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Erstes Kapitel


Lincoln – Nebraska, kurz vor Silvester 2014
 
Eine junge Frau mit persischen Wurzeln trat auf die Stufen des Mietshauses. Sie trug eine Polizeiuniform und hatte bei den eiskalten Temperaturen die Winterjacke ihrer Dienstkleidung fest verschlossen.
Sie klopfte an eine Tür. Mit Schwung ging diese auf. Eine junge Frau mit durchwühltem Haar und einer ihrer Turnhosenbeine hochgekrempelt stand vor ihr.
„Morgen, kann man wach sein?“, fragte die junge Perserin ihre Freundin.
„Ah, ist schon wieder Zeit?“, murmelte die Frau mit leicht roten Haaren.
„Ich bin früh dran, du hast noch etwas Zeit, ich dachte nur nach gestern bräuchtest du einen Weckdienst“, schlussfolgerte die Perserin Ana.
„War schon wach“, entgegnete die junge Page.
„So siehst du aus, nach gestern hab ich schon befürchtet, ich müsste die Spurensicherung in deine Wohnung schicken“, witzelte Ana.
„Was hab ich gemacht?“, wollte Page wissen und strich sich die Haare aus dem Gesicht.
„Keinen blassen, du hast mich nur warte kurz, sechs Mal angerufen und vier Mal davon komplett voll auf meine Mailbox gesprochen“, sah Ana auf ihr Smartphone.
„Oh man, ich sollte mein Smartphone daheim lassen beim Ausgehen. Hab ich dich wachgehalten?“
„Wir sind fast zehn Jahre Partner, ich hab mein Handy nachts immer auf lautlos, wie du weißt. Zieh deine Uniform an, ich warte hier“, forderte sie.
„Bin gleich wieder da“, murmelte Page und ging ins Badezimmer. Ana war die verantwortungsbewusste in ihrer Partnerschaft, was sie manchmal gehörig nervte.
Als sie dort im Flur von Pages Apartment stand, schlich plötzlich eine hübsche Brünette nur in einem Minikleid an barfuß an ihr vorbei.
„Morgen“, murmelte die nur und verschwand aus der Tür. Zwei Minuten später folgte der jungen Frau ein nicht weniger attraktiver Mann und ging auch aus der Tür.
„Page?“, rief Ana ins Badezimmer.
„Was?“, rief sie zurück.
„Wo hast du heute Nacht geschlafen?“
„Auf dem Sofa, wieso?“, kam Page mit offener Bluse der Dienstkleidung und in locker sitzender Hose zu ihr raus.
„Da hat sich ein Pärchen letzte Nacht anscheinend in deinem Bett vergnügt“, erwiderte Ana angeekelt. Die junge Polizistin war eine sehr keusche Frau, die sich für die Ehe aufsparte, ganz im Gegenteil zu der aufgeschlossenen Page.
„Ach, deshalb tut mir der Hintern so weh“, sagte Page nur und ging wieder ins Badezimmer.
„Wie bitte? Was meinst du damit?“, wollte Ana entsetzt wissen.
„Süße, das wäre zu viel für dein keusches Wesen. Hast du ihnen Kaffee angeboten?“
„Die sind ohne Schuhe von hier weg, es hat -15 Grad draußen“, stotterte sie.
„Nicht mein Problem. Dann sollte ich wohl meine dicke Jacke anziehen. Wir müssen dringend noch bei Starbucks anhalten, ich brauch nen Kaffee“, war Page das egal.
„Wann zum Henker bist du eigentlich so herzlos geworden?“, schüttelte Ana den Kopf.
„Ich bin nicht herzlos“, zog sie ihren Waffengürtel an.
„Weißt du die Namen deiner Bettgenossen noch?“
„Nope, ist mir auch egal, willst du mich heute weiter nerven oder sollen wir fahren?“, zog sie genervt ihre Jacke an.
„Gehen wir, aber ich mach mir echt Sorgen um dich“, entschied Ana.
„Deine Sorge wurde registriert. Ich brauch auch noch einen Donut, ich hab so einen Hunger“, murmelte Page und ging voran aus der Tür. Dort stand Pages zitternde Bettpartnerin.
„Ich hab meine Schuhe vergessen“, schlotterte die junge Frau.
„Dann komm rein und zieh dich an, aber mach schnell ich muss zur Arbeit“, bat Page trocken und ließ sie rein.
„Du musst dein Leben ändern, Partner!“, ermahnte Ana ihre Partnerin, als sie draußen im Wagen saßen und warteten, dass die Frau Pages Wohnung auch wieder verließ.
„Ich find mein Leben grade ziemlich gut“, versicherte Page.
„Dann kannst du doch nicht ernst meinen, du bist über dreißig, willst du nicht langsam eine Familie gründen?“
„Ich hatte nie eine Familie und will auch keine haben“, konterte Page.
„Das ist doch traurig, du solltest es besser haben!“
„Der Zug ist abgefahren, als meine Mutter mich nach meiner Geburt abgeschoben hat“, konterte sie.
„Du kannst nicht deiner Mutter die ganze Schuld für alles geben, was in deinem Leben falsch läuft“, erwiderte Ana.
„Sie ist tot, was auch immer!“
„Sie ist tot?“
„Ja, schon ne Weile, ich hab letztes Jahr Einsicht in die Adoptionspapiere bekommen!“
„Warum erzählst du mir das nicht?“
„Ist mir nicht wichtig gewesen. So, sie ist endlich draußen, fahr los“, bat Page und Ana startete den Motor des Polizeiwagens.
„Dich kann das doch nicht komplett kalt gelassen haben, oder?“
„Sie hat mich eiskalt abgegeben, so eiskalt bin ich auch damit umgegangen. Langsam nervst du echt damit, ich hab nen Kater und brauch nen Kaffee“, nörgelte Page und Ana schwieg bis zum Revier.
 
Dort kam ihnen ein zotteliger Wolfshund entgegen.
„Killer, wer ist ein braver Junge, wer ist ein braver Junge?“, ging Page auf die Knie und knuddelte den riesigen Hund.
„Es ist immer verblüffend wie kalt du gegenüber anderen bist, diesen Flohsack aber abgöttisch liebst“, schüttelte Ana den Kopf.
„Hey, er ist unser Reviermaskottchen, hab etwas Respekt vor ihm“, hielt Page, Killer die Ohren zu und sah Ana an.
„Du bist eine echt seltsame Frau manchmal. Gib ihm sein Fressen, wir müssen los“, bat Ana und ihre Partnerin brachte Killer zu seinem Platz um ihn zu füttern.
 
„Gut, sie lebt noch, wo hast du sie gefunden?“, begrüßte Captain Harris, ihr Vorgesetzter Ana, während sie Page zusahen.
„Sie war zu Hause, Gott sei Dank, bei ihr war aber ein Pärchen, mit denen sie sich anscheinend vergnügt hat“, erklärte sie ihm.
„Man, mal eine Nacht wäre ich gern nicht verheiratet. Ist sie nüchtern?“, wollte er wissen.
„Ich fahr heute, nur um sicher zu gehen. Hast du gewusst, dass ihre Mutter tot ist?“
„Ich wusste gar nicht, dass sie Kontakt zu ihrer Mutter hatte!“
„Wie auch immer. Sind noch Cookies von der Weihnachtsfeier übrig?“
„In der Küche. Soll ich mit ihr reden?“
„Sie blockt heute alles ab, wird nichts bringen. Komm gleich wieder“, ging Ana in die Küche.
„Hey, Kleines, wie geht’s dir?“, kam der Captain zu seiner Angestellten hin.
„Mit ner Aspirin würd’s mir besser gehen, sonst okay, warum fragst du mich das jeden Tag?“, putzte Page mit einem Fusselroller Killers Haare von ihrer Uniform.
„Besorg ich dir“, sagte er freundlich.
„Oh man, hab ich dich gestern auch angerufen?“, wollte sie beschämt wissen.
„Nein, ich mach mir nur Sorgen um dich!“
„Du bist mein Boss, nicht mein Kindermädchen, es ist alles klar bei mir“, versicherte sie.
„Das sagst du jeden Morgen und jeden Morgen siehst du aus wie ein Haufen Scheiße“, konterte er.
„Du bist so ein Charmeur, Chuck, ich versteh nicht, wie deine Frau nur ihre Finger von dir lassen kann“, murrte sie sarkastisch und legte den Roller weg.
„Ich sag’s nur, du siehst vollkommen erschöpft aus!“
„Ich könnte nen Urlaub gebrauchen“, sagte sie nur.
„Du hast noch genug Urlaubstage, tu dir keinen Zwang an!“
„Wo sollte ich denn hin? Ist schon okay so“, entgegnete sie und ging Richtung Ausgang.
„Du musst wieder auf den Schießplatz heut Abend, nächsten Monat wirst du wieder getestet“, rief er ihr hinterher.
„Ja, ich weiß, werde ich machen“, rief sie und ging aus der Tür.
 
„Wo sind meine Fluppen?“, fragte Page gereizt, als Ana in den Dienstwagen einstieg.
„Weg!“
„Weib, heute ist nicht der Tag um mich zu ärgern“, raunzte sie und sah sie sauer an.
„Hier, probier ihn aus, gib mir einen Monat, dann kannst du wieder rauchen, wenn du das noch willst“, bat Ana und gab ihr einen Nikotin-Spray.
„Du weißt schon, dass ich bewaffnet bin, oder?“
„Einen Monat, Page, du hast bald deine Fitnessprüfung, willst du dafür nicht fit sein?“
„Einen Monat und du kaufst mir einen Monatsvorrat an Zigaretten wenn ich noch rauchen will?“
„Okay!“
„Du bist dir ziemlich siegessicher, was?“
„Du wirst Nichtraucher werden, auch wenn ich dabei draufgehe!“
„Wenn du mich einen Monat von den Glimmstängeln entwöhnen willst, kann das gut passieren“, konterte sie trocken.
„Du wirst es mir danken“, bemerkte sie.
„Erstmal probieren“, testete sie den Spray.
„Wäh, ist das widerlich!“
„Du steckst dir Zigaretten in den Mund, das wirst du überleben“, versicherte sie ihr.
„Das wird ein verdammt langer Tag“, murrte Page und Ana fuhr los.

Zweites Kapitel

 
Mit einem großen Urschrei feuerte Page an diesem Abend ihr komplettes Magazin auf das Pappschild der Schießanlage.
„Na, wie läuft der Nikotin-Entzug?“, fragte Ana sarkastisch und Page zog ihre Ohrenschützer ab.
„Perfekt“, murmelte Page und drückte den Knopf, dass das Pappschild zu ihr zurückkam.
„Das kann man aber nicht von deinen Schießergebnissen sagen, der arme Kerl hat sicher ziemliche Schmerzen, lebt aber sicher noch“, sah sich Ana die Ergebnisse ihrer Kollegin an. Sie hatte dem Pappschildmann Schüsse ins Gemächt und in die Kniescheiben verpasst.
„Die Gefahr unschädlich machen ist die Devise, der läuft sicher nicht mehr aufrecht“, konterte Page cool.
„Du solltest das ernster nehmen, du wirst im Schießen geprüft im Januar“, erinnerte Ana sie daran.
„Mach ich doch, das war nur zum Stressabbau gedacht“, riss sie das Pappschild herunter und hängte ein neues auf.
„Gut, dann beweise deine Treffsicherheit, Partner“, forderte Ana sie heraus und mit einem Zurren fuhr das zweite Pappschild nach hinten.
„Schützer auf“, sagte Page nur und als Ana die Schützer grade auf den Ohren hatte, schoss Page schon los.
„Gut, dann sehen wir mal“, bemerkte Ana, als das Magazin wieder leer war und Page holte das Pappschild her.
„Okay, nicht perfekt, aber er ist eindeutig tot“, lobte sie ihre Kollegin.
„Hab deine Zustimmung nicht gebraucht, aber danke“, riss Page das Pappschild ab und zerlegte ihre Waffe um sie zu reinigen.
„Was zum Henker ist in letzter Zeit mit dir los? Du bist nur noch sarkastisch und auffällig oft betrunken“, wollte Ana von ihrer Kollegin wissen.
„Im Vergleich zu den sonstigen Tagen wo ich glücklich und zufrieden bin?“, fragte Page und schrubbte ihre Waffe.
„Wir machen über Silvester was zusammen. Wie wär’s mit einer Single-Kreuzfahrt nach Alaska? Hab gestern im Internet geschaut, es wären noch Karten übrig!“
„Für wie betrunken hältst du mich grade?“
„Da du mit ner Waffe hantierst ziemlich nüchtern, hoffentlich. Komm schon, du bist total überarbeitet und ich hab auch noch eine Woche Urlaub übrig“, handelte Ana.
„Nicht in einer Million Jahre!“
„Der Alkohol ist auf der Kreuzfahrt inklusive!“
„Die ganze Reise über?“
„Die ganze Woche über, ja!“
„Okay, aber wenn du mich verkuppeln willst, schmeiß ich dich von Bord!“
„Das klingt nach nem Deal. Wir müssen schon übermorgen in Vancouver an Bord gehen!“
„Lass mich raten, du hast das mit dem Captain schon abgesprochen!“
„War irgendwie seine Idee, was irgendwie bizarr ist, aber wir sind beide über dreißig, wir sollten solche Möglichkeiten nicht verstreichen lassen“, konterte sie.
„Darf ich schon betrunken sein, wenn wir in Vancouver ankommen?“
„Untersteh dich!“
„Darf ich wieder rauchen?“
„Nein!“
„Du verhandelst hart, aber okay, ich mach mit. Brauch ich Klamotten für warmes oder kaltes Wetter?“
„Kaltes Wetter, es ist auch Winter in Alaska“
„Man, ich hab wenigstens auf ein paar sexy Einblicke am Pool gehofft!“
„Es hat einen Indoor-Pool!“
„Das klingt wirklich gut, dann geh ich jetzt heim, packen. Man, ich kann kaum glauben, dass ich mich fast darauf freue, dahin zu gehen“, baute sie ihre Waffe wieder zusammen und steckte sie in ihren Gürtel.
„Schön, ich mich nämlich auch“, schmunzelte sie und sah zu, wie Page durch die kalte Nacht zur Bushaltestelle ging.
 
Etwas irritiert stand die junge Polizistin vor dem riesigen Dampfer, der zwei Tage später in Vancouver eingefahren war.
„Das hat was von Titanic“, bemerkte sie fasziniert.
„Ja, vielleicht wartet unser Leo schon auf uns“, war Ana ganz aufgekratzt.
„Die Männer, die ich bis jetzt gesehen habe, haben echt kein Leo-Potential“, entschied sie.
„Wenn du die ganze Überfahrt so bist, schmeiß ich dich von Bord, teure Freundin“, stieg Ana die ersten Stufen zum Schiff hoch.
„Meinetwegen, ich bin für diese Woche eine nette Person“, versprach sie und ging ihr hinterher.
 
„Hallo Ladies, könnte ich eure Namen erfahren?“, begrüßte sie ein überdrehter Stuart.
„Anahita Farshid und Page Mills!“
„Gut, hab euch auf der Liste, wie wollt ihr die Woche genannt werden?“
„Ana und Page ist okay!“
„Okay, willkommen an Bord“, schrieb der Stuart ihre Namen auf und klebte ein „Hallo mein Name ist“-Kleber auf ihre Brust.
„Er hat meinen Namen mit zwei As geschrieben“, murrte Ana, als sie weitergingen.
„Bei mir hat sich ein I eingeschlichen, ist vielleicht besser so, dann können uns die Männer vielleicht später auf Facebook schlechter finden“, bemerkte Page nur.
„Ich dachte, du wolltest nett sein!“
„Ich bin nett, blöde Witze reißen kann ich doch trotzdem, oder?“
„Solang es unter uns bleibt, ja, schon. Was hältst du von dem Schiff?“
„Es ist ein Ausflugsschiff, nichts Besonderes“, spielte sie es runter.
„Ich hab’s gesehen, du bist beeindruckt“, frotzelte Ana.
„Ein wenig, ich war noch nie auf einem Schiff!“
„Ich weiß, ich hoffe, du wirst nicht seekrank“, schmunzelte Ana.
„Hab mich für diesen Fall eingedeckt. So, lass uns in unsere Kabine gehen, bevor uns die Nerds entdecken“, bat Page.
„Hallo, Ladies“, hörten sie hinter sich.
„Zu spät, wie schlimm ist es von 1-10?“, vergrub Page ihr Gesicht in Anas Schulter.
„Ne gute fünf“, sagte die nur.
„Nimmst du ihn?“
„Verzieh dich“, murmelte sie und sie dankte ihr stumm, während sie sie mit dem Nerd allein ließ.
 
Page ließ sich in das gemütliche Doppelbett in der Kabine fallen. Die Frauen hatten nur eine Kabine reserviert, sie waren schon so lange befreundet, also konnten sie auch in einem Bett schlafen. Page war leicht eingedöst, als sie Ana neben sich im Bett bemerkte.
„Und, war er eine fünf?“, fragte Page, ohne die Augen zu öffnen.
„Eher eine drei, aber es gibt ja genug Männer hier. Steh auf, wir müssen uns für das Captains Dinner umziehen“, bat Ana.
„Ja, sicher!“
„Das mein ich ernst, wir können uns nicht die ganze Woche hier drin verkriechen“, stieß sie sie an.
„Das Bett ist klasse!“
„Ja, merk ich, aber wir wollen hier Männer treffen, nicht rumgammeln. Aufstehen“, forderte sie.
„Du willst Männer kennenlernen, ich nur entspannen!“
„Wir haben die Kleider extra gekauft, bitte“, bat Ana.
„Meinetwegen, aber nur, weil das Scheißding so teuer war“, murmelte Page und stand auf.
 
An diesem Abend stand die Streifenpolizistin in einem wunderschönen Kleid im griechischen Stil vor dem Spiegel der Kabine.
„Man, ich vergess immer, wie wunderschön du bist“, sah Ana sie an.
„Man, du brauchst echt einen Mann, wenn du mich schon anmachst“, entgegnete Page trocken.
„Du musst deine Attitüde für heute Abend echt mal in der Kabine lassen, Süße, wenn du nett und freundlich bist, könnte sich wirklich ein Kerl mal in dich verlieben“, bemerkte Ana.
„Und schon fällt der erste Fläschendeckel“, nahm sich Page einen Schnaps aus der Minibar und trank ihn.
„Hey, die sind nicht gratis und das alles hier läuft auf meine Kreditkarte“, murrte Ana.
„Der Trip gefällt mir immer weniger. Dann lass uns losgehen“, bat Page und stöckelte voran aus der Tür.
„Man, das mit der Gratis-Bar war vielleicht doch nicht so eine tolle Idee“, realisierte Ana kopfschüttelnd und ging ihr hinterher.
 
„Die Krabben sind kalt“, warf Page ein, als sie mit ein paar Männern am Tisch saßen.
„Ja, ich weiß, Psst“, zischte Ana.
„Sollen wir das einfach hinnehmen? Wo ist diese verdammte Bar?“, fluchte sie und Ana kickte sie gegen das Knie.
„Da hat sie recht, ich könnte ein Bier gebrauchen“, sagte einer der Männer neben Ana.
„Wären Sie dann so freundlich und würden mich zur Bar begleiten, wo auch immer die zu sein scheint?“, bat Page freundlich und der Mann stand auf.
„Es wäre mir eine Ehre“, bemerkte der Mann und führte sie vom Tisch.
„Geht doch“, schmunzelte Ana zufrieden.
„Würden Sie mit mir tanzen?“, fragte der Mann, der neben Ana saß.
„Sehr gern“, stand sie auf und tanzte mit dem jungen Mann.
 
Torkelnd kam Page spät an diesem Abend in die Kabine zurück.
„Und, Spaß gehabt?“, murmelte Ana in ihr Kissen.
„Der Fusel hier ist auch miserabel“, murmelte Page betrunken.
„Hat dich nicht davon abgehalten gehörig zuzugreifen. Was ist aus dem Bier-Liebhaber geworden?“
„Er ist verheiratet!“
„Das ist eine Single-Kreuzfahrt!“
„Gibt wohl immer schwarze Schafe bei so was, ich bin die glückliche, die den Bock abbekommt, der Quickie war trotzdem ganz amüsant!“, konterte Page und Ana hörte Pages Stöckelschuhe auf den Boden plumpsen.
„Oh nein, Süße, du hast doch nicht wirklich mit ihm geschlafen, oder?“
„Er hat mir erst danach gesagt, dass er verheiratet ist. Muss ich wohl wieder ne Ehefrau in der Datenbank finden und ihr die Untreue ihres Mannes unter die Nase reiben“, setzte sich Page aufs Bett.
„Du willst doch nicht das Leben dieses armen Kerls ruinieren?“
„Er hat sich unter falschen Angaben auf eine Single-Kreuzfahrt geschlichen, er hat’s verdient“, wollte sie sich hinlegen.
„Oh man, du riechst nach billigem Wodka, geh erstmal duschen“, bat Ana ernst.
„Muss ich wirklich?“
„Du kannst auch auf dem Boden schlafen!“
„Okay, Mom, ich geh duschen, aber ruf die Sanitäter wenn ich in der Dusche stürze“, stand Page unsicher auf und torkelte zum Badezimmer.
 
Zehn Minuten später kam sie frischgeduscht nur in Unterwäsche zurück und kuschelte sich ins Bett.
„Das Wasser war kalt“, war sie wieder etwas nüchterner.
„Wenn du die ganze Kreuzfahrt so rummeckerst, musst du meinen Eltern erklären, warum ihre muslimische Tochter angefangen hat zu trinken“, murmelte Ana schläfrig.
„Das würde dir mal gut tun, dann würdest du mal den Stock im Arsch verlieren“, entschied Page und Ana trat sie gegen das Schienbein.
„Wenn du mich weiter so trittst, werde ich noch handgreiflich und du weißt, dass ich dir überlegen bin“, murrte Page unter Schmerzen.
„Schlaf einfach, Suffkopf, in sechs Stunden gibt es Frühstück“, bat Ana und schnell war ihre betrunkene Freundin schnarchend eingeschlafen.
 
„Aufstehen, Sonnenschein, Frühstückszeit“, riss Ana am nächsten Morgen die Vorhänge der Kabine auf.
„Schmor in der Hölle, Hexenbrut“, fluchte Page verkatert.
„Dir auch einen wunderschönen guten Morgen“, reichte sie ihr eine Tasse Kaffee.
„Wir haben hier eine Kaffeemaschine?“
„Ich hab meine Padmaschine mitgenommen, Trinken oder nicht?“
„Oh ja, danke! Ist das hier erlaubt?“
„Mir egal, die haben sicher keinen guten hier!“
„Officer Farshid, rebellierst du etwa? Gefällt mir!“
„Ich brauch nur nen gescheiten Kaffee am Morgen. Was macht der Kater?“
„Geht, ne Ahnung was ich gestern getrunken habe?“
„Du rochst nach Wodka, ich denk mal das, aber ich hab dich für ein paar Stunden verloren. Erinnerst du dich noch an den verheirateten, den du letzte Nacht hattest?“
„Es kommt grade wieder, Arschloch!“
„Du hast es versucht. Solang du verhütet hast, bei so einem abgekarteten Spiel denk ich, er hat das nicht das erste Mal gemacht“, entschied Ana.
„Ich hab ein Implantat und immer Kondome dabei, aber danke für deine Sorge, Mom!“
„Das überrascht mich jetzt!“
„Ich war schon mal schwanger, dass brauch ich nicht nochmal“, gestand sie plötzlich.
„Du warst schon schwanger? Ich kenn dich seit der Polizeischule, wann ist das gewesen?“
„Ich war fünfzehn oder sechzehn, einer meiner Pflegeväter hat mich etwas zu sehr gemocht“, erklärte sie trocken.
„Mein Gott, hast du es damals jemandem erzählt?“
„Ich war schwanger, natürlich hab ich es jemandem erzählt, er hat vier Jahre dafür bekommen, ist leider wieder draußen, aber ich hab jemanden auf dem 8. Revier, der dafür sorgt, dass keine Pflegekinder mehr in diesem Haushalt untergebracht werden. Ich glaub echt nicht, dass ich dir das erzähle, das hab ich bis jetzt nur Dr. Rydell erzählt“, war Page überraschend gesprächig.
„Du gehst zu unsrem Revier-Seelenklempner?“
„Ja, ist ne Auflage von dem Captain, dass ich weiter Dienst schieben kann. Ich sollte jetzt echt mit Reden aufhören, bin wohl noch etwas Blau“, stand Page auf.
„Nein, red ruhig weiter, endlich erzählst du mal was aus deinem Leben“, freute sich
Ana.
„Das war genug Gequatsche für heute, Zeit zum Anziehen“, entschied Page und ging zu ihrem Koffer.
„Nein, bitte, ich will dich endlich verstehen lernen“, lief Ana ihr hinterher.
„So viel willst du mir gar nicht wissen, Partner, du würdest schreiend weglaufen“, entgegnete sie.
„Ich bin ein Cop, ich hab erlebt wie ein Mann seine Frau angezündet hat, während ich daneben stand, bin ziemlich abgebrüht!“
„Oh man, schraub deine Energie heute Morgen etwas runter, alles zu seiner Zeit“, bat sie ihre Freundin.
„Sicher, du hast nen Kater, schon gut. Was willst du zu diesem Ehebrecher sagen, wenn du ihn beim Frühstück siehst?“, wollte Ana wissen und Page sah sie böse an.
„Du hast dich da schon drum gekümmert, oder?“
„Ja, wollte ihm in die Eier treten, hab leider nur seinen Oberschenkel getroffen, aber ich hoffe, er hat es verstanden. Was muss zum Frühstück getragen werden?“, wollte sie wissen.
„Normale Sachen, zumindest hab ich das nur an, wir sind ja hier nicht auf der Titanic. Ich weiß, dir gefällt es hier nicht besonders, aber ich habe gestern einen netten Gentleman kennengelernt, den ich heute Abend wieder treffe, also versau’s mir bitte nicht“, hoffte Ana.
„Gentleman? Bist du sicher, dass du nicht gedanklich auf der Titanic bist?“, frotzelte Page, während sie sich anzog.
„Wie soll ich ihn sonst nennen? Stecher, rattenscharfen Typen?“
„Was ist er für eine Nummer?“
„Ne gute sieben!“
„Dann passt rattenscharfer Typ. Erzähl mir von ihm?“
„Er heißt Eric, ist fünfunddreißig und arbeitet als Ingenieur … du willst das wirklich wissen?“, war Ana erstaunt.
„Wow, da spricht wohl der Alkohol aus mir, eigentlich nicht besonders. Sieh dich nur vor, okay?“, bat sie ihre Freundin.
„Mach ich. Und du stürzt dich auch wieder direkt rein?“
„Nein, heute werde ich den Tag mit ein paar Bahnen im Pool und eine Runde allein im Whirlpool ausklingen lassen“, plante Page.
„Das klingt gut, du solltest echt mal entspannen. Schon wieder Hunger auf Frühstück?“
„Sicher, ich hab nen stabilen Magen, lass uns gehen“, war sie fertig angezogen und ging voran.
 
Als sie am Frühstückstisch saßen, kam Pages Lover humpelnd an ihnen vorbei. Er mied ihren Blick und huschte schnell zum Ausgang.
„Du hast ihn wohl doch gut getroffen“, schmunzelte Ana.
„Ja, anscheinend, das Essen ist gut“, lobte sie die Küche.
„Hast du grad gesagt, du findest hier was gut?“, war Ana überrascht.
„Ja, muss wohl noch der Alkohol aus mir sprechen“, schien Page sich langsam zu entspannen.
„Du willst dich aber nicht jeden Abend betrinken, oder? Ich möchte auch mal etwas Zeit mit der nüchternen Page verbringen“, bat Ana.
„Du willst mir den Alkohol und die Zigaretten verbieten auf dieser Reise? Willst du mich ärgern?“
„Ich will dir nicht den Alkohol verbieten, du sollst dir nur noch so die Kante geben wie gestern!“
„Ich versuch’s, aber wenn ich noch so Nieten ziehe wie den letzten kann ich für nichts garantieren“, bemerkte sie.
„Abgemacht, aber du wirst keine Nieten mehr ziehen. Wir sollten unseren Komiker aber erst mal aus dem Verkehr ziehen, wie heißt er denn? Dann können wir ihn melden!“
„Bitte verurteile mich nicht!“
„Du hast keinen blassen Schimmer wie er heißt, oder?“
„Ich sag doch, bitte verurteile mich nicht!“
„Ich bin ein Cop, das finde ich raus. Iss brav auf, wir gehen gleich ins Fitnessstudio, du musst für deinen Test trainieren“, stand Ana auf und ging zur Rezeption.
„Ich muss auch noch trainieren? Man, die gönnt mir hier auch keinen Spaß“, murmelte Page und aß weiter.
 
„Du könntest ruhig schneller einstellen, teure Freundin“, stellte Ana, Pages Laufband im Trainingsraum höher.
„Erbarmen, Partner, meine Lungen müssen sich erst mal an die Umstellung gewöhnen“, keuchte Page.
„Wir müssen echt noch fleißig mit dir trainieren!“
„Solang du das ganze Training mit mir mitmachst, gerne“, gab sie nach.
„Du bist so gutgelaunt heute, hast du irgendwo her Zigaretten bekommen?“
„Nein, ich komm seltsamerweise gut damit klar!“
„Drogen?!“
„Hörst du mal auf damit, meinen letzten Joint hab ich die Nacht vor meiner Einschreibung in die Polizeischule geraucht und vermiss das auch nicht. Ach, Sandra Dee, schau mich nicht so an, ich war 19 damals, du hast damals sicher auch Mist gemacht“, behauptete Page.
„Ich hab damals noch ein Kopftuch getragen“, sagte Ana nur.
„Du hast ein Kopftuch getragen? Ich will mich ja nicht beschweren, weil du so ein wunderschönes Gesicht hast und so, aber warum hast du aufgehört es zu tragen?“
„Ich hab es vor der Polizeischule abgelegt, weil ich Angst hatte gehänselt zu werden. Meinem Vater hat das gar nicht gefallen, es hat lang gedauert, bis er mich so akzeptiert hat“, erzählte Ana.
„Ich hab immer gedacht, du lägst mit ihm im Clinch wegen deiner Berufswahl!“
„Das hatte er früher akzeptiert, er hadert manchmal noch damit, aber im Allgemeinen kommt er ganz gut damit klar. Deine Mutter wäre sicher auch stolz auf dich“, konterte Ana.
„Warum fängst du immer mit dieser Frau an, die ich nicht kenne und die mir egal ist?“
„Hast du jemals um sie getrauert?“
„Wie ich gesagt habe, ich kenn sie nicht, da werde ich nicht um sie trauern“, murrte Page.
„Wie du meinst!“
„Hör auf sie zu erwähnen!“
„Es scheint aber doch ein wunder Punkt in deinem Leben zu sein“, entschied Ana, doch der fiese Blick ihrer Kollegin ließ sie verstummen.
 
Nachdenklich ging Page an diesem Abend im Unterdeck spazieren. Sie hatte wirklich nie so sehr über ihre Mutter nachgedacht, aber die Ruhe dort brachte sie dazu.
„Hey“, hörte sie plötzlich hinter sich und schreckte zusammen.
„Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken“, entschuldigte sich der Mann, der sie erschreckt hatte.
„Na, brauchst nen Nachschlag?“, erkannte sie ihren Lover von der Nacht zuvor.
„Hast du mich angeschwärzt?“, klang der Kerl sauer.
„Nein, hab ich nicht, ich kenn nicht mal deinen Namen, ich weiß doch jetzt, was für ein Idiot du bist, das reicht mir“, entschied sie.
„Du bist ein Cop, oder?“, fragte er mit seltsamem Unterton.
„Nicht hier, aber ja, ich bin Streifenpolizistin. Was hast du vor?“, bekam sie Angst.
„Du ruinierst mir nicht mein Leben“, kam er ganz nah an sie heran.
„Ich sagte schon, ich habe nichts gesagt“, bemerkte sie nervös.
„Ich hab es nur dir gesagt, wie konnten Sie wohl sonst davon erfahren?“
„Keine Ahnung, wirklich nicht!“
„Lügnerin!“, brüllte er und schupste sie brutal von der Reling. Sie knallte mit dem Kopf auf. Für eine Sekunde spürte sie den stechenden Schmerz des eiskalten Wassers, bevor sie ohnmächtig wurde.

Drittes Kapitel

 
Graham Islands – Golf von Alaska
 
Quentin Porter war schon ein halbes Jahr auf dieser gottverdammten Insel und fast genauso lange grub er Löcher in den steinharten Boden um Proben zu nehmen. Gerade wieder fiel die Temperatur so, dass er Schmerzen in der Lunge vom Atmen bekam.
„Quen‘, deine 20 Minuten sind vorbei, ich bin dran“, hörte sie über den Funk seinen Kollegen.
„Ich hab’s gleich“, maulte Quentin.
„Quen‘, willst du dir noch einen Zeh abfrieren, es hat inzwischen -35°C“, erklärte sein Kollege.
„Weißt du wie wir die Temperatur in Alaska nennen?“
„Nein, wie?“
„Frühling, ich hab’s gleich“, bemerkte er trocken und packte die letzte Probe ein.
„So, schon fertig, sei nicht so ein Baby, Lago. Doc, ich will ja nicht die Pferde oder so scheu machen, aber können zu kalte Temperaturen zu Halluzinationen führen?“, bemerkte er plötzlich etwas am Strand, an dem er sich befand.
„Lago, ich hab doch gesagt, er übertreibt es, hol ihn rein“, hörte er eine andere Stimme und die Metalltür des Forschungscontainers sprang auf. Lago, ein rassiger Latino mit nettem Lächeln, kam zu dem jungen Mann aus Alaska.
„Komm, Quen, wird Zeit“, wollte er seinen Kollegen wieder reinholen, der aber wie gebannt ans Wasser starrte.
„Quen, verdammt, es reicht wieder!“
„Bitte sag mir, dass du das auch siehst“, bat Quentin und zeigte aufs Meer raus.
„Was soll ich sehen, Ahab und den weißen Wal? Die Sache hier macht dich echt ganz gaga, Junge!“, erwiderte Lago, aber Quentin bewegte sich anstatt zum Container weiter zum Meer hin.
„Verdammt, Quen, willst du dich umbringen? Das Wasser ist eiskalt“, entgegnete Lago und folgte ihm.
„Bitte sag mir, dass du das auch siehst“, entdeckte Quentin eine leblos wirkende leicht bekleidete Frau am Strand.
„Oh dios mìo, das ist sicher die Frau, die sie im Seefunk gesucht haben, Gott soll ihrer Seele gnädig sein“, bekreuzigte sich Lago.
„Wir müssen nachsehen, ob sie noch lebt“, ging Quentin.
„Es ist unmöglich, dass sie noch lebt, Quentin, lass sie dort liegen, bis die Spurensicherung kommt“, bat Lago nervös, aber Quentin beugte sich über den leblosen Körper. Die junge Frau war komplett blau angelaufen und hatte eine heftige Kopfwunde, die durch die Kälte aufgehört hatte zu bluten.
„Verdammt, sieht wirklich nicht gut aus“, war Lago auch bei ihm angekommen. Auch wenn er die Hoffnung nicht hatte, dass er damit was bewirkte, begann Quentin mit der Herzmassage. Jeder Atemzug den er vor dem Beatmen machte, schmerze furchtbar.
„Hey, Superman, sie ist tot, lass es“, bat Lago, aber wie in Trance machte Quentin weiter und weiter. Ganz plötzlich atmete die blaue Frau eigenständig.
„Stütze ihren Kopf, wir bringen sie rein“, bat Quentin und sie trugen sie in die Forschungsstation.
„Was wird das hier?“, kam ihr Stationsarzt Donnie zu ihnen.
„Wir brauchen das komplette Thermo-Zeug für Notfälle“, bat Quentin ernst.
„Heilige Scheiße, habt ihr sie da draußen gefunden? Wie kommt die denn hier her? Die kann doch unmöglich noch am Leben sein“, war Donnie konfus. Quentin nahm den Löffel aus der Tasse, die Don in der Hand hielt, heraus und hielt sie der bewusstlosen Frau an den Mund. Er beschlug sich.
„Ich hab bei deinem Erste-Hilfe-Kurs wohl als einziger zugehört, wie mir scheint. Schnell, sie macht es sonst nicht mehr länger“, forderte Quentin und Donnie eilte los.
„Bis er kommt, sollte sich einer von uns auf sie drauflegen, um sie mit der Körperwärme zu wärmen. Rache‘, du bist die leichteste von uns, zieh dich aus, leg dich auf sie!“, forderte er seine Kollegin Raiden auf.
„Das hättest du wohl gerne, du willst mich schon seit Monaten aus meinen Klamotten kriegen, netter Versuch“, weigerte sich Raiden.
„Verdammt, Rache‘, ich bin zwar nicht der beste um das zu machen, aber gut“, zog er seinen Schneeanzug aus und legte sich neben die junge Frau, um sie fest an sich zu drücken.
„Du tust auch alles, um hier im Nichts die Nähe einer Frau zu spüren, was?“, fragte Donnie, der mit den benötigten Sachen wiederkam.
„Hey, ich wollte nur helfen, Doc, ihre Kopfwunde blutet wieder“, erklärte Quentin cool.
„Ja, sie taut sozusagen wieder auf, ich muss das nähen. Lago, Quentin, hebt sie hoch und zieht ihr das Zeug aus, wir müssen sie in die Folie wickeln und das ohne ihre nassen Klamotten“, handelte Donnie und die Männer taten es aber nicht ohne den ein oder anderen Blick zu riskieren.
 
„Sie ist immer noch erst bei 34°C Körpertemperatur, sie muss dringend in ein Krankenhaus, sonst stirbt sie“, bemerkte Donnie, nachdem er eine halbe Stunde später seiner Patientin die Temperatur misste.
„Du bist witzig, wie sollen wir das anstellen?“, fragte Quentin, der immer noch die namenlose junge Frau in den Armen hielt.
„Du musst dich erst mal wieder anziehen, bevor ich hier noch zwei Unterkühlungspatienten habe. Rache‘ funk diesen Kutter an, der uns grad passiert hat, er muss sie mitnehmen“, plante Donnie.
„Der dreht sicher nicht um!“
„Schick ihm ein Nacktfoto von dir, dann dreht er sicher um“, schlug Donnie vor.
„Jetzt hast du vollkommen den Verstand verloren, Don!“
„Komm schon, rette die Frau“, bat Quentin.
„Gut, aber ihr müsst alle raus gehen, wenn ich mich ausziehe!“
„Rache‘, wir sind seit Monaten auf diesem engen Raum zusammen, wir haben dich alle schon nackt gesehen“, schmunzelte Lago.
„Geht, oder ich mach es nicht“, forderte sie streng und sie verkrochen sich in den Schlafraum der Station.
„Süße, du musst mir echt nen Ferrari schenken, dass ich das für dich mache“, redete sie mit der bewusstlosen jungen Frau und funkte den Kahn an.
 
