie durch die quietschende Tür ins Haus.
„Du willst also den ganzen Urlaub über trinken?“, folgte Lea ihr.
„Ich will nur ein Bier trinken, mehr nicht. Ich hab dich eigentlich mitgenommen zur Unterstützung, aber irgendwie nervst du grade“, murrte sie und ging zum Kühlschrank.
„War es schön ihn zu sehen?“, wollte Lea plötzlich wissen.
„Es war das schönste Gefühl der Welt und gleichzeitig auch das furchtbarste. Ich glaub, Rabatin macht das gleiche mit ihm, was du mit mir machst. Als er den Arm auf mich gelegt hatte, zog er ihn blitzartig weg, als Rabatin zu uns kam“, erzählte sie ihr, während sie sich ein Bier aufmachte.
„Er ist sein Cousin, er will ihn nur beschützen. Wie ist Miles so drauf, emotional mein ich?“
„Stabil, denk ich, aber er ist hier nicht glücklich!“
„Ist das gut, oder schlecht?“
„Schlecht, natürlich, ich liebe ihn und will ihn glücklich sehen“, sagte sie schnell.
„Wenn du meinst, aber irgendwie hast du gehofft, dass er ohne dich untergeht, oder?“
„Nein, manchmal bist du echt seltsam“, war sie verwundert.
„Ich hab nen brutalen Ex-Mann, vermutlich hoffe ich im Inneren, dass er Tag und Nacht von bulligen Männern vergewaltigt wird“, erklärte sie sich.
„Oh ja, das hoffe ich auch. Aber ihn hasst du, ich wünsche Miles nur das Beste im Leben!“
„Das ist nett, ich glaub’s dir trotzdem nicht. Du bist noch sauer auf ihn, dass er weg ist“, schlussfolgerte sie.
„Ja, war ich, aber als ich erfahren habe, dass er Depressionen hat, ist alles wie verflogen“, entschied sie.
„Du weißt, dass du nicht die Schuld daran trägst, oder?“, machte sich Lea auch ein Bier auf.
„Ich weiß, aber wir waren uns so nahe, ich hätte es sehen müssen!“
„Hey, Ex-Frau eines gewalttätigen Mörders, Liebe nimmt manchmal seltsame Züge an“, konterte sie.
„Er war noch kein Mörder, als ihr zusammen wart. Man, das ist das erste Mal seit sehr langer Zeit, dass ich an Greg denke, Gott sei Dank ist dieser Bastard unter der Erde“, dachte sie laut nach.
„Ja, schon ne ganze Weile. Mein Ex hat ihn getötet, ich denke öfters an ihn. Aber eher in dem Zusammenhang, ob sein Sohn irgendwann wie er wird!“
„Justin ist ein guter Junge, Jasmine erzieht ihn richtig, ich glaub nicht, dass er wie sein Vater wird. So wie Gia nicht wie Greg ist!“
„Du hast deine Tochter ne Weile nicht mehr erwähnt, ich glaub, das letzte Mal vor zwei Jahren, als wir zusammen Chase von seiner großen Schwester erzählt haben!“
„Es tut mir weh, dass sie kaum noch was mit mir zu tun haben will, ich dachte, es wäre das Beste für sie gewesen, doch wenn ich Joy jetzt sehe, denke ich immer, wie schön es gewesen wäre, Gia auch das Autofahren beibringen und sie erwachsen werden sehen zu können“, erwiderte sie traurig.
„Sorry, ich hör auf über sie zu reden, das macht dich traurig!“
„Nein, schon gut, sie ist glücklich und ihr geht es gut, Derrick schickt mir ab und zu mal nen Foto, aber nicht mehr so häufig wie früher. Ich denk mal die Bilder in meinem Spint sind uralt. Jarrahs Bild ist vor drei Jahren abgefallen und irgendwie unter den Spint gerutscht, es war das einzige Bild von ihm, was ich hatte. Ich hatte fast vergessen, wie er aussah“, erzählte sie.
„Sieht er noch gut aus?“
„Seine Krankheit hat seine Spuren hinterlassen, aber im Großen und Ganzen ist er noch so heiß wie früher. Ich muss diesmal einige Fotos machen, das mir wenigstens eins bleibt“, entschied sie.
„Ich mach auch welche, doppelt hält besser. Darf ich deine Freundin Kiah eigentlich auch kennenlernen?“
„Ja, natürlich, du weißt ja nicht mal wie sie aussieht, ich frag sie, ob wir zusammen essen, wenn Jarrah hierherkommt“, plante Danera.
„Das wäre nett, auch schon wegen der Show. Mal nen Familiendrama was nicht in meinem Wohnzimmer stattfindet“, schmunzelte Lea.
„Du guckst echt zu viele Soaps, meine Süße. Ich ruf sie morgen mal an. Ich seh mal nach den Kindern, ich helf dir gleich mit dem Essen, ich brauch nur kurz ne Pause“, ging sie aus dem Hinterausgang heraus.
 
Der Freitag kam und Danera wurde täglich nervöser.
„Punkterock, weiße Bluse“, riet Lea ihr, als sie ein Outfit für das Abendessen für Danera aussuchten.
„Gute Idee, danke. Ich fühl mich wie bei meinem ersten Date“, gestand sie ihr.
„Das ist ja auch irgendwie eins, ihr seid da gleich reingesprungen, gedatet habt ihr ja nicht wirklich“, bemerkte sie.
„Ich bin fast nervöser bei den Seyers Abend zu essen, weiß auch nicht wieso!“
„Sie sind sowas wie seinen Eltern, du kennst sie zwar länger als ihn, aber es ist irgendwie anders“, konterte Lea.
„Du hast Recht, irgendwie schon. Sollen wir eigentlich Blumen oder so mitbringen? Ich brauch nen Drink“, redete Danera vor sich hin.
„Ich fahre, du kannst so viel trinken wie du willst. Übertreib’s nur nicht, die Kinder sind ja dabei“, bat Lea.
„Ich trinke nicht wirklich, wie du weißt, keine Sorge. Dann zieh ich mich mal um, mach dich auch fertig, was ist mit den Kindern?“
„Die sind schon fertig und sitzen vor der Glotze, das machen sie nen bisschen zu viel hier, wir müssen am Wochenende mal wo hinfahren, dass sie auch mal was von diesem tollen Land kennenlernen!“
„Das sag ich doch. Jetzt los, wir sind schon zu spät“, drückte sie sie aus der Tür.
 
„Tut mir leid, wir sind bisschen spät“, begrüßte Danera nervös die Seyers, als sie endlich alle schick angezogen bei ihnen aufliefen.
„Schon gut, jetzt seid ihr ja da, kommt rein“, erwiderte Rabatin freundlich und ließ sie alle rein.
„Ich hab einen Auflauf gemacht, ich hoffe, das schmeckt euch“, erklärte Kiah, als sie sich setzten.
„Das klingt köstlich. Wo ist Jarrah?“
„Frag nicht, er wollte kommen, aber bis jetzt ist er nicht da!“
„Er möchte mich nicht sehen?“, fragte Chase traurig.
„Den Teufel wird er tun, ich werde jetzt zu ihm gehen und ihn an seinen Ohren hierher zerren“, wurde Danera stinkwütend und stürmte aus der Tür, knallte aber vor der Tür mit Jarrah zusammen.
„Wow, willst du schon wieder gehen?“, fragte er überrascht.
„Du bist … wo warst du?“, stotterte sie.
„Mir ist bei meinem Termin meine Lesebrille runtergefallen, ich musst noch ne neue kaufen, sorry, hätte anrufen sollen, ich kann ohne Brille nicht mehr Auto fahren“, erklärte er sich und tippte auf seine Brille auf der Nase.
„Ja, hättest du, komm rein“, murrte sie und zog ihn an seiner Jacke ins Seyers-Haus.
„Schaut mal, wen ich draußen gefunden habe“, drückte sie ihn auf einen Stuhl.
„Du bist da“, begrüßte Kiah ihren Bruder.
„Natürlich bin ich da, hab ich doch versprochen“, sah Jarrah seinen Sohn an.
„In letzter Zeit hast du so viel versprochen“, bemerkte Kiah vorwurfsvoll.
„Ich kann auch wieder gehen“, raunzte er.
„Von wegen, keiner geht hier. Ich kann es kaum glauben, es sind vier Kinder an diesem Tisch, die sich vorbildlich verhalten und ihr seid so kindisch!“, schimpfte Danera und die Geschwister waren still.
„Schon besser, lasst uns essen“, entgegnete Danera und sie aßen fast schweigend.
 
„Der Auflauf ist gut“, warf Joy nach einer Weile ein.
„Danke, Süße, ist ein Rezept meiner Mutter. Tut mir leid, Miles, du hast nichts falsch gemacht“, entschuldigte sich Kiah bei Miles.
„Schon gut, ich hab ja in den letzten Monaten nicht wirklich dafür gesorgt, dass du mir vertraust. Das Essen ist echt gut“, sagte Miles ruhig.
„Danke, Brüderchen. Du siehst gut aus, übrigens, die Brille steht dir gut!“
„Danke, ist eigentlich nur eine aus dem Drogerie-Markt. Ist diese Situation nur für mich so komisch, oder ist das für alle seltsam?“
„Für uns alle, Cousin, aber bringen wir es hinter uns!“
 
Nach dem Essen ging Lea mit ihren Kindern und den Seyers zu einem Theaterstück in die Stadt um sie allein zu lassen.
„Die Kinder werden es hassen, sie hassen Theater“, schmunzelte sie, als sie um den Tisch herumsaßen.
„Und darum ist das Theater ne aussterbende Kunst“, konterte Miles.
„Ihr wollt jetzt wirklich über Theater reden?“, fragte Chase in die Runde.
„Nein, tut mir leid, mein Schatz, wir wollten uns ja in Ruhe unterhalten. Hast du Fragen an deinen Vater?“, begann Danera das Gespräch.
„Er ist nicht mein Vater“, grummelte Chase.
„Okay, das fängt ja schon gut an. Ja, du fühlst vielleicht, dass er nicht dein Vater ist, aber er hat dich gezeugt, Junge“, konterte Danera tonlos.
„Mehr aber auch nicht“, blieb Chase kühl.
„Ich will niemanden in deinem Leben ersetzen, ich will dich nur etwas besser kennenlernen“, blieb Miles von seiner Aussage unberührt.
„10 Fragen, überleg sie dir gut“, konterte Chase altklug.
„Chase benimm dich, er will dich nur kennenlernen!“
„10 Fragen, das klingt fair, ich hab eine ganze Menge aufgeschrieben, ich such welche raus“, kramte er einen Zettel aus seiner Hosentasche.
„Er hat tatsächlich Fragen aufgeschrieben, siehst du, er gibt sich Mühe“, erwiderte Danera und lächelte Miles an.
„Er kann schreiben, das ist schon mal nen Pluspunkt“, war Chase keck.
„Verdammt, er klingt ja wie …. ich“, realisierte Miles überrascht.
„Ja, an manchen Tagen ein bisschen zu sehr. Ich lass euch jetzt mal allein und mach den Abwasch, benehmt euch, beide von euch“, stand Danera auf und ging in die Küche.
 
Als sie den kompletten Abwasch gemacht hatte, kam sie zurück ins Esszimmer.
„Na, seid ihr ihre Fragen durch?“, fragte sie vorsichtig.
„Hast du gewusst, dass er ein Wallaby hatte?“, fragte Chase gut gelaunt.
„Wally ist tot?“, fragte Danera traurig.
„Wallabys werden nicht soo alt, er hatte ein langes Leben, du erinnerst dich an Wally?“
„Ich hatte nicht so viele Freunde mit Wallabys, an so was erinnert man sich“, sagte sie lächelnd.
„Ich hab dich vermisst“, gestand Miles plötzlich.
„Ich auch“, erwiderte sie und sah ihn an.
„Okay, ich geh dann mal vor die Glotze, unterhaltet euch“, ließ Chase sie allein.
„Ich sollte mal sehen, was er sich ansieht, er schaut viel zu viel Mist, was noch nicht für ihn ist!“
„Die Kinder kriegen eh zu viel mit in dieser Generation“, bemerkte er.
„Ja, vielleicht, egal, habt ihr euch vernünftig unterhalten können?“
„Er war erst sehr reserviert, ist aber dann aufgetaut. Er ist mir so ähnlich, das es fast unheimlich ist. Sein Stiefvater scheint ein netter Kerl zu sein“, entgegnete er.
„Er hat seine Momente, er hat ihn gut erzogen, das hättest du aber auch gut hinbekommen“, erkannte sie.
„Ich wünschte, ich hätte ihn erzogen, aber ich wäre zu dem Zeitpunkt seiner Geburt ein grauenhafter Vater gewesen“, überlegte sie laut.
„Das ist nicht wahr, du wärst ein toller Vater gewesen“, versicherte sie ihm.
„Ja, vielleicht, weiß er von seiner großen Schwester?“
„Ja, seit ein paar Jahren, getroffen haben sie sich aber noch nicht!“
„Du hast echt eine komplizierte Familie!“
„Echt, ich hab die komplizierte Familie?“, zog sie ihn auf.
„Stimmt, meine ist aber auf einem ganz anderen Level, das kann man nicht vergleichen. Weiß er von unserer Geschichte?“
„Gott nein, dafür ist er noch zu jung, irgendwann vielleicht. Du hast übrigens recht, Kiah übertreibt es mit der Fürsorge, soll ich mit ihr darüber reden?“
„Schon gut, ich werde wieder verschwinden und in ein paar Monaten wieder mal vorbeischauen!“
„Nein, das wirst du nicht mehr machen, du wirst jetzt regelmäßig zu ihnen gehen, sie lieben dich und wollen dich öfters sehen“, bat sie ihn.
„Würde ich ja gern, aber ich glaub, wenn ich hier öfters auftauche ist das nicht gut für meine Psyche, glaub ich!“
„Okay, musst du selbst wissen. Es ist irgendwie traurig, euch so verstritten zu sehen, ihr wart so eng vor 10 Jahren“, murmelte sie.
„Ja, die Zeiten ändern sich. Du hättest vor zehn Jahren sicher auch nicht gedacht, dass wir heute hier sitzen würden und unser Sohn im Nebenraum Fernsieht“, erkannte er.
„Irgendwie hab ich es gehofft“, flirtete sie.
„Ja, ich auch“, stieg er in diese Fantasie ein. Sie wollte sich gerade vorbeugen und ihn küssen, als sie ein Glas zerbrechen hörten.
„Chase, hast du was Zerbrochen? Kiah bringt mich um, wenn es ein seltenes Artefakt ihrer Ahnen war“, ging sie ins Wohnzimmer. Chase sah verschreckt, seine Beine an seinen Körper gepresst auf dem Sofa.
„Schon gut, ich werde es ihr schon irgendwie erklären, wir dürfen ihr Haus vermutlich nicht mehr betreten, aber schon gut“, kam sie beruhigend zu ihm hin. Er starrte etwas an.
„Was ist los? Du machst mich nervös, Schatz“, sah sie in die Richtung, in die er sah. Es war ein Stein durch ein Fenster geworfen worden.
„Jar, kommst du mal kurz?“, fragte sie verwirrt und als er gerade ins Wohnzimmer kommen wollte, durchfuhr ein Blitz den Raum und sie wurde geblendet. Von dem darauffolgenden Knall wurde sie ohnmächtig.

9. Kapitel


Sie fühlte sich komisch. Sie fluchte vor sich hin.
„Mom, wach auf, bitte“, hörte sie die ängstliche Stimme ihres Sohnes und war plötzlich hellwach.
„Chase, ich bin wach, keine Sorge, Mommy ist hier“, bemerkte sie und setzte sich auf. Sie war mit dem Fuß an einer Kette gefesselt.
„Mom, wo sind wir?“, fragte Chase nervös. Sie sah sich um. Sie waren in einem Schuppen, mehr konnte sie nicht sehen.
„Ich weiß es nicht, Schätzchen, aber ich werde dich beschützen, keine Angst“, zog sie ihn in seine Arme.
„Du bist gefesselt, wie willst du das anstellen?“, hörte sie die benommene Stimme von Miles. Er lag auf dem Boden, er konnte sich nicht bewegen, weil sie ihm Arme und Beine hinter dem Rücken zusammengebunden hatten.
„Das nennt sich Aufmunterung, Senior Sarkasmus, wen hast du denn so angepisst?“, murmelte sie.
„Ich muss zugeben in meiner wilden Zeit hatte ich nicht nur Freunde, aber in den letzten zehn Jahren hab ich mich sehr rar gemacht, also keine Ahnung. Zieh mich hoch“, bat er und zu zweit konnten sie in auf die Knie bringen.
„Okay, jetzt schneidet mich los!“
„Wir haben nichts zum Aufmachen von diesen Seilen“, versuchte sie seine Fesseln aufzuschneiden.
„Was ist mit einem Taschenmesser, Junge, hast du so was?“, wendete sich Miles an seinen Sohn.
„Ich hab kein Messer“, drückte er sich wieder an seine Mutter.
„Was bringst du unserem Jungen eigentlich bei?“, fragte er, sie.
„Nicht mit Messern zu spielen? Man, meine Augen brennen vielleicht, was waren das für Dinger?“
„Flash-Bang-Granaten“, erklärte Chase seinen Eltern und die starrten ihn an.
„Call of Duty, sie machen Flash …“, erklärte er ihr weiter.
„und Bang, verstehe, wenn wir heimkommen müssen wir mal nen langes Gespräch über die Sachen führen, die nicht angebracht für Kinder sind“, konterte sie.
„Euch ist schon klar, dass wir uns in einer beschissenen Situation befinden, oder?“, mischte sich Miles in ihr Gespräch ein.
„Jar, wenn du nichts Aufmunterndes zu sagen hast, lass es“, maulte sie.
„Stelle nur die Tatsachen klar. Kriegst du meine Beine frei?“, wollte er wissen.
„Ich versuch’s, aber wer auch immer das gemacht hat, versteht sein Handwerk. Chase, steck mal die Hand hier rein, so kann ich es vielleicht lockern“, bat sie und nach einiger Mühe bekamen sie seine Beine frei.
„Na geht doch, ist wie Nabelschnur entwirren, irgendwie. Ich hab nur danach nur selten so wunde Hände. Wir sind hier alleine in einer Hütte im Nirgendwo, ich krieg irgendwie Flashbacks aus der Vergangenheit“, rieb sie ihre wunden Hände.
„Du meinst aus meiner Vergangenheit?“, versuchte er zu verstehen.
„Oh ja, ich wusste doch, dass das irgendwie passiert!“
„Ich hab keine Schuld daran“, bemerkte Miles.
„Das müssen wir noch rausfinden. Mach uns los“, entgegnete sie.
„Ich kann dich nicht freimachen, du bist angekettet“, entschuldigte er sich.
„Ja, das weiß ich, aber wir müssen hier weg“, bat sie besorgt.
„Schon klar. Ich werde was finden, mit dem ich euch befreie, bleibt ganz ruhig“, versuchte er die Kontrolle zu übernehmen.
 
„So, ist ab“, lehnte er sich schnaufend zurück. Seine Hände bluteten, aber er hatte ihre Fußfessel abbekommen.
„Gut, dann mach seine!“
„Ich kann nicht“, hob er seine blutenden Hände hoch.
„Verdammt, dann zeig mir, wie es geht, dann mach ich es“, bat sie.
„Sicher, komm her“, stellte er sich hinter sie und führte ihre Hände.
Ihre Hände bluteten auch, als sie ihren Sohn endlich befreit hatte.
„Jetzt müssen wir nur noch die Tür aufkriegen!“
„Ich schmeiß mich dagegen“, wollte Miles schon Anlauf nehmen.
„Warte, schon vergessen, was das letzte Mal passiert ist, als du das machen wolltest?“, riet sie ihm.
„Richtig, ich brauch meinen Arm noch“, klopfte er erst an die Tür.
„Ist nur Holz, keine Feuertür. Okay, auf geht’s“, rannte er gegen die Tür und die sprang auf.
„Gott sei Dank, das will ich nicht nochmal machen“, rieb er sich die Schulter.
„Alles in Ordnung?“, half sie ihm auf.
„Ja, ich merk nur das erste Mal seit 10 Jahren meine alte Schulterverletzung wieder. Nein, nein, bitte nicht“, sah er sich um. Um ihn herum war nur Sand und karge Bäume.
„Wo sind wir hier?“, fragte sie und sah in sein geschocktes Gesicht.
„Große Sand-Wüste“, stotterte er nur.
„Du weißt es also nicht!“
„Nein, das Gebiet heißt Große-Sand-Wüste, wir sind mitten in der Wüste, Süße“, ging er auf die Knie.
„Wüste wie tödlich ohne Wasser und Nahrung?“
„Es tut mir so leid!“
„Steh auf“ sagte sie erst sanft.
„Ich hab euch in diese Situation gebracht, das kann ich mich nie verzeihen“, jammerte er.
„Steh auf, verdammt nochmal, sei ein Vorbild für deinen Sohn“, forderte sie und zog ihren Ex hoch.
„Wir können hier nicht lange überleben“, sagte er nur.
„Ich bin nicht tausende von Kilometern geflogen um hier drauf zu gehen. Wir werden uns aus dieser Hütte alles nehmen, was wir zum Überleben brauchen und ziehen los“, entgegnete sie. Sie übernahm die Führung, denn das war was sie am besten konnte.
„Okay, mein Rock wird uns für uns alle Kopftücher bringen, wir nehmen die Seile mit und zerbrich den Stuhl, damit können wir Tiere abwehren“, plante sie und zerriss ihren Rock in mehrere Stücke. Miles starrte auf die Shorts, die sie darunter trug.
„Ja, das sind Spanx, ich bin nicht mehr die heiße 25-jährige, die du damals geschwängert hast. Du musst dich an den Anblick gewöhnen, ich brauche den ganzen Rock, um unsere Hände zu verbinden. Gut, das sind große Stücke, umwickle sie, um sie sicher zu machen“, bat sie ihren Sohn, der aus den kaputten Holzbeinen, die Miles zerschlagen hatte Werkzeuge herstellte.
„Ich hab immer überlegt, wann ich den Mist mal gebrauchen kann, den ich in diesen ganzen Survival-Shows im Fernsehen gelernt habe, scheint so, als wäre das der Tag“, entschied Danera und sie packten alles zusammen.
 
„Die Kinder sind anscheinend begeistert von dem Stück, ich bin echt überrascht“, plapperte Lea. Sie hatte nach dem Theaterstück gute Laune und so kam sie mit den Seyers und ihren Kindern zurück zu ihrem Haus. Die Haustür stand auf und überall brannte Licht.
„Das ist komisch, Ladys, bleibt kurz mit den Kindern hier, ich geh allein rein“, hatte Rabatin ein komisches Gefühl und ließ die anderen stehen, bevor er vorsichtig ins Haus ging.
„Jar, Dani, seid ihr hier?“, schritt er vorsichtig durchs Haus. Er fand niemanden vor, aber ins Haus waren eindeutig Leute eingedrungen. Hektisch ging er zu den anderen zurück.
„Kiah, nimm den Autoschlüssel und bring sie zu Keta“, drückte Rabatin seiner Frau die Autoschlüssel in die Hand.
„Schatz, du ängstigst mich, was ist los?“
„Keine Ahnung, deswegen bring sie dahin, ich hab die Befürchtung, es geht wieder los“, bat er, küsste sie kurz und ohne weitere Worte brachte sie alle weg.
 
Drei Tage später
 
„Ich weiß, Schatz, das tut weh, aber der Sand hilft uns, uns nicht noch mehr zu verbrennen. Meine Migräne bringt mich um“, rieb Danera ihren Sohn mit Sand ein. Sie waren schon drei Tage gelaufen und hatten nur Dunstwasser aus der Nacht getrunken.
„Das ist die Dehydration, das wird vermutlich noch schlimmer“, bemerkte Miles und band sein Kopftuch neu.
„Danke, für die Aufmunterung. Weißt du noch, wo wir hinlaufen?“, rieb sie noch auch Miles mit Sand ein.
„Hab ich das jemals gewusst?“, fragte er.
„Dachte ich eigentlich. Wir werden nicht mehr länger ohne Flüssigkeit auskommen“, sagte sie tonlos.
„Ich weiß, bleibt hier, ich geh auf die Suche nach Aloe-Vera-Pflanzen, die könnten uns bei beiden Problemen helfen“, erwiderte er und stand auf. Er strauchelte.
„Schaffst du das?“
„Ich versuch es, ich komme wieder, versprochen“, stützte er sich auf ihre Schulter, nahm seine selbstgebaute Waffe und ging davon.
 
„Wie ich Ihnen schon drei Mal gesagt habe, ja, ich bin sehr sicher, dass mein Bruder und meine Freundin nicht einfach so abgehauen sind. Ja, ihre Handys sind alle hier, dass würde sie niemals tun, ohne es uns zu sagen. Wir sind wirklich besorgt, bitte schreiben Sie zur Fahndung aus, bitte“, telefonierte Kiah mit der Polizei. Als die Polizei ihr zusagte, dass sie helfen wollten, legte sie wieder auf.
„Ich weiß nicht, ob das was bringt, wir wissen doch, was los ist“, sagte Rabatin, der ihr gegenübersaß.
„Wissen wir das? Lea ruft mich jeden Tag 5 Mal an um nachzufragen, ob wir was Neues wissen aber wir wissen überhaupt nichts, nicht wahr? Wir haben sie damals alle getötet, deine Familie kann es also nicht sein“, bemerkte Kiah.
„Wer soll es denn sonst sein? Wir haben die Hausangestellten damals verschont, was ist, wenn es ihre Kinder sind?“
„Wir haben ihre Eltern und sie gerettet, sagen wir, du hast Recht, warum sollten sie das tun?“
„Keine Ahnung, sie sind fast eine Woche weg, ich gehe alle Möglichkeiten durch. Was sollen wir nur machen?“, fragte Rabatin besorgt.
„Ich weiß es nicht, mein Schatz, am liebsten würde ich losziehen und sie suchen, so wie früher!“
„Dann machen wir das“, sagte er plötzlich.
„Was?“
„Du bist einer der besten Touristenführer der Gegend, ich bin Halb-Aborigine, es ist lang her, dass wir unsere Talente eingesetzt haben, wird wieder Zeit!“
„Wie verlockend das auch klingt, aber wir wissen nicht, wo sie sind, wir können nicht den ganzen Kontinent abklappern!“
„Wir fangen erst in der Umgebung an und weiten dann den Radius aus, wir werden sie finden“, plante sie.
„Das könnte Monate dauern und auch dann wissen wir nicht, ob wir richtig sind. Was wird aus unseren Jobs?“
„Du hast Recht, wir sind jetzt die Erwachsenen, das können wir nicht machen. Was ist, wenn sie tot sind?“, wollte sie wissen.
„Nein, geh da gedanklich nicht hin, sie leben, da bin ich sicher!“
 
Danera hielt ihrem Sohn eine Schüssel mit Flüssigkeit hin. Er trank es gierig.
„Das ist warm“, murmelte er.
„Das ist warmer Apfelsaft“, log sie ihn an.
„Das schmeckt nicht“, maulte er.
„Ja, ich weiß, aber es lässt dich überleben“, sagte sie schwach.
Sie lag in der Fötus-Haltung neben ihrem Sohn. Hinter ihr liegend umklammerte Miles sie. Er war ohnmächtig, zumindest hoffte sie dies. Sie war zu schwach, um seinen Puls zu messen. Mit letzter Kraft hatte sie ihrem Sohn die letzte Flüssigkeit gegeben, die sie finden konnte und es war sicher kein Apfelsaft gewesen. Die Schüssel rutschte ihr aus der Hand und sie sank auch in einen Schlaf.
 
