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Erstes Kapitel


Jupiter – Florida im Jahr 2056
 
Jude Walsh eilte durch die Gänge ihres Studentenheims. Die Tsunami-Sirenen heulten gnadenlos und ließen sie nicht richtig denken. Sie musste Brendon finden. Ihr gehandicapter Mitbewohner war sicher wieder in irgendeinem Bett gelandet, er hatte trotz seiner Querschnittslähmung ein reges Sexualleben. Das wäre ja alles nicht so schlimm, aber ein Tsunami raste auf die Stadt Jupiter zu und würde alles überschwemmen. Sie waren im Keller, sie mussten wie die anderen Studenten aufs Dach, um den Wassermengen zu entkommen, aber sie hatten nicht mehr viel Zeit.
„Slave, verdammt, wo steckst du?“, nannte sie ihn bei seinem Spitznamen, während sie durch die Gänge rannte. Sie klopfte gegen jede Tür, doch alle waren schon ausgeflogen.
„Slave, man willst du ersaufen, oder was?“, brüllte sie durch die kahlen Hallen des Heims.
„Jude, Hilfe“, hörte sie die leise Stimme ihres Mitbewohners.
„Wo bist du?“, rief sie.
„15 B“, erklärte er und sie stoppte vor einer Tür.
„Du knallst Delancy? Deine Ansprüche werden auch immer niedriger, mein Freund“, las sie den Namen der Frau an der Tür, in dessen Zimmer er sich befand.
„Wir haben keine Zeit für Vorwürfe, Jud‘, ich steck fest“, entgegnete er und sie schob die Tür mit bloßen Händen auf. Ihr Mitbewohner steckte mit seinem Rollstuhl in der Tür des Badezimmers fest.
„Gott sei Dank, ich hab mir was ganz anderes vorgestellt“, war sie erleichtert und kletterte über ihn, dass sie ihn herausschieben konnte.
„Wie lang haben wir noch?“, wollte er wissen, als sie ihn durch die Hallen schob.
„Keine Ahnung, nicht mehr lange, ich hab dich schon die halbe Nacht gesucht, du solltest dir mal angewöhnen erreichbar zu sein, auch wenn du mit Weibern rummachst. Bitte lass den Fahrstuhl noch funktionieren“, drückte sie panisch auf den Fahrstuhlknopf.
„Du hättest dich längst retten können, aber du hast mich gesucht“, war er gerührt.
„Ich lass dich doch nicht im Stich, du Trottel. Gott sei Dank, er kommt“, sah sie den Fahrstuhl runter fahren.
„Du süßes, sentimentales Ding, du bist immer noch in mich verknallt, gib’s zu“, entgegnete er und die Tür sprang auf.
„Ah, wenn du meinst“, entschied sie und schob ihn in den Fahrstuhl. Während der Fahrstuhl in den 70. Stock hochfuhr, rief sie ihren Freund an. Luke war ein Cop und schon die ganze Nacht im Einsatz. Sie erreichte ihn nicht.
„Ich wäre in so einer Situation immer für dich erreichbar“, entgegnete Brendon zu der nachdenklichen Jude.
„Er muss arbeiten, der meldet sich schon“, sagte sie nachdenklich. Der Fahrstuhl knarrte vor sich hin.
„Es geht los, das Wasser kommt“, sagte Brendon trocken. Sie hatte in ihrer Jugend öfters schon Überschwemmungen in der Küstenstadt in der sie lebten erlebt, doch was das auf sie zukam war eine ausgewachsene Naturkatastrophe.
„Hast du deine Mum erreicht?“, fragte sie ihn plötzlich.
„Wie sollte ich das ohne irgendein Kommunikationsgerät. Ist ja auch nicht grade so, als würden wir uns nahstehen“, konterte er.
„Aber du hast wenigstens noch ein Elternteil, auch wenn sie eine Nutte ohne Sinn für Mütterlichkeit ist, ist sie deine Mutter“, entgegnete sie.
Jude hatte schon als Kind ihre Eltern verloren und war in einem Heim aufgewachsen, trotzdem hatte sie nur Liebe für die Leute in ihrer Umgebung übrig.
„Dann gib mir dein Handy, ich ruf sie an“, gab er nach.
„Du bist echt leicht zu überzeugen. Sag ihr nen Gruß von mir“, schmunzelte sie und der Fahrstuhl hielt an.
„Wir sind noch nicht da, oder?“, fragte Brendon und in dem Moment ging in der Kabine das Licht aus.
„Nein, sind wir nicht. Der Strom ist ausgefallen“, wurde sie nervös und klammerte sich an seine Schulter. Er legte seine Hand auf ihre.
„Wir sind im 60. Stockwerk, hier kommt kein Wasser hin, keine Sorge“, sprach er ihr Mut zu.
„Um das Wasser mach ich mir keine Sorgen, das Ding kann aber abstürzen“, murmelte sie.
„Wir stürzen höchstens drei Stockwerke tief, jeder Fahrstuhl hat mehrere Bremsen“, erklärte er.
„Woher weißt du das?“
„Ich studiere Technik, wie du vielleicht weißt, ich weiß es eben. Das Netz ist auch ausgefallen, ich hoffe, meine Mum ist in Sicherheit“, hatte Brendon eine ruhige monotone Stimme, die sie irgendwie beruhigte. Das Licht ging wieder an.
„Siehst du, alles wird gut“, versprach er und sie ließ seine Schulter wieder los.
„Diese Überschwemmung ist anders, jetzt wird sich alles ändern“, bemerkte sie und rutschte mit dem Rücken die Fahrstuhlwand herunter. In diesem Moment ging das Licht wieder aus.

Zweites Kapitel


Die Notbeleuchtung flackerte. Das Notstromaggregat schien angegangen zu sein. Sie hatte in der Dunkelheit vor sich hin gedöst und den Sinn für Zeit verloren, nachdem der Akku ihres Handys ausgegangen war.
„Ich hab Durst“, hörte sie Brendons Stimme.
„Ich auch Süßer, ich auch. Weißt du, wie spät es ist?“, fragte sie und er verneinte es.
„Was denkst du, wie viel Zeit vergangen ist?“
„Ich hab keine Ahnung, ne Weile, die werden vermutlich Schwierigkeiten haben und raus zu holen“, erklärte er und sie stand auf. Der Fahrstuhl knarrte dabei.
„Bleib lieber an einer Stelle stehen“, riet er ihr.
„Stürzen wir ab?“, traute sie sich nicht, sich zu bewegen.
„Nein, tun wir nicht, hab ich dir doch gesagt. Wir hängen nur zwischen zwei Stockwerken fest, das ist etwas instabil. Setz dich einfach zu mir hin, wir können nichts tun“, bat er und sie kniete sich vorsichtig neben ihn und setzte sich zur Seite.
„Glaubst du, Dreda geht’s gut?“, fragte sie leise. Sie war ihre beste Freundin und wohnte in keinem Hochhaus.
„Ihr geht’s gut, das musst du dir immer sagen, du bist bald wieder mit ihr vereint“, beruhigte er sie und strich ihr über den Kopf.
„Tut mir leid wie ich dich damals behandelt habe“, gab sie das erste Mal in den 10 Jahren seit sie kein Paar mehr waren zu, dass sie ihn falsch behandelt hatte.
„Du warst noch ein Teenager damals und wusstest es nicht besser. Dass ich mit dir befreundet geblieben bin zeigt, dass ich dir vergeben habe. Hör auf dich zu verabschieden, wir schweben nicht in Lebensgefahr. Du bist übermüdet, tut mir leid, dass ich dich nicht schlafen lassen habe“, entschuldigte er sich.
„Schon gut, ich hab gelernt bis ich die Warnung auf dem Display hatte, dann hab ich dich gleich gesucht. Wo ist Delancy eigentlich?“
„Keine Ahnung, sie war weg als ich wach wurde. Sie hat die Warnung sicher erst auf dem Weg zur Uni bekommen. Ich muss aufhören mich durch das Wohnheim zu vögeln um zu beweisen, dass ich noch ein Mann bin, denn das bin ich“, entschied er.
„Wer ist jetzt derjenige, der sich verabschiedet. Du bist noch ein besserer Mann als vor deinem Unfall, ich hoffe, das weißt du“, lobte sie ihn. Brendon war drei Jahre zuvor beim Surfen schwer gestürzt und hatte sich das Rückgrat gebrochen. Die Ärzte konnten ihn so operieren, dass er wieder selbstständig sitzen und sich einigermaßen bewegen konnte, aber laufen würde er nicht mehr können.
„Aber ich konnte mich nicht selbst retten, welcher Mann kann das nicht?“, fragte er frustriert.
„Du bist gehandicapt, aber nicht weniger Mann, du bist nur hängen geblieben, wenn ich irgendwo eingeklemmt gewesen wäre, hättest du mich genauso gerettet. Man, ich hab grad so nen Durst auf nen Smoothie“, lehnte sie ihren Kopf auf seine Armlehne.
„Oh ja, oder ne Margarita wäre jetzt toll. Man, wir müssen schon ne Weile hier sein, wenn wir von Drinks fantasieren“, bemerkte er und sie nickte auf der Lehne wieder ein.
 
„Sie kommen“, weckte Brendon seine Bekannte. Ihr Nacken schmerzte, aber sie hörte die Rettungskräfte, wie sie sich den Weg zu ihnen bahnten.
„Hab ich geschlafen?“, fragte sie benommen.
„Ja, hast du, du nickst immer wieder weg, das ist vermutlich der Sauerstoffmangel. Jetzt sind sie ja da“, erkannte er und die Tür wurde aufgestemmt. Ein Rettungshelfer hing an Seilen vor der Fahrstuhlkabine.
„Hey ihr zwei, ihr braucht Hilfe, wie mir scheint“, begrüßte der Mann sie freundlich.
„Nein, wir kommen klar, schon gut“, bemerkte er sarkastisch.
„Du bist nen Rolli-Fahrer, das könnte nen Problem werden“, stellte der Mann fest.
„Du sagst es, könnt ihr uns nicht ein Stockwerk runter bringen?“, verstand er nicht.
„Das Wasser hat die ganze Elektronik des Fahrstuhls zerstört, wir müssen euch so rausholen. Komm, Kleines, retten wir erst Mal dich“, bat der Retter.
„Nein, zuerst ihn, ich komm klar“, bat sie.
„Du hast mich schon genug gerettet, beweg deinen Arsch“, bat Brendon ernst.
„Okay, ich bin zu erschöpft um dir zu wiedersprechen“, murmelte sie und rappelte sich auf. Ihre Beine waren kribbelig, sie musste eine ganze Weile so gesessen haben.
„Ich bin ein bisschen schwach auf den Beinen“, erklärte sie.
„Keine Sorge, ich mach dich fest, du kannst nicht runterfallen“, versprach der Helfer. Sie sah nach unten. Über 200m erstreckten sich vor ihr nach unten.
„Heilige Scheiße, das hoff ich mal, sonst bin ich platt wie ein Pancake wenn ich da unten ankomme“, wurde ihr schwindlig.
„Bis Stock 20 steht Wasser, du könntest das überleben. Aber ich sicher dich lieber ab, komm“, zog er sie an sich und schnallte sie an sich fest.
„Wir müssen drei Stockwerke runter, da kommen uns Leute zur Hilfe. Du musst ruhig bleiben, dann überstehst du das ohne Probleme“, erklärte der Mann und ließ sie vorsichtig runter. Die Sonne brannte ihr ins Gesicht, ihre Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt. Sie blinzelte und sah aus dem Fenster. Die Sonne reflektierte im Wasser. Sie war im 70. Stockwerk, das durfte eigentlich nicht passieren. Das Wasser stand so hoch, dass es die meisten Häuser in der Umgebung überragte.
„Oh mein Gott“, stammelte sie entsetzt und setzte sich auf eine Bank am Fenster. Sie wollte nach ihrem Handy greifen um Dreda anzurufen, aber sie hatte es im Fahrstuhl liegen lassen. Ein Schlag riss sie aus ihren Gedanken. Der Helfer hatte Brendons Fahrstuhl auf den Boden neben ihr geworfen.
„Tut mir leid, Kleines, wollte dich nicht erschrecken. Hilf mir mal“, bat er und sie zog beide zu sich.
„So, ihr beiden, es wird ne Weile dauern, bis wir das Wasser aus dem Haus gepumpt haben, aber hier seid ihr erst Mal sicher. Wenn das Wasser draußen ist, können wir euch über das Treppenhaus rausholen, wir werden euch solang über das Dach mit Sachen versorgen. Wir haben eure Kommilitonen schon evakuiert, aber wir müssen noch Treibstoff für den Rettungshubschrauber kriegen, wir sind mit dem letzten Treibstoff hergekommen. Ich hol dann mal eure Sachen, ihr braucht dringend was zu Trinken nach 34 Stunden in diesem Fahrstuhl, hier“, gab er ihnen zwei Trinkflaschen.
„Wir waren 34 Stunden da drin? Man, dann muss ich echt lang geschlafen haben“, stellte sie fest.
„Trinkt, ich komm bald wieder, ich brauch nen bisschen, aber ich komm wieder, versprochen“, bemerkte der Helfer und ließ sich wieder hochziehen.
„Wir waren das ganze Wochenende hier. Ich sollte Delancy mal anrufen, sie fragt sich sicher, warum ich nicht anrufe“, erkannte Brandon, während sie ihm in den Rollstuhl half.
„Sie sind tot, Brandon, sie sind alle tot“, murmelte sie benommen.
„Was?“
„Sieh raus“, sagte sie nur und er rollte zum Fenster. Sein Reifen quietschte durch den Aufprall auf den Boden etwas.
„Du hast mir das Leben gerettet“, stotterte er nur.
„Ja, das ist uns inzwischen klar. Ich will mit Luke reden und mit Dreda, aber sieh dir das an, sie leben sicher nicht mehr“, begann sie zu weinen.“
„Das können wir dann sagen, wenn wir sie tot gefunden haben, bis dahin müssen wir unsere Kräfte sammeln. Warum fließt das Wasser nicht ab?“, rollte er den Gang entlang zu der anderen Seite des Hauses.
„Wir leben nur noch, weil wir arm sind und in diesen Hochhaustrakt ziehen mussten. Wenn meine Mum jetzt tot ist, war das letzte was ich zu ihr gesagt habe Worte des Hasses“, dachte er laut nach.
„Wie du vorhin gesagt hast, wir trauern erst, wenn wir ihre Leichen haben. Wir waren fast zwei Tage eingesperrt, wie konnten wir so das Zeitgefühl verlieren?“, kam sie zu ihm hin.
„Du warst oft bewusstlos oder hast geschlafen, ich wollte mich im Fahrstuhl nicht umdrehen, Weil ich Angst hatte, dich im Dunkeln anzufahren. Ich war eigentlich fast die ganze Zeit wach. Ich hab das Wasser gehört, aber ich hab nie gedacht, dass das so ausgeht. Mein Wagen ist sicher schon nach Miami geschwemmt worden. Die geben mir von der Wohlfahrt sicher nicht mehr so schnell einen Wagen. Wieso sind wir so spät gewarnt worden?“, fragte er, aber konnte von seiner Ex-Freundin keine Antwort erwarten.
„Trink dein Wasser, Süßer, bat sie und setzte sich auf seinen Schoß um ihm die Wasserflasche an den Mund zu halten.
„Ich dachte die Zeit, in der du mich wie ein Kleinkind behandelst sind vorbei“, bemerkte er und nahm die Flasche selbst in die Hand.
„Du warst nach deinem Unfall lethargisch, irgendjemand musste dich wie ein Kind behandeln, dass du nicht verhungert bist. Du magst Luke nicht, oder?“, fragte sie plötzlich und stand wieder von seinem Schoß auf.
„Er hat nen großes Ego und noch eine größere Waffe, er passt einfach nicht zu dir“, antwortete er ihr.
„Ich fühl mich einfach lebendig bei ihm, so wie du mit deinen ganzen Bettgeschichten. Ich mag ihn einfach und wenn er das hier überlebt, sag ich es ihm auch“, entschied sie und sah nach draußen.
„Du hast was Besseres verdient, aber ich freu mich für dich, wenn du jemanden hast, der dir was bedeutet. Man, ich merk grad erst, wie hungrig ich bin, ich hoff dein Romeo kommt bald mit was zum Essen!“
„Von was redest du?“
„Er hat dich angeglotzt als wärst du die schönste Frau auf diesem Planeten“
„Hallo, ich bin die Schönste Frau auf diesem Planeten“, schmunzelte sie und in diesem Moment hörten sie einen Schrei und der Rettungshelfer stürzte an der offenen Fahrstuhltür vorbei in die Tiefe.
„Na toll, jetzt können wir unser Essen abschreiben“, sagte Brendon nur trocken und Jude sah in die Tiefe, nachdem sie zu dem Fahrstuhl gerannt war.
„Wir werden hier sterben und er hat sein Leben riskiert uns zu retten, hör auf so sarkastisch zu sein“, grummelte sie nur und setzte sich frustriert neben den Schacht auf den Boden.
„Er hat doch gesagt, er könnte das überleben, die ganzen unteren Stockwerke sind voll Wasser“, bemerkte er.
„Dann lebt er und nur wir sterben, super“, erwiderte sie erschöpft.
„Ich darf nicht sarkastisch sein, aber du?“, fragte er und stellte sich mit seinem Rolli neben sie.
„Ich darf so einiges was du nicht darfst. Hey ihr Hornochsen, euch ist einer baden gegangen, schickt ihr jetzt Ersatz oder wie?“, brüllte sie in den Schacht.
 
Es dauerte weitere 2 Stunden bis sie endlich gerettet werden konnten. Dies war der Tag, an dem sich für die beiden Studenten alles veränderte.
 
Jupiter – Florida 2060
 
„Slave, stehst du heut nochmal auf? Unsere Studentenzeit ist vorbei, wir müssen zur Arbeit“, rief Jude in sein Schlafzimmer. Brendon und sie waren nach dem Studium zusammengezogen. Das Wasser war etwas aus der Stadt gewichen, aber so wie die Leute in Venedig konnten sie sich nur mit Wasserfahrzeugen durch die Stadt bewegen. Sie war immer noch mit ihrem Freund Luke zusammen, aber die anfängliche Schwärmerei war der Realität gewichen. Ihre beste Freundin hatte die Flut auch überlebt und arbeitete mit ihr in einem Forschungslabor, Brendons Mutter hatte dafür weniger Glück gehabt. Er hatte sie lange betrauert, doch er lebte sein Leben so gut wie möglich weiter.
„Slave, ich hab keine Lust Babysitter für dich zu spielen, jetzt steh endlich auf“, wurde sie lauter und stürmte in sein Zimmer. Er lag noch mit dem Kopf in sein Kissen gedrückt in seinem Bett.
„Heut nicht“, murmelte er in sein Kissen.
„Meinetwegen, aber wenn ich weg bin kommst du nicht mehr von hier weg. Ich hätt auch gern so einen toleranten Chef wie du“, bemerkte sie und zog mit einer Kordel ihren Wet-Suit zu. Sie musste jetzt mit einem Jet-Ski zur Arbeit fahren, sie zog Brendon sonst hinter sich her, doch es wurde immer schwieriger, den fast 30-jährigen aus dem Bett zu holen.
Sie blieb kurz an seinem Bett stehen und ging dann aus dem Haus.
Da sie spät dran war, fuhr sie etwas schneller. Doch die Stadt war eigentlich nicht für Wassersport gedacht und sie knallte an einer Veranda an und flog vom Jet-Ski. Mit dem Kopf knallte sie gegen eine Häuserwand und sank wie ein Stein ins Wasser.
 
Sie sank tiefer und tiefer. Das Wasser war noch fast 50 Meter tief, sie hatten nach der Katastrophe eine Schutzwand um die Stadt gebaut und so konnte das Wasser nicht mehr richtig ablaufen. Sie hatten ein Desinfektionsmittel in das Wasser gelassen, um Infektionen zu vermeiden. Dieses Mittel brannte jetzt in ihrer Kopfwunde und der Schmerz hielt sie wach. Plötzlich ergriff jemand ihren Arm und zog sie an sich. Sie spürte eiskalte Lippen auf ihren und sie wehrte sich. Die Person ließ sie lockerer und zog sie hoch an die Wasseroberfläche. Sie hustete, als die Person sie auf einen Steg zog, der von einem Hausbewohner gebaut worden war. Leuchtend grüne Augen sahen sie an. Mit verschwommenem Blick sah sie, dass ein Mann sie gerettet hatte. Er trug nur eine kurze Wet-Suit-Hose.
„Danke“, keuchte sie benommen.
„Bist du okay?“, fragte der junge Mann.
„Mein Kopf tut ziemlich weh“, erklärte sie.
„Ich würd dir ja helfen, aber ich hab nichts dabei. Ich ruf dir Hilfe“, erwiderte der Mann. Als die Rettungskräfte in einem Schlauchboot kamen, glitt der Mann wie ein Meerestier galant ins Wasser zurück und verschwand.
„Hey, das ist eine ganz schöne Kopfwunde, haben Sie den Notruf selbst gewählt?“, fragte der Sanitäter, als er sie auf einer Trage festschnallte.
„Nein, das war dieser Mann“, sagte sie benommen.
„Man, Sie haben ganz schön was abbekommen, hier sind nur wir. Wir werden Ihre Kopfwunde versorgen, es wird alles wieder gut“, versprach der Sanitäter mit sanfter Stimme.
Während das Schlauchboot über das Wasser düste, verlor sie das Bewusstsein.

Drittes Kapitel


Die Sonne brannte ihr in den Augen. Durch die veränderte Meereshöhe war die Reflektion der Sonne manchmal unerträglich.
„Dred‘, sie wacht auf“, hörte sie die Stimme von Brendon.
„Oh Brendon, nicht so laut“, murmelte sie benommen.
„Sie kann schon wieder motzen, ihr geht’s gut. Du hast uns einen ziemlichen Schrecken eingejagt. Deine Wunde sieht heftig aus, was hast du gemacht?“, wischte er ihr die Haare aus dem Gesicht. Sie hatte eine lange geklammerte Wunde am Kopf.
„Diese dumme Wand war im Weg“, murmelte sie.
„Was fährst du auch so schnell. Wie geht’s dir?“
„Ziemlich scheiße, ich hab ne Wand gerammt. Was macht mein Jet-Ski?“
„Er lebt noch, Luke hat ihn gefunden und in die Werkstatt gebracht. Er ist auf dem Weg hierher, er braucht aber noch etwas. Der Rettungssanitäter meinte, du hättest immer nach einem Kerl gefragt, der dich gerettet hat, du hast dich aber selbst gerettet“, erzählte er.
„Ich bin untergegangen wie ein Stein, ich war so benommen dass ich niemals allein wieder hochgekommen wäre“, entgegnete sie.
„Wo ist dein mysteriöser Kerl dann hin?“
„Das klingt zwar absolut verrückt, aber ich glaube, er ist wieder ins Wasser abgetaucht nachdem er mich gerettet hat“, erklärte sie.
„Das Wasser ist eiskalt, na klar!“
„Vielleicht hab ich mir es auch nur eingebildet. Man, dröhnt mein Schädel, ich bin so blöd“, bemerkte sie verwirrt.
„Passiert, jetzt werde aber erst mal gesund. Wir werden dich morgen mit nach Hause nehmen“, erklärte er.
„Ich will hier nicht übernachten, ich hasse Krankenhäuser lasst uns einfach gehen.“, wollte sie aufstehen, doch Brendon drückte sie zurück ins Bett.
„Äh, von wegen, du bleibst hier. Entspann dich und genieß deine Freizeit“, entgegnete Dreda auch.
„Aber meine Kulturen!“
„Die hab ich im Blick. Ich muss dann auch wieder, ist viel zu tun. Halt die Ohren steif, Süße“, verabschiedete sich Dreda und ging davon.
„Musst du nicht auch los?“, fragte sie Brendon.
„Willst du mich loswerden?“
„Nein, ich will dass du deine Miete zahlen kannst und das kannst du nur mit Job“, bemerkte sie trocken.
„Okay, ich geh zur Arbeit, ich muss mal wieder zu Dr. Monroe, meine Depressionen melden sich wieder. Ich werde mir hier was verschreiben lassen“, erklärte er und rollte davon.
„Sag mal, spinnst du? Ich steh kurz vor der Wahl des stellvertretenden Sheriffs, da ist es nicht grade förderlich, wenn meine Freundin wie ein Henker über das Wasser brettert und einen Unfall baut“, donnerte Luke, als er in seiner schicken futuristischen Uniform ins Krankenzimmer kam.
„Mir geht’s bestens, danke der Nachfrage“, murmelte sie und sah aus dem Fenster in die Sonne.
„Tut mir leid, Baby, die Wahlen sind nur so bald und ich muss mich von meiner besten Seite zeigen, um das zu gewinnen“, war er plötzlich wie so oft zuckersüß, nachdem er vorher eklig gewesen war.
„Wäre es nicht einfacher einfach mal nett und zuvorkommend zu sein?“, mischte sich Brendon plötzlich ein.
„Ich dachte, du wolltest gehen?“, fragte sie ihn kritisch.
„Ich hab meine Jacke liegen lassen. Schön, dass du auch mal auftauchst, Luke“, bemerkte er kritisch.
„Hey Cyborg, halt dich da raus“, murrte Luke.
„Du hast mehr Elektronik im Körper als ich, also hör auf mich so zu nennen“, war Brandon nicht gut auf ihn zu sprechen.
„Ja, hör auf, er ist ein ganz normaler Mensch. Ich brauch jetzt Ruhe, also lasst mich bitte schlafen“, wollte Jude sie loswerden.
„Ja, sicher, wir gehen dann, nicht, Luke?“, sah Brendon ihn ernst an.
„Ich geh doch nicht jetzt schon wieder, ich bin durch die halbe Stadt gerast um hierher zu kommen“, sah es Luke nicht ein.
„Bitte, Luke, wir reden, wenn ich wieder heim komm“, bat sie.
„Sicher, wenn du das so meinst. Aber erwarte nicht, dass ich dich morgen abhole“, entschied Luke und verschwand wütend.
„Ja, er ist der Traumtyp schlechthin, du kannst es ja kaum erwarten, seine Frau zu werden“, konterte Brendon sarkastisch.
„Slave, das galt auch für dich“, murmelte sie nachdenklich.
„Sicher, ich werde dich morgen abholen, ruh dich aus“, verabschiedete er sich erneut und ließ sie allein.
Als sie nach einem kleinen Schläfchen wieder erwachte, stand ein junger Krankenpfleger an ihrem Tropf und hantierte daran. Er hatte einen muskulösen Oberbau und das grün seines Kittels stand ihm sehr gut. Als er bemerkte, dass sie wach war, erschreckte er sich.
„Da ist ja jemand schreckhaft, hey“, begrüßte sie ihn freundlich.
„Sie sollten mich eigentlich gar nicht sehen“, murmelte der Pfleger verwirrt.
„Denken Sie, dass Sie unsichtbar sind?“, fragte sie keck.
„Im Moment wünschte ich, dass ich es wäre. Wie geht’s Ihnen?“, fragte der Pfleger beschämt.
„Die Ärzte haben mich verarztet und mein Kopf schmerzt wie Hölle, sonst geht’s mir gut. Kann man Ihnen irgendwie helfen?“, fragte sie irritiert von seinem nervösen Auftreten.
„Nein, alles bestens, Ihnen geht’s gut, dass ist gut, bye“, huschte er davon.
„Da hatte aber einer seinen Kaffee heute. Ich bleib doch nicht hier, das ist mir zu blöd“, zog sie ihre Infusion raus und stand auf. Das Blut rauschte in ihren Körper und ihr wurde sehr schwindelig. Noch bevor sie aus der Tür gehen konnte, kippte sie ohnmächtig zur Seite.
 
„Ja, das passiert, wenn man die Infusion rauszieht, da laufen Nano-Bots durch, die Ihre Wunden regenerieren, die mögen das gar nicht, wenn man den Download-Prozess so unterbricht. Tut mir leid, dass ich dich hier runterbringen musste, ich konnte mich nicht zwei Mal reinschleichen, das wäre aufgefallen“, hörte er eine Stimme, die ihr bekannt war. Sie öffnete ihre Augen wieder. Ihr Kopfschmerz war weg und ihre Wunde brannte, als würde sie heilen. Sie sah in ein Paar strahlend grüne Augen.
„Da bist du ja wieder. Du musst die Sauerstoffmaske auf deinem Mund lassen, der Sauerstoffgehalt ist hier ziemlich niedrig. Ich bin übrigens Jordan, tut mir leid dass ich vorhin so seltsam war, die Leute oben mögen es nicht so gern, wenn wir uns da aufhalten. Du kannst nicht reden, solang wir hier sind, aber keine Sorge, in 30 Minuten bist du geheilt und wir bringen dich wieder hoch. Du darfst nur niemandem erzählen, dass du hier warst, versprich mir das“, bat er und sie nickte mit der Maske auf dem Mund. Sie wusste nicht, was da passierte, aber die Schmerzen waren weg und wenn es dazu führte, dass es ihr besserging, war sie immer dabei.
 
Als Brendon am nächsten Morgen seine Freundin abholte, sah die unglaublich gut aus. Sie glänzte und hat einen tollen Teint. Sie saß munter auf dem Krankenbett und sah sich Werbefernsehen an.
„Man, ich sollte mir auch mal eine verpassen lassen, wenn man danach so gut aussieht. Können wir?“, fragte er überrascht.
„Ja, wir können. Man, ich fühl mich so ausgeschlafen, das ist verrückt“, war sie total aufgekratzt.
„Keine Kopfschmerzen?“
„Nein, alles bestens!“
„Deine Wunde ist geheilt“, fuhr er ihr über ihre Narbe.
„Ja, ist super, oder? Wir sollten heut Abend mal wieder ins Slick gehen, bisschen abtanzen“, sprang sie vom Bett, als wäre nichts gewesen.
„Man, die Drogen hier drin haben sich echt verändert, seit ich hier drin lag. Ich sitz im Rollstuhl, teure Freundin, da kann man im Slick nicht tanzen“, entgegnete er irritiert.
„Schade, dann frag ich Dreda. Man hab ich nen Hunger, hast du noch Zeit was essen zu gehen, bevor wir zur Arbeit gehen?“, konterte sie aufgekratzt.
„Du willst heut noch arbeiten gehen?“
„Natürlich, mir geht’s ja auch spitzenmäßig. Man, mein Herz rast, was ist los mit mir?“, konnte sie nicht ruhig stehen bleiben.
„Ich glaub, ich hol lieber noch mal einen Arzt, die Arbeit kann warten“, bemerkte er und drückte sie auf das Bett zurück. Als er grade aus dem Raum gerollt war, kam der Pfleger wieder, der sie gestern so seltsam gestalkt hatte.
„Hey, wie geht’s dir?“, begrüßte er sie.
„Ich bin ziemlich aufgekratzt, sonst spitze. Du siehst so anders aus“, erkannte sie, dass es Jordan war.
„Ich seh aus wie immer, hast wohl immer noch Probleme mit dem Sehen, was?“, murmelte er.
„Nein, mir geht’s bestens. Was habt ihr mit mir gemacht?“
„Bitte!“
„Das war kein Dank sondern eine Frage. Meine Hände zittern. Mach, dass das aufhört“, war sie total von der Rolle.
„Ich geb dir was, dann geht’s dir besser, das liegt sicher noch an den Nano-Bots, die müssen noch aus deinem Körper raus. Du hast doch nichts gesagt wegen gestern, oder?“, fragte er und jagte ihr eine Nadel eines Pens in den Arm.
„Bis vorhin dachte ich, ich hätte das geträumt. Hey, mir geht’s gleich besser, was war das?“
„Kann ich dir nicht sagen, aber gut, dass es besser geht. Ich muss dann wieder los, ich darf hier eigentlich nicht sein, wie du weißt. Gute Heimreise“, erwiderte er und ging so schnell davon wie er gekommen war.
Als Brendon mit einem Arzt wiederkam, saß sie in aller Seelenruhe immer noch auf dem Bett.
„Mir geht’s wieder gut, weiß auch nicht, was das war. Tut mir leid, dass Sie extra kommen mussten, Doc“, bemerkte sie ruhig.
„Ich untersuch Sie trotzdem nochmal. Ihre Heilung ist unglaublich und wir können uns das nicht erklären. Okay, Ihr Puls ist in Ordnung, Ihre Pupillen auch und Ihre Wunde sieht sehr gut aus. Von mir aus können Sie gehen, Sie achten aber auf sie, bitte“, erklärte der Arzt Brendon.
„Ja, mach ich, danke Doc“, bedankte er sich und der Arzt ging wieder.
„Okay, dann gehen wir jetzt. Das muss ich jetzt nicht kapieren, oder?“
„Weiß auch nicht, die Medikamente waren vermutlich nur falsch eingestellt. Die Aufgeregtheit ist zumindest weg, jetzt kann ich wieder normal arbeiten gehen. Wie kommen wir eigentlich hier weg ohne meinen Jet-Ski?“, fragte sie wieder mit ruhiger Stimme.
„Ich hab mir nen Boot geliehen. Dein Jet-Ski ist schon aufgeladen, er war nicht sehr beschädigt. Du machst mir Sorgen“, sah er sie verwundert an.
„Mir geht’s gut, hat sogar der Doc gesagt, jetzt lass uns gehen“, bat sie.


„Meinetwegen, seltsam ist es aber schon. Das ist ein Speed-Boot, glaubst du, du kannst die Geschwindigkeit aushalten?“
„Ja, kann ich, mir geht’s wirklich gut, keine Sorge“, klopfte sie ihm auf die Schulter und ging voran aus der Tür.