„Er ist in fünfzehn Minuten da“, murmelte sie, als sie nach hinten zu ihnen kam.
„Danke Rache‘, hast was gut bei uns“, bedankte sich Quentin.
„Du wirst für einen Monat meine Schicht draußen machen“, forderte Raiden.
„Sicher, mach ich. Ich werde sie aufs Festland begleiten müssen“, erklärte Donnie.
„Du musst hier bleiben, falls hier ein Notfall ist, so steht’s im Handbuch, ich werde mitgehen!“, entschied Quentin.
„Du hast keine medizinische Ausbildung, Quen!“
„Ich hab sie schon einmal zurückgeholt, das werde ich so lange wieder machen, bis wir auf dem Festland sind“, entschied er und Donnie rollte mit den Augen.
„Ich muss den Defibrillator hier behalten, das musst du händisch machen“, gab Donnie nach.
„Okay“, sagte Quentin nur.
„Deine Spinnereien nehmen langsam überhand, Quentin, aber es scheint ihre einzige Chance zu sein. Geh dabei aber bitte nicht drauf, ich will deinem Boss nicht erklären müssen, warum ich dich das machen lassen habe“, forderte Donnie, während er alles zusammenpackte, was Quentin für seine Reise brauchte und er mitgeben konnte.
 
Der Schifffrachter nahm Quentin mit und er saß stundenlang zwischen stinkendem Fisch im Lager des Schiffes. Auf dem Festland organisierte er sich Schlittenhunde und einen Schlitten und düste mit ihr so schnell wie ihn seine Kräfte führten zur nächsten größeren Stadt. Dies war die Kleinstadt Prince George in Kanada. Komplett geschwächt kam er vor dem städtischen Krankenhaus an. Die Leute staunten nicht schlecht, als sie den jungen Mann im Hundeschlitten vorfahren sahen. Mit letzter Kraft machte er die Schlittenhunde an einer Laterne fest und lud das festgeschnürte Päckchen mit der jungen Frau darin auf seine Arme. Er war aber viel zu schwach nach den Stunden, die er die Hunde geführt hatte und er brach samt der Frau im Arm im Flur des Krankenhauses zusammen.

Viertes Kapitel

 
Jede Faser ihres Körpers fühlte sich an, als würde sie bei jeder Bewegung zerspringen wollen. Ihr war heiß und kalt zugleich und ihr Durst war unbeschreiblich.
„Heiß“, keuchte sie schwach.
„Schwester, sie wacht auf“, hörte sie die Stimme eines jungen Mannes.
„Heiß“, wiederholte sie. Sie lag eingewickelt wie ein Burrito in einer Wärmedecke.
„Hey, Schlafmütze, wer ist denn da wach“, hörte sie eine weitere Stimme, die wie Messerstiche in ihren Kopf dröhnte.
„Schmerzen, leiser“, konnte sie nur stöhnen.
„Sicher, Sie haben ne Kopfwunde, ich werde flüstern. Ist Ihnen heiß?“, fragte die Schwester, die zu ihr gekommen war, mit sanfterer Stimme.
„Ja“, hauchte sie.
„Ich stell es niedriger, Sie sind immer noch auf 35°C, das muss noch etwas an bleiben. Wie ist Ihr Name, Kleines?“
„Page“, murmelte sie benommen.
„Gut, Page, wissen Sie, welcher Tag heute ist?“, fragte sie die Schwester.
„Der 28. Dezember?“, fragte sie unsicher.
„Wir haben den 30. Dezember, die Frage war gemein, nach Angaben Ihres Freundes sind Sie seit zwei Tagen bewusstlos, aber gut, dass sie es ungefähr wussten“, bemerkte die Schwester.
„Was für ein Freund? Ich bin glücklicher Single“, wurde sie langsam wacher und die Schwester sah Quentin an, der auf einem Stuhl neben Pages Intensiv-Stations-Bett lag.
„Was? Sonst hätten sie mich hier nicht reingelassen“, murmelte er verlegen.
„Wer ist der Komiker?“
„Ich bin Quentin, ich hab Sie gefunden“, stellte Quentin sich vor.
„Gefunden? Ich bin von einem Kreuzfahrtschiff gefallen, wo wollen Sie mich gefunden haben?“, wurde sie laut.
„Es ist vielleicht besser, wenn Sie gehen, Junge“, bat ihn die Schwester.
„Ich warte draußen“, erklärte er verwirrt und ging davon.
„Wo bin ich?“
„Prince George!“
„Ich bin ne einfache Streifenpolizistin aus Nebraska, ich hab keinen Plan wo das ist!“
„Kanada, Sie sind also Amerikanerin?“
„Sieht ganz so aus. Bitte nehmen Sie Kontakt mit der Seven Seas auf, die auf dem Weg nach Anchorage ist, verlangen Sie dort eine Frau namens Anahita Farshid“, bat sie.
„Wie ist Ihr Nachname, Süße?“
„Mills, Page Mills, ich müsste auf der Bord-Liste stehen!“
„Ich werde sehen was ich tun kann. Ich gebe Ihnen einen Eiswürfel zum Lutschen, ich kann Ihnen leider nichts anderes geben, das Ding, in dem sie sich gerade befinden, verträgt nicht sehr viel Wasser“, ging die Schwester los um ihr dies zu holen. Als sie weg war, kam Quentin wieder ins Zimmer.
„Ich bin nen Cop, wenn Sie mich stalken wird das nicht gut für Sie ausgehen“, begrüße sie ihn.
„Ich habe Sie gerade eineinhalb Tage zum nächst gelegenen Krankenhaus gebracht, ich musste Sie auf dem Trip zwei Mal wiederbeleben, etwas mehr Respekt könnten Sie mir schon entgegenbringen“, bat er ernst.
„Sie haben mich gerettet?“, wollte sie sanfter wissen.
„Ja, kann man so sagen, ich bin fast selbst dabei draufgegangen, bitteschön“, murrte er.
„Danke“, sagte sie nur.
„Bitte. Ich lass Sie jetzt allein“, sagte er leise.
„Wie ist Ihr Name?“
„Quentin!“
„Wie Tarantino?“
„Ja, wie Tarantino“, schmunzelte er.
„Bleiben Sie bitte, ich hab Angst“, bat sie plötzlich weinerlich.
„Sicher, ich bleibe, ich darf eh hier noch nicht weg“, entschied er und setzte sich neben sie.
 
Zwanzig Minuten später kam die Krankenschwester zurück.
„Sie sind ja schon wieder da“, murrte sie Quentin an.
„Ich hab ihn gebeten zu bleiben“, erklärte Page.
„Ah, okay, hier Ihre Eiswürfel. Tut mir leid, dass ich so lang weg war, ich musste einige Anrufe machen. Die Seven Seas legt erst in ein paar Tagen in Anchorage an, ich hab aber die Nachricht an Ihre Freundin weitergeben lassen“, erklärte die Schwester.
„Er muss gestoppt werden“, sagte sie plötzlich.
„Wen meinen Sie jetzt?“
„Tut mir leid, Kopfverletzung, ich wurde vom Schiff geschupst von einem Kerl“, erklärte sie.
„Wirklich? Dann müssen wir das melden. Sagen Sie mir den Namen des Kerls!“
„Ich kenn den Namen nicht, Ana weiß den Namen aber!“
„Geben Sie mir die Nummer, dann ruf ich da nochmal an“, half Quentin.
„Danke, Junge, machen Sie aber langsam, sonst steck ich Sie auch wieder in ein Bett“, bat die Schwester und notierte ihm die Nummer und nochmal Anahitas Namen.
„Er scheint nett zu sein“, entgegnete Page, als die Schwester ihr Eiswürfel zum Lutschen gab.
„Ja, er ist ein verdammter Held, dass er sie hierher gebracht hat, ich hab gehört, er hat Sie immer wieder zurückgeholt, ohne ihn lägen sie jetzt bei unserem Doc im Leichenschauhaus“, kam ein Mann im weißen Kittel zu den beiden.
„Sind Sie mein Arzt?“
„Nein, ich hab nur einen Faible für weiße Kittel“, bemerkte der Arzt sarkastisch.
„Sarkasmus, ich mag Sie jetzt schon, Doc!“
„Wie fühlen Sie sich, Kleines?“
„Wie ein Cocktailwürstchen im Schlafrock“, sagte sie nur.
„Ja, das Ding ist vermutlich sehr unangenehm, aber mir gefällt Ihre Körpertemperatur schon wesentlich besser als noch heute Morgen, da sah es für ein paar Stunden nicht gut aus. Und sonst, irgendwelche Schmerzen?“
„Jede Faser meines Körpers schmerzt, wenn Sie das damit meinen!“
„Ihr Körper kämpft grad heftig, das wird wieder aufhören. Und Ihr Kopf?“
„Was denken Sie?“
„Ihre Kopfwunde sieht gut aus, ein gutes hat Ihr fast gefrorener Körper gehabt, die Bakterien hatten keine Lust sich auszubreiten und haben so Ihre Kopfwunde verschont. Ein guter Samariter hat Sie auch gut zusammengenäht, waren Sie das auch, Sie Held?“, drehte er sich zu Quentin.
„Ich hab zwar nen Doktortitel, aber nein, das war unser Humanmediziner Donnie, er hat ne Chirurgenkarriere aufgegeben um Stationsarzt in der Eiseskälte von Kanada zu werden“, erklärte er ihm.
„Donald Weathersburg aus Flagstaff – Ohio?“
„Sie kennen ihn?“
„Ich hab von ihm gehört, verrückter Kerl, er hätte einer von den ganz großen werden können, hatte aber dann nen Nervenzusammenbruch. Dahin hat es ihn also verschlagen, verrückt“, dachte der Arzt laut nach.
„Okay, das mit dem Nervenzusammenbruch wusste ich jetzt noch nicht, aber das würde vieles erklären. Ich muss dahin zurück, wann kann ich hier raus?“, wollte Quentin wissen.
„Ihre Temperatur sah vorhin gut aus, als ich Sie untersucht habe, aber ich würde nicht empfehlen so schnell wieder in die Kälte zurückzukehren, Ihr Körper muss sich erholen“, riet er ihm.
„Ich wüsste auch nicht wie ich dahin zurückkehren sollte, ich hab den Besitzer der Schlittenhunde angerufen und mein Gefährt ist jetzt weg!“
„Hat er grad Schlittenhunde gesagt?“, wunderte sich Page.
„Ich hab die letzten 300 Meilen mit Schlittenhunden hierhin zurückgelegt, ich bin ein erfahrener Führer von Schlittenhunden, ich dachte, so komme ich am schnellsten voran, hab es auch in guten acht Stunden geschafft. War ein bisschen anstrengend, aber war mal wieder schön, dass zu machen“, erklärte er.
„Nen bisschen anstrengend? Sie haben fast weitere Gliedmaßen verloren“, erwiderte der Arzt.
„Doc, Schweigepflicht, schon vergessen?“, raunzte Quentin.
„Sorry, ich dachte, Sie wären ein Paar“, bemerkte der Arzt.
„Kleine Notlüge, ich kannte bis vorhin nicht mal ihren Namen“, gestand er dem Arzt.
„Und Sie wollen, dass er hier ist, Kleines?“
„Ja, ich will nicht allein sein“, erklärte Page.
„Miss Mills, das wirkt zwar jetzt alles ziemlich beängstigend und Sie fühlen sich sicher vermutlich wie ein Burrito, aber das machen wir nur, damit Ihr Körper wieder seine Temperatur halten kann. Sobald sie bei 37 Grad angelangt sind, können sie da raus, versprochen“, versicherte der Arzt.
„Genauso fühl ich mich grad. Ich bin so eng geschnürt, dass ich meine Beine nicht spüre, bin ich jetzt gelähmt?“, fragte sie plötzlich.
„Wir müssen mal schauen, keine Angst, äußerlich haben wir keine Verletzungen gesehen“, bemerkte der Mediziner, ging an das Bettende ihres Betts, zog ihre Socken aus und fuhr mit seinem Stift auf ihrer Fußsohle auf und ab.
„Merken Sie das?“
„Nein!“
„Oh Gott!“
„Das war jetzt ganz leicht, ich mach es jetzt stärker“, drückte er fest den Stift in ihren Fuß.
„Das merk ich!“, sagte sie laut.
„Sehen Sie, Sie sind nur etwas fest eingepackt, wir checken Sie noch richtig durch, wenn Sie ausgepackt sind. Sie sollten etwas schlafen, Ihr Körper braucht alle Kraft die er kriegen kann“, bat ihr Arzt.
„Ich bin auch sehr müde“, murmelte sie.
„Dann schlafen Sie, ich bin noch hier, wenn Sie zurückkommen“, versprach Quentin und Page nickte weg.

Fünftes Kapitel

 
Als sie wieder wach wurde, war er wirklich immer noch an ihrer Seite.
„Sie sind ja noch da“, murmelte sie benommen.
„Hab ich doch versprochen. Sie sind bei 36°C Körpertemperatur, es kann nicht mehr lange dauern“, zeigte er auf ihren Monitor.
„Mir ist so heiß“, sagte sie nur.
„Der Burrito ist bald gar, was?“, schmunzelte er.
„Ja, genau. Können Sie mir nen Eiswürfel geben?“, hoffte sie.
„Die sind inzwischen geschmolzen, ich besorg aber neue“, stand er auf.
„Quentin?“, hielt sie ihm vom Gehen ab.
„Ja?“
„Warum machen Sie das alles für mich?“
„Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll, aber eine innere Stimme sagt mir, dass ich es tun muss“, sagte er nur.
„Ich bin auch so jemand, der auf sein Bauchgefühl hört, das versteh ich. Sie können aber vermutlich nicht mehr dahin zurück wo wie hergekommen sind, wenn Sie mit Schlittenhunden hierhergekommen sind“, schlussfolgerte sie.
„Ich müsste vermutlich wieder irgendwie hoffen, eine Überfahrt zu bekommen, ich kann leider aber nicht meine Brüste zeigen“, dachte er laut nach und Page zog die Augenbrauen hoch.
„Nen Insidergag, sorry, ich bin gleich wieder zurück, brutzeln Sie schön weiter“, konterte er und holte ihre Eiswürfel.
Als er gerade auf dem Rückweg war, klingelte sein Handy.
„Äh, hey“, nahm er ab.
„Äh, hey? Wir haben dich vor zwei Tagen in die Kälte rausgeschickt, wir dachten, du liegst als gefrorene Leiche irgendwo in der Steppe“, raunzte Donnie, der über das Satellitentelefon bei ihm anrief.
„Ich bin im Krankenhaus, ich kam in einem ziemlich desolaten Zustand in Prince George an“, erklärte er.
„Ist noch alles an dir dran?“
„Ja, Gott sei Dank!“
„Wie hast du die Leiche erklärt?“
„Du hast so wenig Vertrauen in mich, Doc, ihr Name ist Page und sie erholt sich gut“, bemerkte er stolz.
„Ehrlich? Wie oft hast du sie zurückholen müssen?“
„Zwei Mal, ich hab jedes Mal 20 Minuten Herzmassage gemacht, das war vielleicht nervenaufreibend und ziemlich kräftezerrend, aber auch das unglaublichste Erlebnis meines Lebens“, war Quentin total aufgekratzt.
„Schön für dich, Superman, wir können dich aber nicht zurückholen, deine Mission ist hiermit beendet“, entschied Donnie.
„Verstanden, dann schickt mir die gesammelten Proben ins Institut, dann mach ich da weiter“, plante er.
„Man, das hast du ja schnell akzeptiert, als hättest du nen Grund gesucht hier weg zu kommen“, wunderte sich Donnie.
„Sechs Monate in einer Kiste eingesperrt zu sein, war nicht grade einfach, ich bin gern mal für mich allein“, konterte er.
„Ja, das haben wir gemerkt. Komm gut nach Hause, Kleiner und gut gemacht“, lobte Donnie ihn und lächelnd legte Quentin wieder auf.
„Hey, sorry, dass Sie warten mussten, mein Boss hat mich noch angerufen, scheint so, wir würden beide nach Anchorage zurück …“, kam er gut gelaunt ins Krankenzimmer zu Page zurück. Die hing seltsam in ihrer Thermodecke.
„Page, hören Sie mich, Page?“, eilte er zu ihr hin. Er rannte nach draußen und holte den Arzt zurück.
 
10 Minuten später kam der Arzt zum besorgten Quentin zurück.
„Ihr geht’s gut, sie ist nur dehydriert, wir haben sie aus der Thermodecke geholt und ihr einen Tropf angelegt, sie wird schon wieder. Das meiste haben Sie gemacht, ich hab die Blutergüsse gesehen, die sie ihr verpasst haben, gut gemacht, Junge!“
„Ich hab sie verletzt?“
„Nur um ihr Leben zu retten, Sie sind wirklich ein Held. Sie sind auch der erste Rettungstransport per Schlittenhund gewesen und das muss was heißen in unserer Abgeschiedenheit hier“, erklärte der Doc.
„Ich muss nach Anchorage, wie lang muss ich hier bleiben?“, wollte er wissen.
„Ich kann sie grad nochmal untersuchen, wenn mir Ihre Werte gefallen können Sie morgen los, wenn Sie wollen. Wollen Sie sie allein lassen?“
„Sehr ungern, aber ich muss beruflich wieder zurück nach Hause, mein Boss pfeift mich zurück“, erläuterte er ihm.
„Sie scheint allein zu sein, sie hat nicht nach irgendeinem Familienmitglied gefragt, Sie sollten sie nicht allein lassen!“
„Lassen Sie mich raten, Sie sind hier auch der Psychologe?“, erkannte er, dass er manipuliert wurde.
„Schlaues Kerlchen. Sie muss auch nach Anchorage, Sie könnten die Lady doch mitnehmen“, riet der Arzt ihm.
„Wie lang muss sie hier bleiben?“
„Ihr Herz ist stark und hat nichts abbekommen, ich will sie nur mindestens eine Woche überwachen, auch ihre Temperatur“, entschied der Arzt.
„Okay, eine Woche kann ich bleiben, gut gespielt, Doc“, gab er nach.
„Ich spiel Mittwochs mit ein paar Kollegen Poker hier im Keller, Sie können sich gerne anschließen, dann zeig ich Ihnen wie gut ich wirklich bin“, schmunzelte der Mediziner und ging an ihm vorbei.
 
Ihr Mund fühlte sich eiskalt an, als sie wach wurde. Über sie gebeugt war der charmante Biologe, der einen Eiswürfel auf ihren Lippen schmelzen ließ.
„Normalerweise machen das Männer bei mir auf anderen Teilen des Körpers“, schmunzelte sie benommen und er ließ erschreckt den Eiswürfel fallen, den sie sinnlich mit dem Mund fing.
„Sie sind ganz schön anhänglich, was?“, fragte sie keck und spuckte den Eiswürfel in ihre Hand. Ihr Arm war frei, schmerzte aber immer noch furchtbar.
„Gott sei Dank, der Burrito ist weg. Bin ich ohnmächtig geworden?“, wollte sie wissen.
„Nur ein paar Minuten, ich dachte nur, die Eiswürfel würden Ihnen gut tun!“
„Weil ich vor kurzem selbst einer war?“
„Nein … man Sie bringen mich ganz durcheinander“, stotterte er.
„Das merk ich, danke, das war lieb von Ihnen“, bedankte sie sich.
„Die haben Ihnen einen Tropf angehängt, bald wird es Ihnen besser gehen“, erklärte er ihr.
„Ich war dehydriert, oder?“, realisierte sie.
„Ja, das kennen Sie schon?“, wollte er wissen.
„Ich will nicht zu sehr ins Detail gehen, aber als ich mal ein Wochenende mit einem Zwillingspärchen im Bett verbracht habe, hab ich auch schon mal nen Tropf gebraucht“, protzte sie.
„Sie waren mit zwei Männern gleichzeitig im Bett?“
„Ich hab nichts von Männern gesagt“, grinste sie breit und sein Kopf wurde rot.
„Ihnen ist es peinlich, wenn ich so offen über Sex rede, oder?“
„Äh … nein“, behauptete er.
„Ich ärger Sie doch nur, ich bin ein Cop, ich mach Leute gern unsicher“, erklärte sie.
„Lassen Sie das, waren für mich auch lange zwei Tage“, murrte er.
„Ja, sorry, ich bin nur froh, dass jemand bei mir ist grade“, entschuldigte sie sich.
„Sie haben keine Familie, wie es aussieht!“
„Jetzt haben Sie meinen weichen Punkt gefunden, ja, ich bin eine Vollwaise seit meiner Geburt, da rede ich nicht gern drüber!“
„Gut, dann reden wir nicht darüber. Sie stehen also auf Frauen?“, wollte er neugierig wissen.
„Auch, ja!“
„Sie wissen wirklich wie Sie einem gestandenen Mann den Schweiß ins Gesicht treiben“, murmelte er und nahm sich auch einen Eiswürfel aus dem Becher um ihn über seine Stirn zu reiben.
„Das schaff ich schnell, ihn zu halten ist da schon eher das Problem. Ich schieb das immer auf meine Mutter, die ich nie kennenlernen durfte, damit bin ich eigentlich immer sehr gut gefahren“, konterte sie.
„Ich schieb immer alles auf meine Geschwister, ich bin das Mittlere von sechs Kindern“, erzählte er aus seinem Leben.
„Wow, das erklärt Ihre Berufswahl, Sie sind gern mal alleine an abgeschiedenen Plätzen“, schlussfolgerte sie.
„So ganz allein war ich dort leider nicht, bin ganz froh jetzt wieder nach Hause zu kommen, mit sechs Forschern aus vier Ländern über sechs Monate in einer Metallkiste eingesperrt zu sein, schlaucht ziemlich“, bemerkte er.
„Hat Sie zu sehr an zu Hause erinnert, was?“
„Ja, woher wissen Sie das?“
„Ich war Pflegekind bis ich volljährig war, die größte Anzahl an „Geschwistern“ die ich hatte waren sieben, ich hab jeden einzelnen von ihnen gehasst“, erklärte sie.
„Du warst das ganze Leben ein Pflegekind?“, legte er plötzlich die Förmlichkeiten ab.
„Nein, nur die Jahre 10-18, davor war ich im Kinderheim. Wollten wir das Thema nicht lassen?“
„Ja, sorry, Miss Mills!“, entschuldigte er höflich.
„Bleib ruhig bei dem du, Miss Mills hört sich an wie eine Grundschullehrerin. Ich bin Page!“
„Quentin, meine Freunde nennen mich aber Quen!“
„Dann nenn ich dich Quen, du bist mein Freund weil du mir das Leben gerettet hast und das mit Nachdruck. Du hast mir fast die Brust zerquetscht, Junge“, öffnete sie ihren Krankenhausmantel und zeigte ihre Brust.
„Äh … okay“, war er verwirrt von ihrer Offenheit.
„Die sagten mir, ich wäre mit nichts am Körper hier eingeliefert worden, du hast mich sicher nackt gefunden, mach nicht so’n Gedöns“, frotzelte sie.
„Du hattest nen Cocktailkleid oder so was an, oder das, was davon übrig war. Wie rennst du eigentlich mitten im Winter rum frag ich mich grad?“
„Ich hatte eigentlich ne Jacke drüber, keine Ahnung, wo die geblieben ist. Verdammt, da war mein Smartphone drin und meine Schlüssel“, stellte sie fest.
„Die liegen vermutlich inzwischen am Meeresgrund oder sie landet bei meinen Kollegen, was ich aber nicht denke. Erzählst du mir, was diesen Kerl veranlasst hat, dich von einem Kreuzfahrtschiff zu schupsen?“, wollte er wissen.
„Es war ne Single-Kreuzfahrt und er war nicht Single. Meine Freundin hat ihn gemeldet und das hat er nicht wirklich prickelnd gefunden. Nicht mal ich selbst bin schuld daran“, erläuterte sie.
„Eine Single-Kreuzfahrt? Meine älteste Schwester hat so was mal mitgemacht, aber die ist fast 40 und schon echt verzweifelt. So alt bist du doch nicht, oder?“, neckte er sie.
„Hey, ich bin von Dienstwegen her bevollmächtigt Leute zu erschießen, sei bloß brav. Ich bin gerade 32 geworden“, moserte sie.
„Das bin ich auch“, bemerkte er erfreut.
„Oh, toll, flechten wir uns Zöpfe und erzählen uns Gruselgeschichten“, bemerkte sie sarkastisch.
„Du versteckst dich gern hinter Sarkasmus, was?“
„Deinen Doktortitel hast du wohl in Psychologie, richtig?“
„Nein, Mikrobiologie, ich arbeite mit Viren und Bakterien größtenteils“, erklärte er und sie spuckte den Eiswürfel aus, den sie sich grad in den Mund gesteckt hatte.
„So ne Reaktion kommt meistens, wenn ich das sage, wir Mikrobiologen gehören zu den reinlichsten Medizinern überhaupt, deshalb sehe meine Hände auch so aus“, zeigte er seine wunden Finger.
„Nein, das kommt davon, dass du dir die Hände nicht einschmierst, das dürfen auch Männer machen, weißt du?“, schmunzelte sie und lächelte ihn an. Er lächelte zurück. Ihr vertrauter Moment wurde von der Schwester gestört, die zu ihnen kam.
„Hey, Sie sind wieder wach, gut, wir haben uns kurz Sorgen um Sie gemacht, Ihre Werte sehen aber gut aus. Auch Ihr Herz hat die Strapazen gut überstanden, das Ding ist manchmal widerspenstiger als man denkt. Und Sie wohnen jetzt hier?“, fragte die Schwester kopfschüttelnd über die Tatsache, dass er immer noch an ihrer Seite war.
„Ich pass auf sie auf, bis Ihre Freundin es hierher schafft“, erklärte er.
„Ihre Freundin wird vermutlich nicht hierher kommen, ist ziemlich aufwendig von Anchorage hier herzukommen. Wäre besser wenn ein erfahrener Kanadier Sie nach Anchorage fährt“, schlussfolgerte die Schwester und sah zu Quentin.
„Euch auf dem Land hier ist echt langweilig, oder? Der Doc hat mich schon dazu gebracht noch ne Woche zu bleiben, ich bring sie dorthin, schon gut“, versicherte er.
„Das steckt also dahinter, du wirst dazu gezwungen“, schlussfolgerte Page aus dem Gespräch.
„Nein, ich mach’s gern!“
„Das klingt aber nicht so!“
„Stör ich euch beiden bei irgendwas?“, war die Schwester verwirrt.
„Nein, ich bin schon weg“, grummelte Quentin und stand auf.
„Bitte, nicht gehen“, sagte sie liebevoll und packte ihn an der Hand.
„Du bist eine echt komplizierte Frau“, murmelte er nur und setzte sich wieder hin. Sie hielt seine Hand fest, als wollte sie sicher gehen, dass er blieb.
„Wie geht’s ihr, Schwester?“, wollte Quentin wissen.
„Dafür dass sie eigentlich tot sein sollte nicht schlecht, ich häng nachher noch mal eine Runde Kochsalzlösung an, nur um sicher zu gehen, dass ihr Körper alle Flüssigkeiten bekommt, die er braucht“, erklärte sie ihm.
Plötzlich kam Unruhe auf, als eine Handvoll Arztassistenten mit ihrem Oberarzt in ihr Zimmer kamen.
„Dr. Zimmerman, was soll das hier? Meine Patientin braucht Ruhe“, raunzte die Schwester den Oberarzt an.
„Ich möchte meinen Assistenzärzten nur die Auswirkung von Hyperthermie zeigen und sie als Beispiel präsentieren, wie ein Körper damit perfekt umgeht“, erklärte Dr. Zimmerman.
„Ist das in Ordnung für Sie, Miss Mills?“
„Ich bin nackt hier angeliefert worden, vermutlich hat mich schon das halbe Krankenhaus nackt gesehen, tun Sie sich keinen Zwang an“, entgegnete sie und löste ihren Handgriff.
„Ich geh kurz raus, ich muss dringend was essen, ich werde das Krankenhaus nicht verlassen, versprochen“, ging Quentin nach draußen.
„Ihr Freund?“, fragte sie einer der Assistenzärztinnen keck.
„Nein, das ist der Mann, der mir das Leben gerettet hat“, sagte Page verträumt.
„Okay, wissen Sie wie lang Sie im Wasser getrieben sind?“, riss Dr. Zimmerman sie aus ihren Gedanken.
„17 Minuten und 37 Sekunden“, bemerkte sie sarkastisch.
„Woher wissen Sie das so genau?“, fragte Dr. Zimmerman fasziniert.
„Als Mediziner, der auch noch ausbildet, müssten Sie mit Sarkasmus eigentlich vertraut sein, Doc. Ich bin bewusstlos hier angeliefert worden, nachdem ich mir den Kopf schwer angeschlagen habe, ich bin froh, dass ich mich noch an meinen eigenen Namen erinnere“, erläuterte sie.
„Richtig, sorry. Wissen Sie es ungefähr?“, fragte er und sie sah ihn skeptisch an.
„Dürfen wir Sie jetzt entkleiden?“, bat er höflich.
„Sie wären nicht der erste Mann und sind sicher nicht der letzte“, erwiderte sie tonlos und er löste ihr Hemdchen hinter ihrem Nacken, so dass sie nur in einer dieser furchtbaren weißen Unterhöschen vor den Ärzten lag.
„Man wurde mir gesagt, dass Sie wiederbelebt wurden, da hat sich einer aber echt Mühe gegeben, wie oft wurde sie wiederbelebt hat ihr Begleiter gesagt?“, wendete sich Dr. Zimmerman an die Schwester.
„Dreimal, soweit wir wissen!“
„Faszinierend und ihr Herz ist jetzt stabil und schlägt regelmäßig. Bei keinem Mal wurde ein Defibrillator verwendet, sonst würden wir auf ihrem Körper Markierungen erkennen. Der Junge hat sie dreimal nur mit eigener Kraft wiederbelebt? Hat er medizinische Kenntnisse?“
„Er ist Doktor der Biologie, nen bisschen wird er sich vermutlich schon mit dem Körper auskennen“, warf Page ein.
„Er hat wirklich gute Arbeit geleistet, etwas zu enthusiastisch, aber gute Arbeit“, bemerkte Dr. Zimmerman.
Er erklärte noch ein paar Minuten ihre Symptome, dann packte er sie wieder fest ein.

Sechstes Kapitel

 
„Ich hätte gern einen Schlafanzug, dieses Hemdchen ist so unangenehm auf der Haut“, erklärte sie ihm, als sie spät an diesem Tag, als es schon dunkel wurde zusammen in ihrem Krankenzimmer waren.
„Ich besorg dir morgen ein Schlafanzug, wenn ich mir einen Hotelzimmer gesucht habe“, versprach er.
„Das musst du nicht machen!“
„Ich mach’s aber gern, aus ägyptischer Baumwolle wird er aber nicht sein“, entschied er.
„Normale Baumwolle reicht, danke“, bedankte sie sich.
„Welche Größe brauchst du? Ich will mich nicht blamieren und die falsche Größe kaufen!“
„M ist in Ordnung, wenn du bei einer dieser Tussen-Shops bist, nimm lieber L“, bat sie.
„Also keine Einhörner und Feen drauf?“
„Ja, bitte nicht“, lächelte sie ihn an.
„Ich bin wirklich gern bei dir“, sagte er plötzlich.
„Tu das nicht“, bat sie.
„Was tu ich denn?“
„Verliebt dich nicht in mich, ich bin zu kompliziert und diese ganze Situation noch mehr“, bat sie.
„Ich bin nur nett, ist lange her, dass jemand nur nett zu dir war, ohne was zu wollen, oder?“, realisierte er.
„Ja, anscheinend, tut mir leid“, entschuldigte sie sich.
„Schon gut, schlaf etwas, ich geh mit dem Doc Poker spielen im Keller, ich bin aber immer in der Nähe, wenn du mich brauchst“, stand er auf. Sie nickte und döste dann weg.
 
„Miss Mills“, wurde sie sanft geweckt.
„Noch fünf Minuten“, murmelte sie benommen.
„Ihre Freundin ist am Telefon“, hörte sie die Schwester sagen und ihr wurde schlagartig wieder klar, wo sie war.
„Oh, okay“, nahm sie das Telefon entgegen.
„Page?“, hörte sie Anas Stimme. Sie klang seltsam.
„Süße, was ist los?“
„Du bist fast gestorben“, bemerkte sie weinerlich.
„Ist keine fünf Jahre her, da hatten wir das gleiche Gespräch, mir geht’s gut, nur diesmal ist es der Idiot, der eine kugelsichere Weste braucht um zu überleben“, erklärte sie schläfrig.
„Sei mal ernst, Page!“
„Ich bin todernst, er stirbt, wenn ich ihn in die Finger bekomme“, entschied sie trocken.
„Ich weiß, deshalb werden die Kollegen in Anchorage ihn weggebracht haben, bevor du dort ankommst“, erklärte sie.
„Ach man, ich bring ihn schon nicht um“, murrte sie.
„Sie haben mir zehn Minuten mit ihm versprochen, ich werde dich schon würdig vertreten“, versicherte sie.
„Ich mach mir Sorgen um dich“, sagte Page plötzlich.
„Wieso? Du bist diejenige im Krankenhaus!“
„Du bist allein auf einem Schiff mit notgeilen Männern, so erfahren bist du nicht“, entgegnete Page.
„Eric hat mich in den letzten Stunden gut unterstützt, ich komm hier schon klar!“
„Du hast dir wohl den richtigen geangelt und ich mal wieder, wie so oft, den falschen. Pass trotzdem auf, okay?“, bat Page.
„Ja, mach ich. Was ist mit deinem Schutzengel? Ist er süß?“
„Ja, aber nicht wichtig, er steht nicht auf mich!“
„Schade, aber wer dich nicht wie eine Prinzessin behandelt ist es auch nicht wert“, erwiderte sie.
„Das ist grade das Problem, das tut er, behauptet aber, er macht das nur aus reiner Nächstenliebe“, erklärte sie ihr.
„Meine Güte, du hattest noch nie nen Kerl, der sich bei dir Mühe gegeben hat, oder? Er steht auf dich, ganz sicher“, schlussfolgerte Ana.
„Du bist zu romantisch eingestellt manchmal, manchmal gibt es Männer, die nicht auf mich stehen, passiert“, glaubte sie ihr nicht.
„Gib ihn nicht gleich auf, manche Männer brauchen einfach etwas länger“, versicherte Ana.
„Ich werde es versuchen, aber wir sind so weit auseinander, auf so viele Arten und Weisen“, philosophierte sie.
„Warum bist du plötzlich so schüchtern, wenn du den Kerl willst, hol ihn dir“, riet sie ihr.
„Ich fühl mich immer noch, als hätte ich eine Woche in einer Kühlkammer übernachtet, darüber mach ich mir grade keine Gedanken“, entschied Page.
„Doch tust du, merk ich doch. Gibst du ihm deine Nummer?“
„Denk schon, ich verdank ihm so viel“, überlegte sie laut.
„Ich würde ihn gern treffen, schaffst du es pünktlich nach Anchorage für den Rückflug?“, wollte Ana wissen.
„Keine Ahnung, ich hoffe es, ich muss schauen, was mein Arzt sagt“, erklärte sie ihrer Freundin.
„Ich bin nur froh, dass es dir gut geht, wie lang deine Heilung auch dauern sollte“, bemerkte Ana.
„Hast du den Boss schon angerufen?“
„Ja, er meint auch, du sollst dir Zeit lassen. Ist er grad bei dir?“
„Quentin meinst du? Nein, sie haben ihn entlassen, er nimmt sich ein Hotelzimmer und besorgt ein paar Sachen für mich!“
„Ja, hab gehört, die haben dich fast nackt gefunden, für dich ist das also fast wie jede Samstag-Nacht gewesen“, schmunzelte Ana.
„Nicht witzig, damit ist jetzt Schluss, Zeit erwachsen zu werden“, realisierte Page.
„Okay, man sagte mir, dass du dir den Kopf gestoßen hast, aber das ist verrückt, ich red schon drei Jahre auf dich ein und plötzlich ist alles anders?“, wunderte sie sich.
„Tut mir leid, dass ich so ein Dickkopf war“, entschuldigte sich Page.
„Okay, jetzt machst du mir Angst, hör auf“, wurde Ana nervös.
„Ich meins ernst, ich hab dich lieb, Süße“, wurde Page sentimental.
„Stirbst du?“, begann Ana zu weinen.
„Ja, ich sterbe, An‘, wir alle sterben irgendwann, aber nicht in nächster Zeit, also hör auf zu weinen“, bat sie.
„Dann hör auf so zu reden, du erschreckst mich zu Tode“, schluchzte Ana.
„Ich soll doch mehr Emotionen zeigen, jetzt ist es auch nicht mehr richtig“, murrte Page.
„Nein, ich hab dich auch lieb, Süße, es kam nur grad so überraschend“, riss sich Ana zusammen.
„Sorry, ich wollte dich nicht aufregen, du hast sicher höllische Stunden hinter dir, wenn es dich beruhigt, ich war jetzt stundenlang wie ein Burrito eingewickelt, nicht sehr angenehm, das kann ich dir sagen“, entgegnete Page.
„Glaub ich dir. Gib mir nochmal die Schwester, ich möchte mit ihr reden“, bat Ana und Page rief die Schwester, die das Telefon entgegennahm.
 