Sie fühlte ein kaltes Tuch auf ihrem Kopf. Es fühlte sich so gut an. Sie blinzelte durch ihre verkrusteten Augen.
„Ach gut, du bist nicht tot“, hörte sie eine fremde Stimme.
„Wasser“, keuchte sie.
„Öffne deinen Mund“, bat die Stimme und sie spürte das frische Wasser, was über ihre trockenen Lippen tropfte. Sie trank es gierig.
„Langsam, dein Körper muss sich erst mal wieder daran gewöhnen“, sagte die Stimme.
„Wo ist mein Sohn?“, schluchzte sie.
„Meine Partnerin kümmert sich um ihn, ihm geht es wesentlich besser als dir, Kleines, du hast dich gut um ihn gekümmert“, half die Stimme ihr sich aufzusetzen. Sie sah in die liebevollen Augen eines Aborigines.
„Du hast mich gerettet“, realisierte sie.
„Ja, sieht so aus. Dein Ehemann ist auch in Ordnung, er verhält sich komisch, ich hab ihm einen Schlaftrunk gegeben“, erklärte ihr der Mann.
„Er ist psychisch krank und braucht seine Medikamente“, versuchte sie einen klaren Gedanken zu fassen.
„Dachte ich schon, ich bring euch zur nächsten Stadt, wenn es euch bessergeht. Meine Frau wird dich nun umziehen und deine Wunden versorgen. Du hast seltsame Kleidung an für ne Touristin“, erklärter er ihr.
„Wir wurden entführt, von einem Abendessen, ich bin keine Touristin, die sich verirrt hat“, entgegnete sie.
„Das kommt öfters vor, als du denkst. Eine Entführung ist aber was Neues, soll ich die Polizei rufen?“
„Nein, wir wissen nicht, wer uns mitten in der Wüste ausgesetzt hat, dass würde nichts bringen“, verneinte sie es.
„Verdammt, wen hast du den angepisst, dass du im Urlaub entführt wirst?“
„Wenn ich das nur wüsste. Kannst du mich zu meinem Ehemann bringen?“, hoffte sie.
„Sicher, stütz dich auf mich, du heilst sicher besser, wenn du bei ihm bist“, half er ihr hoch und sie döste neben Miles wieder weg.

10. Kapitel

 
Sie hörte ein leises Wimmern. Sie drehte sich in dem Bett um, in dem sie lag. Der Sonnenbrand überall an ihrem Körper schmerzte höllisch. Es war Miles, der weinte.
„Hey, ich bin bei dir“, schmiegte sie sich sanft in seinen Arm.
„Ich kann das nicht steuern“, schluchzte er.
„Ja, ich weiß, du brauchst deine Medikamente, du hast heftige Entzugserscheinungen. Wir sind in Sicherheit, ganz ruhig“, beruhigte sie ihn sanft.
„Wo sind wir?“, wurde er langsam wach.
„Ich hab keinen blassen Schimmer, aber da ist diese nette Aborigine-Familie, die uns aufgenommen hat. Sie hat uns gerettet“, erklärte sie ihm.
„Das erklärt die gruseligen Masken an der Wand“, bemerkte er.
„Miles, da ist nichts an der Wand, du fantasierst wohl noch, wir müssen dich schleunigst in ein Krankenhaus bringen“, entschied sie.
„Ja, müssen wir, wo ist Chase?“
„Ich geh ihn suchen, bleib liegen und schlaf noch etwas“, wollte sie aus dem gemütlichen Bett aussteigen, ihr wurde aber beim Aufstehen schwarz vor Augen.
„Hey, Kleines, keiner hat was von Allein aufstehen gesagt, du brauchst noch Ruhe“, kam eine Aborigine-Frau, die in ihren 40gern sein musste, zu ihnen ins Zimmer.
„Ich will zu meinem Sohn“, sagte Danera und versuchte den Schwindel los zu werden.
„Kein Problem, ich bring ihn dir, hier, trinkt das“, stellte sie ihr eine Kanne mit Tee hin.
„Ich brauch auch etwas zu trinken“, versuchte sich Miles zu fassen.
„Ich geb dir was“, wollte sie ihm den lauwarmen Tee einschenken aber ihre Hände zitterten stark.
„Wir wären da draußen fast draufgegangen“, redete sie vor sich hin.
„Ja und wir wissen immer noch nicht wieso. Die wollten uns eindeutig töten, aber haben nicht damit gerechnet, dass du so eine Kämpfernatur bist“, lobte er sie und sie gab ihm den halben Becher Tee.
„Ich glaub, ich hätte nicht so lang durchgehalten, wenn Chase nicht dabei gewesen wäre. Und du natürlich, diese Aloe Vera hat zwar grauenhaft geschmeckt, hat uns aber auch ein paar Tage geschenkt“, entschied sie und half ihm zu trinken, da seine Hände noch schlimmer zitterten als ihre.
„Meine Ziehmutter hat mir beigebracht, wie man Wasser aus Pflanzen entnimmt, sie hat immer gedacht, ich hör nicht richtig zu, jetzt wünschte ich, ich könnte ihr davon erzählen“, erwiderte er und begann wieder zu weinen.
„Du hast es eine Woche ohne deine Medikamente ausgehalten, da wäre sie sicher auch sehr stolz, du hast trotz deiner Krankheit nicht aufgegeben“, lobte sie ihn auch.
„Das konnte ich nur, weil ich wusste, meine Familie braucht mich“, sagte er liebevoll und legte seine mit Verbänden verbundene Hand auf ihre Wange. Sie lächelte matt, obwohl sie wusste, dass diese Familienidylle nicht von Dauer war.
„So, da ist der kleine Prinz, er hat mir schon erzählt, dass ihr aus den Staaten kommt, das war sicher eine sehr lange Reise. Hier ist auch noch ein Laib Brot, esst es aber langsam, euer Körper musste sicher etwas hungern und ist das nicht gewöhnt“, erklärte ihre Retterin und half dem bleichen Chase auf das Bett zu seinen Eltern.
„Danke, Sandy“, bedankte sich Chase höflich.
„Bitte, mein Süßer, jetzt esst und trinkt und erholt euch, wenn mein Partner zurück ist, bringen wir euch in die nächste Stadt“, erklärte die Aborigine Sandy und ließ sie allein.
 
Es dauerte einen weiteren Tag, bis die Gruppe fit genug war, das Haus ihrer Gastgeber zu verlassen. Sandys Partner brachte sie die nächste Stadt, die Danera überraschend bekannt vorkam.
„Wir sind in Uluru?“, war sie erstaunt.
„Ja, aber Touristen sind nicht mehr so viele hier, ist ja schon Herbst hier“, erklärte Sandys Mann.
„War immer ein Traum von mir den Ayers Rock zu sehen, jetzt bin ich ihm so nah und zu krank, um da hin zu gehen“, bemerkte sie nachdenklich.
„Jetzt werde erstmal gesund, du kommst sicher wieder“, erklärte er ihr.
„Schon klar, sagte nur, dass es schön wäre, den Uluru zu sehen. Hier kannst du halten, wir sollten im Krankenhaus vorbeischauen, nur um sicher zu gehen“, erwiderte sie und er hielt an.
„Hier ist meine Nummer, wenn ihr Probleme kriegt, meldet euch bei mir“, erklärte ihr Retter.
„Danke, für alles“, bedankte sie sich und sie stiegen aus.
„Keine Ursache, passt auf euch auf“, bemerkte er und fuhr weg.
 
Miles lud Chase auf seinen Arm, da dieser sehr schwach war.
Sie brauchten ein paar Minuten um das Krankenhaus zu betreten.
„Hey, ihr seid ja ein jämmerlicher Haufen, was kann ich für euch tun?“, begrüßte die Krankenschwester am Empfang sie freundlich.
„Wir sind Touristen und wurden irgendwo in der Wüste ausgesetzt. Wir sind dehydriert, haben überall Verbrennungen und Verletzungen an den Händen“, erklärte Danera der Frau.
„Ist das ein Witz?“, glaubte die Frau ihr nicht. Danera wurde übel und sie sackte auf die Knie.
„Okay, vielleicht ist da was Wahres dran. Kommt mit“, bat die Rezeptionistin und brachte sie zu den Ärzten.
 
„Kleines, Sie haben ja ne Menge durchgemacht, es ist ein Wunder, dass Sie das überlebt haben. Sie benötigen Antibiotika und Kochsalz, aber sonst geht es Ihnen gut“, erläuterte die Ärztin Danera, als sie sie untersucht hatte.
„Werde ich mich dann besser fühlen?“, hoffte sie.
„Vermutlich, Sie erhalten auch noch essen von uns, erstmal Schonkost“, erwiderte die Ärztin.
„Haben Sie die Polizei gerufen?“, wollte sie wissen.
„Ja, haben wir, die Polizei in Alice Springs ist schon fleißig auf der Suche nach Ihnen allen. Der Polizist dort schickt einen Kollegen hierher, um Sie zu befragen, aber das kann bis Morgen dauern. Solange bleiben Sie bei uns!“
„Danke sehr, wie geht es den anderen?“
„Ihrem Freund geht es nicht so gut, er ist besonders dehydriert, er muss noch ne Weile bleiben. Ihrem Sohn geht es am besten von Ihnen dreien, Sie haben ihm die ganze Flüssigkeit gegeben, oder?“
„Sie haben den Urin festgestellt, den ich ihm gegeben habe, oder?“
„Eigentlich nicht, aber das erklärt so einiges. Sie sind eine gute Mutter“, entgegnete die Ärztin.
„Bitte verraten Sie ihm nichts, ich will nicht mein ganzes Leben einen Psychologen bezahlen müssen!“
„Das bleibt unter uns, versprochen. Jetzt erholen Sie sich, Sie sind in Sicherheit“, erklärte die Ärztin und sie lehnte sich zurück.
 
Sie döste vor sich hin, als Miles in einem Rollstuhl zu ihr kam.
„Jar, du gehörst ins Bett“, murmelte sie und streckte ihre Hände aus, die er in seine Hände nahm.
„Ich wollte nach dir sehen, wie geht’s dir?“
„Die Medikamente helfen gut, bei dir?“
„Auch, ich kann aber irgendwie nicht liegen. Wie geht’s dem Zwerg?“
„Am besten von uns allen, er ist ein echter Kämpfer!“
„Du hast ihm jede Flüssigkeit gegeben, die du hattest, du bist eine tolle Mutter!“
„Ich hab ihm meinen Urin gegeben“, gestand sie beschämt.
„Das war also der warme Apfelsaft, von dem er geredet hat. Das werden wir ihm nicht erzählen, oder?“
„Nein, ganz sicher nicht. Was werden wir den Cops erzählen?“
„Das was wir wissen, ich glaub langsam, dass das nichts mit meiner Familie zu tun hatte. Da stellt sich nur die Frage, was war das? Ich kann mir niemanden vorstellen, der so etwas tun würde. Das ist so seltsam!“
„Ich bin stinkwütend, man kann mir alles antun, aber wenn man meinen Sohn angreift, hört der Spaß auf. Wer auch immer uns das angetan hat, wird von mir ohne Betäubung kastriert“, erklärte sie ihm.
„Da mach ich gerne mit. Ich kenne meinen Sohn erst eine Woche, aber ich könnte mir mein Leben nicht mehr ohne ihn vorstellen!“
Sie hörte was er sagte, konnte darauf aber nichts antworten.
„Tut mir leid, ich weiß, dass ich ihn nicht mehr sehen werde, können wir zumindest während ihr hier seid so tun als ob?“, hoffte er.
„Ja, können wir machen“, sagte sie tonlos.
„Es wird mir auch mein Herz brechen, dich gehen zu lassen“, gestand er plötzlich, beugte sich vor und wollte sie küssen. Sie hielt ihn aber davon ab.
„Nein, mir tut das hier höllisch weh, ich kann nicht“, bat sie weinerlich.
„Bitte wein nicht, dann muss ich nämlich auch weinen, meine Medikamente brauchen etwas, bis sie wirken“, versuchte er sich zusammen zu reißen.
„Wein ruhig, du hast die ganze Woche gut durchgehalten“, versicherte sie und zog seinen Kopf gegen ihren. So blieben sie eine ganze Weile und weinten.
 
„Leute, die Polizei ist jetzt da“, riss die Ärztin sie raus aus ihrem Moment.
„Danke, sie sollen reinkommen“, bedankte sich Danera müde.
„Danke, Miss Eagle, das Sie Zeit für mich haben, ich bin so schnell gekommen wie ich konnte. Fühlen Sie sich fit genug?“, fragte der Polizist sie.
„Ja, schießen Sie los“, setzte sie sich auf. Das Blut schoss ihr in den Kopf.
„Ich stell Ihnen nur ein paar Fragen, Sie sagen, wenn es Ihnen zu viel wird, okay?“
„Ja, okay“, sagte sie leise.
„Konnten Sie Ihre Entführer sehen?“, begann er zu fragen und sie beantworte alle Fragen soweit sie konnte.
„Das ist eine echt seltsame Geschichte, Sie wissen wirklich nicht, warum Sie entführt wurden?“
„Nein, tut mir leid“, log sie, aber er glaubte ihr.
„Schon gut, das finden wir raus. Ich hab all Ihre Unterlagen mitgebracht, dass Sie so schnell wie möglich zu Ihrer Familie und Ihren Freunden zurückkönnen“, übergab der Polizist ihr ihre Pässe, Geldbeutel und Handys.
„Es ist alles noch da?“, war sie überrascht.
„Ja, das ist auch irritierend für uns. Aber das ist auch gut, so können Sie schnell wieder nach Hause“, erkannte der Polizist.
„Ja, nach Hause, ich wollte hier mit meinem Sohn und meinen Freunden nur Urlaub machen und dann passiert sowas!“
„Im Namen der Gesetzeshüter von Alice Springs entschuldige ich mich höflichst für unsere Nachlässigkeit. Wir werden alles tun um Ihre Entführung aufzuklären“, versicherte der Beamte.
„Danke, ich hoffe, ich kann den restlichen Urlaub noch genießen, ich werde nämlich wieder 10 Jahre sparen müssen, um nochmal hierher reisen zu können“, sagte sie nachdenklich.
„Das ist nicht Ihre erste Reise hierher?“
„Nein, die zweite, vor zehn Jahren hab ich den hier kennengelernt, ich wollte nur hierherkommen, um ihm seinen Sohn vorzustellen und das hätte uns alle drei fast umgebracht“, war Danera frustriert.
„Wow, das war echt eine dramatische Familienzusammenführung. Das ist echt ne richtige Fernbeziehung“, war der Polizist verwundert.
„Wir sind fast zehn Jahre nicht mehr zusammen, leider“, erklärte Miles ihm.
„Und Sie werden sich bald wieder räumlich trennen?“, war der Polizist fasziniert von ihrer Geschichte.
„Ja, sieht so aus, tut mir leid, ich rede nicht gern darüber“, bat Danera.
„Sicher, versteh ich. Vielleicht sollten Sie diesen Vorfall als Zeichen sehen, dass Sie als Familie zusammengehören!“
„Bitte, lassen Sie es“, forderte Miles auch.
„Ja, sorry. Okay, sobald Sie entlassen werden, fahren wir zusammen zurück, hier ist meine Nummer, melden Sie sich bei mir, wenn es soweit ist!“
„Danke, Constable, das werden wir“, versicherte Miles und der Polizist ließ sie wieder allein.
„Wir werden sechs Stunden mit einem Cop in einem Auto sitzen, das ist nicht gut“, entschied Danera.
„Wieso, war sicher die Idee meiner Schwester, dass wir heil heimkommen“, verstand er nicht.
„Schon, aber das ist ein sechs Stunden Verhör und wir sind keine Unschuldslämmer!“
„Wir haben ein Feuer gemacht und Leute sind gestorben, mehr nicht!“
„Leute sind gestorben, das heißt wir sind Mörder“, entschied sie.
„Ja, ich weiß, aber wir wollten das nicht“, sagte er weinerlich.
„Nein, wollten wir nicht, aber wir haben sie auch nicht gerettet!“
„Sie sind tot, das liegt in der Vergangenheit. Der Constable weiß das nicht, er wird uns nicht danach fragen, sie haben nie rausgefunden, wer es war und das werden sie auch nicht“, versicherte er ihr.
„Ich weiß nicht, ob ich das länger für mich behalten kann!“
„Wir gehen alle in den Knast, wenn du das ausplauderst“, sagte er trocken.
„Ich weiß, ich hoffe Jones wird sich dann gut um Lea und meinen Sohn kümmern“, bemerkte sie nur.
„Du hast schon darüber nachgedacht?“
„Schon seit Chase geboren wurde, als Mutter macht man sich halt solche Gedanken. Ich werde nichts sagen, viel zu viele Leben hängen davon ab, aber das ist wirklich ne lange Zeit mit einem Cop in einem Auto. Ich sollte mir ein Buch besorgen, das mich ablenkt“, erklärte sie.
„Das machen wir. Ist schade, dass du so nah am Uluru bist und ihn gar nicht sehen kannst. Ich hab ihn auch nie richtig gesehen, wir sind auf ner Reise nur mal durchgekommen“, lenkte er das Thema ab.
„Vielleicht können wir den Constable überzeugen, dass wir kurz vorbeigehen, es wäre eine Schande, wenn Chase ihn nicht sehen könnte!“
„Ja, das wäre schön Jetzt ruh dich weiter aus, dass wir bald hier rauskommen“, entgegnete er liebevoll und küsste ihren Kopf.
„Du musst dich aber auch ausruhen, du siehst grausig aus“, bemerkte sie.
„Danke, für das Kompliment“, schmunzelte er und rollte in sein Krankenzimmer zurück.
 
Sie hatte lange geschlafen und fühlte sich gleich besser. Etwas saß auf ihrem Bettrand.
„Mommy?“, hörte sie die sanfte Stimme ihres Sohnes.
„Chase, Süßer, was machst du denn hier?“
„Mir geht’s gut, ich darf heute raus“, bemerkte er gutgelaunt. Es war erstaunlich, ihre Entführung schien ihm nichts ausgemacht zu haben. Sie überlegte sich trotzdem nach ihrer Heimkehr einen Psychologen mit ihm aufzusuchen.
„Das ist schön, siehst auch besser aus. Na ja, außer den Verbrennungen, aber die Ärzte hier haben tolle Sachen, das verheilt gut“, fuhr sie ihm sanft über das Gesicht.
„Wir kriegen hier gute Medikamente, das passiert, wenn man sein Gesundheitssystem nicht komplett mit Füßen tritt“, kam ihre Ärztin zu ihnen.
„Ich arbeite im Gesundheitssystem, da treten Sie bei mir offene Türen ein. Meine beste Freundin hat mich zu dieser Auslandskrankenversicherung gedrängt, sie wird mir sicher die nächsten Monate in den Ohren liegen, wie Recht sie hatte“, konterte sie.
„Sie sind auch Ärztin?“
„Hebamme, ich hab inzwischen die Leitung in meiner Abteilung, bin ziemlich stolz darauf!“
„Dürfen Sie auch, Hebammen sind die Pfeiler der Gesellschaft“, bemerkte die Ärztin.
„Dankeschön, dass das mal einer so sagt“, freute sie sich.
„Hey, Kleiner, wir haben den Gang runter ein Spielzimmer, wir haben da sogar ne X-Box, lässt du deine Mom und mich mal alleine, bitte?“, hoffte die Ärztin und Chase sah seine Mutter an.
„Ja, geh ruhig, bleib aber in dem Zimmer, okay?“, bat sie und Chase nickte und ging davon.
 
„So, schauen wir uns mal Ihre Wunden an, Sie haben einer der schlimmsten Sonnenbrände, die ich je gesehen habe und ich behandle jedes Jahr hunderte von britischen Touristen, die noch nie was von Sonnencreme gehört haben. Aber das wird verheilen, wird nur etwas dauern. Da Sie in einem Krankenhaus arbeiten, sollten Sie Ihre Wunden länger verbinden, danach längere Kleidung tragen, bis das alles komplett verheilt ist!“
„Sie wissen schon, dass die Staaten bald Sommer haben, oder?“
„Ja, geht aber nicht anders, tut mir leid. Ich muss jetzt die Verbände wechseln, ich dreh die Schmerzmittel etwas hoch, das wird nicht lustig. Ihr Freund fand das vorhin furchtbar, Rothaarige sind nicht zu beneiden!“
„Ja, ich hab versucht, ihre Haut so gut zu schützen wie es ging“, dachte sie laut nach.
„Das haben Sie auch richtig gut gemacht, hätte schlimmer werden können. Sand zu verwenden war clever, so wie es die Elefanten machen, Ihre Haut ist dadurch nur ziemlich empfindlich, aber mit den Cremes müsste es gehen. Bereit?“, lobte die Ärztin sie und sie nickte. Es tat wirklich weh, fast, als würde man ihr einen Teil von ihrer Haut abziehen, vermutlich war es auch so. Nach etwa 5 Minuten war sie neu verbunden.
„Na, geht’s?“
„Könnte ich nen Eisbeutel haben?“
„Sicher, bring ich Ihnen. Sie waren echt stärker, als Ihr Freund“, schmunzelte die Medizinerin.
„Ehrlich gesagt ist er nicht mein Freund, eher mein Ex, ich kam hierher um ihm seinen Sohn vorzustellen, ja, ich weiß, ich bin furchtbar, aber er ging vor zehn Jahren zurück in seine Heimat, ich konnte ihn nicht halten und danach hat sich alles irgendwie selbstständig gemacht!“
„Er hasst sie nicht, also hat er Ihnen wohl verziehen. Ich kenne das Dilemma, mein Verlobter ist Südafrikaner, wir haben immer noch nicht geregelt, wie das mit uns weitergehen soll“, erzählte sie ihr.
„Verdammt, das ist auch ne Distanzbeziehung. Ich liebe Miles so sehr, dass es mir jede Minute weh tut, wenn ich bei ihm bin, weil ich genau weiß, dass das nicht auf Dauer ist. Vor allem, weil es ja noch unseren Sohn gibt. Wenn ich ihn darum bitte mit mir wieder in die Staaten zu kommen weiß ich nicht, wie er mit seinen Problemen versorgt werden kann. Sie wissen ja, wie es gerade mit unseren Versicherungen um uns steht. Deswegen verleugne ich meine Gefühle und flieg einfach wieder weg, wenn der Zeitpunkt gekommen ist“, erläuterte Danera, aber ihr kamen schon wieder die Tränen.
„Das Problem hab ich auch, ich könnte leicht nach Südafrika einreisen, aber dann müsste ich meinen guten Job hier aufgeben, ihn hierher zu holen gleicht einem Staatsakt, das ist vermutlich sogar noch schwieriger als bei Ihnen, Sie müssen Miles ja nur heiraten, dass er bleiben kann“, erwiderte die Ärztin.
„Ja, eigentlich schon“, murmelte Danera nachdenklich.
„Sehen Sie und schon ist alles nicht mehr so schwierig, oder? Das hier drehen wir wieder runter, wir wollen Sie ja nicht noch umbringen mit den Schmerzmitteln. Bin gleich mit dem Eispad zurück“, drehte sie den Tropf zurück und ließ sie allein.
Sie schlüpfte in die Flip-Flops, die ihr aus den Fundsachen gegeben worden waren und rollte den Tropf mit sich zu Miles Raum. Er dämmerte vor sich hin, der Verbandswechsel hatte ihm wirklich zugesetzt. Langsam nahm sie auf dem Stuhl neben ihm Platz.
„Hey, jetzt besuchst du mich mal, wie schön“, begrüßte er sie benommen. Überraschend küsste sie ihn leidenschaftlich.
„Wenn das ne Wahnvorstellung ist, möchte ich nicht, dass es aufhört“, war er zufrieden.
„Heirate mich, Jar“, machte sie ihm plötzlich einen Antrag.
„Oh schade, das ist also doch ne Wahnvorstellung. Ich würde nichts lieber tun, als sie zu heiraten“, bemerkte er benommen.
„Du fantasierst nicht!“
„Oh doch, tu ich, sie würde so etwas nie sagen“, sprach er weiter mit ihr, als wäre sie gar nicht da.
„Tut mir leid, Schätzchen, dass wird mir mehr wehtun, als dir“, wollte sie ihn aus seiner Trance rausreißen, also boxte sie ihm gegen die Schulter.
„Aua, das hat … du bist … wirklich hier“, stotterte er.
„Ja, Idiot, die sollten dir den Tropf bisschen runterdrehen, das ist eindeutig zu viel“, erkannte sie und er starrte sie nur an.
„Ich weiß, das ist die blödeste Idee, die ich je hatte, aber wir sind diese Woche fast gestorben und ich will nicht mehr ohne dich sein“, versuchte sie sich zu erklären.
„Ja“, sagte er nur.
„Ja, was?“
„Ja, ich möchte dich heiraten, du Verrückte“, stimmte er zu und küsste sie stürmisch.
 
„Ähm, alles klar bei euch?“, weckte ihre Ärztin die Hebamme. Sie war an ihn gekuschelt in seinem Krankenbett eingeschlafen.
„Hi, ich bin … sorry, hab keine Erklärung dafür“, druckste sie herum.
„Willkommen im Club der Verlobten“, schmunzelte die Ärztin.
„Verdammt, diese Schmerzmittel kicken ziemlich rein, warten Sie, woher wissen Sie das?“, realisierte sie, was sie gerade getan hatte.
„Das ist die psychiatrische Station mit Kameras, gibt nen Grund, warum Sie nicht Zimmer an Zimmer liegen. Er war ne Weile ohne seine Medikamente, wir wollten kein Risiko eingehen“, erklärte ihr die Medizinerin.
„Heilige Scheiße, ich hab gerade einem psychisch Kranken einen Heiratsantrag gemacht“, stand sie auf und kickte dabei fast ihren Tropf um.
„Warten Sie, der ist eh leer, ich mach ihn weg“, befreite ihre Ärztin sie von ihrem Tropf.
„Danke, ich war an eine Kette gefesselt, das fühlt sich irgendwie so an und das ist kein schönes Gefühl“, bedankte sie sich und bekam ein Pflaster auf den Arm.
„Er hält sich sehr gut für das, was sie durchgemacht haben. Ich bin keine Psychiaterin, aber er ist glaub ich ziemlich stabil. Das muss Sie nicht sorgen!“
„Meine Freunde werden es nicht verstehen!“
„Dann sind es nicht die richtigen Freunde!“
„Sie sind meine Familie, ich habe keine Familie mehr!“
„Wenn Sie Ihre Familie sind, werden Sie es verstehen. Sie waren zwar beide unter Drogen, aber Sie sahen so glücklich aus, dass ist das Richtige, da bin ich ganz sicher“, versicherte die Ärztin ihr.
„Es fühlt sich auch gut an, irgendwie, keine Ahnung. Lassen wir ihn schlafen, ich muss das erst mal verarbeiten“, ging sie aus seinem Krankenzimmer.
 
Leas Handy klingelte auf dem Nachttisch neben sich. Sie nahm schnell ab, als sie sah, dass es Danera war.
„Dani, Gott Sei Dank, endlich meldest du dich“, begrüßte sie sie aufgekratzt.
„Tut mir leid, mein Handy ist grad erst genug aufgeladen. Wie geht’s dir?“
„Wie es mir geht? Wie geht es dir? Wir dachten alle, ihr wärt tot“, begann Lea zu weinen.
„War auch nicht weit davon entfernt, aber wir haben es alle überlebt. Chase hat es am besten überstanden, er ist ein Kämpfer, Miles geht es am Schlechtesten, aber er wird gut versorgt“, erklärte sie ihr.
„Was ist passiert?“, versuchte sich Lea zusammenzureißen.
„Wir wissen es nicht, aber die Polizei wird sich darum kümmern. Danke, dass du den Polizisten zu uns geschickt hast, ich fühl mich sicherer, wenn er uns zu euch bringt“, bedankte sie sich.
„Hast rausgefunden, dass ich das wollte, was? Ich will euch nicht noch verlieren“, entschuldigte sie sich.
„Ich liebe dich dafür, du weißt nicht wie sehr. Aber wenn ich dir jetzt erzähle, was ich getan habe, wirst du mich hassen“, begann Danera zu erzählen.
„Du hast nicht schon wieder jemanden umgebracht, oder?“, wollte Lea trocken wissen.
„Nein, diesmal nicht, aber ich hab etwas fast so blödes getan. Du musst wissen, ich krieg ziemliche Schmerzmittel, weil ich einen heftigen Sonnenbrand habe …“, erzählte sie weiter.
„Du hast mit Miles geschlafen, oder?“
„Nein, natürlich nicht, ich bin froh, wenn mich grade niemand anfasst“, versicherte sie ihr.
„Okay, was ist es dann?“
„Könnte sein, das ich in meinem Rausch Miles einen Heiratsantrag gemacht habe“, sagte sie nur und wartete auf Leas Antwort.
„Okay, jeder macht im Rausch mal was Falsches, ich hab in Las Vegas geheiratet, ich kenn das!“
„Ich bin mir nicht so sicher, ob das falsch war, es fühlt sich richtig an“, entgegnete Danera.