Viertes Kapitel


Zwei Tage später ging es ihr immer noch gut, egal was Jordan mit ihr gemacht hatte, es hatte anscheinend geholfen. Sie stand schon länger vor ihrem Spiegel. Sie trug ein bodenlanges Kleid und eine lange Silberkette. Luke hatte eine Wahlveranstaltung und sie musste das schöne Anhängsel spielen. Sie war eigentlich fertig vom Arbeitstag, aber sie war so von ihm abhängig, dass sie alles für ihn tat.
„Du siehst echt heiß aus“, riss Brendon sie aus ihren Gedanken. Sie hatte einen tollen weiblichen Körper und das blauschimmernde Kleid passte ihr wie angegossen.
„Danke, ich würde lieber heute Abend im Schlabberlock vor dem Fernseher sitzen, aber es ist meine Aufgabe. Alle meine Wunden vom Unfall sind weg, es ist, als wäre mir nie was passiert, irgendwas ist da im Krankenhaus passiert, aber ich kann es nicht richtig einordnen“, erkannte sie.
„Freu dich einfach, Schmerzen und Wunden sind nichts Schönes, ich sprech da aus Erfahrung. Zieh dir nen Mantel an, wird frisch heute“, riet er ihr und sie bedankte sich für den Tipp.
 
Während sie auf dem Steg vor ihrem Haus auf Luke wartete, tauchte plötzlich Jordan an ihrem Steg auf.
„Hey, ich hab gesehen, dass du draußen bist, geht’s dir gut?“, fragte er und setzte sich auf den Rand des Stegs. Er trug nur Boxershorts
„Du gehst zu komischen Zeiten schwimmen und ohne Wet-Suit“, sagte sie nur.
„Ich friere nicht, meine Körpertemperatur ist niedriger als deine. Also, wie geht’s dir?“
„Gut, danke, du bist anders als wir, oder?“
„Morgenabend, 22 Uhr im Slick, trag auch so’n heißes Kleid“, sagte er nur und tauchte wieder ab.
„Du bist ganz schön von dir eingenommen Junge“, rief sie in die Dunkelheit.
„Mit wem redest du?“, hörte sie plötzlich Lukes Stimme. Sie hörte sonst, wenn er mit seinem Polizeiboot kam, aber er hatte sich anscheinend ohne Motor treiben lassen.
„Mit niemandem, da bist du ja endlich. Können wir?“, stotterte sie.
„Sicher, deswegen bin ich ja da. Komm rein“, entgegnete er cool und half ihr ins Boot.
Den ganzen Abend lang musste sie an den mysteriösen Mann denken, der anscheinend im Wasser zu leben schien. Sollte sie seine Einladung annehmen und ihn im Slick treffen?
In dieser Nacht hatte sie Sex mit Luke, aber es war längst zu einer lästigen Aufgabe geworden. Als Luke endlich von ihr abgelassen und zufrieden eingeschlafen war, hatte sie die Entscheidung getroffen Jordan zu treffen.
 
Als am nächsten Abend Brendon schlief und auch Luke nicht da war, machte sie sich zum Slick auf. Sie trug normale Kleidung um nicht zu sehr aufzufallen.
„Wen sehen da meine müden Augen, wenn das nicht Sexy Jude ist, dich hab ich seit der Katastrophe nicht mehr gesehen. Du wirst zwar nicht jünger aber bist immer noch ne hübsche Frau“, begrüßte der Barkeeper Niclas sie mit einem Handschlag.
„Immer noch der alte Schmeichler, ja, ist ne Weile her. Machst du mir nen Dirty Martini?“, fragte sie und setzte sich an die Bar.
„Hast du dich von Mayor Supergut getrennt?“, sprach sie ihn auf Luke an.
„Nein, kann ich nicht einfach hierherkommen um was zu trinken?“, fragte sie ihn nervös.
„Sicher, aber sonst hast du immer irgendjemanden im Schlepptau. Einen versauten Martini, mach ich dir sofort“, konterte Niclas und mixte ihren Drink. Als er ihr grad ihr Glas hinstellte, kam Jordan in die Bar. Sie erkannte ihn fast nicht, weil er Kontaktlinsen und ein Cap des hiesigen Footballteams trug. Niclas schien ihn aber zu kennen.
„Jord‘, heute mal durch den Haupteingang? Spielen wir heute wieder normal?“, fragte Niclas ihn.
„Ja, sieht so aus. Komm mit mir nach hinten“, sagte er zu Jude ohne sie richtig anzusehen und sie folgte ihm mit ihrem Martini in der Hand. In einer Ecke setzte er sich hin und sie setzte sich zögerlich neben ihn.
„Du verwirrst mich auch mit deiner Kostümierung. Ich glaub kaum, dass ich hier bin“, bemerkte sie und er zog seine Mütze ab.
„Ich bin hier oben nicht so sehr lebendig, die Verkleidung ist nötig“, sagte er nur.
„Was heißt hier oben?“
„Ich sollte mit der Kleinen vom zukünftigen stellvertretenden Sheriffs eigentlich nicht darüber reden…“, begann er.
„Und trotzdem hast du mich hierher bestellt. Also oben unten, rechts links, was auch immer, was bist du?“, wollte sie wissen.
„Unsere offizielle Bezeichnung ist Liquid, wir sind Wasser-Atmer, ich bin noch ein Frischling, es gibt Leute, die sind schon ihr ganzes Leben dabei. Wir kennen uns schon viel länger als du denkst, ich hab dich damals mit deinem Kumpel aus dem Fahrstuhl der Uni befreit. Du erinnerst dich sicher nicht daran“, erklärte er.
„Doch, sicher, ich hatte lang Alpträume davon, du hast das also überlebt“, entgegnete sie und versuchte das zu verstehen.
„Überleben kann man das nicht nennen, ich war schon klinisch tot, ich lag sechs Monate im Koma und als ich aufgewacht bin war ich so. Das hab ich mir nicht ausgesucht und es vergeht kein Tag, an dem ich nicht zurückwill, aber das kann ich nicht“, entschied er.
„Was heißt, du kannst nicht zurück? Du bist im Krankenhaus und hier und keiner will dir was. Du kannst immer zurück“, verstand sie nicht.
„Du hast immer noch nicht verstanden, was ich bin, oder? Ich hab Kiemen, ich bin ein halber Fisch. Wie erklärt man das seiner Familie?“
„Du hast Kiemen?“, fragte sie verblüfft und er zeigte ihr seine Kiemen, die er unter einem eng anliegenden Anzug mit Klettverschluss versteckt hatte.
„Edgar van Hoven, du müsstest ihn kennen!“
„Ja, zu gut, er ist berühmt, du hast dich von einem Meeresforscher aufschlitzen lassen?“
„Von lassen ist ja nicht die Rede, sie haben es einfach getan. Ich bin nicht der einzige, wir sind ne ganze Gruppe, es sind nicht so viele Leute bei der Katastrophe gestorben, wie es in den Nachrichten dargestellt wurde“, druckste er herum.
„Warum erzählst du mir das?“
„Ich hab dich ne Weile beobachtet und ich denke, du kannst damit umgehen“, entschied er.
„Du stalkst mich?“
„Stalking ist so ein negativ behaftetes Wort, ich schau halt nach dir. Deine Beziehung ist grade festgefahren, würd ich sagen“, entgegnete er.
„Okay, Mr. Stalker, es war schräg dich kennenzulernen, ich geh dann mal wieder. Lass mich in Ruhe“, war sie nicht begeistert von seiner Ehrlichkeit und ging zur Tür. Mit einem Zahlencode an der Tür zahlte sie ihren Drink und huschte davon.
„Zuviel zu schnell, mein Freund“, kam Niclas zu ihm und klopfte ihm auf die Schulter.
„Sie wird mir jetzt ihren schwerbewaffneten Polizistenfreund auf den Hals hetzen, oder?"
„Jep, höchstwahrscheinlich. Ich würde diesmal die Hintertür empfehlen“, riet Niclas ihm.
„Verdammt, warum verknall ich mich immer in die falschen Frauen“, murmelte er und eilte durch die Hintertür.
 
Es war schon fast Mitternacht als Jude mit ihrem Jet-Ski vor Dredas Haus vorfuhr. Sie war eine Weile rumgefahren um den Kopf frei zu kriegen. Jetzt stellte sie den Motor ab, stieg ab und ging über den Steg. Dreda hatte von ihren Großeltern ein Haus geerbt in dem sie seit der Katastrophe wohnte. Es wurde von ihr renoviert, aber es hatte nicht viel abbekommen, weil es ziemlich außerhalb der Stadt gelegen hatte.
„Hey, ist ne Weile her, dass du hier raus gefahren gekommen bist. Was gibt’s?“, begrüßte ihre Freundin sie trocken.
„Es ist spät, tut mir leid, kann ich heut Nacht bei dir übernachten?“, wollte sie wissen.
„Sicher, hattest du Stress mit Slave?“
„Ne, der schläft, kann ich reinkommen?“
„Sicher, immer doch. Du siehst verwirrt aus, hast du dich endlich von Luke getrennt?“
„Nein, hab ich nicht, Moment warum sagst du endlich?“
„Süße, ich kenn dich jetzt schon seit dem Tag an dem du mit 18 in das Restaurant meiner Eltern kamst, weil du nach dem Waisenhaus nicht wusstest, wohin du gehen solltest. Ich hab dich in den letzten 10 Jahren gesehen, wie hart du gekämpft hast dieses Stipendium zu bekommen. Du warst so stark und fokussiert und dann kam er. Jetzt bist du eine mittelklassige Biologin in einem Job, der dir nicht gefällt“, sprach sie Klartext.
„Ich mag meinen Job!“
„Ich arbeite mit dir zusammen, ich merk das. Du musst dich von ihm trennen, du bist nicht mehr Jude Walsh, seit du sein Anhängsel spielst“, sagte sie weiter.
„Ich bin nicht sein Anhängsel, ich liebe ihn“, behauptete sie.
„Nein, tust du nicht, ich hab das Bild von dir gestern gesehen, du hast zwar das Kleid gerockt, aber deine Miene war versteinert“, bemerkte Dreda und zeigte ihr das Bild auf ihrem Display.
„Du stalkst mich also auch“
„Stalken? Ich wollte dich nur in dem Kleid sehen, wir haben es ja zusammen ausgesucht, mir war gestern Abend langweilig, ich geb’s zu“, gestand sie.
„Ja, ich war gestern nicht gut drauf. Ich bin schon etwas festgefahren, aber ich hab nicht die Energie das zu ändern“, gestand sie.
„Dann musst du die Energie wiederbekommen, denn diese junge Frau mit der Kellnerin-Uniform und mit dem Zöpfen vermisse ich jeden Tag“, entschied Dreda.
„Ich hab jetzt nen anständigen Job, ich kellnere nicht mehr“
„Das hab ich auch nicht gesagt, du musst nur wieder so fröhlich werden wie damals. Bitte versprich mir, dass du es dir überlegst“, bat sie.
„Sicher, meinetwegen. Wir sollten schlafen gehen“, entgegnete Jude müde.
„Sicher, du weißt ja wo das Gästezimmer ist. Warte, hast du vorhin was über einen Stalker gesagt?“
„Nicht heute, morgen. Gute Nacht“, bat sie.
„Sicher, ich weck dich dann morgen rechtzeitig. Wir kriegen heut Nacht nicht plötzlich unerwarteten Besuch, oder?“
„Nein, denke nicht. Mach trotzdem die Alarmanlage an, nur um sicher zu gehen“, entschied sie und mit skeptischem Blick tippte Dreda den Alarm in die Leiste an der Tür.
„Danke, gute Nacht“, entgegnete Jude und ging ins Gästezimmer.
Irritiert sah Dreda aus dem Fenster und ging dann auch wieder ins Bett.

Fünftes Kapitel


„So, es ist Morgen, was hast du da gestern über einen Stalker geschwafelt? Verfolgt dich jemand?“, fragte Dreda, Jude am nächsten Morgen beim Frühstück.
„Ich hab’s nur gestern gedacht, schon gut, ist nichts“, tat sie das ab.
„Nein, du ruderst jetzt nicht zurück, du fährst nicht extra durch die halbe Stadt um bei mir zu pennen, wenn da nichts ist. Du wirst verfolgt, jetzt spuck’s aus“, bat Dreda ernst.
„Nein, ist wirklich nichts, ich musste nur mal raus aus der Stadt. Du machst echt gutes Rührei“
„Ja, fünf Jahre in der Küche eines Diners haben Spuren hinterlassen. Wenn du nicht mit mir darüber reden willst, solltest du wenigstens mit Luke darüber reden. Er kann jemanden aufpassen lassen, bis das aufhört“, riet sie ihr.
„Nein, du sagst ihm nichts, keiner soll was davon erfahren. Ich klär das, schon gut“, entgegnete Jude und aß ihren Teller auf.
„Wenn du meinst, pass nur auf dich auf, okay?“
„Das mach ich schon mein ganzes Leben, schon okay, ich komm klar. Wir sollten los, ich muss noch einiges im Labor fertig machen“, entschied sie.
„Wir sind eigentlich ziemlich auf dem Laufenden, aber wir können los, wenn du das willst. Geht’s dir wirklich gut?“
„Ja, alles bestens, dann los“, bemerkte sie und stand auf.
„Seltsam ist es trotzdem. Gehen wir!“
 
Die Tage, die darauf folgten arbeitete sie weiter, als wäre nichts gewesen. Jordan tauchte nicht mehr auf und nach einer Weile kam es ihr so vor, als wäre das alles eine Wahnvorstellung gewesen, die sie durch ihre Kopfverletzung davon getragen hatte.
Sie wollte grade ins Fitnessstudio aufbrechen, als eine Frau Anfang Zwanzig plötzlich auf ihrem Steg stand. Sie hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit Jordan und sie hatte die gleichen stechenden grünen Augen.
„Wo ist er?“, fragte die Frau sie nur.
„Was?“, verstand sie nicht, obwohl sie schon wusste, wen die junge Frau meinte.
„Du weißt genau, wen ich meine, er ist doch ständig bei dir, redet auch ständig von dir, er muss bei dir sein“, bemerkte sie mit lauter Stimme.
„Ich hab keine Ahnung von was du da redest, Kleines, ich will zum Training, also könntest du mich durchlassen?“, wollte sie sie loswerden.
„Er ist mein Bruder, er ist schon seit Tagen nicht mehr zu Hause gewesen, ich mach mir einfach Sorgen“, erklärte sie. Sie schien wirklich besorgt zu sein.
„Ich hab ihn nicht gesehen, tut mir leid. Ich bin aber auch froh darüber, dein Bruder hat sie nicht alle, er hat mich beobachtet, andauernd und das beängstigt mich. Er braucht Hilfe“, druckste sie herum.
„Mein Bruder ist ziemlich stabil und hat auf keinen Fall nen Knall. Warum er dich ständig verfolgt weiß ich nicht, es tut mir auch leid, aber jetzt möchte ich ihn einfach wiederhaben“, war die junge Frau sehr erschöpft.
„Komm erst Mal rein …“, wollte sie ihren Namen wissen.
„Arielle“, stellte Jordans Schwester sich vor.
„Arielle, passt ja. Wie lange ist er denn schon weg?“, drückte sie ihre Hand auf ein Display und ihre Tür ging wieder auf.
„Knapp eine Woche, ich hab auch fast so lang nicht mehr geschlafen. Ah, eine trockene Wohnung, ist schon ne Weile her, dass ich so etwas hatte. Ich kann immer noch nicht glauben, dass mich Jordan dazu überreden konnte, so zu werden wie er. Es ist für mich nicht ungefährlich hierher zu kommen. Vor allem nicht, wenn ich in Häuser von Black Knight-Lovern spaziere. Du hast keine Ahnung von was ich rede, oder?“, fragte Arielle, als sie ein durchsichtiges Bild von Luke und ihr vom Schrank aufnahm.
„Nicht wirklich, Black Knights?“
„Du bist noch nicht lange mit ihm zusammen, oder?“, stellte sie das Bild wieder ab.
„Beinahe fünf Jahre, Black Knights?“, wollte sie Antworten.
„Er hat ein schwarzes Schwert irgendwo tätowiert, oder?“, wollte Arielle wissen.
„Zwischen seinem Hüftknochen und du weißt schon, seinem Gemächt, genau in der Mitte. Ist er in einer Gang oder so? Er versprüht immer diesen Korrupter-Bulle Vibe, ich hab das eigentlich immer ganz sexy gefunden. Jetzt sag schon“
„Die Black Knights ist eine Organisation die Leute wie uns aus der Stadt vertreiben will und das mit allen Mitteln, die denen zur Verfügung stehen. Ich bin schon zu lang hier, er kommt sicher bald zurück“, war sie nervös.
„Keine Sorge, er wohnt hier nicht und ist nur noch für Stelldicheins da in letzter Zeit. Denkst du die Knights haben deinen Bruder?“
„Bis gerade eben nicht, aber wenn mein Bruder die Freundin eines Knights knallt ist das Risiko schon ziemlich hoch, dass sie ihn haben“, bemerkte sie cool.
„Hey, er knallt mich nicht, er stalkt mich nur. Na ja, bis letzte Woche, da war er plötzlich verschwunden. Wenn er geschnappt worden ist, tut es mir leid. Man, ich glaub kaum, dass ich mit dir darüber rede, bis gerade eben hielt ich das alles noch für Wahnvorstellungen meinerseits. Erzählst du mir mehr von euch?“, wollte sie wissen.
„Wir leben unterhalb der Stadt, im Wasser. Ich bin fast drei Jahre dabei, er ist meine einzige Familie, ich wollte nicht getrennt von ihm leben. Hilfst du mir ihn zu finden?“, hoffte Arielle.
„Ich kenn dich nicht, Süße, mir war eigentlich ganz recht, dass ich mein Leben so geführt habe, wie ich es führe. Viel Glück auf der Suche nach ihm, aber ich muss jetzt los, mein Kumpel wartet im Studio sicher schon auf mich“, wollte sie sie loswerden.
„Tja, hab ja nichts anderes von nem Knight-Flittchen erwartet. Tut mir leid, dass ich deine teure Zeit in Anspruch genommen habe. Aber denk dran, wenn du mich verraten willst, mein Bruder hat dich gerettet“, ging sie traurig von dannen.
Jude wollte ihr hinterhergehen, aber sie war schon abgetaucht.
Schnaufend legte sie ihre Sportsachen weg, stieg auf ihren Jet-Ski und fuhr ins Slick.
„Na, wirst du jetzt noch zur Alkoholikerin?“, begrüßte Niclas sie, als sie in die Bar kam.
„Nein, heute trink ich nichts, ich such Jordan, weißt du wo er ist?“, begrüßte sie ihn.
„Ich wusste doch, das was zwischen euch läuft, keine Ahnung, er ist abgetaucht, nachdem du ihm mit deinem Lover gedroht hast“, erklärte er und zapfte ein Bier.
„Ich hab ihm gar nicht gedroht, Luke weiß nichts davon, es läuft ja auch nichts zwischen uns. Was hast du ihm eingeredet?“
„Gar nichts, er dachte nur, dass er in Gefahr wäre. Es gibt einige Leute, die Leuten wie ihm gefährlich werden können“, entgegnete Niclas mysteriös.
„Ja, ich weiß, Arielle hat mich grad aufgeklärt. Ich schlaf anscheinend mit einem von denen“, bemerkte sie und setzte sich an die Bar.
„Ja, hätte ich dir früher sagen sollen, was?“
„Ja, schon. Und jetzt?“
„Keine Ahnung, das musst du entscheiden!“
„Ich glaub zwar kaum, dass ich das sage, aber es wird Zeit, diese Beziehung zu beenden“, sagte sie stockend.
„Wurde auch mal Zeit, dieser Kerl benutzt dich doch nur als Stressabbau und Aushängeschild, er behandelt dich schon lang nicht mehr wie seine Freundin“, konterte Niclas.
„Warum weiß das eigentlich jeder außer mir?“
„Du wusstest es schon ne Weile, aber wolltest es nicht zugeben. Brauchst du Hilfe bei irgendwas?“, wollte er besorgt wissen.
„Ich will Jordan suchen, hilfst du mir?“, hoffte sie.
„Ich dachte eigentlich bei deiner Trennung, ich kann hier nicht weg, Süße“, bemerkte er.
„Tja, schade, dann muss ich wohl allein los. Meld dich, wenn er hier auftaucht, bitte“, bat sie und stand wieder auf.
„Homeboy, ich bin ein paar Stunden weg, übernimm für mich“, rief Niclas nach hinten zu seinem Kollegen und ging mit ihr mit, nachdem er sich spontan dazu entschieden hatte, ihr zu helfen.
„Wir nehmen mein Speed-Boat, das geht schneller. Lass deinen Jet-Ski einfach hier, wir kommen hierher zurück. Lass uns fahren, bevor es dunkel wird“, half er ihr aufs Boot und düste dann los.
„Wo sollen wir anfangen zu suchen?“, fragte sie ihn, als sie über das Wasser fuhren.
„Ist deine Suche, warum fragst du mich das?“
„Er ist dein Kumpel, ich dachte, du könntest mir dabei helfen“, entgegnete sie und sah in den Sonnenuntergang.
„Hey, er ist auch nur ein Kunde von mir, unsere Beziehung geht auch nicht über ein “Hey wie geht’s“ hinaus“, bemerkte er lässig.
„Du bist Barkeeper, das glaub ich nicht“
„Du willst das gar nicht wissen, Schätzchen“, konterte er cool.
„Nic‘, wenn ich es nicht wissen wollen würde, hätte ich nicht gefragt. Ich will nicht nochmal fragen“, bat sie ernst.
„Okay, das hast du aber nicht von mir. Die wirst du brauchen“, drückte er ihr eine handliche Sauerstoffflasche in die Hand.
„Wir gehen unter Wasser, oder?“
„Schlaues Kind. Unter Wasser ist aber dabei relativ“, bemerkte er und drehte das Boot um.
Sie fuhren eine ganze Weile, bis er vor einem Lagerhaus hielt, dass zu drei Viertel unter Wasser stand.
„Du willst mich nicht irgendwo um die Ecke bringen, oder?“, wurde sie nervös.
„Warum hätte ich dir dann eine Sauerstoffflasche gegeben?“, fragte er und machte das Boot fest.
„Keine Ahnung, du willst mich lang leiden lassen?“, fragte sie sarkastisch.
„Ah, komm“, bemerkte er und sie stieg mit ihm aus dem Boot.
„Was ist das hier?“, wollte sie wissen.
„Ich kann’s dir nicht erklären, ich muss es dir zeigen“, entschied er und zog eine Karte durch einen Kartenslot und eine Tür neben ihm sprang auf.
„Du brauchst keine Sauerstoffflasche, nehm ich mal an, oder?“
„Nope, nicht wirklich. Ich zieh mich jetzt aus, so kann besser schwimmen, musst dich nicht umdrehen, mich stört es nicht“, erklärte er ihr und zog sein T-Shirt aus.
„Ich zieh mich nicht aus, das kannst du vergessen!“
„Du trägst nen Wet-Suit, Spätzchen, das musst du auch nicht machen. Ich geh voran, du folgst mir. Ich bin ziemlich schnell, kannst du gut schwimmen?“
„Ja, ich war im Schwimmteam auf der Highschool. Geh voran“, bat sie und der junge Barkeeper tauchte in das kalte Wasser ab.
„Man, ich glaub nicht, dass ich das mache“, murmelte sie vor sich hin, steckte sich die Sauerstoffflasche in den Mund und tauchte ab.
Sie musste eine ganze Weile tauchen, dann sah sie, dass Niclas ihr eine Luke aufhielt, durch die sie durchschwamm.
„Man, ist ne Weile her, dass ich hierdurch reingekommen bin. Alles klar bei dir?“, bemerkte Niclas, als er sie auf eine trockene Fläche zog.
„Du keuchst, ist eher alles klar bei dir?“
„Ja, ich hab zwar Kiemen, aber das Wasser ist ziemlich tief hier. Du solltest weniger reden und die Flasche verwenden, sonst wirst du hier noch ohnmächtig“, erklärte er und sie steckte sich die Flasche wieder in den Mund.
„Nic, was machst du hier? Warum ist sie hier?“, wollte Arielle wissen, die auf einem Display erschien.
„Du suchst nach deinem Bruder und hast sie um Hilfe gebeten. Jetzt ist sie hier“, erklärte Niclas.
„Wie soll sie hier unten helfen? Sie kann ja kaum atmen hier. Bist du durch das Lager B reingekommen? Da musstest ihr ganz schön tauchen“, war Arielle anscheinend nicht sehr begeistert, sie zu sehen, als sie in einen Raum kamen, wo sie an einem PC saß.
„Sie ist ein Knight-Flittchen, man kann nicht vorsichtig genug sein. Gib ihr doch eine von diesen Dingern, die Jordan entwickelt hat“, schlug er vor.
„Okay, aber verrate Jordan nicht, dass ich die verteile“, bemerkte sie, zog Jude die Flasche aus dem Mund und drückte ihr etwas hinein. Jude hustete furchtbar, konnte aber dann atmen.
„Alles klar?“, fragte Niclas sie.
„Ja, das ist ein komisches Gefühl. Das kommt von Jordan?“, fragte Jude. Ihre Stimme klang seltsam.
„Das Ding löst sich in einigen Stunden auf, bis dahin kannst du atmen, deine Stimme klingt wie Mickey Mouse, daran arbeitet er noch. Lass uns anfangen!“
„Was ist das hier?“, fragte Jude, als sie die ganzen Displays die in dem Raum waren ansah. Es schienen Überwachungskameras zu sein.
„Die Kommandozentrale, ich bin die Sicherheitschefin hier unten, ich war ein Cop vorher. Ja, das ist ein Interessenskonflikt, ich liege jede Woche eine halbe Stunde auf der Krankenstation um das hier von Jordan entfernen zu lassen“, konterte sie und zeigte ihr Kreuz auf ihrer Hüfte.
„Du bist eine Knight und eine Liquid?“, fragte Jude jetzt total konfus.
„Sag ja, Interessenskonflikt, ich war grade aus der Polizeiakademie gestolpert und wusste es nicht besser. Die Schmerzen bei der Tattoo-Entfernung sind da nur gerecht. Eigentlich wäre ich heute Abend wieder dran mit der Prozedur. Ich mach mir echt Sorgen um meinen Bruder, ich weiß, was die mit unsereins tun, ich will mir das nicht mal vorstellen!“
„Boss, Drago ist im Krankenhaus aufgetaucht“, krächzte es durch einen Lautsprecher.
„Drago?“
„Das ist Jordans Spitzname hier unten. Entschuldigt mich“, bemerkte Arielle nachdenklich, schwang sich auf einen Segway und fuhr davon.
„Ist er verletzt?“, wollte Jude wissen und Niclas tippte auf dem Display herum um die Kamera im Krankenhaus umzustellen.
„Nein, er ist unverletzt, noch … bis sie ihn erwischt“, entgegnete er und ließ sich auf einen Drehstuhl plumpsen.
„Ich fahr ihr hinterher“, entschied Jude und fuhr ihr mit einem Segway hinterher.
Sie hatte als Kind so ein Ding benutzt, aber sie hatte Schwierigkeiten, das Ding zu steuern.
Schnell war sie auch in der Krankenstation. Verschwommen erinnerte sie sich, dass sie nach ihrem Unfall schon dort gewesen war.
„Man, das konnt ich echt mal besser. Hey“, sprang sie halber vom Segway ab, als sie bei ihnen ankam.
„Was macht sie hier?“, war er nicht begeistert, sie zu sehen.
Ich freu mich auch dich zu sehen. Also, wo war er?“, fragte Jude und Jordan musste sich zusammenreißen, nicht zu lachen.
„Hast du was genommen?“, war sie verwirrt.
„Hab wohl etwas zu viel Lachgas abbekommen bei meinen Experimenten. Tut mir leid, ich reiß mich zusammen“, prustete er und versuchte dann ein ernstes Gesicht zu machen.
„Mein idiotischer Bruder hat sich nur etwas rumgetrieben, tut mir leid dass ich dich da mit reingezogen habe. Ich bring dich wieder raus“, schob Arielle, Jude am Arm weiter.
„Nur rumgetrieben? Das macht man mal ne Nacht, aber nicht ne ganze Woche. Was ist los mit dir, Jordan?“, fragte sie ihn.
„Mir geht’s gut, schon gut“, versprach Jordan, aber seine Augen sagten etwas anderes.
„Hier stimmt doch was nicht“, murmelte sie vor sich hin.
„Ist alles in Ordnung, du kannst ruhig wieder gehen, danke fürs Kommen“, bemerkte sie und stieg auf ihren Segway. Jude sah Jordan kurz an, der verschwand aber in seinem Büro als wäre nichts gewesen.
„Jetzt komm, du wirst doch erwartet, die sollten nicht merken wo du warst“, bat sie und Jude fuhr ihr hinterher.

Sechstes Kapitel


Viel zu spät kam Jude im Fitnessstudio an. Brendon saß auf einem Gerät und trainierte seine Arme.
„Wo warst du?“, fragte er sie gleich.
„Daheim“, sagte sie wortkarg.
„War Luke wieder zum Stelldichein da?“
„Nein, hab ihn noch nicht gesehen heute. Du willst es aber heute wissen, was?“, fragte sie den schwitzenden Brendon.
„Ich hab die neue Trainerin ausprobiert, wenn du verstehst was ich meine, ich hab erst vor ner halben Stunde angefangen zu trainieren“, erklärte er und grinste breit.
„Schön für dich“, entgegnete sie nachdenklich und ging an ein Gerät.
„Was? Kein Kommentar dass ich ein Schwein bin und auf meine Wortwahl achten soll?“
„Nein, du bist mein Ex, nicht mein Sohn, mach doch was du willst“, entschied sie und begann zu trainieren.
„Irgendwas ist doch mit dir? Du kommst nie zu spät zum Training“, entgegnete er besorgt.
„Ich bin eingepennt, war nen langer Tag, trainier einfach“, bat sie.
„Okay, du solltest früh genug ins Bett gehen, du siehst fertig aus. Wirst du krank?“
„Ja, vermutlich, bist du zum Quatschen gekommen oder zum Trainieren?“
„Man, da hat aber einer schlechte Laune, gut, ich halt die Klappe“, erwiderte er und ließ sie trainieren.
 
Als Brendon wieder schlief, setzte sich Jude auf die Fensterbank ihrer Wohnung und sah durch das offene Fenster in das schwarze Nichts des Wassers.
Sie hörte ein Plätschern und jemand setzte sich auf ihren Steg.
„Du traust dich also wieder her“, begrüßte sie Jordan.
„Du hast mich nicht verraten“, hörte sie Jordans Stimme, der aus dem Dunkeln zu ihr ins Licht kam.
„Ich hab falsch reagiert, du bist kein Stalker, du bist nur verknallt in mich, was süß ist, aber leider bin ich nicht verknallt in dich“, sagte sie ruhig und gelassen.
„Ich bin doch nicht verknallt, du bist nicht mein Typ, nichts für ungut. Ich hab nur Schuldgefühle, dass ich dich damals nicht retten konnte“, erklärte er amüsiert.
„Warum hast du Schuldgefühle? Du hast mich aus diesem Fahrstuhl gerettet und bist dann abgestürzt, das kann passieren. Ja, wir sind ne Weile da drin gefangen gewesen, aber wir haben es überlebt. Bren‘ beschwert sich zwar immer noch, dass sein Rollstuhl seit deinem Rollstuhlwurf etwas eiert, aber er rollt noch. Das kann nicht der Grund sein“, entgegnete sie und kletterte aus dem Fenster.
„Ist es aber. Du verzeihst mir also?“
„Da gibt’s nichts zu verzeihen, es ist alles in Ordnung. Wo warst du die letzte Woche?“, wollte sie wissen.
„In Sicherheit, mehr kann ich nicht sagen. Ich hätte eigentlich gar nicht hierherkommen sollen, ich weiß auch nicht wieso ich das immer tue“, kam er näher zu ihr hin. Sie konnte die erotische Anziehungskraft zu ihm beinah greifen, sie schüttelte ihren Kopf um das Gefühl los zu werden und er stand plötzlich ganz nah bei ihr.
Sie atmete mit geschlossenen Augen ein und aus und sah in seine Augen, die grüner waren als jeder Smaragd.„Warum sind eure Augen so grün?“, konnte sie nur rausbringen.
„Jeder Mann muss ein kleines Geheimnis haben, die Dinger sind sehr auffällig, ich weiß. Du riechst sehr gut“, hauchte er und eh sie sich versah küsste sie ihn kurz.
„Du solltest gehen, bevor er das mitkriegt“, bat sie und sah sich um.
„Sicher, wir wollen ja nicht, dass du in Schwierigkeiten kommst. Wir reden also nicht darüber?“, fragte er und sie schüttelte den Kopf.
„Dann tauch ich mal wieder ab. Pass auf dich auf“, bat er und ließ sich einfach ins Wasser fallen.


„Verfluchte Scheiße, was mach ich da?“, murmelte sie und setzte sich auf den Rand des Fensters. Sie zog ihr Handy von dem Tisch neben dem Fenster und rief Dreda an.
„Ich hoff das ist wichtig, ich hab Besuch“, begrüßte Dreda sie.
„Männlichen oder weiblichen Besuch?“
„Beides!“
„Was?“
„Meine Eltern sind zum Abendessen da, kann ich dich später zurückrufen?“
„Klar, sag nen Gruß“, verabschiedete sie sich und legte wieder auf.
Sie brauchte mehr Freunde, ganz eindeutig. Sie kletterte durchs Fenster wieder in die Wohnung und schloss es wieder.
 