Als Quentin eine Stunde später in ihr Zimmer kam, war es leer.
„Page?“, rief er verwundert.
„Toilette“, rief sie aus dem Badezimmer.
„Darfst du aufstehen?“, rief er zurück.
„Ich will nicht in eine Schale pinkeln, also muss ich wohl oder übel aufstehen“, entschied sie und öffnete die Tür.
Auf ihren Tropf gestützt stand sie geschwächt vor ihm.
„So wie du aussiehst solltest du echt nicht aufstehen“, stützte er sie ab.
„Was für ein Charmeur du bist. Hast du ein Hotelzimmer gefunden?“
„War schwierig, ist hier ein ziemliches Kaff, aber ja, hab ich. Hier sind deine Sachen“, legte er eine Tüte mit Sachen auf das Bett.
„Vielen Dank, ich zahl’s dir zurück. Danke, dass du hier bleibst“, bedankte sie sich.
„Ich muss ehrlich sein, ich vermeide auch etwas nach Hause zu kommen, meine Vorgesetzten werden nicht glücklich darüber sein, dass ich das hier alles abgezogen habe“, erklärte er und half ihr wieder ins Bett.
„Du kriegst Ärger, weil du mir geholfen hast? Das ist nicht fair!“
„Das Leben ist nicht fair manchmal, aber mach dir darüber keinen Kopf, das klär ich schon irgendwie. Soll ich dir beim Umziehen helfen?“, wollte er wissen.
„Das hättest du wohl gern, ich bitte nachher die Schwester darum, wenn sie meinen Tropf abnimmt, hoffentlich der letzte, ich hab die Dinger langsam satt!“
„Glaub ich dir. Was hat der Arzt gesagt, wann du raus kannst?“
„Er war noch nicht da heute, vermutlich nicht in nächster Zeit. Wie ist das Wetter draußen?“
„Normaler kanadischer Winter, doch für dich vermutlich traumatisch“, erwiderte er.
„Wir hatten fast 20 Grad unter null in Nebraska als ich da weg bin, ich komm schon damit klar“, entschied sie.
„Minus 20 Grad, süß“, schmunzelte er.
„Hast du an warme Klamotten für mich gedacht?“
„Winterjacke, Winterstiefel, alles da drin, ich verbringe die Hälfte des Jahres in der Kälte, das ist für mich normale Kleidung“, konterte er.
„Gut, du bist auch verdammt bleich, wann hast du das letzte Mal die Sonne gesehen?“
„Ich seh jeden Tag die Sonne, na ja außer meiner Zeit in Finnland, wo ich die Nordnacht erlebt habe, drei Monate Dunkelheit, das ist echt deprimierend!“
„Du bist viel rumgekommen, was?“
„Ich muss wegen meiner Arbeit viel reisen, das stimmt schon, das macht mich deswegen zum einzigen in meiner Familie ohne Frau und Kinder“, überlegte er laut.
„Ja, das ist blöd, ich werde auch blöd angesehen, weil ich noch keine Familie habe, aber ich kann immer die Ausrede bringen, dass ich es verantwortungslos finde, als Cop Kinder zu haben“, erklärte sie und sah in die Tüte mit den Sachen.
„Cops können Kinder bekommen, das weißt du schon, oder?“
„Das können auch Leute, die viel reisen, du hast deine Ausrede, ich hab meine. Unterhosen mit Blümchen, ernsthaft?“
„Tut mir leid, euer Hochwohlgeboren, der La Perla-Shop hatte zu“, schmunzelte er.
„Schon gut, will ich wissen, woher du dich mit Unterwäsche auskennst?“
„Ich würde ja cool sagen, dass ich schon in manchen Damenhöschen war, aber meine Ex hat in einer Dessous-Boutique geschafft, da schnappt man Sachen auf!“
„Wie lange ist deine letzte Beziehung her?“, fragte sie neugierig.
„Ne Weile, deine?“
„Ne Weile länger, nehm ich mal an“, bemerkte sie und in dem Moment entstand eine sexuelle Spannung zwischen den beiden, wie sie dort beide sich ansehend auf ihrem Bett saßen.
„Morgen, ich kann auch wiederkommen“, kam der Doc zu ihr um sie zu untersuchen.
„Nein, ich bin schon weg. Sag mir, wenn was nicht passt, dann tausch ich es um“, stand er vom Bett auf und ging aus der Tür.
„Er hat Ihnen Sachen gebracht, nett. Sind Sie grad aufgestanden?“, wunderte sich der Doc, als sie so halb im Bett saß.
„Musste pinkeln!“
„Ah, wie fühlen Sie sich?“
„Mein Kopf fühlt sich an, als wäre ich irgendwo angestoßen und wenn ich pinkle könnte ich dabei heulen, alles andere geht eigentlich. Das Zeug, mit dem mich die Schwester einölt ist ein Segen für meine Haut“, sagte sie gut gelaunt.
„Junge Dame, Sie hatten wirklich tausende Schutzengel. Ich will Sie noch ein paar Tage wegen dem Kopf dabehalten, aber wenn es Ihnen in drei Tagen besser geht, dürfen Sie gehen“, entgegnete der Mediziner.
„Wirklich? Danke, Doc“, freute sie sich.
„Ihr Herz ist stark und hat das gut überstanden und Ihre Erfrierungen sind minimal, was ich immer noch nicht verstehen kann. Mich würde immer noch brennend interessieren, wie lange Sie in dem eiskalten Wasser gelegen haben, aber das wird vermutlich ein Geheimnis bleiben. Wegen dem Wasser lassen müssen wir behandeln, Sie haben vermutlich ne Nierenentzündung wegen der Kälte, ich geb Ihnen was, dann müsste das in den nächsten drei Tagen besser gehen“, versprach der Arzt.
„Danke, Doc. Dann krieg ich noch meinen Flug, ich werde nur Silvester hier drin sein, aber ich habe meine Neujahrspläne schon in die Tat umgesetzt“, erklärte sie.
„Sie sollten auch das Rauchen lassen, Ihre Lunge sieht nicht gut aus und irgendwann hören auch die Entzugserscheinungen auf“, versprach der Arzt.
„Ist das so offensichtlich?“, war sie peinlich berührt.
„Da Sie ein Cop sind, hab ich Drogen ausgeschlossen, dafür sind Sie auch zu fit, Ihre Leberwerte könnten besser sein, abhängig sind Sie aber entweder noch nicht lange oder nicht intensiv, also bleiben nur die Zigaretten. Ich hab vor einem Jahr nach zwanzig Jahren Rauchen aufgehört, das schaffen Sie auch“, versicherte er.
„Hab es meiner Kollegin versprochen, sie hatte mir auch einer dieser Sprays gekauft, aber der liegt jetzt auf dem Boden des Ozeans zusammen mit meiner Jacke und meinem Smartphone“, entschied sie.
„Ich besorg Ihnen nen Nikotin-Pflaster für den Anfang, aber kein Wort wo Sie das herhaben“, konterte er.
„Ich halt ja nichts von Klischees, aber ihr Kanadier seid echt so nett wie man sagt“, schmunzelte sie.
„Und das sind wir gern“, versprach er und begann sie zu untersuchen.

Siebtes Kapitel

 
Wie versprochen konnte sie drei Tage später das Krankenhaus verlassen.
„Geht’s?“, fragte Quentin fürsorglich, als sie zu seinem Mietwagen gingen.
„Ja, mir geht’s gut, aber wenn du mich das nochmal fragst, dir vielleicht nicht mehr“, murmelte sie.
„Sorry, ich frag dich das zu oft. Du siehst immer noch nicht gut aus“, entschuldigte er sich.
„Aber ich durfte gehen und das ist das Wichtigste. Lass uns gehen, mein Flieger geht in zwei Tagen und ich will drin sitzen“, bat sie.
„Man, du kannst es kaum erwarten Kanada wieder zu verlassen“, schlussfolgerte er.
„Ihr Leutchen seid alle überaus nett zu mir gewesen, aber ich möchte wieder in meinem eigenen Bett liegen und gesund werden“, bemerkte sie schwach.
„Du musst was essen, wir fahren eine Weile“, schlug er vor und drückte ihr eine Tüte mit Essen in die Hand.
„Oh ja, danke, dass Essen in euren Krankenhäusern ist genauso mies wie in unseren“, griff sie beherzt in die Tüte und steckte sich einen Bagel in den Mund.
„Da hab ich keinen Vergleich, ich lag mal in einem Krankenhaus in Norwegen, da war das Essen gut. Lass uns fahren“, öffnete er ihr die Beifahrertür.
 
Sie schlief fast die ganze Fahrt über. Auf dem halben Weg übernachteten Sie in Whitehorse.
„Eure kleinen Städtchen sind echt entzückend“, erwiderte sie, als sie an diesem Abend noch etwas spazieren gingen.
„Ich bin zwar noch nicht so oft in den Staaten gewesen, aber die habt ihr auch, oder?“
„Ja, aber bei uns hängen überall nur Hinterwäldler rum, das ist viel angenehmer. bemerkte sie zufrieden.
„Haben die dir irgendwelche Schmerzmittel verschrieben? Du wirkst so entspannt und glücklich“, wunderte er sich über die Zufriedenheit seiner Bekannten.
„Nein, nur was gegen die Nierenentzündung. Ich bin nur in netter Begleitung und das ist nett winterlich geschmückt hier, mehr nicht“, erklärte sie zufrieden und lächelte ihn an. Er lächelte zurück.
„Ich weiß, du stehst nicht auf mich, aber ich geb dir meine Festnetznummer, ruf mich mal an“, bat sie und schrieb ihm ihre Nummer auf.
„Du hast noch ne Festnetznummer? Ich dachte ihr Amis habt jetzt alle nur Mobiltelefone!“
„Mein Handy ist auf dem Boden des Meeres, ich geb dir meine neue Nummer, wenn ich ein Neues habe. Du musst mir deine nicht geben, du hast schon genug für mich getan“, druckste sie herum.
„Hier, ich bin in nächster Zeit vermutlich darunter erreichbar, weiß aber nicht wie lang ich im Land bin“, schrieb er ihr seine Nummer auf ein Taschentuch.
„Ich werde anrufen“, schmunzelte sie und steckte die Nummer in die Tasche, die sie sich mit dem Geld gekauft hatte, was Ana ihr zusammen mit ihrem Reisepass und ihren andren Sachen geschickt hatte.
„Wo bist du eigentlich geboren? Du arbeitest ja anscheinend in Alaska“, wollte sie wissen.
„Geboren in Toronto, aufgewachsen in Thunder Bay in der Nähe von Ontario, du?“
„Geboren, aufgewachsen und vermutlich sterben werde ich in Lincoln, Nebraska, soweit aus dem Land raus war ich noch nie“, erklärte sie ihm.
„Und anscheinend gefällt es dir. Du solltest öfters reisen!“
„Ja, sollte ich, aber ich hab für diesen lausigen Trip schon mein ganzes gespartes Geld ausgegeben. Ich bin nicht so gesegnet für meinen Job reisen zu können“, konterte sie.
„Ja, natürlich, da bin ich gesegnet, aber ich würde auch gern mal eine Weile zu Hause bleiben, wo auch immer das ist“, konterte er.
„Ja, stell ich mir auch schwierig vor. Wie ist Anchorage? Könntest du dir da vorstellen sesshaft zu werden?“
„Ist halt Alaska, sehr wenig Frauen, sehr viele Männer“, sagte er nur.
„Ist bei uns nicht besser, die heißen Kerle sind nur alle Mistkerle oder Verbrecher!“
„Nicht zu vergessen die kriminellen Mistkerle“, schmunzelte er.
„Ja, genau“, schmunzelte sie amüsiert.
 
„Das ist nur ein Bett“, standen die beiden an diesem Abend vor dem Hotelzimmerbett.
„Guter analytischer Blick, Officer“, schmunzelte er.
„Du stehst also doch auf mich“, konterte sie trocken.
„Keine Sorge, ich schlaf auf dem Sessel“, zeigte er auf den Sessel im Eck.
„Sei nicht albern, wir sind beide erwachsen, wir können beide in dem Bett schlafen. Der Schlafanzug, den du mir gekauft hast ist eh abtörnend“, witzelte sie.
„Er ist aus Frottee und warm“, murmelte er.
„Ja, er ist sehr angenehm zu tragen, das ist schon wahr. Ich werde mich fürs Bett fertig machen“, entschied sie nachdenklich und ging in das kleine Badezimmer.
 
„Hey, hast du einen Moment?“, rief Quentin, Lago an.
„Weißt du wie spät es ist?“, murmelte Lago.
„Du müsstest grad mit dem Masturbieren fertig sein“, konterte Quentin cool.
„Man, wir waren echt viel zu lange Zimmerkameraden“, murmelte Lago beschämt.
„Ja, viel zu lange. Bist du wach?“
„Ja, bin wach, also was gibt’s?“
„Ich hab mich verknallt!“
„Hör zu, Kumpel, die Nächte waren hier lang und kalt, aber meine Mutter wäre ziemlich dagegen, wenn ich was mit dir anfange“, begann Lago.
„Witzig, ich meine unsere kleine Meerjungfrau, wir sind uns so ähnlich, ich musste die ganze Fahrt über nachdenken, wie ich mit ihr eine Familie gründen könnte, ich hab so noch nie gefühlt“, gestand er.
„Man, du warst echt zu lang hier, das macht einsam“, entgegnete Lago cool.
„Ich meins ernst, Lag!“
„Dann sag’s ihr und lass mich schlafen“, bat Lago.
„Gut, mach ich, gute Nacht und sag Raiden nen Gruß von mir, ich hör sie neben dir atmen“, schmunzelte er und legte wieder auf.
 
In den Hotelpantoffeln schlurfte Page in ihrem Pyjama aus dem Badezimmer. Als sie an dem Bett vorbeilief, folgte er ihr mit seinen Augen.
„Was?“, fragte sie verwundert.
„Du siehst auch in dem Pyjama sexy aus“, flirtete er mit ihr.
„Was soll das jetzt?“, fragte sie verwundert.
„Was denkst du?“, säuselte er.
„Du solltest vielleicht doch auf dem Sessel schlafen“, entschied sie kühl.
„Sicher, hab eh nichts dabei, in dem ich schlafen könnte“, erwiderte er etwas enttäuscht und setzte sich auf den Sessel.
Er schlief schnell ein, aber sie sah ihm beim Schlafen zu. Er war ein attraktiver Mann, ohne Zweifel, aber die Stimmung, die er aussendete, war so verwirrend.
 
Als Quentin am nächsten Morgen mit Nackenschmerzen auf dem Sessel aufwachte, war seine Begleiterin nicht mehr da.
„Page?“, rief er, aber keiner antwortete ihm.
Hektisch eilte er aus dem Hotelzimmer, um nach seinem Mietwagen zu sehen.
Page lehnte an den SUV und schlürfte eine heiße Schokolade.
„Gut, du bist schnell draußen, wir müssen weiter“, stieß sie sich mit dem Fuß von der Tür ab und stieg ein.
„Wo warst du?“, fragte er keuchend.
„Ich war ne Runde Eiskunstlaufen“, bemerkte sie sarkastisch.
„Hast du mir auch einen mitgebracht?“, wollte er kopfschüttelnd wissen.
„Steckt schon im Getränkehalter im Wagen, ich trink aber heiße Schokolade, der Arzt hat mir Kaffee für die nächste Zeit verboten“, erklärte sie.
„Du hältst dich ja brav an die Anweisungen des Arztes, löblich, ich muss noch meine Sachen holen, dann können wir los. Du hast nicht zufällig auch was zu essen gekauft, oder?"
„Cronuts liegen auch im Auto, wusste gar nicht, dass die schon zu euch rüber geschwappt sind“, konterte sie nur.
„Cronuts?“
„Richtig, Weltenbummler, eine Mischung aus Donut und Croissant, richtig lecker!“
„Klingt wirklich genial, für den Cop mit Geschmack, was?“, frotzelte er.
„Ja, so in etwa. Hol deine Sachen, ist schon fast sieben, wir müssen los!“
„Bin gleich wieder da!“, eilte er zurück ins Hotel.
 
„Cronuts sind echt genial, da hast du echt recht“, mampfte Quentin, als sie Richtung Anchorage fuhren.
„Sag ich doch. Reden wir darüber, was gestern passiert ist?“
„Was ist gestern passiert?“
„Das heißt dann wohl nein. Man, Ana sagt immer, ich würde Männer wie Idioten behandeln, manchmal hab ich einfach Recht“, murrte sie.
„Ich mag dich, Page, das ist hier einfach nur alles viel zu kompliziert“, gestand er ihr.
„Siehst du? War das so schwer?“, konterte sie und schwieg dann.
„Argh, Weib, ich hab dir grad meine Gefühle gestanden, kannst du was dazu sagen?“
Wortlos zog sie seinen Kopf zu sich und küsste ihn.
„Warte kurz“, hielt er an und bremste am Straßenrand. Sie stieg auf seinen Schoß und küsste ihn weiter.
„Hör auf, wir müssen weiter“, drückte er sie nach ein paar Minuten weg.
„Ja, wir müssen weiter, leider“, ließ sie von ihm ab und er ließ den Wagen wieder an.
 
Es war schon fast Mitternacht, als sie endlich in Anchorage ankamen.
„Wo treffen wir sie?“, fragte er, als sie die Autobahn verließen.
„Am Hafen, sie fahren erst in drei Stunden ein, wir müssen auf sie warten. Ich kann auch allein warten“, entschied sie.
„Ich lass dich sicher nicht allein am Hafen warten“, bemerkte er.
„Gut, ich hab nämlich Schiss das allein zu machen. Ich würde gern solang etwas schlafen“, erklärte sie müde.
„Können wir davor noch klären, was das mit uns ist?“
„Wir können es versuchen“, stimmte sie zu.
 
Sie fuhren zum Hafen und redeten eine Weile, Page war aber von der Reise so erschöpft, dass sie schnell einschlief. Er, nicht weniger erschöpft, nahm sie in seinen Arm und landete auch schnell im Land der Träume.
Sie wurden geweckt, als jemand an die Fahrertür klopfte.
„Morgen, Sie wollten geweckt werden“, tönte eine gutgelaunte Ana ihnen entgegen, als Quentin das Fenster öffnete.
„Ana?“, fragte Page schläfrig.
„Ich will euch Turteltäubchen nicht stören“, bemerkte sie amüsiert.
„Komm schon“, löste sich Page von Quentin und stieg aus.
„Hey, komm her“, entgegnete Ana und drückte Page fest.
„Au, nicht so fest, ich bin ziemlich schmerzempfindlich“, bat Page und Ana löste ihren Griff.
„Sorry. Wie geht’s dir?“
„Dafür dass ich da runtergefallen bin, ziemlich gut, denk ich“, zeigte sie auf das Ausflugsschiff, was im Hafen lag.
„Ja, es sieht gigantisch aus von hier. Stellst du mir deinen Retter vor?“, hoffte sie und Page machte ein Zeichen, dass Quentin aussteigen sollte.
„Quentin, das ist meine beste Freundin, Ana, das ist Quentin“, stellte sie beide gegeneinander vor. Wortlos fiel Ana, Quentin um den Hals.
„Okay, gern geschehen“, war Quentin überrascht.
„Ich kann dir gar nicht genug danken, ich wüsste nicht, was ich ohne sie machen würde“, bedankte sich Ana.
„Seid ihr beiden…?“, wollte er wissen.
„Man, ich hätte das mit meinen bisexuellen Tendenzen nicht erzählen sollen. Fährst du uns zum Flughafen?“, fragte Page, Quentin müde.
„Sicher, muss das Auto eh da abgeben. Also?“, wollte er neugierig wissen.
„Jungfrau, Schlampe, kein Paar“, zeigte Page erst auf Ana und dann auf sich.
„Klingt wie der Titel von nem Porno“, witzelte er.
„Es ist mitten in der Nacht, fahr einfach“, murrte Page und stieg wieder ein.
„Hattet ihr Sex auf dem Rücksitz?“, wollte Ana plötzlich wissen, als sie auf dem Rücksitz einstieg.
„Nein!“
„Wollt’s nur wissen, dann hätte ich mich vor dem Flug noch umziehen müssen“, bemerkte Ana.
„Als Biologe bin ich neugierig was die Jungfrau-Sache angeht“, sprach Quentin an, als sie auf dem Weg zum Flughafen waren.
„Bleib neugierig!“, murmelte Ana müde.
„Deine Wurzeln sind aus dem Nahen Osten, deshalb nehm ich mal an, es ist was religiöses“, riet er.
„Gratuliere, du hast mein tiefstes Geheimnis gelüftet“, murmelte Ana, während sie eindöste.
„Was ist mit dem Kerl, den du auf dem Dampfer kennengelernt hast?“, wollte Quentin wissen.
„Ihr habt wohl viel Zeit zum Reden gehabt, was?“
„Ja, ein bisschen zu viel, sorry. Ich würd es auch gern wissen“, warf Page ein.
„Er wohnt in Boston, diese ganze Reise war so eine idiotische Idee“, sagte sie nur.
„Tut mir leid, Süße“, bemerkte Page ehrlich und einfühlsam.
„Schon gut, wenigstens ist das mit euch gut ausgegangen“, bemerkte Ana nachdenklich.
„Wir haben entschieden nur Freunde zu sein, wir haben das gleiche Problem“, sagte Page nur.
„Oh nein, macht das nicht!“
„So ist es einfacher“, bemerkte Page trocken und sah Quentin traurig an.
„Für wen ist es einfacher?“, ließ Ana nicht locker.
„Wir haben uns lange unterhalten, lass es einfach gut sein!“
„Gut, ist nur schade. Ist aber schon witzig, dass er hier wohnt“, überlegte sie laut.
„Weißt du was noch witziger wäre? Wenn er bei mir in der Nachbarschaft wohnen würde und ich mit ihm eine vernünftige Beziehung eingehen könnte“, murmelte Page sarkastisch.
„Ist sie eigentlich immer so sarkastisch?“, wollte er von Ana wissen.
„Nur, wenn sie wach ist und wenn sie getrunken hat ist sie manchmal auch ganz nett“, schmunzelte Ana.
„Du bist auch ein Cop?“, wollte Quentin von Ana wissen.
„Jep!“
„Hast du schon mal ne Leiche gesehen?“
„Es ist viel zu spät für solche Fragen, Kleiner, fahr einfach, bitte“, bat Ana.
„Kleiner?“, zog er die Augenbrauen hoch.
„Meine beste Freundin spielt gern die Mutterfigur, wenn dich das schon nervt, nimm das Mal zwölf Jahre“, witzelte Page.
„Bist du mich so satt?“, war Ana etwas betrübt.
„Wir sind wie ein altes Ehepaar, du hast sicher auch was, was du an mir ändern möchtest“, entgegnete Page.
„Auch diese Frage ist eine für einen anderen Zeitpunkt!“
„Wie war das Essen auf dem Schiff?“, änderte Page das Thema.
„Mittelmäßig“, war Ana erleichtert, dass Page das Thema gewechselt hatte.
„Also alles in allem eine mittelmäßige Reise“, schlussfolgerte Page.
„Na außer der Tatsache, dass ich fast die wichtigste Person in meinem Leben verloren habe“, konterte Ana und sah Page an, die ihr ihre Hand entgegen streckte, die sie ergriff.
„Ihr seid wirklich wie ein altes Ehepaar, aber das ist gut so!“, entschied Quentin.
„Hast du auch jemanden, den du deinen besten Freund nennen kannst?“, wollte Page wissen.
„Ich bin nie lang an einem Ort, Freundschaften sind da schwer, ich arbeite seit 8 Jahren mit Lago in regelmäßigen Abständen zusammen, ich könnte ihn als guten Freund bezeichnen“, entschied er.
„Er wohnt aber nicht hier, oder?“
„Barcelona!“
„Das ist auch nicht grade ums Eck, wie habt ihr euch kennengelernt?“
„Tief in Sibirien, in dem Jahr hab meinen kleinen Zeh verloren, erzählte er.
„Ach, das ist das Körperteil was dir fehlt“, realisierte Page.
„Ja, von den Körperteilen die einem abfrieren können, war der kleine Zeh noch am gnädigsten“, entgegnete er.
„Ist trotzdem eklig!“, erwiderte Ana.
„Find ich nicht!“, versicherte Page.
„Ihr habt also nicht miteinander geschlafen?“, wollte Ana wissen.
„Wir kennen uns erst ein paar Tage“, bemerkte Page.
„Ich hab dich schon mit Personen jeglichen Alters und Geschlechts erwischt, dessen Namen du nicht mal kanntest!“, stellte Ana klar.
„Die Zeiten sind endgültig vorbei!“
„Wirklich?“, wunderte sich Ana.
„Ja, wirklich“, sah Page, Quentin an.
„Okay, schön zu hören. Man, wir sind ja schon da“, bemerkte Ana, als sie am Airport hielten.
„Dann ist es wohl Zeit“, bemerkte Page traurig.
„Ich kann euch noch reinbegleiten, ihr habt ja noch etwas Zeit, ich lad euch auf einen Kaffee ein“, schlug Quentin vor.
„Auch wenn ich noch länger Zeit mit dir verbringen will musst du ins Bett, du hast seit zwei Tagen nicht richtig geschlafen, du musst ausgeschlafen sein, um deine Tat stichhaltig erklären zu können“, erwiderte Page.
„Ich bin wirklich sehr müde, da hast du Recht“, entschied er.
„Musst du von hier noch lang fahren?“
„Nein, ich wohne hier gleich ums Eck, ich bin eh alle paar Monate hier am Flughafen, deshalb war das praktisch“, erklärte er.
„Ja, versteh ich. Aber du hast keinen Flughafenlärm, der dich stört, oder?“
„Schon etwas, aber die wenige Zeit, die ich zu Hause bin, geht es. Hier kann ich stehen bleiben“, bremste er den Wagen. Gedankenversunken zog Page ihren Koffer aus seinem Kofferraum.
„Ich bin keine Person, die bettelt, aber es wäre schön, wenn du mich anrufst, wenn du zu Hause bist“, verabschiedete sich Quentin von Page, während Ana etwas abseits stand, um ihnen Privatsphäre zu geben.
 
„Ich werde dich anrufen, ganz sicher“, versicherte sie ihm und drückte ihn fest an sich.
„Das beruhigt mich. Komm gut nach Hause und pass auf dich auf, ich kann dich nicht nochmal retten“, schmunzelte er, sie küsste ihn kurz und ging durch die elektronische Tür in den Flughafen hinein.
„Und du pass auch gut auf dich auf, die Welt braucht mehr Helden wie dich“, entschied Ana und folgte ihrer Freundin.
 
Als sie im Flugzeug saßen, zog Page zwei Schnapsfläschchen aus dem Trolly der Flugbegleiterin.
„Hab schon Angst um dich gehabt, Süße, aber da bist du ja wieder“, bemerkte Ana trocken.
„Wir fliegen fast sechs Stunden, ich will einfach nur schlafen“, entgegnete sie müde, kippte die zwei Fläschchen herunter und schlief bald lautstark schnarchend ein.

Achtes Kapitel

 
Mit ihrer Sonnenbrille auf der Nase schob sich Page ein paar Stunden später durch die Menschenmenge am Flughafen von Lincoln hinter ihrer Freundin her.
„Mach langsam, An‘, wir haben es nicht eilig“, murmelte sie.
„Ich hab dich nicht gezwungen so viel zu trinken, Süße“, blieb Ana stehen.
„Hast mich aber auch nicht aufgehalten. Mir ist übel“, murrte Page.
„Setz dich hin, ich kauf dir was zum Trinken“, bat Ana und Page setzte sich erschöpft hin.
„Man, was für ein Häufchen Elend haben wir hier?“, hörte sie plötzlich die Stimme ihres Vorgesetzten.
„Boss? Was machst du hier?“, drehte sie sich um.
„War in der Gegend“, sagte er nur. Page erkannte den jungen Mann, der neben Chuck stand.
„Meine Partnerin denkt wohl, eine Kopfverletzung und ein Kater würden mir nicht ausreichen riesige Kopfschmerzen zu bekommen“, konterte sie trocken. Chucks Begleiter war CJ, sein Sohn und der Psychologe der Polizeistation.
„Ich geh nur mit meinem Dad essen, keine Hintergedanken“, versprach CJ.
„Und ganz zufällig willst du uns dazu einladen und plötzlich sitzen nur du und ich am Tisch“, realisierte Page und sah CJ kritisch an.
„Sag doch, sie ist zu clever für unsere Tricks. Dann sehen wir uns Montag für deine Evaluation“, bemerkte CJ und ging ein paar Schritte.
„Meine psychologische Evaluation ist doch erst in einem Monat“, rief sie ihm hinterher.
„Komm am besten gleich noch vor dem Dienst rein“, sagte CJ nur und ging weiter.
„Mach Ana nicht die Hölle heiß, das alles war meine Idee“, erklärte Chuck ihr.
„Dachte ich mir. Mir geht’s gut, Chuck“, versicherte sie ihrem Vorgesetzten.
„Du hast ein traumatisches Erlebnis gehabt, du musst darüber reden“, entschied er.
„Ich wäre zu CJ gekommen, wenn ich Hilfe gebraucht hätte“, behauptete sie.
„Süße, ich kenn dich schon fast so gut wie meinen eigenen Sohn, was glaubst du, warum ich extra 30 Meilen hier raus gefahren bin?“, schlussfolgerte Chuck.
„Dad, kommst du dann? Ich muss in einer Stunde wieder bei einem Termin sein“, rief CJ.
„Muss los, seh dich Montag“, ging Chuck seinem Sohn hinterher.
„Hey, hier hast du dein Wasser. Was ist?“, wollte Ana wissen, als sie zurückkam und ihr eine Flasche Wasser gab.
„Chuck war grad hier!“, sagte sie nur.
„Der Boss war hier? Warum das denn?“
„Hatte CJ im Schlepptau!“, ergänzte sie.
„Ich hab ihm nichts gesagt“, versicherte sie.
„Ich glaub dir!“
„Hast du sie abblitzen lassen?“
„Was denkst du?“, wollte sie wissen und nahm einen großen Schluck aus der Flasche.
„Wann musst du bei ihm Antanzen?“, wusste sie schon was kommt.
„Montag!“
„Red einfach mit ihm, dann lässt er dich in Ruhe!“
„Wenn ich meinen Job behalten will, muss ich das eh tun. Ich will heim und schlafen, fährst du?“, hoffte sie.
„Wir sind mit meinem Wagen hierhergekommen, also fahr ich eh, Süße“, entschied sie.
„Ja, richtig, wir können weiter“, entschied sie und folgte ihr zum Auto.
Als sie an Pages Haustür ankamen, hing ein Zettel daran.
 
Hey Süße, danke, dass du uns dein Bett „ausgeliehen“ hast, ruf mich an, wenn du mal was von mir brauchst!-M
 
„Du hattest keinen Sex mit dem Mann und der Frau neulich, oder?“, fragte Ana nur.
„Nope!“
„Warum „verleihst“ du dein Bett?“
„Die beiden sind verheiratet“, sagte Page nur.
„Verstehe, sie wollen ihrer Ehe mehr Würze verleihen!“
„Nicht miteinander!“
„Oh, ist sie ne Freundin von dir?“
„Ich hab sie in einer Bar kennengelernt, wir kamen ins Gespräch und sie hat mir von ihrer Situation erzählt und der Tatsache, dass ihr Mann sich nicht scheiden lassen will und sie ihren Freund liebt und nicht mehr weiß, wo sie sich treffen sollen“, erklärte Page und schloss ihre Tür auf.
„Bist du etwa … wie soll ich das sagen … romantisch veranlagt?“, frotzelte Ana.
„Ich bin nur nett, wir Polizisten sind doch Freund und Helfer, wir müssen doch nicht immer nur Kätzchen retten und alten Leuten über die Straße helfen“, bemerkte sie und schmiss ihre Tasche neben sich auf dem Boden.
„Ich weiß zwar nicht, welcher Beschäftigung du nachgehst, aber ich mach so was nicht im Job“, schmunzelte Ana.
„Du verstehst was ich meine. Ich will einfach helfen“, erkannte Page und ließ sich aufs Sofa fallen.
„Das ist doch gut, ich mach doch nur Witze. Bin stolz auf dich“, sagte Ana.
„Ich kann durch meine Kopfschmerzen nicht feststellen, ob du das ernst meinst also sag ich einfach mal danke“, murmelte Page.
„Ich meins ernst. Du solltest nur keine Wildfremden mehr in deine Wohnung lassen, das sie dort Sex haben können“, riet sie ihr.
„Und wenn ich dabei bin?“
„Du bist unmöglich“, konterte Ana und Page grinste breit.
„Schön, dass ich dich zum Lachen gebracht habe“, freute sich Ana.
„Ich bin nicht depressiv, An‘, kann ich mal fünf Minuten Liebeskummer haben, ohne dass du mich gleich vom Dach stürze?“, murrte Page.
„Du hast Liebeskummer?“
„Äh, duh“, bemerkte sie rechthaberisch.
„Wie konntest du dich so schnell verlieben?“, wunderte sich Ana.
„Lag vermutlich an der ganzen Situation. Wie auch immer, ist jetzt nicht mehr wichtig!“
„Was heißt nicht mehr wichtig? Du hast seine Nummer, ruf ihn an und sag es ihm!“
„Er weiß es!“
„Oh!“
„Nein, nicht diesen mit bemitleidenswerten Blick, ist okay so“, versicherte sie, als Ana sie traurig ansah.
„Ruf ihn einfach an, du hast es ihm versprochen!“
„Du hast uns am Flughafen belauscht!“
„Sorry, Polizisten-Krankheit, wollt ich nicht. Ruf ihn einfach an, wenn es auch nur ein Hallo ist“, riet sie ihr.
„Ich überleg’s mir. Ich möchte jetzt allein sein“, schmiss sie sie höflich raus.
„Sicher, wir sehen uns Montag, du kannst mich aber immer anrufen, wenn du reden willst“, entschied Ana.
„Ja, ich weiß, danke“, bedankte sich Page und Ana ließ sie allein.
 
Am Montagmorgen fuhr Page mit ihrem Privatwagen und in Zivil zur Arbeit. Wie sie CJ kannte, würde er sie in ihrem aktuellen psychischen Zustand eh nicht arbeitstauglich schreiben.
„Wo ist meine Knarre?“, fragte sie Ana trocken, als sie sich zu Ana setzte, die sich gerade die Uniform anzog.
„In meinem Spint!“
„Sind wir jetzt in der fünften Klasse?“, fragte sie kritisch.
„Ich konnte so besser schlafen, ist ja nicht so, dass du die Waffe gebraucht hättest“, bemerkte Ana nur.
„Ich bin nicht selbstmordgefährdet, ich hab grad einen Sturz von einem gottverdammten Ausflugsschiff überlebt, da bring ich mich nicht um“, murrte sie laut und die anderen Polizisten sahen beide an.
„Nicht so laut, okay, ich wollte nur sicher gehen. Ich geb sie dir zurück, wenn CJ das okay gibt!“
„Das wird er nicht tun!“
„Das weißt du nicht!“
„So wie ich grad drauf bin, trau ich mir selbst nicht!“
„Du hast Liebeskummer, das wird er verstehen, ich zieh mich schon an und warte hier auf dich, so optimistisch bin ich darüber“, munterte Ana sie auf.
„Warte nicht zu lang auf mich“, stand Page schwerfällig auf und ging zu dem Psychologen.
„Morgen, schön, dass du kommen konntest“, begrüßte CJ sie und sie setzte sich hin.
„Hast mir ja nicht wirklich die Wahl gelassen. Also, was soll ich dir erzählen, dass ich wieder auf die Straße kann?“, wollte sie wissen.
„So einfach mach ich es dir nicht, erzähl mir einfach, was dich bedrückt“, schlug er vor.
„Mich bedrückt gar nichts“, behauptete sie.
„Süße, du bist inzwischen wie eine Schwester für mich, ich weiß, wenn was nicht mit dir stimmt. Du hattest eine Nah-Tod-Erfahrung, da willst du sicher drüber reden!“
„Nope, will ich nicht!“
„Page, du weißt, dass ich zwischen dir und deinem Dienst stehe“, konterte er cool.
„Sorry, alles in Ordnung bei mir, keine Albträume, keine Ängste, alles paletti“, taute sie auf.
„Das kann noch kommen. Du fühlst dich also fit für den Dienst?“
„Ja, tu ich!“
„Kommst du sofort zu mir, wenn du Albträume oder Ängste hast?“, handelte er.
„Jep!“
„Dann meinetwegen, du musst nur noch zum Dienstarzt, wenn er das okay gibt, kannst du wieder raus“, gab er sein Okay.
„Einfach so?“, war sie überrascht.
„Außer, du hast noch andere Probleme?“
„Nein, alles bestens, danke CJ, bist ein Schatz“, stand sie erfreut wieder auf.
„Ich kenn dich halt, ich weiß, du steckst das weg. Du solltest ihn nur anrufen“, gab er ihr als letzten Rat auf den Weg.
„Ana ist ein Plappermaul!“
„An‘ war nicht bei mir, wie ich gesagt habe, ich kenn dich. Du fühlst dich danach besser, versprochen“, versicherte er.
„Das hab ich schon mal gehört, ich glaub das eher weniger. Hab einen schönen Tag“, verließ sie das Büro wieder.
 
„Morgen, MJ, hast du ein paar Minuten für mich?“, ging sie zu der Revierärztin.
„Für dich immer. Hab davon gehört, wie geht’s dir?“, fragte MJ, die CJs Cousine und so auch Chucks Nichte war.
„Sag du es mir, deshalb bin ich hier“, pflanzte sie sich auf den Untersuchungstisch.
„Wie fühlst du dich denn?“, wollte die Ärztin wissen.
„Gut, dafür dass ich letzte Woche fast draufgegangen bin“, sagte sie gut gelaunt.
„Ja, war echt knapp hab ich gehört, wie geht’s deinem Herzen?“
„Das schmerzt, aber das hat eher psychische als physische Gründe“, konterte sie und zog ihr T-Shirt aus.
„Eine Frau, oder ein Mann diesmal?“
„Ein Mann, man, eure Familie kennt mich echt zu gut. Wie auch immer, er ist weit weg, die Sache ist vorbei“, erkannte sie.
„Klingt aber nicht so. Du hast mit dem Rauchen aufgehört?“, wollte sie wissen.
„Ana kann einfach nicht ihre Klappe halten, was?“
„Du musst deiner Partnerin nicht immer die Schuld in die Schuhe schieben, das Ding sieht schon ziemlich mitgenommen aus“, zog sie ihr das Nikotinpflaster von der Schulter.
„Hab das Ding ganz vergessen, hat wohl keine Wirkung mehr“, dachte sie laut nach.
„Ich mach dir ein neues drauf, ich hab immer welche in Reserve für die Kollegen“, klebte sie ihr ein neues drauf.
„Danke, ist nur für die Entzugserscheinungen, im Kopf hab ich mit den Zigaretten irgendwie abgeschlossen, was so eine Nah-Tod-Erfahrung ausmachen kann“, schien sie mich sich im Reinen.
„Das ist schön zu hören, nimm die Dinger so lang, bis du es körperlich auch geschafft hast. Leg dich auf den Rücken, ich will dein Herz abhören“, bat sie und Page tat es.
„Oh“, sagte MJ plötzlich.
„Oh ist kein guter Ausspruch, wenn man ein Herz abhört, Doc!“
„Du hast ne Extra-Systole“, erklärte MJ.
„Ist das schlimm?“
„Möglich, ein Kardiologe müsste sich das mal anschauen“, bemerkte sie.
„Oh man, das hab ich jetzt nicht erwartet, das versaut mir irgendwie den Tag! Der Doc in Kanada hat mir gesagt meinem Herzen ginge es gut“
„Keine Sorge, das kann vollkommen harmlos sein, das kann sich nach der Widerbelebung eingeschlichen haben und dem Doc dort ist es nicht aufgefallen, es muss sich nur ein Experte die Sache ansehen“, versicherte sie.
„Du gibst mir heute kein Okay für den Dienst, oder?“, realisierte Page.
„Nein, tut mir leid, ich ruf eine Freundin an, die ist Kardiologin, ich mach einen Termin für dich aus“, plante MJ.
„Okay, aber kein Wort zu den anderen“, bat Page durcheinander.
„Ich hab Schweigepflicht, die erfahren nichts. Dass dein Herz das alles super überstanden hat, ist ein gutes Zeichen ist vermutlich nichts. In ein paar Wochen wissen wir mehr“, versprach MJ.
„Ein paar Wochen?“
„Einen Termin bei ihr zu bekommen ist schwer, keine Sorge, ich klär das mit meinem Onkel!“
„Ich bin für Wochen nicht im Dienst?“
„Sieh es als erweiterten Urlaub, nur um sicher zu gehen“, bemerkte die Ärztin und Page zog sich wieder an.
„Was soll ich die nächsten Wochen machen?“
„Das kann ich dir leider nicht sagen. Ich würde dich gern fit zum Dienst schreiben, aber mit dem Herzproblem ist das nicht möglich“, konterte sie und Page stand auf und zog ihre Lederjacke mit Felleinsatz an.
„Ja, versteh schon, schon gut“, murmelte Page und verließ die Praxis wieder.
Ana wartete im Aufenthaltsraum auf sie.
„Sorry, Süße ich werde heute nicht arbeiten, ich geh wohl doch noch drauf“, erklärte sie ihrer Partnerin und verließ den Aufenthaltsraum wieder.
Ana ging ihr hinterher.
„Äh, was?“, fragte Ana ihre Kollegin, als sie sie im Flur abfing.
„Ich war grad beim Doc, hab nen Herzfehler“, sagte Page ernst.
„Fuck, wie ist denn das passiert?“
„Mein Herz ist drei Mal stehen geblieben, irgendwie musste das so kommen“, bemerkte sie traurig.
„Oh man und jetzt?“
„Muss ne Weile zu Hause bleiben, bis das geklärt ist, tut mir leid“, entschuldigte sie sich bei ihr.
„Kein Problem, ich find schon jemanden, mit dem ich fahren kann, nur bis du wieder fit bist“, beruhigte Ana sie.
„Ich hab Angst, An“, gestand Page.
„Hey, ich bring dich heim, schon gut“, umarmte sie ihre Freundin.
„Ich bin mit dem Wagen da, schon gut, ich schaff das allein“, versicherte Page und ging einfach davon.