11. Kapitel

 
„Du willst in Australien bleiben?“, versuchte Lea zu verstehen, was sie da hörte.
„Gott, nein!“
„Du weißt schon, dass dein Zukünftiger hier wohnt, oder?“
„Er soll mit mir zurück in die Staaten kommen!“
„Du wirst das gleiche Problem bekommen wie Jones, das ist dir schon klar, oder?“
„Das ist das, was mich belastet. Ich liebe ihn so sehr, aber ich weiß nicht, ob wir das überstehen, ich sehe Jones daran zerbrechen und er ist psychisch stärker als Miles!“
„Dann wirst du ihm dabei zur Seite stehen“, entschied Lea plötzlich.
„Du findest es richtig?“, war Danera überrascht.
„10 Jahre und es war immer er, du hast ne Ehe in den Sand gesetzt, weil du immer ihn geliebt hast, du bist meine beste Freundin, wer bin ich dir nicht dazu zu raten“, entgegnete Leah.
„Stehst du mir bei allem bei?“
„Natürlich, Süße!“
„Ich liebe dich, ich hoffe, das weißt du!“
„Ja, ich liebe dich auch. Wann könnt ihr entlassen werden?“
„Chase ist schon entlassen worden und ich kann morgen raus, ich hoffe Miles auch“, erläuterte Danera und strich ihrem schlafenden Sohn über den Kopf, der neben ihr im Bett lag.
„Du gehst nicht ohne ihn, was?“
„Nein, ich lass ihn jetzt nicht mehr allein. Er ist nicht richtig wachgeworden, seit ich ihm ewige Treue versprochen habe, ich hoffe, ich muss das nicht nochmal machen, ich weiß nicht, ob ich das packe“, erklärte sie nachdenklich.
„Das schaffst du auch ein zweites Mal, ich bin stolz auf dich, dass du das in deine eigenen Hände genommen hast, er wollte dich ja schon nach eurer ersten gemeinsamen Nacht heiraten, endlich lässt du ihn auch“, schmunzelte Lea, die sich langsam wieder gefasst hatte.
„Ich hab echt gedacht, du würdest mich lautstark davon abhalten!“
„Du bist Mitte 30, deine Zeit läuft ab“, frotzelte sie.
„Du weißt schon, dass ich jünger bin als du, oder?“, konterte sie cool.
„Nicht in meinem Kopf, Süße! Wir sehen uns hoffentlich morgen“, entgegnete sie.
„Ja, hoffe ich auch. Geht es den anderen gut?“
„Ja, ihnen geht’s gut, sie sind alle besorgt, wir sind bei einer von Kiahs Freundinnen untergekommen, sie haben uns in der gleichen Nacht noch weggebracht, ich nehm man an wegen der Sache vor 10 Jahren, meine Kinder flippen etwas aus, wir haben hier weder nen Fernseher, noch Internet und sie lassen uns nicht viel raus. Ich hab mich verschuldet um hierher zu kommen, ich möchte auch noch was von dem Land sehen“, entschied Lea.
„Dann geh irgendwo hin, du solltest nicht alles stehen und liegen lassen, nur wegen mir!“
„Du bist ein Scherzkeks, du wurdest entführt, was ist, wenn mir das auch passiert?“
„Deswegen solltest du so weit wie möglich ins Landesinnere, oder sonst wo verschwinden!“
„Weißt du was Neues, was ich nicht wissen soll?“
„Nein, ich würde das niemals vor dir verschweigen“, versicherte sie.
„Die andre Sache hast du mir auch zehn Jahre verschwiegen“, entgegnete sie.
„Wusste doch, dass dich das immer noch nervt. Ich werde nichts mehr vor dir verschweigen, versprochen. Bitte fahr weg, dieses Land hat so viel zu bieten und du solltest das nutzen. Ich werde die Zeit nutzen um mit Miles alles zu klären, was zu klären ist“, bat sie ernst.
„Dann mach ich das. Aber du rufst sofort an, wenn was ist“, forderte Lea.
„Natürlich, sag den Kindern, dass es mir gut geht, sie sollen ihre Zeit hier wirklich genießen. Ruf nur noch die Autoleihfirma an und gib ihnen deine Führerscheindaten durch“, plante Danera.
„Mach ich. Das ist nicht richtig, du solltest dabei sein!“
„Vielleicht können wir euch ja irgendwann folgen, es gibt genug Möglichkeiten hier zu reisen, keine Sorge“, versprach Danera ihr.
„Das wäre schön. Jetzt erhol dich erstmal und komm zurück!“
 
Als sie die Augen öffnete, war ihr Sohn nicht da. Panisch stand sie auf und lief mit wackeligen Beinen durch die Halle.
„Miss Eagle, was ist los?“, kam ihre Ärztin auf sie zu.
„Wo ist mein Sohn?“, fragte sie hektisch.
„Weiß ich nicht, aber wir finden ihn, versprochen“, versicherte die Ärztin und half ihr suchen.
„Er ist mit seinem Vater weg, war das falsch?“, fragte die Frauen am Empfangstresen, als die beiden zu ihr gekommen waren.
„Wo sind sie?“
„Sie sind vor ein paar Minuten weg, tut mir leid!“
„Entschuldigen Sie mich, ich füll meine Unterlagen gleich aus“, erwiderte sie hektisch und eilte zum Ausgang. In Seelenruhe saß Miles mit seinem Sohn relaxed auf einer Bank vor dem Krankenhaus. Sie unterhielten sich angeregt.
„Meinen Puls habt ihr hochgetrieben, ich hoffe das wisst ihr“, bemerkte Danera, kniete sich hin und umarmte Chase fest.
„Darfst du raus?“, war Miles verwundert.
„Ja, ich mach gleich meine Unterlagen fertig. Ich hatte Panik, mein Sohn war plötzlich weg“, versuchte sie zu verstehen.
„Wir gehen nicht ohne dich, keine Sorge. Du siehst bleich aus, bist du sicher, dass du schon raus kannst?“
„Du hast meinen Sohn einfach so mitgenommen, da kann man schon etwas bleich sein. Komm, ich muss noch die Unterlagen ausfüllen“, zog sie Chase hoch.
„Kann ich nicht bei Dad bleiben?“, hoffte Chase.
„Nein, komm bitte mit, ihr könnt nachher weiterreden“, forderte sie und zog ihn weg.
 
Als sie zurückkamen, war Miles eingeschnappt.
„Der Bulle kommt gleich“, sagte er trocken.
„Gut, ich will endlich zurück. Lea und ihre Kinder werden übrigens nicht da sein, hab sie weggeschickt, sie sollen ihren Urlaub genießen“, erzählte sie ihm.
„Ah“, sagte er nur kurz.
„Was ist los?“
„Du vertraust mir nicht!“
„Doch, natürlich tu ich das!“
„Warum lässt du mich dann nicht mit meinem Sohn allein?“
„Das tu ich doch, aber wir wurden gerade entführt, da kriegt man Angst, wenn der Sohn plötzlich nicht mehr bei einem ist“, versuchte sie sich zu erklären.
„Wir können nicht heiraten, wenn du mir nicht vertraust, dass ich unseren Sohn mit meinem Leben beschütze“, murmelte er ernst.
„Wie kommst du plötzlich jetzt darauf?“
„Ich wusste doch, dass du diesen wundervollen Moment verleugnest“, war er traurig.
„Ich verleugne diesen Moment nicht, ich möchte dich immer noch heiraten und ich vertraue dir, tut mir leid“, erwiderte sie und nahm seine Hand in ihre.
„Du weißt es also noch?“, war er erleichtert.
„Wir waren beide ziemlich high von den Schmerzmitteln, aber ja, ich weiß es noch. Wir haben einige Stunden im Wagen und eine Woche, um das zu regeln“, entschied sie.
„Ich glaube, da muss ich erst mal allein drüber nachdenken“, löste er ihren Griff und ließ sie dort stehen.
„Klasse, da muss man sich in den 30ern auch noch mit so ‘m Mist rumschlagen“, murrte sie.
„Du hast ihm wehgetan, Mom“, sagte Chase plötzlich.
„Und die Kinder hier sind die Erwachsenen, die Welt ist echt auf den Kopf gestellt. Ich werde noch Wasser holen, kommst du mit, oder willst du zu deinem Vater?“
„Ich würde gern zu meinem Vater, sei nicht sauer!“
„Bin ich nicht, geh zu ihm, willst du noch nen Snack, oder so?“
„Ich könnte Chips essen“, bemerkte er.
„Bring ich dir. Du erstaunst mich jeden Tag mehr, ich hoffe, das weißt du“, erwiderte sie, küsste seinen Kopf und schickte ihn zu Miles.
Ein paar Minuten später kam Miles allein zu ihr. Sie saß mit einer Tüte voller Vorräte auf einem Stuhl neben dem Snackautomaten.
„Hey, hier bist du“, erkannte er mit sanfter Stimme.
„Sorry, mir ist übel geworden. Wo ist Chase?“
„Der wurd mir zu langweilig, also hab ich ihn dem nächsten Zirkus mitgegeben“, konterte er sarkastisch. Sie sah ihn skeptisch an.
„Das war nen Scherz, er ist schon im Auto mit dem Polizisten, wollte dich nur holen, dass wir losfahren können. Bist du bereit?“, fragte er freundlich.
„Ich habe nur solche Angst ihn zu verlieren“, gestand sie ihm.
„Ich weiß, ich inzwischen auch. Komm, stütz dich auf mich, fahren wir heim“, entgegnete er und stützte sie bis zum Wagen.
„Constable, ich weiß, es ist viel verlangt, aber könnten wir noch am Uluru halten? Mein Sohn hat so viel erlebt, da hat er wenigstens etwas von Australiens Kultur verdient“, bat Danera, als sie an den Schildern für den Ayers Rock vorbeifuhren.
„Sicher, ich komm aber mit, wir wissen nicht, ob Sie schon in Sicherheit sind“, stimmte der Beamte zu.
„Natürlich, Sir!“
„Riley, bitte, wir werden ne Weile zusammen im Auto sitzen“
„Dann bin ich Danera für dich, oder Dani, oder Eagle, was auch immer besser von deinen Lippen kommt!“
„Okay, ich such mir was aus. Das gilt natürlich auch für dich, Miles“, wendete sich Riley an Miles.
„Ich werde gern Jarrah genannt, den Namen hab ich mir selbst gewählt und er passt besser zu mir!“
„Dann nenn ich dich so, wie kommst du darauf, dich Eukalyptus-Baum zu nennen?“, frotzelte Riley.
„Das hat was mit meiner Familie zu tun!“
„Sorry, wollte nicht unverschämt werden, ich hab vergessen, dass deine Adoptivmutter Aborigine war“, entschuldigte sich Riley.
„Ja, das war sie, bin froh, dass sie das hier nicht mehr erleben musste“, dachte Miles laut nach.
 
Zufrieden sah Danera zu, wie ihr Sohn den Ayers Rock von allen Seiten betrachtete. Ihr war heiß am ganzen Körper, trotzdem genoss sie es, wie Miles seine beiden Arme um sie gelegt hatte und auch seinem Sohn zusah.
„Soll ich nen Foto von euch machen?“, fragte Riley plötzlich in die friedliche Idylle.
„Ja, das wäre schön, Chas, kommst du kurz mal?“, rief Danera nach ihrem Sohn und der Constable machte ein nettes Familienfoto von den dreien.
„Danke, lass uns weitergehen“, bedankte sich Danera, nahm ihr Smartphone wieder und ging mit ihren Jungs weiter.
 
Sie kamen gut durch und waren fünf Stunden später zurück in Alice Springs.
„Bleibt erstmal im Auto, ich geh erstmal durch das Haus, ob alles sicher ist, dann ruf ich euch“, bat Riley und stieg allein aus. Ein paar Minuten später kam er zurück und winkte sie her.
„Okay, alles sicher, ihr könnt kommen“, rief er und die drei gingen zögerlich zu dem Ferienhaus.
„So, dann lass ich euch mal allein, hier ist meine Handynummer, sobald euch irgendwas komisch vorkommt bin ich sofort wieder hier“, plante Riley.
„Danke, für alles, ich hoffe, wir kommen ab hier klar“, bedankte sich Miles mit einem Handschlag.
„Das tut ihr ganz sicher, wer die Wüste überlebt hat, schafft alles“, sagte Riley lobend und ließ sie allein.
 
„Ich könnte jetzt zwei Tage durchschlafen, aber ich ruf mal Lea an, kannst du mal schauen, ob du ihm Kühlschrank was zum Essen für uns findest?“, plante Danera und Miles ging nach einem kurzen Nicken in die Küche.
„Darf ich schlafen gehen?“, hoffte Chase.
„Sicher, mein Schatz, hast du keinen Hunger?“
„Im Moment nicht“, schien Chase wirklich erschöpft.
„Dann leg dich hin, wir lassen dir was übrig“, sagte sie liebevoll, strich durch seine Haare und ließ ihn in sein Zimmer im Ferienhaus gehen.
 
Es dämmerte schon, als der Mietwagen vor dem Ferienhaus einfuhr.
„Bleib du hier, ich geh raus“, bat Danera und ging raus.
Lea stieg tonlos aus dem Wagen und umarmte ihre beste Freundin fest.
„Au, bitte nicht so fest“, jammerte Danera.
„Sonnenbrand, richtig. Du siehst echt beschissen aus, Kleines“, bemerkte Lea nur.
„Charmant, wie immer. Wo sind deine Kinder?“
„In Sicherheit, verstehst du wohl, oder?“
„Ja, natürlich, sind ja auch wie meine Kinder, ich will sie auch in Sicherheit wissen. Deswegen solltest du auch meinen Sohn mit zu deinem sicheren Versteck mitnehmen“, bat Danera plötzlich.
„Sicher, kann ich machen. Du kommst nicht mit?“, wollte Lea wissen. In dem Moment kam Miles auch aus dem Haus, oben ohne, nur mit seinen Verbänden über der Brust.
„Ah, verstehe, du willst etwas Zeit allein mit ihm verbringen!“
„Wir müssen das mit uns klären, ja, aber vor allem will ich meinen Sohn sicher wissen. Die Polizei hat noch keine Ahnung, was mit uns passiert ist und solang das so ist, ist es besser, wenn er nicht hier ist!“
„Sicher, er ist ja auch wie mein Sohn. N’Abend, Miles, ihr gebt echt ein jämmerliches Bild ab“, ging Lea mit Danera zu Miles.
„Kann dich ja auch mal in der Wüste aussetzen und dann sag mir, wie du danach aussiehst“, begrüßte Miles sie trocken.
„Sorry, war nur scherzhaft gemeint, aber nach einer Woche in der Wüste darfst du deinen Humor verloren haben. Bin froh, euch beide wieder zu sehen. Darf ich reinkommen?“
„Sicher, ist ja auch dein Haus“, ging Miles zur Seite und ließ die Frauen rein.
 
„Wir mussten schnell von hier weg, deswegen ist der Kühlschrank vermutlich voll mit alten Lebensmitteln“, plapperte Lea, als sie an der Küche vorbei ins Wohnzimmer gingen.
„Wir haben was zum Essen gefunden und den Rest weggeworfen. Werdet ihr dort wo ihr seid auch gut versorgt?“
„Ja, alles ist gut, meine Kinder unterhalten sich sogar ohne irgendwelche Medien, sie sollten trotzdem noch was vom Land sehen. Wir werden Morgen weiterfahren, soll ich deinen Sohn mitnehmen?“
„Ja, bitte, er soll die Zeit genießen, nach allem was er mitgemacht hat. Ihm geht’s am besten von uns allen, du müsstest ihm nur alle paar Tage die Verbände wechseln!“
„Das krieg ich hin. Ich kann es immer noch nicht glauben, dass ihr das überlebt habt!“
„Das war ganz allein Danera zu verdanken, ich wollte gleich aufgeben, aber sie hat uns weiter und weiter gebracht“, erklärte Miles und sah Danera stolz an.
„Du hast uns aber mit deinem Wissen der Natur auch sehr geholfen, wer hätte gedacht, dass man Aloe auch trinken kann“, lobte Danera auch ihn.
„Ich wusste das“, bemerkte Lea trocken.
„Dann hätte ich mit dir wohl auch überlebt. Ist was mit euch? Ihr wirkt angespannt“, sah Danera die beiden anderen an.
„Nichts, war nur nen langer Tag. Es ist spät, könnte ich hier schlafen und Chase morgen mitnehmen?“
„Sicher, wir sollten alle etwas schlafen“, erwiderte Danera und Lea verschwand in ihrem Gästezimmer.
„Ich darf doch auch hierbleiben, oder? Wir haben gar nicht so richtig darüber geredet“, standen die beiden nun allein im Flur.
„Natürlich, wir sind ja irgendwie verlobt. Außer, du willst nach deiner Farm sehen!“
„Ich hab mit meinen Helfern dort gesprochen, sie kommen allein klar!“
„Das ist gut. Schade, dass wir jetzt nicht mehr allein sind, ich hätte gern die letzten zehn Jahre nachgeholt“, bemerkte sie anzüglich.
„Sei mir nicht böse, aber mein ganzer Körper kocht und mir ist nur übel, das wäre für mich kein Spaß!“, entschuldigte er sich.
„Geht mir genauso, aber wir haben ja alle Zeit der Welt“, konterte sie, obwohl sie im inneren wusste, dass es nicht wahr war.

12. Kapitel

 
Lea konnte nicht schlafen. Sie fühlte sich nicht wohl, ihre Kinder bei dieser fremden Frau gelassen zu haben. Sie drehte sich im Bett hin und her, bis sie draußen etwas hörte. Sie zog eine Strickjacke über und ging nach unten. Vor der Tür unterhielt sich Miles lautstark mit jemandem. Sie setzte sich ans Fenster um zu lauschen.
 
„Was hast du gemacht, Rab?“, schimpfte Miles gegen seinen Cousin.
„Ich hab gar nichts gemacht, ist ja nicht so, als hätten sie mich eingeweiht“, hörte sie Rabatins Stimme.
„Die hätten uns umbringen können!“
„Sie haben es auch fast geschafft. Gott sei Dank hat diese Familie euch gefunden. Ich schwöre, ich hatte nichts damit zu tun, sie sind genauso wenig meine Familie, wie deine, aber sie sind einflussreich, wenn ich gewusst hätte, dass sie das vorhätten, hätte ich euch sofort gewarnt“, verteidigte er sich.
„Warum bist du überhaupt noch mit ihnen im Kontakt? Ich wusste nicht mal, dass sie den Brand überlebt hatten!“
„Wir sind ne große Familie, die waren nicht alle zu Hause damals. Sie haben gedroht, zur Polizei zu gehen, wenn ich nicht Kleinigkeiten für sie erledige“, gestand er seinem Cousin.
„Du hast dich von diesen Monstern ausnutzen lassen? Chase gehört auch zu deiner Familie und du wolltest ihn sterben lassen?“, schupste Miles ihn gegen die Brust.
„Ich sagte doch, ich wusste es nicht. Sie wollten ihn nur testen, ob er würdig ist und das ist er, er hat sie überrascht“, erklärte er ihm.
„Sie kriegen ihn nur über meine Leiche“, zischte er durch seine Zähne.
„Ich werde dir nichts tun, ich liebe dich, tut mir leid, Cousin“, jagte er ihm ein Betäubungsmittel in den Arm. Miles kam gerade noch zu den Stufen des Hauses, bevor er betäubt zur Seite fiel.
Für eine Sekunde war Lea geschockt, doch dann schoss das Adrenalin in ihren Körper. Sie hämmerte gegen Daneras Schlafzimmertür.
„Was?“, kam Danera schläfrig an die Tür.
„Schnapp dir was du tragen kannst, ich hole Chase, wir müssen hier weg!“
„Hast du schlecht geträumt?“
„Hör zu, was auch immer vor zehn Jahren hier passiert ist, das ist der zweite Teil“, sagte sie nur.
„Verdammt, du meinst das ernst. Wo ist Miles?“
„Sein Cousin hat ihn betäubt, er wird jeden Moment hier sein, beeil dich!“
„Hol ihn, wir müssen hier weg“, realisierte Danera, in welcher Gefahr sie sich befanden und zu dritt schlichen sie aus der Hinter-Tür und rasten davon.
 
„Glaubst du, ihm geht’s gut?“, fragte sie vorsichtig.
„Er hat ihn nur betäubt, er ist sicher schon mit einem dicken Schädel aufgewacht und macht sich jetzt auf die Suche nach dir. Tut mir leid, dass wir ihn dalassen mussten“, entschuldigte sich Lea. Die beiden Frauen saßen sich im Schneidersitz gegenüber in dem sicheren Haus, dass sie spät in der Nacht aufgesucht hatten.
„Es tut mir so leid. Ich dachte, Rabatin wär einer von den guten“, bemerkte Danera weinerlich.
„Zehn Jahre sind eine lange Zeit, Leute verändern sich!“
„Das glaube ich nicht, er wurde dazu gezwungen, er wollte uns beschützen, es steckt noch etwas Gutes in ihm!“
„Über wen redet ihr?“, kam Kiah zu ihnen. Erschreckt sprang Danera auf.
„Dani, hey, du bist hier?“, war Kiah überrascht, ihre alte Freundin zu sehen.
„Ja, bin ich“, bemerkte Danera reserviert.
„Was ist los?“
„Du hast nicht mit deinem Mann gesprochen, oder?“
„Nein, wieso?“, war sie skeptisch und Danera erzählte, was sie erlebt hatte.
„Ich bring ihn um“, reagierte Kiah nicht so wie erwartet.
„Du wusstest es nicht?“
„Nein, natürlich nicht, ich hätte euch sofort in den nächsten Flieger nach Hause gesetzt, wenn ich es gewusst hätte“, versicherte Kiah, die geschockt auf dem Sofa Platz genommen hatte.
„Und jetzt sitzen wir alle in einem Frauenhaus, ich hatte eigentlich gehofft, niemals mehr in so einem Ort zu sein“, murrte Lea.
„Das ist ein Frauenhaus?“, war Danera verwirrt.
„Das ist ein Haus voller Frauen und Kinder, was hast du gedacht, wo wir sind?“
„Lass mich in Frieden, ich hab Schmerzen“, maulte Danera.
„Keine Sorge, Rab weiß nicht, wo das Frauenhaus ist, er weiß nur, dass man hier sicher ist. Wo ist Miles?“
„Ähm, reg dich nicht auf!“
„Nein, nicht er auch noch!“
„Er war Rabatin im Weg“, begann Danera zu erzählen. Kiahs Augen begannen sich mit Tränen zu füllen.
„Hey, er ist nicht tot, er hat ihn nur betäubt, wir konnten ihn leider nicht mitnehmen, aber ihm geht’s gut, hoffen wir“, umarmte Danera sie nur.
„Ich ruf einen meiner Brüder an, er soll nach ihm sehen. Echt, wie abgefuckt ist das denn? Er hat genau gewusst, warum er uns hierhergebracht hat, ich hab ihm vertraut“, ärgerte sie sich über ihren Mann.
„Auf eine verdrehte Art und Weise hat er vermutlich gemacht, weil er dich so liebt“, mischte sich Lea ein.
„Ja, vermutlich, ich muss ihm trotzdem was antun, vor allem, nach dem, was er mit Miles gemacht hat. Wir müssen zu ihm“, realisierte Kiah.
„Dann fahren wir, die Kinder bleiben aber hier!“
„Natürlich, wir sollten den Frauen hier aber sagen was Sache ist!“
„Keta weiß Bescheid. Vielleicht sollte einer von uns hierbleiben, falls irgendwas ist“, schlug Lea vor.
„Ich bleib hier, geht ja um eure Männer. Ihr kommt aber wieder, bitte“, hoffte Lea.
„Natürlich, ganz fest versprochen. Chase braucht einen neuen Verband“, bat Danera ihre Freundin.
„Sicher, mach ich, bei dir muss man es glaub ich auch wechseln“, schlug Lea vor.
„Wenn wir zurück sind, lass ich es wechseln. Haben die hier eigentlich Waffen?“, plante Danera und sah sich um.
„Wir haben nur eine Schrotflinte hier, aber die ist gut weggeschlossen. Hast du schon keine Lust mehr hier zu sein?“, kam Keta zu ihr. Die Aborigine-Frau in ihren Fünfzigern sah das ziemlich cool.
„Nein, verzeih mir, vergiss, was ich gesagt habe. Wir müssen eine Weile weg, Lea wird sich um unsere Kinder kümmern!“, erklärte Danera ihr.
„Ihr wollt doch nicht wirklich dahin zurück, oder? Er hat euch bedroht“, wendete sich Keta an ihre Freundin.
„Er hat mich nicht bedroht, er hat nur Miles angegriffen. Ich kenn ihn seit 15 Jahren, ich komm schon klar“, versicherte Kiah ihr.
„Oh Süße, ich hab ihr Frauen gehabt, die ihren Mann seit der Kindheit kannten, aber trotzdem mit einem blauen Auge hier aufgeschlagen sind. Er ist gefährlich!“
„Ist er nicht, ich werde nicht bei ihm bleiben, ich will mich nur um meinen Bruder kümmern und meinem Mann einen Arschtritt verpassen“, stellte Kiah klar.
„Meinetwegen, aber wag es ja nicht, ihn hierher zu holen!“
„Niemals, weißt du doch. Gib uns bis zum Abend, wenn wir nicht daheim sind, wenn es dunkel ist“, erklärte Kiah.
„Machen wir, pass solang auf unsere Kinder mit deinem Leben auf!“
„Mach ich doch immer. Bist du sicher, dass du fit genug bist, Kleines?“, sah Keta, Danera an.
„Zwei Aspirin und eine große Flasche Wasser und ich bin bereit aufzubrechen. Chase soll auch viel trinken, er wird es nicht wollen, ihr müsst ihn etwas davon überzeugen“, erkannte Danera.
„Machen wir. Dann fahrt gleich los, ist nen bisschen Fahrt dahin“, entschied Lea.
„Können wir kurz allein sprechen?“, führte Danera, Lea, in den Flur, in dem sie allein waren.
„Wenn irgendwas schiefläuft, in meiner Tasche in meinem Raum sind unsere Pässe und Tickets, du bringst ihn hier weg, im Notfall auch ohne mich, hast du mich verstanden?“, fragte sie ihre Freundin ernst.
„Werde ich“, sagte Lea nur.
„Mom?“, hatte Chase gelauscht und ging langsam auf sie zu.
„Das ist nur im äußersten Notfall, mein Schatz, du wirst dann mit Tante Lea mitgehen, aber ich werde meinen Weg zurück zu dir finden, ganz fest versprochen“, zog Danera ihren Sohn fest an sich und hielt ihn nur fest.
„Ich werde nicht ohne dich nach Hause fliegen, verstanden?“, konterte Chase mit ernster Stimme.
„Okay, werde es mir merken, man, du bist echt wie dein Vater!“
„Wo ist Dad überhaupt?“, sah Chase sich um.
„Ich fahr ihn jetzt holen, keine Sorge, alles wird gut!“, vergewisserte sie ihm und ging zu Kiah.
 