„Tut mir leid, dass ich dich gestern nicht mehr angerufen hab, meine Eltern wollten und wollten nicht gehen. Du siehst erschöpft aus, was hat dich gestern noch beschäftigt?“
„Ich hab mich verknallt“, flüsterte sie ihr entgegen, während sie Proben von Schimmelpilz entnahm.
„Ich wusste doch, dass was mit dir ist, wer ist er? Du hast Superman als Freund, wie gut sieht der denn aus?“
„Ich hab doch erzählt, ich werde gestalkt, das stimmt nicht, ich hab nur nen Verehrer. Er behauptet zwar, dass es nicht so ist, aber ich hab ihn gestern geküsst und es hat ihm gefallen“, gestand sie.
„Und jetzt?“
„Nichts jetzt, ich bin so gut wie verheiratet, es war nett solang es war, mehr nicht“, sprach sie in Rätseln.
„Luke hat dich gefragt?“
„Nein, aber irgendwann wird es soweit sein“
„Klar und irgendwann fließt hier das Wasser ab und wir sitzen wieder auf dem Trockenen“, bemerkte sie sarkastisch.
„Er liebt mich, das kann passieren!“
„Dann hätte er dich schon gefragt, sieh es ein, du musst dich von ihm trennen!“
„Warum sagen mir das alle?“
„Weil das der Wahrheit entspricht. Wenn du neu verliebt bist, ist dass der beste Zeitpunkt“, bemerkte sie.
„Ich kann mit ihm aber nicht zusammen sein und ich möchte nicht allein sterben“, bemerkte sie etwas melodramatisch.
„Du bist 28 Jahre alt, wir haben heut Morgen unsere Depri-Pillen vergessen, was? Warum kannst du nicht mit diesem Kerl zusammen sein?“
„Ist kompliziert!“
„Es ist immer kompliziert, Süße, so sind Beziehungen eben. Jetzt musst du erst Mal mit Luke Schluss machen, das Gespräch ist schon so was von überfällig“, bemerkte Dreda.
„Du hast Recht, ich mach’s heut Abend“, entschied sie.
„Man, du bist echt verknallt, dass du das jetzt durchziehst“, war Dreda überrascht.
„Ja, nein, ach ich weiß nicht. Ich hab keine Ahnung, wie ich das anstellen soll“, war sie nervös.
„Du hast doch schon mal mit nem Kerl Schluss gemacht, oder?“
„Nicht wirklich“
„Was ist mit Brendon?“
„Der hat damals mit mir Schluss gemacht“
„Und du bist noch mit ihm befreundet?“
„Wir sind als Freunde auseinander gegangen, das ist zehn Jahre her, der nach ihm ist einfach eines Tages weg gewesen und dann kam Luke. Ich hab Angst mit ihm Schluss zu machen, ehrlich gesagt, er ist nie unbewaffnet und seit gestern weiß ich was von ihm, was mich noch mehr ängstigt“, erklärte Jude.
„Okay, ich komm ganz eindeutig mit, wenn du mit ihm Schluss machst“, entgegnete Dreda.
„Nein, das muss ich allein machen, trotzdem danke. Vor zwei Jahren hat mir Luke ne Knarre zu meiner Sicherheit geschenkt, er hat nicht gesagt, dass ich die nicht im Notfall gegen ihn verwenden soll“, schmunzelte sie.
„Du hast ne Knarre? Warum weiß ich nichts davon?“
„Ich hab das Ding lächelnd entgegengenommen und danach nie wieder angerührt, ich hatte sie schon fast vergessen. Das wäre ja schon etwas makaber, wenn ich ihn damit abknallen würde“, dachte sie laut nach.
„Äh ja, jetzt geh ich ganz eindeutig mit. Wir gehen gleich nach der Arbeit zu ihm aufs Revier, dann hast du nicht mehr die Möglichkeit, dich zu bewaffnen“, schlug Dreda vor.
„Wenn du meinst“, sagte sie dem Plan zu.
 
„Ich schaff das nicht“, murmelte sie nervös, als sie an diesem Abend mit Dreda am Polizeirevier hielt.
„Jetzt gibt es kein Zurück mehr, komm“, stieg sie hinter ihr vom Jet-Ski ab.
„Ja, muss wohl so sein. Danke, dass du mitkommst“, bedankte sie sich und ging ihr hinterher.
 
Telefone bimmelten überall im Revier, als Jude mit Dreda an der Hand durch die Hallen ging. Vor einem Büro hielt Jude an.
„Okay, hier ist es, den Rest schaff ich allein“, bemerkte sie nervös und ging zu ihm rein.
„Hey Süße, du hast mich noch nie im Büro besucht, was gibt’s?“, freute sich Luke, dass sie zu ihm kam.
„Ich weiß nicht genau, wie ich das sagen soll, also sag ich es einfach. Ich will nicht mehr mit dir zusammen sein, Luke“, sagte sie gerade heraus.
„Du machst mit mir Schluss?“
„Das führt bei uns zu nichts, du kommst nur vorbei, wenn du es brauchst, das reicht mir nicht“, konterte sie trocken.
„Das ist nicht wahr, ich liebe dich doch“, verteidigte er sich.
„Das hast du vielleicht mal, aber jetzt nicht mehr. Ich werde dir deine Sachen vor die Tür stellen, du kannst sie holen, wann du willst. Es war schön mit dir, aber ich muss weiterziehen“, verabschiedete sie sich und ging wieder raus.
„Und?“, fragte Dreda neugierig, als sie ihre Freundin sah.
„Lass uns ganz schnell verschwinden, dieser Blick von ihm gefällt mir gar nicht“, bat sie und zog sie weg.
„Du willst seine Antwort gar nicht abwarten?“
„Nein, nicht wirklich, er hatte schon seine Hand an der Waffe, die Antwort kenn ich schon, los“, hetzte Jude und rannte aus dem Revier.
„Dass wir flüchten müssen hast du aber nicht gesagt“, keuchte die etwas korpulente Dreda, die hinter ihr auf den Jet-Ski stieg.
„Ich hab keine Ahnung wie er reagiert, lass uns einfach abhauen“, bat sie und fuhr davon. Sie flüchtete zu Dreda nach Hause, sie hoffte, dass er sie dort nicht sofort vermutete.
 
„Man, mein Herz schlägt bis zum Hals, das war irgendwie aufregend“, bemerkte Jude aufgekratzt, als sie die Tür verschlossen hatten.
„Was zum Henker?“, war Dreda verwirrt.
„Ich weiß halt nicht wie er reagiert, man, das fühlt sich so gut an, ich bin so froh, dass ich das endlich gemacht habe“, war Jude gar nicht ruhig zu kriegen.
„Ich will mir eigentlich keine Kugel einfangen!“
„Ich mir auch nicht, deswegen bin ich ja so schnell weg!“
„Warum sind wir dann hier? Ich hab eigentlich keine Lust die Bullen ständig um mich rum zu haben“, wurde Dreda sauer.
„Gut, dann zieh ich weiter. Ich weiß wo ich unterkommen kann. Kannst du mir deine Taucherausrüstung leihen?“, hoffte sie.
„Ja, schon, wieso?“
„Kann ich nicht sagen. Ich weiß nicht wann ich wiederkomme“, bemerkte sie trocken.
„Er ist nicht da, vielleicht macht er ja gar nichts, warte erst Mal ab“, wollte Dreda sie beruhigen.
„Ich hab Angst, Dre‘“, begann sie zu zittern.
„Komm her“, drückte Dreda sie fest an sich. Sie sollte Recht behalten, Luke stand eine halbe Stunde später vor Dredas Tür.
„Sie ist nicht da, Luke“, begrüßte Dreda ihn an der Tür.
„Ihr Jet-Ski steht vor der Tür, Dreda!“, bemerkte er ruhiger als sie erwartet hatte.
„Okay, dumme Idee nen Bullen anzulügen, sie will nicht mit dir sprechen“, erkannte sie trocken, aber ruhig.
„Fünf Jahre, Dreda, ich will mich wenigstens verabschieden“, bat er.
„Bleib kurz hier, ich frag sie mal“, entschied sie und ging ins Gästezimmer.
„Er will fünf Minuten, er scheint ziemlich normal zu sein, willst du mit ihm reden?“
„Okay, fünf Minuten, aber du passt auf mich auf, ja?“
„Sicher, mach ich doch immer, komm“, streckte sie ihr die Hand entgegen und sie gingen zusammen ins Wohnzimmer. Jude klammerte sich ängstlich an ihre Freundin.
„Hey Baby, was war das eben?“, begrüßte er sie sanft.
„Ich hab Angst vor dir“, sagte sie nur.
„Du musst doch keine Angst vor mir haben. Du willst dich von mir trennen?“, fragte er nochmal nach.
„Ja, tut mir so leid!“
„Ist schon gut, ich hab schon gemerkt, dass du nicht mehr glücklich bist. Da können wir doch wie zwei Erwachsene darüber reden“, entschied er.
„Ich bin da nicht gut drin, ich wollte dir nicht wehtun“, erklärte sie.
„Ich bin ein großer Junge, ich verkrafte das. Eine letzte Umarmung?“, fragte er und zögerlich umarmte sie ihn.
„Du hättest mir nicht trauen sollen“, flüsterte er ihr ins Ohr und band brutal ihre Hände hinter ihrem Rücken mit Kabelband zusammen.
„So Rollmops, jetzt geh schön aus dem Weg, wir verschwinden hier“, bedrohte Luke, Dreda mit seiner Waffe und seine Freundin brutal hinter sich herziehend ging er aus der Tür.
Dreda wusste nicht, wie sie ihrer Freundin helfen sollte. Sie konnte die Polizei nicht informieren, er war ja so was wie der Chef der Truppe.
„Tut mir leid dass ich dich anrufe, Slave, ich weiß nicht, wen ich sonst anrufen soll“, rief Dreda, weinend Judes Mitbewohner an, als sie hilflos mitansehen musste, wie der junge Polizist seine Freundin brutal auf das Polizeiboot schupste und wegfuhr.
„Was ist los? Ist was mit Jude?“
„Es ist … ich weiß nicht, komm bitte her“, schluchzte sie.
„Klar, ich komm zu dir, ich brauch jemanden der mich mitnimmt, ich brauch ein bisschen um zu dir zu kommen. Was ist passiert? Bitte hör auf zu weinen und sag mir was passiert ist“, entgegnete Brendon beruhigend.
„Luke ist ausgeflippt, sie hat ihn abgeschossen und das hat er gar nicht gut vertragen. Er hat sie gekidnappt, ich glaub, er tut ihr was an“, versuchte sie sie zu beruhigen.
„Man, so was hab ich mir schon gedacht, mir fällt grad ein, wer mir helfen könnte, der hat nen Speed-Boot, bin gleich bei dir“, erkannte er und legte wieder auf.
 
Keine zehn Minuten später war Brendon mit Niclas‘ Speed-Boot und Niclas an Dredas Haus angekommen.
„Steig auf“, zog Niclas sie hoch und sie fuhren mit dem Boot los.
„In welcher Richtung ist er gefahren?“, fragte Niclas, aber Dreda schüttelte unwissend den Kopf.
„Okay, wir finden sie trotzdem, ich kann den Polizeifunk abhören, irgendwann wird er Kontakt zu seinen Jungs aufnehmen“, konterte Niclas trocken und setzte ein Head-Set auf.
„Arielle, hörst du mich? Wir brauchen deine Augen“, erklärte er Arielle durch das Head-Set.
„Freeze, ich bin grad im Fitnessstudio, ist dir schon wieder nen Kunde ohne Bezahlen abgehauen, oder was?“
„Ich hab Solids an Bord, kann nicht viel sagen, nur so viel, einer unserer Freunde hat Jude, ihn hat das Wort nein bei der Trennung nicht so wirklich gut gefallen“, erklärte Niclas durchs Head-Set.
„Luke ist auch ein Psychopath wie im Lehrbuch, das musste ja mal passieren, Sekunde ich schau mal, ob er im Rattennest angekommen ist“, erklärte sie und stieg vom Trimmfahrrad ab, um im Studio den Display anzumachen.
„Ja, positiv, die Ratte ist im Rattennest, hast du verstanden?“, fragte sie ihren Kumpel.
„Jup, bin auf dem Weg, danke dir, Süße“, erklärte er und zog das Head-Set aus seinem Ohr.
„Okay Leute ich setz euch zu Hause ab, das wird zu heikel hier“, entschied Niclas und sah in zwei fragende Gesichter.
„Die Großen spielen jetzt, die Kinder müssen nach Hause“, konterte er cool.
„Von wegen, wo du auch hingehst, wir gehen mit“, sagte Dreda mit ernster Stimme.
„Gut, aber beschwert euch dann nicht, dass man euch später als Leiche aus dem Wasser fischt“, bemerkte er nur und gab Gas.
Sie mussten eine Weile fahren bis sie zu dem verlassenen Revier kamen, dass nach der Überschwemmung zwar von Wasser befreit, aber nie wieder benutzt worden war.
„Was ist das hier?“, wollte Dreda wissen.
„Musst du nicht wissen, sie ist hier, das ist alles was zählt. Ich geh rein, wenn ich in zehn Minuten nicht zurück bin, gebt ihr Gas, egal ob ich hier bleibe oder nicht“, entschied Niclas und zog ein altmodisches Schrotgewehr aus einer Kiste auf seinem Boot.
„Das ist ein Polizeirevier, Nic‘, die schießen und stellen dann Fragen“, ermahnte Dreda ihn.
„Nein, das war mal ein Polizeirevier, jetzt ist es das Rattennest, frag nicht. Wenn sie noch am Leben ist, sagt ihr, dass ich als Held draufgegangen bin“, bat er und sprang vom Boot auf den morschen Steg vor dem Revier.
„Hast du mir auch so’n Ding?“, fragte Dreda ihn.
„Du kannst da doch gar nicht mit umgehen“
„Ich bin in Austin geboren, ich kann schießen seit ich laufen kann, mein Süßer“, bemerkte sie trocken.
„Da liegt noch ein Kurzgewehr drin, knall aber niemanden mit Uniform ab, das würde zu viele Fragen aufwirbeln, die du nicht beantworten willst“, erklärte er und sie bewaffnete sich auch und folgte ihm.

Siebtes Kapitel


„Jude“, flüsterte Niclas in die dunklen Räume des Reviers. Er wollte keine große Aufmerksamkeit auf sich lenken, als Liquid in ein Dark Knight Nest zu stolpern war schon lebensmüde.
„Sie hört dich so nicht“, sagte Dreda in normaler Lautstärke und wurde von ihm gemäßigt.
„Psst, die hören dich sonst. Verdammt, zu spät“, sah er einen Knight kommen. Dieser sah aus wie einer dieser schwarzen Ritter aus dem Mittelalter, er trug einen schwarzen Bodysuit und eine Kevelaer-Weste sowie schwarze Polster auf den Armen.
„Das ist Polizei Territorium, Leute, was auch immer ihr hier macht, verzieht euch“, bemerkte der Kerl zwar nicht aggressiv, aber deutlich.
„Wo ist sie?“, nahm Dreda all ihren Mut zusammen und fragte ihn dreist.
„Wir sind hier ne Männerrunde, hier gibt’s keine Frauen, Süße!“
„Ich geh nicht ohne sie“, wurde Dreda richtig mutig.
„Hey Liquid, du solltest deiner kleinen Freundin mal sagen, mit wem sie es zu tun hat, sie scheint das nicht zu kapieren“, wendete sich der Knight, Niclas zu, der blitzschnell seine Waffe fallen ließ und davonrannte.
„Dann sind es wohl nur noch wir beiden, was ist es bei dir, Flucht oder Kampf?“, fragte der Kerl die zitternde Dreda.
„Ich bin zu fett um wegzurennen, also würd ich sagen, Kampf“, bemerkte sie mit der stärksten Stimme die sie aufbringen konnte. Ihr Mut verflüchtigte sich schnell, als drei weitere Männer in Schwarz zu ihnen kamen.
„Ich will Luke sprechen“, stotterte sie.
„Man Rollmops, du bist mutiger als ich dachte. Sie will nicht mit dir sprechen“, kam Luke zu der Truppe und stellte sich breitbeinig vor sie. Mit zittrigen Händen richtete sie die Flinte gegen ihn.
„Du bist in einer Runde voller Cops, das ist dir schon klar, oder?“, fragte er keck. Dreda wusste nicht, was sie nun leitete, aber sie erwischte sich dabei, wie sie sich einen von diesen schwerbewaffneten Männern schnappte und ihm die Schrotflinte an den Hals hielt.
„Ich hab ziemliche Wurstfinger und zittrige Hände, wenn euch euer Kumpel was wert ist, bringt ihr mich sofort zu ihr“, brüllte sie. Überraschenderweise trennte sich die Gruppe und ließ sie passieren. Jude lag mit dem Rücken zu ihr gekehrt auf einer Holzplattform und regte sich nicht.
„Jude, Süße, hörst du mich, steh auf, Kleines“, rief sie ihrer Freundin entgegen, die sich aber nicht bewegte.
„Bitte steh auf, ich hol dich hier raus“, flehte sie und ging mit ihrer Geisel an der Brust zu ihr hin.
„Gib es auf, du bist umzingelt von Schwerbewaffneten, du kommst hier nicht mehr raus“, entgegnete Luke und in diesem Moment tauchten aus dem Wasser, was sich in diesem Raum gesammelt hatte, einige Liquids auf, darunter auch Jordan.
„Jetzt sind die Verhältnisse gleich klarer. Seid ihr schon so geschwächt dass ihr euch jetzt an armen Frauen vergreifen müsst?“, fragte Jordan keck.
„Ihr seid ja fast so mutig wie Madame Rubens hier. Warum denkt ihr, dass ihr hier rauskommt?“, fragte Luke arrogant und Jordan ging zu Jude hin und lud die leblose Jude auf die Schulter.
„Weil wir schneller sind als ihr“, sagte einer der Liquids, zog Dreda an sich und eh sie sich versahen waren die Liquids mit den Frauen im Wasser abgetaucht.
 
Liebevoll nahm Jordan seiner Angebeteten die Kabelbinder ab und legte die völlig durchnässte bewusstlose Frau auf einen Untersuchungstisch. Tausend Fragen kamen ihm in den Kopf. Hatte sie ihn für seine Wenigkeit verlassen? Fühlte er dasselbe wie sie? Er schaltete das Thermobett an, auf dem sie lag, um sie aufzuwärmen. Eine seiner Assistentinnen zog sie aus und wickelte sie in eine warme Decke. Als er gerade ihre Platzwunde an der Stirn nähte, wachte sie auf.
„Ganz ruhig, du bist jetzt in Sicherheit“, sagte er mit leiser, melodischer Stimme.
„Du hast mich gerettet?“, fragte sie erschöpft.
„Eigentlich hat Dreda dich gerettet, aber wir haben ihr etwas geholfen. Sie zieht sich grad was Trockenes an, ihr bleibt jetzt erst Mal ne Weile bei uns. Ich muss mir was überlegen, dass die Sauerstoffspender nicht so eine piepsende Stimme machen, sonst kann ich in eurer Gegenwart nicht ernst bleiben“, schmunzelte er und grinste leicht.
„Er wollte mich töten“, erkannte sie und schniefte, als würde sie gleich weinen wollen.
„Ja, ich weiß, er ist ein Psychopath, war ganz schön mutig dich von ihm zu trennen. Hast du das wegen mir gemacht?“, fragte er ganz direkt.
„Unter anderem, aber es wurde auch mal Zeit. Das waren also die Dark Knights, lustige Gesellen“, konterte sie trocken und wollte sich aufsetzen.
„Warte, ich muss das kurz nähen, du darfst gleich“, versprach er und drückte sie zurück auf die Liege.
„Hast du mich ausgezogen?“, wunderte sie sich, dass sie keine Kleidung trug.
„Meine Assistentin war das, keine Sorge, ich mach nichts, was du nicht möchtest. Du hast eine echt gute Freundin, das war ganz schön riskant, einfach in die Höhle des Löwen zu gehen“, konterte er und machte den letzten Stich an ihrer Kopfwunde.
„Dreda hat mich gerettet?“, konnte sie es kaum glauben.
„Ja, ich konnte es auch nicht glauben, aber nachdem Niclas die Flucht ergriffen hat, hat sie einen Knight als Geisel genommen und hat sich den Weg zu dir durchgekämpft. Also wenn ich mal in die Lage komme, möchte ich auch so einen Freund an meiner Seite haben“, bemerkte er und sie konnte sich aufsetzen.
„Ich möchte was zum Anziehen“, fühlte sie sich nackt.
„Bring ich dir gleich. Wie geht’s dir?“
„Außer das mein Ego angekratzt ist, geht’s mir gut, dank dem Dredanator. Woher wusstet ihr, wo ich war?“, hatte sie mehr Fragen als Antworten parat.
„Arielle, sie sieht echt alles, wir hätten alle draufgehen können heute“, schlussfolgerte er und half ihr aufstehen.
„Und ich bin euch auch unendlich dankbar, dass ihr das Risiko eingegangen seid“, bedankte sie sich und in dem Moment kam Dreda in einem blauen Body-Suit, der nicht grade vorteilhaft für ihre Figur war, in die Krankenstation.
„Habt ihr Fischstäbchen eigentlich alle Größe 34, ich fühl mich wie ne Presswurst“, jammerte sie. Als sie die wache Jude sah, umarmte sie ihre Freundin aber einfach nur.
„Sag mal, hast du nen Rad ab? Du hättest getötet werden können“, hielt sie ihr eine Standpauke.
„Du auch, da musste ich handeln. Luke ist nen Irrer. Tut mir leid, dass ich dich in diese Gefahr gebracht habe“, entschuldigte sich Dreda.
„Warum entschuldigst du dich, ich hab doch auch gedacht, dass er anders ist, als ich es mir vorgestellt habe, aber ich hab leider Recht behalten. Er hätte mich nicht getötet, aber ihm wäre es auch egal gewesen, wenn ich dort verblutet wäre. Ich hab ihn geliebt, das war eine Trennung die ich nicht nochmal haben möchte“, bemerkte sie trocken.
„Ja, ich auch nicht, geht’s dir gut?“
„Mir ging’s besser, wenn ich was zum Anziehen hätte“, erwiderte sie.
„Ich geb dir auch so einen Suit, dir steht er sicher gut“, schmunzelte Jordan.
„Ja, sie hat auch nen tollen Körper. Habt ihr irgendwas, was ich bei diesem Leberwurstsack drüberziehen kann?“, fühlte sich Dreda unwohl und Jordan reichte ihr seine Jacke.
„Danke, schon besser. Kann sie mitkommen?“, fragte sie Jordan.
„Klar, soweit es ihr gut geht. Ihr könnt aber hier nicht weg. Wir können euch nach Atlantis bringen, da gibt es auch Sauerstoff für Solids“, schlug er vor.
„Atlantis? So wie die versunkene magische Stadt?“
„Ja, die Station wurde nach dem Mythos benannt. Sie liegt mitten im Atlantik, sie gibt es schon fast so lange wie die Raumstation ISS 2 im Weltraum. Uns Liquids gibt es schon viel länger als du dir vorstellen kannst. Slug ist so was wie der Präsident dort und ich bin seine rechte Hand. Ich bring euch dort unter“, erklärte er.
„Wie tief ist denn diese Station?“, wollte Dreda wissen.
„Tief genug, dass wir nicht sofort entdeckt werden. Wir sollten sofort los, das euch nicht die Luft ausgeht, bis wir dort ankommen“, schlug er vor.
„Mein bisheriges Leben ist jetzt vorbei, oder?“, fragte Jude traurig.
„Nur bis sich das alles hier abgekühlt hat. Dort seid ihr sicher, es hat sich noch nie ein Knight dahin verirrt. Danke“, bedankte er sich bei seiner Assistentin, die ihm einen Body-Suit für Jude reichte.
„Wo kann ich mich umziehen?“, wollte sie wissen und er zog einen Vorhang vor das Krankenbett.
„Meine Privatsphäre ist somit wohl auch am Arsch, oder?“
„Du warst fünf Jahre lang mit einem Knight zusammen, deine Privatsphäre hast du schon lang nicht mehr. Ich muss kurz zu Slug in die Zentrale, ich brauch Passierpässe von ihm, wenn ihr schlecht Luft kriegt, sagt meinen Assistentinnen Bescheid, die geben euch dann Sauerstoffflaschen. Es wird alles wieder gut, versprochen“, versprach er und ging aus dem Raum.
 
„Was ist mit meinen Eltern? Was sag ich denen?“, fragte Dreda, Jude, während die sich in den enganliegenden Suit quetschte.
„Es tut mir echt so leid, vor allem weil ich dir nicht von dem allen hier erzählt habe. Aber zu meiner Verteidigung ich weiß auch erst kurz davon. Du bist ganz allein zu meiner Rettung geeilt?“, fragte sie und zog den Vorhang nach vollbrachter Tat wieder zurück.
„Nein, Niclas und Brendon haben mir geholfen, aber Niclas hat bei dem ersten Anzeichen die Flucht ergriffen und Brendon ist voll lauter Panik mit dem Fluchtboot abgezogen. Sie sind auch hier, hast du gewusst, dass Niclas einer von ihnen ist?“
„Ja, er hat mich vor ein paar Tagen hierher gebracht, ich hab die ganzen letzten Jahre hier gelebt und immer gedacht, dass die das Wasser nicht ablassen können, aber langsam bin ich sicher, dass sie das nicht wollten. Das ist eine eigene Stadt hier unten, kein Katastrophengebiet, eine lebendige Stadt. Das mich jetzt dieses Arschloch in den Untergrund drängt ist echt eine Schweinerei. Du bist ihm entgegengetreten, was war da denn los?“, konnte sie immer noch nicht glauben, dass die schüchterne Dreda bewaffneten Männern entgegengetreten war.
„Ich hatte nur im Kopf dich zu verlieren und das konnte ich nicht zulassen“, entschied sie.
„Ich lieb dich auch, meine Süße. Wir werden es schon organisieren, dass du deinen Eltern alles erklären kannst“, versprach sie und ging mit ihr zu den Jungs.
„Schon gehört, Nic, die wollen dir nen Orden verleihen, den des “Feiglings des Jahres“, frotzelte Dreda, als sie bei ihnen ankamen.
„Tut mir nochmal so leid, uns werden hier ständig Videos der Knights vorgespielt und eingebläut, wie extrem aggressiv sie sind, ich hab Panik geschoben“, entschuldigte er sich peinlich berührt.
„Gott sei Dank hat ich das ja unter Kontrolle“, behauptete sie.
„Ah, ja, wenn meine Jungs nicht gekommen wären, wärst du als Kadaver mit einigen Einschusslöchern im Leib aufgefunden worden“, konterte er cool.
„Deine Jungs?“
„Von meiner Art, mein ich jetzt. Du gehst ganz schön lässig mit der Tatsache um, dass es uns gibt“, stellte er fest.
„Ich steh noch unter Schock wegen der Situation vorhin, ich kapier das wohl erst wenn wir auf der Station sind“, konterte sie.
„Die schicken euch nach Atlantis? Da wollt ich immer schon hin. Es hat echt Vorteile mit der rechten Hand des Bosses zu schlafen“, entgegnete Niclas und sah Jude an.
„Ich schlaf nicht mit ihm, noch nicht zumindest. Wir müssen dahin, dort gibt es Sauerstoff für uns. Vielleicht kriegen wir dort eigene Wohnungen, Slave, dann kannst du ganz privat deinen Spielchen mit heißen Meerjungfrauen frönen, während ich meine Ruhe hab“, schmunzelte sie.
„Ich muss auch mit?“
„Du kannst auch hier bleiben und ersticken, oder an der Oberfläche erschossen werden, du hast die Wahl“, sagte Dreda nur.
„Wenn ich das hier sehe ist Aussicht da wohl Mangelware“, bemerkte er und sie nickte.
„Na ja, besser als tot. Wann geht’s los?“
„Gleich sofort, wir wollen ja nicht ersticken. Jetzt hab ich euch echt alle mit reingezogen!“
„Wir sind deine Freunde, wir haben das selbst entschieden. Ich wollte immer schon was in meinem Leben ändern, warum sollte ich nicht im Atlantik wohnen“, war Brendon ruhig und gelassen.
„Werden wir jetzt als Verbrecher gesucht?“, fragte Dreda, Niclas und der nickte.
„Fuck, und ich hab mir immer solche Mühe gegeben im Leben. Ich muss mit meinen Eltern reden, bevor die bei ihnen auftauchen“, entgegnete Dreda traurig.
„Tut mir leid, die sind sicher schon dort um dich zu finden. Wir kümmern uns aber darum, dass du mit ihnen sprechen kannst“, kam Arielle zu ihnen.
„Sie werden den Schreck ihres Lebens bekommen, mein Dad hat Herzprobleme“, sagte Dreda weinerlich.
„Ich geh persönlich zu ihnen und erklär ihnen alles, keine Angst“, versprach Arielle.
„Nein Charlotte, du gehst nicht da hoch heute Nacht“, hörte sie die ermahnenden Worte ihres großen Bruders.
„Charlotte bin ich schon ne Weile nicht mehr, Maurice. Ich bin die einzige, die das tun kann“, entschied Arielle.
„Maurice und Charlotte?“, frotzelte Dreda.
„Ja, so haben uns unsere Eltern genannt, aber die Namen haben wir hier unten abgelegt, dass unsere Eltern nicht merken, dass wir das Leben hier gegen das Leben mit ihnen getauscht haben“, erklärte Jordan und legte den Arm um die Hüfte seiner Schwester.
„Eure Eltern denken, dass ihr tot seid?“
„Es ist einfacher so, sonst gäbe es zu viele Fragen“, bemerkte Arielle traurig.
„Das ist nicht euer Ernst, oder? Ich würde alles geben meiner Mutter nur noch einmal sagen zu können, dass es mir gut geht und sie sich keine Sorgen um mich machen muss“, konnte Brendon sie nicht verstehen.
„Ich würde auch alles geben, aber wie erklärt man seinen Eltern, dass man jetzt ein Fisch ist“, bemerkte Arielle nur.
„Meine Mutter hat mich immer Krüppel genannt und wollte nicht mit mir gesehen werden nach meinem Unfall. Trotzdem habe ich zwei Tage geheult, nachdem sie ertrunken war. Sie würden es verstehen, glaubt mir“, erklärte Brendon, der das erste Mal seit Jahren von seinen Gefühlen sprach.
„Würdest du es verstehen, wenn deine Mum nicht tot wäre sondern hier leben würde?“
„Keine Ahnung, bitte sag mir nicht, dass sie hier ist“, entgegnete er und sah sich beunruhigt um.
„Keine Ahnung, ich kenn deine Mutter nicht. Ist sie eine von denen, die sie nicht mehr gefunden haben?“, fragte Jordan mitfühlend.
„Ja, so wie du anscheinend auch. Wäre es möglich, dass sie noch lebt?“
„Ist alles möglich, ich kann Slug ja mal danach fragen. So, ich hab eure Pässe, ich bring euch zur Bahn“, erklärte Jordan und die Frauen gingen und Brendon rotte hinter ihm her.
„Hat er grad Bahn gesagt?“, fragte Jude plötzlich und Dreda zuckte nur mit den Schultern.
Sie mussten eine Weile laufen bis sie zu einer Station kamen, die wirklich eine Art Bahnhof hatte.
„Wir haben einen Bahnhof hier?“, war Dreda verwirrt.
„Das ist weniger ein Bahnhof als eine Art Katapult. Ihr werdet ziemlich beschleunigt, ich hoff, ihr haltet das aus. Hier, eure Pässe, es wird jemand dort auf euch warten und euch zu eurem Zimmern bringen“, erklärte er.
„Kommst du auch mal her?“, hoffte Jude.
„Ich hab nächste Woche eine Besprechung dort, ich kann nichts versprechen, aber ich schau mal“, erklärte er professionell.
„Vielleicht motiviert dich das, zu uns zu kommen“, kam Jude einen Schritt auf ihn zu und küsste ihn diesmal länger und er schien auch Gefallen daran zu finden.
„So ihr Turteltäubchen, bevor euch noch beiden die Luft ausgeht sollten wir los“, bat Dreda und Jorden drückte einen Knopf, damit die Tür der Kabine aufging.
„Das wird eine ziemliche Tortur für euren Körper werden, seid ihr alle fit genug?“, fragte er nach.
„Ja, wir kommen klar. Pass auf dich auf“, bat Jude, löste sich von ihm und stieg als erstes ein.
„Passt ihr auch auf euch auf. Du wirst mit deinen Eltern reden können Dre, ich organisiere was, versprochen. Brendon, auf der Station wartet ein besserer Rollstuhl auf dich, tut mir nochmal leid, dass ich deinen Alten kaputt gemacht habe“, entschuldigte sich Jordan bei dem Gehandicapten.
„Kein Problem, ist ja noch gefahren. Ich krieg nen Neuen?“, fragte Brendon positiv überrascht.
„Ja, damit kannst du dich dort besser bewegen, der ist ergonomischer. Die Mädels müssen dir etwas in den Sitz helfen, schafft ihr das allein, sonst helf ich schnell“, erklärte Jordan.
„Wir schaffen das schon, danke. Geh zurück zu deinen Patienten, die brauchen dich sicher irgendwo“, entschied Dreda und schob Brendon in die Bahn.
„Was meinte der eigentlich mit Katapult, vergiss die Frage, kann’s mir denken“, erwiderte Jude und verkeilte ihre Finger in der Sitzlehne, als sie in Rennfahrergeschwindigkeit durch die Nacht geschossen wurden.