Neuntes Kapitel

 
Ana gab Page einen Tag Ruhe, doch als sie weder auf ihre Texts noch auf ihre Anrufe reagierte, ging sie zu ihr nach Hause.
Page öffnete ihr die Tür und sie atmete auf. Sie trug eine Katze auf dem Arm.
„Hey“, sagte sie nur.
„Selber hey, willst du reinkommen?“, wollte sie von Ana wissen.
„Ja, bitte. Stellst du mir deinen neuen Freund vor?“, fragte sie vorsichtig.
„Ach ja, das ist Tarantino, streichelte sie die Katze.
„Ach so wie Quentin T… wie auch immer, hab dich nicht für eine Katzenperson gehalten“, folgte sie ihr in die Wohnung.
„Da ich wohl draufgehe, werde ich schon in meinen 30ern zur Katzen-Lady“, murmelte Page tonlos.
„Du gehst nicht drauf, ich hab gestern die halbe Nacht im Internet gesurft, weil ich nicht schlafen konnte und mir Sorgen gemacht habe, eine Extra-Systole ist meistens ganz harmlos“, erklärte sie ihr.
„Sagst du!“
„Jetzt warte den Termin ab“, beruhigte Ana sie.
„Ich werde zwei Wochen lang zu Hause rumsitzen müssen“, murrte sie.
„Dann sieh das als Urlaub, ich fahr mit John solang“, versicherte Ana.
„John ist eine Schnarchnase“, konterte Page.
„Schon, aber ist der einzige, der frei ist. In zwei Wochen bist du ja wieder an meiner Seite!“
„Das hoffe ich. Lass dich nur von ihm nicht begrabschen“, bat sie.
„Was?“
„Er fingert gern mal rum, sorry, wollte es nur sagen, dass du aufpasst“, konterte sie.
„Du lügst doch, oder?“, fragte Ana kritisch.
„Ja, sorry, mir ist langweilig, er ist ein netter Kerl“, schmunzelte Page.
„Na, Gott sei Dank, glaub dir, dass dir langweilig ist. Es bleibt aber bei einer Katze,
oder?“, hoffte Ana.
„Ja, denk schon, ich wollte nur schon länger mal eine Katze, jetzt hab ich mir endlich eine angeschafft“, sagte sie nur.
„Okay, ist ja ganz süß, dein Kater. Ist dein Kühlschrank voll?“, wollte Ana wissen und ging voran in ihre Küche.
„Wann ist mein Kühlschrank je voll gewesen?“, folgte Page ihr.
„Auch wahr, soll ich für dich einkaufen?“
„Ich bin nicht bettlägerig, ich kann selbst einkaufen gehen“, erwiderte sie und Ana sah auf die leeren Pizza-Schachteln.
„Ah, seh ich. Ich besorg dir was, auch Katzenfutter für den Kleinen. Lass mich das einfach tun, bitte“, bat Ana und streichelte den Kater.
„Tu dir keinen Zwang an, wenn du das unbedingt machen willst“, schlurfte sie zurück zum Sofa.
„Hast du ihn angerufen?“
„Auch wenn’s dich nichts angeht, ja, hab ich!“
„Oh, nicht gut?“, wollte sie wissen.
„Nein, nicht gut. Ich hab ihm nichts von meinem Herzen erzählt“, sagte sie nur.
„Das es gebrochen ist, oder dass du vielleicht einen Herzfehler hast?“
„Mein Herz ist nicht gebrochen!“
„Du lügst grad einen Cop und eine Frau an, das weißt du hoffentlich!“
„Okay, es hat verdammt wehgetan, ist es das, was du hören wolltest?“
„Nein, es ist das, was du hören solltest. Schluck es nicht runter, weine, wenn du willst, ich verurteile dich nicht“, versicherte sie.
„Ich hab genug geweint, schon gut. Ich würde nur so gern trinken, rauchen und in der Gegend rumvögeln, aber irgendwie will ich nichts tun, was meinem Herzen schaden könnte“, erklärte sie ihr.
„Willkommen im Erwachsenenleben, meine Süße. Ich dacht das mit dem Rauchen klappt ganz gut“, bemerkte sie besorgt.
„Diese blöden Pflaster bringen gar nichts und der Spray ist eklig“, murrte sie.
„Kann nicht ekliger sein als eine Zigarette. Ich helf dir davon los zu kommen, wenn du das willst!“
„Da muss ich glaub ich allein durch, aber danke. Bringst du mir Schokoladenkekse mit?“, hoffte sie.
„Nein, du kommst mit zum Einkaufen, du musst mal raus hier. Gib mir die Katze, dann passiert niemandem was“, schmunzelte sie und nahm Page den Kater ab.
„Es ist kalt draußen“, murrte sie.
„Ich weiß, ich komm grad von da. Zieh dich an, dann gehen wir los“, bat Ana und ging etwas später mit ihrer Freundin in einen lokalen Supermarkt.
„Warum war ich noch nie hier? Ist der Laden neu?“, fragte Page, als sie durch die Gänge gingen.
„Nein, den gibt es schon fast länger als uns. Also, wir kaufen gesunde Sachen wie Paprika, gesundes Fleisch und Hülsenfrüchte, die helfen dir schnell wieder zu deiner alten Stärke“, plante Ana.
„Ich hab keine Ahnung was du mit Hülsenfrüchten meinst“, gestand Page.
„Okay, ich zeig’s dir“, versicherte sie und führte sie durch den Laden.
 
Zwei Wochen später
 
„Wie ich vermutet habe, es ist alles halb so wild. Die Extra-Systole reguliert sich bei Anstrengung, tragen Sie im Dienst eine Puls-Uhr und checken Sie ihren Puls nach Anstrengungen, dann müsste das kein Problem sein“, schlug die Kardiologin vor, als sie bei ihrem Termin in der Innenstadt saß.
„Ich kann also wieder zum Dienst?“, freute sie sich.
„Ja, spricht nichts dagegen, machen wir nochmal einen Termin in einem halben Jahr, da checken wir nochmal Ihr Herz, sieht aber alles gut aus, das werde ich auch Ihrer Dienstärztin erklären“, versicherte die Medizinerin.
„Danke, für Ihre Zeit“, bedankte sie sich und verließ die Praxis wieder.
„Und?“, fragte Ana, als Page in Anas Wagen Platz nahm.
„Tut mir leid, aber du hast mich jetzt wieder an der Backe“, bemerkte Page breit grinsend.
„Also alles in Ordnung?“
„Ja, alles in Ordnung, ich soll meinen Puls überwachen, aber sonst ist alles gut. Gott sei Dank, mir war so langweilig“, schmunzelte sie.
„Schön, dann freu ich mich wieder mit dir zu Arbeiten. Deine Vier-Wochen-Frist ist fast verstrichen, hier sind deine Zigaretten zurück“, drückte sie ihr ihre Zigaretten in die Hand.
„Nein, danke“, sagte sie stolz.
„Wirklich? Bin stolz auf dich“, schmiss Ana die Zigaretten aus dem Fenster.
„Das ist Umweltverschmutzung was du da machst, meine Liebe!“
„Kannst sie dir gern wiederholen!“
„Nein, schmeiß sie in den Mülleimer“, versicherte Page
„Dann muss ich ja aussteigen!“
„Seit wann so faul teure Freundin? Okay, ich schmeiß sie für dich weg“, stieg sie aus und warf die Zigaretten weg.
 
„Willst du bei den Kaugummis als Alternative zu den Zigaretten bleiben?“, wollte Ana wissen, als Page am nächsten Morgen wieder mit ihr Streife fuhr.
„Jep, vermutlich!“
„Ziemlich nervig!“
„Soll ich wieder mit dem Rauchen anfangen?“
„Ich gewöhn mich dran“, versicherte Ana.
„Gut, danke. Ich hab nen Problem“, sagte Page plötzlich.
„Bitte nicht schon wieder eine Hiobsbotschaft, hab mich grad erst vom letzten Schock erholt“, hoffte Ana.
„Nein, ich bin gesund und fit, ich muss eine Aussage in Anchorage machen wegen dem Anschlag auf mein Leben“, sagte sie nachdenklich.
„Der Chef wird das verstehen, hast du Angst davor?“
„Ein wenig, aber das ist nicht das Problem“, druckste sie herum.
„Meine Güte, du willst ihn besuchen gehen, oder?“, realisierte Ana.
„Ich wollte das mit ihm abschließen, aber es geht nicht“, gestand sie.
„Soll ich mitkommen?“, fragte Ana fürsorglich.
„Nein, das ist noch ne Sache, die ich allein machen muss!“
„Bist du sicher? Der Captain hat mir drei Tage von meinem Urlaub nicht angerechnet wegen allem was passiert ist, ich könnte die nehmen“, schlug sie vor.
„Das würdest du für mich machen?“
„Sicher, du bist meine beste Freundin und ich will sicher nicht während deiner Abwesenheit wieder mit John fahren, der ist echt ne Schnarchnase“, schmunzelte sie.
„Dann versuch das mit dem Captain zu klären und ich buch die Flüge“, plante sie.
„Siehst du, Problem gelöst“, schmunzelte sie.
 
„Fuck“, fluchte Ana an diesem Abend, als sie sich neben Page auf Pages Sofa fallen ließ.
„Nein, komm doch rein und mach es dir bequem. Wenn du fluchst lief es wohl nicht so gut mit dem Captain, was?“
„Ja, sorry, kann hier nicht weg, es sind zu viele krank grade, sie brauchen mich. Du könntest CJ mitnehmen, der kann sicher mit!“
„Oh nein, ich will das mit Quentin nicht noch komplizierter machen!“
„Du hast auch mit CJ? Warte, warum stell ich diese blöde Frage überhaupt?“, realisierte Ana.
„Hey, wir beide waren 20 zu der Zeit und das war noch vor meinem Job auf dem Revier, ist trotzdem kompliziert bei uns“, entschied sie.
„Ja, vor allem weil er dein Seelenklempner ist!“
„Er ist wie ein Bruder für mich!“
„Was es nicht weniger seltsam macht. Was ist mit MJ, oder hast du mit ihr auch?“
„Wirklich witzig, nein hab ich nicht und ich hab auch noch Freunde außerhalb des Reviers“, murrte sie.
„Ja, welchen?“
„Da haben wir erstmal Stacey“, begann sie.
„Du hast mit ihrem Mann geschlafen!“
„Richtig, die kann ich abschreiben, Conny, ja Conny ist noch ne Freundin!“
„Du hast ihren Sohn wegen Drogenhandels eingebuchtet“
„Verdammt, ich hab mir in den letzten Jahren nicht sehr viele Freunde gemacht“, realisierte sie.
„Sieht so aus. Da kann ich dir leider nicht weiterhelfen“, entschuldigte sich Ana.
„Dann werde ich wohl allein fahren müssen“, sagte sie traurig.
„Tut mir echt leid!“
„Schon gut, ich muss das vermutlich allein schaffen. Ich flieg Freitagmorgen, da verpass ich nur einen Tag bei der Arbeit“, plante Page.
„Ist das nicht etwas viel Stress für dich?“
„Meinem Herzen geht es gut und ich sag nur aus und verbring den Samstag in Anchorage…“, erklärte sie.
„…mit ihm“, ergänzte Ana.
„Vielleicht, wenn er Zeit hat!“
„Du hast ihn nicht angerufen, oder?“, realisierte Ana.
„Nein!“
„Page, wieso lügst du?“, bemerkte sie enttäuscht.
„Hättet ihr mich damit in Ruhe gelassen, wenn ich die Wahrheit gesagt hätte?“
„Vermutlich nicht. Du willst ihn also einfach so überraschen?“
„Ich überleg mir die ganze Sache auf dem Weg dahin, ist kein guter Plan, aber ich bin nie gut im Pläne machen gewesen“, schlussfolgerte sie.
„Bei so was muss man nach dem Bauchgefühl gehen, denke ich, wenn du nur einen Tag mit ihm hast, sollte der Tag was bedeuten“, entschied Ana.
„Hast du wieder heimlich Soaps angeguckt?“, schmunzelte Page und Ana legte ihren Kopf auf Pages Schoß.
„Kommt ja sonst nichts im Fernsehen, ist halt mein Laster, dafür schäm ich mich nicht“, sagte sie amüsiert.
„Bist du irgendwie einsam? Das hier hast du seit der Akademie nicht mehr gemacht“, strich Page ihrer Freundin sanft durchs Haar.
„Ja, schon irgendwie, dieser ganze Ausflug war so ein Fehler, davor war ich eigentlich gern Single, aber jetzt hab ich dieses nagende Gefühl, dass ich nen Mann brauche“, gestand sie ihr.
„Wir sind uns beide aber einig, wer die Schuld dafür trägt, oder?“, fragte Page und sie nannten gleichzeitig Chucks Namen.
„Die haben mir die nächste Reise für den halben Preis angeboten“, erzählte Ana.
„Glauben die wirklich, wir machen das noch mal mit?“, schmunzelte Page.
„Ich zumindest nicht. Eric hat sich vor zwei Tagen bei mir gemeldet“, erzählte Ana.
„Triffst du ihn nochmal?“
„Wenn ich mal nach Boston komme, vielleicht, wir bleiben in Kontakt. Meine Eltern würden ihn eh nicht akzeptieren“, dachte sie laut nach.
„Die können nicht entscheiden, wen du heiratest“, erklärte sie.
„Schon klar, aber ich will sie auch nicht enttäuschen“, konterte sie.
„Die haben das mit der Polizeischule akzeptiert, da akzeptieren sie auch einen netten Gentleman aus Boston“, versicherte sie.
„Das wäre schön. Wann fliegst du Freitag?“
„Halb acht!“
„Dann bring ich dich noch zum Flughafen“, plante sie.
„Das ist lieb, danke“, freute sich Page.
„Dafür sind beste Freundinnen doch da, oder?“
„Ja, ist trotzdem lieb von dir!“
 
Mit einem schicken Winterkleid an stieg Page am Freitagnachmittag aus dem Flugzeug in Anchorage. Es war nicht viel kälter als in Nebraska, was nicht überraschend für sie war, die Tage zuvor war es sehr kalt zu Hause gewesen.
Sie nahm ein Taxi zu dem Revier, auf dem sie befragt werden sollte.
„Page Mills, ich habe einen Termin mit Detective Hensberg“, meldete sich Page auf dem Revier an der Rezeption an.
„Oh ja, Officer Mills, wir haben Sie schon erwartet, oder ist Ihnen Miss Mills lieber?“, fragte die Rezeptionistin.
„Ich bin privat hier, Miss Mills ist mir lieber“, bat sie.
„Sicher, ich bring Sie zu ihm“, wurde sie zum Detective gebracht.
„Miss Mills, willkommen, danke, dass Sie die Reise auf sich genommen haben um hierher zu kommen“, bedankte sich Detective Hensberg, als er sie an seinem Schreibtisch begrüßte.
„Ich mache alles, dass dieser Mann seine gerechte Strafe bekommt, er hat mich fast umgebracht“, setzte sie sich hin.
„Ja, denke ich mir, ich werde alles versuchen, dass das passiert. Wir brauchen Ihre Aussage auf Papier, erzählen Sie erstmal was passiert ist, dann können Sie es schriftlich festhalten“, erklärte der Detective ihr.
„Ja, ich weiß wie das geht, bin selbst Polizistin!“
„Ja, richtig. Also legen Sie los und keine Sorge, ich verurteile hier niemanden“, bemerkte er freundlich und sie begann zu erzählen.
 
„Okay, soweit so gut, das deckt sich mit der Aussage, die Ihre Kollegin mir telefonisch gegeben hat. Hier, bitte schreiben Sie es noch auf“, bat er und reichte ihr ein Pad.
Sie nahm es mit zittrigen Händen entgegen.
„Alles in Ordnung?“, wunderte sich der Detective.
„War ne lange Reise, bin noch nicht so ganz auf der Höhe“, entschuldigte sie sich.
„Ich bring Ihnen was zu trinken, bin gleich wieder da“, sagte er freundlich und ging aus dem Raum.
Das Aufschreiben des Erlebten war irgendwie schwieriger als es zu erzählen, sie musste öfters stoppen und innehalten.
„Kommt wieder alles hoch, oder?“, erkannte Detective Hensberg, als er ihr ein Glas Wasser hinstellte.
„Ja, mehr als ich gedacht habe, danke“, bedankte sie sich und nahm einen Schluck.
„Das kenn ich gut, ich wurde mal im Dienst angeschossen, hab fast eine Woche gebraucht um den Bericht psychisch fertig zu schreiben“, erzählte der Detective.
„Hatten Sie eine Weste an, oder nicht?“
„Nein, hatte ich nicht, ist Ihnen das auch schon passiert?“
„Ja, als Rookie, aber ich hatte damals ne Weste an, wir haben in Lincoln mehr Waffen als Einwohner, mein Captain würde mich umbringen, wenn er mich jemals ohne Weste erleben würde. Die ist nicht angenehm zu tragen, wenn man den Oberkörper übersäht hat mit Blutergüssen, das kann ich Ihnen sagen“, dachte sie laut nach.
„Hat er Sie geschlagen, dass haben Sie in ihrer Erzählung nicht erwähnt!“
„Nein, mein Lebensretter hat das gemacht, als er mich etwas heftig wiederbelebt hat, ist schon alles fast wieder weg, schon gut. So, ich hab alles notiert was ich weiß, brauchen Sie sonst noch was?“
„Nein, das wäre dann alles. Danke fürs Kommen“, bedankte er sich und sie stand auf.
„Gern geschehen, hier ist noch meine Büronummer und meine neue Handynummer, falls Ihnen noch was einfällt“, verabschiedete sie sich.
 
Zaghaft stand Page an diesem späten Nachmittag vor Quentins Wohnhaus. Sie hatte seine Adresse rausgesucht, sie wusste nicht mal, ob er zu Hause war, sie wollte es einfach versuchen.
Sie atmete tief durch und klingelte.
Ein junger Mann, etwa in Quentins Alter, öffnete die Tür.
„Hm, ich glaub ich bin hier falsch“, murmelte sie.
„Page?“, fragte der junge Mann.
„Ja und du bist?“
„Miko, sein Mitbewohner. Was machst du hier?“
„Ihn besuchen, zumindest hatte ich das geplant. Ist er zu Hause?“
„Physisch schon“, sprach Miko in Rätseln.
„Was hast das zu bedeuten?“, wollte sie wissen und er führte sie ins Wohnzimmer der WG.
Ihr großer Retter saß nur in Shorts bekleidet vor der Glotze und sah sich den Doku-Kanal an.
„Quen‘, du hast Besuch“, bemerkte Miko und schlurfte davon.
„Ich würde ja sagen, schön dich zu sehen, aber wow“, begrüßte Page ihn.
Quentin reagierte gar nicht.
„Ich bin heute Morgen ganz früh aufgestanden und sechs Stunden hierher geflogen, würdest du mich wenigstens ansehen?“, hoffte sie.
„Ach, das hab ich vergessen zu erwähnen, er spricht nicht, hat er schon eine Woche nicht mehr gemacht. Er ist nur eines Tages von der Arbeit heimgekommen, hat sich seiner Sachen entledigt und seitdem lebt er vor dem Fernseher. Vielleicht kannst du ja mit ihm reden“, erklärte Miko ihr, als er wieder an ihr vorbeilief.
„Haben Sie ihn gefeuert?“, wollte sie wissen.
„Ich kann keine Gedanken lesen, er redet nicht, wie ich sagte!“
Page schnaufte tief und stellte sich breitbeinig vor den Fernseher. Von Quentin erhielt sie nur ein Grunz-Geräusch.
„Okay, das Theater hat ein Ende“, machte sie kurzen Prozess, packte ihn am Nacken und zerrte ihn in die Dusche, wo sie ihn erst eiskalt abduschte, dann einshampoonierte und dann warm abduschte.
„Page?“, realisierte er plötzlich, dass sie da war.
„Guten Morgen, willkommen zurück, jetzt kann man deinen Geruch auch wieder ertragen. Was ist mit dir los?“
„Meine Karriere geht den Berg runter“, sagte er nur.
„Sie haben dich doch nicht meinetwegen gefeuert, oder?“
„Nein, aber die Proben, die ich gesammelt habe sind nicht durch den Zoll gekommen, sechs Monate Arbeit für ‘n Arsch“, murmelte er.
„Fuck und nun?“
„Die im Team geben mir die Schuld dafür, ich hätte schlechtes Karma über die Mission gebracht, meinen sie. Jetzt bin ich im Limbus, ich muss abwarten, ob ich noch für eine Mission gebucht werde, nach allem hier“, erzählte er.
„Das ist nicht fair!“
„Das Leben ist nicht fair manchmal. Du hast nicht angerufen“, bemerkte er.
„Ja, du aber auch nicht!“
„Tut mir leid!“
„Ja, mir auch!“
„Mir ist kalt!“, realisierte er plötzlich.
„Dann zieh dich um, ich warte draußen“, entgegnete sie und verließ das Badezimmer durch das Schlafzimmer.
„Und?“, fragte Miko, der irgendwie rastlos ständig im Raum herumging.
„Er hat Stress im Büro, das ist alles!“
„Er hat mit dir geredet!“
„Bitte, Kinderspiel, ich bin eine Frau und ein Cop, das war fast zu einfach. Was ist die Geschichte hinter eurer WG?“, wollte Page wissen.
„Die Miete ist so günstiger“, sagte er nur.
„Ja, schon klar, aber woher kennt ihr euch?“
„Notaufnahme“, sagte er nur.
„Du redest nicht gerne, oder?“
„Ich bin ein Mann, ist normal bei uns. Hast du Hunger?“, fragte er.
„Schon etwas, mach dir aber keine Umstände!“
„Ich wollt Pizza bestellen!“
„Klingt gut!“
„Welche willst du?“
„Peperoni und Salami!“
„Witzig, ist auch Quentins Lieblingspizzasorte. Okay, ich werde welche bestellen, mach es dir gemütlich“, bat er und ging in die Küche. Page blieb skeptisch vor dem Sofa stehen. Es sah ziemlich durchgerockt aus, als hätte er dort gegessen und geschlafen und sonst was gemacht. Sie griff nach einer Decke und breitete sie über dem Sofa aus, bevor sie sich zögerlich hinsetzte.
„Hast du Hunger?“, stand Quentin angezogen plötzlich hinter ihr.
„Dein Kumpel bestellt grad Pizza. Schön, du bist angezogen“, drehte sie sich zu ihm um.
„Sorry, dass du mich so sehen musstest“, setzte er sich neben sie.
„Wenn ich hier nicht hingemusst hätte, um auszusagen, würde ich genauso wie du noch auf dem Sofa rumgammeln, ich hätte nur noch ne Katze auf dem Schoß“, schmunzelte sie.
„Du arbeitest nicht?“
„Ich konnte es die letzten zwei Wochen nicht, der Herzstillstand hat ein Herzproblem verursacht, aber ist halb so wild, ich soll halt nur die tragen um mein Herz zu überprüfen“, zeigte sie ihre Puls-Uhr, die sie aus Gewohnheit immer noch trug.
„Du hast nen hohen Puls grade“, sag er auf die Uhr.
„Ich bin nervös“, gestand sie. Wortlos zog Quentin ihre Hand an seine Brust. Er hatte auch ein wildpochendes Herz.
„Bist du auch nervös?“, fragte sie sanft und er zog sie auf seinen Schoß und begann sie zu küssen.
„Nein, bin ich nicht“, säuselte er.
Als Miko aus der Küche zurückkam, waren beide wild dabei.
„Wow, du hast nen Schlafzimmer, Q‘“, ging er angeekelt zurück in die Küche.
„Sorry, Miko“, rief Quentin in die Küche und Page stieg von seinem Schoß.
„Du kannst wieder reinkommen“, rief auch Page.
„Man, ihr könnt wohl die Finger nicht voneinander lassen“, kam Miko zögerlich aus der Küche.
„Eigentlich schon, aber irgendwie ist es mit uns durchgegangen“, entschuldigte sich Quentin.
„Ich bin Neurochirurg, braucht ihr mir nicht zu erzählen. Die Pizza kommt in 20 Minuten“, erklärte er.
„Ach, das ist ne Doktor-WG“, realisierte sie.
„So in etwa, wir sind sonst kaum zu Hause, aber ich hab Urlaub und er … was auch immer er zu Hause macht“, sah Miko, Quentin an.
„Hab auch Urlaub, sozusagen!“
„Willst du darüber reden?“
„Nope!“
„Dann eben nicht!“
„Euch Männer muss man echt nicht verstehen, oder? Wie auch immer, ich werde während wir auf die Pizza warten dein Bett neu beziehen, ich fürchte nämlich dein Bett sieht genauso aus, wie euer Sofa“, stand Page auf und ging ins Schlafzimmer.
„Hast du keine Angst, was deine Süße in deinem Schlafzimmer finden könnte?“, wollte Miko von Quentin wissen.
„Ich hab im Vergleich zu dir keine Pornoheftchen unter dem Bett und auch wenn sie was findet, sie ist kein Kind von Traurigkeit, sie kommt damit klar“, versicherte er.
„Du hast dir ein schlimmes Mädchen angelacht? Endlich mal, die letzten waren echt Trantüten“, schlussfolgerte Miko.
„Hey, das waren einfach nur anständige, nette Mädchen!“
„Sag ich doch. Sie steht übrigens auf die gleiche Pizzasorte wie du, sie wäre die erste!“
„Sie ist halt die erste die auf scharfe Sachen steht“, bemerkte er breit grinsend.
„Gib nicht so an, Alter“, grinste Miko und ließ sich auch aufs Sofa plumpsen.
 
Neugierig sah sich Page in seinem Zimmer um. Sie ertappte sich dabei, dass sie es wie eine Polizistin machte.
Er hatte ein Dutzend Schmetterlinge in Rahmen an der Wand. Es gefiel ihr, war mal was anderes als die hässlichen Poster die ihre anderen Partner an den Wänden gehabt hatten. Ruckartig zog sie das Laken ab und bezog das Bett neu. Als sie um das Bett herumging, fiel ihr ein Bild auf, was auf dem Boden lag. Es war ein Bild von ihr, wie sie schlief.
„Das erklärt, warum Miko weiß, wie ich aussehe“, redete sie vor sich her und lehnte das Bild wieder gegen Quentins Wecker.

Zehntes Kapitel

 
An diesem Abend lag sie ganz unschuldig mit einem Mann in seinem Bett und kuschelte.
„Das ist schön“, sagte sie zufrieden.
„Ja, find ich auch. Ich hab nur so wenig Zeit mit dir, das ist traurig“, sagte er betrübt.
„“ar trotzdem schön, dich zu sehen. Ich hab dich in den letzten Wochen so vermisst und das ist so verrückt, wir kennen uns erst so kurz“, gestand sie.
„Ja, hab dich auch sehr vermisst, auch wenn das kitschig klingt, vielleicht war es Bestimmung, dass ich dich rette und wir uns so treffen“, dachte er laut nach.
„Wenn das wirklich wahr ist, hat die Bestimmung einen echt fiesen Humor“, murmelte sie.
„Ja, das haben wir ja schon klargestellt. Was ist wenn du einfach hier bleibst?“, bot er an.
„Süße Idee, aber du bist Monate unterwegs, soll ich solang hier auf dich warten?“
„Ich könnte hier an meiner alten Uni unterrichten, dann kann ich hier bleiben“, schlug er vor.
„Du bist eine wandernde Seele, das wäre nichts für dich, glaub ich!“
„Ich hab die ständige Zeit unterwegs satt, wird Zeit mal endlich sesshaft zu werden“, entschied er.
„Auch wenn das wunderbar klingt, Nebraska ist mein zu Hause, meine beste Freundin braucht mich auch. Ich kann dort nicht weg, tut mir leid“, entschuldigte sie sich.
„Natürlich, das war nur ein Hirngespinst von mir, schon gut“, sagte er etwas enttäuscht.
„Es tut mir leid“, entschuldigte sie sich.
„Es muss dir nicht leid tun, ich bin nur grad in einem dunklen Ort und würde vielleicht so besser rauskommen“, dachte er laut nach.
„Ich hab jüdische Vorfahren, Schuldgefühle sind nicht drin, mein Süßer“, bemerkte sie.
„Deine Mutter?“, wollte er wissen.
„Du willst jetzt also auch von meiner Mutter anfangen, dabei war es grad so schön“, stand sie vom Bett auf.
„Komm zurück ins Bett, ich sag nichts mehr“, bat er und streckte ihr seine Hand entgegen.
„Ich weißt doch, das ist ein sensibles Thema für dich, ich will nur etwas mehr von dir erfahren“, entschuldigte er sich.
„Ihr Name war Marla, sie starb mit 42 Jahren an Leberversagen und ich kannte sie nicht, mehr musst du nicht über sie wissen“, erzählte sie von ihrer Mutter und setzte sich wieder aufs Bett.
„Darf ich eine Frage stellen?“
„Nur eine!“
„Willst du nicht mehr über sie erfahren?“
„Nein! Ende der Fragestunde“, bat sie harsch.
„Sicher, versprich mir aber, dass du versuchst mehr über sie herauszufinden, wenn du soweit bist“, hoffte er und sie nickte.
„Jetzt komm wieder her, lass uns schlafen“, zog er sie wieder zu sich.
 
Sonntagabend kam sie wieder zu Hause an. Ihre Stimmung war sichtlich getrübt, sie hatte den Samstag mit ihm verbracht, aber beide hatten die ganze Zeit im Hinterkopf gehabt, dass dies nur auf Zeit war.
 
Mitten in der Nacht bekam sie heftige Herzschmerzen und panisch rief sie MJ an.
„Deinem Herzen geht es gut, physisch zumindest, psychisch ist eine ganz andere Sache. Du hast nur heftig Liebeskummer, Süße“, versicherte MJ, Pages Gesundheit, als sie bei ihr auf dem Bett saß.
„Aber es tut so weh!“
„Du hattest noch nie Liebeskummer? Du bist echt beneidenswert, na ja, nicht gerade, aber im Allgemeinen“, dachte MJ laut nach.
„Kannst du mir nicht irgendwas dagegen verschreiben?“, hoffte Page.
„Zwei Flaschen Bourbon und einen Mann zwischen deinen Schenkeln, aber du willst ja grad dein Leben umstellen, also ist das nicht so förderlich. Wenn du heut Nacht nicht schlafen kannst, komm morgen bei mir rein, dann geb ich dir ein leichtes Schlafmittel für die nächsten Tage, wir wollen ja nicht, dass du aus Versehen jemanden erschießt“, schmunzelte MJ und stand wieder auf.
 
Nach dem sie das Schlafmittel bekommen hatte, konnte sie tief schlafen.
Als sie am nächsten Morgen wach wurde, sah Ana sie an.
„Du hast Chucks Ersatzschlüssel nachmachen lassen und findest das überhaupt nicht gruselig?“, murmelte sie benommen.
„Den hab ich schon fast fünf Jahre, dachte nur, heute wäre der richtige Zeitpunkt dich zu wecken. Kommst du klar?“, wollte sie wissen.
„Damit klar, dass du in meine Privatsphäre eindringst?“
„Ich mein eigentlich das Wachwerden!“
„Das Schlafmittel zecht ziemlich rein, brauch nen paar Minuten“, entschied sie.
„Dachte ich mir, sind früh dran, lass dir Zeit. Wie war dein Wochenende?“, wollte Ana wissen.
„Bitte, MJ hat dir gestern Nacht noch ne Nachricht geschrieben, sonst wärst du nicht hier, oder?“
„Wir sind ein Quäntchen zu lang Partner, was?“, stellte Ana fest.
„Schon etwas. Können wir heute Abend ausgehen, ich würde dir gern was erzählen!“
„Du bist doch nicht schwanger, oder?“
„Nein, sonst würde ich nicht mit dir ausgehen sondern hätte mir schon längst ein hohes Haus gesucht“, bemerkte Page sarkastisch.
„Das darfst du nicht mal im Scherz sagen, Süße“, bat Ana.
„Bin nicht so ganz sicher, ob das ein Scherz war“, redete Page vor sich hin.
„Okay, raus aus dem Bett, das macht dich ganz depressiv“, zog Ana sie hoch.
 
Als die beiden Frauen beim Revier ankamen, trennten sich die beiden kurz, weil Page was erledigen wollte.
„Sag mal, haltet ihr mich für nen Psycho, oder wie?“, stürmte Page ins MJs Krankenzimmer. Sie behandelte gerade einen ihrer Kollegen.
„Eigentlich nicht, aber wenn du hier so reinstürmst kann man schon das Gefühl bekommen. Ich hab nen Patienten, Page“, erwiderte MJ trocken und ohne aufzusehen.
„Lass mich raten, Jucken im Schritt?“, fragte Page und ihr Kollege nickte beschämt.
„Man, Kyle, ich dachte du hättest aus der Sache mit mir gelernt, verschreib ihm Antibiotika und wenn es in ein paar Wochen nicht besser ist, soll er zum Urologen gehen“, entschied Page trocken.
„Haben wir jetzt Medizin studiert, Frau Doktor?“, konterte MJ genervt.
„Gib mir einfach meine Dienstwaffe und ich lass euch allein!“
„Ich hab deine Waffe nicht, vielleicht hat sie deine Partnerin, die hat sie dir ja schon mal abgenommen, wie ich gehört habe“, konterte MJ.
„Sie hat versucht sie heimlich zu suchen, hat sie aber nicht gefunden, ich hab zwar nicht Medizin studiert, aber auf der Polizeiakademie haben sie mir einiges beigebracht, Doc!“
„Ich hab sie dem Captain gegeben“, erwiderte MJ ertappt.
„Du hast mich beim Boss verpfiffen? Das ist sogar für dich unterste Schublade, Mary Jane“, nörgelte Page und ging wieder davon.
 
„Morgen, Boss“, kam Page kleinlaut zu seinem Vorgesetzten.
„Wie war’s?“, begrüßte Chuck sie.
„Was?“
„Deine Befragung bei unseren Brüdern aus dem hohen Norden?“
„Gut, gut, hab meinen Senf dazu gegeben, hab meine Aussage unterschrieben und bin wieder weg, nichts Besonderes!“
„Musstest du den Kerl sehen?“
„Wenn ich ihn gesehen hätte, hätten mich die Beamten vermutlich wegen Mordes oder versuchten Mordes verhaften müssen“, erwiderte sie trocken.
„Genau solche Aussagen führen dazu, dass wir uns Sorgen um dich machen, Kleines!“
„Ich bin immer sarkastisch, Boss, das ist mein natürlicher Charme“, behauptete sie.
„Na ja, Charme kann man das nicht nennen. Wir machen uns halt alle Sorgen um dich“, entschied er.
„Mehr oder weniger als früher?“, fragte sie keck.
„Ich meins ernst, du hattest so viele Männer, was ist bei ihm anders?“, wollte er wissen.
„Das besprech ich sicher nicht mit meinem Boss. Krieg ich jetzt meine Waffe wieder? Sonst kann ich nicht arbeiten“, murrte sie.
„Du bringst sie aber heute Abend zurück zu mir!“
„Willst du mich suspendieren?“
„Nein!“
„Dann behalte ich meine Waffe, Boss, wenn es dir nichts ausmacht!“
„Eigentlich macht es mir was aus, aber ich brauch dich auf der Straße. Gib sie wenigstens Ana nach dem Dienst, nur für ein Weilchen“, verhandelte Chuck.
„Sie nimmt sie mir sicher eh wieder ab, meinetwegen!“
„Gut, dann bin ich ja beruhigt. Rosa möchte dich mal wieder zum Essen einladen, hast du nächstes Wochenende Zeit? Die anderen kommen auch“, bot er an.
„Sag deiner Frau, sehr gerne“, sagte sie zu.
„Ähm, okay, da wird sie sich freuen“, hatte Chuck eine Abfuhr erwartet.
„Ja, ich auch, ist ne Weile her“, bemerkte sie und verließ das Büro wieder, nachdem sie sich bewaffnet hatte.
 
„Na, wieder bewaffnet, oder nur geladen?“, fragte Ana, als Page sich neben sie auf die Bank im Umkleideraum setzte.
„Bist du auch am Wochenende beim Boss eingeladen?“
„Ja, du kommst auch?“
„Ja, warum tut ihr alle so überrascht?“
„Das ist ne Familiensache, das ist dir schon klar, oder?“
„Ich gehe zu meinem Chef und seiner Frau nach Hause zum Essen und sein Sohn und seine Nichte kommen auch, ja, dachte ich mir schon!“
„Du hasst sowas!“
„Mein Neujahrvorsatz ist, dass ich Sachen offener angehe“, behauptete Page.
„Man, was so eine Vögelei ausmacht, ich sollte es wohl auch endlich mal durchziehen“, wunderte sich Ana.
„Ich hab nicht mit ihm geschlafen“, gestand sie ihr.
„Okay, jetzt mach ich mir ganz offiziell Sorgen um dich!“
„Er hatte einen Mitbewohner!“
„Du lässt fremde Leute Ehebruch in deinem Bett begehen, jetzt behaupte nicht, dass dich das jemals abgehalten hätte!“
„Ich mag ihn sehr, er wollte mit mir ein neues Leben beginnen und für fünf Minuten fand ich die Idee auch toll, aber ich war zu feige dafür, ist es dass, was du hören wolltest?“, fragte Page plötzlich unter Tränen.
„Eigentlich nicht, aber schön, dass du es dir eingestehst. Und was willst du jetzt machen?“, wollte ihre Partnerin von ihr wissen.
„Meine Uniform anziehen und arbeiten gehen!“
„Verdrängung, wie erwachsen!“
„Du weißt auch nicht was du willst, heute Morgen wolltest du doch, dass ich aufstehe“, erwiderte Page und schloss ihren Spint auf, nachdem sie aufgestanden war.
„Ich hab nicht gesagt, du sollst dich verkriechen, nur lernen damit umzugehen“, schlussfolgerte Ana.
„Aktuell geh ich damit um, indem ich es verdränge, lässt du mich jetzt meine Arbeit machen?“, hoffte sie und Ana nickte, weil ihr nichts dazu einfiel.