Vorsichtig betraten die Frauen das Ferienhaus. Es war totenstill, zu still für Daneras Besorgnis.
„Hier ist niemand“, flüsterte sie.
„Warum flüsterst du dann?“, wunderte sich Kiah.
„Richtig, sorry. Er ist nicht hier“, widerholte sie ihre Aussage.
„Ich weiß nicht, ob das gut, oder schlecht ist“, setzte sich Danera erschöpft auf die Bank vor einem der Schlafzimmer.
„Geht‘s dir gut?“
„Mir ist etwas schwindelig, kannst du mir nen Wasser bringen?“
„Sicher, bin gleich wieder da!“, ging Kiah in die Küche. Danera senkte ihren Kopf. Gedanken schwirrten ihr durch den Kopf. Hatte Rabatin seinen Cousin mitgenommen, oder schlimmeres? Plötzlich hörte sie ein Stöhnen aus dem Schlafzimmer. Sie zog sich hoch und stützte sich ab.
„Ist da wer?“, fragte sie vorsichtig und ging in das halbdunkle Zimmer.
„Dani?“, hörte sie Miles‘ schwache Stimme.
„Jar, Gott sei Dank, du bist hier“, kletterte sie aufs Bett, auf dem er lag.
„Was ist passiert?“, schien er benommen.
„Dein Cousin hat dich betäubt und wollte Chase entführen!“, erzählte sie sanft.
„Chase“, wollte er sich aufsetzen, ihm wurde aber übel.
„Er ist in Sicherheit, wir sind zurückgekommen um nach dir zu sehen!“, half sie ihm aufzusitzen.
„Mir ist so übel“, murmelte er und sie zog den Mülleimer vom Boden, in dem er sich übergab.
„Dieser Erdbeergeruch ist widerlich, du stehst wohl immer noch auf Erdbeeren“, stieg ihm der supersüße Geruch des Duftspenders in die Nase.
„Der war hier drin, ich hab ihn aus Versehen an meinem ersten Tag zerbrochen, sorry!“
„Schon gut, der Geruch erinnert mich immer an dich“, sagte er benommen.
Sie merkte schnell, dass es ihm nicht gut ging.
„Kiah“, rief er in die Küche.
„Komm schon, ach hier bist du und du hast dir nen Kerl ins Bett geholt, wie ich sehe. Verdammt, er sieht nicht gut aus“, realisierte Kiah und kniete aufs Bett zu ihrem Bruder.
„Deshalb ruf ich dich, er verträgt das Betäubungsmittel nicht, glaub ich“, sah man die Besorgnis in ihrem Gesicht.
„Mein Mann ist echt so ein Idiot, die Klinik, in der ich arbeite ist nicht weit weg, bringen wir ihn dorthin“, plante Kiah genauso besorgt.
„Sollten wir, aber wie erklären wir das Betäubungsmittel in seinem Blut?“
„Er war erst vor kurzem im Krankenhaus, wir tun einfach so, als hätte er es dort bekommen und wir keine Ahnung hätten“, entschied Kiah.
„Die Ärzte sind da sicher nicht dämlich, Ki!“
„Okay, dann sagen wir die Wahrheit, dass mein Ehemann ein Betäubungsmittel benutzt hat, das er vermutlich aus meiner Tasche hat“, konterte Kiah trocken.
„Warum hast du Betäubungsmittel in der Tasche?“
„Ich hab ne Zusatzausbildung gemacht und helf einem Hausarzt manchmal bei Hausgeburten, wo ich das brauche. Brüderchen, sieh mich an“, untersuchte Kiah ihren Bruder.
„Seine Augen sehen eigentlich gut aus, aber wir sollten sicher gehen“, erklärte sie ihr.
„Dann komm, ich könnte auch noch nen Schmerzmittel gebrauchen“, stand Danera auf. Kiah wollte ihr gerade helfen, als Rabatin auf einmal in der Schlafzimmertür stand.
„Verdammt, er ist wach!“, sagte Rabatin nur.
„Ja, du hast mich nicht umgebracht, sorry“, murrte Miles trocken.
„Auch wenn es nicht so wirkt, rette ich dir grade das Leben, Kleiner“, kam Rabatin auf sie zu.
„Keinen Schritt weiter, Arschloch“, schrie Kiah ihren Mann an. Sie hatte noch nie so das Wort gegen ihren Mann erhoben.
„Ich weiß, dass du sauer bist!“
„Oh, ich kann gar nicht beschreiben, wie sauer ich auf dich bin. Steh mir nicht im Weg, ich bring deinen Cousin nämlich jetzt ins Krankenhaus“, schimpfte sie wie ein Schornsteinfeger und half mit Daneras Hilfe ihrem Adoptivbruder auf die Beine.
„Ich musst das machen, sie wollten, dass ich dich töte, das konnte ich nicht!“, versuchte Rabatin zu erklären.
„Er verträgt das Betäubungsmittel nicht, gratuliere, vermutlich bringst du ihn jetzt doch um“, raunzte Danera ihn auch an.
„Das sollte er aber eigentlich vertragen, ich hab extra nachgeforscht, ob das mit seinen Antidepressiva kollidiert“, entgegnete Rabatin auch besorgt. Miles übergab sich wieder.
„Sieht das so aus, als würde er es vertragen? Sie haben ihm vermutlich in Uluru andere Medikamente gegeben, du Idiot und er schluckt auch noch Schmerzmittel“, schrie Danera ihn stinkwütend an.
„Nicht so laut, Schatz“, murrte Miles.
„Sorry, Süßer, wir besorgen dir jetzt Hilfe, mach dich nützlich, Rabatin“, entgegnete Danera und sie brachten ihn in den Flur.
„Ich brauch ihn als Leiche“, sagte Rabatin plötzlich.
„Das wirst du erst über unsere Leichen erreichen“, zog Kiah ein Messer aus ihrer Tasche.
„Verdammt, Weib, nur im übertragenen Sinne, sie denken, dass ich ihn umgebracht habe und jetzt seine Leiche wegschaffe. Wenn er das Überleben soll, spielst du mit“, sagte Rabatin ernst.
„Ich bring ihn jetzt in ein Krankenhaus, lass uns mit deinem Blödsinn allein“, murrte Danera und schubste ihn zur Seite.
„Hört mich an, ich mein das ganz ernst“, lief er ihnen hinterher, als sie Miles durch den Flur schleppten.
„Bitte, die werden euch auch wehtun“, flehte Rabatin sie an und sie blieben stehen.
„Was hast du vor?“, hörte Kiah ihm plötzlich zu.
„Danke, ich wusste doch, dass du mir noch vertraust. Ich werde ihn leblos rausschleppen und in meinen Wagen legen. Dann fahr ich weg und tu so, als würde ich ihn irgendwo hinbringen, bring ihn aber tatsächlich zum Arzt. Bitte vertraut mir, ich tu das nur um ihn zu retten, versprochen“, sagte er mit ernster Stimme.
Kiah sah Danera an, die ihn noch wütend ansah.
„Wir sollten ihm vertrauen“, bat sie sie.
„Ich möchte ihn heiraten, ich werde es dir nie verzeihen, wenn er in der Wüste landet“, erkannte Danera plötzlich.
„Ihr wollt heiraten?“, war Kiah überrascht.
„Das ist ne Geschichte für nen anderen Zeitpunkt. Okay, mach dein Ding“, gab auch Danera nach und Rabatin lud seinen Cousin auf seine Schulter.
„Okay, beweg dich nicht mehr, bis du im Auto liegst“, entschied Rabatin.
„Er ist halb bewusstlos, wird nicht so schwer sein. Kümmer dich um ihn, jetzt aber vernünftig“, forderte Danera.
„Mach ich, ich ruf euch an, wenn ich mit ihm im Krankenhaus bin. Schleicht euch am besten durch die Hinter-Tür raus“, plante Rabatin und schleppte ihn raus.
„Das muss ein Ende haben, ich ruf Riley an“, bemerkte Danera nur.
„Wer ist Riley?“
„Der Polizist, der uns zurückgebracht hat. Diese Scharade hat viel zu lange gedauert“, realisierte Danera.
„Wir gehen in den Knast, Eagle!
„Besser als zu sterben, oder?“, fragte Danera trocken.
„Ruf ihn an“, stimmte Kiah ihr zu.

13. Kapitel

 
In ihrem Magen rumorte es, als Riley in einem Polizeifahrzeug vorfuhr.
„Egal was kommt, wir müssen zusammenhalten“, bat Danera, als sie Schritte vor der Tür hörte.
„Tun wir, wenn ich in den Knast gehe, musst du meine Tochter mitnehmen, versprich mir das!“
„Dasselbe, wenn ich einsitzen muss. Das wird schon gut gehen“, entgegnete Danera und ging zur Tür.
„Danera?“, sagte Kiah noch und Danera drehte sich zu ihr hin.
„Ich bin wieder schwanger“, sagte Kiah plötzlich.
„Das sagst du mir jetzt?“
„Weiß es auch erst seit gestern, mach auf“, konterte Kiah und Danera öffnete die Tür.
„Tag, du sagtest es wäre wichtig“, begrüßte Riley sie. Er hatte jetzt Uniform an, was ihn irgendwie attraktiver machte.
„Ja, komm rein“, sagte sie leise.
„Das ist aber ein ernster Blick, den hatte meine Ex-Frau auch, als sie sich scheiden lassen wollte. Was gibt’s?“, schien Riley gutgelaunt zu sein.
„Komm setz dich, das dauert etwas“, entgegnete Danera und sie setzte sich an den großen Esstisch im Wohnzimmer.
„Das ist übrigens Kiah“, stellte sie Kiah vor, die sich auch setzte.
„Constable Riley Hamilton, Riley“, stellte Riley sich vor und Kiah nickte nur.
„Sie sieht auch ernst aus, brauch ich nen Drink?“
„Du kannst einen haben, wenn du willst, aber du bist vermutlich im Dienst!“
„Ja, leider. Also, was gibt’s?“
„Das ist nicht leicht zu erzählen, das könnte unser Leben verändern!“
„Wenn ihr nen dreier machen wollt, bin ich dabei“, witzelte Riley und sah die beiden anzüglich an.
„Riley, das ist ernst, hör mir bitte zu“, bat Danera ernst.
„Sicher, sorry. Ich hör zu!“
„Ich muss etwas ausholen. Ich war vor über zehn Jahren hier, damals kam ich her, um einer echten rituellen Aborigine-Geburt beizuwohnen. Kiah stand damals kurz vor der Geburt ihrer Tochter. Ich hab mich in ihren Adoptiv-Bruder verliebt und alles schien für diesen Sommer einfach perfekt, doch dann wurden wir entführt, ja, ich mach Entführungen in Australien zu einem Running-Gag. Ich weiß jetzt, wer uns entführt hat, es waren die gleichen Leute wie zehn Jahre zuvor. Miles und sein Cousin Rabatin kommen aus einer Familie von Wilderen, die uns damals entführt haben. Sie wollten sie als Nachfolger heranzüchten und mit irgendwelchen Frauen verheiraten. Wir waren nur die Sklaven. Als bei Kiah die Wehen einsetzten, haben wir die Flucht gewagt. Wir haben ein Feuer gelegt, um von unserer Flucht abzulenken und Menschen sind gestorben“, erzählte sie ihm stockend.
„Ich hab das Feuer gelegt, aber ich hatte Wehen, ich hatte Angst um mein ungeborenes Kind“, mischte sich Kiah in das Gespräch ein.
„Du hast auf der Flucht ein Kind zur Welt gebracht?“, fragte Riley, Kiah.
„Ja, in einem fahrenden Auto, Dani hat sie auf die Welt gebracht. Wir haben Leute umgebracht, hast du das so verstanden?“
„Ja, das hab ich so verstanden. Ihr wolltet niemanden umbringen, oder?“
„Nein, natürlich nicht, aber wir haben es auch nicht verhindert!“
„Ich muss das überprüfen, aber wenn das wirklich so war, war es Notwehr“, sagte er nur.
„Wir können das nicht beweisen!“, konterte Kiah.
„Wart ihr danach in einem Krankenhaus?“
„Ja, waren wir!“
„Wir haben es aber nie zur Anzeige gebracht, weil es ja unsere Männer auch betroffen hat!“
„Wo wurdet ihr festgehalten?“, zückte er seinen Notizblock.
„Hobart!“
„Tasmanien liegt aber ganz schön außerhalb meines Tätigkeitsbereichs“, wunderte er sich und sah in die erstarrten Gesichter der Frauen.
„Ich schau aber, was sich machen lässt. Gibt es einen bestimmten Grund, warum ihr jetzt damit rausrückt?“
„Die Seyers haben Rabatin anscheinend immer noch am Wickel und er hat Mist gebaut. Er bringt Miles grad ins Krankenhaus, zumindest hoff ich das. Er sollte seinen Cousin umbringen, hat ihn aber nur betäubt und tut jetzt so, als würde er seine Leiche irgendwo verscharren. Ja, wir sind eine wirklich verkorkste Familie, zu meiner Verteidigung, ich weiß auch erst seit heute Morgen davon, ich will meinen Mann wieder frei wissen“, erklärte Kiah ihm.
„Hab schon bizarreres in meiner Karriere gehört, aber nicht sehr viel davon. Ich bitte euch eure Aussage aufzuschreiben und zu unterschreiben, ich klär das ab. Mein Vater ist mein Chef, das kriegen wir irgendwie geregelt, keine Sorge“, versicherte er den Frauen.
 
Sie schmiss ihr Handy sanft, aber genervt neben sich aufs Bett. Es wurde schon dunkel, aber sie hatte immer noch keinen Anruf von ihm erhalten.
„Ich bring ihn um“, raunzte sie.
„Da hab ich dann wohl den Vortritt, oder?“, fragte Danera nur.
„Sicher, wenn du ihn findest ist er ganz dein“, konterte Kiah müde.
„Ne Ahnung, wo dein Göttergatte mit meinem Verlobten hin ist?“
„Wir reden also nicht darüber, dass du meinen Bruder heiraten willst?“
„Nicht hier, nicht heute. Er wollte ihn in ein Krankenhaus bringen. Ich bringe Babys zur Welt, aber selbst ich habe gesehen, dass es Miles nicht gut ging“, war Danera aufgelöst.
„Rab ist ein Idiot, aber er würde niemals seinen Cousin in Lebensgefahr bringen!“
„Bist du sicher?“
„Gestern hätte ich noch gesagt, ja, heute weiß ich es nicht mehr!“
„Tut mir leid!“
„Kannst du ja nichts für. Verdammt, ich habe mir solang noch ein Kind gewünscht, jetzt wird mein Traum wahr und ich weiß nicht, ob ich mir eine Zukunft mit Rabatin vorstellen kann!“
„Nein, ihr beide seid Rabatin und Kiah, ihr habt ein Kind zur Welt gebracht, während ihr von Wilderen geflüchtet seid. Er hat einen Fehler gemacht, ja, aber er ist einer von den Guten!“
„Die beiden waren jung und schwerverliebt, das ist lang her“, dachte Kiah laut nach.
„Ihr hattet vorher schon Probleme, oder?“
„Ja, ehrlichgesagt, seit dem Tod meiner Mutter lauf ich irgendwie nicht mehr rund und das merkt er!“
„Männer sind da schwierig, aber es lohnt sich zu kämpfen!“
„Du hast dich grad scheiden lassen, Süße“, war Kiah skeptisch.
„Vlad war auch nicht der Richtige, jetzt wo ich Miles wiederhabe, merke ich das umso mehr. Für ihn würde ich immer kämpfen!“
„Du willst ihn wieder in die Staaten nehmen, oder?“, fragte Kiah traurig.
„Ich will gar nichts, ich wünsche es mir, aber er muss das selbst entscheiden. Du hast Angst, dass es ihm dort wieder schlechter geht, die Sorge habe ich auch, aber wenn wir verheiratet sind, wird er eine tolle Versicherung haben und alle Betreuung kriegen, die er braucht. Aber wie ich sagte, dass muss er allein entscheiden“, erzählte Danera ihrer Freundin.
„Das klingt gut und er scheint dich wirklich immer noch zu lieben nach all den Jahren!“
„Ja, ich bin nicht hierhergekommen um wieder mit ihm zusammen zu kommen, aber es ist einfach passiert!“
„Ja, ich weiß, ich liebe es, wie er dich ansieht, ich darf mir aber trotzdem Sorgen machen, oder?“
„Sicher, ich find es ja toll, wie eng ihr euch steht, aber ihm geht es gut, glaub mir!“
„Er war doch auf der Psycho-Abteilung in der Klinik, in der ihr wart, oder?“
„Ja, aber ich hatte nicht darum gebeten, das haben sie einfach gemacht. Warte, woher weißt du das? Das hab ich dir nicht erzählt!“
„Er trägt immer noch sein rotes Armband, das tragen bei uns in der Klinik nur die psychisch Kranken“, konterte sie.
„Stimmt, bei uns auch, hab gar nicht gesehen, dass er das noch trägt. Verdammt, wenn er in eine Klinik kommt stecken sie ihn sicher auch wieder in eine geschlossene Abteilung. Warum erreichen wir deinen Mann nicht, dann könnten wir sie warnen!“
„Wenn sie überhaupt in einer Klinik sind!“
„Wenn er inzwischen nicht behandelt wird, musst du dir keine Sorgen über die Zukunft mit deinem Mann machen, ich filetiere ihn eigenhändig!“
„Das reicht, ich ruf mein Krankenhaus an, vielleicht können die rausfinden, ob mein Bruder eingeliefert wurde!“
 
„Ich hab sie gefunden, im Krankenhaus sind sie aber nicht“, weckte Kiah, Danera. Ihr Hirn wollte nicht schlafen, ihr geschwächter Körper hatte aber aufgegeben gegen die Müdigkeit anzukämpfen. Sie brauchte einen Moment, um wach zu werden.
„Ähm, warte, was? Geht’s ihm gut?“
„Ja, ihm geht’s gut, sie haben ihn im Knast gut versorgt“, erklärte sie ihr vorsichtig.
„Ah okay, warte, was?“, war sie plötzlich hellwach.
„Ich erzähl dir den Rest im Auto, bist du fit genug?“
„Wenn du fährst komm ich klar. Mein Körper lässt mich grad etwas im Stich“, stand sie schwerfällig auf.
„Hast du in den letzten Stunden was getrunken?“
„Nicht genug vermutlich“, schlüpfte sie in ihre Schuhe.
„Dann stecken wir genug zu Trinken für dich ein. Schaffst du das?“
„Muss ich wohl. Aber zumindest geht es ihm gut!“
„Ja, er hat sein Wort gehalten, irgendwie. Bist du soweit?“
„Denk schon, aber du musst mich glaub ich etwas stützen“, bat sie und Kiah half ihr ins Auto.

14. Kapitel

 
Danera hatte ihren Arm um Kiah gelegt, als sie durch das Polizeirevier gingen. Danera sah Riley an einem Tisch sitzen, vergraben in Unterlagen. Kiah brachte sie zu einem Stuhl neben seinem Schreibtisch, auf den sie sich fallen ließ.
„Dein Vater mag dich wohl nicht so sehr, was?“, begrüßte sie Riley und der sah überrascht auf.
„Danera, was machst du hier? Du siehst nicht gut aus und gehörst ins Bett!“
„Ja, gehör ich, mein Bett ist nur etwas kalt, da ihr meinen Freund verhaftet habt!“
„Wir haben sie nicht verhaftet, wir befragen sie nur. Miles geht’s gut“, versicherte er ihr.
„Hab ich schon gehört. Ich will zu ihm“, bat sie.
„Er ist da drüben auf der Krankenstation, komm, ich bring dich zu ihm“, half er ihr höflich hoch.
„Wo ist der Depp, den ich meinen Ehemann schimpfe?“, wollte Kiah wissen.
„Er ist noch in der Befragung, nimm doch hier Platz und warte auf ihn“, schlug er ihr vor.
„Bleibt mir wohl nichts anderes übrig. Pass mir gut auf sie auf!“
„Kiah, das ist ein Polizeirevier, ich komm klar“, sagte Danera nur und wurde von Riley zu Miles gebracht.
Miles lag auf einem Feldbett mit einer Infusion im Arm.
„Er hat sich ziemlich lang übergeben, das ist nur dafür, dass er wieder fit wird. Hier, setz dich hierhin, ihm geht’s gut, sieht schlimmer aus, als es ist, keine Sorge. Es ist vorbei, ihr seid in Sicherheit“, versprach er ihr und sie setzte sich zögerlich neben den schlafenden Miles.
„Das wär zu schön, um wahr zu sein. Ich bin so müde“, erklärte sie ihm.
„Warte, ich stell dir ein Bett neben ihn, dann kannst du hier schlafen. Und ja, mein Vater mag mich wirklich, ich hab hier ziemlich Narrenfreiheit“, konterte er, stellte ihr das Bett hin und sie schlief schnell neben Miles ein.
 
Laute Stimmen weckten sie. Er hielt ihre Hand. Sie löste sich von ihm und stand auf. Das Feldbett war überraschenderweise bequem gewesen und sie hatte gut geschlafen.
„Ich will sie jetzt sofort sprechen, ihr könnte sie hier nicht festhalten“, hörte sie die zeternde Stimme ihrer besten Freundin. Trotz der Situation musste sie über das Drama, was Lea veranstaltete schmunzeln.
„Hey, Drama Queen, was wird das hier?“, kam sie an Rileys Schreibtisch zurück, vor dem Lea stand und sich aufspielte.
„Gott sei Dank, dir geht’s gut, wo warst du?“, umarmte Lea sie stürmisch.
„Hab geschlafen. Au, Sonnenbrand, denk dran!“
„Ja, sorry. Du bist also nicht festgenommen?“
„Im Moment nicht, aber wenn du weiterredest vielleicht“, schmunzelte sie.
„Sorry, hab mir nur Sorgen um dich gemacht. Dieser Dussel hier wollte mir nicht sagen, wo du bist!“
„Dussel? Du hängst echt zu viel mit Teenagern rum. Sorry, Riley, sie macht sich immer Sorgen um mich. Können wir gehen?“
„Noch nicht ganz, ich würde dich gern noch befragen, keine Sorge, wir brauchen nur deine Aussage, dann kannst du gehen“, versicherte er ihr.
„Dann machen wir das. Wo sind die anderen?“
„Bei den anderen ist es noch eine andere Geschichte, sie hat das Feuer gelegt, er hat zugelassen, dass ihr entführt werdet, sie bleiben noch etwas“, entgegnete Riley.
„Das war aber so nicht abgemacht!“
„Abgemacht? Danera, ich weiß nicht genau, wie das in den Staaten abläuft, aber das ist ein Polizeirevier, kein Bazar“, erwiderte er cool, man sah aber, dass er sich schämte.
„Daddy hat wohl doch das Sagen, was? Was ist mit Miles? Muss er auch bleiben?“
„Nein, er kann gehen, wenn er wach wird!“
„Dann hol ich ihn und verschwinde hier. Passt besonders auf Kiah auf, sie ist schwanger“, murrte Danera.
„Machen wir. Es tut mir leid, so ist aber das Gesetz“, erklärte er.
„Ja, ja“, murrte sie, machte mit ihren Händen ein „Ich beobachte dich“-Zeichen zu Riley und ging Miles wecken.
 
„Jar‘, Süßer, wach auf, wir müssen gehen“, weckte sie ihn sanft.
„Was? Wo sind wir?“, war Miles etwas verwirrt.
„Auf nem Polizeirevier, wie geht’s dir?“
„Besser, richtig, wir sind verhaftet worden!“
„Du kannst gehen, Rabatin muss noch bleiben, Kiah hab ich da leider auch mit reingezogen, aber wir werden alles machen, um sie da raus zu holen!“
„Aber sie ist doch schwanger, das geht doch nicht“, murmelte er und versuchte aufzustehen, war aber sehr schwach auf den Beinen.
„Ja, das ist schlimm, warte, du weißt es?“
„Mir kam es in einem Traum!“
„Traumzeit, richtig, oder du warst so high von den Drogen, das du fantasiert hast. Wie geht’s dir jetzt?“
„Besser, denk ich. Wir können einfach gehen?“
„Ja, wir gehen, bevor ihnen noch einfällt, uns auch noch für irgendwas zu verhaften“, entgegnete sie und half ihm gehen.
 
„Es tut mir leid, Danera, ich mach nur meinen Job“, kam Riley, auf sie zu, als sie Richtung Ausgang gingen.
„Es ist fein“, bemerkte sie nur.
„Bitte nicht fein, „ich hasse dich“ kann ich vertragen, aber fein ist furchtbar!“
„Du bist echt seltsam, krieg dich wieder ein“, bemerkte sie kühl und ließ Riley einfach so dastehen.
 
„Hey, da seid ihr ja, alles in Ordnung?“, warte Lea vor dem Revier auf sie.
„Außer dass ich drei Tage schlafen könnte ja, ich will zu meinem Sohn“, bat sie erschöpft.
„Sicher, fahren wir zurück“, versicherte Lea und Danera sah ihren Freund an.
„Er darf nicht mitkommen, Eagle, weißt du doch“, sagte Lea ernst.
„Ihr wisst, dass ich euch hören kann, oder?“, fragte er nur.
„Sicher, wir bringen dich vorher zu deiner Farm zurück“, entschied Danera.
„Das sind drei Stunden Fahrt, Süße!“
„Ich lass ihn sicher nicht mehr allein“, nahm sie seine Hand fest in ihre.
„Auf der Farm wird er auch allein sein!“
„Ja, aber er ist dort in Sicherheit!“
„Okay, dann fahren wir dahin, wir besorgen euch aber erstmal was zum Essen. Kannst du wieder was essen, Miles?“
„Ja, hab wieder Hunger, ziemlich viel sogar, hab wohl nen Cold Turkey von den ganzen Medikamenten!“
„Hast du deine Medikamente genommen?“, wollte Danera wissen.
„Ja, haben sie mir gegeben, hab jetzt wieder die richtigen Tabletten. Ich kann auch selbst heimfahren“, versicherte er ihnen.
„Du kannst nicht mal richtig stehen, ganz sicher nicht. Kommt, fahren wir, dass wir wieder zu Hause sind, bevor es dunkel wird“, drängte Lea die beiden und sie fuhren los.
 
„Und ich konnte nicht mal mit ihm schlafen“, dachte sie laut nach, als sie mit Lea zurück ins Frauenhaus fuhr.
„Solang du momentan keine anderen Probleme hast“, murmelte Lea, während sie auf die Straße sah. Wortlos begann Danera zu weinen.
„Hey, warte ich halt an“, war Lea überrascht, hielt an und schloss sie in die Arme.
„Tut mir leid, aber ich kann grade einfach nicht mehr“, schluchzte Danera total fertig.
„Das war wirklich zu viel für dich, wir müssen jetzt wirklich noch etwas rumfahren, das ist unser Urlaub verdammt noch mal, den müssen wir genießen“, bemerkte sie.
„Ja, das sollten wir“, stimmte sie ihr zu.
„Glaubst du, ihr seid fit genug dazu?“
„Für große Wanderungen nicht, aber für kleinere Ausflüge schon!“
„Dann machen wir das, wir holen die Kinder ab und bringen sie in die Ferienwohnung. Morgen fahren wir einfach los und schauen wo uns der Weg hinführt“, schlug Danera vor, die sich langsam beruhigte.
„Was ist mit Abiona? Ihre Eltern sind im Knast“, warf Lea ein.
„Sie ist im Frauenhaus am besten aufgehoben, denk ich, ich hoffe keiner von den ruft das Jugendamt, sie kommen sicher bald wieder raus“, sagte Danera nachdenklich.
„Und wenn nicht? Wir können hier nicht weggehen und sie so allein lassen, sie ist erst 11!“
„Sie ist nicht allein, sie hat ihren Onkel!“
„Sie werden ihm niemals die Kleine geben mit seiner Vorgeschichte!“
„Du kennst auch Probleme für jede Lösung, oder? Daran hatte ich nicht gedacht, verdammt!“
„Dein Constable scheint ziemliche Schuldgefühle zu haben, nem Cop würden sie das Kind sicher aushändigen“, plante Lea.
„Was heißt denn jetzt schon wieder mein Constable!“
„Bitte, wie er dich ansieht steht er eindeutig auf dich!“
„Er weiß, dass ich vergeben bin“, verstand sie nicht.
„Hält ihn anscheinend trotzdem nicht davon ab, verknallt in dich zu sein. Und bist du jetzt wirklich so ganz offiziell verlobt? Ich seh keinen Ring an deinem Finger“, frotzelte Lea.
„Es ist zu spät am Abend für solche komplizierten Fragen, momentan weiß ich nicht mal, ob ich ihn wiedersehe“, entgegnete Danera.
„Du willst ihn einfach so verlassen?“, war Lea überrascht.
„Keine Ahnung, momentan weiß ich gar nichts mehr, Chase und er sind sich wirklich nähergekommen, das müssen wir irgendwie gescheit abschließen, oder anfangen, am liebsten würde ich einfach meine beiden Männer nehmen und die gottverdammte Familie sein, die wir immer sein sollten!“
„Dann mach das doch einfach!“
„Wie meinen?“
„Besorgt euch ein Verlobten-Visum, er kommt mit und fertig ist!“
„Ja, das hat ja auch so toll bei Jones geklappt“, murrte sie.
„Mit Mexiko ist das ne andere Geschichte, bei euch wird das einfacher, versucht es einfach“, versicherte sie ihr.
„Du hast Recht, wir müssen es versuchen. Fahr weiter, wir wollen ja bald dort sein“, hatte sich Danera wieder gefasst und es konnte weitergehen.
 