Achtes Kapitel


„Bist du schwanger?“, fragte Brendon, als er, während er auf seinen Rollstuhl wartete, neben ihr auf einem Brunnenrand saß und sie sich in einen Mülleimer übergab.
„Ich war grad eine ganze Weile 3G ausgesetzt, mein Magen klemmt mir zwischen den Brüsten“, maulte sie und setzte sich erschöpft neben ihn.
„Aber wenn du’s wärst, würdest du das Kind behalten wollen?“, wollte er wissen.
„Bren‘ wir sitzen an einem Springbrunnen 200 m unter der Wasseroberfläche, wie kannst du in so einer surrealen Situation so was fragen?“, mischte sich Dreda ein.
Jude sah sich um, es war wirklich surreal, Leute mit grünen Pupillen liefen in weißen Mänteln an ihnen vorbei und sahen sie an. Sie sahen vermutlich nicht so häufig Solids, wie die Liquid sie nannten. Die Unterwasserstation war wie eine riesige unterirdische Mall mit Springbrünnen, Wohnungen, Schaufenstern und Bars. Sie konnten richtig atmen, es gab Sauerstoff dort und sie nahmen einen tiefen Atemzug.
„Besser?“, fragte Dreda und sie nickte.
„Ich glaub’s nicht, da kommt Nic“, sagte Brendon plötzlich und die Frauen sahen auf den Weg auf dem Nic in einem weißen Kittel zu ihnen kam.
„Nic?“, fragte Jude verwundert und stand auf.
„Ach, ihr kennt meinen Bruder, ich bin Sydney, Nic ist mein Zwillingsbruder“, begrüßte der junge Mann sie höflich.
„Hast du gewusst, dass Niclas ein Zwilling ist?“, wunderte sich Jude und drehte sich zu Brendon.
„Wir sehen uns nicht wirklich oft, ich bin auch in Australien aufgewachsen bei anderen Eltern. Willkommen in Atlantis“, erklärte Sydney, der einen australischen Dialekt hatte.
„Sachen gibt’s, das ist alles so verrückt hier, ich wollte mich doch nur von meinem Freund trennen“, versuchte Jude einen klaren Gedanken zu fassen.
„Wir sind alle hier auf der Flucht vor irgendwas. Bei mir ist es meine Ex-Frau, aber das ist ne andere Geschichte. Ihr müsst müde sein, ich bring euch zu euren Zimmern, dann könnt ihr euch erst mal erholen“, erklärte Sydney.
„Das klingt gut, Aussie-Junge, willst du mich tragen?“, fragte Brendon und zeigte auf seine Beine.
„Ja, er ist auf dem Weg, wir haben wenige gehandicapte hier, die meisten lassen sich von Slug operieren, um wieder laufen zu können“, erwiderte Sydney nur.
„Ihr könnt machen, dass ich wieder laufen kann?“, fragte er nur.
„Ich jetzt grade nicht, aber Slug kann es. Du bist nicht freiwillig so?“
„Seh ich so aus, als wär ich freiwillig so? Ihr könnt Querschnittslähmung heilen?“
„Ich bin Barmann, kein Arzt, das musst du mit Slug bequatschen. Siehst du, da kommt schon dein Gefährt“, bemerkte er und jemand brachte einen elektronischen Rollstuhl zu ihnen.
„Ich könnte also wieder laufen?“, konnte er es nicht fassen.
„Wie ich sagte, nicht mein Fachgebiet. So Ladies und Gentleman, los geht’s“, half er ihm in den Rollstuhl und sie gingen zu den Wohnungen.
„Die könnten mich heilen, sie könnten mich wirklich heilen“, konnte es Brendon gar nicht fassen, als er mit Jude in einem Zimmer lag und versuchte zu schlafen.
„Ja, das sagtest du schon, ich hatte nen wirklich langen Tag, lass mich schlafen“, murmelte sie müde.
„Ich bin nur so aufgeregt, die haben mir gesagt, ich werde nie wieder laufen können, aber vielleicht wird sich das hier ändern“, war er aufgedreht.
„Wenn du mich nicht schlafen lässt, musst du dir darüber keine Gedanken mehr machen“, drohte sie ihm und er hielt die Klappe.
 
„Atlantis 4, hört ihr mich?“, hörte sie Jordans sanfte Stimme und sie schlug die Augen auf. Auf dem Display neben ihrem Bett war Jordan mit einem charmanten Lächeln auf den Lippen zu sehen. Jude erschreckte sich zu Tode und fiel aus dem kleinen Bett.
„Jude?“, fragte er und sie zog sich wieder aufs Bett.
„Verdammte Scheiße, ich bin gestern entführt worden, was soll der Mist?“, fluchte sie und weckte damit auch Brendon.
„Tut mir leid, ich hab vergessen, dass das für dich nicht normal ist. Wie geht’s dir?“,
„Bis vorhin gut, jetzt hab ich Rückenschmerzen. Guten Morgen“, motzte sie erst, ihre Stimme wurde aber sanfter.
„Morgen, ich hab gehört, du hast dich nach dem Ritt übergeben, ist dir immer noch übel?“
„Nein, mir geht’s besser, ich bin auch nicht schwanger, glaub ich zumindest“, murmelte sie und band ihre Haare neu.
„Nein, bist du nicht, du lagst bei mir auf dem Diagnosetisch, hast du gedacht du bist?“
„Das hat mir Bren‘ eingeredet, gut zu wissen, dass ich meine gute Figur behalte. Ich will mich ja nicht beschweren, aber muss ich jetzt für immer mit ihm in einem Zimmer bleiben? Das würde deine Besuche hier ziemlich verkomplizieren“, erwiderte sie und Brendon lud sich selbst in seinen Rollstuhl.
„Ja, das würde es, ich liebe sie wie eine Schwester, aber sie ist Morgen- und Abendmuffel in einem“, erklärte Brendon.
„Das ist nur provisorisch, wir konnten nur zwei Zimmer auftreiben und da ihr schon zusammengewohnt habt, dachte ich, das würde gehen. Brendon, Ice hat mir gesagt, dass du einen Termin bei Slug brauchst, das kann ich arrangieren“, versprach Jordan.
„Er kann mich heilen?“, konnte er es nicht glauben.
„Er muss sich deine Verletzungen anschauen, ich kann nichts versprechen, aber es besteht eine Chance“, bemerkte Jordan und Brendon lief eine Träne die Wange herunter.
„Ich kann es echt nicht versprechen, aber mir hat er zumindest wieder die Fähigkeiten zum Laufen gegeben“, erzählte er.
„Du warst auch gelähmt?“
„Ja, ich war damals im Koma, deshalb kann ich da nicht ausu Erfahrung sprechen, aber oben hätte ich das nur im Rollstuhl überlebt. Bren‘ lässt du uns kurz allein?“, bat er und sah zu dem Mann im Rollstuhl.
„Ja, schickt den Krüppel weg, dass ihr Rumturteln könnt“, murrte Brendon und rollte aus der kleinen Wohnung.
„Aber ich bin der Morgenmuffel, na klar. Hey“, flirtete sie mit ihm.
„Hey, für dich hab ich auch einen Termin gemacht“, erklärte er plötzlich.
„Ich bin nicht gehandicapt, Süßer!“
„Das ist nicht für eine OP, Dr. Fishman ist Psychologe“, erklärte er.
„Oh nein, du kennst mich nicht, ich war in meiner Jugend so oft beim Seelenklempner, da geh ich nie wieder hin“, verneinte sie das Angebot.
„Du hast etwas traumatisches erlebt, du musst darüber reden“, bat er mitfühlend.
„Mir geht’s bestens, keine Sorge!“
„Ah, hab ich ja grad gesehen. Ice bringt dich nach dem Frühstück zu ihm“, konterte er und verschwand vom Display.
„Super, von einer dominierenden Beziehung in die Nächste“, murmelte sie und stand auf. In dem Schrank neben ihr lag weiße Kleidung, so wie sie die Liquids trugen. Sie zog den Body-Suit aus und die Kleidung an.
„Wo willst du hin?“, fragte Brendon, als sie aus der Wohnung ging.
„Seelenklempner, frag nicht, Klamotten sind im Schrank“, erwiderte sie und ging zu Sydney, der schon auf sie wartete.
„Morgen, gut geschlafen?“, begrüßte Sydney sie freundlich.
„Bis vorhin schon ja, aber dann hat die rechte Hand des Bosses mir seine hirnrissige Idee unterbreitet. Ich bin schon so oft analysiert worden, dass ich da nicht mehr drauf anspringe“, war sie nicht gut gelaunt.
„Nur eine Sitzung, Drago will nur sicher gehen, dass du nicht irgendwann hier Amok läufst, oder so“, erklärte Sydney. Sie betrachtete den jungen Barmann. Er hatte so viele Charaktereigenschaften von seinem Zwillingsbruder, war aber durch seinen Dialekt und sein Auftreten doch so anders.
„Was?“, fragte er verwirrt.
„Nichts, du bist nur Nic so ähnlich. Was ist das eigentlich mit euren Spitznamen?“, fragte sie, während sie weitergingen.
„Wie viel hat dir Drago über unsereins erzählt?“
„Nicht wirklich viel, was kannst du mir erzählen?“, wollte sie neugierig wissen.
„Okay, das muss aber unter uns bleiben, die mögen es nicht wenn ihr Solids zu viel wisst. Komm“, bat er sie mit ihm zu gehen.
Sie gingen in eine Bar, die dem Slick ähnlich sah.
„Willkommen in meiner Bar. Willst du was trinken?“
„Du wolltest mir doch nicht nur deine Bar zeigen, oder?“
„Ich dachte du könntest was vertragen, bevor ich dich einweihe“, entschied er.
„So wie du es sagst könnte ich echt was vertragen“, entschied sie und er schenkte ihr schmunzelnd nen Whiskey ein.
„So, können wir?“, stellte er die Flasche wieder weg, als sie ausgetrunken hatte.
„Du verscharrst mich aber nicht irgendwo, oder?“, war sie unsicher.
„Nein, das ist hier etwas schwierig, aber ich bin einer von den Guten, keine Sorge. Dreh dich um, bitte“, bat er und sie drehte sich auf dem Barhocker um.
Sydney schob eine Kachel beiseite und tippte einen Code in ein Display. Die Wand neben ihm ging zur Seite auf.
„Okay, du kannst dich wieder umdrehen“, bemerkte er.
„Uh, eine geheime Tür, das bestärkt meine Theorie von dem Verscharren wieder“, stand sie unsicher auf.
„Man, du warst zu lang mit einem Cop zusammen, du bist ein bisschen zu skeptisch“, realisierte er und ging als erster in den Raum hinter seiner Bar.
„Manchmal ist ein bisschen Skepsis gar nicht so schlecht“, redete sie vor sich hin und ging ihm hinterher.
„Hier, zieh das an, das wird kalt“, erklärte er, als sie in einem Vorraum standen und reichte ihr einen Mantel.
„Das wird mir langsam unheimlich“
„Es passiert dir echt nichts, es wird nur kalt. Ich halt das ja aus, aber du willst ja nicht krank werden“, sagte er mit sanfter Stimme und sie zog den Mantel an.
„Langsam wird mir klar, woher du deinen Spitznamen hast. Ist das ne Kühlkammer wo wir hingehen?“
„Ja, im engsten Sinne. Warst du mal Angeln?“, begann er zu erklären und tippte nochmal einen Code in ein Display.
„Nein, ich bin in einem Waisenhaus aufgewachsen, wieso?“
„Schade, dann wäre dieser Prozess einfacher zu erklären. Wir müssen noch etwas abwärts, hier nimm die mit, nur zur Sicherheit“, gab er ihr eine portable Sauerstoffflasche.
„Ich dachte, ich bräuchte das nicht mehr. Wie tief kann man hier noch runter?“
„Nur noch ein paar Meter, das ist nur als Sicherheitsmaßnahme. Du bist ehrlichgesagt die erste Solid die hier reinkommt“, erläuterte er weiter und zog sie auf eine Plattform.
„Okay, jetzt Luft anhalten“, bemerkter er und drückte sie an sich. Sie sausten ein paar Meter in eine Art Kühlhalle. Es war wirklich kalt dort unten und das Atmen fiel ihr schwer.
„Atme tief und langsam ein, dann brennt es nicht so. So, das ist unter anderem auch meine Kühlkammer, aber ich verbringe hier auch acht Wochen meines Lebens jedes Jahr. Wir konnten alle überleben, weil uns Slug zu Meermenschen gemacht hat, aber wir hatten einen Preis zu zahlen. Unser Körper muss zwei Monate im Jahr tiefgefroren werden. Ich habe einen Abschluss in Kryogen-Technik um das hier machen zu können, so wie mein Bruder auch. Deshalb Freeze und Ice, wir sind diejenigen, die hier alles vollmachen, wenn es darauf ankommt“, entgegnete er und machte einen Lichtschalter an. Die Halle wurde von Licht durchflutet und sie sah immer mehr Kapseln vor sich.
„Ihr werdet tiefgefroren?“, versuchte sie zu verstehen, während sie durch die Halle ging.
„Ja, ich bin immer der Letzte, wir machen das alle zum gleichen Zeitpunkt, ein Energieunternehmen versorgt uns im November und Dezember mit so viel Energie, dass das klappt, Slug handelt das immer aus, ich mach nur meinen Job. Unsere Körpertemperatur ist drei Grad geringer als eure, das ist eine Nebenwirkung des Einfrierens. Deshalb frieren wir nicht wirklich, ich merke die Kälte zwar, aber frieren kann man das nicht nennen. Drago hat seinen Spitznamen von mir, er ist mal aus der Stase aufgewacht und herumgewandelt. Er sah aus wie ein Geist, deshalb Drago was “Der Geist“ bedeutet. Er hatte vorher Medikamente genommen, die meine Betäubungsmittel neutralisiert hatten, ich hab fünf Stunden neben seiner Kammer gesessen bis er wirklich weg war. Das war kurz nachdem er zu uns gestoßen ist und das erste Mal für Slug unterwegs war“, erzählte er.
„Können wir oben weiterreden? Ich frier mir den Arsch ab“, sagte sie zitternd.
„Sicher, gehen wir wieder hoch. Kein Wort zu Drago, dass ich dich hier reingelassen habe, bitte“, bat er und sie nickte.
 
„Hey, Sie müssen schon was sagen, ich genieße zwar eine Minute des Schweigens mit so einer hübschen Frau wie Ihnen, aber das sind jetzt schon zehn Minuten“, bemerkte Dr. Fishman, als sie ihm schon eine Weile schweigend gegenüber saß.
„Ich bin ziemlich therapieresistent, Doc“, brach sie ihr Schweigen.
„Eine Menge meiner Patienten hier haben viel durchgemacht, ich hab noch jeden geknackt, Kleines“, versprach Dr. Fishman. Der Psychologe sah von der Gesichtsform einem Fisch sehr ähnlich und war seinem Namen so ganz gerecht.
„Jordan meint, ich brauch das, aber mir geht’s gut, echt“, versprach sie, aber der Psychologe merkte, dass sie ziemlich schlecht log.
„Ja, es war etwas traumatisch, ich war schließlich fünf Jahre mit ihm zusammen, meine Gefühle sind grad etwas durcheinander. Und dann sind ja noch diese Gefühle für Jordan, die ich auch nicht einordnen kann. Verdammt, jetzt red ich ja doch“, entgegnete sie und fuhr sich durch ihr Haar.
„Ich sag doch, ich bring Sie zum Reden. Erzählen Sie mir von Ihrer Kindheit“, schmunzelte Dr. Fishman und begann die Sitzung.

Neuntes Kapitel


Die Eiswürfel in Brendons Glas klirrten vor sich hin. Er saß in einer Bar, die aussah wie seine Lieblingsbar, mit einem Barkeeper, der aussah wie sein Lieblingsbarkeeper, doch es war alles anders.
„Er hat mich echt ausgeschröpft, ich hab keine Träne mehr in meinem Körper, aber ich fühl mich jetzt besser, irgendwie befreiter, verstehst du was ich meine?“, plapperte Jude neben ihm vor sich hin, doch er hörte nur mit einem Ohr zu.
„Und dann ist ein kleines Alien aus seinem Ohr geschlüpft und hat auf Sanskrit gesungen“, bemerkte sie plötzlich.
„Äh, was?“
„Danke fürs Zuhören. Wo bist du mit deinen Gedanken?“
„Bin ich der einzige der das hier absolut schräg findet? Gestern hab ich noch an einer Turbine gearbeitet, heute bin ich hier und kann vielleicht bald wieder laufen“, bemerkte er nachdenklich.
„Ja, schon irgendwie schräg, er ist der einzige Psychiater der mir liegt. Wir sollten zu Dreda gehen, sie hat schon den ganzen Tag ihr Zimmer nicht verlassen“, entgegnete sie und stand auf.
„Geh du nur, ich bleib noch etwas hier“, entschied er.
„Sicher, übertreib’s aber nicht, nicht dass der Doc nichts machen kann, weil du verkatert bist“, erwiderte sie, küsste seinen Kopf und ging aus der Bar.
 
„Dre, mach auf, ich mach mir Sorgen um dich“, rief Jude und klopfte gegen Dredas Tür. Langsam ging diese auf. Dreda schien geweint zu haben und sah auch sonst nicht gut aus.
„Hey, Süße, tut mir leid dass ich dich heute alleingelassen habe. Was ist los?“, fragte sie besorgt und umarmte sie.
„Meine Eltern glauben mir nicht, ich konnte sie anrufen und sie denken, ich hätte etwas Illegales gemacht. Dann haben sie einfach aufgelegt“, schluchzte sie.
„Oh Schätzchen, ich will ja nicht kleinlich wirken, aber das hast du auch irgendwie. Ich hab bis jetzt nicht realisiert was für ein großes Opfer du für mich eingegangen bist“, ging sie mit ihr ins Zimmer.
„Ich bis zu diesem Anruf auch nicht. Ich fühl mich hier nicht wohl, du hast deinen hübschen Arzt, Slave die Chance wieder zu laufen, aber was hab ich?“, bemerkte sie weinend.
„Du hast uns und Jordan ist nur Krankenpfleger. Wir leben noch, das muss uns erst Mal reichen bevor wir ein neues Leben beginnen. Du solltest auch zu Dr. Fishman gehen, er ist wirklich gut, eine Sitzung und ich fühl mich viel besser. Deine Eltern wurden vermutlich von ihnen solang eingeschüchtert bis sie so reagiert haben, ich kenne sie, sie würden immer zu dir stehen, egal was kommt“, versprach sie.
„Glaubst du wirklich?“
„Ja, das glaub ich, sie wollen dich sicher hier rauslocken, deshalb zwingen sie sie, dass so zu sagen“, entschied sie.
„Das erfindest du doch jetzt?“
„Ich weiß es nicht genau, aber ich kenne ihn, das wäre sein Stil. Deine Eltern lieben dich, egal was du machst und wenn sie wüssten, dass du es gemacht hast um mich zu retten, wären sie so stolz auf dich“
„Sie wissen, dass ich das wegen dir getan habe, das verärgert sie ja am meisten“, entschied sie und sah aus dem Fenster in das himmelblaue Meer.
„Ich weiß nicht wie ich mich noch bei dir entschuldigen soll“, begann auch Jude zu weinen.
„Dich trifft keine Schuld, hör auf damit“, entgegnete Dreda und drückte sie an sich.
„Wie süß ihr beiden“, hörten sie plötzlich Arielles Stimme und Jude zuckte zusammen.
„Verflucht, kann man diese Dinger nicht abstellen?“, murrte Dreda und drehte sich zum Display herum.
„Sorry, ich bin das nur so gewohnt, ich lass euch allein“, entschuldigte sich Arielle.
„Nein, schon gut, was willst du?“, fragte Jude und Arielle lächelte sie an.
„Nichts Besonderes, ich wollte nur wissen wie deine Therapiesitzung gelaufen ist“, wollte sie wissen.
„Gut, danke, alles klar bei euch?“
„Mein Bruder lässt mich nicht mehr nach oben, ich krieg langsam nen Unterwasserkoller hier, aber wem sag ich das. Jordan ist auch nicht grad glücklich, er ist gestern Abend mit einem von diesen Sauerstoffdingern in seinem Büro verschwunden und seitdem nicht mehr aufgetaucht“, erklärte sie.
„Ja, ich muss mir hier auch ne Beschäftigung suchen, sonst passiert mir das auch bald“, konterte sie und sah zu Dreda, die sich erschöpft auf einen Stuhl gesetzt hatte.
„Geht’s ihr gut?“, fragte sie Jude.
„Im Moment nicht, aber das wird wieder. Ihre Eltern haben sie verstoßen, das haben wir beide nicht erwartet, sie ist total fertig“, entgegnete Jude und setzte sich auch hin.
„Ich werde zu ihnen gehen und mit ihnen reden“, bat sich Arielle an.
„Das hatten wir doch besprochen, Charlotte, du bleibst hier“, hörten sie Jordans Stimme aus dem Hintergrund.
„Klar, du bist die ganze Zeit verschwunden und jetzt tauchst du auf“, murrte sie ertappt und Jordan setzte sich neben sie an das Display, dass die Frauen ihn sahen.
„Ich war nicht verschwunden, nur in meinem Büro. Hey Süße“, begrüßte er Jude.
„Tut mir leid dass ich sauer auf dich war, dass du mich zur Therapie gezwungen hast, das hat echt gut getan“, entschuldigte sie sich.
„Schon gut, es freut mich, dass es dir geholfen hat. Ich muss für Dreda auch nen Termin machen, wie ich sehe“, schlussfolgerte er.
„Nicht in diesem Leben, Doc“, mischte sich Dreda ein.
„Ich bin kein Arzt, meine Süße!“
„Du redest aber wie einer, deshalb nenn ich dich jetzt so. Jude konntest du ja mit deinem Charme einwickeln, ich geh aber nicht zu Dr. Fishkopf“, entschied Dreda und kam näher zum Display.
„Fishman!“
„Wie auch immer, nicht mit mir!“
„Gut, dann verkriech dich den ganzen Tag im Zimmer und heul“, sagte er sarkastisch.
„Super, Überwachungskameras haben diese Zellen also auch. Ich muss hier raus“, platzte Dreda der Kragen und verließ fluchtartig das Zimmer.
„Sie hat nen Kabinenkoller, sie braucht etwas Zeit, ich meld mich später nochmal“, bemerkte sie und ging ihr hinterher. Sie fand sie in der Bar neben Brendon sitzend.
„Hast sie aus dem Zimmer gekriegt, gratuliere“, sagte Brendon nur. Dreda lag mit dem Kopf auf dem Tresen.
„War nicht mein Werk, Jordan hat sie verärgert, da ist sie abgehauen. Hab mir schon gedacht, dass sie hierher kommt. Ice machst du uns zwei Gin Tonic?“, bestellte sie und Ice mixte ihre Drinks.
„Dein Freund ist nen Arsch“, murmelte Dreda in ihre Arme.
„Erstens er ist nicht mein Freund, zweitens er hat Recht, die Therapie könnte dir helfen“, erklärte Jude.
„Hört sie euch an, eine erfolgreiche Therapiestunde und sie hält sich für ne Expertin“, sagte Brendon trocken.
„Was bringt uns das, das wir uns gegenseitig blöd anmachen?“, murrte Jude.
„Da hat sie Recht, ihr solltet weniger motzen mehr trinken“, mischte sich Sydney ein und schenkte ihr auch was ein.
„Wir können uns nicht mal die Drinks hier leisten, Kumpel, wir sind ohne Geld hergekommen“, entschied Jude.
„Da musst du dir keinen Kopf drüber machen, Süße, Drago hat gesagt, ich soll euch bringen was ihr braucht“, erklärte Sydney.
„Wenn das so ist, nur her damit“, freute sich Brendon und schob sein Glas hin.
„Nein, wir nehmen von ihm nichts an, ich kann für mich selbst sorgen“, war Jude nicht froh darüber.
„Ja du bist eine Frau des 21. Jahrhunderts, unabhängig, bla bla, du hast keine Knete, also zahl ich“, erschien Jordan auf dem Display an der Bar.
„Schätzchen, hatten wir nicht über Grenzen gesprochen?“, war sie nicht begeistert, dass er ständig auftauchte.
„Sorry, mir ist langweilig hier, ich bin sonst überall in der Stadt unterwegs und helfe verletzten Liquids, jetzt sitz ich im Büro fest. Macht euch nen schönen Abend“, erklärte er.
„Du hast ihn gehört, lass mehr rüber wachsen“, entschied Brendon.
„Ich glaub, ich geh nen bisschen spazieren, kommst du hier klar, Süße?“, fragte Jude stand auf und legte ihren Kopf auf Dredas Schulter.
„Ich brauch was zu Trinken, dann geht’s mir besser, ich komm schon klar, geh ruhig“, versprach sie.
„Ich bin gleich wieder da, passt nen bisschen auf sie auf, ja?“, entschied sie und ging aus der Bar. Als sie grade über eine Brücke eines Wasserbeckens ging, platschte ein Mann aus einer Röhre in das Becken. Es sah so aus wie ein Karpfen der in einen Eimer geworfen wurde.
„Wahnsinn, man das war mal was, warum hab ich mir das früher nicht getraut“, hörte sie Niclas, der aus der Röhre gekommen war. Kurz nach ihm platschte auch Jordan auf.
„Alter, das ist fast besser als Sex, was für ein Adrenalinrausch“, war auch Jordan total aufgekratzt.
„Hey Jungs“, lehnte sie sich übers Brückengeländer und sah runter zu ihnen.
„Hey, Süße, willst du auch ne Runde?“, fragte Jordan gutgelaunt.
„Warst du nicht grade eben noch in Jupiter?“
„Das ist eine Hochdruckkammer für uns Liquids, wir werden mit Schallgeschwindigkeit da durchgepustet, ihr Solids würdet das nicht überleben. Ich brauch erst mal nen guten Whiskey, kommst du mit, Süße?“, wollte Jordan wissen und sprang mit einem Satz auf den Rand des Beckens.
„Nettes Talent, was du da hast, hast du auch noch andere Talente?“, schmunzelte sie.
„Die könnte ich dir gerne zeigen“, flirtete er und kam langsam zu ihr hin.
„Ich geh schon mal vor“, entgegnete Niclas, der merkte, dass die beiden allein sein wollten und ging zur Bar.
„Dich nervt es ganz schön, dass man hier keine Privatsphäre hat, oder?“, sagte er ihr mitfühlend.
„Ja, ich bin dann immer wieder die fünfjährige die im Waisenhaus um fünf Minuten Zeit allein für sich kämpfen musste“, erklärte sie.
„Sicher, ich werde dir ein eigenes Zimmer beschaffen, versprochen und ich werde dich in Ruhe lassen wenn du das willst“, bemerkte er mit sanfter Stimme. Er war so ganz anders wie Luke, trotzdem engte er sie auch ein, was ihr nicht gefiel.
„Du willst grade allein sein, oder?“, stellte er fest und sie nickte.
„Dann lass ich dich in Ruhe. Sehen wir uns heut Abend?“, hoffte er.
„Komm bei mir vorbei, so gegen acht Uhr?“, fragte sie und er gab ihr einen sanften Kuss.
„Wir haben nicht wirklich Uhren hier, aber ich weiß schon wann ich dich abholen kann“, schmunzelte er und ging Niclas hinterher zur Bar.
 
Sydney sah an die Tür und stellte klirrend ein Glas ab.
„Was?“, fragte Brendon und sah auch zur Tür.
„Man, das ist echt gruselig“, kommentierte Dreda.
„Ja, Zwillinge sind echt gruselig manchmal“, entgegnete er.
„Nein, die Jungs in Spandex“, schmunzelte sie.
„Hey Leute, die Dinger lassen echt keinen Platz für Fantasie. Wie seid ihr so schnell hierhergekommen?“, begrüßte Brendon die beiden lässig.
„Wir sind per Express gereist, wenn man das so sagen kann. Hey Bruder“, begrüßte Nic seinen Bruder mit einem coolen Handschlag.
„Du hast also allen erzählt dass wir Zwillinge sind, was?“, fragte Niclas und setzte sich neben Brendon.
„Sind wir ja auch irgendwie, nur nicht biologisch halt“, konterte Niclas, stand wieder auf, griff hinter den Tresen und holte eine Flasche Whiskey hervor.
„Hey, auch wenn ich dein Ersatzteillager bin ist das immer noch meine Bar und du bezahlst hier wie jeder andere auch“, hielt Sydney die Flasche fest.
„Man, wir haben aber schlechte Laune, meinetwegen“, murrte Niclas und ließ die Flasche los.
„Er ist dein Klon?“, fragte Dreda, Niclas.
„Das ist nicht viel anders wie Zwillinge, nur das ich schon geboren war, als er gezeugt wurde“, erklärte Niclas.
„Wozu hat man dich geklont?“, war Dreda als Biologin fasziniert.
„Ich lag im Sterben, all meine Organe hatten versagt, mein Vater wollte mich mit einem Klon retten, doch er konnte Sydney nichts mehr tun nachdem er ihn auf dem Arm gehalten hatte. Ich bin sozusagen der erste Liquid, denn er hat aus der Not heraus unsere Art entwickelt“, erzählte er ihre Geschichte.
„Er ist der Alpha-Liquid?“, konnte Brendon es nicht glauben.
„Huldigt dem Liquid-Gott“, konterte Sydney und schenkte seinem Klon etwas ein.
„Klone und Liquids in einer Woche, ich glaub, ich brauch mal Abstand von all dem Neuen“, stand Dreda verwirrt auf und verließ die Bar wieder.
„Klone, ernsthaft? Ich dachte, ihr habt mit den Betrügereien aufgehört, als ihr hierher kamt“, fragte Jordan amüsiert.
„Er hat gelogen?“, fragte Brendon und sah Jordan an, der breit grinste.
„Das haben sie beide, du bist auf die Tricks der berüchtigten Meyers-Brüder reingefallen, die beiden waren vor dem allem hier die besten Trickbetrüger der Ostküste“, erwiderte Jordan.
„Wir machen so was nicht mehr, wir sind jetzt anständig, wir ärgern euch doch nur ein bisschen“, behauptete Niclas.
„Darf ich ihn schlagen?“, fragte Brendon, Jordan.
„Da musst du doch nicht meine Zustimmung anfordern“, entschied er und Brendon gab nacheinander den Zwillingen einen Schlag auf die Stirn.

Zehntes Kapitel


Jude stand in einem Outfit, was sie aus dem engen Suit und weiten Leinenhosen gezaubert hatte, nervös vor dem Spiegel der kleinen Wohnung.
„Das ist mein erstes richtiges Date seit der High-School, er ist der erste Mann, bei dem ich wirkliche Gefühle habe“, erklärte sie Dreda.
„Hm“, hörte Dreda ihr gar nicht zu, während sie Fern sah.
„Ich glaub, ich werde ihn heute gleich ranlassen, man sollte keine Zeit verstreichen lassen“, testete sie aus, ob Dreda ihr zuhörte.
„Tu was du nicht lassen kannst“, zappte sie weiter.
„Du hörst mir nicht zu, oder?“
„Ich hör dir immer zu, du hast Glück verdient, ich hab nur grad nicht so den Nerv darüber zu reden“, entgegnete sie und sah sie an.
„Sicher, ich hör auf zu reden. Ich bin nur so verdammt nervös“, erwiderte sie und spielte mit der Kette herum, die sie provisorisch aus Sicherheitsnadeln gebastelt hatte.
„Irgendwie cool deine Kette“, lobte Dreda Judes Bastelkunst.
„Kriegst sie, wenn ich heimkomme, ich wollte nur nicht ohne irgendeinen Schmuck zu meinem Date gehen“, schmunzelte sie und in dem Moment piepte ihre Klingel.
„Er ist da, ist er zu spät, ist er zu früh? Ich weiß es nicht“, stotterte sie.
„Er ist da, mehr musst du nicht wissen. Ich wünsch dir einen schönen Abend, Süße“, stand Dreda vom Bett auf und umarmte sie.
„Ich lass dich nicht gern allein heut Abend“, entschied sie.
„Ich bin nicht allein“, sagte Dreda leicht lächelnd und sah zu Brendon, der besoffen auf seinem Bett pennte.
„Stellen wir ihm lieber einen Eimer hin, ich will nicht, dass du hier noch alles putzen musst. Ich geh dann“, erkannte sie und sah zur Tür.
„Solltest du, bevor er wieder abhaut. Geh schon, ich komm klar“, versprach sie und Jude ging zur Tür. Jordan sah toll aus in seinem silberfarbenen Anzug mit den blankpolierten Lederschuhen.
„Du siehst so heiß aus“, brachte sie nur hervor.
„Danke, du auch. Nett was du aus den Sicherheitsnadeln gemacht hast, die du wolltest“, lobte er sie.
„Ja, ich hab so was im Heim öfters gebastelt, weil ich nie richtigen Schmuck besessen habe. Aber genug von der schlimmen Zeit im Heim, ich will den Abend genießen“, bat sie, küsste ihn kurz und nahm seine Hand.
„Bist du sicher, dass du schon soweit bist?“, wollte er wissen.
„Für ein Abendessen ist man immer bereit, oder? Wir wollen ja nicht gleich heiraten“, entgegnete sie und ging mit ihm Essen.
 