Elftes Kapitel

 
An diesem Abend kam Page nach einer Runde auf dem Schießstand zurück nach Hause. Ihr Licht im Flur war durchgebrannt und sie schnaubte.
„Super, ein super Ende eines super Tages“, murmelte sie und ging weiter in ihr Wohnzimmer. Plötzlich hörte sie, wie jemand ihre Türe abschloss.
„Was zum…“, fluchte sie und zückte ihre Waffe.
„Ich bin bewaffnet“, rief sie.
„Nicht schießen, wir sind’s“, hörte sie plötzlich Anas Stimme und ein Licht ging an.
„Verdammt, An‘, was soll der Mist?“, fluchte Page erschreckt. Durch die Helligkeit sah sie ihre Freunde, die auf ihrem Sofa saßen und auf sie warteten.
„Schon wieder eine Intervention, wird euch das nicht langsam langweilig?“
„Das ist keine Intervention, wir wollen nur mit dir reden“, behauptete Ana.
„Was ist da der Unterschied?“
„Wir wollen dich diesmal nicht von was wegbringen, sondern zu was hin, setz dich“, bat Ana und nahm ihr die Waffe ab.
„Ich hab dazu nichts zu sagen“, erwiderte sie.
„Dann lass uns reden und du hörst zu“, bemerkte CJ einfühlsam und Page ließ sich erschöpft in einen alten Sessel fallen.
„Dann fangt mal an!“
„Süße, du weißt, dass wir dich alle liebhaben“, begann MJ.
„Keine Intervention, na klar!“
„Na ja, ein bisschen ist es schon eine Intervention, schon wegen der Katze. Du hast ihm seinen Namen gegeben!“
„Tarantula“, sagte sie nur.
„Was?“
„Er heißt Tarantula, ich hab ihn umbenannt!“
„Auch wenn ich damit kleinlich wirke, das ist das gleiche in grün“, bemerkte CJ cool.
„Danke, Doc!“
„Gerne!“
„Du willst jetzt all meine Argumente wie eine fünfjährige abschmettern?“, konterte CJ.
Wortlos roch Page an ihren Händen.
„Was macht sie denn jetzt schon wieder?“, fragte CJ seine Cousine.
„Meine Hände riechen immer so gut nachdem ich eine Runde geballert habe“, konterte sie.
„Ist sie high?“, wunderte sich Ana.
„Nein, ist sie nicht, sie ist nur kindisch. Lass das, bitte, du bist kein Kind mehr“, forderte MJ streng.
„Wenn ihr mich wie ein Kind behandelt, verhalte ich mich auch so. Ich will ne Schoki“, bemerkte sie trocken.
„Okay, du hast es nicht anders gewollt, jetzt fahren wir die starken Geschütze auf“, stellte CJ eine Flasche von Pages Lieblingswhiskey auf den Tisch.
„Nein danke, das hab ich aufgegeben“, behauptete Page.
„Wir trinken jetzt alle, bis du uns was sagst“, stellte Ana klar.
„Du auch?“, wunderte sich Page.
„Ja, ich auch, ich tu das für dich, Süße!“
„Gut, dann fang du an“, bat Page ihre beste Freundin.
Cool nahm Ana die Flasche auf, drehte den Deckel ab und nahm einen großen Schluck.
Angeekelt stieß sie einen Fluch in ihrer Muttersprache aus.
„Kann ich das machen, Doc?“, wendete sich Page zu MJ.
„Ist zumindest gesünder für dich, als wenn ich dich schlagen würde“, konterte MJ lässig.
„Dann hoch die Tassen“, begann Page zu trinken.
Ana wurde wach, als für sie jemand unerträglich laut Milch aus einer Schüssel schlürfte.
„Guten Morgen, kann man wach sein?“, begrüßte Page sie Cornflakes mampfend.
„Ich will sterben“, murrte Ana benommen.
„Willst du was frühstücken?“, fragte Page schadenfroh.
„Ich muss kübeln“, entschied Ana und Page hielt ihr einen Eimer hin, in den sie sich erbrach.
„Gut, sie übergibt sich, das Zeug muss raus. Deine Milch ist alle“, kam MJ aus der Küche.
„Ja, ich weiß, hab sie aufgebraucht. Hast du Chuckie wachgekriegt?“
„Nein, aber atmen tut er noch. Wie kannst du so viel essen? Du hast am Meisten getrunken“, murmelte die Ärztin verkatert.
„Ihr habt mit ner Expertin getrunken, das war nen netter Versuch, aber ich trink das Zeug, seit ich achtzehn bin, das vertrag ich ideal, deswegen trink ich es ja. Steckst du mal Kate Moss hier unter die Dusche, wir müssen in einer Stunde arbeiten“, bat Page und MJ sah das Häufchen Elend an, was einmal Ana gewesen war.
„Und wenn sie mich ankotzt?“
„Du bist Ärztin, das wäre für dich sicher nicht das erste Mal“, konterte sie cool.
„Dass ich es gewohnt bin, heißt nicht, dass ich da scharf drauf bin“, murrte MJ.
„Willst du deinen Cousin wachkriegen und ausziehen?“, wollte sie keck wissen.
„Komm, Schnapsdrossel, lass uns dich fitkriegen“, zog MJ, Ana hoch und brachte sie ins Badezimmer.
 
Diesmal war es Page die im Dienstwagen gut gelaunt einen Burrito mampfte, als Ana völlig verkatert auf dem Beifahrersitz Platz nahm.
„Wäh, jetzt willst du mich nur ärgern, oder?“, fragte sie angeekelt.
„Das ist das beste Katermittel, das es gibt, dir hab ich einen Blaubeer-Muffin und einen Chai-Green-Tee gekauft, das spült alles raus, was noch in deinem Körper rumschwimmt und da nicht reingehört“, erklärte sie ihr.
„Du bist so nett zu mir, hör auf damit, das gruselt mich“, murrte Ana und schnallte sich an.
„Ich kann auch die Sirene anmachen ohne irgendeinen Grund“, frotzelte Page.
„Du weißt, dass wir das nicht dürfen!“
„Ja, weiß ich, aber das wär’s sowas von wert“, schmunzelte sie.
„Okay, ich geb’s zu, das war ein böser Fehler, dich beim Trinken herauszufordern. Ich hab auch so einen Blackout, das ich keine Ahnung habe, ob du gestern was erzählt hast, oder nicht!“
„Zu schade. Bereit?“
„Ja, aber essen kann ich nichts!“
„Musst du nicht. Auch wenn’s ne dumme Idee war, danke für gestern Abend, hat gut getan mal mit all meinen Freunden zu reden“, bedankte sich Page mit zufriedenem Lächeln auf den Lippen.
 
„Deine Partnerin ist der Sporn des Satans“, realisierte CJ, als er sich an diesem Abend mit Ana zum Kaffee traf.
„Ja, stimm ich dir ganz zu“, bemerkte Ana und schlurfte an ihrem Kaffee.
„Willst du gar nicht wissen wieso?“
„Sie ist heute “aus Versehen“ vier Mal auf den Knopf mit der Sirene gekommen, ich kann’s mir vorstellen!“
„Das ist gar nichts, sie kam heute zu mir, ich hab mich gefreut, dass sie endlich reden will, doch sie hat in allen Einzelheiten erzählt wie einer ihrer Pflegeväter Schweine geschlachtet hat“, bemerkte CJ, dem schon vom Erzählen wieder übel wurde.
„Ja, das macht sie mit größter Freude. Hat sie von ihm angefangen?“
„Du weißt doch, dass ich nicht darüber reden darf!“
„Also ja, man, manchmal wäre ich echt gern Therapeut, es ist so schwierig in ihr Hirn einzudringen“, bemerkte sie und strich ihr Haar zurück.
„Weißt du eigentlich, wie süß du aussiehst, wenn du das machst?“, flirtete CJ plötzlich mit ihr.
„Wow, was war das denn?“, war sie überrumpelt.
„Tut mir leid, bin wohl immer noch ein bisschen betrunken“, entschuldigte er sich.
„Wenn ich mal kurz deine Rolle übernehmen darf, du hast anscheinend Gefühle für mich“, realisierte sie.
„12. Dezember 2003, du hast einen von diesen süßen Weihnachtspullovern getragen“, begann er.
„Was?“
„Das war der Tag, an dem ich mich in dich verliebt habe“, gestand er.
„Das ist zwölf Jahre her, warum hast du nie irgendwas gesagt?“, war sie verwundert.
„Weil ich ein afroamerikanischer Christ bin“, sagte er nur trocken.
„Ah, das, ist mir doch egal!“
„Ich bin seit fast zehn Jahren dein Therapeut, versuchst du mich da grad zu belügen?“, wunderte er sich und sie küsste ihn spontan.
„Wie ich sagte, ist mir egal“, wiederholte sie und er packte sie am Nacken und küsste sie leidenschaftlich.
 
„Man, ich wollte mir eigentlich nen Kaffee holen um noch etwas lernen zu können, aber das … ich finde keine Worte dafür“, stand Page plötzlich im Café neben ihnen.
„Page, hey, das ist nicht das, nach was es aussieht!“
„Ich kann nur eins dazu sagen, “Na endlich“. Das ist 12 Jahre her, dass du wegen ihr mit mir Schluss gemacht hast“, sagte Page nur zufrieden.
„Ihr habt damals wegen mir Schluss gemacht?“, fragte Ana gerührt.
„Na eigentlich bin ich fremdgegangen, aber das hat ihn dazu gebracht, sich endlich seine Gefühle für dich einzugestehen. Und nur zwölf Jahre später hat es geklappt, lieber spät als nie sag ich immer“, bemerkte Page und ging weiter zum Tresen um ihren Kaffee zu kaufen.
„Warte, warum hast du denn nichts gesagt?“, kam Ana ihr hinterher.
„Warte ich bestell kurz, einen doppelten Espresso mit doppelt Sahne“, bestellte Page und drehte sie zu ihr hin.
„Heftige Dosis, was willst du lernen?“, wunderte sich Ana.
„Zeugs!“
„Definiere Zeugs!“
„Ich lerne für meine Detective-Prüfung, bist du jetzt zufrieden? Ich wollte es dir eigentlich nicht sagen, weil du das in den falschen Hals bekommen könntest!“
„Seit drei Jahren bettle ich dich regelrecht an, mit mir die Prüfung zu machen, was soll das plötzlich!“
„Das Leben ist kurz!“
„Ja, haben wir ja gemerkt, aber willst du mich einfach allein lassen, soll ich den Rest meines Lebens mit der Schnarchnase fahren?“
„Nein, du wirst Hausfrau und ein halbes Dutzend hübsche gemischt-rassige Kinder zur Welt bringen“, schmunzelte sie.
„Page, ich meins ernst, wann ist deine Prüfung?“
„In einem Monat, muss mich echt ranhalten. So, dann lass ich euch beiden hübschen mal allein“, ich freu mich so für euch“, bemerkte Page und nachdem sie ihren Kaffee bekommen hatte, ging sie von dannen.

Zwölftes Kapitel

 
„Morgen, meine Süße, es ist ein wunderschöner Morgen, nicht wahr?“, hüpfte Page am nächsten Morgen um ihre Partnerin herum, die im Park joggte.
„Man, du solltest mit das Koffein echt runterschrauben, du bist ja total aufgekratzt“, war Ana verwirrt.
„Kein Koffein, nur ein riesiger Pott von Chai-Tee und eine schöne Begegnung mit meinem Duschkopf heute Morgen“, schien Page total aufgekratzt und hüpfte in ihren Sportklamotten um sie herum.
„Sag mal, nimmst du irgendwelche Drogen?“, packte Ana sie an den Schultern und sie blieb stehen.
„Nein, das sind alles nur Glückshormone, ich fühl mich großartig“, behauptete sie.
„Hey, Page, nicht stehen bleiben, weiterlaufen“, kam MJ hinter ihr her.
„Sorry, wurde wortwörtlich aufgehalten. Kann ich meine Schultern wieder haben?“, sah Page auf ihre linke und rechte Schulter und Ana ließ sie wieder los.
„Ihr trainiert also gemeinsam?“
„Ja, sieht so aus, ich fühl mich einfach wohler, wenn ein Arzt das alles hier überwacht, kannst uns aber gern folgen, wenn du kannst“, erwiderte Page und flitzte weiter.
„Was hast du ihr gegeben, Doc?“, eilte Ana ihnen hinterher.
„Das ist nur ein Endorphin-Rausch, das kommt vom Laufen, ich hab nichts gemacht. Also mein Cousin und du, endlich mal, würd ich sagen“, konterte MJ, während sie neben Ana und hinter Page herlief.
„Hat das eigentlich jeder außer mir vorher gewusst?“, wunderte sich Ana und die beiden Frauen bejahten dies.
„Hast du mit ihm geschlafen?“, wollte MJ keck wissen.
„Äh, nein, meine moralischen Einstellungen haben sich nicht geändert“, war Ana irritiert.
„Das haben wir als Jungfrauen auch mal gedacht, Süße, aber sobald er sein Hemd auszieht ist es um dich geschehen", drehte Page sich um und joggte rückwärts.
„Meinst du wirklich?“, wankte Anas Moral.
„Ganz schnell, glaub mir. Er ist heiß, nicht?“, entschied Page.
„Mir ist nicht so ganz wohl dabei, den Sexappeal meines Cousins zu besprechen“, murmelte MJ.
„Sorry, andres Thema, wie ernst ist das mit euch?“, wollte Page von Ana wissen.
„Wir werden nächste Woche heiraten!“
„Was?“
„Ich hab ihn gestern geküsst, wer blöde Fragen stellt bekommt blöde Antworten. Wieso fragst du?“
„Nur so, du bist meine beste Freundin, interessiert mich nur. Ich renn nen bisschen vor, quatscht ruhig weiter“, eilte sie davon.
„Was hat die heut Morgen gefrühstückt, sag mal? Hast du sie im Blick?“, fragte Ana besorgt um ihre Freundin.
„Sie trägt ein Pulsmessgerät um die Brust, ich die Uhr, ja, ich hab sie im Blick. Page, langsam, dein Puls ist zu hoch“, rief MJ, als sie auf die Puls-Uhr gesehen hatte.
„Ich hol uns nen Kaffee“, rief Page und bog um die Ecke.
„Oh ja, Kaffee ist was sie jetzt noch braucht. Sie ist wie ausgewechselt, ist was passiert, von dem ich wissen müsste?“, fragte Ana kopfschüttelnd.
„Ich weiß auch nicht mehr, sorry. Sie war schon so, als ich sie abgeholt hab zum Laufen. Super, jetzt hab ich ihren Puls verloren, ich sollte ihr nachgehen. Wir sehen uns auf dem Revier?“, fragte MJ und als Ana genickt hatte, folgte MJ ihrer Patientin.
 
„Man, ich könnte nur schlafen“, bemerkte Page erschöpft, als sie Streife fuhren.
„Du hast das Rennen vermutlich übertrieben. Was ist los mit dir? Ich freu mich ja, dass du für den Test trainierst, aber dass du hinter meinem Rücken die Prüfung zum Detective machst, ist schon heftig“, kritisierte Ana sie.
„Du willst die Prüfung nicht machen, oder?“
„Wer hat das gesagt?“
„Du!“
„Das ist drei Jahre her!“
„Also willst du jetzt?“
„Das hab ich nicht gesagt!“
„Ich will die Prüfung machen, keine Ahnung was danach kommt“, sagte Page nur.
„Ich will dich als Partnerin nicht verlieren“, entgegnete Ana betrübt.
„Du wirst mich niemals verlieren“, versprach Page.
„Wenn du Detective wirst, können wir nicht mehr zusammenarbeiten!“
„Ich mach den Test nicht“, sagte sie plötzlich.
„Nein, tut mir leid, du solltest das machen, hör nicht auf mich!“
„Das war nen Test, ich hab letzte Nacht tief und fest geschlafen, ich wollte nur wissen, wie du reagierst, wenn ich nicht mehr da bin“, gestand Page.
„Ist das eine bizarre Art von einem Abschiedsbrief, den ich nicht kapiere?“, war Ana konfus.
„Nein, ich bin grad erst dem Tod von der Schippe gesprungen, warum denkt ihr alle, dass ich mich umbringen will, sagt mal? Ich hab überlegt zu ihm zu gehen, für immer“, dachte sie laut nach.
„Wer wäre ich, dich davon abzuhalten. Ich will dich nicht verlieren, aber dieser Mann scheint gut für dich zu sein“, entschied Ana.
„Ich hab mit ihm noch nicht darüber gesprochen, ich überleg nur laut!“
„Du magst ihn wirklich sehr, wenn du so eine große Überlegung anstellst“, entgegnete Ana.
„Vergiss das, das sind kindische Pläne die nicht funktionieren können“, entschied Page.
„Nein, nichts ist kindisch wenn es dich glücklich macht“, versicherte Ana.
„Ach, vergiss es, fahr einfach weiter!“
„Nein, gib nicht so einfach auf“, bat Ana.
„Bist du jetzt immer so eklig wenn du verliebt bist?“, schmunzelte Page.
„Ja, vielleicht. Er ist einer deiner besten Freunde, bist du wirklich einverstanden mit uns?“
„Ja, hab ich doch gesagt, ich liebe euch beide und seh euch gerne glücklich, ganz ehrlich“, versicherte Page und lächelte sie an. Ana freute sich sichtlich darüber.
„Ich käme klar ohne dich, es gibt Telefone, Internet und schnelle Flugzeuge, wir würden uns nicht aus den Augen verlieren“, sagte Ana plötzlich.
„Ich weiß, aber ich bin noch nicht soweit!“
„Okay, aber ich werde aber dir mit allem beistehen, wenn du soweit bist“, stellte Ana klar.
„Danke, Süße!“
„Bitte!“
„CJ und du, ich glaub’s immer noch nicht!“
„Das werden mir meine Eltern niemals verzeihen“, realisierte Ana.
„Manchmal beneide ich dich dafür, dass du jemandem so wichtig bist, dass du dir Sorgen machen musst, was sie denken“, vertraute Page ihrer Freundin an.
„Und in diesen Momenten beneide ich dich für deine Freiheit, du musst niemandem Rechenschaft ablegen, wenn du hier einfach weggehst!“
„Ich dachte eigentlich grade, ich müsste dir Rechenschaft ablegen. Du bist meine Familie“, bemerkte Page ernst.
„Bitte hör auf solche Sachen zu sagen, während ich fahre, bitte“, schniefte Ana gerührt.
„Du bist meine beste Freundin, ich wollte nur was nettes sagen“, entschied sie.
Ana bremste scharf am Straßenrand.
„Was? Hab ich was Falsches gesagt?“, wunderte sich Page, aber Ana umarmte sie nur stürmisch.
„Du gehörst auch zu meiner Familie, meine Familie hält dich zwar für einen schlechten Einfluss, aber das hat mich niemals an unserer Freundschaft zweifeln lassen“, wischte sich Ana die Tränen aus den Augen.
„Ist mal wieder die gewisse Zeit im Monat, was?“, frotzelte Page.
„Du bist fies, hab dich lieb!“
„Ich hab dich auch lieb, schnappen wir jetzt weiter böse Jungs?“, fühlte sich Page etwas unwohl in der Situation.
 
An diesem Abend gingen die beiden Frauen das erste Mal seit langem zusammen aus, Pages Absichten waren nicht ganz eigennützig, sie wollte genau wissen, wie sich Ana die Beziehung zu einem von ihren besten Freunden genau vorstellte.
„Also, wie ist er bestückt?“, war einer der ersten Fragen, die Ana an ihre Freundin hatte.
„Wirklich? So eine Frage aus deinem Mund ist etwas seltsam“, wunderte sich Page.
„Ich muss doch vorbereitet sein, mein erstes Mal wird vermutlich mit ihm sein“, erkannte Ana.
„Bist du sicher?“
„Ich bin über dreißig, irgendwann ist das mit der muslimischen Jungfräulichkeit auch lächerlich“, bemerkte Ana cool.
„Für nen Schwarzen durchschnittlich“, erklärte Page breit grinsend.
„Mit wie vielen Afroamerikanern hast du schon geschlafen?“, wollte Ana weiter wissen.
„Glaub mir, diese Frage willst du nicht beantwortet haben, sagen mir mal, so viele das ich einen guten Vergleich habe“, schmunzelte sie und in diesem Moment klingelte ihr Smartphone. Sie kannte die Nummer nicht.
„Ja?“, meldete sie sich zögerlich.
„Hey, ich bin’s, Miko, tut mir leid, wenn ich dich so spät anrufe“, rief Quentins Mitbewohner an.
„Kein Problem, bin grad aus, ist was mit Quentin?“
„Ich weiß es nicht genau!“
„Sitzt er wieder vor dem Fernseher?“
„Wenn es nur das wäre, ich hab den Kontakt zu ihm verloren“, begann Miko.
„Was meinst du damit? Ihr wohnt zusammen!“
„Er ist vor ein paar Tagen losgezogen, seine Proben sind aufgetaucht und er wollte sie als Wiedergutmachung persönlich an der Grenze abholen. Er sollte schon zurücksein, aber keiner kann ihn erreichen“, erklärte Miko.
„Oh man, lass mich raten, er ist nicht dort hingeflogen, oder?“
„Nein, er ist mit dem Schlitten losgezogen, sagte, so wäre es schneller. Das Wetter hat bei uns ziemlich umgeschlagen in den letzten Tagen, ich mach mir echt Sorgen um ihn, er hat zwar Erfahrung, aber ein Experte ist er trotzdem nicht“, zeigte sich Miko sehr besorgt.
„Hast du die Polizei informiert?“
„Ja, aber die werden auch nichts machen können wenn sie nicht genau wissen, wo er ist“, erklärte er.
„Was soll ich denn da machen?“, fragte sie ihn.
„Gar nichts, tut mir leid, dass ich angerufen habe, ich dachte nur, er wäre dir wichtig“, wollte er schon auflegen.
„Nein, tut mir leid, er ist mir sehr wichtig. Brauchst du meine Hilfe?“
„Ja, denk schon, du bist doch nen Cop, ich würde mich besser fühlen, wenn du da wärst“, murmelte er.
„Ich buch gleich nen Flug, bin so schnell wie möglich da, mach dir keine Sorgen, er taucht wieder auf“, versicherte sie ihm und legte wieder auf.
„Ana, sei nicht sauer, aber muss weg“, ging Page zu Ana zurück, von der sie sich beim Gespräch entfernt hatte.
„Was ist los?“
„Quentin ist verschwunden, das war sein Mitbewohner, ich muss nach Anchorage“, sagte sie nur.
„Verschwunden? Wie ist das denn passiert?“
„Keine Ahnung, er scheint etwas sprunghaft zu sein, diesmal hat er einen großen Fehler gemacht. Ich brauch dich, du musst dabei sein“, bat Page ihre beste Freundin.
„Okay!“
„Du hinterfragst es nicht?“
„Nein!“
„Okay, dann sollten wir gehen“, bemerkte sie irritiert und zog ihre Freundin weg.
 
Page packte alles ein, was sie an warmen Klamotten und Survival-Sachen hatte. Sie machte sich große Sorgen um Quentin, Miko hatte nochmal angerufen um sie auf den letzten Stand zu bringen.
„Immer noch nichts?“, fragte Ana, die ihr beim Packen zusah.
„Nein, ich weiß nicht, was uns dort erwartet. Was ist … wenn er tot ist?“, fragte Page stockend.
„Dann werden wir seine Leiche seiner Familie zurückbringen, ganz einfach“, bemerkte Ana pragmatisch.
„Du glaubst also auch, dass er tot ist?“, schniefte Page plötzlich.
„Nein, Süße, tut mir leid, wir finden ihn lebend, ganz sicher“, beruhigte Ana sie.
„Wir dürfen keine Zeit verlieren, das ich die Kälte überlebt habe, heißt nicht, dass er es tut“, fasste sie neuen Mut.
„Sei mir nicht böse, aber ich hab Hilfe besorgt“, erklärte Ana und sah aus dem Fenster. MJ, CJ und Chuck warteten dort auf sie.
„Sie wollen alle helfen?“, fragte sie gerührt.
„Sie sind Familie, natürlich wollen sie helfen, sie wollen dich sicher wissen, körperlich und psychisch“, erklärte Ana.
„Das ist lieb, zwar auch etwas schräg, aber auch wirklich lieb. Haben die alle Tickets bekommen?“
„Der Boss hat einen seiner früheren Armee-Kumpel angerufen, der hat ein kleines Flugzeug“, schmunzelte Ana.
„Von wegen, ich steig nicht in so eine Metall-Todesfalle!“
„Gut, du hast ja ein Ticket, viel Spaß mit der Sicherheitskontrolle am Flughafen“, erwiderte Ana und nahm ihren Koffer.
„Na gut, aber ich sitz vorne“, entschied Page und folgte ihr.
 
Bleich um die Nase kam Page an diesem Nachmittag in Anchorage an.
„Man, ich steig nie wieder in ein Flugzeug“, murmelte sie benommen.
„Du bist erst letzte Woche geflogen, so ein kleines Flugzeug kann nicht viel anders sein, als ein großes“, schmunzelte Ana.
„Ich hab Flugangst, was glaubst du warum ich mich auf den Flügen immer betrunken habe?“
„Weil du ein Alkoholproblem hast?“
„Nein, hab ich nicht, ich halt das normalerweise ohne Alkohol nicht aus“, entschied sie.
„Das war auch mal ein heftiges Wetter, mir geht’s auch nicht besser“, mischte sich MJ ein.
„Danke Doc, wirklich beruhigend, dass ich hier nicht die einzige bin. Ich hab einen schneetauglichen Wagen gemietet, ich weiß aber nicht, wie weit der uns bringt“, erklärte sie, während sie durch den kleinen Flughafen in Anchorage gingen.
„Er war mit den Schlittenhunden unterwegs, vermutlich nicht weit“, entschied CJ.
„Danke, Chuckie, du bist echt der beste Therapeut aller Zeiten“, grummelte Page sarkastisch.
„Wir sollten uns auch solche Hunde besorgen!“, schlug er vor.
„Toll, du weißt, wie man Schlittenhunde führt?“
„Nicht wirklich!“
„Dann spar dir deine blöden Ideen auf“, murrte Page und rauschte allein zum Mietwagenverleih voraus.
„Sie ist nur besorgt um ihren Freund, das war nicht böse gemeint“, versicherte MJ und ihr Cousin sah sie nur an.
„Sicher, du bist der Therapeut und weißt das, wollte dich nur beruhigen. Ich werde dann mal Vorräte kaufen gehen“, ging MJ zu dem kleinen Supermarkt im Flughafen.
 
Zusammen fuhren sie zu Mikos und Quentins Wohnung. Miko war schon vor dem Wohnhaus und belud seinen Pick-up mit einem Schneemobil.
„Siehst du, er hat ein Schneemobil, wir schaffen das schon“, kommentierte Ana, was sie dort sah.
„Oh man, Chuckie du bist anscheinend ansteckend, jetzt fängt deine Freundin auch schon so zu reden an wie du“, bemerkte Page trocken und bremste hinter Mikos Wagen.
 
Page stieg allein aus dem Wagen aus.
„Hey, Miko, hier bin ich also“, kam sie auf den Mitbewohner ihres Freundes zu.
„Gott sei Dank, du bist hier“, kam Miko auf sie zu und umarmte sie stürmisch.
„Ich hab eine Lebensschuld bei ihm, sicher komm ich. Man, du zitterst am ganzen Körper, alles klar bei dir?“, wunderte sie sich.
„Ich hatte gestern durch den Stress einen heftigen Schub, wird schon“, versicherte er.
„Schub?“
„MS!“
„Du hast multiple Sklerose, du bist doch Chirurg“, verstand sie nicht.
„Das ist aktuell noch in der Schwebe, bis sie wissen was sie mit mir machen sollen. Um mich geht’s aber jetzt nicht, wir müssen ihn finden. Er ist der einzige, der mir helfen kann, das alles hier durchzustehen“, schien Miko total aufgelöst.
„Und wir tun alles um ihn zu finden. Schaffst du es mitzukommen? Das wird vermutlich heftig werden!“
„Du bist erst vor ein paar Wochen fast tot gewesen, ja, das schaff ich, du hast ja auch gesagt, du hast ne Ärztin dabei“, stellte er klar.
„Ja, hab ich. Kann ich zwei von ihnen bei dir mitfahren lassen?“, hoffte sie.
„Sicher!“
Page wank Ana und CJ zu sich.
„Okay, nicht, dass was ich mir unter deinen Freunden vorgestellt habe, ehrlich gesagt“, gestand er plötzlich.
„Wenn du ein Rassist bist, wird das wirklich eine lange Reise“, grummelte sie.
„Nein, ganz im Gegenteil, ich dachte eher deine Freunde wären Rednecks mit Vokuhila, das hier ist ja eher United Colors of Benetton und das mein ich auf keinem Weg abwertend“, freute sich Miko.
„Danke, denke ich. Ana, Chuck, das ist Miko, Miko, meine Freunde“, stellte sie aneinander vor.
„Freut mich, euch kennenzulernen. Wer von euch beiden ist nun der Arzt?“
„Ich bin Arzt, aber ich bin vermutlich nicht der Arzt, den du suchst, ich bin der Seelenklempner“, erklärte CJ.
„Du hast einen Klapsdoktor angeschleppt? Hältst du mich für verrückt?“, fragte Miko sie kritisch.
„Nein, eher mich, er ist einer meiner ältesten Freunde, ist auch ne schwere Zeit für mich grade, er hilft mir halt“, druckste sie herum.
„Ah, sorry, bin auch nicht grad auf der Höhe, dachte nur. Ich hätte dich vielleicht nicht anrufen sollen“, war er verwirrt.
„Hey, ich dreh nicht gleich durch, er ist auch einer meiner ältesten Freunde, er will nur helfen. Im Auto sitzt noch mein Boss, Chuck Senior, er ist derjenige mit der Armee-Ausbildung, er hilft uns, dass man am Ende nicht auch noch uns retten muss“, erklärte sie.
„Gut, ihr habt einen Experten dabei. Du verstehst dich echt gut mit deinem Boss, das könnte ich grad auch bei meinem gebrauchen“, dachte er laut nach.
„Ja, bin echt gesegnet. Wir sollten gleich los, wenn wir vor der Dunkelheit noch was erreichen wollen“, drängte sie und sie fuhren los.

Dreizehntes Kapitel

 
„Es ist spät, Page, das ist das letzte Motel auf dem Weg, wir sollten hier übernachten“, bat Ana, als sie spät in der Nacht an einem abgelegenen Haus vorbeikamen.
„Er könnte heute Nacht erfrieren“, war Page dagegen.
„Wir könnten genauso erfrieren, draußen hat es -28°C, das halten wir nicht lange durch“, stimmte CJ seiner Freundin zu.
„Ihr wollt doch nur Sex auf einem Bärenfell haben“, raunzte Page.
„Man, das hab ich jetzt überhört, weil du anscheinend sichtlich besorgt bist“, murmelte CJ.
„Deine Freunde haben Recht, ich kann auch kaum noch grade schauen“, mischte sich Miko ein.
„Gut dann schlafen wir hier. Du lässt dich von Mary aber heute Abend noch untersuchen, bitte“, bat Page fürsorglich.
„Diese Frau könnte mich überall untersuchen“, schmunzelte Miko müde.
„Hey“, schimpfte CJ.
„Sorry, ist sie deine Schwester?“
„Nicht alle Afroamerikaner sind miteinander verwandt, Kumpel!“
„Ja, sorry!“
„Schon gut, ehrlich gesagt sind wir es, sie ist meine Cousine“, lächelte er matt.
„Dann ist ja gut. Ich werde uns mal Zimmer besorgen“, hielt er an und ging zur Rezeption des Motels.
 
„Ich bin nicht ganz sicher, ob deine Freundin uns verkuppeln will, oder sie sich wirklich um sorgt“, dachte Miko laut nach, als MJ ihn in ihrem gemeinsamen Motelzimmer untersuchte.
„Du zitterst immer noch, ich glaub da eher an letzteres, sorry. Morgen sollte jemand anders fahren, du mutest deinem Körper zu viel zu“, erklärte sie, während sie seinen Puls misste.
„Es ist so kalt da draußen, glaubst du, dass er noch am Leben ist?“, wollte er vor ihr wissen.
„Darüber solltest du dir jetzt keine Gedanken machen, Page hätte diesen Sturz ins Wasser auch nicht überleben sollen, hat sie aber. Der menschliche Körper ist manchmal zu so viel Größerem fähig, als wir uns vorstellen können“, versicherte sie.
„Wie lange wird mein Körper durchhalten?“, wollte er plötzlich wissen.
„Kann ich dir nicht sagen, du bist da eher der Experte. Jeder Krankheitsverlauf sieht anders aus!“
„Das ist echt nen Scheiß“, sagte er nur.
„Ja, das ist es, aber du wirst noch eine Weile gut leben können, wenn du dich aktiv bewegst“, versicherte sie.
„Er weiß es nicht“, sagte er plötzlich.
„Quentin meinst du? Warum hast du es ihm nicht erzählst?“
„Er ist ein paar Wochen wieder zu Hause und vorher war er seit meiner Diagnose nur auf Tour. Wir sind keine engen Freunde, ich hab einfach nicht den Mut aufgebracht es ihm zu sagen. Ich hoffe so, dass er nicht tot ist, ich brauche ihn so sehr in nächster Zeit. Ich war ehrlich gesagt froh, dass er in letzter Zeit zu Hause festsaß, dann war ich nicht so allein“, gestand er.
„Ja, versteh ich. Wir finden ihn, da bin ich sicher“, beruhigte sie ihn.
„Es ist so kalt da draußen, wir sind beide Ärzte, wir wissen wie das ausgeht“, sagte er nur.
„Geh schlafen, wir brauchen morgen alle unsere ganzen Kräfte“, bat MJ und er legte sich im Bett zurück.
„Du willst mir die Frage also nicht beantworten, dachte ich mir schon. Ich kann nicht schlafen“, murmelte er.
„Ich hab ein Schlafmittel dabei, eigentlich war das für Page gedacht, aber du kannst es glaub ich jetzt besser gebrauchen“, bemerkte sie und öffnete ihre Tasche.
„Du willst die Arme Frau wegen mir leiden lassen?“, wunderte er sich.
„Muss sie ja nicht wissen. Entspann dich einfach“, entschied sie und gab ihm ein Schlafmittel. Kurz danach war er eingeschlafen. MJ sah trotzdem noch nach ihrer anderen Patientin.
„Hey“, öffnete Page ihr die Tür.
„Hey, wie geht’s dir?“
„Ich könnte heulen, aber körperlich sonst gut. Wie geht’s ihm?“
„Den Umständen entsprechend gut. Er wird uns aufhalten, wir sollten ihn hier lassen“, stellte sie klar.
„Nein, das werden wir nicht tun, er würde sich wie ein Krüppel fühlen, der uns lästig geworden ist“, entschied sie.
„Man, mein Cousin ist echt ansteckend, wenn du jetzt auch so anfängst. Du solltest auch schlafen, ich kann morgen nicht euch beide versorgen“, bat MJ.
„Ich kann nicht schlafen“, erklärte sie.
„Mist, das hatte ich befürchtet. Ich hab kein Schlafmittel mehr. Lass uns etwas in den Fluren spazieren gehen, vielleicht wirst du so müde“, schlug MJ vor und Page zog die Tür hinter sich zu.
Sie gingen eine Weile die Gänge lang, als sie an einem Zigarettenautomaten vorbeikamen. Page ging nachdenklich zu dem Automaten und schlug sanft mit der Faust gegen das Gehäuse.
„Das ist der verdammt mieseste Zeitpunkt mit dem Rauchen aufzuhören“, dachte sie laut nach.
„Du trägst ein Nikotin-Pflaster, jetzt zu Rauchen könnte dich umbringen!“
„Ich werde nicht rauchen, bin schon zu weit gekommen. Glaubst du ich bin hier um ihm das Leben zu retten, wie er meins gerettet hat?“, fragte sie sich und rutschte mit dem Rücken an den Automaten gelehnt auf den Boden.
„Du weißt, ich bin keine romantische Person, aber ja, das glaub ich“, setzte sie sich zu ihr.
„Das sagst du nur, dass ich gut schlafen kann, oder?“
„Hilft es?“, wollte sie wissen.
„Schon etwas. Ich hab dir nie gedankt, dass du immer für mich da bist, oder?“, fragte Page und legte ihren Kopf auf MJs Schulter.
„Nicht so wirklich, aber es ist schön, es jetzt zu hören. Wir finden ihn, dass wir seine Leiche nicht gefunden haben, ist ein gutes Zeichen“, nahm MJ Pages Hand in ihre.
„Mir ist kalt“, murmelte Page.
„Dann lass uns zurückgehen, du musst ins Bett“, entschied MJ und zog sie hoch.
 
Die Sonne war gerade aufgegangen, als die Gruppe sich am nächsten Morgen wieder aufmachte.
„Wir sollten uns diesmal trennen, wir nehmen zwei Routen und treffen uns dann in der Mitte“, schlug Chuck vor.
„Glaubst du, das ist effektiver?“, wollte Page wissen.
„Uns rennt die Zeit davon, es ist strategischer!“
„Du weißt, ich hab immer Vertrauen in dich, erklär uns den Plan“, entschied Page.
 
„Wie weit seid ihr?“, krächzte es durch das Walkie-Talkie, was Page in der Hand hielt.
„Wir sind immer noch auf dem Dease Lake Highway, es schneit immer mehr. Er hat sicher nicht den Highway genommen, wir sollten abfahren“, plante Page.
„Nein, ihr beiden bleibt auf dem Highway, das ist ein Befehl“, tönte Chuck durchs Walkie-Talkie.
„Tut mir leid, aber ich muss das tun“, bemerkte sie und bat Miko den Highway zu verlassen, der es sofort tat.
„Verdammt, kannst du verdammt noch mal machen, was ich dir sage?“, brüllte Chuck, aber Page machte das Walkie-Talkie aus.
„Verdammt, das werde ich bereuen, oder?“, murmelte sie vor sich hin.
„Nicht, wenn du nen Plan hast. Wie sieht dein Plan aus?“, wollte er von ihr wissen.
„Ich hab nicht wirklich nen Plan“, gestand sie.
„Das hört man doch immer wieder gern. Dann fährst du aber, ich will nicht von nem Cop abgeknallt werden, weil ich das Fluchtauto gefahren bin“, hielt er an.
„Ich bin so müde“, lehnte sie sich auf dem Beifahrersitz zurück.
„Es wird auch langsam wieder dunkel, lass sie uns treffen, da hinten ist eine Tankstelle, da können sie hinkommen“, schlug er vor.
„Ich kann nicht mehr“, begann sie zu weinen.
„Dann schlaf, ich meld mich bei ihnen“, nahm Miko ihr das Walkie-Talkie ab und meldete sich bei den anderen.
 
CJ trug die völlig erschöpfte Page vom Auto zu dem abgelegenen Hotel, das sie gefunden hatten.
„Wir sollten sie hierlassen, sie schafft das nicht“, schlug Ana vor, als sie mit MJ besorgt  hinter CJ herging.
„Sie ist nicht mehr erschöpft als wir alle, sie braucht nur Schlaf“, entschied MJ.
„Er ist jetzt schon Tage da draußen, er wird nicht mehr leben“, sagte Ana trocken.
„Psst, das sollte sie nicht hören!“
„Aber es ist wahr!“
„Behalt es für dich!“
„Ich will ja nichts sagen, aber wie lange wollen wir das durchziehen? Er könnte überall sein“, entschied sie.
„Solange, wie es dauert“, murrte MJ und ging zu den anderen.
 