Dunkelheit senkte sich über die Stadt, als sie am Frauenhaus ankamen.
„Wir sollten diese Nacht noch hier bleiben und morgen zurück fahren. Ich werde zu Abiona gehen und ihnen das mit ihren Eltern erklären, ich hab ja Erfahrung mit der „Dein Dad ist im Knast“-Geschichte, schau du nach meinen Kindern und Chase“, plante Lea, als sie zu dem abgelegenen Haus gingen.
„Danke, ich wüsste nicht, was ich ihr sagen sollte. Apropos sagen, leider wird es Zeit, auch unseren Kindern die Wahrheit zu sagen!“
„Morgen, okay?“
„Sicher, morgen, aber mit Abiona red ich jetzt noch, sie muss es wissen. Wie stehen wir eigentlich bei der Tatsache, dass Kiah wieder schwanger ist?“
„Das muss ihre Mutter ihr selbst sagen, glaub nicht, dass sie es weiß“, bat Danera.
„Sicher, so machen wir es. Also ich muss sagen, dieser Urlaub war bis jetzt wenig entspannend!“
„Ja, ich weiß, es tut mir leid, nächstes Mal ist so ein Trip nach New York oder so angesagt, versprochen, ich hab von der Sonne in den nächsten Jahren eh die Schnauze voll“, versicherte sie ihrer Freundin.
„Richtig, ist für dich auch kein Zuckerschlecken. Ich muss dringend nachher noch deinen Verband wechseln, der hängt ziemlich schief“, bemerkte sie nachdenklich.
„Ja, bitte, ich hab in den letzten Tagen bisschen wenig an mich selbst gedacht“, murmelte Danera.
„In den letztem Tagen? Sagen wir mal in den letzten zwanzig Jahren. Du denkst nie an dich“, erwiderte Lea und öffnete das Gatter zur dem Frauenhaus.
„Wir wussten doch, dass wir euch finden“, hörte sie im Halbdunkeln plötzlich eine Stimme.
„Lea, geh rein“, sagte Danera, ohne sich umzusehen. Ihre beste Freundin war wie erstarrt.
„Los“, brüllte sie sie an, so dass sie einen Schritt voranging und das Gatter hinter ihr zufiel.
„Sie wollen wir auch nicht. Wir haben dich damals unterschätzt, Yankee, du hast uns einen respektablen Erben beschert“, sagte eine Stimme. Sie drehte sich um. Sie sah in die Gesichter von zwei Seyers.
„Er ist hier sicher, ihr werdet ihn nicht kriegen“, zischte sie durch ihre Zähne.
„Du verstehst immer noch nicht, wie mächtig wir sind“, konterte einer der Seyer-Männer.
„Glaubt mir, ich weiß genau, wer ihr seid. Ihr müsst mich schon umbringen, um reinzukommen“, erwiderte sie. Sie hatte Todesangst, spielte aber die Coole.
„Du bist zwar eine gute Gebärerin, aber du wirst alt, wir brauchen dich nicht unbedingt“, konterte der zweite. Sie schloss die Augen. Sie war sich sicher, sie würden sie jetzt umbringen. Schüsse fielen. Sie spürte keine Schmerzen, hatten sie danebengeschossen?“
Plötzlich hörte sie Schmerzensschreie. Sie wagte sich nicht die Augen zu öffnen. Mit dem Brummen des Gatterschlosses wurde sie hineingezogen.
„Eagle, bist du verletzt?“, hörte sie Leas sanfte Stimme. Ihr wurde schwarz vor Augen und sie kippte um.

15. Kapitel

 
„Wann wacht Mom auf, Tante Lea?“, hörte sie die Stimme ihres Sohnes.
„Sie ist immer noch ziemlich krank, gib ihr Zeit. Jetzt geh ins Esszimmer und frühstücke, ich kümmer mich um sie“, hörte sie Leas Stimme und ihren Sohn, wie er sich entfernte.
„Lea“, bemerkte sie benommen.
„Hey, da bist du ja wieder, haben uns hier alle schon Sorgen gemacht. Du hast ganz schön lange geschlafen, Süße“, strich Lea, Danera über die Stirn.
„Bin ich verletzt?“, wollte Danera wissen.
„Nein, zumindest hast du keine neue Verletzung, deine Verbrennungen hab ich versorgt. Keta ist eine echte Höllenbraut, sie hat den Seyers gezeigt, wer hier das Sagen hat. Wir haben deinen kleinen Lover angerufen, er hat die zwei Idioten verhaftet“, erklärte sie ihr.
„Sie haben sie verhaftet? Wie ist das denn passiert?“
„Ich hab den Arschlöchern in die Kniescheiben geschossen, wie ich sagte, ich mache alles, um die Leute hier zu beschützen. Wie geht’s dir, Kleines?“
„Besser, danke, es tut mir leid, dass ich sie hierhergeführt habe!“
„Wusstest du nicht, schon gut. Ich glaub auch nicht, dass sie so dämlich sind, nochmal hierher zu kommen. Bist du fit genug zum Frühstücken? Dein Sohn ist echt besorgt um dich“, erklärte Keta.
„Glaub schon“, setzte sie sich erschöpft auf. Sie lag in einem gemütlichen Bett.
„Dann komm, du liegst schon viel zu lange wird Zeit deinen Kreislauf in Schwung zu bringen“, half sie ihr auf.
„Man, ich brauch Urlaub von meinem Urlaub“, ging sie mit Lea und Keta zum Frühstückstisch.
 
Tags drauf fuhren sie endlich in ihren wohlverdienten Urlaub. Sie riefen ihre Haus-Miet-Gesellschaft an und erklärten ihnen, dass sie noch rumreisten. Da sie sofort jemanden neues fanden, wurde ihnen versprochen, dass sie das Geld für die letzte Woche zurückbekamen.
Sobald sie Alice Springs verließen, fühlte es sich erstmal richtig wie Urlaub an.
Einen Tag vor ihrem Rückflug kamen sie erst nach Alice Springs zurück.
Sie trafen Miles in einem Restaurant außerhalb der Stadt.
„Hey, gut siehst du aus, erholt. Wie war eure Reise?“
„Kurz, aber schön. Danke, dass du dich mit uns triffst“, begrüßte sie ihn mit einem sanften Kuss.
„Ihr fliegt morgen zurück, ich wollte euch nochmal sehen“, bemerkte er und umarmte auch seinen Sohn.
„Das ist schön. Setzen wir uns“, bemerkte sie und die drei setzten sich an den Tisch.
Das Essen war irgendwie verklemmt, wie ein erstes Date.
„Hey, schon fertig mit Essen? Wir wollen den neuen Marvel-Film heute Abend ansehen, willst du mit, Chase?“, störte sie Lea plötzlich, die mit ihren Kindern ins Restaurant kam.
„Ich weiß nicht, ob Marvel was für meinen Sohn ist“, sah das Danera kritisch. Lea machte eindeutige Zeichen mit ihren Augen.
„Aber wenn ich es mir überlege, ist das ne gute Idee“, stimmte Danera zu.
„Danke, Mom“, freute sich Chase.
„Bitte, wir sehen uns im Hotel!“, sagte sie lächelnd und ließ Chase mit den anderen das Restaurant verlassen.
„Sie ist wirklich eine gute Freundin“, kommentierte Miles die Situation.
„Ja, das ist sie. Hast du hier nen Hotelzimmer?“, fragte sie anzüglich.
„Ja, nicht weit weg von hier, wieso?“, schmunzelte er.
„Ich wollte in einem Bademantel Game of Thrones anschauen, außer dir fällt was Besseres ein“, bemerkte sie etwas sarkastisch.
„Oh, das meinst du, okay“, verstand er.
„Dann lass uns bald zahlen, ich kann nicht die ganze Nacht bleiben“, säuselte sie und sie zahlten und gingen zu seinem Hotel.
 
„Es ist kein schönes Hotel, ich wünschte, ich könnte dir für unsere letzte Nacht ein Penthouse bieten, aber das ist alles, was ich mir leisten kann“, erklärte er ihr, während sie Hand in Hand durch die etwas schäbige Hotelhalle gingen.
„Ich habe die ganze Woche in solchen Hotels übernachtet, solang ich mit dir zusammen bin, ist mir alles egal“, versicherte sie und er zog sie zum Aufzug.
Sie verbrachten eine wunderschöne, leidenschaftliche Nacht zusammen, obwohl sie beide noch unter ihrem Sonnenbrand litten.
 
Sie wurde im Hotelbett wach. Er stand am Fenster und starrte in die Landschaft. Ein De Ja Vu stellte sich bei ihr ein. Sie schlüpfte aus dem Bett und umarmte ihn von hinten.
„Heirate mich, Jarrah“, bemerkte sie und drückte ihn fest an sich.
„Wow, ich hab grad nen De Ja Vu. Du bist zehn Jahre zu spät dran, Eagle“, drehte er sich zu ihr hin.
„Zu spät für eine zweite Chance?“, fragte sie vorsichtig.
„Mit eurer aktuellen Einreisepolitik könnte das schwierig werden!“
„Ich weiß, aber ich werde den Teufel tun, diese Chance nochmal zu vertun. Wir beantragen dein Verlobten-Visum, ich will dich in meinem Leben haben, wenn du mich lässt!“
„Dann machen wir das, nach allem was hier passiert ist, will ich hier nicht bleiben“, stimmte er zu.
„Wirklich? Du machst mich so glücklich. Warte, was ist mit Abiona? Sie braucht jetzt jemanden!“
„Ich hab mit meinen Brüdern gesprochen, sie kümmern sich um sie. Es wird Zeit, dass ich mein Leben selbst in die Hand nehme. Es wird eh noch etwas dauern, bis ich in die Staaten komme, aber ich hoffe, du wartest solang auf mich!“
„Ich habe zehn Jahre gewartet, da macht mir das nichts mehr aus. Warte, verdammt, ich hab hier übernachtet, wie spät ist es?“
„Halb neun!“
„Verdammt, ich muss zum Hotel, wir fliegen um 12“, drängte sie.
„Dann zieh dich an, ich komm mit dir zum Flughafen“, erklärte er ihr.
„Sei mir nicht böse, aber ich kann das nicht nochmal, du kannst zum Hotel mitkommen, aber ich weiß nicht, ob ich das überlebe, dich nochmal zu verlassen“, bemerkte sie.
„Aber du wirst mich wiedersehen, sehr bald!“
„Das hoffe ich, aber ich will das so machen, okay?“
„Sicher, alles was du willst. Was sagen wir Chase zu unserer Lage?“
„Wir werden ihm die ganze Geschichte sagen, wenn es wirklich soweit ist. Wir sagen ihm, dass ihr euch wiederseht, wir aber nicht wissen wann und wo. Das ist nicht wirklich gelogen, aber wage genug“, erwiderte sie.
„Klingt gut. Ich werde ihn sehr vermissen. Die ganze Zeit hab ich mir vorgestellt, ihn zu sehen, aber dass er so sehr wie ich ist, hat mich überrascht!“
„Ja, das ist wunderbar, er war die letzten Jahre so ein Trost für mich, dich nicht mehr zu haben!“
„Sei nicht sauer auf Jones, dass er es mir damals gesagt hat“, sagte er plötzlich.
„Bin ich nicht, ich bin sauer auf mich, dass er die Eier besaß und dich angerufen hat, ich es aber nicht geschafft habe!“
„Ja, du warst feige, aber du hast es so gemacht, wie du dachtest, dass es richtig gewesen wäre und ich war damals eh nicht in der Lage, ein Vater zu sein, also war es richtig so. Wie geht es Jones überhaupt? Du hast gar nichts von ihm erzählt!“
„Verdammt, ich hab mich die ganze Zeit über nicht bei ihm gemeldet, dabei braucht er mich grade am meisten. Zu ihm zu fahren ist das erste, was ich nach meiner Rückkehr machen muss. Er hat ne harte Zeit grade, sie wollen seinen Verlobten nicht ins Land lassen“, erzählte sie kurz, während sie sich anzog.
„Du wirst ihm jetzt wohl noch ein besserer Freund sein können, da du jetzt das gleiche durchmachst!“
„Ja, mein Anwalt wird mich sicher auslachen, dass ich ihn jetzt auch noch bitten muss, das gleiche was er für ihn macht, auch für mich zu machen. Aber zumindest kennt er sich dann schon damit aus“, schmunzelte sie.
„Sieht so aus, bereit?“, fragte er und sie nickte.
 
Sie wollten gerade einchecken, als jemand am Flughafen Daneras Namen rief. Glücklich drehte sie sich um, weil sie Miles vermutete.
„Danke fürs stehenbleiben“, kam ein ganz abgehetzter Riley zu ihr. Sie rollte mit den Augen.
„Was?“, fragte sie genervt.
„Ich wollte dir was geben!“, sagte er außer Atem.
„Hör zu, Riley, du scheinst ein netter Kerl zu sein, aber ich bin verlobt, ja, ich hab keinen Ring, aber das ist jetzt so richtig offiziell“, erklärte sie ihm.
„Schön für dich, hier sind Unterlagen für ein Leumundszeugnis für Kiah, wenn du ihr eins schreiben würdest, würde ihr das sehr helfen“, erläuterte er nur.
„Äh ja, sicher, schreib ich ihr. Deswegen bist du hierher gerannt? Du hast doch meine Nummer, das hättest du mir auch schreiben können!“
„Ja, hätte ich“, druckste er herum.
„Ist sonst noch was?“
„Wo ist deine Freundin?“
„Auf der Toilette, wieso? Sie hat mit dem Fall überhaupt nichts zu tun!“
„Da sie damals nicht mal auf diesem Kontinent war, denk ich mir das. Ich möchte ihr auch was geben“, verhielt er sich wie ein kleiner Schuljunge.
„Okay, sie kommt sicher gleich wieder. Wie läuft’s mit dem Fall?“
„Ich werde alles versuchen, sie aus dem Knast rauszuhalten, aber ich weiß nicht, ob ich das schaffe!“
„Schon gut, du machst nur deinen Job“, erwiderte sie nur.
„Haben Sie schon jemanden erschossen?“, mischte sich Chase ein, der neben seiner Mutter stand.
„Chase“, schimpfte Danera.
„Schon gut, nein, hab ich nicht, wir australischen Polizisten töten normalerweise keine Verbrecher, Junge“, bemerkte Riley.
„Langweilig, kann ich mir am Automaten nen Schokoriegel holen, Mom?“, fragte Chase.
„Ja, aber beeil dich, wir checken gleich ein“, erwiderte sie und Chase ging zu den Automaten.
„Hey, wir sind alle bereit für den Flug. Constable, sagen Sie bloß nicht, dass Sie meine Freundin jetzt verhaften wollen, wir fliegen in ein paar Minuten!“, begrüßte Lea den Beamten etwas schroff.
„Nein, ist alles klar für Ihren Flug, ich wollte Ihnen nur was geben“, erwiderte er und gab ihr einen kleinen Zettel in die Hand.
„Okay, was ist das?“
„Meine Nummer, rufen Sie mich mal an!“, sagte er cool und ging einfach davon.
„Das war jetzt echt schräg!“
„Du hast einen Verehrer, Mom, dass ich das noch erlebe“, neckte Joy ihre Mutter.
„Tja, hab ich wohl falschgelegen, ist wohl nun dein kleiner Lover“, stieg Danera ein und ging zu ihrem Sohn.
 
„Hast du Angst, dass Miles dich mit der Touristin betrügt?“, fragte Lea, als sie neben Danera im Flugzeug saß. Sie waren schon eine Weile geflogen und die Kinder schliefen eine Reihe hinter ihnen friedlich.
„Bis gerade eben nicht, danke“, bemerkte Danera abgelenkt, die im Bord-Kino irgendeine Romanze ansah.
„Sorry, mein Hirn macht grad nen Ausflug. Er liebt dich, wird er nicht tun, sorry, das ich damit angefangen habe. Soll ich Riley anrufen?“
„Könnte kompliziert werden, aber sieh Miles und mich an, es könnte funktionieren!“
„Es ist verrückt überhaupt darüber nachzudenken, aber er sieht gut aus und scheint anständig zu sein, vielleicht könnte das wirklich funktionieren und wenn nicht ist er tausende Kilometer entfernt“, überlegte sie laut.
„Stimmt. Es ist seltsam, je weiter weg wie fliegen, umso mehr fühlt sich dass alles nur wie ein Traum an. Ich glaube nicht, dass er jemals zu uns kommt, vor allen nach dem was jetzt mit den Seyers ist!“
„Tut mir leid für dich“, sagte Lea leise.
„Muss es nicht, ich hatte ihn für diese kurze Zeit und das war wunderschön“, entgegnete Danera nachdenklich.
„Wunderschön würde ich die drei Wochen nicht nennen, aber lehrreich, vor allem die letzte Woche war schön. Wir müssen uns absprechen, was wir bei der Arbeit erzählen!“
„War nen schöner Urlaub, schade, dass er vorbei ist, mehr müssen sie nicht wissen!“
„Bin ganz deiner Meinung, das bleibt unter uns. Zumindest hast du ein paar schöne Bilder von ihm für deinen Spint!“
„Ja, das hier gefällt mir am meisten“, zeigte sie ihr das Familienbild am Uluru.
„Du hast den Ayers Rock gesehen? Da wollte ich schon immer mal hin!“
„Jetzt hast du ja deinen eigenen Verehrer in Australien, kannst du ja noch machen. Wir wurden in der Nähe des Ayers Rock gefunden, ich hab Riley gebeten, uns kurz dahin zufahren um ihn zu sehen“, erklärte sie ihr.
„Schön, dass ihr es gesehen habt, habt ihr euch verdient!“
„Er war unglaublich, du kommst da auch mal hin!“
„Das hoffe ich. Es ist ein wunderschönes Bild, ihr gehört einfach zusammen“, entschied Lea plötzlich.
„Ja, das tun wir. Ich werde für ihn kämpfen, egal wie lang es dauert“, bemerkte sie und vergrößerte das Bild um sich sein Gesicht einzuprägen.
„Siehst du, geht doch!“, neckte sie sie und stieß ihre Schulter sanft gegen ihre.

16. Kapitel

 
Sie schlief, als sie landeten. Die Reise hatte sie geschwächt, sie war immer noch nicht fit.
„Süße, wir sind da“, weckte Lea sie sanft.
„Jetzt schon?“
„Wir sind jetzt fast 15 Stunden geflogen und du hast noch nicht genug?“, war Lea amüsiert.
„Ich bin so müde“, kämpfte sie damit wach zu werden.
„Die Reise war lang, das Taxi bringt uns heim, du musst nur kurz wach werden, dann kannst du in meinem Gästebett schlafen wie lang du auch willst“, versicherte sie ihr und schüttelte sie sanft wach.
„Du bist manchmal echt nervig … danke“, öffnete sie Augen.
„Ist mir wie immer ein Vergnügen. Kids, alles klar bei euch?“, drehte sich Lea fürsorglich zu den Dreien um.
„Ich muss pinkeln“, erklärte Chase.
„Das könnt ihr nachher im Terminal noch, wird eh noch ne Weile dauern, bis wir unser Gepäck und das Taxi haben!“
„Können wir auch noch was essen?“, hoffte Jasper.
„Es ist vier Uhr morgens, wie kannst du jetzt Hunger haben?“
„Er ist ein Teenager, ich würde mir eher Sorgen machen, wenn er keinen Hunger hätte“, schmunzelte Danera und Jasper grinste.
 
So saßen sie also in tiefster Nacht im Flughafen in einem Fast-Food-Restaurant und stopften Burger in sich hinein.
„Die sind so scheußlich, tun aber so gut!“
„Ja, das Essen im Flugzeug war echt grausig. Am Wochenende koch ich mal wieder schön für uns alle“, bemerkte Lea.
„Was ist Dads Lieblingsburger?“, wollte Chase plötzlich wissen.
„Wie meinen?“
„Was ist sein Lieblingsburger? Weißt du das nicht?“, widerholte Chase die Frage.
„Leider nicht, Süßer, kannst ihn ja fragen, wenn ihr telefoniert“, erwiderte sie müde.
„Vermutlich irgendwas Perverses wie mit Ananas, oder so“, konterte Chase altklug.
„Urlaub ist vorbei, mein Süßer, rede anständig“, bemerkte sie zu ihrem Sohn.
„Ja, Mutter“, sagte Chase und salutierte.
„Frechdachs. Es wird echt stressig werden bald zwei von euch hier zu haben“, sagte Danera amüsiert.
„Dad kommt hierher?“, war Chase überrascht.
„Verflixt, das wollte ich eigentlich für mich behalten, ich versuche ihn hierher zu holen, das könnte schwierig werden, also sei nicht traurig, wenn es nicht funktioniert“, erklärte sie ihm.
„Ich bin schon groß, ich versteh das“, bemerkte er nur, man sah ihm aber die Enttäuschung an.
„Ich weiß, dass du groß bist, ich versprech dir, ich werde alles tun, dass dein Dad, du und ich eine Familie werden“, versicherte sie, zog seinen Kopf an ihre Brust und küsste seinen Kopf.
„Und was ist mit Dad?“, sprach er jetzt von ihrem Ex-Mann.
„Der wird immer dein Vater sein, wenn du das willst, kommst du damit klar zwei Dads zu haben?“
„Sicher, doppelte Geschenke sind immer cool“, sagte er nur.
„Warum frag ich überhaupt? Ich muss trotzdem ein längeres Gespräch mit deinem Adoptiv-Vater führen, wenn dass alles klappen soll“, dachte sie laut nach.
„Er wird voll ausflippen“, kommentierte Chase ihre Aussage.
„Danke, Sohn, als wär ich da nicht schon nervös genug. So, alle aufgegessen? Wir sollten nach Hause“, plante sie.
 
Als sie wieder zur Arbeit kam, traf sie gleich auf Jones, der den Arbeitsplan bearbeitete.
„Morgen, kannst du Donnerstag länger arbeiten?“, fragte er sie nur.
„Ja, da ist Chase beim Pfähler. Ist das alles, was du mir nach drei Wochen zu sagen hast?“, wunderte sie sich.
„Du hast dich ja auch drei Wochen nicht gemeldet, nicht mal ne Postkarte, bin sauer auf dich“, bemerkte er trocken.
„Das war ne aufregende Reise, tut mir leid!“
„Ich hätte dich so sehr brauchen können“, erwiderte er.
„Ich auch“, sagte sie nachdenklich.
„Was?“
„Sehr lange Geschichte, die würde ich dir gern mal bei ner Flasche Wein erzählen. Aber genug von mir, was ist mit dir? Was hat der Anwalt erreicht?“
„Nicht viel, er sagt, es wird noch eine Weile dauern, aber ich bin bereit zu kämpfen. Was gibt’s bei dir neues?“, wurde seine Stimme freundlicher.
„Lange Geschichte, ich erzähl es dir beim Wein. Hast du heute Abend Zeit?“
„Ja, könnte ich einrichten. Du siehst irgendwie krank aus, braun, aber krank, was irgendwie komisch ist!“
„Auch wenn ich wie ne kaputte Schallplatte klinge, erzähl ich dir noch“, versprach sie.
„Meinetwegen. Bereit als Chefin zurückzukehren? Ich hab nämlich auf die ganzen Dramen mit dem Arbeitsplan keinen Bock mehr“, übergab er ihr den Marker für das Board.
„Eigentlich nicht, aber das ist mein Job“, schmunzelte sie und begann ihre Arbeit.
 
„Das Essen war wie immer köstlich, aber jetzt wird es Zeit für meinen Wein und die ganze Geschichte“, bat Jones, als sie Chase ins Bett gebracht und jetzt Ruhe hatten.
„Hol ich dir, hast du dir verdient. Du hast übrigens nen tollen Job gemacht in den letzten Wochen, du bist ein guter Vorgesetzter“, lobte sie ihn.
„Ja, ich weiß“, sagte er cool.
 
„So, schieß los“, bat Jones, als sie Wein eingeschenkt hatte.
„Moment“, kippte sie ein Glas Wein auf Ex.
„Wow, hab dich schon ne Weile nicht mehr so trinken sehen. Was ist?“, wollte er wissen und sie erzählte ihm alles, was sie ihm jetzt 10 Jahre verschwiegen hatte.
 