Jude war irgendwie zu nervös um zu Essen. Sie kam sich vor als würde sie in einem chinesischen Restaurant mit einem riesigen Aquarium sitzen, als sie in ihrem Fisch herumstocherte. Die schräg aussehenden Kreaturen des tiefen Meeres schwammen ganz natürlich an ihnen vorbei.
„Alles klar?“, fragte Jordan, der ihre Unsicherheit bemerkte.
„Tut mir leid, das ist alles so surreal, du sitzt immer noch bei mir, du bist nicht weggerannt um irgendwelche Polizeisachen zu erledigen, ich war echt zu lang mit nem Cop zusammen“, murmelte sie.
„Bist du wirklich sicher, dass du schon für mich bereit bist?“, war er in Sorge.
„Ja, sicher, ist schön einfach so mit dir hier zu sitzen“, ergriff sie seine Hand.
„Im Verstellen bist du nicht so gut, oder?“, merkte er, dass sie das nicht ernst meinte.
„Tut mir so leid, das mach ich immer wieder, ich kann nie lang allein sein. Das liegt an meiner Kindheit, sagt Dr. Fishman zumindest“, zog sie ihre Hand wieder zurück.
„Ich glaub’s nicht, Doug hat dich nur einmal empfangen und du redest schon wie er“, schmunzelte er.
„Du bist mit ihm befreundet?“
„Er kennt mich besser als jeder andere. Ich war nach meinem Sturz Stunden über Stunden bei ihm. Aber wir reden niemals über andere Patienten, keine Sorge“, erklärte er.
„Du hast bis jetzt nicht erzählt was damals passiert ist, würdest du es mir erzählen?“, hoffte sie.
„Sicher, nen Teil kennst du ja schon, ich bin aufgekommen auf der Wasseroberfläche wie auf Beton. Ich war lang bewusstlos, ich bin unter Wasser aufgewacht. Ich lag im Sterben, war aber noch bei klarem Verstand. Slug leitete damals die Abteilung, er konnte mich nur so retten. Ich hatte eine zerrissene Lunge, mehrere Knochenbrüche und auch sonst war ich in einer echt miesen Verfassung. Bei mir gab es keine Chance auf Heilung, Arielle hat das freiwillig gemacht“, erzählte er seine Geschichte.
„Ja, hat sie mir schon erzählt und dass sie es bereut!“
„Sie bereut es?“
„Man, das wusstest du nicht, ich hab nichts gesagt!“
„Hab mir schon fast so was gedacht, sie macht bei uns was sie gut kann, aber sie ist nicht glücklich“, bemerkte er betrübt.
„Geb dir keine Schuld, sie wollte es so, jetzt muss sie damit leben. Unsere Stimmung ist jetzt am Boden, oder?“, bemerkte sie und er grinste an ihr vorbei gegen das Aquarium.
„Hörst du mir überhaupt zu?“
„Ja, sorry, Doug ärgert mich nur grad“, entgegnete er und sie an das Aquarium. Ihr Psychologe schwamm ohne irgendwelche Ausrüstung und nur mit Stirnlampe an durch das pechschwarze Wasser und machte Faxen.
„Wie tief sind wir nochmal?“, fragte sie verwirrt.
„150m, er war vor seiner Liquid-Zeit schon ein guter Taucher, er hat Abnoe-Tauchen gemacht, also Tauchen ohne Sauerstoff“, erklärte er und machte dem Doc Zeichen in Gebärdensprache, so dass er verschwand.
„Du kannst die Gebärdensprache?“
„Wir Liquids können das alle mehr oder weniger gut, wir haben ja noch nicht gelernt unter Wasser zu reden!“
„Was hast du ihm denn gesagt?“
„So was wie “Alter zisch ab, ich hab nen Date““, erklärte er schmunzelnd.
„Ich bin noch nicht bereit für ein Date“, gestand sie kleinlaut.
„Ja, ich weiß, schon gut, wir lassen es langsam angehen. Willst du was anderes essen, wir haben auch Fleisch hier, nicht wahnsinnig viel, aber ich kenn den Chefkoch hier ziemlich gut“, war er nicht enttäuscht von ihrer Aussage.
„Schon gut, ich hab einfach keinen Hunger. Iss du bitte weiter“, sagte sie sanft.
„Komm, lass uns wo anders hingehen“, ging er um den Tisch herum und zog sie hoch.
„Wo gehen wir hin?“
„Lass dich überraschen“, schmunzelte er und nachdem er bezahlt hatte, brachte er sie in ein Schwimmbad im Zentrum der Station.
„Lust auf ein Bad im Whirlpool?“, fragte er anzüglich.
„Auf welche Weise sollte das “Es langsam angehen“ sein?“, fragte sie nicht abgeneigt.
„Wir machen das nicht nackt, keine Sorge“, versprach er und zeigte auf Spints in denen Badeanzüge lagen.
„Sind die gebraucht?“
„Nein, die sind alle neu, keine Sorge. Wir können auch was anderes machen, aber das würde uns entspannen“, entschied er.
„Klar, aber die Finger bleiben da wo ich sie sehen kann“, schmunzelte sie und nachdem sie sich in die silberfarbenen Badesachen gequetscht hatten, stiegen sie in den Whirlpool.
„Das ist ehrlich gesagt das erste Mal dass ich in einem Whirlpool sitze, das fühlt sich echt genial an“, entspannte sie sich sofort.
„Ehrlich das erste Mal in einem Whirlpool? Dann lass ich dich das erst Mal genießen. Ich darf eh nicht so lang drin bleiben, meine Körpertemperatur sollte nicht zu sehr ansteigen“, erklärte er und setzte sich auf den Beckenrand.
„Warum hast du es dann vorgeschlagen, wenn das schlecht für euch ist?“
„Ich wollte deine tolle Figur in diesem Badeanzug sehen“, gestand er.
„Du bist ein ehrlicher Mann, das gefällt mir. Komm rein, du Spinner“, stellte sie sich vor ihn und begann ihn zu küssen. Bevor sie etwas nicht Jugendfreies machen konnten, kamen andere ins Schwimmbad.
„Hey ihr zwei Turteltauben, stellt das Ding auf Reinigung ein, wenn ihr fertig mit dem seid was auch immer ihr hier macht“, hörten sie Niclas‘ dominante Stimme.
„Super, die Meyers Brüder sind die letzten, die einen dabei erwischen sollten. Hey, Jungs“, bemerkte Jude, während sie ihren Badeanzug wieder hochzog.
„Nette Brüste, Süße“, sagte Sydney cool und Jordan sah ihn mit bösem Blick an.
„Was? Hat sie doch. Wir machen ein bisschen Wettschwimmen, Lust mitzumachen, Drago wenn du wieder kannst?“, fragte Niclas dreist. Jordan machte Gebärden zu den Brüdern und die gingen grinsend weiter.
„Was hast du gesagt?“
„Das willst du nicht wissen. Aber gut dass sie uns gestört haben, wir wollten es doch langsam angehen“, bemerkte er und sie sah in seinen Schritt.
„Erklär das Mal deinem kleinen Liquid. Ich geh mal duschen“, zupfte sie den Badeanzug zurecht und ging zu den Duschen.
 
Nur eine Stunde später endete ihr Date mit einem schüchternen Kuss vor der Tür, bevor sie in ihre Wohnung ging.
„Das ging aber schnell“, begrüßte Dreda sie, die immer noch vor dem Fernseher saß. Schnaufend setzte Jude sich neben sie.
„Zu früh?“, fragte sie nur.
„Jep!“
„Du riechst nach Chlor!“
„Ich bin mit ihm in einem Whirlpool zur zweiten Base vorgestoßen“, gestand sie.
„Was?“
„Ich wollte mein Essen nicht essen und dann hat er das vorgeschlagen, ich weiß auch nicht, ich kann dem Mann einfach nicht wiederstehen. Gott sei Dank sind die Zwillinge aufgetaucht bevor weiteres passiert wäre!“
„Die Zwillinge haben euch erwischt?“
„Nennen wir es ein versautes Date und belassen es dabei. Er hat aufgehört zu schnarchen“, sah sie zu Brendon, der jetzt tief schlief.
„Ja, der war ganz schön laut. Der hat ganz schön getankt, er nimmt das wohl schwerer als wir denken“, bemerkte Dreda.
„Er behauptet immer, er hätte so viele Frauen gehabt, aber ich denke, er hatte seit seinem Unfall niemanden mehr im Bett gehabt“, erkannte Jude nachdenklich.
„Du bist seine Mitbewohnerin, du solltest es eigentlich wissen. Glaubst du, er ist impotent?“, diskutierte sie mit ihrer Freundin.
„Ich bin nicht impotent, nur nicht mehr besonders beliebt bei den Frauen. Müsst ihr Weiber so laut reden?“, hörten sie plötzlich Brendon reden.
„Slave, du bist ja wach“
„Ja, so ungefähr, ich bin noch ziemlich betrunken, wie lang hab ich geschlafen?“
„Etwa zwei Stunden, schlaf einfach weiter!“
„Du musst ihn schon ranlassen wenn du ihn nicht verlieren willst“, murmelte er in sein Kissen.
„Bren‘, du bist mein Ex, das ist nicht wirklich ein Thema was ich mit dir besprechen will, schlaf weiter“, murmelte sie verlegen.
„Sag’s nur!“
„Gehen wir ne Runde spazieren?“, hoffte Jude und Dreda ging mit ihr raus.
 
„Du magst ihn wirklich, oder?“, wollte Dreda vorsichtig wissen, als sie durch die Passage gingen.
„Ich bin nicht mal zwei Tage von Luke getrennt, es ist einfach alles viel zu früh“, sagte sie nur.
„Ja, anscheinend. Was machst du dann für einen Mist?“
„Ich weiß auch nicht, ich würde ja meiner verkorksten Kindheit die Schuld geben, aber das wäre zu einfach. Man, ich krieg langsam so schlecht Luft, ich setz mich kurz hin“, bemerkte sie und setzte sich schwer atmend auf den Rand eines Brunnens.
„Deine kleine Aktion war wohl anstrengender als du dachtest, was?“, schmunzelte Dreda, doch sie bekam auch schnell Atemnot.
„Verdammt, uns geht der Sauerstoff aus“, keuchte Dreda, bevor sie bewusstlos zur Seite kippte.

Elftes Kapitel


Jude fühlte wie sich ihre Lungen langsam wieder mit Sauerstoff füllten. Verschwommen sah sie Jordan, der liebevoll ihren Kopf auf dem Schoß hatte, während er ihr eine Sauerstoffmaske auf den Mund drückte.
„Atme ganz ruhig, wir hatten Probleme mit der Luft, aber das ist schon geregelt“, erklärte er und sie zog die Maske ab.
„Wie geht’s den anderen?“, fragte sie mit schwacher Stimme.
„Sie werden auch versorgt, auflassen bitte“, bat er und zog die Maske wieder auf ihren Mund.
Wie ein Ritter in schillernder Rüstung trug er sie auf seinen Armen in die Wohnung die er hatte, wenn er die Station besuchte.
„So, jetzt hab ich dich heute doch noch in mein Bett gekriegt“, sagte er sanft, küsste ihre Stirn und deckte sie vorsichtig zu.
„Ich bin so müde“, murmelte sie schläfrig.
„Dann schlaf, ich leg mich auf dem Sofa hin“, bemerkte er und wollte davon gehen, aber sie hielt ihn am Arm fest.
„Leg dich neben mich, wir sind beide erwachsene Menschen und du bist bei mir eh schon zur zweiten Base vorgedrungen“, erkannte sie und lächelte matt.
„Gott sei Dank, das Sofa ist verdammt unbequem“, schmunzelte er und legte sich neben sie.
 
Das erste Mal seit Jahren wachte Jude an diesem Morgen im Arm eines Mannes auf und sie genoss dies mit jeder Faser ihres Körpers. Luke war immer schon abgehauen, nachdem er bekommen hatte, was er wollte.
„Morgen, gut geschlafen?“, fragte er und strich sanft ihr Haar aus dem Gesicht.
„Ich war eher bewusstlos als im Schlaf, aber ich bin erholt, danke. Was war das gestern?“
„Es tut uns so leid, die Sauerstoffzufuhr war kurz abgeschnitten, wir haben eigentlich ein Sicherheitssystem dass das nicht passieren kann, ich weiß auch nicht wie das passieren konnte. Ich werde mich heut mit Slug beraten, um dass das nächste Mal zu vermeiden. Es ist Gott sei Dank niemand erstickt, wir haben auch grad nicht so wahnsinnig viele Solids hier. Dreda und Brendon bekommen noch Sauerstoff, aber ihnen geht’s bestens. Wie ungern ich dieses Bett auch verlasse, ich muss zum Dienst. Ich lass dir Frühstück bringen, bleib einfach hier liegen“, erklärte er sanft, küsste ihre Stirn und stand auf.
„Das klingt toll, aber ich sollte zu meinen Freunden zurück. Ich weiß das ist ziemlich blöd das jetzt zu sagen nachdem ich in deinem Bett aufgewacht bin, aber ich bin noch nicht soweit“, erwiderte sie und stand auf.
„Ja, das hatten wir gestern ja geklärt, mach dir keinen Kopf. Hier, nimm meine Jacke, wir mussten die Systeme etwas runterfahren, deshalb ist es in den Gängen vermutlich etwas kühler“, erklärte er liebevoll und hängte ihr seine Jacke um.
„Danke, nicht nur für deine Jacke. Wie lang bleibst du hier?“, wollte sie wissen.
„Ich muss heute nach der Besprechung wieder zurück, tut mir leid. War schön gestern mit dir“, bemerkte er und sie küsste ihn sanft.
„Ja, find ich auch. Wann kommst du wieder?“
„Weiß nicht, kann ich nicht genau sagen. Ich bin auch nur hierhergekommen, weil ich ihn davon überzeugen konnte, das Meeting heute abzuhalten. Ich muss dann auch los“
„Sicher, ich komm mit. Danke, dass du mich bei dir aufgenommen hast“, entschied sie und er führte sie aus der Wohnung, die gut drei Mal so groß war wie die, die sie mit Brendon bewohnte.
„Man, lebst du in Jupiter eigentlich auch so gut?“, fand sie seine Wohnung faszinierend.
„Ich wohn eigentlich in meinem Büro dort, ich hab lange hier gelebt und das ist irgendwie mehr meine Heimat als Jupiter. Als Arielle dann zu uns stieß und panische Angst hatte, hierher zu kommen bin ich dort geblieben“, erklärte er, während er sie zu ihrer Wohnung brachte.
„Du bist ein guter Bruder!“
„Ja, deshalb ist es ja so traurig dass sie dort nicht glücklich ist, denn eigentlich leb ich wegen ihr dort und naja wegen meiner Patienten. Ich muss hier abbiegen um zu meinem Meeting zu kommen, ich versuch nochmal bei dir vorbei zu kommen, bevor ich wieder abreise“, verabschiedete er sich. Ohne sie zu küssen ging er weiter.
„Super, von heißen Fummeleien im Whirlpool zu kühler Schulter im Flur und das in 24 Stunden, so abgekühlt wollte ich das eigentlich nicht haben“, murmelte sie vor sich hin ging und zu ihrer kleinen Wohnung.
„Hey ihr Beiden, wie geht’s euch?“, begrüßte Jude ihre Freunde freundlich, als sie zu ihnen kam.
„Hey, da strahlt ja eine, wo warst du die ganze Nacht?“, fragte Brendon, der mit einer Sauerstoffflasche am Mund an einem Tisch saß.
„Du weißt genau wo ich war“, sagte sie nur.
„Ich dachte, du wolltest es langsam angehen lassen“, kam Dreda aus der kleinen Küchenzeile.
„Es war so romantisch. Er hat mich auf seine Arme geschwungen, mich in sein Bett gelegt, er kam ganz nah zu mir …“, begann sie.
„Ja, weiter?“, fragte Dreda neugierig.
„Wir haben nur geschlafen, ich war halb bewusstlos und wir wollen es langsam angehen lassen, da er heute wieder zurückfährt und ne Weile nicht mehr wiederkommt werden wir es vermutlich ganz langsam angehen lassen“, konterte sie.
„Du willst es langsam angehen lassen, aber es nicht langsam angehen lassen?“
„Äh ja, so in etwa. Ich vermiss ihn jetzt schon“, gestand sie.
„Du bist echt total verknallt, wie süß. Frühstück?“, fragte Dreda.
„Ja, bitte. Das ist doch nicht fair, ich möchte mit diesem Kerl zusammen sein, aber eine Beziehung mit einer Flachpfeife hält mich davon ab so schnell wieder etwas anzufangen“, entgegnete sie und setzte sich frustriert hin.
„Er mag dich auch, er wird auf dich warten, keine Sorge“, versprach Dreda und legte ihre Hand auf Judes Schulter, bevor sie sich neben sie setzte.
„Ja, ich weiß, ist trotzdem scheiße. Was essen wir da eigentlich grade?“
„Frühstück, oder so in ner Art. Ich hoffe, wir kriegen mehr als diese Astronautennahrung hier“, stocherte Brendon in seinem gräulichen Essen rum.
„Also ich hab gestern frisches Essen gekriegt im Restaurant“, bemerkte Jude essend.
„Du warst auch mit dem zweitwichtigsten Kerl hier essen, klar, dass du was Gutes kriegst“, bemerkte Brendon mit einem komischen Ton in der Stimme.
„Er ist nicht so wichtig hier, oder?“, fragte sie unsicher.
„Doch ist er, du bist nur zu verknallt um das zu merken. So wie Luke würde ich ihn auch nicht verärgern“, entschied Dreda und begann auch zu essen.
„Super, das kann ich jetzt nicht gebrauchen, ich kann hier vor ihm nicht wegrennen“, war Judes gute Stimmung wie weggeblasen.
„Hör auf so zu reden, Dre, er ist anders“, bat Brendon, um Jude zu beruhigen.
„Schon gut, Slave, er ist anders, denk ich, er hat zumindest ne geile Wohnung. Ich hätte sein Angebot annehmen sollen bei ihm zu frühstücken, das Zeug ess ich nicht weiter“, schob sie das Essen von sich davon.
„Eine Nacht bei den Reichen und Schönen und schon hat sie Ansprüche“, bemerkte Dreda.
„Ich bin in einem Waisenhaus aufgewachsen, ich hab bis zu meinem zehnten Lebensjahr gedacht, dass Essen immer so aussieht, ich hatte nie Ansprüche und die werde ich nie haben. Aber trotzdem ess ich das heut nicht“, entschied sie.
„Sie hat Recht, ich auch nicht“, stimmte auch Brendon zu.
„Gut, dann gehst du nüchtern zu deinem Arzttermin“, konterte Dreda genervt.
„Ach das ist schon heute? Kann ich mitkommen?“, fragte Jude.
„Du warst bei meinen Terminen sonst immer dabei, ich bitte darum. Das ist ja auch ein Termin von äußerster Wichtigkeit“, bemerkte er.
„Du benutzt ziemlich große Worte für einen Kerl mit einem Kater“, schmunzelte sie.
„Ich hab keinen, komischerweise!“
„Ah, das ist kein gutes Zeichen“
„Das liegt am Sauerstoff, das pusht dich, das müsste meine werte Kollegin eigentlich wissen“, erklärte Dreda und schmiss ihr Essen weg.
„Ich merk nichts davon!“
„Deine Endorphine sind auch überdeckt von den Endorphinen vom Verknallt sein, deshalb merkst du es nicht. Du wirst deinen Kater noch merken, tut mir leid, Kleiner. Ich verzieh mich dann mal in meine eigene Wohnung, ihr braucht mich hier eh nicht mehr“, sagte Dreda nur und kippte ihr Essen auch weg.
„Du kommst mit uns mit, wir lassen dich nicht allein“, entschied Jude liebevoll.
„Mir geht’s gut, wirklich!“
„Du solltest durch den Sauerstoff auch etwas euphorisch sein, du bist aber eher deprimiert, du kommst mit und damit basta“, sagte Jude bestimmend.
„Wenn du meinst, aber ich geh nicht zum Fischmann“, entschied sie murrend.
„Ja, das hatten wir ja geklärt, ich will dich nur nicht allein lassen grade“, erwiderte Jude.
„Meinetwegen“, sagte sie zu.
„Hast auch keine andere Wahl, ich lass dich nicht mehr allein“, bemerkte Jude.
„Na super!“
„Das ist nur zu deinem Besten, wir bleiben hier alle immer zusammen, ich hab auch Depressionen, nur zusammen können wir das schaffen“, entschied er. Die Frauen sahen ihn verwundert an, er sprach das erste Mal offen über seine Depressionen.
„Was? Als wär das was Neues für euch. Ich nehm seit Jahren Medikamente, die ihr kontrolliert“, entschied er.
„Ja, aber du hast nie vorher darüber geredet oder es offen zugegeben“, war Dreda überrascht.
„Ja, aber jetzt hab ich es zumindest. Du hast noch keine Depressionen, Schätzchen, aber du könntest sie kriegen. Du solltest zu dem Doc gehen, ich mach es zumindest“, erklärte er mit ernster Stimme.
„Okay, wenn du’s machst, mach ich es auch. Es kann nicht schaden. Glaubst du, das Angebot steht noch, dass wir richtiges Frühstück bekommen?“, hoffte Dreda.
„Ich glaub, dass das nur für mich galt, aber ich red mit ihm, vielleicht können wir was aushandeln“, schmunzelte Jude.
„Das wär nett. Wann müssen wir los?“, fragte Brendon.
„Keine Ahnung, ist dein Termin“, bemerkte Dreda.
„Ich muss mich hier wohl jetzt allein darum kümmern, was?“
„Nein, ich frag mal nach wo auch immer ich da fragen muss. Man, ich hab schon mit vielen Arschlöchern zu tun gehabt, aber so lebensverändernd was das noch nie“, entschied Jude und griff nach einem Telefon.
„Okay, er hat wirklich viel Einfluss hier, wir können gleich kommen, wenn du willst“, legte sie nach einer Weile wieder auf.
„Dann los, ich kann’s eh kaum erwarten“, erwiderte er und ging mit den Frauen in die Klinik.
 
Dr. Edgar van Hoven alias Slug war ein hochgewachsener schlaksiger blonder Mann in den 40ern der die grünsten Augen hatte, die Jude jemals gesehen hatte. Er musste der wahre Alpha-Liquid sein.
„Miss Walsh, schön Sie endlich kennenzulernen, Pfleger Terenzi redet ständig von Ihnen. Sie müssen Mr. Lewter und Miss Baize sein“, begrüßte er sie.
„Danke, dass Sie uns so schnell empfangen konnten“, bedankte sich Jude und sah zu Jordan der hinter einer Glasscheibe saß und etwas in einen Display eintippte.
„Für meinen besten Mann doch immer. So Mr. Lewter, legen Sie sich bitte auf die Liege dort, dann kann ich Sie untersuchen“, erklärte der Doc. Er hatte eine angenehme Stimme und lächelte charmant.
Etwas mühsam, aber ohne Hilfe schaffte er es, die Aufgabe zu vollbringen.
„Gut gemacht, können die Mädels zusehen wie ich Sie ausziehe oder sollen sie uns alleinlassen?“, fragte er charmant.
„Wir gehen zu Jordan, kommst du hier klar?“, fragte Jude liebevoll.
„Ja, ich komm hier klar, bemuttere mich nicht so“, war es ihm peinlich und sie ging lächelnd mit Dreda von dannen.
„Hey ihr zwei, gut geschlafen?“, begrüße Jordan sie freundlich.
„In deinem Arm hab ich wunderbar geschlafen“, schmunzelte Jude und legte ihre Hand auf seine Schulter.
„Ich weiß, Süße, ich hab eigentlich mit Dreda gesprochen. Er ist kein Liquid“, erklärte er, als die Frauen nicht aufhören konnten, den gutaussehenden Arzt anzusehen.
„Echt jetzt?“, war Dreda überrascht.
„Ja, er hat sich bei uns an seinem Aussehen orientiert, aber er ist ein Solid durch und durch“, bemerkte er.
„Das ist also dein kleines Geheimnis was deine Augenfarbe betrifft. Nicht wirklich spektakulär“, entschied Jude.
„Er sieht so Liquid-mäßig aus. Ist er Single?“, wollte Dreda wissen.
„Ja, ist er, du bist doch nicht etwa interessiert an ihm?“, frotzelte Jordan.
„Er ist ein gutaussehender Arzt, ich wäre blöd wenn nicht. Auf welche Art von Frauen steht er denn?“, war Dreda neugierig.
„Auf welche mit Puls? Lass die Finger von ihm, er lässt nichts anbrennen, glaub mir“, riet er ihr.
„Du bist schon viel zu lang an seiner Seite, oder?“, stellte Dreda fest.
„Frag nicht, manche Sachen will man von seinem Boss nicht wissen und weiß man trotzdem“, bemerkte er angeekelt.
„Drago, könntest du aufhören zu flirten und dich mal in den CTG legen?“, hörten sie plötzlich Slugs Stimme durch die Sprechanlage. Wortlos zog sich Jordan bis zur Shorts aus.
„Was macht er da?“, war Dreda gleichzeitig fasziniert von Jordans tollem Körper und irritiert, dass er keinen Anschein von Scham zeigte.
„Ich war noch nie in so einem Ding, muss man sich da ausziehen?“
„Nein, muss man eigentlich nicht, aber ich will euch mit meinen Bauchmuskeln irritieren“, schmunzelte er und öffnete eine Klappe.
„Sarkasmus?“, fragte Dreda, Jude.
„Keine Ahnung, so gut kenn ich ihn dann doch nicht. Was machst du da, Honey?“, fragte sie ihren Lover.
„Er braucht mich im CTG, also steig ich da rein“, erklärte er trocken.
„Ohne irgendwelche Fragen?“
„So ist es einfacher. Ich muss da rein, das dauert ne Weile, ihr könnt es auf dem Bildschirm mitansehen“, bemerkte er und rutschte wie ein Leichnam in einer Kühlkammer in das CTG.
„Super, mein Freund ist ein willenloser Sklave“, murmelte Jude und setzte sich auf den Stuhl, auf dem Jordan zuvor gesessen hatte.
„Ich kann dich immer noch hören, Süße“, hörten sie Jordans Stimme auf dem Bildschirm.
„Ich auch, übrigens, er ist nur ein treuer Mitarbeiter. So Drago, jetzt still liegen für das 3D CTG, du kennst das ja. Ladies, ihr könnt auch wieder rauskommen wenn ihr wollt“, erklärte Slug und sie kamen zurück zu Brendon, der abgedeckt auf einer Liege lag.
„Was wird das hier?“, fragte Dreda und Slug legte den Bildschirm mit Jordans CTG auf seinen Bildschirm, damit es Brendon sehen konnte.
„Reg dich nicht auf“, begann Brendon.
„Man, wenn du sonst immer mit “Reg dich nicht auf“ anfängst muss ich dich immer irgendwo aus dem Knast holen“, war Jude unsicher, was auf sie zukam.
„Er kann mich wieder laufen lassen“, begann er.
„Das ist toll, ich spüre aber ein großes „Aber“!“
„Ich müsste ein Liquid werden“, gestand er.
„Nein, das ist … du kannst doch nicht … schau dir an was die mit Jordan gemacht haben“, war Jude unsicher was sie sagen sollte, während sie auf das CTG starrte. Jordan sah eigentlich ganz normal aus, aber das Innere seines Körpers war sehr weit von einem Menschen entfernt.
„Aber ich könnte wieder laufen und tauchen wie ein Fisch“, war Brendon begeistert.
„Du könntest dann aber niemals mehr zurückkehren, denk ich, oder?“, wendete sie sich an Slug.
„Das könnte er schon, es leben einige von ihnen oben, eigentlich ziemlich viele. Er müsste nur vorsichtig sein“, erklärte Slug. Jude sah Brendon an und dann Dreda, die nur mit den Schultern zuckte.
„Wann können Sie es machen?“, stimmte sie zu.
„Gleich morgen, wenn er das möchte“, entschied der Doktor.
„Dann machen Sie das, es ist sein Wunsch, also muss ich das respektieren“, erklärte sie nachdenklich und ging aus dem Krankenzimmer nachdem sie noch einmal auf den Bildschirm gesehen hatte.

Zwölftes Kapitel


Nervös lag Brendon an diesem wichtigen Tag in seinem Leben auf einem Krankenbett. Seine beste Freundin war sonst immer an seiner Seite gewesen, doch jetzt hatte sie es vorgezogen ihn allein zu lassen.
„Sie kommt sicher noch“, versprach Dreda, die liebevoll seine Hand hielt.
„Dann wäre sie mitgekommen, sie sieht nicht ein, dass ich das machen will“, sagte er traurig.
„Ich bin aber hier und ich geh auch nicht weg“, beteuerte sie und drückte seine Hand.
„Dreda, ich glaub, ich liebe dich“, sagte er plötzlich.
„Jor‘, ich glaub, die Drogen wirken langsam“, rief Dreda unsicher in das Zimmer hinter dem Glas, in dem sich Jordan und Slug für die Operation vorbereiteten.
„Gut, dann können wir gleich anfangen. Du darfst nicht länger dort drin sein, tut mir leid“, erklärte Jordan und kam in OP-Kleidung zu ihr.
„Lass mich nicht allein“, murmelte Brendon und hielt ihre Hand ganz fest.
„Ich bin vor der Tür, keine Sorge, ich bleib bei dir“, versicherte sie.
„Die OP dauert etwa acht Stunden, wir rufen dich, wenn er wieder rauskommt“, erklärte Jordan mit sanfter Stimme.
„Acht Stunden? Das ist ganz schön lang. Ihr beide macht das ganz allein?“
„Eigentlich macht das Slug ganz allein, ich assistiere ihm nur. Das dauert nur solange, weil wir sein Rückgrat komplett rekonstruieren, das klingt komplizierter als es ist. Geh zu Jude, unternehmt was, ich kümmere mich solang um den Kleinen“, bemerkte Jordan und sie zog ihre Hand aus Brendons.
„Aber sobald irgendwas passiert meldest du dich, ja?“
„Ja, versprochen. Geh zu ihr hin, sie würde es zwar nie zugeben, aber sie braucht dich jetzt“, bat Jordan und zögerlich ging Dreda vor die Tür.
Dort saß Jude auf einer Bank.
„Hey, du bist ja doch da, Brendon hat mir grad seine Liebe gestanden?“
„Drogen?“
„Ich hoff‘s mal!“
„Das ist witzig, ich hab immer gedacht, ihr währt ein tolles Pärchen“, entgegnete sie und Dreda sah sie verwirrt an.
„Ah, wenn du meinst. Die OP wird den ganzen Tag dauern“, erklärte sie trocken.
„Das hatte ich schon befürchtet. Er war enttäuscht, oder?“
„Schon etwas, aber du wirst da sein, wenn er wieder aufwacht, das ist das Wichtigste. Aber was machen wir bis dahin?“
„Bist du schon mal in einem Whirlpool gewesen?“
„Ja, als Kind mal, du willst jetzt in die Schwimmhallen gehen?“
„Irgendwas müssen wir ja machen“
„Warum nicht, er wird schon richtig versorgt werden. Lass uns gehen“, folgte sie ihr zögerlich.
 
Die beiden Freundinnen waren auf der Bank fast eingeschlafen, als Jordan mit blutverschmiertem Kittel an zu ihnen kam.
„Er ist fertig“, sagte er nur, während er seine silbernen Handschuhe auszog.
„Und? Lebt er noch?“, fragte Jude nervös.
„Natürlich lebt er noch, Dummerchen, hast du gedacht, er stirbt dabei? Slug macht das tagtäglich, es ist alles superglatt gelaufen. Es wird ne Weile dauern bis er aufwacht und die ersten Schritte werden zögerlich sein, aber er wird wieder laufen können“, bemerkte er müde.
„Danke, ich würd dich ja umarmen, aber dann hätte ich sein Blut an mir. Können wir zu ihm?“
„Wir müssen ihn noch ins Zimmer zurückbringen, dann könnt ihr zu ihm“, erklärte er weiter und ging an ihnen vorbei zu den Duschen.
„So Ladies, wer will als Nächste?“, kam Slug euphorisch von seiner erfolgreichen OP zu den Frauen. Die Acht-Stunden-OP schien komplett spurlos an ihm vorbeigegangen zu sein.
„Nein, danke, Doc, ich bin als Solid ziemlich glücklich“, konterte Jude trocken.
„Wenn ihr es euch anders überlegt, wisst ihr, wo ihr mich findet. Wuhu“, sprang er in die Luft und ging Jordan hinterher.
„Ich hoffe, er hat meinen besten Freund nicht unter Drogen operiert“, konterte Jude skeptisch.
„Das ist nur ein Adrenalinrausch, denk ich, hoff ich. Komm, lass uns ins Zimmer gehen und auf ihn warten“, entschied Dreda und ging mit ihr ins Krankenzimmer.
 
Jude legte vor Entsetzen ihre Hand auf ihren Mund als sie Brendon sah. Ihr bester Freund hatte überall Schläuche in seinem Körper und war leichenblass. Seine Augen waren verbunden.
„Mein Gott, was ist das alles?“, stotterte sie.
„Lass das Slug uns erklären, setz dich einfach“, bat Jude und Dreda setzte sich neben Brendon und hielt wieder seine Hand.
„Er ist eiskalt“, bemerkte Dreda fast flüsternd.
„Das ist normal, Jordan ist auch sehr kalt“, erklärte sie beruhigend.
„Das ist gruselig, als wäre er tot!“
„Du empfindest ernsthaft was für ihn“, stellte Jude plötzlich fest.
„Quatsch, wir sind nur Freunde“, stammelte sie und ließ seine Hand schnell wieder los.
„Wie du meinst, so sieht es aber nicht aus. Du bist schon so lang allein, du solltest es ihm sagen“, entschied Jude.
„Was wird das hier? Musst du mein Liebesleben kitten weil deins nicht so richtig funktioniert?“
„Willst du jetzt fies werden?“
„Ich bin nicht fies, nur ehrlich!“
Schweigend saßen die Frauen sich gegenüber bis zu dem Augenblick, als ihr Freund röchelnd mit einem Schlauch im Hals erwachte.
„Slave, atme langsam und gleichmäßig, ich befrei dich von dem Ding“, kam Jordan zu ihnen geeilt und zog schnell den Schlauch aus Brendons Mund.
„Kann ich laufen?“, war das erste was er ihn fragte.
Lässig wirbelte Jordan ein Skalpell in seiner Hand herum und stach es Brendon ins Bein.
„Au, das hat … weh… getan, ich hab das gespürt“, erwiderte er begeistert.
„Scheiße, warum machst du das?“, fragte Dreda entsetzt, als sie sah, dass Blut Brendons Bein herunterlief.
„Keine Sorge, das wird in den nächsten Minuten komplett ausgeheilt sein, das macht diese blaue Flüssigkeit hier. Ich kleb das nur schnell mal ab“, entschied Jordan trocken und klebte die Wunde ab.
„Nano-Bots!“
„Ganz richtig. Deine Augen müssen noch etwas verbunden bleiben, Kleiner, die Hornhäute müssen noch heilen“, entschied Jordan.
„Ihr habt ihn auch an den Augen operiert?“
„Ja, wir mussten doch die Augenfarbe ändern!“
„Das ist nur kosmetisch?“
„So ne Art Visitenkarte für Slug, er ist ein kleiner Egomane wie ihr schon festgestellt habt!“
„Die grünen Augen müssen nicht sein?“
„Nein, nicht wirklich, aber ich find sie toll, geben dem Gesicht gleich viel mehr Charakter. Wir hätten dich vorher Fragen sollen, Bren‘ sorry“, entschuldigte sich Jordan.
„Schon gut, die Augen helfen mir sicher bei den Ladies, hab ich Recht, Mädels?“, flirtete er liegend mit verbundenen Augen.
„Ein bisschen von Slugs Ego ist wohl jetzt auch in ihm“, schmunzelte Dreda.
„Das ist wieder der Kerl, mit dem ich damals geschlafen habe“, konterte Jude und küsste sanft seinen Kopf.
„Ihr beiden habt also …“, wollte Jordan mit eifersüchtiger Stimme wissen.
„Vor einer Ewigkeit, er war mein erster“
„Na super, dein Erster mit dem du schon seit Ewigkeiten zusammenwohnst, wie soll ich da mit ihm konkurrieren?“
„Wenn’s dich beruhigt, er war mein erster aber ganz sicher nicht mein Bester“, konterte sie cool.
„Autsch, jemanden zu treten der schon am Boden liegt, nicht nett“, war Brendons Ego plötzlich angekratzt.
„Sorry, war nen langer Tag, wir waren noch so jung, du kannst das sicher jetzt viel besser“, bemerkte sie und tätschelte dabei sein Bein.
„Ich kann das spüren“, schluchzte er plötzlich.
„Ja, das hatten wir ja schon festgestellt, freu mich trotzdem, dass dich das rührt. Wir lassen dich jetzt erst Mal schlafen, wie lang muss er hier drin bleiben?“
„Morgen werden die Nano-Bots ihre Arbeit getan haben und er kann wieder raus“, erklärte Jordan versprechend.
„Morgen schon? Das war doch so eine große OP!“
„Wir heilen sehr schnell, noch ein Vorteil von uns Liquids“, bemerkte Jordan und schnitt auch leicht mit dem Skalpell in seinen eigenen Arm. Die Wunde verheilte blitzschnell.
„Gruselig, so was erzählt man uns ja erst nach der OP. Ihr seid also unverwundbar“, bemerkte Dreda verwirrt.
„Na ja, sterben können wir schon, ist nur etwas schwieriger uns kleinzukriegen. Willkommen in der Liga der Superhelden, Kleiner!“
„Lass das mit dem Kleiner, Drago, ich bin ein Jahr älter als du“, murmelte Brendon plötzlich.
„Sicher, tut mir leid, Großer“, frotzelte er.
„Jude, ich vertrag deinen Freund grad nicht“, bat Brendon müde.
„Klar, wir lassen dich in Ruhe, kommt, lasst uns rausgehen“, entschied Jude und ging mit den anderen raus.
 