Erschöpft fuhr sich Page über ihre Haare. Sie fühlten sich feucht an. Sie hatte in ihrer Jugend viel gefeiert, aber ihre Haare waren nie zuvor feucht gewesen, als sie am nächsten Morgen aufwachte. Sie drehte sich im Bett herum. Neben ihr lag ein benommener Miko.
„Das kann doch nicht wahr sein“, fluchte sie vor sich hin und er drehte seinen Kopf zu ihr hin und blinzelte.
„Morgen, Schöne“, murmelte er.
„Was machst du in meinem Bett und warum hab ich nasse Haare?“
„Eindeutig zu viele Fragen für den frühen Morgen, Was machst du in meinem Bett?“, fragte er gegen.
„Verdammt, wir haben doch nicht?“, wollte sie wissen.
„Wir sind angezogen, also eher weniger. Warum du nasse Haare hast, weiß ich nicht“, erkannte er.
„Du wolltest gestern in den Whirlpool, hast das auch gemacht, ich hab dich umgezogen, dass du nicht erfroren bist, bitteschön“, hörte sie plötzlich die Stimme ihrer besten Freundin.
„An‘?“, wunderte sich Page.
„Nein, ich bin Oprah, ich hab ein Auto für dich“, konterte Ana trocken.
„Hey, keine Witze über die Königin. Warum zum Henker bin ich mit Klamotten in den Whirlpool und warum lieg ich neben dem Mitbewohner meines Freundes im Bett?“
„Wir haben nur noch ein Zimmer, irgendwo musste ich dich ja abladen. Keine Sorge, ich war die ganze Nacht hier, außer seinem großen Geschnarche ist nichts passiert“, versicherte sie.
„Warum haben wir nur noch ein Zimmer? Wo sind die anderen?“, wollte Page kritisch wissen.
„Weg!“
„Was heißt weg?“
„Es tut mir leid“, entschuldigte sie sich.
„Sie haben mich im Stich gelassen?“, konnte sie es nicht glauben!“
„Hey, wir sind Familie, natürlich nicht, sie sind nur ohne uns weitergezogen, ihr schafft das nicht weiter“, erklärte sie nur.
„Na super und du bist jetzt der Babysitter, oder wie?“
„So in etwa, ich hab die Hoffnung aufgegeben und wurde rausgewählt“, sagte sie nur.
„Ich weiß nicht, was das für unsere Freundschaft bedeutet, aber das dachte ich mir schon“, bemerkte Page und setzte sich auf.
„Du hast auch aufgegeben, oder?“, realisierte Ana.
„Er ist jetzt sechs Tage da draußen, wir haben tote Obdachlose im Winter gesehen, das hält der menschliche Körper nicht so lang aus. Gerade will ich ihn nur seiner Familie zurückbringen, wie auch immer das geschehen wird“, erklärte Page kühl.
„Man, das Medikament von gestern wirkt wohl immer noch. Hey, guck mich nicht so an, ich hab dir das nicht überreicht, das war unsere Frau Doktor. Die hat vielleicht Augen gemacht, als du einen Köpper in den Whirlpool gemacht hast!“
„Das muss echt ein heftiger Scheiß gewesen sein, wenn ich mich an gar nichts erinnere. Miko habt ihr auch unter Drogen gesetzt?“
„Nein, der hat die Minibar geplündert, stimmt’s nicht, Idiot?“, wuschelte Ana, Miko durch die Haare.
„Hat meine werte Kollegin Aspirin, oder so was dagelassen?“, murmelte Miko und Ana stellte ihm eine Plastikflasche mit Aspirin hin.
„Danke, Wasser?“, bat er.
„Da hinten ist ein Waschbecken“, sagte Ana nur und zeigte ins Badezimmer.
„An‘, er ist krank“, raunzte Page sie an.
„Nicht so krank, dass er nicht laufen kann“, nörgelte sie.
„Das erzähl ich Mummy und Daddy, dass du böse zu mir warst“, witzelte Miko und ging ins Badezimmer.
„Du hast ja auch nicht erwartet, das sie anders reagieren, oder? Sie wollen alle das Beste für mich“, sagte Page plötzlich zu Ana.
„Du hast trotz allem nicht dein Ego verloren, irgendwie beruhigend. Brauchst du auch irgendwas?“, fragte Ana auf einmal liebevoll.
„Quentin“, erwiderte sie nur.
„Ja, ich weiß, Engel, ich würde ihn dir auch gern beschaffen“, setzte sich Ana neben sie aufs Bett.
„Hey, Ladies mir fällt grad was ein, was meine Migräne schnell verschwinden lassen könnte“, sah Miko anzüglich breitbeinig in der Tür stehend zu den Frauen.
„Das glaubst auch nur du. Bist du fertig im Bad? Ich möchte meine Haare föhnen“, konterte Page und stand auf. Es drehte sich bei ihr alles.
„Man, könntest du mich stützen, Ana?“, hoffte sie.
„Sicher, warte“, stützte sie sie.
„Was? Sie bekommt die Sonderbehandlung?“, murrte er.
„Halt einfach die Backen, Mik‘“, raunzte Page.
„Wir sind alle angespannt, also hab ich das grad nicht gehört. Ich brauch was zu essen, sonst noch jemand?“, bemerkte er und schlüpfte in seine Boots, nachdem er sich spärlich angezogen hatte.
„Danke, habe keinen Hunger“, murmelte Page.
„Bring ihr einen Bagel mit, wenn sie sich nur von Medikamenten ernährt, haben wir bald ne Drogenleiche“, bat Ana und Miko nickte und ging davon.
Page war zu fertig um Ana darauf hinzuweisen, dass sie sie nicht bemuttern musste.
Sie ließ sich sogar von Ana die Haare föhnen. Im Inneren war sie wie tot, sie glaubte nicht, ihn leben wieder zu sehen.
Als Page wieder etwas eingenickt war, bat Miko, Ana vor die Tür.
„Was ist los?“, wollte Ana besorgt wissen.
„Ich hab grad nen Anruf erhalten“, begann er.
„Ist er…?“, fragte Ana stotternd.
„Sie haben eine Leiche gefunden, wir sollen nachsehen, ob er es ist“, erklärte Miko benommen.
„Ich hab ihn kennengelernt, ich bin am wenigsten involviert, ich sollte ihn identifizieren“, schlug Ana vor.
„Sie will sicher dabei sein“, bemerkte er.
„Ich weiß nicht, ob sie das verträgt!“
„Wird sie nicht, sie will vermutlich trotzdem dabei sein“, entschied sie.
„Ich werde es ihr sagen, sie soll dich nicht damit verbinden, wenn er es wirklich ist“, schlug er vor und sie nickte.

Vierzehntes Kapitel

 
Auf ihre Freunde gestützt ging Page durch den Gang der Polizeistation, die zu der Leichenhalle führte. Die Leiche hatte keinen Ausweis bei sich getragen, aber vom Alter und der Statur konnte er es sein.
„Ich werde es machen“, wiederholte Ana, als sie an der Tür am Ende des Ganges angekommen waren.
„Nein, ich mach es, ich muss es tun, ich bin ein Cop, ich schaff das“, erwiderte Page.
„Du hast aber noch nie jemanden identifizieren müssen, den du liebst!“
„Ich liebe ihn nicht!“
„Du, tust du!“
„Lasst ihr mich das bitte einfach machen?“
„Okay, ich komm aber mit“, entschied Ana.
„Ich bitte darum“, bat sie und ging mit ihr rein.
Es roch nach Alkohol und anderen Reinigungsmitteln, als Page am Arm ihrer besten Freundin zu dem Fach ging, in dem die Leiche lag. Es schien ihr wie eine Ewigkeit bis sie dort angekommen waren.
„Bereit?“, fragte Ana, als sie den Griff in der Hand hatte.
„Nein!“
„Brauchst du noch ne Sekunde?“
„Nein, mach auf, sonst kann ich es nicht mehr tun“, bat sie und trat zur Seite.
Mit einem Klick ging die Tür auf und der Schieber rieb mit einem metallischen Klang gegen die Wand des Leichenfachs, als er herausgezogen wurde.
„Können wir?“, fragte der Pathologe und Page nickte. Der Mediziner zog das Tuch von dem Leichnam. Zögerlich sah Page hin. Die Leiche war eiskalt gefroren und auch sonst schwer zu identifizieren.
„Weiß nicht!“, murmelte sie vor sich hin.
„Ich kann es auch nicht genau sagen“, erläuterte Ana leise.
„Sieh dir seine Füße an“, bat Page, die nur auf die Leiche starrte.
„Was?“
Wortlos ging Page zum Fuß-Ende der Leiche und zog das Laken hoch.
Für eine Sekunde sah sie sich die Füße an und ging dann auf die Knie.
„Er ist es nicht“, bemerkte sie und die ganze Anspannung befreite sich durch einen Weinkrampf.
 
„Es war ein Fehler“, realisierte Ana, als sie ihrer Freundin zusah. Die saß an der Bar des Hotels und starrte in ihren Gin Tonic, während die anderen beiden in einer Nische saßen.
„Schon, aber sie ist anscheinend die einzige, die ihn wirklich identifizieren kann. Hast du gewusst, dass Quentin nur 9 Zehen hat?“
„Ja, hat sie mir erzählt, aber ich hätte da nie dran gedacht, danach zu schauen. Sie ist stärker, als wir denken, glaub ich, sie hat das gut gemacht“, bemerkte Ana.
„Sie hat die letzte dreiviertel Stunde geweint“, konterte er.
„Dir ist sicher auch danach, ich bin froh, dass sie es endlich gemacht hat, es wird ihr jetzt vermutlich bessergehen. Sie wird hier nicht weggehen, bis er gefunden wurde, auf die eine oder andere Weise. Ich würde sie lieber wieder mit nach Hause nehmen, dass sie das alles hinter sich lässt“, dachte sie laut nach.
„Tut mir leid, dass ich euch damit reingezogen habe“, entschuldigte sich Miko.
„Schon gut, sie hätte nein sagen können!“
„Ich hab sie emotional erpresst irgendwie, ich wollte nur jemanden haben, der mir hilft, ich schäme mich dafür!“
„Sie ist ein Dickkopf, du kannst ihr nichts einreden, was sie nicht will. Du solltest schlafen gehen, ich werde noch mit ihr reden“, bat sie und er ging wortlos davon.
„Hey“, klemmte sich Ana neben ihre Freundin an den Tresen.
„Ich brauch ne Zigarette“, sagte Page nur zu ihr.
„Dachte ich mir schon“, rollte sie ihr eine einzelne Zigarette hin.
„Oh man, wir stecken echt in der Scheiße, wenn du das zulässt. Wo hast du ne einzelne Zigarette her?“
„Hab ich von so’m Kerl geschnorrt!“
„Danke“, bedankte sie sich und nahm die Zigarette an.
„Du willst die wirklich rauchen?“
„Keine Ahnung, momentan bin ich vollkommen unfähig irgendeine Entscheidung zu treffen“, erklärte sie.
„Glaub ich dir. Bist du müde?“
„Nein, nicht wirklich. Hast du von den anderen was gehört?“, wollte Page wissen, aber Ana schüttelte den Kopf.
„Ich sollte sauer auf sie sein, aber irgendwie ist es mir egal“, sagte sie gefühllos.
„Versteh ich, aber ich bin sauer genug für uns beide, keine Sorge!“
„Wenn er wirklich noch am Leben ist, werde ich bei ihm bleiben“, gestand sie plötzlich.
„Ich weiß!“
„Was?“
„Wir würden das hier nicht machen, wenn wir nicht dein Glück im Blick hätten“, schlussfolgerte Ana.
„Ich wäre weit von dir weg!“
„Ja, schon klar!“
„Wow, du willst mich also wirklich loswerden!“
„Ich dachte, wir hätten geklärt, dass du meine Schwester im Geiste bist, das geht schon klar!“
„Das geht schon klar? Man, ich dachte, ich wäre emotionslos grade, aber das ist hart“, realisierte Page.
„Was soll ich sagen? Bitte geh nicht?“
„Ja, so in etwa!“
„Bitte geh nicht!“
„Er ist vermutlich eh tot, da brauch ich nicht hier bleiben“, rutschte sie vom Barhocker und ging zum Fahrstuhl. Die Zigarette hatte sie liegen lassen. Kopfschüttelnd nahm Ana die Zigarette und ging hinter ihr her.
 
Mitten in der Nacht erhielt Ana Textnachrichten von ihrem Freund
 
>Wie geht es ihr?<
>Mir geht es gut, danke der Nachfrage<
>Tut mir leid, Süße, ich bin wieder mal erst der Psychologe, ich mach mir halt Sorgen um sie, um dich natürlich auch. Also wie geht’s euch<
>Wir haben heute ne Leiche identifiziert<
>Er ist tot?<
>War er nicht, war trotzdem ein heftiger Tag für unsere Kleine. Sie braucht dich jetzt, ich brauch dich auch<
>Wir sind auf dem Rückweg zu euch, wir sind wieder da, wenn du aufwachst!“<
>Ihr habt auch nichts gefunden, oder?<
>Nein, es schneit einfach zu sehr. Ich dachte, du hast aufgegeben?<
>Es ist schwer aufzugeben, wenn sie noch weiter Hoffnung hat<
>Du bist halt ne tolle Freundin. Wir sind bald zurück<
>Kommt einfach heil hierher, ja?<
>Werden wir, hab dich lieb<
>Ich dich auch, geh einfach schlafen<
>Ich hab geschlafen, du hast mich geweckt, mein Schatz<
>Oh, sorry<
>Schon gut, von dir werde ich gern geweckt. Bis später<
 
Nachdenklich drehte sich Ana zu ihrer Freundin und deckte sie sanft zu.
 
Als Page am nächsten Morgen wieder nur in ihrem Essen herumstocherte kam die Gruppe ihrer Freundin von ihrer Suche zurück. Sie sprang auf.
CJ ging auf sie zu und schüttelte nur den Kopf. Sie vergrub ihren Kopf auf seiner Brust.
„Okay, verschwinden wir hier“, entschied sie und sah zu den anderen. Sie dachten alle gleich wie sie, doch es schien, als hätten sie nur auf sie gewartet.
„Tut mir leid, Miko, aber es ist Zeit“, drehte er sich zu Miko.
„Danke, dass ihr es versucht habt“, verstand er es.
„Schon gut, wir haben gehofft, mehr zu erreichen, aber das ist nicht unser Revier, nicht unsere Gegend, wir kennen uns hier nicht aus“, entschuldigte sich Ana.
„Wie ich sagte, schon gut. Will jemand mit mir mitfahren?“
„Es ist ein langer Weg, es sollte jemand anderes deinen Wagen fahren“, bat Page.
„Ich werde fahren“, schritt MJ ein.
„Danke“, hatte Miko nichts dagegen einzuwenden.
 
Schweigend fuhren sie durch das Schneegestöber zurück nach Anchorage. Ganz plötzlich rannte ein Hund vor MJs Wagen und sie bremste scharf. Page, die gedöst hatte, schreckte auf.
„Was ist, warum hältst du?“, murmelte sie.
„Da ist ein Hund auf der Straße!“
„Dann lass ihn durch und fahr weiter“, verstand sie nicht.
„Er bewegt sich nicht“, sagte MJ nur.
„Er hat vielleicht Hunger, ich geb ihm was“, stieg Page aus und wollte dem Hund den Rest von ihrem Bagel geben. Es war ein Husky, der ziemlich mitgenommen aussah.
„Hey, Kumpel, hast du Hunger?“, kniete sie sich zu ihm hin. Gierig schlang der Husky den Bagel herunter.
„Oh ja, du hast Hunger. Hast du kein Herrchen?“, suchte sie nach einer Hundemarke. Sie bekam eine Marke zu fassen und las sie. Gedankenversunken ging sie zum Beifahrersitz und öffnete die Tür.
„Mik, gibst du mir mal die Liste mit den Hunden, die Quentins Bekannten gehören?“, fragte sie nur.
„Warte, hier hab ich sie. Ist er einer von ihren Hunden?“
„Das prüfe ich grade. Ja, ja, Lola, 63748“, freute sich Page, als sie die Liste durchgegangen war.
„Er ist einer von den Hunden, die er dabei hatte?“, wiederholte Miko seine Frage.
„Man sollte eher sagen „Sie“, aber ja, das ist sie. Sie kann uns vielleicht zu ihm führen“, war sie euphorisch.
„Sie ist sicher vollkommen erschöpft, vielleicht ist sie orientierungslos“, schraubte MJ ihre Ansprüche runter.
„Huskys sind die Extremsportler das schafft sie. Ich werde ihr noch was zum Trinken geben und noch einen Bagel“, plante Page und fütterte den Hund.
„Wir folgen jetzt nicht wirklich einem Hund, oder?“, warf Ana ein.
„Wir wissen alle, dass du kein Vertrauen hast und wenn wir zu Hause sind, solltest du mit meinem Cousin darüber reden, aber sie scheint einen Gefühl zu folgen und das machen wir auch“, bemerkte MJ und Page stieg wieder ein.
„Sie steht da immer noch“, bemerkte MJ, als die Hündin nicht losging.
„Wir sollten mit dem Schneemobil vorrausfahren“, überlegte Miko.
„Bist du fit genug dafür?“
„Denk schon, wenn ich nicht mehr kann, kann mich ja jemand ablösen“, erklärte Miko und sie luden den Schneemobil ab. Neben dem Schneemobil bewegte sich die Hündin voran.
„Das glaubt mir keiner, wenn ich das erzähle“, sagte Ana kopfschüttelnd.
„An‘, schlaf einfach und lass uns machen“, raunzte MJ und fuhr weiter.
 
Die Stunden vergingen und der Hund lief die ganze Strecke wie nichts.
„Huskys sind schon unglaubliche Tiere“, murmelte Ana auf dem Beifahrersitz.
„Sie wäre unglaublich, wenn sie endlich da wäre, wo auch immer sie hingeht“, entschied Page erschöpft.
„Es sind fünf Stunden, jemand sollte den Kleinen ablösen“, entschied MJ.
„Mach ihm ein Zeichen, ich lös ihn ab“, bat Ana.
„Woher wissen wir, dass du nicht einfach abhaust?“
„Man, ich hab hier niemanden abgestochen, man kann doch mal anderer Meinung sein, oder? Ich kann nicht abhauen, warum sollte ich auch? Kann ich jetzt, oder nicht?“, fragte Ana und MJ ließ die Fernscheinwerfer aufleuchten. Sie fütterten den Hund nochmal und Ana fuhr weiter.
Nochmal drei Stunden später, sie hatten die Hoffnung fast aufgegeben, blieb der Hund plötzlich an einem Abhang stehen.
MJ stieg vom Schneemobil ab und sah den Abhang herunter.
Alle anderen parkten und stiegen auch aus.
„Ich seh da nichts“, bemerkte MJ.
„Wir müssen da runter“, entschied Page.
„Spinnst du? Das sind mindestens zehn Meter“, murmelte Ana.
„Jetzt weiß ich, warum ich den dicken Wagen gemietet habe. Binde ein Seil fest“, bemerkte sie.
„Wir haben kein Seil, Mac Gyver“, konterte Miko trocken.
„Gut, dann muss ich springen“, erwiderte sie nur.
„Nein, tust du nicht!“
„Geht mir aus dem Weg“, ging sie ein paar Schritte zurück.
„Chuckie, red mit ihr, ich glaub, sie hat einen Nervenzusammenbruch“, schlussfolgerte Ana und sah ihren Freund an. Der drehte sich zu seiner Patientin.
„Page….“, begann er langsam auf sie einzureden.
„Du kannst mich nicht aufhalten, Doc, das ist mein Schicksal“, sagte sie nur.
„… du musst noch mindestens einen Meter weiter zurück gehen, da könnten Steine unter dem Schnee sein“, riet er ihr und seine Freundin sah ihn entgeistert an.
„Wenn ich das hier nicht überlebe, ihr wisst, dass ich euch alle liebe, oder?“, rief sie ihnen zu.
„Lass den Scheiß!“
„Du bringst dich um!“
„Lasst sie, wenn sie gegen euch rennt fallt ihr runter und es gibt mehr als eine Tote“, bat CJ ruhig und die Menschenmenge, die sich vor der Kante gebildet hatte, löste sich auf.
„Ich weiß, Gott, wir beide sind keine Bros, aber wenn du mich das Überleben lässt, besuch ich mal ne Kirche versprochen“, betete Page und rannte los. Ihr Sprung schien eine Ewigkeit anzudauern und ihre Freunde sahen sie nur noch in einem Schneehaufen versinken.

Fünfzehntes Kapitel

 
Ihr Herz schlug so schnell, dass es sich anfühlte, als würde es aus ihrer Brust rauswollen. Sie lebte, atmete und auch ihre Beine konnte sie bewegen. Sie steckte im Schnee, doch sonst war sie unverletzt. Mühsam zog sie sich aus ihrem Schneeberg.
„Ich bin okay“, rief sie nach oben.
„Scheiße, Partnerin, du hast doch den Schuss nicht gehört“, schrie Ana zu ihr.
„Besorgt schon mal einen Helikopter, denn hoch komm ich hier nicht mehr“, rief sie nur.
„Wir lassen dich da verrotten, ich hatte mehrere Herzinfarkte wegen dir“, brüllte Chuck seine Untergebene an. Sie hörte ihrem Chef aber nicht mehr zu, mit bloßen Händen begann sie zu graben. Wie aus einem surrealen Traum bekam sie plötzlich Fell zu fassen. Es war ein weiterer Husky. Er lebte noch, war aber im Schnee eingebuddelt. Sie zog an einer Leine, die sie fand und zog den Hund damit aus dem Schnee. Er war noch an einem Schlitten befestigt. Sanft löste sie die Leine und der Hund schüttelte den Schnee von sich. Nach und nach fischte sie einen Hund nach dem anderen aus dem Schnee. Die Hunde hatten sich, wie es Schlittenhunde instinktiv machten, im Schnee eingebuddelt, um sich warm zu halten. Als die Vierbeiner alle frei waren, lag nur noch ein Körper im Schnee. Seine knallrote Mütze stach aus dem Schnee heraus wie Blut. Hektisch zog sie seinen Kopf hoch und misste seinen Puls. Er war kaum noch zu spüren, doch er war eindeutig messbar.
„Docs, er lebt, er ist hier, ich brauche euch hier“, schrie sie nach oben.
„Ich geh runter“, erklärte MJ ihrem Onkel.
„Nein, du machst ihr den Scheiß nicht nach, die Zeiten haben wir hinter uns“, tönte Chuck.
„Sorry, Onkel, sag meinen Eltern nicht, dass ich bei so einem Blödsinn draufgegangen bin, wenn es mich erwischt“, ging MJ rückwärts zurück und nahm ihre Erste-Hilfe-Tasche aus dem Auto bevor sie auch sprang.
„Du bist mir sowas von nen Drink schuldig“, murrte sie als sie bei Page angekommen war.
„Die Drinks gehen ein ganzes Wochenende auf mich, wenn du ihn rettest“, versicherte Page.
„Ich halte die Zungenschaber an seinen Hals und du bindest den Mull darum, wir müssen seinen Hals stabilisieren“, handelte MJ professionell und ihre Freundin half ihr dabei, mitten im Schneesturm erst Quentins Hals zu fixieren und dann aus Ästen und weiterem Mull sein gebrochenes Bein zu schienen.
„Wie weit ist der Helikopter?“, schrie MJ nach oben.
„Sie sind auf dem Weg, wie geht’s ihm?“
„Ich hab den Defi im Anschlag, aber aktuell hält er durch“, rief sie zurück.
„Danke“, bedankte sich Page vollkommen fertig.
„Dank mir noch nicht, noch ist er nicht aus dem Gröbsten raus“, murmelte MJ, die sich ganz professionell auf ihre Aufgabe konzentrierte.
 
Es verging eine halbe Stunde bis der Helikopter endlich zu ihnen durchkam. Page musste Quentin einmal schocken, aber von da an schlug sein Herz regelmäßig. Page massierte die ganze Zeit zum Krankenhaus im Helikopter Quentins Handgelenk. Er hatte AFK darauf tätowiert, sie konnte es nicht abwarten, dass er ihr von seiner Gamer-Vergangenheit erzählte.
 
Sie hörte leise Schritte auf dem Boden des Krankenhauses.
„Page, du bist schon fast 30 Stunden wach, komm mit“, bat Ana, als sie bei ihrer Freundin ankam. Die hatte auch Stunden nach seiner Ankunft im Krankenhaus seine Hand nicht losgelassen.
„Bin nicht müde“, bemerkte sie abwesend, ohne auch nur den Blick abzuwenden.
„Er wird irgendwann aufwachen, wenn er aufwacht, du willst du doch nicht so furchtbar aussehen, oder?“, munterte sie sie auf.
„Er war auch die ganze Zeit bei mir!“
„Auch nicht immer! Das Hotel ist hier gleich um die Ecke, ich sag der Schwester, sie soll dich sofort anrufen, wenn er nur einen Mucks macht, du wärst in fünf Minuten hier“, handelte sie.
„Okay“, gab sie nach und löste sich von seiner Hand.
 
„Schläft sie?“, fragte Miko, MJ, als sie aus dem Hotelzimmer in die Lounge des Hotels kam, in dem die Freunde sich aufhielten.
„Ja, endlich, hab ihr auch was gegeben“, entgegnete MJ und humpelte zu einem Sessel.
„Du hast dir den Fuß verstaucht, oder?“, realisierte er erst jetzt.
„Will nicht darüber reden“, murrte sie.
„Du hast sein Leben gerettet, du bist ne Heldin“, lobte CJ seine Cousine und legte seine Jacke auf den Couchtisch, damit sie ihren Fuß hochlegen konnte.
„Danke, Cous. Wie lange, bis er zurückkommt?“
„Etwa zwei Stunden, leg dich doch zu deiner Freundin, ich komm hier allein klar. Ich warte auf Chuck, er müsste bald zurück sein“, entschied sie.
Der Sheriff brachte die Hunde zu ihrer Halterin zurück.
„Okay, versuch aber etwas zu schlafen“, bat er, küsste ihren Kopf und ging ins Hotelzimmer, wo Ana, Page und Miko schliefen.
 
„Mary?“, hörte die junge Ärztin Mikos Stimme.
„Eigentlich nennt mich keiner ungefragt so, aber das konntest du nicht wissen“, murrte sie verschlafen, ohne die Augen zu öffnen.
„Sorry, ich suche Page“, entschuldigte er sich und sie öffnete die Augen.
„Wie spät ist es?“, wollte sie wissen.
„Kurz nach sieben Uhr, sie ist sicher wieder im Krankenhaus, wir hatten gestern Mühe und Not sie dort wegzuholen. Wie geht’s dir?“, wollte sie wissen.
„Hab mich erholt, danke, dass ich in der ersten Schicht schlafen durfte. Wie geht’s dem Fuß?“
„Tut weh, danke fürs Verbinden. Au, Krampf“, hob sie ihren Fuß vom Tisch, auf dem er immer noch lag.
„Soll ich?“, fragte er und nahm ihren Fuß fürsorglich in seine Hände und massierte ihn sanft.
„Hat ja nicht lang gedauert, dass du sie an grabscht“, stand plötzlich Chuck hinter ihm. Etwas ungeschickt ließ er ihren Fuß fallen.
„Onkel, du bist zurück“, bemerkte MJ unter Schmerzen.
„Ja, sieht so aus. Ich könnte nen bisschen Schlaf gebrauchen, bin nicht mehr der Jüngste. Ist ein Bett frei?“, wollte Chuck wissen und Miko nickte.
„Dann geh ich mal schlafen. Bloß die Finger weg von meiner Nichte, mein Bruder ist ein ehemaliger Quarterback, den willst du nicht sauer machen, mich übrigens auch nicht“, drohte Chuck ihm und ging zum Fahrstuhl.
„Er ist ziemlich fürsorglich, was?“, konterte er nur.
„Ja, ist nicht immer einfach mit ihm. Was wäre, wenn wir nen Kaffee zusammen trinken gehen würden?“, fragte sie nach einem Date.
„Klingt gut“, bemerkte er und ging mit ihr aus der Lobby.
 
Page saß auf dem Rand des Brunnens vor dem Hotel.
„Hey, was machst du denn hier?“, kam Ana zu ihr
„Es sind noch keine Besuchszeiten“, sagte sie nur.
„Ja, ich hab dich belogen, so einfach wärst du nicht zu ihm gekommen letzte Nacht. Aber jetzt konntest du ausschlafen. Sie hätten aber angerufen, wenn er wach wäre“, gestand Ana.
„Es ist so ein seltsames Gefühl“, überlegte sie laut.
„Was meinst du, Süße?“
„Ich habe so tiefe Gefühle für diesen Mann, der mir vollkommen fremd ist. Reicht das für ein neues Leben?“, philosophierte sie.
„Du wirst es bereuen, wenn du es nicht wenigstens versuchst. Zieh nach Anchorage, erstmal alleine, bau dir dort ein Leben auf und wenn es nicht passt dann komm zurück, der Boss hat sicher immer ne Stelle für dich“, schlug sie ihr vor.
„Ich will dich aber nicht allein lassen“, bemerkte sie.
„Ich bin nicht allein, hast du das nicht kapiert? Diese Leute, die Kopf und Kragen für einen Unbekannten riskiert haben, werden gut auf mich aufpassen“, versicherte Ana.
„Geht’s MJ eigentlich gut? Sie sah aus als hätte sie Schmerzen“, wechselte sie das Thema.
„Sie hat nen verstauchten Fuß, sie ist wohl nicht so glücklich gelandet wie du. Übrigens, wenn du so nen Mist nochmal machst, dann töte ich dich eigenhändig“, drohte sie ihr sanft.
„Hab ich nicht vor, aber gut zu wissen. Hat sie jemand versorgt?“
„Miko kümmert sich um sie, auf mehr Arten, wie dem Boss lieb ist“, schmunzelte Ana.
„Sie gewinnt damit die Wahl zur kompliziertesten Beziehung. Gut, es ist acht, wir können rein“, stand Page auf.
„Willst du mit ihm allein sein?“, wollte Ana wissen und Page nickte.
„Gut, dann geh ich zurück ins Hotel. Aber mach nicht wieder so lang, okay?“
„Versprochen. Genieß deine Zeit mit Chuckie, bevor uns der Alltag wieder hat“, verabschiedete sie sich mit einer Umarmung von ihrer Freundin.
„Ja, mach ich und du iss was, das war eine heftige Nacht“, bat Ana und Page ging zum Krankenhaus.
 
 
Als sie zu seinem Zimmer kam, stand eine Schwester schon mit einem Telefon am Ohr davor.
„Miss Mills, ich wollte Sie gerade anrufen. Er ist wach geworden“, erklärte die Schwester und sie drängte sich an der Schwester vorbei ins Zimmer.
„Tut mir leid, ich wollte da sein, wenn du wach wirst“, kam sie langsam auf ihn zu.
„Ich hab von dir geträumt“, begrüßte er sie.
„Du siehst echt fertig aus“, konnte sie nur von sich geben.
„Danke“, bemerkte er matt.
„Sorry, ich weiß nicht, was ich sagen soll!“
„Du hast mich gerettet!“
„Ja, hab ich, eigentlich war das Teamwork, meine ganzen Freunde haben geholfen. Großen Dank gilt aber auch den Huskys, sie haben dich gewärmt soweit sie konnten!“
„Haben alle überlebt?“, wollte er besorgt wissen.
„Ja, zwei haben kleinere Verletzungen, sonst geht’s allen gut, mein Bekannter hat sie deiner Freundin zurückgebracht. Du bist schwerer verletzt“, erklärte sie.
„Mein Bein tut weh!“
„Du hast einen dreifachen Trümmerbruch, sie mussten operieren, das wird noch ne Weile dauern und du hast jetzt Titan im Bein, wird dir auf deinen Reisen vermutlich ziemlich lästig werden“, erklärte sie ihm.
„Keine Reisen mehr, das war’s“, entschied er.
„Du willst also wirklich sesshaft werden?“
„Ja, meine Entscheidung ist endgültig, ich hab mich für ein paar Scheiß Proben fast umgebracht, dass ich meine Proben schon das zweite Mal verloren habe, wird auch nicht sehr förderlich für meine Karriere sein!“
„Deine Proben stehen hier in einem Kühlschrank, sie haben alles überstanden, dachte mir, du bräuchtest sie vielleicht noch!“
„Sie sollen sie an meine Arbeitsstelle schicken, kümmern werde ich mich aber nicht mehr darum!“
„Du hast eine lange Zeit zum Nachdenken gehabt, was?“, setzte sie sich zu ihm.
„Ich war ne ganze Weile bei Bewusstsein, da kommt man zum Nachdenken“, erklärte er.
„Lass mich raten, du bist zu einer Lösung gekommen, was du mit mir machst“, erwiderte sie betrübt.
„Ja, das bin ich!“
„Okay, ich verstehe schon, ich hab dir zu sehr weh getan, kein Problem“, bemerkte Page und stand auf.
„Wo willst du hin?“, wunderte er sich.
„Du willst doch sicher, dass ich gehe!“
„Ich will für immer mit dir zusammen sein, warum würde ich wollen, dass du gehst?“, fragte er und reichte ihr schwach seine Hand hin.
„Du willst also, dass ich bleibe?“
„Ja, das mein ich damit. Komm her, ich hab keine Energie, meine Hand solang oben zu halten“, bat er liebevoll und sie setzte sich lächelnd wieder hin.
 
Ihre Freunde ließen ihr die ganze Besuchszeit bei ihm zu sein, was sie sehr begrüßte.
„Hey, da bist du ja wieder. Wir fliegen morgen früh, Holzklasse diesmal. Ich hab dir auch einen Platz reserviert, nur, falls du auch mitfliegen willst“, erklärte Ana, die ihre Sachen im Hotelzimmer zusammenpackte, während die anderen was essen waren.
„Ich werde mitfliegen“, sagte sie nur.
„Das tut mir leid, Süße!“
„Muss es nicht, er wird nachkommen, wenn er wieder gesund ist“, entgegnete sie mit einem Grinsen.
„Oh, Süße“, bemitleidete Ana ihre Freundin.
„Oh nein, tu das nicht, er hat das alles hier satt, er wird zu mir kommen, da bin ich ganz sicher“, versicherte sie.
„Das wünsche ich dir sehr, ehrlich. Jetzt pack deine Sachen zusammen, bitte“, bat Ana abgelenkt.
„Du glaubst es nicht, oder?“
„Dazu sag ich jetzt nichts, das waren viel zu anstrengende Tage um darüber zu diskutieren. Mehr packen, weniger quatschen“, bat Ana.
„Ich bin auch viel zu erschöpft für ne Diskussion, du wirst schon sehen. Ich brauch Schlaf“, entgegnete Page müde.
„Dann schlaf, sorry, dass ich so hart zu dir bin, ich hatte nen langen Tag“, entschuldigte sich Ana und setzte sich aufs Bett.
„Was war denn heute los?“, wollte Page wissen und setzte sich neben sie.
„Ach, die anderen machen mir das Leben schwer, weil ich so negativ dem allen hier eingestellt war“, erklärte Ana.
„Ich red mit ihnen, ich hab keinen Groll dir gegenüber, das sollten sie auch nicht. Irgendjemand musste ja die vernünftige Stimme in diesem Durcheinander sein. Du hast zwar mich dazu gebracht aufzugeben, aber das ist Schnee von gestern. Dieser tapfere Hund hat alles gerichtet!“
„Dieser tapfere Hund war eigentlich die Wurzel allen Übels. Wenn sie sich nicht vor irgendwas erschreckt hätte, wäre sie nicht ausgebrochen und hätte die anderen nicht in den Abgrund getrieben“, erzählte Ana.
„Sie hat es ja wieder gut gemacht. Wir sollten ihr ne riesige Belohnung zukommen lassen“, dachte Page laut nach.
„Dann sollten wir allen Hunden was geben, sie haben deinen Freund solang warmgehalten, dass wir ihn lebend finden konnten. Ich glaub immer noch nicht, dass wir ihn gefunden haben und dass er das alles überlebt hat. Du hast MJ gesagt, du denkst, dass der Grund dafür ist, dass du noch lebst seine Rettung ist und das glaube ich ganz fest. Wenn du diesen mutigen Sprung nicht gewagt hättest und ich weiß, du hast es zwar nicht gezeigt, aber du hattest danach sicher Schmerzen, hätten wir ihn niemals gefunden“, erklärte Ana.
„Ich war so mit Adrenalin vollgepumpt, mir hätte ein Bein abgefallen sein können, ich hätte weiter gemacht. Das war ähnlich wie damals, als ich angeschossen wurde, ich hätte Bäume ausreißen können und danach kam diese wohlige Erschöpfung“, erklärte Page mit Begeisterung.
„Ich darf ein bisschen besorgt über deinen Adrenalin-Junkie-Ausbruch sein, oder? Manche Junkies springen von einer Sucht in die andere, weißt du?“
„Ich habe kein Suchtproblem, ich glaub immer noch nicht, dass ich das immer noch erklären muss. Ich habe das Trinken aufgegeben und das Rauchen, und mein letztes Mal ist verdammt lange her. Mir geht’s gut, ich hab zwar fünf Pfund wegen dem Zigarettenentzug zugenommen, aber das ist in Ordnung, solang es im Rahmen bleibt, meint MJ. Du kannst doch nicht behaupten, das würde dich nicht anmachen!“
„Nein, ich bin ziemlich langweilig, wie du weißt. Das wird jetzt hoffentlich nicht zur Gewohnheit, dass du solche Stunts abziehst!“
„Es ist genug Aufregung für ein Leben gewesen, keine Sorge. Warum bist du nicht mitgegangen zum Essen?“
„ich will mit dir was Essen gehen und reden“, sagte sie nur.
„Können wir auch in ein Fast-Food-Restaurant oder sowas gehen? Ich will mich nicht schick machen“, bat Page.
„Sicher, will ich auch nicht, ist dann wie früher zu unseren Anfängen“, dachte Ana laut nach.
„Ja, das waren noch Zeiten, als wir noch täglich Fast-Food essen konnten ohne zuzunehmen“, schmunzelte Page.
„Ich muss dir was sagen“, begann Ana plötzlich.
„Du hattest Sex, gratuliere!“
„Nein, hatte ich nicht, ich hatte keine fünf Minuten Zeit allein mit meinem Freund in den letzten Tagen!“
„Mein erstes Mal hat weniger als fünf Minuten gedauert“, schmunzelte Page.
„Das glaub ich, nein, meine Jungfräulichkeit ist noch intakt. Ich möchte jetzt doch die Detective-Prüfung machen“, bemerkte Ana beschämt.
„Wirklich? Ohne Scheiß?“, war Page glücklich.
„Du findest das gut?“
„Ich wollte schon so lange Detective werden, aber hab auf dich gewartet, denn ich will keinen anderen Partner als dich, bis ich alt und grau bin, oder Gott behüte im Dienst sterbe“, erklärte Page und Ana umarmte ihre beste Freundin stürmisch.
„Sag bloß, dass ist jetzt neu für dich!“
„Ich dachte, dass ich dich verliere!“
„Ich hatte vor zu gehen, aber die letzten Tage haben mal wieder gezeigt, dass ich nur glücklich bin, wenn ich bei meinen Freunden bin“, ergänzte sie.
„Das ist schön zu hören, aber wenn er nicht zu dir kommt, was ist dann?“
„Das seh ich dann, wenn es soweit ist, momentan seid ihr mir wichtiger“, entschied sie.
„Okay, verschweigst du mir was?“, wunderte sich Ana.
„An‘, sei heute Abend bitte kein Cop, sondern meine beste Freundin, okay?“, hoffte sie und Ana nickte.
 