„Eins muss man dir sagen, du kannst echt Sachen für dich behalten“, konterte er nur, als er der Geschichte gelauscht hatte.
„Bist du sauer?“
„Nein, du hattest sicher einen Grund dafür. Wenn wir grad bei Geständnissen sind, ich hab dir auch was zu erzählen“, bemerkte Jones.
„Ich weiß es, Miles hat es mir erzählt!“
„Ich dachte, er sollte es wissen, verzeih mir!“
„Ich war sauer, aber nach allem was ich erlebt habe, bin ich froh, dass er es wusste. Was hältst du von meiner Zukunftsplanung?“
„Ich würde ja sagen, dass es total idiotisch ist, aber wer bin ich dich zu verurteilen, ich mache ja gerade das gleiche durch. Das könnte auch bei dir eine lange Geschichte werden!“
„Ich hab zehn Jahre gewartet, da machen ein paar Monate nichts mehr aus. Hast du noch Fragen zu meiner Geschichte von damals?“
„Wurdest du damals vergewaltigt von diesen Leuten?“
„Gott nein, das ist, was du aus dieser Geschichte raushörst? Ich hab das aus Liebe getan damals, seine Liebe hat mich auch diesmal gerettet. Wow, hab ich das grade wirklich gesagt?“, redete sie vor sich hin.
„Sieht so aus. Du musst aber keine rechtlichen Folgen befürchten, oder?“
„Ich wurde eine Stunde von der Polizei befragt und dann heimgeschickt, also nehm ich es mal nicht an. Aber ich will helfen meine Freunde rauszuholen, sie waren Opfer, genauso wie ich. Ich werde dieses Leumundszeugnis für sie schreiben, ich war zwar nie gut bei sowas, aber für sie mach ich alles!“
„Nach dem was ihr erlebt habt, versteh ich das. Ich kann dir dabei helfen, wenn du willst. Anderes Thema, Miles hat doch damals begonnen seine amerikanische Staatsbürgerschaft zu beantragen, er hat es nie durchgezogen, aber vielleicht hilft es jetzt!“
„Ja, stimmt, danke. Jetzt muss ich es nur noch Vlad erzählen, weiß nicht, warum ich mich so sehr davor fürchte!“
„Weil dir seine Meinung immer noch wichtig ist. Soll ich dabei sein?“
„Nein, das muss ich allein machen, aber danke. Es versteht sich von selbst, dass diese Geschichte unter uns bleibt, oder? Bis jetzt wissen nur Lea, ihre Kinder, Chase, die Seyers, du und ich davon. Na ja, nach der Anklage, vermutlich noch ein paar andere Leute in Australien, aber in den Staaten nur wir“, erzählte sie.
„Natürlich, geht hier niemanden was an. Erzählst du es dem Pfähler?“
„Da er mein Anwalt ist, weiß er es leider schon. Er weiß nur nicht, dass Chase es jetzt weiß. Bin echt froh, dass es jetzt alles rauskommt, das Ganze hat sich echt verselbständig und war nicht mehr gesund!“
„Das du nicht ausgetickt bist bei so vielen Geheimnissen. Es ist irgendwie beruhigend, dass wir jetzt den gleichen Leidensweg gehen, vor deiner Reise hab ich gedacht, du würdest es nie verstehen“, erklärte er ihr.
„Konnte ich auch nicht richtig, aber jetzt ist es anders. Ich bin froh, dass du in den letzten Wochen alles gut überstanden hast, ich dachte schon, ich müsste dich irgendwo sturzbesoffen aus dem Knast holen!“, war sie erleichtert.
„Das hat Jas gemacht, außer dem Knast natürlich“, sagte er nur.
„Verdammt und ich war nicht hier, tut mir leid“, umarmte sie ihn herzlich.
„Du musstest das tun, Jasmine hat mir gut helfen können, schon gut. Es ist unglaublich wie sehr sie sich in den letzten Jahren entwickelt hat, sie arbeitet so hart und ist eine so tolle Mutter. Sie ist fast wie du“, entgegnete er und lächelte zufrieden.
„Wir hatten den gleichen Ex, kann schon sein. Ja, sie ist einer meiner besten Mitarbeiterinnen, nach Lea und dir natürlich“, lächelte sie auch.
„Das will ich dir auch geraten haben, ich habe in den letzten Wochen Doppelschichten geschoben, obwohl ich mich nur noch verkriechen wollte“, entgegnete er rechthaberisch.
„Und dafür bin ich dir unendlich dankbar, endlich konnte ich das in meinem Leben abschließen“, bedankte sie sich nochmal.
„Du nennst das abschließen? Du bist nicht weiter mit ihm als vor zehn Jahren“, stellte er klar.
„Ja, irgendwie schon, ich werde ihn nicht heiraten, oder?“, realisierte sie plötzlich.
„Das weißt du nicht, aber was mir die Monate gezeigt haben ist, dass alles möglich ist. Ich weiß nicht, wie lang ich das noch durchhalte“, sagte er traurig.
„Du willst doch jetzt nicht aufgeben. Er ist dein Miles, schon vergessen?“
„Er ist nicht mein Miles, dein Miles würde durchs Feuer für dich gehen, meiner ruft mich nicht mal zurück“, erklärte er ihr.
„Es ist schwierig zwischen euch? Warum sagst du mir das nicht?“
„Du hast deine eigenen Probleme, ich wollte nicht damit nicht belasten!“
„Du bist wie ein Bruder für mich, du belastest mich niemals, weißt du doch“, ergriff sie seine Hand.
„Im Moment denke ich, es ist einfacher mich von ihm zu trennen und weiter zu machen“, konterte er.
„Das musst du selbst entscheiden, ich steh dir bei jeder Entscheidung bei“, versicherte sie ihm.
„Danke, ich liebe dich auch“, umarmte er sie.
„Immer. Ich hoffe, du tust dasselbe für mich, wenn es soweit kommt!“
„Natürlich, aber er ist Miles, du wirst ihn nicht aufgeben“, stellte er klar.
„Früher war ich verklärt, jung und verliebt, diese Frau existiert nicht mehr, jetzt bin ich Mutter, da ändert sich so einiges“, bemerkte sie.
„Ja, aber gleichzeitig seid ihr Miles und Danera, das werdet ihr immer sein“, machte er ihr Mut.
„Wir sind nicht Romeo und Julia, du verklärst die ganze Geschichte etwas, wir sind auch nur Menschen“, entschied sie und sie schwiegen.

17. Kapitel

 
Sie schlief, als sie landeten. Die Reise hatte sie geschwächt, sie war immer noch nicht fit.
„Süße, wir sind da“, weckte Lea sie sanft.
„Jetzt schon?“
„Wir sind jetzt fast 15 Stunden geflogen und du hast noch nicht genug?“, war Lea amüsiert.
„Ich bin so müde“, kämpfte sie damit wach zu werden.
„Die Reise war lang, das Taxi bringt uns heim, du musst nur kurz wach werden, dann kannst du in meinem Gästebett schlafen wie lang du auch willst“, versicherte sie ihr und schüttelte sie sanft wach.
„Du bist manchmal echt nervig … danke“, öffnete sie Augen.
„Ist mir wie immer ein Vergnügen. Kids, alles klar bei euch?“, drehte sich Lea fürsorglich zu den Dreien um.
„Ich muss pinkeln“, erklärte Chase.
„Das könnt ihr nachher im Terminal noch, wird eh noch ne Weile dauern, bis wir unser Gepäck und das Taxi haben!“
„Können wir auch noch was essen?“, hoffte Jasper.
„Es ist vier Uhr morgens, wie kannst du jetzt Hunger haben?“
„Er ist ein Teenager, ich würde mir eher Sorgen machen, wenn er keinen Hunger hätte“, schmunzelte Danera und Jasper grinste.
 
So saßen sie also in tiefster Nacht im Flughafen in einem Fast-Food-Restaurant und stopften Burger in sich hinein.
„Die sind so scheußlich, tun aber so gut!“
„Ja, das Essen im Flugzeug war echt grausig. Am Wochenende koch ich mal wieder schön für uns alle“, bemerkte Lea.
„Was ist Dads Lieblingsburger?“, wollte Chase plötzlich wissen.
„Wie meinen?“
„Was ist sein Lieblingsburger? Weißt du das nicht?“, widerholte Chase die Frage.
„Leider nicht, Süßer, kannst ihn ja fragen, wenn ihr telefoniert“, erwiderte sie müde.
„Vermutlich irgendwas Perverses wie mit Ananas, oder so“, konterte Chase altklug.
„Urlaub ist vorbei, mein Süßer, rede anständig“, bemerkte sie zu ihrem Sohn.
„Ja, Mutter“, sagte Chase und salutierte.
„Frechdachs. Es wird echt stressig werden bald zwei von euch hier zu haben“, sagte Danera amüsiert.
„Dad kommt hierher?“, war Chase überrascht.
„Verflixt, das wollte ich eigentlich für mich behalten, ich versuche ihn hierher zu holen, das könnte schwierig werden, also sei nicht traurig, wenn es nicht funktioniert“, erklärte sie ihm.
„Ich bin schon groß, ich versteh das“, bemerkte er nur, man sah ihm aber die Enttäuschung an.
„Ich weiß, dass du groß bist, ich versprech dir, ich werde alles tun, dass dein Dad, du und ich eine Familie werden“, versicherte sie, zog seinen Kopf an ihre Brust und küsste seinen Kopf.
„Und was ist mit Dad?“, sprach er jetzt von ihrem Ex-Mann.
„Der wird immer dein Vater sein, wenn du das willst, kommst du damit klar zwei Dads zu haben?“
„Sicher, doppelte Geschenke sind immer cool“, sagte er nur.
„Warum frag ich überhaupt? Ich muss trotzdem ein längeres Gespräch mit deinem Adoptiv-Vater führen, wenn dass alles klappen soll“, dachte sie laut nach.
„Er wird voll ausflippen“, kommentierte Chase ihre Aussage.
„Danke, Sohn, als wär ich da nicht schon nervös genug. So, alle aufgegessen? Wir sollten nach Hause“, plante sie.
 
Als sie wieder zur Arbeit kam, traf sie gleich auf Jones, der den Arbeitsplan bearbeitete.
„Morgen, kannst du Donnerstag länger arbeiten?“, fragte er sie nur.
„Ja, da ist Chase beim Pfähler. Ist das alles, was du mir nach drei Wochen zu sagen hast?“, wunderte sie sich.
„Du hast dich ja auch drei Wochen nicht gemeldet, nicht mal ne Postkarte, bin sauer auf dich“, bemerkte er trocken.
„Das war ne aufregende Reise, tut mir leid!“
„Ich hätte dich so sehr brauchen können“, erwiderte er.
„Ich auch“, sagte sie nachdenklich.
„Was?“
„Sehr lange Geschichte, die würde ich dir gern mal bei ner Flasche Wein erzählen. Aber genug von mir, was ist mit dir? Was hat der Anwalt erreicht?“
„Nicht viel, er sagt, es wird noch eine Weile dauern, aber ich bin bereit zu kämpfen. Was gibt’s bei dir neues?“, wurde seine Stimme freundlicher.
„Lange Geschichte, ich erzähl es dir beim Wein. Hast du heute Abend Zeit?“
„Ja, könnte ich einrichten. Du siehst irgendwie krank aus, braun, aber krank, was irgendwie komisch ist!“
„Auch wenn ich wie ne kaputte Schallplatte klinge, erzähl ich dir noch“, versprach sie.
„Meinetwegen. Bereit als Chefin zurückzukehren? Ich hab nämlich auf die ganzen Dramen mit dem Arbeitsplan keinen Bock mehr“, übergab er ihr den Marker für das Board.
„Eigentlich nicht, aber das ist mein Job“, schmunzelte sie und begann ihre Arbeit.
 
„Das Essen war wie immer köstlich, aber jetzt wird es Zeit für meinen Wein und die ganze Geschichte“, bat Jones, als sie Chase ins Bett gebracht und jetzt Ruhe hatten.
„Hol ich dir, hast du dir verdient. Du hast übrigens nen tollen Job gemacht in den letzten Wochen, du bist ein guter Vorgesetzter“, lobte sie ihn.
„Ja, ich weiß“, sagte er cool.
 
„So, schieß los“, bat Jones, als sie Wein eingeschenkt hatte.
„Moment“, kippte sie ein Glas Wein auf Ex.
„Wow, hab dich schon ne Weile nicht mehr so trinken sehen. Was ist?“, wollte er wissen und sie erzählte ihm alles, was sie ihm jetzt 10 Jahre verschwiegen hatte.
 
„Eins muss man dir sagen, du kannst echt Sachen für dich behalten“, konterte er nur, als er der Geschichte gelauscht hatte.
„Bist du sauer?“
„Nein, du hattest sicher einen Grund dafür. Wenn wir grad bei Geständnissen sind, ich hab dir auch was zu erzählen“, bemerkte Jones.
„Ich weiß es, Miles hat es mir erzählt!“
„Ich dachte, er sollte es wissen, verzeih mir!“
„Ich war sauer, aber nach allem was ich erlebt habe, bin ich froh, dass er es wusste. Was hältst du von meiner Zukunftsplanung?“
„Ich würde ja sagen, dass es total idiotisch ist, aber wer bin ich dich zu verurteilen, ich mache ja gerade das gleiche durch. Das könnte auch bei dir eine lange Geschichte werden!“
„Ich hab zehn Jahre gewartet, da machen ein paar Monate nichts mehr aus. Hast du noch Fragen zu meiner Geschichte von damals?“
„Wurdest du damals vergewaltigt von diesen Leuten?“
„Gott nein, das ist, was du aus dieser Geschichte raushörst? Ich hab das aus Liebe getan damals, seine Liebe hat mich auch diesmal gerettet. Wow, hab ich das grade wirklich gesagt?“, redete sie vor sich hin.
„Sieht so aus. Du musst aber keine rechtlichen Folgen befürchten, oder?“
„Ich wurde eine Stunde von der Polizei befragt und dann heimgeschickt, also nehm ich es mal nicht an. Aber ich will helfen meine Freunde rauszuholen, sie waren Opfer, genauso wie ich. Ich werde dieses Leumundszeugnis für sie schreiben, ich war zwar nie gut bei sowas, aber für sie mach ich alles!“
„Nach dem was ihr erlebt habt, versteh ich das. Ich kann dir dabei helfen, wenn du willst. Anderes Thema, Miles hat doch damals begonnen seine amerikanische Staatsbürgerschaft zu beantragen, er hat es nie durchgezogen, aber vielleicht hilft es jetzt!“
„Ja, stimmt, danke. Jetzt muss ich es nur noch Vlad erzählen, weiß nicht, warum ich mich so sehr davor fürchte!“
„Weil dir seine Meinung immer noch wichtig ist. Soll ich dabei sein?“
„Nein, das muss ich allein machen, aber danke. Es versteht sich von selbst, dass diese Geschichte unter uns bleibt, oder? Bis jetzt wissen nur Lea, ihre Kinder, Chase, die Seyers, du und ich davon. Na ja, nach der Anklage, vermutlich noch ein paar andere Leute in Australien, aber in den Staaten nur wir“, erzählte sie.
„Natürlich, geht hier niemanden was an. Erzählst du es dem Pfähler?“
„Da er mein Anwalt ist, weiß er es leider schon. Er weiß nur nicht, dass Chase es jetzt weiß. Bin echt froh, dass es jetzt alles rauskommt, das Ganze hat sich echt verselbständig und war nicht mehr gesund!“
„Das du nicht ausgetickt bist bei so vielen Geheimnissen. Es ist irgendwie beruhigend, dass wir jetzt den gleichen Leidensweg gehen, vor deiner Reise hab ich gedacht, du würdest es nie verstehen“, erklärte er ihr.
„Konnte ich auch nicht richtig, aber jetzt ist es anders. Ich bin froh, dass du in den letzten Wochen alles gut überstanden hast, ich dachte schon, ich müsste dich irgendwo sturzbesoffen aus dem Knast holen!“, war sie erleichtert.
„Das hat Jas gemacht, außer dem Knast natürlich“, sagte er nur.
„Verdammt und ich war nicht hier, tut mir leid“, umarmte sie ihn herzlich.
„Du musstest das tun, Jasmine hat mir gut helfen können, schon gut. Es ist unglaublich wie sehr sie sich in den letzten Jahren entwickelt hat, sie arbeitet so hart und ist eine so tolle Mutter. Sie ist fast wie du“, entgegnete er und lächelte zufrieden.
„Wir hatten den gleichen Ex, kann schon sein. Ja, sie ist einer meiner besten Mitarbeiterinnen, nach Lea und dir natürlich“, lächelte sie auch.
„Das will ich dir auch geraten haben, ich habe in den letzten Wochen Doppelschichten geschoben, obwohl ich mich nur noch verkriechen wollte“, entgegnete er rechthaberisch.
„Und dafür bin ich dir unendlich dankbar, endlich konnte ich das in meinem Leben abschließen“, bedankte sie sich nochmal.
„Du nennst das abschließen? Du bist nicht weiter mit ihm als vor zehn Jahren“, stellte er klar.
„Ja, irgendwie schon, ich werde ihn nicht heiraten, oder?“, realisierte sie plötzlich.
„Das weißt du nicht, aber was mir die Monate gezeigt haben ist, dass alles möglich ist. Ich weiß nicht, wie lang ich das noch durchhalte“, sagte er traurig.
„Du willst doch jetzt nicht aufgeben. Er ist dein Miles, schon vergessen?“
„Er ist nicht mein Miles, dein Miles würde durchs Feuer für dich gehen, meiner ruft mich nicht mal zurück“, erklärte er ihr.
„Es ist schwierig zwischen euch? Warum sagst du mir das nicht?“
„Du hast deine eigenen Probleme, ich wollte nicht damit nicht belasten!“
„Du bist wie ein Bruder für mich, du belastest mich niemals, weißt du doch“, ergriff sie seine Hand.
„Im Moment denke ich, es ist einfacher mich von ihm zu trennen und weiter zu machen“, konterte er.
„Das musst du selbst entscheiden, ich steh dir bei jeder Entscheidung bei“, versicherte sie ihm.
„Danke, ich liebe dich auch“, umarmte er sie.
„Immer. Ich hoffe, du tust dasselbe für mich, wenn es soweit kommt!“
„Natürlich, aber er ist Miles, du wirst ihn nicht aufgeben“, stellte er klar.
„Früher war ich verklärt, jung und verliebt, diese Frau existiert nicht mehr, jetzt bin ich Mutter, da ändert sich so einiges“, bemerkte sie.
„Ja, aber gleichzeitig seid ihr Miles und Danera, das werdet ihr immer sein“, machte er ihr Mut.
„Wir sind nicht Romeo und Julia, du verklärst die ganze Geschichte etwas, wir sind auch nur Menschen“, entschied sie und sie schwiegen.

18. Kapitel

 
„Sie ist einfach abgehauen? Was für ne Bitch?“, schimpfte Lea, als Danera ihr tags drauf von ihrem Treffen mit ihrer Tochter und der Abwesenheit deren Mutter erzählte.
„Ja, kann man so sagen, ich habe sie mir damals ausgesucht, weil ich dachte, dass sie alles für meine Tochter machen würde, hab mich wohl getäuscht!“
„Ich hatte sie auch so eingeschätzt, aber wir werden ihr mit allem beistehen was sie braucht, um eine tolle Frau zu werden, oder?“
„Ja, natürlich, sie ist zwar ziemlich weit weg, aber mit der heutigen Technik kriegen das schon hin. Wie geht’s Gia damit?“
„Sie ist ein Teenager, sie ist schwer zu lesen, vermutlich nicht gut, ich ruf sie heute Abend nochmal an. Also, ist mal wieder die Zeit des Jahres, die Parade der Hebammenschülerinnen. Wieder mal kein Mann dabei dies Jahr?“
„Ja, wie jedes Jahr, die Männer haben einfach Schiss, echt schade. Jones war der letzte Mann in der Ausbildung wie mir scheint. Son bisschen was zum Gucken wäre mal wieder nicht schlecht“, dachte Lea laut nach.
„Du brauchst echt nen Mann, hast du den Australier angerufen?“
„Ja, hab ich, aber wie du vielleicht weißt, ist das nicht so einfach!“
„Das weiß ich zu gut, kannst du mir nochmal mein Pflaster am Rücken wechseln? Das ist bei der Dusche heute Morgen etwas abgegangen“, wechselte Danera das Thema.
„Ja, kann ich machen, das war echt ne Verbrennung, die anderen lachen heimlich über dich, dass du dich so verbrannt hast, wenn die wüssten“, erzählte Lea ihr.
„Ich war nur zu blöd zum Eincremen, mehr müssen die nicht wissen. Dr. Miller sagt aber, dass meine Haut gut verheilt, ich hab sie immer belächelt, sie macht aber einen guten Job“, entschied Danera und ging mit ihr in die Waschräume, wo Lea ihr den Verband wechselte.
„Man wird bald sehen, dass ich schwanger bin, ich will nicht das Gesprächsthema Nr. 1 werden, nicht schon wieder“, fuhr Danera nachdenklich über ihren noch flachen Bauch.
„Jetzt bist du der Boss, das trauen sie sich nicht mehr“, versicherte sie ihr.
„Wenn sie es hinter meinem Rücken machen ist es viel schlimmer!“
„Dann geh gleich zu ihnen und sag ihnen die Wahrheit, lästern ist nur halb so lustig, wenn es jeder weiß“, riet sie ihr.
„Stimmt, das sollte ich tun, die Personalabteilung weiß es ja auch schon. Es stimmt wirklich, beim zweiten Mal ist es gleich einfacher, na ja, eigentlich ist es ja das dritte Mal, aber bei Gia hab ich ja noch nicht hier gearbeitet. So ganz fassen, dass ich zum dritten Mal Mutter werde kann ich irgendwie nicht, zum dritten Mal auch ungeplant, ich bin eigentlich ne Schande für meinen Berufsstand“, erwiderte sie und zog ihr Arbeitshemd wieder über, nachdem sie verarztet worden war.
„Du sorgst dafür, dass Babys gesund zur Welt kommen, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Du hast zwei tolle Kinder zur Welt gebracht und der Zwerg wird auch wieder toll werden“, ermunterte Lea ihre Freundin und gab ihr ihren Ausweis, den sie anzog.
„Danke, das werden wir dann sehen“, murmelte sie nur.
„Mädels, hier seid ihr, wir haben nen Notfall“, kam Jasmine in die Umkleide gestürmt. Schnell eilten die Hebammen ihrer Kollegin hinterher. Jasmine stoppte vor dem Schwesternzimmer.
„Was ist der Notfall, geht es einem Baby schlecht?“, keuchte Danera außer Atem.
„Nein, Code Kohlenhydrate“, zeigte Jasmine auf Jones, der auf dem Sofa im Aufenthaltsraum saß und einen Burrito aß.
„Süße, ich bin schwanger und soll mich nicht so stressen, er ist nur einen Burrito, das ist nicht wirklich ein Notfall“, murrte Danera.
„Er isst Kohlenhydrate, das hat er das letzte Mal gemacht als das mit Daniel vorbeiging!“
„Richtig, dann hat er sich wohl getrennt, schade“, sagte Lea nur.
„Das ist alles? Ihr wisst gar nicht, was in den Wochen, in denen ihr nicht da wart los war, ich bin raus, das ist jetzt eure Sache!“
„Ich geh zu ihm, geh du schonmal auf Station“, bat Danera und Lea nickte und ließ sie allein. Danera atmete zwei Mal tief durch und ging hinein. Wortlos setzte sie sich neben ihn.
„Krieg ich nen Stück?“, fragte sie nur und er gab den in Alufolie gewickelten Fleischwickel weiter. Sie biss herzhaft rein und sie saßen eine Minute essend da.
„Hast du Schluss gemacht?“, fragte sie in die Stille.
„Jup!“
„Das ist echt scheiße“, nuschelte sie kauend.
„Ja, ist es!“
„Willst du heimgehen?“
„Nein, ich hab heut ja nur Pflegedienst, das krieg ich hin. Wie lief’s mit Gia?“
„Seltsam, aber da willst du jetzt sicher nicht drüber reden, oder?“
„Doch, erzähl“, bat er und sie begann zu erzählen.
 
„Er schlägt sich gut, bin stolz auf ihn“, betrachtete Lea ihren Kollegen Jones zwei Wochen später. Er wickelte gerade ein Baby und schien ganz konzentriert auf ihre Arbeit zu sein.
„Das ist nur Show, ihm geht’s miserabel“, bemerkte Danera, die neben ihr stand und ein Regal auffüllte.
„Denkst du das, oder hoffst du das?“, fragte Lea und sah sie vielsagend an.
„Ich will doch nicht, das es ihm schlecht geht, was redest du?“
„Du bemutterst ihn gern!“
„Du doch auch, ihm geht’s schlecht, ich darf mich doch um ihn sorgen, oder?“
„Ja, darfst du, aber er muss auch allein damit klarkommen!“
„Ich weiß, ich lass ihm ja auch seine Privatsphäre. Es ist so furchtbar, dass das mit denen nicht funktioniert hat“, schmiss sie eine Verpackung weg.
„Das wird bei dir nicht passieren, Süße!“
„Ich hab fast zwei Wochen nicht mehr mit ihm gesprochen“, gestand Danera plötzlich.
„Du ghostest ihn? Warum machst du denn das?“, war Lea überrascht.
„Ghostest?“
„Das sagen die Kids heutzutage, wenn sie meinen, dass man sich nicht mehr beim andern meldet. Warum rufst du ihn nicht an?“
„Ich ruf ihn ständig an, erreich ihn aber nicht!“
„Da stimmt was nicht, so ein Arschloch ist er nicht“, dachte Lea laut nach.
„Anscheinend schon und ich hab echt gedacht, er freut sich über das Baby“
„Das tut er auch, glaub mir, ich ruf sofort Riley an, da ist was faul“, ging Lea Richtung Schwesternzimmer um zu telefonieren.
„Er versucht mit ihm in Kontakt zu treten, aber momentan erreicht er ihn nicht“, erklärte Lea ihrer besten Freundin vorsichtig, als sie nach ihrer Schicht zusammen auf dem Sofa im Schwesternzimmer saßen.
„Ich kann ihn nicht verlieren, nicht nach allem!“, sagte sie weinerlich.
„Du wirst ihn nicht verlieren, ihm geht’s gut, er lebt nur abgeschottet, das ist sicher nur ein Kommunikationsproblem!“
„Nach allem was ich mit ihm durchgemacht habe denkst du das wirklich?“
„Ja, das denke ich, er wird sich sicher bald melden und alles ist gut. Jetzt komm, du gehörst nach Hause, Jo möchte sicher auch bald heim und sich betrinken, oder so und sich nicht länger als nötig um unsere Kinder kümmern!“
„Sollten wir ihn nicht davon abhalten sich zu besaufen?“, wunderte sich Lea.
„Nein, solang er wieder nüchtern und pünktlich zur Arbeit erscheint soll er tun und lassen was er will, wenn ich nicht schwanger wäre, würde ich das vermutlich auch machen. Dann komm, die Kinder warten sicher schon“, bat sie und sie gingen zu Jones, der mit den Kindern schon wartete.
 
„Geht ihr bitte schonmal zum Auto?“, forderte Lea ihre Kinder auf, als diese an der Tür ihrer Patentante standen.
„Ich hab dir ja gesagt, wir könnten auch allein zu Hause bleiben, wir sind alt genug“, murmelte Joy und ging mit ihrem Bruder zum Auto. Lea und Jones blieben im Hausflur.
„Das können wir ihr nicht länger antun, sie ist schwanger, Jo“, war sie besorgt.
„Er wollte es so, das haben wir ihm versprochen. Keine Sorge, wir sorgen dafür, dass sie das nicht zu sehr stresst!“
„Du hast doch grad deine eigenen Probleme!“
„Das lenkt mich ab, also alles gut. Und nein, ich werde mich nicht besaufen, ich bin zu alt für dieses kindische Verhalten. Ich werde jetzt meinen Corgi vom Sitter holen, mich mit ihm ins Bett kuscheln und was auf meinem PC anschauen, wie andere jämmerliche Singles“, konterte er nur.
„Hey, ich bin auch einer von diesen jämmerlichen Singles“, murrte sie.
„Du hast Riley!“
„Ich hab Riley nicht, er ist 10.000 Meilen von mir entfernt und was auch immer das bei uns ist besteht aus Telefonaten und zwei Skype-Anrufen“, entschied sie.
„Das ist mehr als wir in den letzten Wochen hatten. Er hat das Herz am richtigen Fleck, Jar weiß schon was er tut, lassen wir ihn machen. Nur neulich hat er es nicht ausgehalten und hat sich ihr genähert, sie hat mir erzählt, dass sie sich beim Treffen mit ihrer Tochter beobachtet gefühlt hat. Das sollte er lieber lassen“, bemerkte er.
„Ich sag es ihm. Hat er dir gesagt wie lang er ihr verschweigen will, dass er in den Staaten ist?“
„Keinen blassen Schimmer, ich hoff nicht zu lang, ich hasse es, sie anzulügen, kann ihn aber verstehen, er will erstmal etwas hier aufbauen, bevor er sie zu sich holen will. Sei einfach für sie da, sie braucht dich jetzt“, plante er.
„Sie braucht ihn jetzt, wenn sie länger nichts mehr von ihm hört fliegt sie noch eigenhändig zurück nach Alice Springs!“
„Wirklich, hat sie das gesagt?“
„Nein, aber ich kenn sie schon ne Weile, ich weiß, was sie als nächstes tut“, entgegnete Lea, stieß sich von der Wand neben der Tür ab und lief mit ihm den Gang entlang.
„Oh, Süße, du hast wohl echt vergessen, dass ich ne Sicherheitskamera vor der Tür habe, die hast du mir selbst empfohlen“, redete Danera mit sich selbst. Sie ahnte, dass ihre Freunde was vor ihr verheimlichten und sah sich den Live-Feed auf ihrem Handy an.
 