„Habt ihr was gegessen?“, fragte Jordan, als sie zusammen draußen herumstanden.
„Ich bin müde, ich geh ins Bett“, nuschelte Jude etwas verstört und ging einfach weg.
„Was hab ich gemacht?“, verstand er nicht.
„Lass sie, das war alles etwas viel für sie, für uns alle. Sie meldet sich wieder wenn sie soweit ist“, erklärte Dreda und ging mit ihren Händen in einer Abwehrhaltung rückwärts ihr hinterher.
 
Als Dreda zu ihr stieß, übergab sich ihre Freundin grade wieder in einem Mülleimer.
„Das also schon wieder. Aber ich versteh dich, mir ist auch übel“, setzte sie sich neben sie.
„Warum hast du das zugelassen? Er wird nie wieder mit uns zusammen sein können“, wütete sie plötzlich los.
„Was? Ich bin diejenige gewesen die ihm heute zur Seite gestanden hat, während du geschmollt hast. Es war sein Wunsch und er wird wieder laufen können“, wurde Dreda auch laut.
„Aber zu welchem Preis. Er ist ein Monster“, begann Jude zu weinen.
„Er ist kein Monster, er ist gesund, sein Traum ist in Erfüllung gegangen. Dein Freund ist auch einer von ihnen“, verstand Dreda nicht.
„Ich will nichts mehr mit ihm zu tun haben, er ist ein Freak, ein wandelnder Fisch, ich will hier weg, ich halt es hier nicht mehr, ich, ich … ich krieg keine Luft“, schnappte Jude nach Luft.
„Du hast ne Panikattacke, berühr deine Zehen mit deinen Fingern und atme tief und fest ein und aus“, bat Dreda ruhig und Jude setzte sich in diese Position.
„Ich bin verliebt in ihn, aber ich kann nicht mit ihm zusammen sein, niemals“, schluchzte sie.
„Ich bin verknallt in Brendon, das bin ich schon ne lange, lange Zeit. Als er heute im Drogenrausch seine Liebe für mich gestanden hat, dachte ich für einen Moment, er meinte das ernst und hab mich wahnsinnig gefreut“, rückte Dreda endlich mit der Wahrheit heraus.
„Vielleicht meinte er es ja Ernst. Red mit ihm“, fand Jude eine Ablenkung im Liebesleben ihrer Freundin.
„Jetzt ist er ja ein Monster, das hast du selbst gesagt, er wird sein Selbstbewusstsein wiederbekommen und dann wieder hübsche Blondinchen abschleppen und mich links liegen lassen“, war Dreda genauso liebeskrank wie Jude.
„Sollen wir was trinken gehen?“, schlug Jude vor.
„Oh ja, ganz eindeutig“, stimmte sie zu und folgte ihr in Freezes‘ Bar.

Dreizehntes Kapitel


Das Geräusch der Sauerstofflasche, die Dreda sich an den Mund hielt weckte Jude an diesem Morgen.
„Sorry, hab ich dich geweckt? Ich nehm Sauerstoff, das hilft gegen den Kater. Willst du auch?“, wollte sie wissen und hielt ihr die Flasche hin. Dreda saß auf Brendons Bett, in dem sie geschlafen hatte, und inhalierte Sauerstoff.
„Nein, danke, ich hab den Kater verdient. Wie spät ist es?“
„Fast Mittag, er müsste bald rauskommen. Ich weiß nicht, wie ich mit ihm umgehen soll“, bemerkte sie trocken.
„Wir sind immer noch seine Freunde, wir sollten hingehen“, schlussfolgerte sie und stand mühsam auf.
„Oh verdammt, die letzte Runde Shots war eindeutig zu viel. Wie fühlst du dich?“, wollte Jude wissen.
„Der Sauerstoff hilft, aber ich bin auch nicht so in die Vollen gegangen wie du gestern. Ist dir schlecht?“
„Im Moment nicht, lass uns das ausnutzen. Man, das ist so weit zur Klinik, jetzt könnten wir einen von diesen Segways brauchen“, murmelte Jude, der sehr schwindelig war.
„Entschuldigt, darf ich stören?“, hörten sie Jordans Stimme durch einen Lautsprecher.
Seine Stimme verursachte ihr Kopfschmerzen.
„Warum so schüchtern? Du platzt doch auch sonst ungefragt in unsere Gespräche“, murmelte Jude unter Schmerzen.
„Sorry, ich wollt nur sagen, dass Brendon nach euch fragt“, bemerkte er etwas enttäuscht von ihrer kühlen Art.
„Ja, wir sind auf dem Weg“, murrte Dreda.
„Miau, ihr habt aber heute schlechte Laune. Ich wollt’s nur sagen“, maulte er.
„Wir haben nen Kater und ziemliche Kopfschmerzen, wir wollten nicht so biestig klingen“, erklärte Jude sanfter.
„Ja, hab‘s schon gehört, ich schick euch nen Wagen“, entgegnete er und schwieg dann.
„Hat er grad gesagt, er schickt einen Wagen?“
„Ja, hat er wohl, mich wundert gar nichts mehr hier. Ich muss mich schnell umziehen, ich stinke saumäßig“, entschied Jude und schnappte sich neue Sachen aus dem Schrank.
 
„Ich kann da nicht rein“, zögerte Dreda, als sie vor der Klinik standen.
„Ich geh allein, wenn du willst. Aber irgendwann musst du mit ihm darüber reden“, schlussfolgerte Jude, die aber genauso nervös war.
„Okay, ich komm mit, aber kein Wort“, bat Dreda.
„Was sollte ich ihm auch sagen? Jetzt komm, die fragen sie sicher schon wo wir bleiben“, drängte sie sie und sah dem Golf-Car hinterher, das sie abgesetzt hatte.
 
Hand in Hand gingen sie in die Klinik und zu Brendons Zimmer. Dredas Hand glühte und war schwitzig.
„Er ist immer noch der gleiche, nur irgendwie besser“, beruhigte Jude ihre Freundin.
„Das mit dem besser unterschreib ich jetzt nicht, aber sein Leben wird jetzt einfacher“, hörten sie Jordans Stimme hinter sich.
„Hey, danke für‘s Wagen schicken, ich hab schon gedacht du schickst ein richtiges Auto“, entgegnete Jude cool.
„Du hast echt nen Kater, hier darf sich nichts bewegen, was brennt, der Sauerstoffgehalt ist extrem hier, dass ihr atmen könnt. Ich leg euch nachher einen Vitamintropf, dann geht’s euch besser“, bemerkte er liebevoll.
„Danke, das wär echt lieb. Ich bin gestern etwas durchgedreht, tut mir leid“, entschuldigte Jude sich freundlich.
„Mach dir keinen Kopf, die letzten Tage müssen für euch die Hölle gewesen sein. Aber das hier wird euch entschädigen“, erklärte Jordan und stieß die Tür zu Brendons Zimmer auf. Dieser stand etwas wackelig auf seinen Beinen gestützt von einer Krankenschwester. Jude schluchzte vor Rührung still in sich hinein.
„Ist noch etwas unsicher, aber ich kann gehen, schau“, begrüßte Brendon sie mit einem breiten Grinsen auf den Lippen. Er trug eine Sonnenbrille um seine Augen zu schonen.
„Oh man, ich hab ganz vergessen wie groß du bist“, umarmte Jude ihn stürmisch, wich aber dann schnell von ihm, als sie merkte, wie eiskalt sein Körper war.
„Was ist?“
„Nichts, du bist nur so kalt“, sagte sie verwirrt.
„Von was redest du?“, verstand er nicht.
„Ihm hat es keiner gesagt?“, sah sie Jordan an.
„Wer hat mir was nicht gesagt?“, fragte er nervös.
„Ich zeig es dir am besten“, erklärte Jordan und zeigte seinen eigenen Körper in einer Infrarotkamera.
„Man, da sind ja verdammt viele blaue Stellen wo es eigentlich rote sein sollten. Was für eine Körpertemperatur hab ich grade?“, war Brendon irritiert und Jordan zeigte mit der Kamera auf ihn.
„Momentan 32°C, aber das steigt noch an, das liegt noch an den Nano-Bots. Aber arg viel höher geht das nicht mehr. Keine Sorge, das verträgt dein Körper jetzt gut, du wirst uralt damit. Setz dich besser wieder hin, wir wollen es für den Anfang ja nicht übertreiben“, bat Jordan und half ihm sich wieder hinzusetzen.
„Ja, da hast du recht, aber das Gefühl stehen zu können reicht mir für heute auch schon. Du hast übrigens Recht, ich hab deinen kleinen täglichen Angriff von gestern ohne irgendeine Wunde überstanden. Ich wollt als Kind immer Superman sein, das hab ich wohl jetzt geschafft“, war Brendon gar nicht zu bremsen voller Euphorie.
„Ihr habt ihm doch nicht einfach so seine Antidepressiva-Dosis erhöht, oder?“, war Dreda besorgt um ihren heimlichen Lover und fasste ihm liebevoll an die Wange.
„Ich hab mein Implantat, da können die nichts überdosieren, Süße, aber nett, dass du dir Sorgen machst. Ich bin nur froh, dass ich jetzt endlich wieder Weiber klar machen kann so wie in meinen besten Tagen“, konterte er und sie ließ seine Wange los.
„Dann viel Spaß dabei“, bemerkte sie plötzlich eingeschnappt und verließ den Raum.
„Was war das denn grade?“, wunderte sich Brendon und sah Jude an.
„Für so ein kluges Köpfchen bist du echt schwer von Cape manchmal“, murrte Jude und ging ihrer Freundin hinterher.
„Ich kann es ihm nicht sagen, niemals“, rang Dreda nach Luft, als sie auf dem Rand eines Brunnen Platz genommen hatte.
„Von was redest du? Er gibt etwas an, aber er ist kein Schürzenjäger, das weißt du, er behauptet das zwar ständig, aber er ist so unsicher wie du auch. Zumindest war er es bis heute, ich werde ihn schon etwas zügeln, keine Sorge“, versprach sie ihrer Freundin.
„Er ist glücklich, lass ihn einfach, ich hab meine Chance verpasst. Mir geht’s nicht so gut, ich geh heim, sag ihm gute Besserung von mir“, entschied sie mit verwirrtem Blick und ging an ihr vorbei davon.
 
„Es ist ziemlich unhöflich einen Krüppel einfach so zu verlassen ohne dass er mitkommt“, hörte Dreda plötzlich Brendons Stimme, als sie bei sich auf dem Bett schmollte.
„Hat Jordan dich jetzt mit diesem blöden überwachen angesteckt?“, fragte Dreda ohne aufzusehen.
„Guckst du mich mal an, ich steh doch vor dir“, entgegnete er und sie sah auf.
„Hey, wie bist du hierhergekommen?“, war sie überrascht, ihn so nah bei sich zu haben.
„Ich bin gelaufen, duh, war ganz schön anstrengend, kann ich mich setzen?“, bat er und sie nickte.
„Ich kann wirklich wieder laufen, kannst du das glauben?“, begann er.
„Ja, jetzt brauchst du uns anscheinend nicht mehr“, sagte sie traurig.
„Wer hat denn das gesagt? Ihr seid meine Freunde und werdet das immer bleiben. Ich bin immer noch Brendon, jetzt vermutlich noch mehr als vorher. Ihr seid mir wichtig“, entschied er und tätschelte ihr Knie.
„Guck mich nicht so an!“
„Wie soll ich denn gucken?“
„Du guckst so wie “Ach bist du eine tolle Freundin““
„Ja, bist du doch aus, ich versteh dein Problem nicht!“
Ohne noch ein Wort zu verlieren, griff sie nach seinem Kopf und drückte ihm einen Kuss auf.
„Das ist mein Problem, Vollidiot, ich bin in dich verknallt, schon ne Weile, aber du machst ja keine Anstalten, auch so was in der Richtung anzudeuten. Ja, ich bin nur die pummelige Freundin der Frau die du eigentlich liebst, versteh schon, aber ich wollte, dass du das weißt, bevor du wieder dein altes Ego bekommst“, gestand sie und stand auf.
„Zehn Jahre, zehn Jahre kennen wir uns schon, aber jetzt kommst du erst damit? Weißt du wann ich mich in dich verliebt habe? An dem Tag an dem du mir im Diner den Kirschkuchen an den Tisch gebracht hast“, sagte er liebevoll, aber bestimmt.
„Das war das erste Mal dass wir uns gesehen haben“, erwiderte sie gerührt.
„Ich hatte diese anderen Frauen nur um dich eifersüchtig zu machen, aber du hast niemals darauf reagiert. Warum jetzt?“, verstand er nicht.
„Ich hätte dich bei dieser Operation verlieren können, das hat mich aufgerüttelt, ich will dich nicht verlieren“, entschied sie und er stand schwerfällig auf und küsste sie leidenschaftlich.
„Ist das nicht romantisch, sie haben sich gefunden“, kommentierte Jordan, was er auf dem Bildschirm über die Überwachungskamera sah. Jude stand mit verschränkten Armen neben ihm.
„Ah, wenn du meinst“, konterte sie kühl und ging Richtung Tür.
„Was ist mit dir los?“, verstand er nicht.
„Ihr habt uns alles darüber erzählt wie toll das Liquid-Leben so ist, aber du hast mit keinem Wort erwähnt, wie unterschiedlich ihr zu uns seid. Ihr habt mehr mit Haien gemeinsam als mit uns“, war sie frustriert.
„Ja, wir sind anders, aber wir sind immer noch Menschen. Es ist nicht anders als wenn ich schwarz wäre, oder Latino“, bemerkte er gekränkt.
„Aber Latinos und Schwarze sind nicht unbesiegbar und eiskalt“, bemerkte sie trocken.
„Wir haben hier Liquids aller Nationalitäten und sexueller Ausrichtungen was ist das denn für ein blödes Beispiel?“
„Nennst du mich blöd?“, wurde sie wütend.
„Wenn du dir den Schuh anziehst“, entgegnete er genauso trotzig.
Wie zwei Boxer vor dem Kampf standen die beiden Brust an Brust voreinander. Sie spürte seine Atmung an ihrer Brust. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren griff sie ihn am Nacken und küsste ihn mit voller Hingabe.
„Was war das den jetzt?“, wunderte sich Jordan.
„Tut mir leid, das kam so über mich. Das mach ich ständig, erst handeln und dann nachdenken, mein ich. Ich sollte jetzt gehen“, murmelte sie verwirrt.
„Schlaf mit mir“, bat er plötzlich.
„Du denkst auch nicht nach bevor du was sagst, was?“
„Ich verzehr mich so sehr nach dir, es ist kaum auszuhalten“, erkannte er und umschlang ihre Hüften mit seinen starken Armen.
„Wir können doch nicht einfach“, hauchte sie, aber sie spürte, dass er mit all seinen Körperteilen bereit dazu war.
„Deine Freunde machen es doch auch grad“, schnaufte er erregt und zeigte auf den Bildschirm.
„Das mit der Überwachung hat jetzt ein Ende, sie müssen ihre Privatsphäre haben“, entschied sie und er machte den Bildschirm aus.
„So aus, ich kann damit auch die Tür verschließen“, sagte er nur und sie nahm ihm die Fernbedienung aus der Hand und verschloss die Tür. Er grinste nur und zog sie auf ein Sofa. Sie schreckte kurz zurück, als sie seine Kiemen berührte, aber er versicherte ihr, dass sie ihm nicht wehtun konnte. Seine Ausdauer war unglaublich, dieses eine sexuelle Erlebnis mit ihm schien alle miesen Nächte mit Luke wett zu machen.
„Okay, ich brauch ne Pause, manche Leute brauchen Luft zum Atmen“, keuchte sie, als er unersättlich wurde.
„Sorry, ich hatte schon ne Weile keine Solid mehr, wir können aufhören, Slug braucht sicher auch wieder sein Büro“, schmunzelte er und legte liebevoll seine Jacke um ihren Körper.
„Das ist das Büro deines Chefs? Ich dachte, das wäre dein Büro“, bemerkte sie erschreckt und zog sich schnell an.
„Ist auch mein Büro, ich bin sein Assistent, schon vergessen? Hier ist keine Kamera drin, keine Sorge“, versprach er und zog auch seine Hose wieder an.
„Du warst ne Weile nicht mehr hier, ich hab eine über meinem Schreibtisch“, hörten sie plötzlich Slugs Stimme.
„Scheiße, sorry Süße, Slug, du bist mein Boss, aber das geht zu weit“, murrte Jordan ertappt.
„Das ist mein Büro, da kann ich machen was ich will. Ich bin übrigens begeistert von deiner Potenz, das wollte ich dich doch länger schon mal fragen“, bemerkte Slug.
„Dein Chef ist echt ein Perversling, ich verschwinde hier“, war Jude entsetzt und eilte barfuß davon.
„Sie hat Recht, Slug, du bist zu weit gegangen, du bist doch auf eine Schule für Gentleman in Cambridge gegangen, also benimm dich auch wie einer“, zischte Jordan sauer und zog sich ruckartig an.
„In deiner Wohnung sind keine Kameras, da kannst du es solange und mit so vielen Frauen treiben wie du willst“, entschied Slug.
„Das werd‘ ich auch, mit einer mein ich jetzt. Ich nehm mir den Rest des Tages frei. Ich halte auch keinen Funkkontakt zu dir, also lass mich einfach in Ruhe“, war er wirklich stinksauer und ging Jude hinterher.
 
„Jude, hey, Baby, warte“, rief er zu ihr, während sie barfuß über einige Brücken stapfte.
„Ich hab’s satt, ich habe mich grade aus einer Beziehung gelöst, in der ich immer überwacht wurde. Ich hab immer gedacht, dass das schlimmste ist, was mir passieren konnte, doch jetzt werde ich schon beim Sex gefilmt, das ist so ein Eingriff in meine Privatsphäre, dass ich das gar nicht besprechen möchte. Bring mich zurück nach Jupiter“, stapfte sie weiter.
„Luke wollte dich umbringen oder schlimmeres mit dir anstellen, das willst du nicht wirklich“, war er entsetzt.
„Ich weiß nicht was ich will, deshalb wollte ich es ja auch langsam angehen lassen. Das war mal wieder viel zu voreilig, es war zwar der beste Sex meines Lebens, aber nicht richtig“, war sie verwirrt und blieb stehen.
„Bester Sex deines Lebens?“, frotzelte er.
„Bild dir nichts darauf ein, meine letzten Lover waren durchweg alles Nieten. Das ist nicht der Punkt, Punkt ist, dass ich diese Big-Brother-Show hier nicht mitmache“, hielt sie an ihrem Standpunkt fest.
„Sicher, wenn du das willst kann ich dich auch wo anders hinbringen, unsere Bahnen reichen bis Großbritannien, du könntest in Dover ein neues Leben anfangen, ich hab einen Bekannten dort, der kann dir bei Allem helfen“, schlug er vor.
„Meinst du das ernst? Du lässt mich aber beunruhigend schnell gehen“, war sie enttäuscht.
„Man muss euch Frauen nicht verstehen, oder? Du willst doch gehen, dachte ich“, bemerkte er kopfschüttelnd.
„Ja, will ich, aber ich hab von dir mehr als diese Kühle erwartet. Ich werde meine wenigen Habseligkeiten packen und hier verschwinden“, entgegnete sie traurig und ging zu ihrer Wohnung.
 
Jordan fing sie auf einer Bank sitzend vor ihrer Wohnung vor.
„Na, bist du soweit?“, fragte er liebevoll, aber distanziert.
„Mein bester Freund knallt grad meine beste Freundin da drin“, sagte sie trocken.
„Immer noch? Ja, die Neulinge sind meistens nicht zu stoppen, da kommt man sich unzulänglich vor. Dreda braucht sicher Sauerstoff nach diesem Marathon. Ich kann dir deine Sachen nachschicken, wenn du willst“, entgegnete er. Man konnte ihm richtig ansehen, dass es ihm wehtat, dass sie gehen wollte.
„Ja, ist ja nicht wirklich mein Zeug. Ich wollte schon immer mal nach Großbritannien, ich werde wohl da mein neues Leben beginnen, wie es aussieht“, entschied sie.
„Willst du dich bei deinen Freunden nicht verabschieden?“
„Ich bin nicht gut in solchen Sachen, lass uns einfach gehen“, bat sie und stand auf.
„Sicher, wie du meinst. Sein Name ist Brian, ich schreib ihm ne Mail das du kommst, du brauchst etwa zwei Stunden für den Transport, ich werde dir ein Schlafmittel spritzen, das erlebst du lieber ohne Bewusstsein, das wär zu viel für deinen Körper“, erklärte er die Prozedur.
„Mach was du willst“, entschied sie.
„Soll ich es im Zug machen oder in der Praxis?“
„Im Zug bitte, danke“
 
„Es kann sein, dass es dir danach ein paar Stunden nicht gut geht, vor allem wegen deinem Kater und natürlich der Betäubung, aber so ist es besser, glaub mir, ich hab die Tour schon gemacht. Träum was Schönes“, erklärte er, während er ihr die Injektionsnadel in den Arm jagte.
„Ich hab dich wirklich gern“, murmelte sie, während sie dahindöste.
„Ich liebe dich auch, Kleines“, erwiderte er und küsste weinend ihren Kopf, bevor er die bewusstlose Jude sanft in ihren Sitz gleitend ließ.

Vierzehntes Kapitel


„Hey, ich hab dich weinen sehen über die Überwachungskameras, alles klar?“, fragte Doug, als er sich neben seinen Patienten setzte.
„Sie hat echt Recht, das ist echt wie Big Brother hier“, schluchzte er.
„Ich versuch erst gar nicht so zu verstehen, was du mir sagen willst. Wen hast du denn zum Zug gebracht?“, wollte er mitfühlend wissen.
„Jude, sie ist weg“, war er untröstlich.
„Was heißt weg? Du hast sie doch nicht nach Hause geschickt, oder?“
„Brian wird sich jetzt um sie kümmern“, erklärte sie gefasster.
„Du hast sie auf die Insel geschickt? Man, da muss echt was bei euch vorgefallen sein“, schlussfolgerte Doug und Jordan sah ihn an.
„Sie wollte nicht mehr hier sein, deshalb hab ich sie weggeschickt, obwohl ich sie liebe“, bemerkte er.
„Du liebst sie? Du kennst sie doch gar nicht“, verstand Doug nicht.
„Liebe hält sich an keine Regeln, ich will sie nicht verlieren“, jammerte er.
„Ich will ja nicht kleinlich sein, aber warum hast du sie dann weggeschickt?“
„Sie wollte es so, hörst du mir überhaupt zu?“
„Das hast du nicht wirklich grad gesagt, oder? Ich weiß mehr über dich wie über mich selbst. Ich hab schon verstanden, dass sie dich verlassen hat. Aber was jammerst du dann rum? Steig in den nächsten Zug und hol sie dir zurück“, sagte er standhaft.
„Man, für nen Therapeuten bist du manchmal echt dämlich“, stand Jordan kopfschüttelnd auf und ging davon.
 
Eine Stunde später saß Jordan allein in seinem Büro und versuchte sich mit Patientenunterlagen abzulenken als Dreda zu ihm kam.
„Hey Jor‘, hast du Jude gesehen?“, fragte sie gutgelaunt.
„Die ist in Dover“, bemerkte er nur ohne aufzusehen.
„Ah okay, welche Abteilung ist das hier?“
„Unsere Abteilungen haben keine Namen“, erklärte er trocken.
„Bitte sag mir nicht, dass sie in Europa ist!“
„Sie ist nicht in Europa…“
„Gott sei Dank!“
„…zumindest nicht in der nächsten Stunde“, fügte er hinzu.
„Du hast sie nach Großbritannien geschickt? Hast du den Verstand verloren?“
„Glaubst du, ich hab das freiwillig gemacht? Sie wollte hier weg und das war der einzige englischsprachige Außenpunkt den wir haben. Was hättest du gemacht?“
„Ich hätte erst Mal mich informiert, dass ich mich verabschieden kann. Kommt sie wieder?“
„Hat nicht den Anschein, ich arbeite“, wollte er sie loswerden.
„Du arbeitest einfach so? Du liebst sie doch, das weiß ich“, wurde sie wütend.
„Könntest du bitte einfach mein Büro verlassen und mich in Ruhe lassen?“, sah er sie an. Er weinte.
„Klar, ich lass dich in Ruhe“, war sie überfordert von seinen Tränen und ließ ihn allein.
 
„Süße, warum weinst du?“, fragte Brendon, als sie zurück in die Wohnung kam. Er lag erschöpft im Bett.
„Jude ist weg“
„Was heißt Jude ist weg?“
„Sie haben anscheinend gestritten und sie wollte weg. Warum hat sie sich nicht verabschiedet?“, weinte sie und kuschelte sich an ihn.
„Sie ist nicht so gut in Verabschiedungen“, erklärte er.
„Sie ist nicht gut in Verabschiedungen? Ist das dein Ernst? Soll das eine Rechtfertigung sein einfach so zu verschwinden?“, schniefte sie und er drückte sie fest an seine Brust.
 
Ein trockenes Gefühl im Mund weckte Judea Walsh. Das Betäubungsmittel hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Jordan hatte Recht gehabt, sie fühlte sich wirklich nicht gut.
„Morgen Dornrösschen, Dr. Blauwal hat dich aber echt ziemlich tief ins Land der Träume versetzt“, hörte sie jemanden in einem ziemlich derben englischen Akzent reden.
„Durst“, hauchte sie dehydriert.
„Denk ich mir“, bemerkte die Stimme und zwei Hände, die mit groben Schwielen übersäht waren, legten ihr eine Plastikflasche in ihre Hände. Sie sah noch verschwommen, aber sie konnte die Flasche öffnen und gierig daraus trinken.
„Besser?“
„Ein bisschen danke. Ich bin noch ziemlich daneben, ich brauch ne Minute“, bat sie.
„Sicher Schnuckelchen, nimm dir alle Zeit die du brauchst. Ich bin Brian, Jordans Kumpel. Ich hab erst vor ner halben Stunde oder so seine Mail gesehen. Ich soll mich um dich kümmern, aber nicht zu gut, denn er kann mich ermorden ohne Spuren zu hinterlassen, seine Worte, nicht meine“, schmunzelte der charmante Engländer, der etwa um die Vierzig sein musste.
„Betäuben kann er schon mal wie ein Weltmeister. Atme ich da Sauerstoff ein? Ich mein richtigen aus der Luft? Man, fühlt sich das gut an“, atmete sie tief die Luft ein, die nach Salzwasser und Fisch roch.
„Ja, da unten kriegt man einen Rappel, ich hab mal sechs Monate da verbracht, das ist nicht lustig. Siehst du langsam wieder was?“, wedelte er mit der Hand vor ihrem Gesicht herum und sie hielt seine Hand fest.
„Sieht noch so aus wie nach drei Daiquiris, aber ja, danke der Nachfrage. Du musst mir hochhelfen“, bat sie und er zog sie hoch.
„Ich stütz dich, leg deinen Arm um meine Hüfte. Wir haben so kurzfristig nichts für dich organisieren können, deshalb kommst du erst Mal zu mir. Du kriegst mein Schlafzimmer und ich schlaf auf dem Sofa. Du siehst müde aus, du solltest dich erholen“, schlug er vor und brachte sie zu sich nach Hause. Brian wohnte in einem Haus direkt am Meer. Der Meeresspiegel war schon vor dem Unglück in Jupiter so hoch gewesen, dass es keine Häuser mehr am Meer gegeben hatte.
„Es ist wunderschön hier“, begutachtete sie das Haus. Es war eins dieser Häuser die noch vor dem Jahrtausend gebaut worden waren und das Meeresklima hatte ihm ziemlich zugesetzt. Trotzdem war es herrlich anzusehen.
„Ja, ich vergess immer, dass ihr so was bei euch nicht mehr habt. Ich muss noch aufräumen, mach es dir auf dem Sofa gemütlich“, erklärte Brian und schloss die Tür auf. Überall lagen Zeitschriften, Klamotten und anderes Zeug auf dem Boden herum.
„Ja, ist wirklich chaotisch hier, ich war grad ne Weile auf See, ich bin Fischer, ich bin die meiste Zeit des Jahres nicht hier, deshalb kannst du dich ausbreiten wie du willst. Ich bin nur zwei Tage da, bevor ich wieder raus muss. Ich putz noch, versprochen“, entgegnete er und hob ein paar Sachen vom Boden auf.
„Schon gut, ich war in den letzten Tagen immer in einem sterilen Umfeld, da ist das erfrischend. Ich schlaf auf dem Sofa, das sieht grad total bequem aus. Ich will ja nicht unhöflich sein, aber ich hab nen Kater, bin sexuell ausgelaugt und noch etwas betäubt, ich will nur noch schlafen“, erklärte sie.
„Das erste Mal mit nem Liquid, was? Deswegen war ich sechs Monate auf der Station, diese heiße Liquid hat mich nicht mehr aus ihren Fängen gelassen. Die sind so sexhungrig, aber wem sag ich das“, bemerkte er keck.
„Du bist kein Liquid?“
„Oh Gott, nein, das mach ich nicht mit, das ist mir zu schräg. Du denkst doch nicht etwa darüber nach eine zu werden, oder?“
„Nein, mein bester Freund hat das grad hinter sich gebracht, er hat das gemacht um wieder laufen zu können, ich bin fit, ich brauch so was nicht“, versicherte sie.
„Gut, das klingt vielleicht am Anfang verführerisch, aber das ist es nicht. So, nimm Platz, du siehst echt fertig aus“, klopfte er das Sofa sauber.
„Ich bin zu müde um dich zu fragen was du damit meinst. Wir reden später“, kuschelte sie sich in urig gemütliche Couch.
 