Page wurde im Flugzeug vom Klirren des Servierwagens geweckt.
„Brauchst du was Alkoholisches?“, fragte Ana, die neben ihr saß und stibitzte kleine Schnapsflaschen aus dem Servierwagen.
„Von wegen, sie hat Medikamente gegen ihre Flugangst von mir bekommen, ich will nicht der Flughafenpolizei erklären müssen, warum meine Patientin voll Drogen und Alkohol tot in der Flugzeugtoilette liegt“, nahm MJ, Ana die Fläschchen ab und gönnte sich eine davon.
„Aber Doktor Weathersburg, wir fangen ja früh an“, schmunzelte Ana.
„Oh sei bloß still, ich hab mich in nen Kerl verknallt, den ich vermutlich nie wieder sehe und der unheilbar krank ist“, murrte MJ.
„Oh, Süße“, bemitleidete Ana sie und MJ sah sie sauer an.
„Hasst du es nicht auch, wenn sie das macht? Als müsste sie Mitleid mit uns haben“, murmelte Page benommen.
„Bist du sicher, dass es ihr gut geht?“, war Ana besorgt um ihre Freundin.
„Die Dosis war vielleicht nen bisschen hoch, aber so schläft sie zumindest den Flug durch“, versicherte MJ.
„Sie unter Drogen zu setzen gefällt dir ein bisschen zu gut für meinen Geschmack“, entgegnete Ana kritisch.
„Ich fühl mich, als würde ich fliegen“, warf Page ein.
„Du fliegst auch, meine Süße. Schlaf einfach“, strich Ana ihr sanft über die Wangen, bis sie einschlief.
 
Für eine Weile nach ihrer Rückkehr schien es, als hätte Quentin wirklich den Willen nach Nebraska umzuziehen, doch nach dem Valentinstag, an dem er noch Blumen an sie geschickt hatte, herrschte Funkstille.
Schüsse hallten durch die Nacht. Ana stieß sich vom Rahmen ihres Polos ab und ging zum Schießstand, wo ihre Freundin sich seit Stunden aufhielt.
„Du hast gestern bewiesen, dass du es drauf hast, was willst du noch hier?“, fragte Ana ihre beste Freundin, die grad nachlud.
„Üben“, murmelte Page nur und Ana konnte nur noch schnell Ohrenschützer aufsetzen, bevor Page ein weiteres Magazin leerte.
„Dir muss doch langsam die Hand wehtun, du bist seit drei Stunden hier“, bemerkte sie besorgt.
„Nein, alles bestens“, erwiderte sie und knallte die Waffe und das Magazin auf den Tisch neben sich.
„Da ist keine Papp-Figur mehr aufgehängt“, sah Ana in die Ferne.
„Ja, schon ne Weile nicht mehr“, entschied sie und ließ sich frustriert auf einen Stuhl fallen.
„Was ist wirklich los!“
„Er meldet sich nicht mehr“, sagte Page traurig.
„Es tut mir leid“, setzte sich Ana auf eine Kante neben sie.
„War auch zu schön um wahr zu sein. Ich hab mich wirklich in ihm getäuscht. Ist wohl die Strafe dafür, dass ich meine Liebhaber wie Dreck behandelt habe“, murmelte sie betrübt.
„Red keinen Scheiß, es war einfach eine Liebe, die aus einer außergewöhnlichen Situation geboren wurde, den Alltag überlebt das manchmal nicht“, bemerkte Ana.
„Wie auch immer, jetzt kann ich mich voll und ganz meiner Prüfung zum Detective widmen. Wenn er nicht will, gut, meinetwegen“, stand Page auf, setzte ihre Waffe wieder zusammen und schoss wieder ein Magazin leer.
„Scheiße Page, ich hab keine Ohrenschützer auf, ich kann sicher keinen Detective werden, wenn ich taub bin“, brüllte sie ihre Freundin an.
„Dann geh doch“, raunzte Page.
„Ist deine Waffe leer?“, fragte Ana plötzlich.
„Denk schon, wieso?“
„Ich will nicht erschossen werden“, sagte sie nur, entwaffnete sie und legte ihr Handschellen hinter dem Rücken an.
„Hast du jetzt den Verstand verloren?“
„Tut mir leid, meine Süße, ich krieg dich sonst gar nicht mehr hier weg. Mach keine Szene und komm einfach mit“, bat sie.
„Gut, vergiss aber meine Waffe nicht“, bat Page und Ana steckte die Waffe ein.
„Kannst du mir die Dinger bitte abnehmen, das tut ziemlich weh!“
„Wenn wir im Auto sind, will kein Risiko eingehen!“
„Da sitzt aber dein nerviger Psychologen-Freund drin und quatscht mich voll, oder?“
„Er ist auch dein nerviger Psychologen-Freund, aber nein, er ist heute bei einem Patienten. Ich kann ihn aber anrufen, wenn du willst“, führte sie sie zum Wagen ab.
„Nein, danke, ich will endlich mit meinem Leben ohne Drogen und Alkohol anfangen und alleine mit allem klarkommen“, stellte sie klar.
„Du musst nicht alleine klarkommen, ich bin immer für dich da“, versicherte Ana und nahm ihr die Handschellen ab, als sie am Auto angekommen waren.
„Weiß ich doch, ich meine nur, ich muss alleine klarkommen, wenn ich in der Karriere weiterkommen will. Das heißt nicht, dass ich euch nicht brauche, ich brauch euch mehr als jemals zuvor“, rieb sie ihre Armgelenke.
„Sorry, die Handschellen waren zu eng, daran muss ich noch arbeiten, wenn ich mal nen guter Detective werden will. Ich glaub immer noch nicht, dass wir das wirklich durchziehen. Ich werde meinen Eltern aber erst einweihen, wenn ich die Prüfung wirklich geschafft habe“, erklärte Ana.
„Erstmal musst du ihnen von Chuckie und dir erzählen!“
„Oder ich schlucke eine Packung mit Rasierklingen“, bemerkte Ana sarkastisch.
„Irgendwann musst du es ihnen sagen!“
„Nein, muss ich nicht!“
„Wir wohnen in einer kleinen Stadt, irgendwann werden sie es rausfinden!“
„Wenn sie es rausfinden, finden sie es raus, solang werde ich es genießen!“
„Du wirst dich von ihm trennen, wenn sie es rausfinden?“
„Nein, vielleicht, keine Ahnung, mal sehen. Ist alles kompliziert“, murmelte Ana und stieg ein.
„Ich steh dir zumindest bei Allem zur Seite. Bring mich heim, ich brauch Schlaf“, bat Page, während sie einstieg und Ana fuhr los.

Sechzehntes Kapitel

 
Eine Woche nach ihrer Schießprüfung musste Page auch die körperliche Fitnessprüfung ablegen. Trotz ihrer Extra-Systole meisterte sie alles mit Bravur. Ana musste eine kranke Tante besuchen gehen und so stand ihr CJ bei.
„Jetzt hilft sie mir wochenlang mit dem Training und dann haut sie ab, wenn es spannend wird“, maulte Page, als sie ihre Turnschuhe anzog.
„Keine Ahnung, alles sehr mysteriös, ich glaub, da steckt mehr dahinter, wollte aber nicht fragen. Das kriegst du auch ohne sie hin“, versicherte CJ.
„Danke, Doc, das weiß ich, hätte sie trotzdem gern bei mir gehabt. Alles in Ordnung bei euch?“, wollte sie wissen.
„Weiß nicht genau, ist komisch in letzter Zeit. Mach dir darüber aber keinen Kopf, das muss ich mit ihr klären. Bereit?“
„Ja, bereit, sollen wir heute Abend was trinken gehen und darüber reden?“
„Das wäre lieb, ich könnte echt mal jemanden zum Reden gebrauchen. Jetzt zeig den Leuten hier, das dich so ein bisschen Unterkühlung von nichts abhalten kann“, munterte CJ sie auf und sie ging zu den Trainingshallen.
 
Im gleichen Augenblick stieg ihre Partnerin in Anchorage aus dem Flugzeug. Sie war so sauer auf Quentin, dass er das ihrer besten Freundin angetan hatte, nach allem, was sie für ihn beinahe aufgegeben hatte.
Mit dem Mietwagen stand sie eine ganze Weile vor seinem Wohnhaus. Plötzlich kam er raus, umarmte eine junge Frau und ging an Krücken zurück in die Wohnung.
„Das erklärt so einiges. Was für ein Mistkerl“, murrte sie und stieg aus.
Kräftig klopfte sie bei ihm an die Tür.
Ein ziemlich erschöpfter Quentin stand an eine Krücke gelehnt vor ihr.
„Hab mir schon gedacht, dass einer von euch auftaucht, dachte nur, dass es dein Lover sein würde. Tut mir leid, ich kann aber da grade nicht mit umgehen“, war er abwesend.
„Du kannst da nicht mit umgehen? Sie gibt sich die Schuld, das macht sie echt fertig“, schimpfte sie.
„Es tut mir leid!“
„Es tut mir leid, das ist alles was du sagen willst? Ich bin gottverdammte sechs Stunden hierher geflogen und glaub nicht, dass ich dir keine runterhaue, obwohl du verletzt bist!“, wütete Ana.
„Miko ist tot“, sagte er plötzlich leise und fast nicht hörbar.
„Was?“
„Miko ist tot“, wiederholte er und weinte dabei fast.
„Nein, ihm ging’s gut, als wir hier weggingen. Ja, er war etwas angeschlagen, aber seine Krankheit war noch nicht so weit fortgeschritten, er hätte noch einige Jahre vor sich gehabt“, versuchte sie zu verstehen.
„Ja, die wollte er aber nicht abwarten, er hat sich hier in der Wohnung den Schädel weggepustet, deswegen muss ich hier ausziehen“, bemerkte er weinerlich.
„Nein, nein, das hätte er niemals getan!“
„Die Blutflecken sind noch an der Decke tu dir keinen Zwang an, in sein Zimmer zu gehen“, konterte er tonlos, während er weiterpackte.
„Das tut mir so leid“, umarmte sie ihn plötzlich.
„Habt ihr was damit zu tun?“, fragte er kritisch.
„Was? Wie sollen wir was damit zu tun haben?“
„Ihr seid Cops, ihr kommt leicht an Waffen!“
„Wir sollen ihm beim Selbstmord geholfen haben? Weißt du, was die mit Selbstmördern in meiner Religion machen?“
„Ist da nicht was mit Jungfrauen und Paradies?“, bemerkte er nur.
„Jetzt werde bitte nicht politisch. Du hast dich nicht bei ihr gemeldet, weil du denkst, wir haben ihm die Waffe gegeben?“, raunzte sie.
„Woher soll er sie sonst haben?“
„Wir kamen ohne Waffen hierher und haben hier auch keine besorgt, wieso auch. Wir haben nichts damit zu tun, MJ würde nie wieder mit uns reden, wenn das so wäre. Sie war verliebt in ihn, verdammt“, stellte sie klar.
„Ich war nicht führ ihn da … wenn ich dagewesen wäre“, begann er zu weinen.
„Du warst im Krankenhaus, du hättest nichts machen können. Wir haben da wirklich nichts mit zu tun, ruf sie an, red mit ihr, sie kann dir beistehen“, schlussfolgerte sie.
„Ich kann nicht, tut mir leid!“
„Wegen deiner neuen Freundin, verstehe!“
„Glaubst du wirklich, ich hätte mir in der Klinik jemanden angelacht? Wieso sollte ich das tun? Ich liebe Page“, schluchzte er.
„Ich hab sie vorher gesehen, schon gut, ihr Männer seid halt so!“
„Du hast mich gestalkt? Das war meine kleine Schwester, sie ist auch nur grade ihr Auto holen gegangen und kommt gleich wieder. Du kannst sie auch befragen wenn du willst, Officer“, maulte er.
„Sie hilft dir umzuziehen, sorry!“
„Umziehen ja, so in etwa, ich lagere meine Sachen ein“, redete er nur vor sich hin.
„Geht’s auf die nächste Weltreise?“, wollte sie wissen.
„Ja, ganz spannend, nach Toronto zu meinen Eltern, ich komm ne Weile bei ihnen unter, bis ich wieder nen Job hab und so“, sagte er etwas beschämt.
„Du hast also wirklich gekündigt!“
„Ja, hat ich ja vor, war ja unvermeidbar“, sagte er nur.
„Du willst also hier in Anchorage bleiben?“
„Eigentlich nicht, eigentlich würde ich gern Page in die Arme nehmen und nie wieder loslassen“, gestand er.
„Dann komm mit mir mit, Page ist zwar ziemlich stinkig auf dich, aber wenn sie dich sieht, wird alles vergessen sein“, bat Ana.
„Ich kann nicht“, stotterte er kleinlaut.
„Okay, ich dachte, du liebst sie, hab ich mich wohl getäuscht“, murrte sie und ging davon.
Nach einem erfolgreichen Fitness-Training musste Page noch ihre Werte überprüfen lassen. Sie überraschte ihre Ärztin, wie sie weinend auf ihrer Untersuchungsliege saß.
„Hey, Mary, ist das ein schlechter Zeitpunkt?“, fragte Page gutgelaunt.
Mit Tränenunterlaufenen Augen sah MJ sie verärgert an.
„Wie kannst du so gutgelaunt sein, nach allem, was wir mit ihm erlebt haben“, raunzte MJ.
„Was meinst du?“
„Du weißt es nicht?“
„Nein, du machst mir Angst, was ist los?“, bekam sie Angst.
„Mein Gott, du weißt es wirklich nicht. Ich dachte sie hätte dich gleich angerufen. Miko ist tot“, erzählte MJ weinerlich.
„Was? Wie, wann?“
„Er hat sich vor einer Woche umgebracht, Quentin ist am Boden zerstört. Sie hat dir nicht gesagt, dass sie zu ihm geflogen ist, oder?“
„Nein, wusste ich nicht, ich dachte schon, dass irgendwas an ihrer Geschichte nicht gestimmt hat, aber ich hatte zu viel im Kopf in letzter Zeit um dem nachzugehen. Ich muss zu ihm“, realisierte sie.
„Nein, musst du nicht“, hörte sie plötzlich CJ und sie drehte sich zur Tür.
„Hätte ich mir denken können, dass sie dich einweiht. Deswegen wolltest du heute Abend mit mir ausgehen, um mich im Blick zu behalten“, raunzte Page.
„Ich weiß es auch erst seit grade eben, sie hat mir einen Text geschrieben vom Flughafen, sie fliegt in einer Stunde zurück“, erklärte er ihr.
„Kümmer dich um deine Cousine, ich muss hier raus“, redete sie vor sich hin und torkelte hinaus.
 
Etwa eine halbe Stunde vor ihrem Abflug, setzte sich am Flughafen plötzlich jemand neben Ana.
„Werdet ihr Frauen eigentlich in Überzeugungskraft geschult, oder wie?“, fragte Quentin schnaufend.
„Wir werden ehrlich gesagt damit geboren. Du kommst also mit?“
„Ja, hier hält mich nichts mehr. Ich hoffe, du hast Recht mit Page, ich hab meine restlichen Ersparnisse für dieses Last-Minute-Ticket ausgegeben“, erklärte sie.
„Wenn nicht, dann werde ich sie schon davon überzeugen. Hast du einen Platz am Gang bekommen?“
„Anders würde es ja nicht gehen mit meinem Bein. Wissen die anderen es jetzt?“
„Ich hab es Chuckie geschrieben, sorry!“
„Schon gut, ich hab eh nicht die Energie, es ihnen zu erzählen. Danke, dass du gekommen bist“, wirkte er ruhiger.
„Dank mir nicht zu früh, noch sind wir nicht bei ihr“, entschied sie.
„Dir ist schon klar, wenn sie mich nicht will, werde ich bei dir für ne Weile absteigen“, bemerkte er todernst.
„Sicher, ich hab nen Sofa für dich!“
„Du bist nur nett zu mir, weil mein Freund tot ist, oder?“
„Nein, na ja auch, aber nicht nur, ich wurde von meiner Familie so erzogen, dass ich immer helfe, egal was ist“, entgegnete sie freundlich.
„Du fühlst dich also gezwungen mir zu helfen?“
„Man, hast du schon mal über ne neue Karriere als Cop nachgedacht? Du kannst einem ganz schön die Worte im Mund verdrehen. Noch was, was du mit deiner Liebsten gemeinsam hast, das kann sie auch verdammt gut“, murmelte sie.
„Ich kann es kaum erwarten mit ihr zu diskutieren“, schmunzelte er matt.
„Dir ist schon klar, dass sie eine Waffe besitzt, oder?“, grinste sie und er lächelte auch matt.
 
Eingesackt saß der junge Biologe im Flugzeug in seine neue Heimat. Er war vollgepumpt mit Schmerzmitteln, um den Flug zu ertragen. Nach einer Weile schob Ana sanft seinen Kopf auf ihre Schulter und strich über seinen Kopf, während er schlief.
 
„Hey, Süßer, wir landen gleich, aufwachen“, weckte sie ihn sanft, als sie fast da waren.
„Man, die Schmerzmittel haben sich echt verändert seit den Tagen an denen ich Medikamente an mir testen lassen habe“, murmelte er benommen und wischte sich den Sabber aus dem Gesicht.
„College?“
„Das Geld war knapp damals, zumindest hatte ich am Ende des Jahres ein gutes Thema für meine Abschlussarbeit!“
„Bitte sag mir nicht, dass es Impotenz ist“, witzelte sie.
„Hautallergien. Fragst du das, oder Page? Ich meine mit ihrer Vergangenheit ist sie sicher neugierig, wie ich so im Bett bin“, erwiderte er.
„Oh man, Süßer, du bist echt ziemlich high, halt am besten die Klappe, bis das besser wird“, riet sie ihm.
„Du bist so lieb, wie eine Mutter“, brabbelte er.
„Sachen wie das zum Beispiel. Wir werden noch ein bisschen fliegen, schlaf einfach deinen Rausch aus“, tätschelte sie weiter seinen Kopf und er döste wieder leicht weg.
 
Am Flughafen wurde sie von CJ empfangen.
„Hey“, begrüßte Ana ihren Freund kurz.
„Dir ist schon klar, dass deine weibliche Cop-Partnerin deine Lüge so was von durchschaut hat, oder?“, begrüßte er sie kritisch.
„Weiß sie, dass ich ihn mitbringe?“
„Nein, hab es ihr verschwiegen, hab sie ehrlich gesagt auch schon eine Weile nicht mehr gesehen“, gestand er.
„Sie ist verschwunden? Weiß sie das mit Miko?“
„Ja, schon!“
„Und du hast sie einfach so gehen lassen?“, warf Ana ihm vor.
„Na toll, jetzt mach ich mir Sorgen“, nörgelte er.
„Jetzt machst du dir erst Sorgen? Entschuldige, Quentin, ich muss sie suchen gehen, Chuck, bring ihn aufs Revier und lass ihn nicht aus den Augen“, moserte Ana und stampfte davon.
 
Zwei Stunden später kam sie ohne Page zurück ins Revier.
„Männer sind echt das Letzte“, raunzte Ana, als sie sich wütend neben MJ auf das Sofa im Revier setzte. Es war spät in der Nacht und MJ sollte eigentlich schon längst zu Hause sein, doch in ihrer Rage fiel ihr das gar nicht auf.
„Geh weg“, sagte MJ nur.
„Oh mein Gott, tut mir leid“, realisierte Ana plötzlich und stand auf.
„Bleib hier“, änderte MJ ihre Meinung und hielt sie am Arm fest.
„Du musst dich schon entscheiden, Süße“, bat Ana und MJ zog sie an sich und weinte sich an ihr aus. Ana war durch alles so erschöpft, dass sie gleich einschlief.
 
Das alte Standtelefon auf dem Revier schrillte und weckte Ana. Sie lag mit dem Oberkörper auf MJs Schoß. Erschöpft setzte sie sich auf.
„Du bist also wieder da“, hörte sie die Stimme ihres Freundes, der auf einem Sessel neben ihr saß.
„Ich red nicht mit dir“, sagte sie nur.
„Willst du nen Kaffee?“
„Du ignorierst also meinen Ärger vollkommen?“
„Ich bring dir einfach einen. Willst du auch einen, Quen?“
„Nen Tee wäre mir lieber!“, hörte Ana, Quentins Stimme. Er lag auf dem Teppich vor ihr.
„Kriegst du. Nicht auf unseren Gast drauftreten, ja?“, bat CJ, Ana und ging in die Küche.
„Hey, ich mag es nicht, wenn man mich ignoriert“, kletterte Ana über das Sofa hinweg und folgte ihm.
„Die beiden sind echt süß“, stellte Quentin fest.
„Ja, das sind sie. Sie hat gar nicht gemerkt, dass ich da bin“, entgegnete Page, die neben ihm auf dem Teppich in seinem Arm lag.
„Sie wird sauer sein, dass ich dich gleich gefunden habe“, schlussfolgerte er.
„Sie ist eher sauer, dass du dich nicht sofort gemeldet hast. Guten Morgen“, kam Ana mit einer Tasse Kaffee zurück und stieg über sie herüber, um sich wieder hinzusetzen.
„Ich brauchte ein paar Minuten für mich“, sagte sie nur.
„Du warst fast 12 Stunden verschwunden“, kam CJ hinter seiner Freundin her.
„Äh, tschuldigung?“
„Schon gut, Hauptsache du bist wieder da. Ihr habt euch also wieder gefunden, das ist schön“, stellte sich CJ vor das Pärchen.
„Wir müssen noch einiges besprechen, aber ja, er hat mich gefunden, sorry, Ana“, erwiderte Page und sah zu Ana.
„Wo warst du, sag mal? Ich hab zwei Stunden lang alles abgesucht“, maulte Ana.
„Bei meiner Mutter“, sagte Page nur.
„Was? Ich dachte, deine Mutter ist tot!“
„Ist sie auch, ich war an ihrem Grab!“
„Du weißt wo sie liegt? Dich hat das doch sonst nie interessiert“, wunderte sich Ana.
„Gestern hat so einiges verändert, ich hab es recherchiert und bin einfach hin. Da bin ich dann stundenlang gesessen, bis ich die Kälte nicht mehr ausgehalten habe. Ja, ich war fest angezogen, MJ“, entgegnete Page.
„Ich glaub, sie schläft noch, Süße!“
„Nein, tut sie nicht, ihr Fuß zuckt“, sagte Page.
„Du hättest mir die Illusion für ein bisschen länger lassen können, Süße“, hörten sie MJs Stimme, die mit geschlossenen Augen an die Lehne gelehnt lag und sie öffnete die Augen.
„Du musst nicht reden“, versprach Ana.
„Gut, will ich auch nicht!“
„Gut, die vier Stunden gestern waren echt anstrengend für mich. Willst du auch nen Kaffee, Süße?“, fragte CJ und küsste den Kopf seiner Cousine über die Sofalehne hinweg.
„Ja, bitte. Wie spät ist es?“
„Halb acht, hast du nen Patienten?“
„Erst um neun, Gott sei Dank!“
„Schaffst du es?“
„Ich muss arbeiten um mich abzulenken, das geht schon!“
„Okay, aber komm zu mir, wenn es nicht geht. Brauchst du Hilfe hochzukommen, Quen?“, wollte CJ wissen.
„Nein, ehrlich gesagt lieg ich gern mit meiner Süßen hier!“
„Deine Süße muss in einer halben Stunde auf Streife gehen. Du willst doch nicht, dass ich meinen Vater holen muss, oder?“, stellte CJ sich vor das Pärchen.
„Verdammt, ich hab meine Uniform zu Hause, ich freu mich echt, wenn ich als Detective tragen kann, was ich will“, streckte Page, CJ die Hand hin und er zog sie hoch.
„Jetzt musst du mir helfen, Doc“, bat Quentin und er zog ihn auch hoch.
„Au, die Schmerzmittel sind eindeutig aus meinem System raus“, verzog er das Gesicht.
„Komm, ich spritz dir was“, schlug MJ vor.
„Nein, geht schon, ich brauch nur meine Krücke“, entgegnete er und setzte sich neben MJ aufs Sofa.
„Sind in meinem Büro, ich bring sie dir“, ging CJ davon.
„Was ist jetzt mit meinem Kaffee?“, rief MJ ihrem Cousin hinterher.
„Ich hol ihn dir. Du wolltest nen Tee, richtig?“, fragte Page, Quentin und er nickte.
„Ich dachte du musst heim!“
„Zwei Mal die Taste der Pad-Maschine zu bedienen werde ich grad noch schaffen. Man, ich hab echt Hunger, haben wir Donuts hier?“
„Hab noch keine geholt“, bemerkte CJ, der zu ihr in die Küche kam.
„Du holst die immer?“
„Ja, schon seit fast fünf Jahren, wie denkst du kommen die sonst hierher?“
„Keine Ahnung, von der Dougnut-Fee? Ich werde welche besorgen, wenn ich zurückkomme. Tut mir nochmal leid wegen gestern“, entschuldigte sie sich.
„Schon gut, ich kenn deine Psyche seit zehn Jahren, ich wusste, dass du die Zeit brauchst!“
„Du hast deine Freundin aber nicht darüber informiert. Ihr seid jetzt in einer Beziehung, du musst lernen mit ihr zu kommunizieren“, riet sie ihm.
„Man, du redest schon wie einer von uns, aber was wird das bringen, spätestens wenn ihre Eltern rausfinden, dass wir zusammen sind, war’s das mit uns“, bemerkte er trocken.
„Nein, wird sie nicht“, stand plötzlich Ana in der Tür der Küche.
„Tut mir leid, Süße, ich wollte nicht, dass du das hörst“, stotterte er.
„Schon gut, gestern hattest du noch Recht, doch Mikos Tod hat viel verändert. Ich will keinen Moment mehr in meinem Leben verschwenden und wenn meine Familie das nicht akzeptiert habe ich hier eine andere Familie“, kam sie langsam auf ihn zu.
„Bist du sicher?“, fragte er vorsichtig.
„Ja, das bin ich. Mein Leben war viel zu lang im Stillstand, Zeit zu leben“, war sie bei ihm angekommen und küsste ihn sanft.
„Ich will sowas von dabei sein, wenn du es deinen Eltern sagst“, mischte sich Page ein.
„Nicht in diesem Leben, teure Freundin. Jetzt mach dich vom Acker, ich will rechtzeitig auf Streife gehen, der Captain hat mir gestern die Story noch weniger abgekauft als du, glaub ich, ich will ihn nicht noch mehr verärgern“, bat Ana.
„Bin schon weg. Ihr beiden seid füreinander geschaffen, ich hoffe das wisst ihr“, lächelte sie über die Situation und ging zu ihrem Freund.
„Süßer, tut mir leid, ich muss dich jetzt hetzen, aber ich nehm dich am besten zu mir mit“, bat Page, als sie am Sofa vorbeiging.
„Ja, eine Sekunde, ich brauch nen bisschen“, stand er auf.
„Sicher, ich fahr schon Mal den Wagen vor. Hilft ihm einer raus, bitte?“, plante sie.
„Ich helf ihm, keine Sorge“, versprach MJ und half dem Verletzten auf.
 
Schweigend fuhren sie zu ihrer Wohnung.
„Ist seltsam zwischen uns, oder?“, brach Page plötzlich die Stille.
„Ja, schon irgendwie!“
„Bist du immer noch sauer auf mich?“, wollte sie wissen.
„Ich bin nicht sauer auf dich!“
„Du wirkst aber so!“
„Ich bin sauer auf mich, dass ich dich verdächtigt habe, ihm die Waffe gegeben zu haben“, rückte er mit der Wahrheit raus.
„Das hast du gedacht? Du kennst mich doch, okay, du kennst mich nicht wirklich, aber das würde ich niemals tun“, redete sie vor sich hin.
„Ich weiß, aber in meiner Trauer bin ich alles tausend Mal in meinem Kopf durchgegangen und das war eins der Szenarien. Es tut mir so leid!“
„Ich hab auch stundenlang gestern Zeit zum Nachdenken gehabt und du willst gar nicht wissen was für Gedanken mir im Kopf herumgingen. Wenn ich nur eine Minute realisiert hätte, was in ihm vorgeht, wäre ich nicht weg, das musst du mir glauben“, stellte sie klar.
„Ich weiß, das hat er ganz allein geplant, er hat es mir nie gesagt, ich hab es nur vom Gerichtsmediziner erfahren. Das mit seiner Krankheit mein ich. Du wusstest davon, oder?“
„Ja, ihm ging es schlechter während wir dich gesucht haben, er hat vielleicht gedacht, dass es nicht mehr lange dauert, bis er im Rollstuhl sitzen würde“, dachte sie laut nach.
„Es ist meine Schuld“, begann er zu weinen und sie hielt an.
„Nein, Süßer, du hattest am wenigsten damit zu tun, du wusstest es nicht mal. Komm her“, umarmte sie ihn und drückte ihn fest an sich.
„Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit mit ihm verbracht, aber ich war ja nie zu Hause“, sagte er plötzlich tonlos.
„Du musstest arbeiten, du warst in den letzten Wochen bei ihm, das ist alles was zählt“, beruhigte sie ihn.
„Er war auch ein Waisenkind, so wie du, hast du das gewusst?“
„Hat er mal erwähnt, ja. Kommst du für seine Beerdigung auf?“
„Soweit ich kann, ja, er war noch in der Klinik angestellt, die werden für den Rest aufkommen“, erzählte er.
„Das ist aber nicht üblich, oder?“
„Ich hab sie darum gebeten, irgendeiner im Vorstand hat ein Herz gezeigt“, erzählte er.
„Du bist ein guter Mensch, ich hoffe, das weißt du“, drückte sie seine Hand.
„Das konnte ich nur machen, weil du noch hier bist. Unsere Leben hängen irgendwie zusammen, wie kitschig das auch klingt“, sagte er plötzlich.
„Du hast recht das ist kitschig, aber ich hab das auch schon gedacht, ehrlich gesagt“, schmunzelte sie und er küsste sie sanft.
Etwas verspätet kam Page wieder im Revier an.
„Sorry, ich hab noch äh … geduscht“, keuchte sie als sie im Wagen einstieg.
„Ich hoffe du hast die arme Dusche nicht zu sehr belastest“, frotzelte Ana.
„Ich hab echt nur geduscht, ich will mein erstes Mal mit ihm sicher nicht schnell schnell machen“, richtete sie ihre Haare.
„Ah, wenn du meinst. Bist du noch sauer auf mich?“
„Nein, war ich nie“, versicherte Page.
„Du musst endlich in meiner Gegenwart mit dem Lügen aufhören, Süße!“
„Okay, ich hatte Sex mit meinem Freund, du redest nicht gern darüber, ich dachte, eine Lüge wäre dir lieber“, entschuldigte sie sich.
„Bitte, die Lüge war ja offensichtlich, ich mein dass du nicht sauer bist. Das bist du“, schlussfolgerte Ana.
„Ich war es, aber das ist jetzt vorbei!“
„Also alles klar zwischen uns?“
„Du hast ihn mir zurückgebracht, das ist alles, was zählt!“
„Äh, okay, gut zu wissen. Bereit für den Dienst?“
„Kann ich deine Mütze aufziehen? Meine Haare sind noch etwas nass“, bat Page.
„Sicher, hier“, zog sie ihre Mütze aus der Tasche der Tür und Page zog sie auf.
 
Zufrieden ging Page an diesem Abend durch ihre Wohnung. Sie hatte gerade die Ergebnisse ihres Tests erhalten, sie hatte alles bestanden, ihrer Detective-Prüfung stand also nichts im Weg.
In ihrem Schlafzimmer angekommen lag ein gutaussehender Kerl schlafend in ihrem Bett, ihr Leben schien für eine Sekunde perfekt. Sanft versuchte sie ihren Freund zu wecken. Er rührte sich aber nicht. Sie schüttelte ihn fest und fester und wurde dabei panisch.

Siebzehntes Kapitel

 
Tausend Gedanken gingen in ihrem Kopf herum in den Sekunden, als sie den leblosen Körper schüttelte.
„Nein, du darfst nicht tot sein, ich hab dich doch erst grad wieder“, jammerte sie weinend.
„Süße, ich bin wirklich fertig, lass mich bitte schlafen“, hörte sie plötzlich seine Stimme und sie schrie fast auf.
„Was wird das, sag mal?“, wurde er wach.
„Ich dachte du wärst … oh Gott Sei Dank“, sprang sie fast auf ihn.
„Au, mein Bein“, stöhnte er.
„Tut mir leid, du hast mir so einen Schrecken eingejagt. Du schläfst echt verdammt tief“, kam die ganze Erleichterung aus ihr herausgesprudelt.
„Ich hab jetzt vier Tage nicht geschlafen und du hast mich ins Koma gevögelt, mein Körper hat nen Sekündchen gebraucht um wieder aus dem Lala Land zu kommen. Weinst du etwa?“, fragte er amüsiert und sie kuschelte sich an ihn.
„Ich dachte für einen Moment, dass ich dich verloren hätte“, schniefte sie.
„Oh nein Süße, ich hab viel zu viele Schmerzen um tot zu sein. Das waren heftige Wochen für uns alle, soll ich CJ holen, willst du mit ihm reden?“, fragte er liebevoll.
„Er schläft sicher schon, schon gut“, entgegnete sie.
„Ja, auf deinem Sofa. Stör ich irgendwie?“, stand CJ plötzlich wie ein Bond-Fiesling mit Tarantula im Arm in der Tür.
„Was machst du hier?“, wunderte sie sich.
„Ich hab friedlich auf deiner Couch gepennt bis du deinen Waffengürtel auf mich geschmissen hast“, erklärte er.
„Sorry, wie konnte ich wissen, dass du da liegst. Ich meinte eigentlich was machst du in meiner Wohnung? Passt du etwa auf meinen Freund auf?“, fragte sie kritisch.
„Äh, gern geschehen?“, bemerkte er zynisch.
„Ich bin ja jetzt da“, wollte sie ihn loswerden.
„Okay, das war deutlich, viel Spaß ihr beiden. Ach ja, morgen Abend sind wir bei Anas Eltern und ihr kommt auch mit“, erklärte er und ließ den Kater übers Bett laufen.
„Weiß Ana davon?“, wollte sie wissen.
„Ja, ihre Eltern haben darum gebeten, sie meldet sich nochmal bei dir. Gute Nacht“, ließ CJ sie allein.
„Wir können das auch absagen, wenn du das nicht schaffst“, erkannte sie.
„Das will ich wirklich nicht verpassen“, schmunzelte er.
„Wir denken echt sehr ähnlich, das find ich toll“, säuselte sie und küsste ihn.
„Ich wäre bereit für Runde Zwei, wenn du willst“, erklärte er und zog ihre Bluse aus ihrer Hose.
„Dafür hab ich dich ja eigentlich geweckt“, flirtete sie und öffnete ihre Bluse.
 
„Auch wenn das kaum möglich ist, ich glaub, mein Freund ist noch nervöser deine Eltern zu treffen als deiner“, bemerkte Page amüsiert, als sie am nächsten Nachmittag Streife fuhren und Quentin sie ununterbrochen mit Textnachrichten überschwemmte.
„Wie viele hast du bekommen?“
„Sechzehn!“
„Zweiundzwanzig, ich gewinne. Grade hat er mich gefragt, ob Wein als Gastgeschenk okay wäre!“, schmunzelte Ana.
„Ich glaube, sie sind grade gemeinsam unterwegs. Ich weiß nicht, ob es gut ist, dass mein Ex und mein neuer Freund so viel Zeit miteinander verbringen“, schlussfolgerte sie.
„Du hast ihm doch nicht erzählt, dass zwischen euch mal was war, oder?“
„Ja, er weiß es, lieber weiß er es von mir, als von ihm. Was willst du heute Abend anziehen?“, lenkte sie vom Thema ab.
„Keine Ahnung, was dezentes, ich will nicht noch durch mein Outfit kritisiert werden“, entschied sie.
„Denkst du, sie werden ihn ablehnen?“
„Keine Ahnung, ich will mich eigentlich nicht zwischen ihm und ihnen entscheiden, aber wenn es soweit ist, muss ich das wohl und ich werde ihn wählen“, entschied sie.
„Ich hab nie gedacht, dass das mit euch wirklich so ernst wird“, schlussfolgerte Page plötzlich.
„Ich auch nicht, aber die letzten Wochen sind wir zu einer Einheit zusammengewachsen, ich kann’s selbst noch nicht ganz glauben“, schwärmte Ana von ihrem Freund.
„Habt ihr inzwischen, du weißt schon, Sex gehabt?“, wollte sie neugierig wissen.
„Äh, nein, nicht wirklich, aber wir haben es vor, irgendwann, niemand drängt uns, oder? Wie war’s denn mit Quentin und dir?“, wollte Ana wissen.
„Ganz gut“, sagte Page nur.
„Ganz gut? Dieses ganze Drama mit euch und dann war der Sex nur ganz gut? Passt es nicht?“
„Und wie es passt, aber nach all dem Drama ist es schön, einfach normalen, Hausfrauen-Sex mit meinem Freund zu haben, es muss nicht immer spektakulär sein“, realisiert sie.
„Dann sind deine wilden Bi-Zeiten also vorbei?“
„Ich hab möglicherweise ein bisschen übertrieben was diese wilden Zeiten angeht!“
„Das kannst du nicht runterspielen, ich hab dich oft genug erwischt!“
„Mist, ich dachte, ich wäre überzeugender“, bemerkte Page breit grinsend.
„Er muss ja nicht alles wissen“, entschied Ana.
„Sicher nicht, sonst sitzt er bald im nächsten Flieger zurück nach Alaska. Was soll ich denn anziehen?“, plante sie mit ihrer Freundin.
„Keine Jeans!“
„Es ist tiefster Winter, ich zieh sicher kein Kleid an“, raunzte sie.
„Du brüstest dich doch in letzter Zeit damit, dass dir Kälte nichts ausmacht, dann wirst du das einen Abend überleben“, bat sie.
„Ich will aber nicht“, grummelte sie.
„Gut, wenn du dir dann den ganzen Abend anhören willst, wie schön du doch wärst, wenn du dich etwas aufstylen würdest“, handelte Ana.
„Ja, deine Mutter kennt da keine Gnade, okay, ich zieh nen Kleid an. Man, jetzt werde ich auch noch nervös“, murmelte sie.
„Was denkst du wie es mir geht. Ich muss mich vermutlich heute Nacht entscheiden, wie mein Leben weiterverlaufen soll, so eine schwierige Entscheidung musste ich noch nie fällen“, dachte Ana laut nach.
„Es wird alles halb so wild werden, es sind deine Eltern und sie lieben dich, sie werden das schon akzeptieren“, versicherte Page.
„Das hoffe ich. Wir haben gar nicht darüber gesprochen wie es war, das Grab deiner Mutter zu besuchen, wie war es denn?“
„Seltsam, ich kannte sie nicht, trotzdem war sie meine Mutter und ich sollte etwas fühlen, was ich aber nicht tue. Vielleicht geh ich mit Quentin mal hin, wäre das seltsam?“
„Nein, gar nicht, es ist schön, dass du dich mit deiner Vergangenheit auseinandersetzt, ist wichtig, wenn du eine Zukunft mit ihm haben willst!“
„Apropos Zukunft, wenn deine Eltern fragen, wie ernst es dir mit Chuckie ist, was wirst du ihnen sagen?“
„Die Wahrheit, dass ich ihn sehr mag und hoffe, lang mit ihm zusammen zu sein“, sagte sie nur.
„Ich kann kaum glauben, dass ihr wirklich eine ernste Beziehung führt, ich hab euch immer als das perfekte Pärchen gesehen, aber dass das jetzt wirklich passiert, ist so krass“, realisierte Page.
„Es tut mir leid, dass ich dich nie gefragt habe, was du darüber denkst. Er ist schließlich dein Ex!“
„Ex ist übertrieben, wir waren ja nicht mal richtig zusammen und das ist ein halbes Leben her, ich find es wunderbar euch zusammen zu sehen, glaub mir“, stellte sie klar.
„Du würdest dann auch meine Brautjungfer auf unserer Hochzeit sein?“
„Wenn du ihn wirklich heiratest werde ich alles ein, Trauzeugin, Brautjungfer, verdammt, vielleicht auch ein Blumenmädchen, wenn du das willst“, schmunzelte sie amüsiert.
„Okay, ich nehm dich beim Wort“, bemerkte sie amüsiert.
 