19. Kapitel

 
„Danke, Vlad, dass du das für mich machst“, bedankte sich Danera höflich bei ihrem Ex-Mann. Sie stand in seinem Büro und hatte gerade die Adresse von ihm bekommen, unter dem Miles gemeldet war.
„Es war immer er, das hätte ich schon beim ersten Mal wissen müssen, als du im Bett mit mir seinen Namen gestöhnt hast“, erklärte er ihr.
„Das hab ich gemacht? Tut mir leid, das wollte ich nicht!“
„Das hast du nur das eine Mal gemacht, aber ich wusste es immer. Schon gut, jetzt hast du ihn wieder, kümmere dich darum“, sagte er mit ruhiger, aber liebevoller Stimme.
„Das werde ich. Du hast was Besseres als mich verdient“, erkannte sie.
„Du bist nicht so übel, du liebst nur einen anderen Mann, das kann passieren. Ich hab jetzt auch jemanden gefunden, den ich liebe“, gestand er ihr.
„Du hast nen neue Freundin? Das ist toll“, freute sie sich für ihn.
„Ja, schon ne ganze Weile. Ich hab gehofft, Chase kann sie mal kennenlernen, ich bin nicht sein leiblicher Vater und so, aber ich liebe ihn wie einen Sohn, es wäre mir wichtig!“
„Du bist auch sein Vater, du hast ihn zusammen mit mir großgezogen, das wirst du immer sein“, versicherte sie ihm.
„Ich war dieses Jahr nicht der beste Dad der Welt, ich will das aber ändern“, versprach er.
„Ja, ich weiß, wir telefonieren und dann können wir klären, wann er ein Wochenende bei dir sein kann“, plante sie.
„Das wäre toll, danke. Jetzt hol ihn dir, ihr beide gehört zusammen“, drängte er sie und mit einem Lächeln auf den Lippen ging sie von dannen.
 
Ihr Lächeln wurde aber kleiner, als sie sah, wo er wohnte.
„Ich werde nicht hierherziehen, Süßer, das kannst du vergessen“, redete sie mit sich selbst und öffnete eine quietschende Tür zu dem Wohnhaus, in dem er anscheinend wohnte.
Als sie in sein Stockwerk kam, ging eine junge Frau gerade aus seiner Wohnung. Sie war so jung, sie zweifelte sogar daran, dass sie volljährig war. Die junge Frau sah sie etwas seltsam an, als sie an ihr vorbeilief und sie verließ schon der Mut. Vögelte er wieder viel zu junge Frauen? Sie wollte schon umkehren, als er aus der Wohnung kam und sie sah.
„Dani?“, fragte er verwundert und kam langsam auf sie zu.
„Hast mich nicht erwartet, was?“, fragte sie etwas schroff.
„Nein, nicht wirklich, dachte aber auch nicht, dass Jo solang dichthält“, erwiderte er und war bei ihr angekommen.
„Vögelst du wieder College-Studentinnen?“, wollte sie trocken wissen.
„Nicht das ich wüsste, ach, du hast sie gesehen!“
„Ja, hab ich, also?“, wurde sie wütend.
„Sie ist eine Hebammenschülerin!“
„Also wie ich, nur jünger?“, raunzte sie.
„Ich werde auf eine Hebammenschule gehen, ich möchte dir nacheifern und Hebamme werden“, sagte er nur.
„Das glaubst du doch selbst nicht!“
„Komm rein, ich hab die Unterlagen auf der Ablage liegen. Ich will einen gescheiten Job um für meine Familie zu sorgen. Sie hilft mir nur, mehr nicht“, begann er überraschend zu weinen.
„Du bist ein Idiot, das musst du nicht tun!“
„Doch, das muss ich“, erwiderte er und berührte sanft ihre Wange mit seiner äußeren Handfläche.
„Warum sagst du mir nicht, dass du wieder in den Staaten bist? Du hättest doch bei uns unterkommen können, anstatt in diesem Rattennest!“
„Ich wollte mich nicht von dir aushalten lassen, sobald dieses Kind geboren wird, will ich Amerikaner sein und selbst Geld verdienen“, fasste er ihr sanft an den Bauch.
„Das Baby ist viel tiefer, wenn du das ernst meinst mit der Ausbildung musst das lernen“, schob sie seine Hand tiefer.
„Ich liebe dich, bitte lass mich das machen“, bat er.
„Okay, aber du kannst immer zu uns kommen, okay?“, küsste sie ihn sanft und ließ ihn einfach dastehen.
 
„Wo warst du?“, fragte Jones seine beste Freundin, als sie viel zu spät von der Arbeit kam.
„Unterwegs, Dad“, nörgelte sie ertappt.
„Sorry, hab mir nur Sorgen gemacht, alles klar bei dir?“
„Ja, alles bestens, danke, dass du länger geblieben bist, hier sind 10 Dollar, der erste Drink geht auf mich“, kramte sie einen zerknüllten Schein aus ihrer Tasche heraus und drückte ihn ihm in die Hand.
„Okay, danke, ich geh aber wieder ins Bett. Ist wirklich alles in Ordnung?“
„Nicht, wenn du weiter so fragst, danke, aber geh einfach!“
„Gut, wie du willst, Chase ist schon in seinem Zimmer, Spagetti ist im Kühlschrank“, bemerkte er irritiert, küsste ihren Kopf und ging ohne den Blick von ihr zu wenden aus der Tür.
 
Sie fühlte sich, als hätte sie etwas Verbotenes getan, dabei waren es ihre Freunde, die ihr das mit Miles verschwiegen hatten. Nachdenklich erwärmte sie die Spagetti und aß sie allein in der Küche.
 
„Morgen, hast du nen neuen Freund?“, begrüßte Lea sie tags drauf.
Sie erschreckte sich furchtbar und ließ alle Windeln fallen, die sie in der Hand hatte.
„Jesus, Lea, was soll der Mist?“, fluchte sie.
„Sorry, warst wohl tief in Gedanken, also?“, halb sie ihr, die Windeln aufzuheben.
„Ja, und nein, natürlich hab ich keinen neuen Freund, ich glaube immer noch an Miles und mich. Wie kommst du darauf?“
„Jo meinte, du bist gestern viel zu spät nach Hause gekommen!“
„Seid ihr jetzt meine Eltern? Ich hab nur was persönliches erledigt, mehr nicht!“
„Ich hoffe, du hast ein Kondom genommen, Geschlechtskrankheiten sind dramatisch, wenn du schwanger bist“, konterte Lea cool.
„Ich bin deine Chefin und das ist mein drittes Kind, ich weiß das“, raunzte sie.
„Okay, was ist los? Du bist doch wie eine Schwester für mich, du kannst mir alles sagen!“
„Ach, kann ich das“, sagte sie schroff und ging Richtung Schwesternzimmer.
 
„Was ist mit dir los?“, drückte Lea ihre Freundin ins Schwesternzimmer.
„Ich weiß es“, sagte sie nur.
„Ich weiß nicht genau, was du meinst“, erwiderte Lea ertappt.
„Oh, das weißt du genau, ich war gestern Abend bei ihm“, entgegnete Danera und sah Lea an. Sie brauchte einen Moment, doch dann kapierte sie es.
„Oh, oh, Jo konnte es nicht für sich behalten, oder? Miles wollte es so!“
„Ja, hat er gesagt, Jo hat es mir nicht gesagt, ich hab ne Überwachungskamera vor der Haustür, schon vergessen?“
„Ja, hatten wir, ich hätte dir das mit Miles sagen sollen!“
„Ja, hättest du, ich musste den Pfähler um Hilfe bitten und das war nicht sehr lustig“, murrte sie.
„Hätte nicht gedacht, dass du das machst, hätte auch nicht gedacht, dass er dir hilft!“
„Er hat realisiert, dass es immer Miles war und es immer sein wird. Ich werde Miles allein damit lassen, bis er auf uns zu kommt kein Wort zu Chase, okay?“
„Versprochen, zu meiner Verteidigung, ich hielt es für eine gute Idee, dass er hier erstmal auf die Beine kommt, bevor ihr heiratet. Ich hab ihm sogar seine Medikamente besorgt, bis er eine Versicherung abgeschlossen hat!“
„Du besorgst ihm die Medikamente? Wie machst du das ohne Versicherung?“
„Da du meine Chefin bist, sag ich dir das lieber nicht, du musst dich nicht sorgen, das sind die richtigen Medikamente, ich hab nen richtigen Arzt, der sie mir verschreibt!“
„Dann frag ich nicht weiter, danke dafür. Sobald wir verheiratet sind, ist er über mich versichert, meld dich nur sobald sich die Situation bei dir verändert, dann müssen wir schnell heiraten!“
„Mach ich. Ich kann das nicht sehr lange machen, ihr müsst euch bald entscheiden!“
„Ah okay, ich sprech mit ihm, seid ihr unsere Trauzeugen, wenn es schnell gehen muss?“
„Ich wäre sauer, wenn nicht. Macht am Besten in nächster Zeit einen Termin, wenn es euch wirklich ernst ist, das große Brimborium können wir dann ja irgendwann nachholen, wenn der Zwerg geboren ist“, erwiderte Lea.
„Ich mach gleich einen Termin, ich liebe ihn und möchte ihn heiraten!“
„Das ist schön, tut mir nochmal leid, dass ich das verschwiegen habe, ich mag ihn und möchte euch glücklich sehen!“
 
Zwei Wochen später
 
Sie war glücklich. Es war erst ein Jahr her, dass sie geschieden wurde, doch jetzt war es der Richtige, da war sie sich sicher.
„Du siehst wunderschön aus“, drückte ihr Verlobter ihre Hand.
„Danke, das Kleid hatte ich schon vor so vielen Jahren gekauft, hab es aber nie getragen“, entgegnete sie und sah an ihrem schwarzen Kleid herunter.
„Das Kleid hat auf den richtigen Moment gewartet“, schmunzelte er. Er trug eine schwarze Stoffhose und ein weißes Hemd.
„Du siehst auch toll aus, du hast die Klamotten geliehen, oder?“
„Ja, ich hab nicht so schicke Klamotten, tut mir leid!“
„Schon gut, stehen dir gut. Bist du bereit?“, fragte sie sanft.
„Ja, bin ich. Ich kann es kaum erwarten mit dir verheiratet zu sein!“
„Ich auch, ich liebe dich“, sagte sie und küsste ihn.
„Hey, Romeo und Julia, hebt euch das für die Zeremonie auf“, mischte sich Jones ein.
„Sorry, ist wohl zu viel für deinen Liebeskummer. Kommst du klar?“
„Natürlich, Süße, das ist heute dein Tag, mach dir um mich keinen Kopf. Gehen wir“, schob Jones die beiden sanft in den Trau-Raum.
 
Es war eine schöne schlichte Zeremonie, so wie sie es sich gewünscht hatte.
„Sei lieb zu seiner Freundin und natürlich auch zu ihm. Wir holen dich Sonntagabend wieder ab“, versprach Danera, als sie ihren Sohn bei ihrem Ex ablud.
„Du kennst mich doch, ich bin immer nett“, bemerkte Chase cool.
„Oh ja, deshalb sag ich es nochmal. Hab dich lieb“, küsste sie seinen Kopf und sah Chase und Vladimir zu, wie sie zu seinem Auto gingen.
„So, Mrs. Eagle, was machen wir mit dem angebrochenen Tag?“, säuselte Miles und zog sie an sich.
„Mr. Eagle, wir haben das ganze Wochenende nur für uns, ich will also drei Tage das Bett nicht verlassen“, bemerkte sie und küsste ihn sanft.
„Mr. Eagle, das klingt echt gut, ist es okay für dich, wenn ich deinen Nachnamen übernehme? Ich hatte schon so viele Namen in meinem Leben und ich würde gern für den Rest meines Lebens bei einem Namen bleiben“, hoffte er.
„Ich habe keine Familie mehr, ich würde mich geehrt fühlen, wenn du auch mit dem Namen zu meiner kleinen Familie gehören würdest. Es ist auch einfacher wenn dein Sohn den gleichen Namen hat wie du und dieser kleine Zwerg hier auch“, rieb sie ihren kleinen Babybauch.
„Wir haben noch nicht, du weißt schon, seit du schwanger bist, dürfen wir überhaupt?“
„Ja, dürfen wir, ich hab auch nochmal meine Frauenärztin gefragt, was wir machen dürfen und was nicht. Jetzt komm, ich zeig’s dir“, schmunzelte sie und zog ihn ins Wohnhaus.

20. Kapitel


„Ja, Liebste, ich bring dir deinen Eis-Pad“, murmelte Miles müde. Seine Frau war schon fast eine Woche über dem Termin und war hormonell trotz Winter am Kochen.
„Mein Wasser ist ausgelaufen!“
„Dann bring ich dir ein neues Wasser!“
„Das Fruchtwasser, Schatz, das Baby kommt“, keuchte sie.
„Gott sei Dank, na endlich“, ließ er nur von sich und Danera boxte ihm in die Seite.
„Ich mein, du wartest doch auch darauf. Wie weit sind die Abstände?“
„Haben grad erst angefangen, aber beim zweiten kann es schneller gehen. Können wir ins Krankenhaus fahren?“, hoffte sie.
„Natürlich, Baby, ich ruf Maureen an, dass sie Chase holt, der Pfähler ist ja grad in New Jersey!“
„Ja, bitte, die Tasche steht da drüben, ich geh noch duschen, mein Trainingsanzug ist da drüben, weck du Chase und nimm die blaue Tasche, da sind seine Sachen für die nächsten Tage drin“, plante Danera und stand auf.
„Zu Befehl, Ma’am“, erkannte er und erledigte seine Aufgaben.
 
„Guten Morgen, ich bin Jo, Ihre Hebamme für heute Nacht, yes, ich hab gewonnen“, kam Jones mit guter Laune in den Kreissaal und jubelte auf, als er sah, wer seine Patientin war.
„Noch so’n Kommentar und du wirst ersetzt, Kleiner“, hatte sie schon sichtliche Schmerzen.
„Sicher, sorry, wie geht’s dir?“
„Wunderbar, Ich könnte Luftsprünge machen“, erwiderte sie sarkastisch.
„Ja, blöde Frage, bereit für die PDA?“
„Ja, bitte bevor ich meinem Mann noch die Hand breche“, bat sie etwas freundlicher.
„Dann setz dich auf, die Schwester wird dir die PDA geben, du weißt ja, wie es abläuft. Wie sind die Abstände?“
„5 Minuten“, warf Miles nervös ein.
„Dann haben wir ja noch Zeit, wie stark sind die Schmerzen?“
„Weißt du noch Cabo, als du von dem Balkon gefallen bist?“
„Autsch, ja, ich erinnere mich. Ich kann dir leider nichts gegen die Schmerzen geben außer der PDA, du kennst die Schose“, half er ihr sich hinzusetzen.
„Dann mach hin mit der PDA, quatscht du mit den anderen Patientinnen auch so viel?“, fragte sie unter Schmerzen.
„Ehrlichgesagt schon“, wurde er unsicher.
„Lass dich nicht verunsichern, sie hat heftige Schmerzen. Mach weiter“, schob Miles ihn sanft voran.
„Witzig, das sag ich sonst zu dir. Also gut, gleich wird es besser, Süße, ich hab dir schon Kind Nummer eins entbunden, Kind Nummer 3 wird doch da ein Kinderspiel“, erwiderte Jones und die Schwester gab ihr die PDA.
Sie fühlte sich bald besser. Kurz vor dem Ende der Geburt hatte sie aber solche Schmerzen, dass sie ihrem Mann einen Büschel Haare ausriss.
„Das ist auch mal was Neues, ich hatte in meiner Laufbahn, gebrochene Penisse, gebrochene Finger und über ein Dutzend Ohnmachtsanfälle, skalpiert worden ist noch keiner der Männer“, entgegnete Jones amüsiert und zog das Büschel des roten Haares aus der Hand seiner besten Freundin. Miles torkelte zurück und setzte sich auf einen Stuhl.
„Du bist da vielleicht besser aufgehoben, wir haben es gleich geschafft, Süße, nur noch einmal pressen“, sprach er erst mit Miles und dann mit seiner Frau. Keine 5 Minuten später war seine Tochter geboren. Miles kippte ohnmächtig zur Seite und lag nun mit dem Kopf auf dem Stuhl neben sich.
„Gut, dass er schon sitzt, das muss er noch ablegen, wenn er wirklich Hebamme werden will. Schwester, geben Sie ihm das Riechsalz“, bat Jones professionell und gab das kleine Mädchen an die Kinderärztin weiter.
 
Miles wurde von einem widerlichen Geruch wieder wach.
„Morgen, Sonnenschein, da bist du ja wieder“, hatte sich Jones zu seinem Kumpel hingekniet.
„Ich bin ohnmächtig geworden, oder?“, murmelte er benommen.
„Jup, aber deine Frau hat dich auch fast skalpiert, komm hoch, dein Kreislauf muss sich wieder in den Gang bringen“, zog er sie hoch.
„Was ist mit meiner Tochter?“, wollte er gleich wissen.
„Sie ist bei der Ärztin, keine Sorge, was ich gesehen habe ist perfekt, sie hat genau die gleiche rote Mähne wie ihr Vater und ihr großer Bruder. Hier, setz dich dahin und halt ihr Hand“, führte er ihn zurück zu seiner Frau. Die Geburt hatte fast 4 Stunden gedauert, was zwar nicht ewig lang war, Danera trotzdem heftig geschlaucht hatte. Sie war im Stadium des halb schlafend und halb wachend.
„Schlaf einfach, Süße, der rothaarigen Schönheit geht’s gut“, bemerkte Jones sanft und sie döste kurz weg. Als sie wieder wachwurde, lag ihre perfekte Tochter auf ihrer Brust.
„Sieh sie dir an, eine neue Weasley in der Familie“, bemerkte Jones amüsiert.
„Ist sie gesund?“
„Ja, APGAR ist 9, sie ist die beste, die ich diesen Monat hatte. Ich werde sie jetzt baden lassen, währenddessen mach ich bei dir alles sauber. Du hast es geschafft, alles gut“, versicherte er und sie döste erneut weg.
 
Als Lea schon Stunden vor ihrer Schicht ins Krankenhaus eilte, fand sie Miles schlafend auf den Bänken des Kreisaals vor. Er trug das Cappy von Jones schwulem Baseballteam, den Pink Unicorns.
„Morgen, Daddy, hast du mir was zu sagen?“, nahm sie die Cappy von seinem Kopf.
„Heiliger…, bist du nicht etwas jung um eine Glatze zu bekommen?“, war sie amüsiert als sie die kahle Stelle auf seinem Kopf sah.
„Witzig, deine beste Freundin ist ne Furie“, murmelte er verschlafen.
„Sie hat dir Haare rausgerissen?“, grinste sie.
„Siehst du ja, Jo war so nett mir seine Cappy zu leihen. Ich muss mir wohl den Kopf rasieren, ich hoffe, die Haare kommen danach wieder. Danera schläft, der Kleinen geht es sehr gut“, erzählte sie ihr.
„Wirklich? Kann ich sie sehen?“
„Wir können zusammen zu den Babys gehen“, schlug er vor uns sie nickte.
„Kannst du da rein?“, hoffte er, als sie vor dem Glasfenster mit den Babys standen.
„Ja, du musst aber einen Mundschutz tragen und deine Hände säubern“, bat sie ihn und er stimmte zu.
„Darf ich sie auch mal halten?“, hoffte Miles, nachdem Lea das Baby nicht loslassen wollte.
„Sorry, ich liebe einfach den Geruch von Babys. Hat sie schon einen Namen? Hier steht nur Baby Eagle!“, gab sie ihm sanft das Baby.
„Jolene, zumindest war das der letzte Stand, Danera wird das aber entscheiden!“
„Jolene? Wie kommt ihr denn darauf?“
„Jolene ist nicht mehr so üblich und der Name erhält die ersten Silben ihrer Patentante und ihrem Patenonkel“, sagte er lächelnd.
„Stimmt, das ist ja schön, wir werden beide Paten, ich dachte immer, es wäre nur Jo!“
„Wir lieben Jones beide, aber du bist schon Mutter, bei dir wissen wir, dass sie die beste Erziehung erhält und du kannst uns beistehen, wenn sie die Pubertät erreicht, denn du hast das schon durchgemacht“, erklärte er.
„Es wäre mir eine Ehre. So, wir müssen wieder hier raus, Väter sind hier eigentlich nicht erlaubt“, drängte sie. Er gab seiner Tochter sanft einen Kuss auf den Kopf und legte sie wieder ins Bettchen.
„Bist du nicht die Chefin hier in nächster Zeit?“, wunderte er sich.
„Nein, das bin ich. Du bist früh dran, Le“, kam Jones in den Baby-Raum.
„Sorry, Boss, wollte die Kleine sehen“, sagte sie kleinlaut.
„Schon gut, jetzt bring ihn hier raus. Hat der Zwerg schon einen Namen?“, wollte auch Jones wissen.
„Jolene, aber dieser Name ist noch nicht so offiziell, bis die Chefin zusagt“, erklärte sie ihm.
„Okay, dann belassen wir es bei Baby Eagle, bis sie wieder fit ist. Komm, Kleiner, ich rasier dir den Kopf“, schnappte er sich den frischgebackenen Vater und brachte ihn ins Schwesternzimmer.
 
Danera wurde wach, als sie etwas Kaltes auf dem Schoß fühlte.
„Sorry, Süße, wollte dich nicht wecken, wollte dir nur etwas Eis auflegen“, hörte sie Leas Stimme.
„Ja, danke, das ist wirklich angenehm. Wie geht es dem Baby?“
„Sehr gut, sie schläft ganz brav. Miles sagte mir, ihr Name wäre Jolene?“
„Ja, gefällt er dir nicht?“
„Jetzt, wo mir Miles erklärt hat, für was der Name auch steht, schon, ist was Außergewöhnliches. Sie wird sicher wie in dem Song auch alle Herzen brechen, sie ist so wunderschön“, beschrieb Lea sie ihr.
„Darf ich sie halten?“, hoffte Danera.
„Sie ist noch im Baby-Raum, ich kann sie dir gleich bringen. Wie geht’s dir denn?“
„Gut, denk ich, hab ich meinem Mann wirklich Haare ausgerissen?“
„Ja, Jo schert ihm grad den Kopf, dass es nicht mehr so auffällt“
„Okay, aber nicht zu kurz!“
„Er wird schon wissen, wie weit er es machen kann. Chase ist immer noch bei der Freundin deines Ex-Manns, wenn du willst kann ich ihn auch woanders hinbringen!“
„Nein, schon gut, ich find seine Freundin nett und es ist echt lieb, dass sie sich um ihn kümmert, während Vlad nicht in der Stadt ist. Kannst du kurz kucken, ob Jones meinen Mann nicht in einen Skinhead verwandelt?“, bat sie sie.
„Sicher, mach ich. Du hast es geschafft, dein Zwerg ist da“, redete Lea vor sich hin.
„Ja, ich lass mich sterilisieren“, sagte sie plötzlich.
„Okay, das kommt jetzt überraschend!“
„Ich werde es gleich machen lassen während meines Mutterschaftsurlaubs, dann kann ich mich erholen, bis ich wieder arbeiten gehe. Es sind jetzt drei Kinder, das Werk muss geschlossen werden“, konterte sie trocken.
„Weiß dein Mann davon?“
„Nein, ich fälle diese lebensverändernde Entscheidung allein, natürlich weiß er davon, er ist dankbar, dass ich es machen lasse und er es nicht machen muss“, erklärte sie.
„Okay, ich kann nen Termin bei Dr. Sharob für dich machen, wenn du willst“, sah Lea es ein.
„Ich bin noch ein paar Tage im Krankenhaus, das krieg ich allein hin, danke!“
„Dann ist ja gut. So, dann hol ich dir mal dein Baby und schau nach deinem Ehemann“, ließ Lea sie wieder allein.
 
„Na ja, Frisör wirst du nicht“, kommentierte Lea, was sie im Schwesterzimmer sah. Jones hatte mit einer Verbandsschere seinem Kumpel jämmerlich die Haare geschnitten.
„Ich bezahl dir nen Frisör, das ist nur für den Moment. Geht’s einigermaßen?“, wollte Jones wissen und Miles sah sich im Spiegel an.
„Hab schon schlimmer ausgesehen. Ich sollte zu meiner Frau“, fuhr er über seine rappelkurzen Haare und ging wortlos von dannen.
 
„Wow, Gott sei Dank ist Jo besser im Babys zur Welt bringen, als als Frisör. Es tut mir so leid“, bemitleidete Danera ihren Mann, als er ins Krankenzimmer kam.
„So schlimm? Du hattest Schmerzen, bin ja nur froh, dass meine Eier nicht dran glauben mussten. Du hast mir eine so wunderschöne Tochter geschenkt, ich bin so stolz auf dich“, bemerkte er und kam zu seiner Frau und seiner Tochter.
„Sie ist perfekt, mit ihren süßen roten Löckchen, ich kann es kaum erwarten das Chase sie sieht. Er wird ein tolles Vorbild für sie sein, er hat eine tolle Einstellung zu seinen roten Haaren. Ich würde gerne bei dem Namen Jolene bleiben, wenn das okay für dich ist“, übergab sie ihm das Baby.
„Ja, der Name ist perfekt für sie. Ich kann immer noch nicht glaub, was für ein Glück ich habe, noch vor einem Jahr lebte ich allein auf einer Farm, jetzt habe ich eine wunderschöne Familie. Ich würde nur gern wissen, wo meine Schwester und meine Nichte sind, seid ihrer Entlassung aus dem Gefängnis hab ich nichts mehr von ihnen gehört. Solang sie in Sicherheit sind, ist es okay, ich würde es nur gern wissen!“
„Soll ich Lea bitten, Riley nachforschen zu lassen?“
„Nein, meine Familie soll sie nicht finden, lass sie in Frieden!“
„Mit deiner Familie meinst du auch Rab, oder?“
„Nein, er war zehn Jahre wie ein Bruder für mich und hat uns das angetan, er soll im Knast verrotten, wenn es nach mir geht!“
„Er hat nur seine Familie beschützt, das hättest du nicht anders gemacht, du musst lernen ihm zu verzeihen, er sitzt seine Strafe schon ab“, bemerkte sie.
„Er ist schon ne Weile draußen“, hörten sie plötzlich Leas Stimme und drehten sich zur Tür. Lea stieß sich mit einer Patientenakte in der Hand vom Türrahmen ab, in dem sie gestanden hatte.
„Er ist draußen? Warum weiß ich nichts davon?“, fragte er verärgert.
„Dachte, das geht dir am Arsch vorbei, warum ist es dir wichtig, dass du es weißt?“
„Tut es auch nicht“, murmelte er.
„Ah, so siehst du aus. Ich weiß, wo sie sind, wenn es euch interessiert“, entgegnete Lea nur.
„Sind sie zusammen und in Sicherheit?“, wollte Danera nur wissen.
„Ja, sind sie!“
„Mehr ist nicht wichtig!“
 

21. Kapitel

 
„Lea, hast du den neuen Oberarzt gesehen? Der ist echt heiß“, fragte Jones, als sich die beiden Kollegen ein paar Tage später unterhielten.
„Ja, ist er, du kannst ihn haben, ich hab ja jemanden!“
„Deiner ist in Australien, du hast ihn nicht wirklich!“
„Bitch, sieh dir das an, uns trennt zwar ein Kontinent, aber das muss nichts heißen“, bemerkte Lea und zeigte auf die Familie Eagle, die glücklich zu viert das Krankenhaus verließen.
„Auch wahr!“
„Sprich ihn an, wenn er hetero ist, dann kann ich ja noch mein Glück versuchen“, schmunzelte sie.
„Bitte, davon träumst du doch nur. Der gehört mir“, entgegnete Jones und ging auf den attraktiven Arzt zu.
 