Der Geruch von gebratenem Fisch weckte sie. Es war dunkel, sie fühlte sich im ersten Mal seit Monaten wirklich erholt. Benommen schlurfte sie in die Küche, in dem Brian Essen kochte.
„Hey, du musst Hunger haben, du hast fast 15 Stunden geschlafen, hast es wohl gebraucht. Ich koch Lachs mit Reis und Kohlrabi, was einfaches, aber es schmeckt dir sicher. Setz dich“, erklärte er und sie ließ sich auf einen Stuhl plumpsen.
„Oh ja, ich verhungere, da ess ich sogar Fisch. Das riecht echt gut, du kannst kochen, wie mir scheint“, lobte sie ihn.
„20 Jahre Singledasein haben mich geprägt, da lernt man kochen“, entschied er und lud ihr Essen auf.
„Wie alt bist du, wenn ich fragen darf?“, wollte sie von ihm wissen.
„47, ich seh aber älter aus, das macht die raue Seeluft, du?“
„28 bald 29 in ein paar Wochen. Hast du immer schon hier gewohnt?“
„Ich bin hier aufgewachsen, ich war ne Weile in den Staaten das ist so dreißig Jahre her“, entgegnete er.
„Wo hast du denn gewohnt?“
„In Florida, in so ner kleinen Stadt direkt am Meer, kennst du sicher nicht“, schmunzelte er.
„Ich komm auch aus einer Stadt am Meer, obwohl wir ja jetzt eher im Meer liegen“, witzelte sie.
„Du kommst doch nicht etwa aus Jupiter, oder?“
„Genau daher, da warst du auch?“
„Ja, das ist wohl die einzige Stadt an der Ostküste, die unter dem Meeresspiegel liegt. Ich hatte eine Kleine dort damals, ich hab auf einem Transportschiff gearbeitet, es waren nur zwei Nächte, aber die schönsten meines Lebens. Ich hab meine anderen Beziehungen immer mit ihr verglichen, sie sieht dir ähnlich ehrlich gesagt“, dachte er laut nach und sie stand auf und kam nah an ihn heran. Das verwirrte ihn.
„Was machst du?“
„Sorry, ich bin als Waise aufgewachsen, wollte nur sicher gehen“, erklärte sie.
„Du denkst, dass ich dein Vater bin? Weißt du wer deine Mutter war?“
„Nein, ich bin in einem Heim aufgewachsen, ich wollte eigentlich nie etwas über meine Eltern wissen, dann war es zu spät als mein Waisenhaus samt aller Unterlagen zu meinem Fall unterging. Wir sehen uns echt ähnlich, hast du nen Bild von der Frau?“, wurde sie neugierig.
„Nur das eine hier, ihr Name war Louisa, so eine Schönheit genau wie du“, bemerkte er und zeigte ihr ein Bild auf seinem altmodischen PC.
„Oh mein Gott, ich kenne sie, das ist Schwester Annabell“, war Jude verblüfft.
„Schwester wie Ordensschwester?“
„Ja, sie war in unserem Waisenheim als ich noch ganz klein war, irgendwann war sie dann verschwunden. Ich mochte sie immer. Wenn sie wirklich meine Mutter ist, ist das wirklich schräg“, schlussfolgerte sie.
„Ich könnte also wirklich dein Vater sein?“, war er verwirrt.
„Keine Ahnung, hat sie dir gesagt, dass sie schwanger ist?“
„Ich kannte sie nur zwei Tage, ich kannte nicht Mal ihren Nachnamen. Das Bild hab ich heimlich aufgenommen, sie mochte keine Fotos von sich“, sagte er und fuhr nachdenklich über den Bildschirm.
„Denkst du, sie lebt noch?“
„Keine Ahnung, Schwestern verschwinden nicht einfach so aus Waisenhäusern außer sie sterben oder finden einen Mann, wegen dem sie ihr Zölibat brechen. Das Zweite find ich fast schlimmer, denn das heißt, sie ist mit jemand anderem glücklich geworden“, entschied er.
„Willst du nicht, dass sie glücklich ist?“
„Ja, schon, ist nur traurig. Ich glaub zwar nicht, dass ich es das sage, aber wir sollten testen ob du meine Tochter sein könntest“, schlussfolgerte er.
„Wenn du willst. Habt ihr hier auch diese Vaterschafts-Schnelltest im Supermarkt?“
„Ja, aber ich kann den nicht hier kaufen, hier kennt mich jeder“, druckste er herum.
„Dann mach ich es, kein Problem. Ich besorg morgen einen“, versprach sie.
„Danke, man, ich hab nicht gedacht, dass ich meiner Tochter begegnen könnte, ich wollte immer Kinder haben“, entschied er und setzte sich auch zum Essen hin.
„Das Essen ist gut“, sagte sie nur und sie aßen schweigend weiter.
Früh am nächsten Morgen lief Jude am Strand entlang. Obwohl sie am Meer aufgewachsen war, war sie nicht wirklich einmal am Meer gewesen. Als dann die Mauer aufgebaut worden war, hatte sie auch nie wieder die Chance gehabt.
„Morgen, ist nen schöner Ausblick hier, oder?“, kam Brian neben ihr hergelaufen.
„Wunderschön, kaum zu beschreiben. Ich wünschte, Jordan wäre hier“, sagte sie nachdenklich.
„Ich will ja nichts sagen, aber bist du nicht von ihm abgehauen?“
„Ich bin von der Station geflohen, nicht von ihm. Ich mag ihn wirklich gern, ehrlich“, erklärte sie.
„Aber du musstest da raus, hab schon verstanden. Und du kanntest ihn nicht gut genug um ihn zu bitten mit dir mitzukommen“, schlussfolgerte er.
„Wir sollten den Vaterschaftstest machen lassen bevor wir weiter über mein Sexleben reden“, bat sie.
„Sicher, ich fahr dich zum Supermarkt“, konterte er und sie liefen zusammen zu seinem alten Lieferwagen.
„Kleiner Tipp, wenn du dein Single-Dasein loswerden willst, fang mit dem Lieferwagen an, der ist gruselig“, bemerkte sie, als sie einstieg.
„Darin muss ich meine Lieferungen transportieren, ich kann mir keine zwei Wägen leisten“, maulte er.
„Ja, riecht man. Ich darf ja nichts sagen, ich fahr einen Jet-Ski, aber das hat eher praktische Gründe. Wir sollten noch andere Sachen kaufen, da fällt der Test nicht so auf“, erklärte sie und er fuhr los.
„Ist nicht der erste Test den du kaufst, oder?“
„Ich sagte Sexleben nicht bereden, bevor wir sicher sein können“
„Klar, fahren wir einfach!“
                                                                                                                              
Etwas zögerlich ging Judea Walsh mit einem metallenen Korb durch das Kaufhaus. Solche altmodischen Supermärkte hatte sie in den Staaten nie besucht, es hatte was Uriges. Hektisch steckte sie Milch, Eier und Taschentücher in den Korb und ging dann zu dem Ständer mit den Tests. Sie zögerte so sehr bis eine Supermarktangestellte ihr zur Hilfe eilte.
„Hey Schätzchen, kann man dir helfen?“, fragte die Mittvierzigerin sie.
„Weiß ich nicht genau!“
„Lover oder Vater?“, half sie ihr.
„Vater, denken wir, das ist alles so schräg“, entgegnete sie.
„Dann ist der hier gut, solang du keinen Schwangerschaftstest für dich und deinen Vater kaufen musst“, schmunzelte die Angestellte freundlich und gab ihr eine Schachtel.
„Nein, natürlich nicht, was denken Sie denn von mir. Danke, das wär alles“, stotterte sie und eilte zur Kasse.
 
„Hast du ihn bekommen?“, wartete Brian nervös an seinen Lieferwagen gelehnt auf sie.
„Ja, die Verkäuferin meinte, das wäre der Beste. Machen wir den Test am Strand, da sind wir beide entspannter“, schlug sie vor und Brian nickte.
„Das ist so schräg“, bemerkte Jude, als sie nebeneinander am Strand im Sand saßen.
„Wem sagst du das, bis gestern dachte ich noch, Jordan schickt mir wieder eine von seinen Kleinen, aber anscheinend bist du meine Kleine“, bemerkte er und drückte seinen blutenden Daumen so wie sie in den Test.
„Okay, ein Streifen zeigt die gleiche Blutgruppe an, das Kreuz den genetischen Beweis“, las sie auf der Verpackung und sie warteten gespannt.
„Ein Streifen ist schon da“, wagte er es nicht zu atmen.
„Gleiche Blutgruppen haben viele Leute, das heißt noch nichts!“, sagte sie, aber dann erschien das Kreuz auf dem Test.
„Man, ich bin erst Mal froh dass das kein Schwangerschaftstest ist“, brachte sie nur heraus.
„Wie sicher sind diese Dinger?“
„Keine Ahnung, stell dir vor, ich mach den Test zum ersten Mal“, wusste sie nicht, was sie sagen sollte.
„Wir sollten das bei einem Arzt feststellen lassen. Ich würde mich freuen, du wärst meine einzige Familie, ich habe weder Eltern noch Geschwister, ich bin wie du im Waisenhaus aufgewachsen“, konterte er.
„Wirklich? Das erklärt warum wir uns nach so einer kurzen Zeit so gut verstehen. Das merkst du doch auch, oder?“
„Ja, erst dachte ich, das ich auf dich stehen würde, aber da du anscheinend meine Tochter bist, ist es gut, dass ich den Gefühlen nicht nachgegangen bin“, schmunzelte er und sie verzog das Gesicht.
„Diese Tatsache verlässt diesen Strand nicht, verstanden?“
„Da bin ich ganz deiner Meinung. Also, wo machen wir diesen Test?“
„Ich kenn da ne Ärztin die das schon öfters mal gemacht hat, du darfst mich aber nicht fragen für wen“, bat er.
„Für dich?“
„Nein!“
„Für Jordan?“
„Verdammt, ihr Frauen seid so hartnäckig, ja, für Jordan. Das solltest du nicht wissen“, murmelte er.
„Er ist ein Schürzenjäger?“
„Mehr als mir lieb und Recht ist, er ist wie ein Sohn für mich was wenn ich nachdenke seltsam ist, wenn du wirklich meine Tochter bist“, redete er vor sich her.
„Ich brauch erst Mal Zeit für mich“, entgegnete sie konfus und stand auf.
„Sicher, geh nicht zu weit weg“, entschied er und sah ihr hinterher bis er sie nicht mehr sah.
 
„Mach langsam, du musst morgen noch keinen Marathon laufen können“, bat Dreda, als sie Brendon liebevoll stützend durch die Station führte.
„Ich will dich nur überall hinführen, wo du hinwillst“, entschied er.
„Das wirst du auch, aber nicht schon heute. Wo ich hinwill brauchen wir auch nicht laufen“, sagte sie nachdenklich.
„Ich will auch nach Dover, Schätzchen, ich bin aber noch nicht fit genug“, bemerkte er.
„Ich weiß, ich geh aber nicht ohne dich. Apropos ohne dich, hat er sich immer noch in seiner Wohnung eingeschlossen?“, sprach sie ihn auf Jordan an, der sich nicht mehr aus seiner Wohnung traute.
„Jep, das hat ihn wirklich hart getroffen, ich hab Gerüchte gehört, er lässt nichts anbrennen, an unserer Kleinen hat er sich wohl sehr verbrannt“, schlussfolgerte Brendon.
„Wir müssen ihn da rausholen!“
„Ja, du Witzbold, irgendwelche Ideen wie wir das machen sollen?“
„Wir machen den Feueralarm an, dann muss er rauskommen!“
„Ich denk die schmeißen uns hochkant raus, wenn wir das hier machen. Ich weiß was, aber dafür musst du gut schauspielern können“, plante Brendon.
„Ich denk, das krieg ich hin“
„Gut, dann machen wir es so…“, begann er zu erklären.
 
„Jor‘, bitte mach die Tür auf, ich brauch deine Hilfe, Brendon ist zusammen gebrochen“, trommelte Dreda gespielt panisch gegen Jordans Haustür.
„Dann ruf Slug, er ist der Arzt“, rief Jordan schlecht gelaunt.
„Ich erreich‘ ihn nicht, bitte, er sieht furchtbar aus“, spielte sie weiter und die Tür ging auf.
„Meinetwegen, also wo ist er?“, kam ein durchzechter Pfleger vor die Tür.
„Hier ums Eck“, zog sie ihn weg.
„Was ist denn passiert?“, wollte er wissen und sie drückte ihn ums Eck während sie aus dem Augenwinkel zusah, wie ihr Freund Jordans Wohnungstür manipulierte, dass er nicht mehr reinkam.
„Gar nichts, ich wollte dich nur rauslocken“, sagte sie breit grinsend.
„Na super, euch muss echt langweilig sein. Lässt du mich jetzt wieder nach Hause gehen?“, murrte er und ging zu seiner Wohnung zurück.
Nachdem er mehrmals erfolgslos versucht hatte, den Code für seine Haustür einzugeben, brüllte er nach Brendon.
„Sie haben gebrüllt, eure Hoheit?“, kam Brendon an Krücken zu ihm gehumpelt.
„Was hast du damit gemacht?“
„Was hab ich mit was gemacht?“
„Brendon“, war er echt wütend.
„Wir wollten dich nur aus deinem Schneckenhaus rausholen, Süßer“, kam Dreda zurück.
„Das habt ihr ja geschafft, jetzt lasst mich wieder rein“, forderte er.
„Wir vermissen sie auch, aber du hast sie weggeschickt, du musste damit umgehen lernen“, versuchte Dreda ihn zu beruhigen.
„Es ist keine 36 Stunden her, da hast du dich auch so hängen lassen“, murrte er.
„Ja, aber das ist nicht die Lösung für alles, das hab ich jetzt kapiert. Wenn du sie zurückwillst, hol sie zurück, wenn nicht, hör auf zu jammern“, entschied sie ernst.
„Arielle vermisst mich sicher schon, dann zisch ich halt nach Jupiter ab“, murrte er und ging Richtung Druckschächte, in die er sich pumpen ließ.
„Was zum Henker war das denn grad?“
„Das ist so was wie ein Eilzug von A nach B, das können nur wir Liquids benutzen, du bist eine ganze Weile unter Wasser dabei. Ist wohl nicht so gelaufen wie wir das geplant hatten, oder?“
„Zumindest ist er aus dem Zimmer raus. Kannst du die Tür noch öffnen?“, fragte sie verführerisch. Er klopfte einmal auf die Konsole und die Tür sprang auf.
„Mein kleiner Tüftler“, flirtete sie und zog ihn in Jordans Wohnung.

Fünfzehntes Kapitel


Jordan Terenzi keuchte, als er durch die Düse in Jupiter ankam. Als er sich mühsam an den Rand des Beckens zog, bekam er eine Hand gereicht.
„Wir kündigen unsere Jumps eigentlich immer an, dass im Notfall keiner ertrinkt. Willkommen zurück, großer Bruder“, hörte er die Stimme seiner Schwester.
„Ah, ich leb ja noch“, hatte er eine ganz finstere Laune.
„Wolltest du dich grad umbringen?“, fragte sie vorsichtig.
„Da würd ich andere Wege wählen als ertrinken, glaub mir, auf der Krankenstation gibt es mindestens drei Medikamente, mit denen ich es leichter schaffe“, entschied er und rappelte sich auf. Er trug Leinenkleidung, die seinen muskulösen Oberkörper im nassen Zustand gut zur Geltung brachten.
„Warum trägst du keinen Suit? Du hast dir sicher wehgetan mit den Klamotten“, maulte Arielle und er zog sein Oberteil aus. Er hatte Schürfwunden am Rücken.
„Kümmere dich um deinen eigenen Scheiß“, bat er, schmiss sein nasses Hemd in einen Wäschesack und lief mit triefender Hose den Gang entlang zu seinem Büro.
Kopfschüttelnd ging sie ihrem Bruder hinterher. Als sie zu ihm ins Büro kam, versuchte er grade seine Wunden am Rücken selbst zu versorgen.
„Was ist los?“, fragte sie liebevoll und verarztete ihn.
„Ich hab sie gehen lassen“, begann er wieder zu weinen. Arielle, die ihren Bruder noch nie wegen einer Frau weinen gesehen hatte, wich etwas verwirrt zurück.
„Mein Gott, du hast sie wirklich gern, das hab ich ja noch nie erlebt bei dir. Du hast die auch wieder nach England geschickt, oder?“
„Ja, wird langsam voll von denen auf der Insel. Aber die möchte ich zurück“, schniefte er.
„Dann hol sie dir zurück und heul hier nicht rum wie ein Mädchen“, gab Arielle ihm den gleichen Ratschlag wie schon die anderen.
„Du hast Recht, ich sollte sofort nach Dover und sie mir zurückholen, au“, stand er auf und riss dabei den Wund-Tacker von seiner Haut.
„Ich bin noch nicht fertig, setz dich wieder hin, bevor ich dir den Rücken noch weiter aufreiße. Du hast zwei Jumps in drei Tagen gemacht, ruh dich erst mal aus, bevor du wieder springst. Vor allem mit den Wunden am Rücken“, bat sie und drückte ihn wieder zurück auf den Stuhl.
„Wer hat dir eigentlich gezeigt, wie man das Ding benutzt?“
„Du warst das, Dummerchen, als ich dir das letzte Mal den Rücken machen musste, weil du unbedingt einen Quickie mit einer Liquid da drin machen musstest. Du warst ziemlich besoffen damals, deshalb ist dir das vermutlich entfallen. Jetzt riechst du auch nicht besser übrigens. So, fertig, ab unter die Dusche und dann ins Bett, los“, sagte sie ernst.
„Du klingst langsam echt wie Mum“, murrte er, ging aber brav davon.
 
„Warte mal kurz, ich hör da was“, hielt Dreda ihren Freund zurück, als sie sich mit ihm im Bett des befreundeten Pflegers amüsierte.
„Das sind nur deine Schuldgefühle, weil wir nicht hier sein sollten“, küsste er weiter ihren Nacken, hörte aber dann auch etwas.
„Verdammt, da kommt wirklich jemand“, ließ er von ihr ab. Sie hatten grade noch Zeit sich spärlich anzuziehen, bis Slug breitbeinig vor ihrem Bett stand.
„Bitte sagt mir nicht, dass ihr mit Drago und seiner Kleinen einen bizarren Vierer macht und die sich jetzt im Schrank verstecken“, sagte er nur.
„Tut uns leid, Sir, wir konnten nicht wiederstehen, die anderen sind weg, wir auch gleich“, stotterte Dreda und sprang aus dem Bett.
„Was heißt weg?“
„Sie ist in Dover, er vermutlich wieder in Florida, fragen Sie mich nicht wieso, das wissen nur die alleine. Schatz, steh auf“, war Dreda das furchtbar peinlich.
„Ich bin nicht so schnell grade, wie du weißt“
„Gut, dann helf ich dir. Tut uns nochmal so leid, Sir“, ging sie ums Bett herum und stützte ihren Freund zur Tür.
„Was machen Sie überhaupt hier? Das ist doch Jordans Wohnung, oder?“
„Ja, aber er ist mein Assi, ich kenn seinen Code, ich hatte etwas Schwierigkeiten reinzukommen, wenn du genauso viel vom Kaputtmachen von Schlössern verstehst wie vom heile machen, kann ich dir hier einen Job anbieten“, bemerkte Slug cool. Brendon hangelte sich an der Tür entlang und reparierte das Schloss.
„Das war jetzt leicht, weil ich es ja kaputt gemacht habe, aber ich kann das ziemlich gut, ja“, konterte er lässig und nahm seine Krücken.
„Dann meld dich bei Eddie von der Hauswirtschaft, sag ihm, du kommst von mir, dann gibt er dir was zu tun. Du bekommst dann auch einen Dienst-Segway, das wird dir helfen dich zu bewegen, bis du wieder richtig laufen kannst“, konterte Slug.
„Ja, danke, werde ich machen, danke für die Chance. Gehen wir“, erwiderte Brendon und ging mit Dreda aus der fremden Wohnung.
„Man, war das peinlich, ausgerechnet vom Chef von dem allem hier erwischt zu werden. Aber auch irgendwie aufregend. Glaubst du, Jordan weiß, dass sein Boss bei ihm ein und ausgeht?“
„Will ich irgendwie gar nicht wissen. Hast du ne Ahnung, wie wir ihn erreichen können?“, wollte sie wissen.
„Wieso willst du ihn erreichen?“
„Er war mies drauf, ich will nur sicher gehen, dass es ihm gut geht“, schlussfolgerte sie.
„Dann organisieren wir dir seine Nummer, wenn dir das so wichtig ist. Warum willst du eigentlich nicht mit Jude reden?“, sprach er das Thema an, was er den ganzen Tag schon vermieden hatte.
„Weil ich es nicht will, deswegen. Sie ist abgehauen, jetzt kann sie bleiben wo sie will. Ihr wird es schon gut gehen, wo auch immer sie grad ist“, bemerkte sie nachdenklich.
 
Die Lichter des Hafens funkelten in ihren Augenwinkeln als Jude nachdenklich am Strand saß. Jemand näherte sich ihr und sie schreckte zusammen.
„Sorry, du solltest nicht so weit gehen, es ist nicht sicher hier wenn es dunkel ist“, hörte sie Brians Stimme.
„Man, Dad, du kannst dich doch nicht einfach so an mich anschleichen“, murrte sie.
„Dad?“
„War das genauso schräg für dich wie für mich?“
„Ja, ziemlich!“
„War nen Versuch wert. Danke, dass du mir die Zeit gelassen hast, die ich brauchte“, bedankte sie sich.
„Immer doch. Sorry, ich krieg grad nen Anruf“, klingelte sein Handy und über die Webcam erhaschte sie einen Blick auf Jordan.
„Ist er das?“, fragte sie neugierig.
„Ja, ich geh da kurz ran, geh du zu den Lichtern“, bemerkte er abgelenkt und ging davon.
„Zu den Lichtern? Bin ich jetzt ein Glühwürmchen?“, fragte sie und stand auf.
Als sie unter einer Laterne saß und nicht wusste, was sie mit sich anstellen sollte, kam er zu ihr zurück.
„Er will mit dir reden“, erklärte er und drückte ihr das Handy in die Hand.
„Ich will aber nicht mit ihm … okay“, wurde sie überrumpelt und sah auf dem Bildschirm in das müde Gesicht von Jordan.
„Müde siehst du aus“, konnte sie nur sagen.
„Hab nicht mehr geschlafen, seit du weg bist. Ich bin wieder in Jupiter, ich hab es dort nicht mehr ausgehalten“, erklärte er.
„Brendon und Dreda haben vermutlich ihren Beitrag dazu geleistet, ich kenn sie gut genug. Leben sie noch?“, schmunzelte sie.
„Ja, sie sind am Dauer-Vögeln, also geht’s ihnen bestens. Ich vermisse dich“, gestand er.
„Was soll ich jetzt dazu sagen?“, war sie etwas abweisend.
„Vermisst du mich auch?“
„Natürlich vermiss ich dich, du Idiot, du hast mich ja einfach gehen lassen“, maulte sie.
„Ich will nur das Beste für dich, du siehst auch schon besser aus. Ist Brian nett zu dir?“, wollte er liebevoll wissen.
„Ja, er ist ein Engel. Schlaf etwas, wir sehen uns wieder“, beruhigte sie ihn und man merkte sofort in seinem Gesicht die Erleichterung.
„Wirklich?“
„Ja, wirklich. Arielle steht sicher schon vor deiner Tür und bittet dich inständig schlafen zu gehen“, konterte sie sanft.
„Danke, jetzt kann ich endlich schlafen gehen. Schlaf du auch gut, meine Süße“, legte er auf.
„Das war nett“, sagte plötzlich Brian neben ihr und sie zuckte wieder zusammen.
„Man, Brian, ich häng dir gleich ne Glocke um“, murmelte sie
„Was ist aus Dad geworden?“
„Noch hab ich das nicht offiziell. Ja, ich hab ihn angelogen, bin nicht stolz darauf, er sah nur so fertig aus und hat Schlaf gebraucht. Guck mich nicht so an, wir Frauen lügen gerne um Leute nicht zu verletzen. Ich hab Hunger, gibt es hier was, was nicht Fisch als Inhaltsstoff hat?“
„Sicher, wie sieht’s aus mit Burgern?“
„Ihr habt hier richtiges Rindfleisch?“, lief ihr das Wasser im Mund zusammen.
„Ja, wir haben auch richtige Rinder hier. Ihr habt ganz schön rationiert gelebt bei euch, oder?“
„Oh ja, und wie. Her mit den Burgern“, freute sie sich und er brachte sie in ein Diner.
 
Ein Alarm kreischte durch die Hallen der Station. Brendon kniff unangenehm berührt seine geschlossenen Augen zusammen.
„Was ist das?“, jammerte seine Freundin neben ihm. Sie lagen eng aneinander gekuschelt in dem 1m breiten Bett.
„Irgendein Alarm, die werden sich schon melden, wenn’s was Ernstes ist, schlaf weiter“, bat er und zog sie an sich.
„Leute, das ist kein Probealarm, Code Black, Solids zieht eure Sauerstoffmasken auf, wir stellen den Sauerstoff ab, wir haben Eindringlinge“, tönte Slugs Stimme durch die Lautsprecher.
„Nicht schon wieder. Hier“, zog Brendon seiner Freundin die Sauerstoffmaske über.
„Was passiert hier?“, war sie plötzlich hellwach.
„Atme einfach langsam ein uns aus, es wird alles wieder gut“, versprach er und strich ihr sanft über den Kopf, während sie wieder eindöste. Als er dachte, dass sie schlief, schlüpfte er in seinen Morgenmantel und ging Richtung Klinik.
„Hey Blue, du solltest im Zimmer bleiben, du kannst dich nicht verteidigen“, kam ein aufgeregter Slug auf ihn zu geeilt.
„Wie kann ich helfen? Was ist überhaupt passiert?“
„Wir haben ein Leck, eine Dark-Knight-Crew ist auf dem Weg hierher“, erklärte er.
„Du machst Witze, oder? Wie konnte das denn passieren?“
„Wenn ich das wüsste, hätten wir diesen Schlamassel nicht. Hast du nen Waffenschein?“
„Nein, ich bin nur ein Techniker, meine Süße ist die mit der Baller-Bevollmächtigung“, konterte er.
„Dann weck sie, wir können jeden Mann gebrauchen, oder besser gesagt, jede Person. Ich hab ihnen versprochen, dass sie hier sicher sind, ich kann mein Versprechen nicht halten“, sagte er weinerlich. Er wirkte so schwach, sein großes Ego war gewichen.

Sechzentes Kapitel


Brendon atmete schwer, als er neben Slug zu Dredas Wohnung eilte.
„Hast du Schwierigkeiten beim Atmen?“, fragte Slug fachmännisch.
„Etwas, ja, meine Lungen müssen sich wohl erst mal dran gewöhnen, dieses Sauerstoff-Ding zu machen“, keuchte er.
„Du meinst, Sauerstoff zu verarbeiten, das kannst du schon seit deiner Geburt, du musst deine Atmung kontrollieren, dann kannst du den Sauerstoffmangel ausgleichen. Sorry, dass du das jetzt auf die harte Tour lernen musst, aber ohne Sauerstoff können wir vielleicht einige von ihnen schwächen, obwohl ich nicht denke, dass die schwarzen Männer ohne Sauerstoffausrüstung so tief gekommen sind“, entgegnete Slug. Er versuchte cool zu wirken, zitterte aber am ganzen Körper.
Schwer keuchend ließ sich Brendon selbst in ihre Wohnung und nahm ihr etwas dreist die Sauerstoffmaske ab um zwei tiefe Züge zu nehmen.
„Wenn du ihr den Sauerstoff wegatmest hast du bald eine nicht mehr so lebendige Freundin“, schlussfolgerte Slug.
„Schatz, wach auf, tut mir leid, aber wir brauchen dich“, weckte Brendon sie unsanft.
„Was ist los?“, wollte sie wissen, hustete aber dann.
„Hier, dein Sauerstoff, den musst du tragen, wir haben hier keinen davon in der Luft. Die Knights haben uns gefunden“, erklärte er ganz kurz und prägnant und drückte ihr die Maske wieder auf den Mund.
„Die können uns hier nicht finden, wir sind tiefer als damals die Titanic gesunken ist“, entschied sie.
„Anscheinend haben wir sie unterschätzt. Nicht reden, das verbraucht zu viel Sauerstoff. Ist scheiße das ihr keine Zeichensprache könnt, kennt ihr euch wenigstens mit den Baseball-Zeichen aus?“, plante Slug und die beiden schüttelten den Kopf.
„Okay, dann rede immer nur ich. Hier Süße, beschütze deinen Freund. Die Sauerstoffflasche ist kugelsicher, also kann nichts passieren und der Sauerstoff ist, wenn ich euch so sehe auch schon weg hier. Bring keinen damit um, der grüne Augen hat, ja, außer er ist schwarz gekleidet, natürlich“, plapperte Slug, was das Paar irritierte.
„Folgt mir einfach, ihr Leichtmatrosen“, bat er und ging mit ihnen in die Schlacht.
 
Herabhängende Lichter flackerten und sprühten Funken. Arielle, die von den Knights niedergestochen worden war, kroch auf ihren Knien Richtung Krankenstation. Jordan versorgte dort schon ganz allein ein halbes Dutzend verletzte. Sie hatte ihre Station tapfer bekämpft, aber das Messer hatte sie überrascht. Sie zog eine Blutspur hinter sich her, wenn noch Knights auf der Station gewesen wären, hätten sie sie schon längst erledigt.
Mit letzter Kraft drückte sie halb kniend, halb stehend den Knopf für die Tür und fiel dann bewusstlos durch die aufspringende Tür.
„Charlie, nein, Süße, was haben die mit dir gemacht?“, ließ Jordan alles stehen und liegen und eilte zu ihr.
„Drag‘, komm her, deine Patientin verblutet“, rief ein anderer Liquid, den er als Helfer rekrutiert hatte.
„Das ist meine Schwester und sie verblutet auch, tackere sie weiter, ich hatte sie schon auf dem Diagnosebett, es sind keine wichtigen Organe verletzt. Mach schon, Blut ist dicker als Wasser, meine Eltern werden mir nie verzeihen, wenn ich sie sterben lassen“, erklärte er und legte seine stark blutende Schwester auch auf den Tisch.
„Gott sei Dank, ist auch nur eine Fleischwunde bei ihr, ich muss sie trotzdem nähen, ich nehm die Maschine, dann kann ich dir weiter helfen, Ich mag das Ding nicht, aber es tut was es soll“, konterte er und schloss sie an eine Maschine an, die einen Arzt im Notfall ersetzen konnte.
„Bitte verzeih mir“, küsste er ihren Kopf und widmete sich wieder seiner anderen Patientin.
 
Spät in der Nacht bekam Brian einen Anruf. Es war Jordan, der eine freie Minute gefunden hatte, sie anzurufen. Er wollte mit Jude reden, weil er mit jemandem über die Geschehnisse reden musste, Brian wollte sie aber nicht wecken, da sie erst einmal schlafen sollte, bevor sie damit konfrontiert wurde.
Weinend saß Jordan neben seiner Schwester die ruhig atmend auf dem Operationstisch lag.
„Ich fühl mich irgendwie missbraucht“, murmelte sie mit geschlossenen Augen.
Jordan rutschte zu ihrem Arm und legte seinen Kopf daneben.
„Hey, Bruderherz, ganz ruhig, sie ist in Sicherheit“, war Arielle trotz Betäubung ganz klar im Kopf und strich über seinen wuscheligen blonden Haarschopf, während er weiter wimmerte.
„Ich lieg ja in diesem Folterinstrument“, murmelte sie, als sie ihre Augen aufmachte.
„Ja, tut mir Leid, es war hier alles Chaos, ich hasse das Ding auch, aber du hattest eine echt böse Fleischwunde. Seit wann haben die Knights Messer?“
„Knights sind Monster, was weiß ich was die immer denken. Heute ist der erste Tag, wo ich froh bin, ein Liquid zu sein, das hätte mich sonst gleich umgebracht. Hör auf zu weinen, ihr geht’s gut“, versprach sie.
„Ich weine nicht um sie, ich weine um die 16 Liquids die letzte Nacht ihr Leben gelassen haben“, erklärte er zögerlich.
„Einer dabei den wir gut kennen?“
„Wir kennen alle gut, ich habe seit gestern keinen Kontakt mehr zur Atlantikstation, wir haben auch vierzehn Überlebende hier, sie haben sich aus Angst vor den Knights fast alle hier versteckt, wer konnte ahnen, dass sie hier nicht sicher sind. Ich weiß nicht, wie ich von hier weitermachen soll“, schluchzte er völlig aufgelöst.
„Erst mal stehst du auf und jammerst hier nicht so rum, es ist viel zu tun“, entschied Freeze, der in Thermokleidung in die Krankenstation kam.
„Nic, wir haben grad sechszehn Menschen für tot erklärt, obwohl wir überhaupt keine Ärzte sind, zeig Respekt“, wurde Jordan laut.
„Ich hab heute Nacht jede einzelne Leiche in die Gefrierkammer gelegt und eingefroren, ja, ich weiß was passiert ist und habe vollsten Respekt“, entgegnete er und zog seine Handschuhe aus.
„Ja, tut mir leid, ich hab nicht geschlafen, wann auch. Du hast sie cryogenisch eingefroren?“
„Der Boss ist nicht erreichbar und ich wusste nicht, was ich mit ihnen machen sollte. Was hättest du gemacht?“
„Gut gemacht, Kleiner“, mischte sich Arielle ein.
„Hey, du bist ja wieder wach. Wie geht’s dir?“, ging er zu ihr hin.
„Mir würde es besser gehen, wenn ich dem Kerl, der mich niedergestochen hat eine Kugel in den Schädel jagen könnte“, setzte sie sich auf.
„Arielle, du wurdest erst vor ein paar Stunden operiert, bleib liegen“, forderte Jordan.
„Ich bin hier für die Sicherheit zuständig und hab das hier alles zugelassen, ich muss das wieder gut machen!“, bat sie.
„Okay, wenn du einen ganz tiefen Atemzug machen kannst, lass ich dich gehen“, handelte Jordan und er sah wie sich ihre Kiemen bewegten.
„Auf Solid-Art, Charlie!“
„Hier gibt es keinen Sauerstoff!“
„Für einen Atemzug reicht es“
Sie begann ihren Atemzug musste dann aber heftig husten und das verursachte ihr starke Schmerzen.
„Du bist ein Arsch, ich hoffe, das weißt du“, jammerte sie.
„Wir bringen dich in dein Bett, aber da bleibst du, bis du vollkommen gesund bist. Sie sind alle weg, du musst hier nichts mehr beschützen“, konterte er und lud sie auf seine Arme.
„Ich kann selbst laufen!“
„Nein, kannst du nicht. Lass mich dir helfen, ich weiß nicht, was ich sonst machen soll“, bat er und trug sie in sein Zimmer.
Nachdem er ihr ein leichtes Schlafmittel gespritzt und ihr Zimmer sicher verriegelt hatte, ging er zu Niclas zurück.
Der übergab sich grade in einer Toilette.
„Das hast du seit heute Nacht zurückgehalten, oder?“, fragte er trocken und reichte ihm ein Handtuch.
„So viel Blut, vermischt mit diesem blauen Zeug was Slug in uns reingepumpt hat war das alles eine braune Masse, so dreckig“, stand Niclas richtig unter Schock.
„Komm, ich spritz dir auch was, du musst schlafen“, zog Jordan ihn hoch. Er hatte selbst Schlaf nötig, aber solang er gebraucht wurde, musste er nicht darüber nachdenken, dass er seine Freunde vermutlich in den sicheren Tod geschickt hatte.
 