„Seh ich okay aus?“, fragte Quentin nervös, als sie sich an diesem Abend fertig machten.
„Für jemanden, der fast abgekratzt wäre, siehst du toll aus“, schmunzelte sie und umarmte ihn von hinten, während er sich im Spiegel ansah.
„Tut mir leid, dass ich Sporthosen tragen muss, anders geht das nicht mit dem Bein!“
„Das werden sie verstehen, keine Sorge“, versprach sie.
„Die werden eh nicht auf mich achten, wenn sie dich sehen, du siehst wunderschön aus“, zog er sie vor sich. Sie trug ein figurbetontes schwarzes Kleid und Lederstiefel, die bis zum Knie gingen.
„Nicht zu sexy?“
„Eine Strickjacke wäre vielleicht nicht schlecht, sie wären sicher irritiert, wenn ich dich auf dem Esstisch nehmen würde“, schmunzelte er.
„Ja, das wäre schlecht“, säuselte sie und er zog sie an sich und küsste sie lange bis sie ein Hupen von draußen hörten.
„Sie sind da“, hauchte sie angeregt.
„Dann machen wir später da weiter, wo wir angefangen haben“, bemerkte er erregt und sie nahm eine Strickjacke und zog ihren Mantel an.
„Kann es nicht erwarten“, säuselte er und zog sich auch fertig an.
 
„Also, Page wie läuft die Arbeit? Kannst du wieder ganztags arbeiten?“, fragte Anas Mutter Padma, als sie bei einem typischen persischen Essen saßen.
„Ja, schon eine Weile, ich habe gerade wieder meinen physikalischen Test bestanden, vielleicht brauch ich dann für die Detective-Prüfung keinen mehr machen, hoff ich mal“, erwiderte sie.
„Du machst die Detective-Prüfung? Du auch, Anahita?“, drehte sich Padma zu ihrer Tochter.
„Danke, Partner!“, murrte sie.
„Das brauchst du doch nicht verschweigen, dass ist toll“, freute sich Padma für ihre Tochter.
„Wirklich?“, war sie überrascht.
„Du trägst jetzt zehn Jahre diese furchtbare Uniform, es wird Zeit“, sagte auch ihr Vater Salem.
„Äh, okay“, konnte sie es nicht glauben.
„Noch irgendwelche Geheimnisse, außer der Tatsache, dass du es auch endlich mal geschafft hast mit Charlies Sohn zusammen zu kommen“, entschied Salem trocken.
„Entschuldigt mich kurz“, entgegnete Ana, ging vor die Haustür und kam zurück.
„Sorry, hab nur kurz nachgesehen, ob ich heute an der richtigen Tür geklingelt habe“, sagte sie trocken.
„Wir hatten so viele Jahre Zeit, uns daran zu gewöhnen, dass du jeden Tag mit einer Waffe rumläufst, das ist der nächste Schritt“, erklärte Padma.
„Es ist nicht sicher, dass ich überhaupt die Prüfung bestehe!“
„Das wirst du und wir werden wie immer sehr stolz auf dich sein!“
„Habt ihr mit dem Trinken angefangen, sagt mal?“, war sie total verwirrt und ihre Eltern sahen sie nur irritiert an.
„Süße, Lächeln und danke sagen, einfach nur danke sagen“, riet Page ihr und Ana bedankte sich lächelnd.
„Das war der seltsamste Abend, den ich je erlebt habe“, überlegte Ana laut, als die zwei Pärchen an diesem Abend noch spazieren gingen.
„Ich hätte irgendwie mehr Drama erwartet“, warf Page ein.
„Wir hatten in letzter Zeit genug Drama für ein ganzes Leben, das ist schon in Ordnung so“, entschied Quentin und setzte sich auf eine Bank.
„Kannst du noch?“, fragte Page besorgt.
„Bin langsam an der Grenze mit meinen Kräften, können wir heimgehen?“
„Sicher, sorry, hatte nicht dran gedacht, dass du grad erst aus dem Krankenhaus rausgekommen bist. Ich hol den Wagen her, bleib einfach hier sitzen“, ging CJ zurück zum Wagen, um ihn zu holen.
„Du hast da einen guten Mann“, bemerkte Page und setzte sich neben ihren Freund.
„Ja, das habe ich. Ich hab wirklich gedacht, ich müsste mich heute Nacht zwischen meiner Familie und ihm entscheiden, doch jetzt ist es alles anders gekommen“, murmelte Ana.
„Wenn du jetzt mit ihm Schluss machen willst, weil das ganze geheime weg ist, kriegst du echt Ärger mit mir“, versicherte Page ihrer Freundin.
„Hältst du mich für so eine Drama-Queen?“
„Nein, eigentlich nicht!“
„Ich glaube, ich liebe ihn, ich werde ihn nicht verlassen!“
„Gut, behalt das im Hinterkopf, wenn wir das Gespräch später nochmal führen!“
„Wir werden das Gespräch nicht nochmal führen“, bemerkte sie und ging zu CJ, der angefahren kam.
Am nächsten Morgen wurde Page sehr früh von ihrer Türklingel geweckt. Sanft küsste sie die Brust ihres Freundes, auf der sie lag, schlang ihren Morgenmantel um sich und ging zur Tür.
Ein junger Mann stand vor ihrer Tür.
„Ja?“, fragte sie verwirrt.
„Sind Sie Page?“, fragte der junge Mann mit einem spanischen Akzent.
„Sieht so aus. Wer sind Sie?“
„Natürlich, entschuldigen Sie, Lago Tapia, ich war ein Freund von Quentin!“
„Was hat er gemacht, dass er nicht mehr Ihr Freund ist“, schmunzelte sie.
„Deswegen bin ich hier. Ich habe lang gebraucht Sie zu finden, Quentin ist nicht mehr unter uns. Er hat viel für Sie empfunden, er wollte sicher, dass sie das wissen!“
„Wenn das ein Witz sein soll, ist er wirklich nicht witzig“, bemerkte sie trocken.
„Tut mir leid, dass ich Sie belästigt habe, ich dachte wirklich nur, dass Sie das wissen sollten“, war Lago total aufgelöst.
„Ich weiß, dass er mich sehr mag, das hat er mir gestern noch gesagt, nachdem wir Sex hatten, Quentin hatte nen heftigen Unfall, aber ihm geht’s gut“, erklärte sie nur.
„Was reden Sie da. Er hat sich umgebracht“, verstand er nicht.
„Schatz, kommst du mal her, bitte?“, rief sie in ihre Wohnung und nach ein paar Minuten kam er nur in Shorts zu ihr hin.
„Sorry, hab nen bisschen gebraucht beim Anziehen. Was gibt’s?“, kratzte er sich am Kopf.
„Nen bisschen mehr hättest du schon anziehen können, mein Schatz. Hast du womöglich deinem besten Freund ein bisschen was verschwiegen?“, fragte sie kritisch.
„Quen, du lebst?“, stotterte Lago und fiel ohnmächtig um.
„Man, gut dass hier noch so viel Schnee liegt“, bemerkte Quentin trocken.
„Ich sollte MJ anrufen, man, dass ihr Männer auch nie miteinander reden könnt“, nörgelte sie und ging wieder in die Wohnung.
„Oh man, Lags, was machst du jetzt schon wieder“, redete Quentin vor sich hin und zog seinen Kumpel mühsam ins Haus.

Achtzehntes Kapitel

 
„Er hat sich nichts getan, wir alle wissen ja, welche Dämpfwirkung Schnee haben kann. Wie geht’s Ihnen, Bruchpilot?“, fragte MJ ihren Patienten.
„Ich bin jetzt drei Tage unterwegs gewesen, war wohl nen bisschen viel für mich. Na ja, auch die Tatsache, dass einer meiner engsten Freunde doch noch am Leben ist, hat mich etwas verstört“, entgegnete Lago, der auf Pages Sofa lag.
„Ich hab die ganze letzte Woche versucht dich zu erreichen“, erklärte Quentin trocken.
„Wir hatten einen heftigen Schneesturm, also auch kein Internet, du kennst das ja. Als ich endlich durchkam, sagte man mir, du hättest dich umgebracht. Ich bin dann sofort zurückgekommen“, erzählte er.
„Du hast das Projekt meinetwegen unterbrochen?“, fragte Quentin gerührt.
„Hätte ich schon, wenn wir nicht schon fertig gewesen wären, ich war zwei Tage vorher schon in Seattle, war nen Zwischenstopp nach Madrid“, erklärte er weiter.
„Du hast Raiden nach Hause gebracht, ihr seid also weiterhin zusammen?“, fragte er neugierig.
„Wir waren nie mehr als Freunde mit gewissen Vorzügen, so wie ihr auch, sie war nur total fertig wegen deines Todes und ich wollte sie nicht allein lassen. Was zum Henker ist eigentlich passiert? Wer ist der Tote?“, wollte er Antworten. Als Page sah, wie traurig Quentin war, hakte sie sich bei ihm unter.
„Miko“, sagte Quentin nur traurig.
„Dein Mitbewohner, du standst nicht im Mietvertrag, oder?“, realisierte er.
„Ich war eh nie zu Hause, das hat sich nie ergeben. Ich wohn jetzt hier“, sagte er nur und sah Page an.
„Ja, das seh ich, ihr habt euch gefunden, das ist schön. Dann will ich euch nicht länger stören“, wollte er aufstehen, doch er war zu schwach dafür.
„Sie bleiben noch nen paar Minuten liegen, Sie waren lange ohnmächtig“, bat MJ.
„Wie kann man so einer hübschen Ärztin so einen Wunsch abschlagen“, flirtete er mit MJ.
„Passt auf ihn auf, er soll sich ausruhen“, reagierte MJ kühl, nahm ihre Tasche und ging davon.
„Was hab ich gesagt?“, wunderte er sich.
„Miko und sie hatten was am Laufen, Trottel“, erklärte Page ihm.
„Woher soll ich das bitte wissen? Ihr müsst mir solche Sachen doch erzählen, Leute!“
„Ihr beide solltet euch unterhalten, wirklich mal unterhalten. Ich muss mich anziehen, ich muss zur Arbeit“, ging sie Richtung Schlafzimmer.
„Du hast dir eine mit nem Job angelacht, ist schon mal nen Fortschritt für dich“, frotzelte Lago, als Page außer Hörreichweite war.
„Ich werde auch wieder arbeiten, wenn ich wieder gesund bin, ich werde unterrichten“, erklärte er nur.
„Das klingt nach nem Plan, ich bin noch unsicher, was ich machen will, du hast mich irgendwie inspiriert dazu, mein Leben auch zu überdenken. Wie kam das bei dir, dass du aus allem rauswolltest? War es das ständige Reisen, oder hast du tatsächlich die große Liebe gefunden?“, wollte Lago wissen.
„Ein bisschen von beidem, aber weißt du noch, wie knapp es damals in Sibirien war? Ich sagte damals, so was will ich nie wieder erleben, ich hab es wieder erlebt. Ich liebe diese Frau und will ihr das nicht mehr antun“, entschied er.
„Du kennst diese Frau erst ein paar Wochen, bist du dir da ganz sicher?“
„Weißt du noch, wie du mir in dieser Nacht in Norwegen erzählt hast, dass du dich niederlässt und eine Familie gründest, wenn du irgendwo zu Hause angekommen bist und ich darüber gelacht habe? Ich lache nicht mehr“, war Quentin sich sicher.
„Ich war so betrunken von diesem Selbstgebrannten damals, ja, ich erinnere mich schwach, aber das hab ich nicht ernst gemeint“, entgegnete er amüsiert.
„Okay, ich mache es aber. Sie ist wunderbar und wir sind uns schon so nah, obwohl wir uns so wenig kennen“, konterte er.
„Das merk ich, das freut mich für dich. Ich bin froh, dass du noch am Leben bist, das nächste Mal meldest du dich aber bevor du umziehst, okay?“, bat Lago und Quentin nickte.
„So, Jungs, ich lass euch ungern allein, aber wenn ich Detective werden will, muss ich endlich mal pünktlich zur Arbeit erscheinen. Gib ihm was zu essen, ihr könnt auch was bestellen, wenn du es nicht schaffst zu kochen, hier ist nen zwanziger“, plante Page, während sie ihre Uniform fertig anzog und legte ihnen Geld hin.
„Du bist ein Cop?“, war Lago verwundert.
„Nein, ich strippe“, bemerkte sie sarkastisch.
„Du hast ne Freundin mit ner Knarre, heiß“, wendete sich Lago zu Quentin.
„Ich setz die auch ein, wenn’s sein muss“, drohte sie ihm spielerisch, während sie ihre Waffe in ihrem Halfter verstaute.
„Miau, die Katze hat Klauen“, frotzelte er.
„Wie auch immer, ich muss los. Ich werde einkaufen gehen nach dem Dienst, kann aber spät werden. Der Casanova kann solang bleiben wie er will, halt ihn bloß von meiner Unterwäsche-Schublade fern“, küsste Page ihren Freund kurz und ging zum Dienst.
 
„Morgen, Sonnenschein, wie war deine Nacht?“, stand Ana an den Streifenwagen gelehnt da und wartete auf ihre Partnerin.
„Gut, danke der Nachfrage. Wie lange stehst du schon dort?“
„Bin grade erst angekommen. Warum war MJ bei euch?“, wollte Ana wissen.
„Wegen was persönlichem, lass uns fahren“, sagte sie nur und stieg ein.
„Hattet ihr einen Sex-Unfall?“
„Nein, wie kommst du denn auf den Mist?“
„Du bist sonst nicht schüchtern was deine Bett-Geschichten angeht, ist nur seltsam!“
„Ich hatte gerade einen verstörenden Besuch von Quentins bestem Freund, der gedacht hat, dass Quentin tot ist, willst du noch mehr wissen?“, grummelte sie.
„Du kannst nicht so was loslassen und dann glauben, dass ich darauf mit „Nö, schon gut“, antworte“, konterte Ana trocken und Page erzählte ihr die Geschichte.
„Armer Kerl, Männer können manchmal so kompliziert sein“, kommentierte Ana, Pages Geschichte.
„Alles klar zwischen Chuckie und dir?“
„Ja, alles bestens, wir haben die Nacht miteinander verbracht letzte Nacht!“
„Warum erzählst du mir das erst jetzt? Wie war’s denn?“
„Rein platonisch, nach gestern war die Stimmung irgendwie nicht die Richtige!“
„CJ ist echt ein geduldiger Mann!“
„Ja, das ist er, das schätze ich so an ihm!“
„Schön. Wir sollten“, bat Page und sie fuhren zum Dienst.
 
Lauter Jubel kam aus Pages Schlafzimmer, als sie zurückkam.
„Normalerweise bin ich in meinem Schlafzimmer anwesend, wenn es was zu Jubeln gibt. N’Abend, Jungs“, stellte sie sich breitbeinig in die Tür. Die Jungs reagierten nicht.
Kopfschüttelnd ging sie an ihren Schrank und zog sich vor den Männern um.
„Was ist da drinnen los?“, wollte Ana wissen, als sie zurück ins Wohnzimmer kam.
„Ich glaub, wir haben unsere Männer verloren, sie schauen Football“, schmunzelte sie und setzte sich neben sie aufs Sofa.
„Hast du dich grad vor ihnen umgezogen?“
„Keine Sorge, sie haben mich gar nicht bemerkt. Dein Freund ist übrigens auch hier“, erklärte sie.
„Ja, dachte ich mir schon, er reagiert nicht auf meine Textnachrichten. Ist der Spanier noch da?“
„Ja, ich hoffe, der verschwindet morgen wieder. Willst du nen Bier?“, wollte Page wissen.
„Nein, danke, hab den Alkohol wieder aufgegeben, sie sind mit meinem Freund einverstanden, ich sollte mein Glück nicht ausreizen. Aber trink ruhig!“
„Nein, allein will ich das nicht machen. Ja, das hab ich wirklich gesagt, ich hab mich echt geändert. Aber ich glaub, ich hab noch Limo da“, schmunzelte sie und ging in die Küche.
 
Spät an diesem Abend ging Page zurück in ihr Schlafzimmer.
„Auch wenn ich einen gepflegten Vierer schon immer mal fantasiert habe, ich will schlafen gehen, also jeder der nicht mein Freund ist, raus aus meinem Bett“, bat sie ernst.
„Ich glaub, sie meint es ernst“, schlussfolgerte Quentin amüsiert.
„Sicher, lass uns gehen. Kann ich auf deinem Sofa pennen? Ich glaub, ich krieg kein Hotelzimmer mehr“, wollte Lago von CJ wissen.
„Sicher, lass uns gehen“, verließen die übrigen Männer das Schlafzimmer.
„Sorry, aber ich hab diesen Männerabend einfach mal gebraucht“, entschuldigte sich Quentin.
„Hey, dein bester Freund dachte heute Morgen noch, du wärst tot, ihr habt das alle gebraucht. Du lächelst, das ist mein größtes Geschenk heute“, kletterte sie zu ihm ins Bett.
„Ich lächle, weil ich dich sehe“, flirtete er.
„Süß gesagt. Hab ich dir schon gesagt, wie froh ich bin, dass du hier bist?“
„Nein, hast du nicht, aber dein Lächeln sagt alles“, zog er sie an sich und küsste sie lange.
„Hey, ich will euch nicht stören, aber wir fahren dann“, störte sie Ana.
„Stimmt, ihr seid ja noch da, schlaft gut“, drehte Page sich zu ihr und Ana ging grinsend davon.
„Man, die muss echt mal flachgelegt werden“, murmelte Page vor sich hin.
„Ich denke es und du sagst es, wir sind ein Gehirn, zwei Köpfe“, schmunzelte er und küsste sie weiter.
 
„Du bist sicher, dass du das machen willst?“, fragte Quentin, vorsichtig, als sie nachmittags am Tag drauf über den Friedhof gingen.
„Sie ist tot, sie kann dich nicht kritisieren, mein Süßer“, schmunzelte sie.
„Auch wahr. Danke, dass du das mit mir teilst“, entgegnete er.
„Sie war meine Mutter, auf eine seltsame Weise will ich, dass du sie kennst“, erklärte sie.
„Das ist gar nicht seltsam, ich freu mich am Meisten, dass du deine Vergangenheit in dein Leben lässt“, erwiderte er und sie waren an dem Grab ihrer Mutter angekommen.
„Marla Mills, du hast ihren Nachnamen?“
„Sie war meine Mutter, ich war ein halbes Jahr bei ihr, bis sie mich weggeholt haben!“
„Sie hat dich also nicht freiwillig abgegeben?“
„Vermutlich nicht, aber sie hat auch nicht um mich gekämpft“, sagte sie traurig.
„Doch, hat sie“, hörte sie plötzlich eine Stimme hinter sich. Eine ältere Dame stand mit einem Blumenstrauß im Arm dort.
„Und Sie sind?“
„Polina, ich bin Marlas Mutter, du bist Page, oder?“, fragte sie vorsichtig.
„Du bist meine Großmutter? Wo zum Teufel warst du meine ganze Kindheit?“, raunzte sie plötzlich.
„Ich denke, sie meint, schön dich zu treffen. Ich bin Quentin, ihr Freund“, sprach Quentin sie an.
„Ich hab erst auf ihrem Sterbebett von dir erfahren, meine Kleine aber da warst du schon erwachsen und ich wollte mich nicht in dein Leben einmischen“, erklärte Polina.
„Dann tu es jetzt auch nicht, setz dich da hinten hin, bis ich fertig bin“, murrte Page.
„Sicher, entschuldige“, setzte sich Polina auf die Bank in der Nähe des Grabes.
„Page, das ist deine Großmutter, du hast grad deine Großmutter kennen gelernt“, erläuterte Quentin ihr vorsichtig.
„Gib mir fünf Minuten“, starrte Page erstarrt auf das Grab ihrer Mutter.
„Sicher, ich werde mich da hinten hinsetzen“, bemerkte er leise und setzte sich neben Pages Großmutter.
„Sie ist eine warme, herzliche Person, sie muss das erst mal verdauen“, verteidigte Quentin seine Freundin.
„Sie ist wie ihre Mutter“, realisierte Polina.
„Ist das was Gutes oder schlechtes?“
„Von beidem etwas. Es ist schön, dass sie dich in ihrem Leben hat“, bemerkte Polina freundlich.
„Danke, das wird sie immer haben. Sie hat gerade erst ihre Vergangenheit angenommen, sie muss das erstmal verdauen“, erklärte er.
„Ja, ist schon klar, für mich ist das auch neu. Ich hätte nicht gedacht, dass sie jemals hierher kommt“, dachte Polina laut nach.
„Sie wäre vor kurzem fast gestorben und überdenkt grad ihr Leben“, erläuterte er weiter.
„Das kenn ich, ist mir in ihrem Alter auch passiert. Danach hab ich Marla adoptiert“, erzählte Polina.
„Sie war nicht deine leibliche Tochter?“
„Nein, war sie nicht, ihre leibliche Mutter hatte damals die gleichen Probleme wie meine Tochter bei Page. Trotzdem ist sie mein ganzes Leben gewesen“, wurde Polina nachdenklich.
„Wenn sie dein ganzes Leben war, wieso wusstest du nicht, dass sie deine Enkeltochter geboren hat“, kam Page zu ihnen hin.
„Ich hatte nicht immer so ein gutes Verhältnis zu ihr. Als du geboren wurdest, war ich gerade nicht in ihrem Leben. Sie hat nie ein Wort darüber verloren, ich hatte was geahnt, ich habe es aber nie hinterfragt. Genau weiß ich es erst seit dem Tag, an dem sie starb. Ich will dich nicht zwingen eine Beziehung zu mir aufzubauen, ich bin selbst adoptiert, ich weiß, wie schwierig es ist, mit seiner Familie ein Verhältnis aufzubauen, aber ich würde es gern versuchen“, hoffte Polina.
„Ich schreib dir meine Nummer auf“, sagte Page nur und gab ihr ihre Nummer.
„Danke, ich werde dich sicher anrufen“, versicherte Polina.
„Dann freu ich mich auf deinen Anruf. Halt dir diesen Kerl hier warm, er ist einer der Guten“, bemerkte Polina.
„Hab ich vor. Jetzt lass ich dich mit ihr allein“, half Page ihrem Freund hoch.
 
„Ich hab ne Großmutter“, realisierte Page, als sie zu ihrem Auto gingen.
„Ja, hast du. Sie scheint nett zu sein!“
„Sie wurde adoptiert, so wie deine Mutter auch, nur du warst anscheinend die einzige, die nicht so viel Glück hatte“, dachte er laut nach.
„Ich glückliche“, murmelte sie.
„Sorry, das wollte ich nicht so sagen!“
„Schon gut, ich weiß, was du meinst. Mein Leben ist eigentlich ziemlich okay verlaufen, dafür, dass ich nie Eltern hatte!“
„Du bist eine wunderbare Person“, sagte er nur.
„Du brauchst nicht mehr so’n Scheiß erzählen, ich schlaf schon mit dir“, schmunzelte sie.
„Ich meins ernst. Ana hat mir die Geschichte mit deinen Freunden erzählt, die du bei dir schlafen lassen hast, weil sie sonst nirgendwo ungestört sein konnten. Das ist ein selbstloser Akt, du bist eine wundervolle Person!“
„Ich hab ihnen beim Ehebruch geholfen, eigentlich ist das ziemlich schäbig!“
„Lieben die beiden sich?“
„Ja, denk schon!“
„Wenn sie sich lieben, dann war es richtig. Sag das bloß meiner Familie nicht, die sind ein Haufen glücklich verheirateter Menschen, die würden das nur in den falschen Hals bekommen!“
„Werde nichts sagen, versprochen. Ich weiß, dass ist ziemlich früh in unserer Beziehung, aber lern ich deine Familie mal kennen?“
„Wenn deine Granny und du zu unserem Osteressen kommen würdet, wäre das toll“, bemerkte er nur.
„Das ist Erpressung, Süßer!“
„Ich sag’s nur“, konterte er und sie legte sanft ihren Kopf an seine Brust.
„Ich muss das erst mal verarbeiten!“
„Sicher, bis Ostern sind es ja noch ein paar Tage. Soll ich uns was kochen?“, fragte er freundlich und sie nickte.
 
Sie döste mit dem Kopf auf dem Schoß ihres Freundes gemütlich ein, als ihr Handy klingelte. Sie ließ es klingeln, aber als es ein drittes Mal auf dem Tisch brummte, stöhnte sie genervt und nahm ab.
„Du bist schuld“, hörte sie die Stimme ihres genervten Ex-Freundes am Telefon.
„Ja, wir hatten uns damals nach unserer Trennung darauf geeinigt, dass ich an allem Schuld bin. Was hab ich wieder gemacht?“, fragte sie und rieb sich in ihrer Liegeposition die Augen.
„Wegen dir kann ich nicht mit meiner Freundin schlafen“, raunzte er ihr entgegen.
„Charles, wenn du mir jetzt die Schuld für deine Unfähigkeit einen hochzukriegen gibst, leg ich sofort auf“, murrte sie und Quentin verzog verwundert das Gesicht.
„Auch wenn das kein Thema ist, was ich mit meiner Ex-Freundin bereden möchte, meiner Libido geht’s wunderbar. Ana ist das Problem“, erklärte er trocken.
„Es ist ihr erstes Mal, man ich glaub auch nicht, dass ich tatsächlich mit dir darüber rede. Du musst es langsam angehen!“, riet sie ihm.
„Sie hat ganz ohne mich angefangen“, begann er.
„Okay, zu viele Informationen für diesen Moment, ich leg jetzt auf, Chuckie“, bemerkte sie angeekelt.
„Nein, Page, warte, ich mein damit, sie liegt betrunken und weinend in ihrer Badewanne“, rückte er mit der Sprache raus.
„Warum sagst du das nicht gleich, ich denk, ich weiß was los ist, ich komm rüber“, entschied sie und setzte sich auf.
„Sorry, Süßer, muss nochmal los, Ana ist anscheinend am durch drehen. Ich bin so schnell wie möglich wieder da, fang nicht ohne mich an“, bat sie, küsste ihn kurz und stand auf.
„Keine Sorge, nachdem ich zuhören musste wie du mit deinem Ex über Sex geredet hast, ist die Stimmung weg“, schmunzelte er und sie fuhr zu ihrer Freundin.

Neunzehntes Kapitel

 
Sanft klopfte Page an die Badezimmertür ihrer besten Freundin.
„Ich bin’s, lässt du mich rein?“, fragte sie.
„Ist offen“, hörte sie die Stimme ihrer Freundin und sie ging vorsichtig rein.
Page saß komplett angezogen mit einer Flasche Bourbon in der Hand in der Wanne.
„Man, diesen Anblick muss ich erst mal verkraften“, schätzte sie die Situation ein.
„Bist du hier um mich zu belächeln, oder trinkst du mit?“, wollte sie wissen.
„Nein, muss noch fahren und zu Hause wartet ein scharfer Kanadier auf mich. Was ist los?“
„Keine Ahnung, ich wollt nen bisschen was trinken um lockerer zu werden, doch dann hat ich plötzlich ne halbe Flasche leer. Das sollte eine besondere Nacht werden“, entschied sie betrunken.
„Ja, denk ich mir, hat das was mit deinem Cousin Saman zu tun, der die Straße runter in seinem Auto sitzt und auf irgendwas zu warten scheint?“
„Hast ihn auch gesehen, was? Der arme CJ hat keinen blassen Schimmer und mir ist es zu peinlich ihm was zu sagen“, erklärte Ana.
„Deine Eltern sind wohl doch nicht so „cool“ mit allem, was?“
„Anscheinend nicht. Weißt du was das traurigste daran ist? Irgendwie macht mich die Situation geil, aber er ist zu viel Gentleman um mich so anzufassen“, entschied sie und zeigte an sich herunter.
„Okay, du hattest für heute genug. Gib her“, nahm sie ihr sanft die Flasche ab und zog sie aus der Wanne.
„Ich werde niemals die Liebe finden“, gackste sie betrunken.
„Du hast die Liebe gefunden, meine Süße, er hätte schon längst bei deinen Eltern die Kurve kratzen können, aber er liebt dich, das weiß ich. Jetzt schläfst du erst mal deinen Rausch aus und morgen sehen wir weiter“, bemerkte sie und führte sie raus.
 
Sie brachte sie ins Bett und kam dann in die Küche.
CJ saß frustriert am Tisch.
„Ich hab jahrelang Erfahrung mit solchen Situationen, warum hab ich diese ohne dich nicht unter Kontrolle bekommen?“, fragte er müde.
„Bei geliebten Menschen ist das was ganz anderes, da wird man halt so“, versicherte sie.
„Du liebst sie wie eine Schwester und du hast es ganz schnell geschafft“, murmelte er.
„Das ist so ne Frauensache, keine Sorge. Morgen werden wir zusammen essen gehen und dann werden wir ins Kino gehen und ihr werdet euren Spaß in meinem Bett haben“, plante sie.
„Du überlässt uns dein Apartment? Wieso?“
„Kein Wort zu Ana, dass ich es dir erzählt habe, okay?“, verhandelte sie und er nickte.
„Komm ans Fenster!“
„Mir gefällt nicht, wo das hinführt“, wunderte er sich.
„Tu’s einfach, Chuckie, ich bin müde und möchte nach Hause“, bat sie und rieb ihre Augen.
„Okay“, stand er auf und ging ans Fenster.
„Siehst du den alten Volvo da hinten?“
„Ja, und?“
„Da drinnen sitzt ihr Cousin und wartet darauf, dass du verschwindest!“
„Verdammt, sie sind also doch nicht einverstanden mit mir“, entgegnete er trocken.
„Das heißt nichts, sie wird dich nicht deswegen verlassen“, versicherte sie.
„Denkst du!“
„Weiß ich, ich kenne sie gut genug, das ist nicht wie sie ist. Komm, ich begleite dich zum Auto, ich müsste auch mit jemandem über das reden, was ich heute erlebt habe und du bist der einzige mit dem ich darüber reden will“, bat sie und ging mit ihm zu seinem Wagen. Nach einem längeren Gespräch umarmte sie ihn lange. Ein Wagen fuhr mit quietschenden Reifen davon.
„So, jetzt ist das auch erledigt, geh wieder zu ihr rein, sie muss sich vielleicht übergeben und soll daran nicht ersticken“, schmunzelte sie und ließ ihn los.
„Das war nen Trick um unseren Stalker loszuwerden, ich verstehe. Die Story mit deiner Granny war also nur erfunden?“
„Du kennst meine tiefste Seele, ich kann dich nicht anlügen, wie du weißt. Nein, das ist wahr, danke aber, dass du mir zugehört hast. Ich wollte euch nur helfen, er denkt jetzt, dass wir ein Paar sind. Wenn das zu Problemen mit ihrer Familie führt, sollen sie sich bei mir melden!“, erwiderte sie und ging einfach davon zu ihrem Wagen.
 
Schwer leidend hing Ana am nächsten Mittag im Streifenwagensitz.
„Wie peinlich war ich gestern auf ner Skala von 1-10?“, fragte sie ihre Partnerin beschämt und schielte über ihre dicke Sonnenbrille hinweg zu ihr hin.
„Ne gute vier, du hast den Alkohol gut vertragen, weiß noch nicht so ganz, ob das gut oder schlecht ist. Ich muss dich vorwarnen, kann sein, dass deine Familie jetzt denkt, dass dein Freund dich mit mir betrügt, ich wollte deinen Cousin gestern nur loswerden!“
„Das erklärt dass er sich heute Morgen höflichst entschuldigt hat, wie weit seid ihr gegangen?“, wollte Ana nur wissen.
„Ich hab ihn nur umarmt, ich schwör‘s!“
„Gut, sonst hätte ich euch beide killen müssen, danke für die Vorwarnung, wenn meine Mutter sich meldet bin ich gewarnt. Das klingt seltsam, aber ich hab irgendwie Hunger“, war Ana nicht sauer.
„Wir fahren schon zur Station zurück, mein Schatz hat uns was zu essen besorgt und wartet dort auf uns!“
„Wie schafft er es eigentlich so viel rumzukommen mit dem gebrochenen Bein?“, wunderte sich Ana.
„Er wollte nen Taxi nehmen, er kriegt so einiges hin trotz Gips, glaub mir“, schmunzelte Page eindeutig zweideutig.
„Und schon ist mein Hunger komplett verschwunden“, murrte Ana.
„Tu nicht so prüde, du wirst heute Nacht auch Sex haben“, konterte Page.
„Werde ich?“
„In meinem Bett, ich hab alles schon arrangiert!“
„Du hast alles schon arrangiert?“
„Arrangiert ist etwas übertrieben, ich hab deinem Freund versprochen, dass wir meine Wohnung dir heute Nacht zur Verfügung stellen!“
„Das würdest du für uns machen?“, war Ana gerührt.
„Hey, wenn ich es für wildfremde mache, dann mach ich es sicher auch für meine besten Freunde. Ich werde meinen Freund in „50 Shades of Grey“ schleppen und dann mal sehen, was sich entwickelt“, erklärte Page.
„Wirklich? Hat er nicht schon genug für dich gelitten?“, frotzelte Ana.
„Tja, da muss er durch, da du ja nicht in den Film willst und ich ihn sehen möchte, muss er halt dran glauben“, bemerkte sie und fuhr auf den Parkplatz der Polizeistation.
 
Kurz nach den Frauen kam auch Quentin bei ihnen an.
„Tag, Ladies, bereit für die kanadische Antwort auf ein Katerfrühstück?“, kam er gutgelaunt zu ihnen.
„Oh bitte nichts mit Fisch, sonst muss ich mich doch noch übergeben“, murmelte Ana.
„Oh diese Klischees, nein, nichts mit Fisch, wisst ihr was Poutine ist?“
„Super, was französisches, also doch Fisch!“
„Hey, ich nehm’s gleich wieder mit“, bemerkte er etwas gekränkt.
„Nein, bitte, gib mir die Tüte“, bat Page mit einem Grinsen und er setzte sich mit der Tüte an ihren Tisch.
„Ist das?“, betrachtete Page ihr Mittagessen.
„Pommes mit Käse überbacken und dazu Bratensauce, oh ja, das hat ich ewig nicht mehr“, hatte er strahlende Augen, aber Ana verzog das Gesicht.
„Komm schon, An, die Hauptbestandteile in den Gerichten deiner Mutter sind irgendwelche Innereien, probier‘s einfach“, bat Page und Ana probierte.
„Scheiße, ist das gut“, begann sie zu essen.
„Sag ich doch und keiner wird was sagen, dass du Schweine-Grütze verdrückst!“
„Gut, sonst muss ich euch alle umbringen“, mampfte sie.
„Sie strahlt richtig, das war ne gute Idee“, bedankte sich Page bei Quentin, als sie sich hinter ihn stellte.
„Gern geschehen, mir hat das bis jetzt immer geholfen bei nem Kater. Wir gehen heute Abend doch noch in „Splatter 4“, oder?“, fragte er nach.
„Sicher, ich hab ihr erzählt, dass wir in 50 Shades of Grey gehen, Gott sei Dank treff ich endlich mal nen Kerl der genauso gern in schlechte Horrorfilme geht wie ich“, bemerkte sie glücklich und umarmte seinen Hals, während sie zusah, wie ihre beste Freundin das Poutine verschlang als hätte sie tagelang nichts gegessen.
 
„Danke, Captain, das sind tolle Nachrichten, dann sehen wir uns Mittwoch“, sprach Page an diesem Ostersonntag mit Chuck am Telefon, während sie in Toronto bei seiner Familie war.
„Und?“, fragte Quentin neben ihr, der nervöser schien als sie.
„Ich hab nicht bestanden, deshalb sag ich „tolle Nachrichten“, was denkst du?“, fragte sie sarkastisch.
„Du bist Detective?“
„Ja, ich bin Detective, oh man, ich bin Detective. Ich muss Kostüme tragen von nun an, nie wieder Uniform“, realisierte sie.
„Das ist toll, du musst keine Kostüme tragen, das machen nur die Detectives im Fernsehen. Was ist mit Ana?“
„Sie ist meine Partnerin, natürlich hat sie es auch gepackt. Es gibt nur ein kleines Problemchen!“, begann sie.
„War sie besser im Test als du?“
„Sicher, war sie das, der kleine Streber, aber sie hat noch einen Test positiv abgeschlossen“, bemerkte sie geheimnisvoll.
„Sie ist schwanger?“
„Jep, die beiden wollen das durchziehen und ich bin echt stolz auf sie. Sie gehören zusammen und ein Baby wird zwar einiges komplizieren, aber das kriegen wir alle hin, oder?“, fragte sie und er nickte.
„Meine Stelle als Dozent gibt mir viele Freiheiten, ich kann Babysitten wann auch immer sie mich brauchen“, schlussfolgerte er.
„Du kennst dich also mit Babys aus?“, wunderte sie sich. Sie lernte jeden Tag was dazu.
„Siehst du all die Babys hier? Ich hab jedem von denen schon mal ne Windel gewechselt und bin der Patenonkel von drei von ihnen, man kann also sagen, ja, das bin ich. Willst du mir vielleicht auch was sagen?“, schmunzelte er.
„Nein, ich bin nicht schwanger, ist nur gut zu wissen, was für ein Ehemann-Material du bist“, erwiderte sie amüsiert.
„Kleines, wir essen gleich“, hörte sie von Polina aus dem Wohnzimmer.
„Kommen gleich, Gran“, rief sie zurück.
„Dass du die Stärke bewiesen hast und deine Großmutter angerufen hast, macht dich zu einem Ehefrau-Material“, lobte er sie.
„Ja, bin ziemlich erwachsen geworden in den letzten Monaten, wurde auch mal Zeit. Was fehlt mir noch um die perfekte Ehefrau zu werden?“, wollte sie zufrieden wissen.
„Oh nein, diesen Pfad geh ich nicht entlang, Detective“, entschied er.
„Detective, ich kann mich noch nicht dran gewöhnen, so genannt zu werden, aber das muss ich wohl oder übel“, bemerkte sie glücklich.
„Da wirst du dich dran gewöhnen, ich bin zumindest wahnsinnig stolz auf dich“, legte er den Arm um sie.
„Ich sollte vielleicht kochen lernen“, warf sie ein, während sie zu ihren Familien zurückgingen.
„Oh ja“, murmelte er und sie boxte ihn leicht.
„Ich liebe dich so, wie du bist“, entschied er.
„Das ist süß, aber es gibt doch sicher irgendwas, was du bei uns ändern willst!“
„Die Heizung ist zu heiß aufgedreht, ich bin die Kälte gewöhnt und find es zu heiß“, gestand er.
„Du auch? Warum sagst du denn nichts? Ich mag die Kälte seit meinem Unfall auch irgendwie“, erklärte sie.
„Schon verrückt, wie die Kälte uns beide fast umgebracht, aber auch zusammen gebracht hat“, dachte er laut nach.
„Ja, ich hätte nie gedacht, dass der Mordanschlag eines perversen Arschlochs zu einem wunderbaren, verständnisvollen und perfekten Mann führen würde“, sagte auch sie und stieß glücklich die Flügeltür ins Wohnzimmer auf, wo schon ihre Familie auf sie wartete.

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Tag der Veröffentlichung: 26.12.2017

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