Ein paar Monate später konnten die drei Freunde endlich mal seit Monaten, wenn nicht Jahren, allein zu dritt ausgehen, während Miles die Kinder hütete.
„Es ist ne Schande, dass das mit Dr. Hottie und dir nicht geklappt hat, er war echt nett“, begann Danera, als sie mit Jones anstieß.
„Ja, hat einfach nicht sollen sein, er ist halt nicht …“, nahm er einen Schluck aus seinem Weinglas.
„Manuelo, verstehe, er ist deine große Liebe, du solltest wieder in Kontakt mit ihm treten, diese Liebesgeschichte ist noch nicht zu Ende“, riet sie ihm.
„Bitte, hör auf, es tut mir weh, nur über ihn zu reden, ich hab damit abgeschlossen“, bat er.
„Gut, wie du meinst, ich hol uns noch ein paar Erdnüsse, ich hab Lust auf Erdnüsse“, entgegnete Danera und ging zur Bar.
„Sie trinkt heut zum ersten Mal wieder, seit sie abgestillt hat, wir müssen nen bisschen aufpassen, dass sie nicht zu viel hat“, bemerkte Lea trocken.
„Wir haben alle morgen frei, das ist ne rare Gelegenheit, sie soll Spaß haben. Hättest du jemals gedacht, dass Danera als einzige glücklich verheiratete von uns endet?“
„Wenn du nicht willst, das ich Danera unter den Tisch saufe, lass es“, murrte Lea.
„Schon ne Weile nichts mehr von deinem Aussie-Cop gehört, was?“, fragte Jones und Leas Gesichtsausdruck verdeutlichte ihm, dass er die Klappe halten sollte.
„Okay, dann suchen wir dir jetzt nen neuen Kerl, ich bin heute Abend dein Wing-Man, wir suchen dir jetzt nen Kerl“, stand Jones auf.
„Von wegen, du spielst jetzt nicht „Kennst du schon“, das war schon damals zu den Serien-Zeiten nicht witzig“, zögerte sie, er zog sie aber auf die Beine.
„Ach komm schon, eine Runde, wenn ich nur Nieten ziehe, dann zahl ich die nächsten Drinks“, versprach er.
„Gut, meinetwegen“, gab sie nach.
 
Ein Mann saß ihnen mit dem Rücken zugewandt an der Bar.
Keck tippte Jones dem Mann auf die Schulter.
„Kennst du schon Lea?“, schallmaite er dem Mann entgegen und zog Lea zu sich.
Die bekam kein Wort raus.
„Ja, eigentlich schon“, sagte der verblüffte Mann mit einem breiten australischen Akzent.
„Ich glaub’s nicht“, stieß sie plötzlich hervor.
„Dito. Was machst du hier?“, fragte der Mann.
„Was ich hier mache? Das ist meine Stadt, du Idiot!“
„Ich bin schon ne Weile hier, aber ich hab dich mit deinen Kindern gesehen und wusste nicht, ob ich dort reinpasse“, erwiderte er.
„Das ist Riley, oder?“, realisierte Jones, wen er da vor sich hatte.
„Jones, gehst du bitte zu Dani, ich brauch ne Sekunde“, versuchte Lea zu verstehen, was da passierte.
„Sicher, wir lassen euch Zeit. Brauchst du noch nen Drink?“
„Im Moment nicht, danke“
„Okay, bis gleich“, ließ er sie allein.
„Dein Wing-Man hat ein bisschen veraltete Methoden“, sagte Riley nur.
„Ja, hab ich ihm auch schon gesagt. Wollen wir wirklich über ihn reden?“
„Ich bin ein feiger Hund“, gestand er.
„Hab ich nichts gegen auszusetzen. Wie lang wolltest du das durchziehen?“, raunzte sie wütend.
„Als Miles damals hierherkam, hat er das auch so gemacht“, hörte sie plötzlich ihre beste Freundin hinter sich.
„Dani, ich hab doch gesagt, ich brauche Ruhe“, drehte sie sich zu ihr um.
„Ich wollte dir nur nen Drink geben, ich dachte, den brauchst du jetzt“, sagte sie entschuldigend.
„Ja, den brauch ich tatsächlich“, entgegnete Lea mit seltsamen Unterton und sobald sie den Drink in der Hand hatte, kippte sie den Drink Riley mitten ins Gesicht und stampfte davon.
„Ich denk, das hab ich verdient“, sagte Riley trocken und wischte sich sein Gesicht mit einer Serviette ab.
„Hast du ihre Nummer?“, fragte Danera freundlich.
„Ja!“
„Ruf sie morgen mal an, sag ihr aber nicht, dass ich das gesagt habe“, bat sie und folgte ihrer Freundin nach draußen.
 
Die stand nach vorne gebeugt auf der Straße und atmete schwer.
„Okay, Süße, du hast ne Panikattacke, steh aufrecht und atme langsam ein und aus“, half sie ihr, bis sie wieder normal atmete.
„Er ist hierhergekommen und dann kommt er nicht zu mir“, sagte sie schwer atmend.
„Kenn ich, kennst ja meine Geschichte. Diese Drink-Sache wollte ich auch immer schon mal machen, geht es dir besser?“
„Er ist für mich hergekommen“, versuchte Lea immer noch zu verstehen.
„Wie seid ihr verblieben?“
„Gar nicht, wir haben uns ne Weile nicht mehr gesprochen, ich dachte, er hätte die ältere Mutter aus Amerika einfach aufgegeben und wäre weitergezogen“, hatte sie sich beruhigt.
„Hat er anscheinend nicht. Er ist um die halbe Welt für dich gereist, das ist irgendwie romantisch!“
„Ja, schon, aber er hat sich nicht zu mir getraut!“
„Er ist ein Idiot, aber er ist anscheinend in dich verliebt, sehr sogar. Geh zu ihm hin, du würdest es bereuen, wenn du es nicht versuchst“, riet sie ihr.
„Warte nicht auf mich“, sagte Lea lächelnd und ging zurück in die Bar.
Riley war nicht mehr da. Panisch sah sie sich um.
„Er ist auf der Toilette, soll ich zu ihm gehen?“, hörte sie Jones Stimme, der mit seinem Martini in der Hand an der Bar saß. Sie nickte ohne Worte.
„Bestell dir nen Drink, geht auf mich, ich hol ihn dir her“, bat Jones und ging zu den Toiletten.
 
Etwas zu nah stellte sich Jones hinter Riley.
„Hör zu Kumpel, ich fühl mich geschmeichelt, ich steh aber auf Frauen, okay?“, drehte sich Riley zu ihm hin.
„Ich weiß, du liebst anscheinend einer meiner besten Freundinnen. Sie ist wieder draußen und wartet auf dich“, erkannte er und ging einen Schritt zurück.
„Na toll, ich riech jetzt nach Cosmopolitan“, schien Riley nervös.
„Kleiner, du hast einen australischen Dialekt und ein Lächeln zum Dahinschmelzen, das bisschen Cranberry-Saft wird sie nicht stören“, beruhigte er ihn.
„Danke, denke ich. Ist sie noch sauer?“
„Keine Ahnung, das musst du selbst herausfinden. Sie ist nicht nachtragend, das kriegst du hin“, versicherte Jones und der junge Australier ging zurück an die Bar.
„Sorry, wegen des Drinks“, begrüßte Lea ihn vorsichtig.
„Hatte ich verdient. Ich weiß nicht, was ich sagen soll, außer, es tut mir leid“, entschuldigte er sich.
„Bist du wirklich wegen mir hierhergekommen?“
Er nickte.
„Du musst nicht gleich den Vater spielen, meine Kinder sind fast erwachsen, meine Tochter ist inzwischen auf dem College, mein Sohn ist ziemlich flexibel“, begann sie und er beugte sich zu ihr und küsste sie sanft.
„Du bist doch kaum alt genug, um eine Tochter auf dem College zu haben“, flirtete er.
„Echt ein miserabler Anmachspruch, ich geh trotzdem mit dir heim“, säuselte sie, legte ihre Hand in seine und zusammen verließen sie die Bar.
 
„Guten Morgen Mrs. Robinson, gut geschlafen?“, begrüße Danera ihre Freundin, die vor ihrer Tür stand.
„Haha, witzig. Was hast du ihm gesagt?“
„Dein Sohn ist 16, er hat es schon irgendwie kapiert. Keine Sorge, für ihn war es anscheinend schnurz, aber das weiß man bei Teenagern nie. Hast du Zeit für nen Kaffee?“
„Ist er in der Küche?“
„Ne, die Jungs sind zusammen in dem neuen Marvel-Film, sind nur wir Mädels hier“, versicherte sie und ließ sie rein. Jones winkte kurz vom Sofa aus.
„Na ja, fast“, murmelte Danera.
„Und?“, wollte Jones wissen, als die Frauen bei ihm angekommen waren.
„Bist du extra hierhergekommen, um das mitzukriegen?“, fragte Lea kritisch.
„Ähm, könnte sein, ich war dein Wing-Man, gönn mir das. Also?“
„Sagen wir mal so, Down-Under kannte er sich gut aus“, sagte sie breit grinsend.
„Wow, da hab ich noch keinen Mann dazubekommen. Ich hol dir nen Kaffee, setz dich“, ging Danera in die Küche.
„Wie seid ihr jetzt verblieben?“, wollte Jones wissen.
„Ich hab ihn in einen Flieger nach Hause gesetzt“, sagte sie trocken.
„Was?“
„Wer blöde Fragen stellt, bekommt blöde Antworten. Ich hab mit ihm geschlafen, wir haben noch keine Treueschwüre ausgetauscht. Er will in der Stadt bleiben, wir werden sehen“, konterte sie.
„Das klingt schon mal gut. Ich hab gestern Nacht Manuelo angerufen“, bemerkte Jones plötzlich.
„Was? Ich dachte, das wäre vorbei?“
„Dachte ich auch, aber dann hab ich dich mit ihm gesehen und es kam etwas über mich. Wir treffen uns in den nächsten Monaten in Argentinien, da kommen wir beide ohne Probleme hin und müssen nicht befürchten, im Knast zu landen“, erzählte er mit einem Lächeln.
„Jon, warum hast du mir das nicht erzählt? Das ist ja toll“, kam Danera mit dem Kaffee in der Hand zurück.
„Es ist nur ein Treffen, keine Ahnung, was daraus wird!“
„Ja, ich bin cool, ich freu mich nur so darüber, ihr beide seid für einander gemacht, ich will euch glücklich wissen!“
„Ja, ich auch, aber wir müssen sehen, unser Ausgehen gestern war wohl ziemlich erfolgreich, was?“
„Hab nen leichten Kater, aber für euch ja, schon“, sagte Danera und in dem Moment meldete sich ihre Tochter und sie rieb müde ihre Schläfen.
„Ich geh schon“, stand Jones auf.
„Kriegst du das hin?“, sah Danera hoch zu ihm.
„Das fragst du jetzt nicht in echt, oder? Ich hatte in den letzten 20 Jahren schon das ein oder andere Kind in der Hand. Joli liebt mich eh mehr als dich“, frotzelte er und ging zu seinem Patenkind.
 
„Hast du deinen Pass?“, fragte Danera besorgt.
„Ja, hab ich, spätestens bei der Sicherheitskontrolle hätte ich das aber gemerkt. Ich flieg nicht so weit wie ihr letztes Jahr“, erwiderte Jones. Die Zeit seiner Reise nach Argentinien war gekommen.
„Lass dir aber dort nichts zu Schulden kommen, bis Buenos Aires reis ich dir nicht hinterher“, riet sie ihm und umarmte ihn.
„Hab ich nicht vor. Ich ruf euch an, sobald ich irgendwo Internet habe. Und ihr viel Spaß in Boston, echt kaum zu glauben, dass Gia nach Harvard geht, ich bin fast so stolz wie du“, verabschiedete sich Jones.
„Ja, kann es auch noch kaum glauben, ich freu mich, sie zu sehen und dass ich meine ganze Familie mitnehmen kann“, dachte sie laut nach.
„Glaub ich dir. Hab dich lieb, sag Lea, ich ruf sie auch an!“
„Sie ist nen bisschen beschäftigt grade, Rileys Mutter hat sich angekündigt und die scheint ziemlich pingelig zu sein“, erklärte sie amüsiert.
„Dann wird es wohl echt ernst zwischen den beiden, wie schön. Dann lass ich sie mal in Ruhe, grüß sie einfach von mir“, bat er.
„Mach ich, schöne Reise, drück Manuelo von mir auch ganz fest“, ließ sie ihn gehen.
 
„Ich muss mir unbedingt nen Shirt im Souvenir-Shop kaufen, ich hab mir als Teenager eins gekauft, das hab ich echt lang getragen“, war Danera gut gelaunt, als sie mit ihren Jungs und ihrer Tochter in Harvard an dem T-Shirt-Verkauf vorbeiging.
„Können wir, was hältst du davon hier auch zu studieren, Chase?“, fragte Miles, der auch gut gelaunt war.
„Hast du im Lotto gewonnen und ich weiß nichts davon?“, wollte Danera wissen.
„So teuer wird das hier doch nicht sein, oder?“
„Wenn du 40 Riesen für nicht teuer hältst?“
„Ernsthaft? Dafür könnte ich mir nen Tesla-Wagen anschaffen. Community-College ist auch nicht schlecht, Junge“, bemerkte Miles und Chase ging kopfschüttelnd voran weiter.
„Wir werden uns schon ein anständiges College leisten können, wenn du dann Hebamme bist, dauert ja noch etwas. Gia geht aufs College, verdammt, ich bin so alt“, realisierte sie.
„Sie konnte sich früher einschreiben, also bist du noch nicht so alt“, schmunzelte er.
„Ja, das beruhigt mich jetzt echt. Ich frag mich echt, wie ihr Vater das bezahlt, aber ist ja Gott sei Dank nicht mein Problem. Stell dir vor, wir könnten hier auf dem Campus zukünftige Senatoren und Präsidenten sehen und es noch nicht mal ahnen“, dachte sie laut nach, während sie über den Campus liefen.
„Sie wissen es Gott sei Dank auch noch nicht, die Politik wird in den nächsten Jahren nicht einfacherer werden, glaub ich. Der Campus ist unglaublich, sowas hab ich noch nie gesehen. Bereust du, dass du nicht auf ein Elite-College gegangen bist?“
„Nein, ich hätte nie ein finanzielles Netz gehabt, meine Ausbildung war schon teuer genug gewesen, ich hab so viele Toiletten geschrubbt, schleimige Typen in noch schleimigeren Restaurants bedient für meine Schwesterschule und die Zusatzausbildung, ich würde das immer noch abbezahlen ohne das. Ich hab schon die richtige Entscheidung im Leben getroffen. Vielleicht, wenn Joli mal erwachsen ist, haben wir das Geld für nen Spitzen-College zusammen“, entschied sie.
„Na toll, dann kriegen meine Schwestern die Spitzen-Ausbildung, ich aber nicht“, murrte Chase.
„Wenn du dich in den nächsten Jahren gut anstrengst kriegst du vielleicht nen Stipendium, mein Schatz“, erwiderte sie.
„Super, jetzt muss ich mich auch noch anstrengen“, murrte er.
„Schaden kann es nicht. Meine Tochter studiert Medizin, sie hat sich so toll entwickelt, dafür, dass ihr Vater so ein Versager war. Sie wird im Leben durchstarten und nur, weil ich sie damals abgegeben habe“, dachte sie laut nach.
„Wenn du mich jetzt abgibst, komm ich vielleicht auch noch ohne Mühe nach Harvard“, witzelte Chase.
„Sei brav, sonst mach ich das wirklich“, verstand sie den Witz und grinste ihn an.
 
„Danera, hey, da seid ihr ja“, hatte Gia sie gefunden. Ihre Tochter wurde jedes Jahr hübscher und sie sah so erwachsen aus.
„Hey, Gia“, umarmte Danera ihre Tochter.
„Hey, meine Güte, meine Schwester ist so groß geworden“, beugte sie sich zu dem Kinderwagen herunter, in der Jolene saß.
„Ja, das ist sie, du aber auch, du siehst so erwachsen aus. Wie geht’s dir?“, fragte Danera.
„Das Grundstudium ist heftig, aber es ist echt schön hier. Mein Dad war noch nicht hier, ich hab ihm gesagt, er soll mich im Grundstudium mal allein lassen“, erklärte sie.
„Ist es dir überhaupt Recht, dass wir hier sind?“
„Natürlich, du bist eher ne Freundin, als ne Mutter, du würdest mich nicht jede fünf Minuten fragen, ob ich richtig esse“, entschied sie.
„Dann ignoriere bitte mein Care-Paket“, bat Danera und deckte das Päckchen, was sie im Kinderwagen hatte mit einer Decke zu.
„Nein, so mein ich das nicht, das ist echt lieb, danke. So, dann führ ich euch mal rum. Ich möchte euch auch jemanden vorstellen, eine Kommilitonin von mir, sie kommt auch aus Australien“, bemerkte Gia aufgekratzt und machte mit ihnen eine Führung.
 
„So, das ist erstmal alles, meine Freundin ist im Park, lass uns zu ihr gehen“, bat Gia und sie folgten ihr. Sie staunten nicht schlecht, als sie ihre Kommilitonin trafen.
Miles fluchte im tiefsten australischen Akzent.
„Auch wenn du so fluchst, versteh ich dich trotzdem, Dad“, bemerkte Chase.
„Jarrah?“, sprang Kiah auf. Sie saß im Schneidersitz auf dem Rasen mit einem Buch auf dem Schoß.
„Hey, Schwesterherz, hierher hat es dich also verschlagen. Ist er auch hier?“
„Er ist mein Ehemann, ja, ist er, aber nicht auf dem Campus. Was macht ihr denn hier?“, stand sie auf.
„Ich hab dir regelmäßig Bilder von Gia geschickt, du wirst doch nicht behaupten, dass du meine Tochter nicht erkannt hast, als du sie zum ersten Mal gesehen hast“, erkannte Danera.
„Auf den letzten Bildern, die ich von ihr hatte, war sie noch in der Grundschule, also nicht wirklich. Mein Gott, deine Tochter geht schon aufs College“, bemerkte Kiah und umarmte die immer noch verdutzte Danera.
„Ja, danke, fühl mich schon alt genug. Du studierst in Harvard, wie kam das denn?“
„Ich hab nen Stipendium, ist manchmal praktisch ne Minderheit zu sein. Ich studier zusammen mit deiner Tochter Medizin, Zufälle gibt es“, versuchte Kiah auch zu verstehen.
„Ja, echt verrückt. Was ist mit deinen Kindern?“
„Rab arbeitet von zu Hause, das klappt ganz gut. Mein Gott, deine Tochter ist ja schon groß“, sah sie Jolene an.
„Ja, sie ist perfekt. Sie ist übrigens auch meine Tochter, umarmst du mich auch?“, mischte sich Miles ein.
„Natürlich, Brüderchen“, drückte sie ihn fest an sich.
„Kiah ist sozusagen meine Tante?“, verstand Kia nicht.
„Ja, Süße, das wusste ich aber nicht, glaub mir das!“
„Meine erste Arbeit in Psychologie wird sich ganz von allein schreiben“, freute sich Gia.
„Schön für dich, ich muss das erstmal meinem Mann erklären, ich geh kurz telefonieren“, sagte Kiah verwirrt und ging etwas durch den Park.
„Tante Kiah ist in den Staaten?“, fragte Chase in die Runde, was sonst keiner auszusprechen wagte.
„Ich weiß nicht, ob ich bereit bin, ihn wiederzusehen“, war Miles überrumpelt.
„Ich weiß, Schatz, aber es wäre unhöflich, ihre Einladung nicht anzunehmen, wenn sie sie ausspricht. Tut mir leid, dass du da reingeraten bist, Gia, ist nen bisschen kompliziert zwischen uns“, entschuldigte sich Danera.
„Ja, ich kenne die Geschichte, hat sie in einem Psychologie-Seminar erzählt, wusste nur nicht, dass es um euch geht. Ich komm klar, wir sind doch eine Familie“, versicherte sie.
„Ich war noch nie stolzer auf dich, meine Süße“, bemerkte Danera.
„Danke. Ich muss jetzt wieder zu einer Vorlesung, war echt schön euch zu sehen“, verabschiedete sich Gia, umarmte ihre Mutter, ihren Bruder und ihren Stiefvater kurz und ging in die nächste Vorlesung.
 
„Wo ist Gia?“, kam Kiah zurück.
„In ner Vorlesung, musst du da auch nicht sein?“
„Oh ja, verdammt, kommt ihr heute Abend zum Essen zu uns?“
„Bist du sicher, dass Rabatin das gut findet?“
„Er kommt klar, also?“
„Sieben Uhr okay?“
Danera sah zu Miles, der nickte.
„Klingt gut, bist dann!“
 
„Bist du sicher, dass sie einverstanden ist, dass ich mitkomme?“, war Gia zögerlich, als sie am Abend mit ihrer leiblichen Mutter und deren Familie bei Kiah auftauchte.
„Ihr seid doch befreundet, das wird schon gehen, wir wollten doch was essen gehen, das machen wir hier ja irgendwie. Sie kocht großartig, schmeckt dir sicher“, erkannte sie.
„Okay, hatte schon ne Weile nichts mehr Richtiges zu essen, kann sicher nicht schaden. Wir sind irgendwie verwandt, das hätte ich nie gedacht“, dachte sie laut nach.
„Das kenn ich irgendwo her, ich war auch geschockt, als ich festgestellt habe, dass Rabatin mein Cousin ist“, konterte Miles nachdenklich.
„Du bist mit deiner Schwester und deinem Cousin verwandt?“, verzog Gia das Gesicht.
„Nicht biologisch, keine Sorge, ich wurde von Kiahs Familie adoptiert, lange Geschichte, sie hat wohl nicht ihre ganze Geschichte in der Vorlesung erzählt, vielleicht besser so. Ich erzähl dir mal alles in einer ruhigen Minute, wenn das in Ordnung mit deiner Mutter geht“, versprach Miles und Danera stimmte zu.
 
Kiah, Rabatin und ihre Kinder wohnten in einem netten kleinen Vorstadthaus. Im Garten lag Kinderspielzeug und Fahrräder herum.
„Sie haben es hier echt schön, freut mich für sie“, freute sich Miles.
„Ja, find ich auch, hab echt nicht gedacht, sie würde es in die Staaten verschlagen, sie schienen nicht immer so angetan von meinem Heimatland zu sein. Es ist aber weit weg von eurer Familie, also ist das gut“, entgegnete sie.
„Kommt ihr jetzt rein, oder nicht?“, stand Kiah plötzlich in der Tür und sie folgten ihr rein.
Die Deko war sehr sporadisch, kein Vergleich zu Kiahs Elternhaus, in dem sie früher gewohnt hatten.
„Wir konnten nicht viel mitnehmen, ist etwas traurig, ich weiß, aber das ist jetzt unser Leben, vielleicht können meine Brüder uns irgendwann was schicken, was es hier gemütlicher macht. Wollt ihr was trinken?“, fragte sie etwas nervös.
„Nen Wasser wäre nicht schlecht“, bat Miles höflich.
„Und die anderen?“
„Wasser klingt gut“, erwiderte Danera und die anderen stimmten zu.
Plötzlich stand er im Raum. Miles konnte dies für einen Moment nicht verarbeiten.
„Hey, Cousin“, begrüßte Rabatin, Miles sanft.
„Du wirst langsam alt, Rab“, ging Miles etwas auf ihn zu.
„Sieh dich doch an, Kleiner, du hast zugelegt seit du in den Staaten bist“, witzelte er.
„Stimmt, die anderen Hebammen backen einfach zu gut!“
„Du bist jetzt ne Hebamme?“
„Ich lern noch, aber mach bald meinen Abschluss. Und du arbeitest von zu Hause?“
„Aktuell ja, ich bau mir grad was auf, bin aber eher der Hausmann hier und fahr Privat-Taxi nebenher, da kann ich das Baby mitnehmen. Apropos Baby, ist das eure Kleine?“, kniete sich Rabatin zu Jolene herunter.
„Ja, sie heißt Jolene, wieder ein Rotschopf, eure Weasley-Gene sind echt dominant“, erklärte Danera.
„Ja, das sind sie, aber trotz unserer Familiengeschichte ist das irgendwie schön, auch wenn ich jetzt braunhaarig bin, aber das ist nur zur Sicherheit. Deine Haare sind auch ziemlich kurz“, bemerkte Rabatin.
„Meine Frau hat mir während der Geburt von Jolene den halben Haarschopf rausgerissen, danach hab ich es rasiert, ist noch nicht so ganz nachgewachsen“, erzählte er und grinste. Rabatin lächelte nachdenklich.
„Sorry, musste grade an Abionas Geburt denken, ich glaub immer noch nicht, wie das damals war, Abiona kennt die Geschichte immer noch nicht. Jolenes Geburt war also heftig?“, fragte Rabatin als Smalltalk.
„Ich bin jetzt steril, wenn das deine Frage beantwortet. Ich hab jetzt drei wundervolle Kinder, das reicht“, erwiderte sie und sah stolz auf ihre ganzen Kinder, die um sie herumstanden.
„Ja, du hast tolle Kinder, deine Tochter geht nach Harvard, das ist toll!“
„Ja, das ist unglaublich, ich bin furchtbar stolz auf sie. Deine Frau geht auch nach Harvard, das hätte ich auch nicht gedacht, wird sie Kinderärztin?“
„Werde ich sehen, bis jetzt muss ich mich noch nicht entscheiden. Ich hab Hähnchen, Reis und Karotten gemacht, hoffe, das ist in Ordnung!“
„Klingt sehr gut, dann lasst uns Essen“, lobte Danera sie und sie setzten sich um den Tisch herum.
 
Kiah erzählte ihren Freunden, dass dank Daneras Leumundszeugnis ihre kriminelle Akte gelöscht worden war und auch Rabatin konnte sich trotz kurzem Gefängnisaufenthalts als freier Mann sehen. Die amerikanischen Behörden hatten sich erst geweigert, sie einreisen zu lassen, aber als sie wegen ihrer Familiengeschichte Asyl in den Staaten beantragt hatten, wurden ihnen die Einreise gewährt.
 
Argentinien - 12 Monate später
 
„Du bist so heiß in diesem Anzug, der Maßschnitt war die perfekte Wahl“, fuhr Danera über das schicke Smoking-Jackett ihres besten Freundes. Es war der Tag seiner Hochzeit und sie war zusammen mit ihrer Familie und Lea zur Hochzeit von Jones gereist.
„Ja, war teuer, aber wenn ich jemals James Bond zu Halloween sein will, kann ich das. Wie sieht Manuelo aus?“
„Manny sieht zum Anbeißen aus … und er ist furchtbar nervös. Bist du soweit, bevor dein Schatz sein Körpergewicht in Tequila trinkt?“
„Ja, bin soweit. Ich werde wirklich heiraten“, redete er vor sich hin.
„Ja, das wirst du. Ich bin so froh für dich, dass das alles noch geklappt hat. Er ist deine große Liebe, ihr gehört einfach zusammen“, steckte sie ihm noch eine Blume ins Revers.
„Ja, ist er. Wir werden irgendwann in die Staaten zurückkehren, versprochen, momentan bin ich aber hier glücklich!“
„Das ist doch toll, ich werde dich wieder in der Klinik unterbringen können, wenn du entscheidest zurückzukommen, aber fühl dich nicht gezwungen!“
„Ich arbeite hier schon in einer Klinik, aber vielen Dank!“
„Du kommst nicht mehr zurück, oder?“, fragte sie traurig.
„Du bist meine Familie, ich werde dich immer als meine Schwester sehen und Familie besucht man an allen Feiertagen. Du wirst mich nicht so schnell los“, entgegnete Jones liebevoll und umarmte sie.
„Leute, der Pfarrer wartet“, kam Miles in den Nebenraum.
„Okay, dann geht es wohl los. Hab echt nicht gedacht, dass du noch vor mir heiratest“, frotzele Jones und während Danera ihm in die Seite knuffte, gingen sie mit Miles in den Trau-Raum.

 

 

 


 
Während Jones und Manuelo ihre wunderschönen Ehe-Gelübde aneinander aufsagten, sah Danera glücklich in die Runde. Sie lächelte Lea zu, die glücklich neben Riley saß und dann sah sie wieder neben sich. Ihr Mann und ihre Kinder lauschten andächtig den schwülstigen Reden. Sanft legte sie ihren Kopf auf die Schulter ihres Mannes. Der nahm sie liebevoll in den Arm. Das Leben war gut zu ihr gewesen, endlich, es hatte nur über zehn Jahre und eine gescheiterte Ehe gedauert rauszufinden, dass ihr Urlaubsflirt der Mann ihres Lebens war.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 09.06.2020

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für meine zwei besten Freundinnen, ich bin so froh, euch zu haben.

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