Mit zittrigen Händen umklammerte Dreda die Waffe, die sie auf dem Schoß hatte. Sie saß auf einem fast gefrorenen Boden. Ihr Freund lag neben ihr in einer Kühlkammer. Ihr Sauerstoff in ihrer Flasche ging langsam zur Neige. Ice hatte die schwer verwundeten Liquids eingefroren und sie saß im Gefrierraum und bewachte sie. Sie hatte grade die Liebe ihres Lebens gefunden, sie konnte jetzt nicht sterben.
„Sie sind weg“, kam Ice zurück zu ihr. Er hatte auch schwere Verletzungen abbekommen, konnte aber noch auf seinen eigenen Beinen laufen, was Slug und Brendon nicht konnten. Sie legte die Waffe aus ihren eiskalten Händen und stand auf. Ein Teil ihrer Hose blieb auf dem Boden zurück.
„Ich hab wohl geschwitzt. Leg dich in eine Kabine, ich frier dich ein“, entschied sie.
„Das ist nicht wie Fischstäbchen einfrieren, das kannst du nicht so einfach machen“, murmelte er benommen und sie erklärte ihm, was sie tun musste, um ihn ein und wieder aufzutauen.
„Okay, du weißt wie es geht, das mach ich jetzt nur, weil ich vermutlich sonst verblute, stell meine Uhr auf zwei Stunden, dann müsste ich mich regeneriert haben“, bat er und legte sich hin.
„Was ist, wenn mir was passiert, werdet ihr dann irgendwann geweckt oder bleibt ihr dann tiefgefroren?“
„Das Maximum der Kammern sind drei Monate, aber dir wird nichts passieren, sie sind durchgezogen. Du musst Jordan versuchen zu erreichen, dass sie wissen, dass es uns gut geht, na ja, sag lieber nur, dass wir leben“, bat er.
„Ja, mach ich. Jetzt schlaf, ich brauch dich nachher noch“, half sie ihm sich selbst einzufrieren.
 
Die Männer hatten sie mit ihrem Leben beschützt und sie hatte außer ein paar Kratzern nichts abbekommen. Die Station war so gespenstisch, viele Lampen waren aus und es war totenstill. War sie die einzige Überlebende dort? Sie ließ nicht von ihrer Waffe ab mit der sie mehrere Knights getötet hatte. Sie hatte nie gedacht, dass sie töten konnte, aber um Brendon zu beschützen, der kaum selbst laufen hatte können, würde sie alles tun. Sie hörte Schritte und richtete ihre Waffe gegen die Person.
„Ich bin kein Knight“, bemerkte der Kerl mit strahlend grünen Augen und sie senkte die Waffe.
„Mir ist so kalt“, weinte sie und brach weinend zusammen.
 
Als sie wach wurde, fühlte sie die Wärme an ihrem Körper. Das war so ein tolles Gefühl.
„Dreda, Süße, wach auf“, weckte sie Judes Stimme sanft.
„Bin ich tot?“, wollte sie gar nicht wahrhaben, dass sie bei Jude war.
„Dann wär ich auch tot und das wäre echt blöd. Willkommen in England“, begrüßte sie ihre Freundin. Sie lag in einem Krankenzimmer.
„Wie komm ich hier her?“, war sie total benommen.
„Ein Liquid hat Brian gesagt, dass er dich schickt, weil du dort nicht bleiben kannst. Was ist passiert?“, fragte sie und Dreda begann wieder zu weinen. Nach einer halben Stunde konnte sie sich beruhigen und erzählen.
„Und Jordan?“, fragte sie jetzt auch unter Tränen.
„Ich sollte ihn kontaktieren, aber dann bin ich ohnmächtig geworden“, erkannte sie.
„Dann ruf ich ihn an, ihm wird es gut gehen, keine Sorge“, versprach Brian und ging nach draußen.
„Brian scheint ein netter Kerl zu sein“, sagte Dreda nur.
„Anscheinend ist er auch mein Vater“, warf sie plötzlich ein.
„Was?“
„Lange Geschichte, nicht hier, nicht heute. Ich bin für das alles verantwortlich, Luke war dabei, er war auf der Suche nach mir“, begann sie zu weinen.
„Wir haben einige erledigt, vielleicht war er dabei. Hier bist du sicher, ich würde dich auch mit meinem Leben beschützen, du bist wie meine Schwester. Tut mir leid, dass ich sauer auf dich war, du musstest da raus. Gott sei Dank warst du nicht da, wenn sie dich gefunden hätten, wäre schlimmes passiert, denk ich. Bitte lenk mich ab, warum ist Brian dein Vater?“, wollte sie abgelenkt werden, also erzählte sie ihr die Story.
„Man, ihr habt euch gefunden, ohne euch gesucht zu haben. Du hast ihn verdient, nach deiner furchtbaren Kindheit. Da ist er“, sah sie Brian zurückkommen.
„Er will mit dir reden“, streckte er Jude das Telefon hin.
„Jor‘“, begrüßte sie ihn schluchzend.
„Mir geht’s gut, den anderen auch. Arielle wurde schwer verletzt, aber sie wollte schon wieder aufstehen, sie gibt sich die Schuld für alles“, erklärte er auch unter Tränen.
„Sie soll sich keine Schuldgefühle machen, ich bin die einzige die das sollte. Hol sie ans Telefon, bitte“, bat sie.
„Ich hör dich, Süße, ich sitz neben ihm“, hörte sie Arielles Stimme. Sie war im Bild nicht zu sehen.
„Arielle, komm zum Bildschirm, ich will dich sehen“, bat Jude liebevoll und eine ziemlich blasse Arielle setzte sich neben ihren Bruder.
„Du siehst furchtbar aus, du wurdest verletzt, hab ich gehört?“, fragte sie mitfühlend. Arielle stand auf und zeigte ihren muskulösen Bauch auf der eine große Narbe zu sehen war.
„War das Luke?“, fasste sie den Bildschirm an, als wollte sie ihren Bauch anfassen.
„Ich hab die Person nicht gesehen, er oder sie trug eine Maske. Aber wenn ich den oder die erwische, mach ich kurzen Prozess“, bemerkte sie und senkte ihr T-Shirt wieder.
„Ich habe einige erwischt, tut mir leid, wenn deiner dabei war“, mischte sich Dreda ins Gespräch ein.
„Du bist meine Heldin, ich hoffe du weißt das“, lobte Arielle, Dreda.
„Ich hätt’s lieber nicht machen wollen, aber ich würde nicht mehr leben, wenn ich es nicht getan hätte. Habt ihr die anderen schon wieder aufgetaut?“, wollte sie wissen.
„Wir können die Station immer noch nicht erreichen, wer ist denn zum Auftauen der anderen abgestellt worden?“
„Eigentlich ich, aber man hat mich ja hierher geschickt ohne das ich davon was mitgekriegt habe“, konterte sie.
„Dann schick ich Freeze, der kennt sich ja auch am besten aus. Ich muss weiterarbeiten, ist hier jetzt viel zu tun. Passt auf euch auf“, erwiderte sie und wollte schon auflegen.
„Könnte ich mit meinem Freund reden? Alleine, bitte“, hielt Jude sie davon ab.
„Klar, geh kurz aus, dann schmeiß ich meine Schwester raus“, bemerkte er und sie ging vor die Tür.
„Hey, wie geht’s dir?“, fragte er sie liebevoll.
„Mir geht’s gut, ich bin ja hier in Sicherheit, aber was ist mit dir? Bist du verletzt worden?“
„Ich bin ein Feigling, Jude, ich hab mich versteckt, die ganze Zeit“, gestand er.
„Hör nicht auf ihn, er hat heute Nacht vierzehn Liquids, mich eingeschlossen, gerettet, er ist ein Held“, hörte sie Arielles Stimme aus dem Hintergrund.
„Privat heißt du bist nicht mehr in diesem Raum, Charlie“, murrte er und Jude hörte sie den Raum verlassen.
„Sie hat Recht, Helden werden nicht nur auf dem Schlachtfeld geboren, es würde mehr Tote geben, wenn du nicht da gewesen wärst. Ich bin stolz auf dich“, machte sie ihm Mut.
„Oder weniger, wenn ich gekämpft hätte“
„Du bist kein Kämpfer, du hast mich hierher geschickt, weil du genau wusstest, dass ich es auch nicht bin. Mein Dad kümmert sich aber um mich, also mach dir keine Sorgen“, versprach sie.
„Du weißt es also“, stotterte er plötzlich.
„Du wusstest es?“
„Ich habe beide eure DNA-Sequenzen gespeichert, ich dachte, ihr solltet euch kennenlernen“, rückte er mit der Wahrheit heraus.
„Ich dachte schon, dass das irgendwie verdächtig ist. Wie lang weißt du es schon?“, war sie nicht besonders verärgert über die Tatsache.
„Seit ich dich damals behandelt habe, ich wollte es dir nicht so einfach sagen, du solltest es selbst herausfinden. Das mit der fehlenden Privatsphäre war nen bisschen ne Schikane um dich in sein Leben zu treiben. Du sollst da dein neues Leben aufbauen, ohne mich, ohne die Gefahr“, erklärte er.
„Aber ich will nicht ohne dich leben, das ist mir heute Nacht klar geworden. Komm zu mir, lass uns hier ein neues Leben anfangen. Wir bauen ein Haus am Strand, ziehen dort Kinder groß, die dann im Meer so lange tauchen können, wie sie Lust haben“, beschrieb sie ihm ihre Wünsche.
„Das klingt wunderbar, aber nach heute Nacht hat sich alles geändert, ich kann hier nicht mehr weg. Aber Brendon wird bald bei dir sein und deine Freunde werden dir helfen, dich dort wohl zu fühlen“, begann er, sich von ihr zu verabschieden.
„Machst du grade übers Telefon mit mir Schluss?“, fragte sie entsetzt.
„Persönlich kann ich es ja kaum machen“, bemerkte er etwas wirsch.
„Super, da kommt wohl wieder der Arschloch-Schürzenjäger raus, verrotte doch, Arschloch“, wütete sie und legte einfach wieder auf.

Siebzehntes Kapitel


Drei Tage später konnte Brendon auch nach England übersiedeln. Er wurde von Slug und Sydney begleitet. Alle drei Liquids sahen noch geschwächt aus, hatten aber in den Kühlkammern regenerieren können.
„Hey, wo ist sie?“, begrüßte Brendon seine Freundin mit einer sanften Umarmung.
„Sie wandelt am Strand auf und ab wie diese verzweifelten Frauen in den Schundromanen, manchmal stundenlang. Der Arsch hat sie echt mies abserviert“, erkannte Dreda.
„Hey, der Arsch ist einer meiner besten Freunde, er wird einen Grund dafür gehabt haben“, entschied Sydney und sah zu der jungen Frau, die mit gebrochenem Herzen am Strand entlangging.
„Was für ein Grund es war, es war sicher kein Guter. Ich geh zu ihr hin, ich koch uns nachher etwas, macht es euch gemütlich“, fühlte sich Dreda in dem Strandhaus des Vaters ihrer Freundin schon wie zu Hause.
„Hat er dir gesagt, warum er sie verlassen hat?“, fragte Brendon, Sydney.
„Nein, keinen Ton, aber ich hab auch nicht wirklich viel mit ihm geredet in letzter Zeit. Hat er was zu dir gesagt, Boss?“, wendete er sich an Slug.
„Nein, aber so ein Verhältnis haben wir auch nicht, dass er mir alles erzählt. Die arme Kleine, ist aber vielleicht besser so, Liquids und Solids können nicht zusammen sein“, konterte Slug und Brendon sah ihn entsetzt an.
„Ihr könnt schon, aber es sind noch keine Kinder aus solchen Beziehungen entstanden“, schlussfolgerte Slug.
„Das sagst du mir erst jetzt?“, murrte Brendon.
„Ich hab ja nicht gedacht, dass deine ersten Schritte gleich ins Bett einer Solid-Frau führen. Kinder werden überbewertet, stimmt’s nicht, Sohn?“, fragte Slug und sah Sydney an.
„Das mit dem Klon-Versuch stimmt also?“, war Brendon baff.
„Nein, damit wollen meine Söhne nur Frauen ins Bett kriegen, Niclas ist bei mir aufgewachsen, Sydney bei seiner Mutter in Australien. Dass sie so werden wollten wie ich war eine große Ehre für mich. Vor allem weil sie in ihren jungen Jahren so manchen Scheiß zusammen verbrochen haben, wortwörtlich. Manchmal denke ich, dass sie es nur gemacht haben, um dem Knast zu entgehen“, schmunzelte Slug und sah Sydney an.
„Möglich“, sagte Sydney und grinste breit.
„Den Charme hat er zumindest von dir“, konterte Brendon und ging zu seinen Freundinnen.
 
„Man, bei dir hat Slug echt voll in den Farbtopf gegriffen, deine Augen leuchten wie Scheinwerfer“, begrüßte Jude ihren Kumpel als der lässig zu ihnen geschlendert kam.
„Ja, Slug nennt mich auch ständig Greenie, hab mich schon an den Spitznamen gewöhnt. Du siehst fertig aus, du schläfst nicht, oder?“, umarmte er Jude.
„Nein, nicht wirklich. Hast du mit ihm gesprochen?“
„Er hat viel zu tun in Jupiter, also nein. Ich kann dir leider auch nicht sagen, warum er den Arschloch-Zug genommen hat, er wird schon …“, erklärte er.
„Sag nicht, er wird schon nen Grund haben, sonst schrei ich“, unterbrach sie ihn.
„Das hast du schon gehört, was?“
„Jep, schon ein paar Mal. Ich hab Hunger, wer kocht was?“
„Ich koch gleich was, gut, dass dein Appetit wieder kommt. Alles klar bei dir, Schatz?“, fragte Dreda, als ihr Freund verwirrt rein blickte.
„Ja, bin noch etwas durcheinander von der Betäubung, war ja grade zwei Tage eingefroren. Lust auf Sex?“, fragte er gespielt cool.
„Eigentlich schon, aber ich muss jetzt was kochen. Danach vielleicht, okay?“, säuselte sie und ging mit dem Kopf an seine Brust gepresst mit ihm zum Haus.
„Super, ein glückliches Pärchen, das hilft mir jetzt sehr bei meinem Liebeskummer“, murrte sie sarkastisch.
„Lust auf Sex?“, kam Sydney zu ihr.
„Und ich dachte, mein Tag könnte nicht noch mieser werden“, murmelte sie und ging dem Pärchen hinterher.
„War nen Versuch wert. Ich hoffe, sie kocht irgendwas mit Fisch“, kam er ihr hinterher.
 
Jude klatschte den Fisch auf den Tresen. Sie arbeitete am Fischmarkt in Dover mit Dreda an ihrer Seite. Sie musste sich irgendwie beschäftigen und das Ausnehmen von Fischen kam ihrem Berufsbild nahe, da sie sich auskannte, wie man ein Messer benutzte.
„Oh man, stinkt das heute“, murmelte Jude. Ihr wurde übel, so übel, dass sie sich in den Innereien-Eimer neben sich übergab.
„Wir haben während dem Studiums wesentlich schlimmeres ausgenommen, alles klar?“, fragte Dreda und reichte ihr ein sauberes Tuch.
„Ja, mein Frühstück war wohl nicht mehr gut“, redete sie sich heraus.
„Ich hab das Gleiche gefrühstückt, verheimlichst du mir was?“, wollte Dreda wissen.
„Nein, mach weiter“, murmelte sie ablenkend.
„Wie lang ist es jetzt her, dass du mit Jordan geschlafen hast?“
„Er ist ein Liquid, ich kann nicht schwanger von ihm sein“, tat sie es ab.
„Er ist trotz allem noch ein Mann mit Sperma, was der Doc sagt muss nicht stimmen“, schlussfolgerte Dreda.
„Ich krieg Angst, Dre, hör auf“, bat Jude nervös.
„Du musst keine Angst haben, wir sind für dich da“, versprach Dreda.
„Was nützt mir das? Ich krieg ein Fisch-Baby, vielleicht bringt mich das auch um und mein Ex-Freund ist ein Arschloch“, maulte sie.
„Vielleicht ist es ja auch Lukes Baby!“, konterte sie und Jude übergab sich erneut.
„Das ist nicht besser, oder?“, fragte Dreda sie und Jude riss ihr ein zweites Tuch aus der Hand, was sie zuvor aufgenommen hatte.
 
„Was hast du den Jungs gesagt, warum wir in die Klinik gegangen sind?“, wollte Jude nervös wissen, als sie mit Dreda, die ihre Hand hielt, in einer Klinik auf das Ergebnis ihres Bluttestes wartete.
„Ich hab Brendon gesagt, ich hab mir bei der Arbeit in den Finger geschnitten“, erklärte sie und lächelte matt.
„Fällt ihm nicht auf, wenn du ohne Schnitt im Finger nach Hause kommst?“
„Ich hab mich geschnitten, ich bin doch kein Anfänger, sie haben das genäht, während du bei der Ärztin drin warst“, bemerkte sie cool.
„Du bist verrückt, ich hoffe, das weißt du!“
„Nur ein bisschen. Du willst es verheimlichen, ich als deine Freundin unterstütze das natürlich. Während wir auf das Ergebnis warten, sollten wir überlegen, was du machen willst, willst du das Kind bekommen?“
„Ich weiß, dass ich schwanger bin, ich war schon vor zwei Wochen beim Arzt“, gestand sie.
„Warum sind wir dann hier?“
„Ich hatte nur ein Beratungsgespräch wegen der Abtreibung“, gestand sie.
„Du willst es also nicht?“
„Von beiden Männern möchte ich im Moment nicht schwanger sein, ich warte hier nur die 20 Minuten ab, die die Ärztin mir gegeben hat, darüber nachzudenken“, konterte sie.
„Ich bin für dich da, egal für was du dich entscheidest“, bemerkte Dreda, obwohl man ihr genau ansah, dass sie gegen diese Abtreibung war.
„Ich kann dieses Kind nicht bekommen!“
„Dann geh da rein und lass es wegmachen, wenn das das Richtige für dich ist“
„Du bist dagegen, oder?“
„Meine Meinung zählt nicht, nur deine, das ist deine Entscheidung“
„Ja, das ist es. Wartest du auf mich?“, hoffte sie.
„Sicher warte ich auf dich“, versprach sie und Jude ging zur Tür des Krankenzimmers, blieb aber davor stehen. Tonlos drehte sie sich zu Dreda um, die ihr nachgelaufen war.
„Hilfst du mir einen Pool zu bauen wenn mein Kind nur schwimmen will den ganzen Tag?“, erkundigte sie sich mit Tränen in den Augen.
„Wir brauchen keinen Pool bauen, wir haben das Meer vor der Tür“, schmunzelte sie und schob sie sanft mit der Hand an ihrem Rücken aus der Tür.
 
„Was machen wir jetzt? Sagen wir es ihnen?“, plante Dreda, als sie vor der Haustür standen.
„Ich bin fast im vierten Monat, das wird bald auffallen, also sollten wir es ihnen sagen“, entschied sie.
„Du bist fast im vierten Monat? Dann kann es nur Lukes sein!“
„Ich weiß, und Jordan meinte noch, ich wär nicht schwanger, er ist wohl noch ein schlechter Pfleger, noch so ne Enttäuschung von seiner Seite“, war sie nicht gut auf Jordan zu sprechen.
„Ich hoffe, er ist Krankenpfleger, er hat Sachen mit mir gemacht die ich nur bei einem Therapeuten mit Hilfe von Puppen beschreiben kann“, schmunzelte Dreda und schloss die Tür auf.
 
„Hey, da seid ihr ja, was machst du denn für Sachen?“, kam Brendon zu Dreda und umarmte sie.
„Kann passieren. Setz dich hin, bitte“, bat Dreda ernst.
„Okay, reden wir jetzt darüber, dass Jude von Luke schwanger ist?“
„Du hast es ihm gesagt aber nicht mir?“, drehte sich Dreda zu Jude.
„Ich kenn dich schon seit 10 Jahren, mir kannst du nichts verschweigen, ich dachte nur, du würdest es mir sagen, wenn du soweit bist. Wir kriegen also dieses Kind?“
„Wir kriegen kein Kind, ich krieg ein Kind, das Kleine kann ja nichts dafür, dass ihr oder sein Vater ein brutaler Knight ist“, entschied Jude.
„Du hast sie davon überzeugt, oder? Sie wird uns ihr Kind nicht einfach so geben, nur weil wir keins bekommen können, das ist dir klar, oder?“, bemerkte er kritisch zu seiner Freundin.
„Danke für deine Fürsorge, wir können kein Kind bekommen, ich schon“, murrte Dreda und setzte sich aufs Sofa.
„Eure Flitterwochen sind wohl schon vorbei, was? Das mit der Kinderlosigkeit trifft euch ja mehr als ich dachte, es gibt keinen Grund, der dagegen spricht, der Doc weiß nicht alles. Gebt nicht auf“, machte sie ihnen Mut.
„Sie hat Recht, wenn wir so weit sind, werden wir auch Kinder bekommen. Jetzt kümmern wir erst Mal um diesen Satansbraten hier“, stimmte Brendon ihr zu.
„Satansbraten ist eine gute Umschreibung von dem was ich da ausbrüte. Wenn ich das Ding nicht lieben kann weil es Lukes Gesicht hat, müsst ihr es auch aufziehen“, konterte sie trocken.
„Du willst das Kind nicht, oder?“, stellte Dreda fest und Jude nickte mit Tränen in den Augen.
„Dann gehen wir zurück und regeln das, diesmal bin ich dabei“, versprach Dreda und Jude stand wieder auf. Plötzlich durchfuhr sie ein Schmerz durch ihren ganzen Oberkörper, der sie auf die Knie zwang.
„Oh man, ich glaub, das regelt mein Körper grad rein biologisch“, murmelte vor sich hin und die anderen eilten zu ihr.

Achtzehntes Kapitel


Die Schmerzmittel fühlten sich gut an. Sie fühlte ihren Bauch, ein großes Pflaster klebte darauf. Sie musste operiert worden sein.
„Hey, da bist du ja wieder“, hörte sie Dredas Stimme.
„Die haben mich auf geschnippelt, was?“
„Du warst vor heute bei keinem Arzt, oder?“, fragte Dreda kritisch und Jude schüttelte den Kopf.
„Du bist nicht schwanger, warst du nie“, begann sie.
„Aber ich hab meine Tage nicht gekriegt und mir war dauernd übel“, verstand sie nicht.
„Du hast Gebärmutterhalskrebs, du hattest eine riesige Geschwulst in der Gebärmutter, sie haben sie entfernt“, erklärte Dreda stockend.
„Die Geschwulst oder die Gebärmutter?“
„Die Geschwulst, du wirst noch Kinder bekommen, keine Sorge, nicht in den nächsten Monaten, du bekommst ne Chemotherapie, aber du wirst das alles überstehen“, sagte sie liebevoll.
„Im Moment wär mir eine Schwangerschaft irgendwie lieber“, konterte sie benommen.
„Glaub ich dir. Ich hab versucht deinen Dad auf dem Schiff zu erreichen, ich versuch es später nochmal“, kam Brendon zu ihnen und nahm Judes Hand in seine Hände.
„Er ist mitten auf dem Meer grade, ihr seid ja da, das reicht mir grad“, bemerkte Jude.
„Willst du ihn nicht anrufen?“, sprach sie sie auf Jordan an.
„Der Idiot hat meine Krankheit nicht erkannt, der kann mir so was von gestohlen bleiben“, erwiderte sie trotzig.
„Fehler können jedem passieren, er liebt und vermisst dich sicher“, versicherte Dreda ihr.
„Du denkst, weil ich grad unter Drogen stehe, würde ich das einfacher glauben, oder?“, sagte sie kritisch.
„Nen Versuch war’s wert, ich hab vor kurzem ne Mail von ihm bekommen“, gestand sie.
„Du hast nicht mal nen Computer, wie kannst du Mails bekommen?“
„In dieser Stadt gibt es diese “Internet-Cafés“, die gab es früher, bevor Internet in jedem Haus Standard wurde und jeder umsonst Netz bekam. Ja, das hat mir dein Dad erklärt, während er da gewesen ist. Ich ruf ihn nochmal an“, erklärte Dreda.
„Schon gut, lass es sein, er wird es früh genug erfahren. Hört auf, mich wie ein Baby zu behandeln, ich hab Krebs, kann passieren“, wurde sie munterer.
„Du hast so viel durchgemacht in den letzten Wochen, das scheint nur nicht fair zu sein“, war Dreda aufgelöster als Jude über die Situation.
„Wir leben, ich hab meinen Vater gefunden und ihr seid bei mir, alles ist gut“, entgegnete sie zufrieden.
„Die guten alten Drogen, lassen wir dich erst mal richtig aufwachen, dann reden wir weiter“, schmunzelte Brendon und ließ ihre Hand wieder los.
 
In der darauffolgenden Nacht bekam sie ihre erste Chemo-Therapie. Sie übergab sich gleich sechs Mal in der Nacht, zusammen mit den Schmerzen, die sie hatte, war das eine schlaflose Nacht. Als sie sich gerade unter Schmerzen weinend ans Laken klammerte, legte jemand die Hand auf ihre Hand und sie entspannte sich.
Die Hand war kalt und kühlte ihre heißen Hände.
„Bren‘, was machst du hier mitten in der Nacht?“, vermutete sie Brendon.
„Brendon schläft friedlich neben seiner Freundin“, hörte sie die sanfte Stimme von Jordan.
„Die haben dich angerufen?“, begann sie vor Rührung richtig an zu weinen.
„Auch die stärkste Frau sollte bei so was nicht allein sein“, entschied er und legte sich einfach neben sie ins Bett. Er wirkte wie ein Kühlkissen, was sie entspannte und endlich schlafen ließ.
„Guten Morgen, Süße, wie geht’s uns heute? Man, deine Valium-Dosis ist verdammt niedrig eingestellt, du musst ja höllische Schmerzen gehabt haben letzte Nacht, das tut mir leid“, weckte die Schwester sie am nächsten Morgen.
„Jordan“, murmelte sie schläfrig.
„Nein, ich bin’s Schwester Bishoff, wie geht’s dir, Süße?“
„Gut, denk ich“, sah sie sich um und suchte Jordan.
„Das muss doch eine furchtbare Nacht gewesen sein!“
„Ja, ich hab anscheinend fantasiert, ich könnte schwören mein Ex wäre letzte Nacht bei mir gewesen“, tat sie das als Fantasie ab.
„Du meinst den hübschen jungen Mann den ich vorhin rausgeschickt habe, dass du schlafen kannst? Er war eindeutig da, er wollte dich gar nicht loslassen. Was auch immer eure Probleme in der Vergangenheit waren, er scheint sie vergessen zu haben“, erwiderte die Krankenschwester und half ihr aus ihrem Kittel, um sie zu waschen.
„Er hat mich einfach Knall auf Fall verlassen, jetzt hat er anscheinend nur Mitleid“, dachte sie laut nach.
„Ich hab in meiner Laufbahn viel Mitleid gesehen, dieser Kerl liebt dich“, stellte die Schwester fest.
„Ja, das tut er. Ich wusste nicht, ob du Kaffee trinken darfst, deshalb hab ich Tee mitgebracht“, kam Jordan mit zwei Plastikbechern in den Händen zu den Frauen.
Er trug Kontaktlinsen und normale Kleidung, die auch die Landsleute trugen.
„Ich hab das also nicht geträumt“, war sie erleichtert, dass er da war.
„Nein, du träumst nicht. Tut mir leid, dass ich so spät komme, es war so viel zu tun“, entschuldigte er sich.
„Wir haben Schluss gemacht, kriegst du jetzt Alzheimer?“, fragte sie kritisch.
„Ich lass euch beiden dann mal allein“, ließ die Schwester sie allein, nachdem sie ihr einen neuen Kittel angezogen hatte.
„Du bist sauer, dass ich deinen Krebs nicht erkannt habe, das kann ich gut verstehen, ich mach mir genug Schuldgefühle, dass ich diesen veralteten Automaten benutzt habe. Aber ich muss zu meiner Verteidigung sagen, dass ich kein Arzt bin“, versuchte er sich zu verteidigen.
„Ich bin nicht sauer auf dich, dass du das nicht erkannt hast, ich bin sauer auf dich, dass du mich fallen gelassen hast, als es schwierig wurde“, kritisierte sie ihn und versuchte sich aufzusetzen, doch ihr Bauch schmerzte zu sehr.
„Ich bin ein Idiot gewesen, ich dachte, ich kann ohne dich leben, das kann ich aber nicht, ich denke an dich, wenn ich einschlafe und wenn ich wieder aufwache, heirate mich, bitte“, machte er ihr einen Antrag.
„Ich geh nicht mit dir nach Jupiter zurück und auch nicht auf die Station!“
„Ich weiß, ich komm hierher, Arielle hat das in Jupiter so gut wie möglich unter Kontrolle und die Zwillinge die Station. Ich war zu lang dort, jetzt will ich wieder an Land leben“, erklärte er.
„Wirklich? Du bist ein Liquid, das wird hart für dich, du wirst dich immer verstecken müssen“, erklärte sie trocken.
„Das ist Europa, wir Liquids sind hier voll anerkannt“, versprach er.
„Ah, deshalb verkleidest du dich auch!“
„Ich verkleide mich aus anderen Gründen, es gibt Gerüchte, dass sie hier sind“, gestand er.
„Deshalb bist du hier, du willst mich beschützen, mal wieder. Was ist mit meinen Freunden?“
„Ich hab eine Wache bei ihnen positioniert, hier auch. Du bist sicher, versprochen, sie müssen erst Mal an mir vorbeikommen“, sagte er bestimmt und setzte sich zu ihr hin.
„Das fürchte ich am Meisten, dass sie dich töten könnten“, gestand sie.
„Das werden sie nicht, ich bin ziemlich zäh, keine Sorge. Ich werde so lang bleiben bis es dir wieder besser geht und wenn du mich dann noch brauchst, werde ich für immer bleiben“, erklärte er, wie es weiter ging.
„Ich fühle genauso wie du, es vergeht auch kein Tag, an dem ich nicht an dich denke“, gestand sie sich ein.
„Dann stehen wir das gemeinsam durch, du hast eine Strähne im Gesicht“, bemerkte er liebevoll und schob ihre Haarsträhne zurück. Dabei fiel sie ihm in die Hand.
„Du verlierst deine Haare“, sagte er leicht erschreckt, aber nicht überrascht.
„Ich hab Krebs“, realisierte sie zum ersten Mal richtig.
„Du wirst nicht sterben, mein Schatz“
„Das ist mir nicht in den Sinn gekommen, danke, dass du mich darauf hin weißt“, murmelte sie und er versteckte die Haare, die ihr ausgefallen waren.
„Soll ich deinen Arzt fragen, wie es um dich steht?“
„Nein, bleib bei mir, bitte“, bat sie und hielt seine Hand fest.
„Gut, ich bleibe, als dein Lover?“, hoffte er und sie zog ihn mit einer Hand runter zu sich und küsste ihn.
„Heiratest du mich auch?“, fragte er noch mal nach.
„Wenn ich den Scheiß hier überlebe, reden wir darüber“, versprach sie.
Bevor er darauf antworten konnte, kam ein Liquid in Zivil zu ihnen rein.
„Boss, es gibt Ärger“, sagte der Kerl nur.
„Du bist der Sicherheitsmann, also beschütz uns und red nicht so viel“, wurde er nervös.
„Das sind mindestens sechs Männer, ich bin kein Superheld“, entgegnete der Kerl.
„Sechs? Man, die meinen es echt ernst“, zog Jordan eine Waffe aus seinem hinteren Hosenbund.
„Du trägst eine Waffe?“, war sie erschreckt.
„Nicht normalerweise, aber verzweifelte Zeiten verlangen verzweifelte Mittel“, bemerkte er und stand auf.
„Ich kann nicht aufstehen“, sagte sie weinerlich.
„Musst du auch nicht, wir bringen dich weg“, löste er die Bremse vom Krankenbett und rollte sie davon.
„Was machst du?“, war sie davon überrascht.
„Die werden dich nicht finden“, entschied er mit ernster Miene, während er sie weiterollte.
„Leg dich hin“, bat er und drückte sie etwas unsanft auf dem Bett herunter.
„Au“, jammerte sie.
„Tut mir leid, dass ich das tun muss“, bemerkte er und rammte ihr einen Pen in den Arm. Sie wurde sofort bewusstlos.

Neunzehntes Kapitel


„Ich glaub, sie sind weg“, hörte sie jemanden flüstern. Es war dunkel in dem Raum in dem sie sich befand, nur sehr schwaches Licht schien durch eine hölzerne Tür.
„Wurde auch mal Zeit, wir harren jetzt schon vier Stunden hier aus“, erkannte sie Jordans beruhigende Stimme. Sie griff in die Dunkelheit und bekam einen Arm zu fassen.
„Sie ist wach“, flüsterte die Stimme wieder.
„Was ist hier los?“, war sie verwirrt.
„Wir verstecken uns, ja, ich bin ein Feigling, aber wir können nicht gegen sie ankommen“, erklärte er ihr. Er saß mit seiner Waffe im Schoß neben ihrem Krankenbett.
„Sind wir in einem Schrank?“, stellte sie fest.
„Sorry, wir mussten uns beeilen. Jim, klär mal die Lage“, bat Jordan und Jim schlüpfte durch eine Spalte der etwas offenen Tür hinaus.
„Ich versteck mich schon wieder, ich bin der Größte Feigling überhaupt“, gestand sich Jordan ein. Jude ließ ihre Hand vom Bett fallen und er griff danach.
„Ich heirate lieber einen lebendigen Feigling als einen toten Helden“, schmunzelte sie matt.
„Du sagst also ja?“
„Nicht der richtige Zeitpunkt, Jor‘, wir verstecken uns vor meinem Ex in einem Schrank“, nörgelte sie.
„Sie sind weitergezogen, kommt raus“, hörten sie Jim eng vor der Tür stehend und er zog die Tür hinter seinem Rücken auf.
Das gleißende Licht der Neonlampen des Krankenhausflures brannte in ihren Augen.
„Tut mir leid, ich deck dir die Augen zu“, sagte Jordan liebevoll und legte ihr ein Laken übers Gesicht.
 
„Wird das jetzt unser ganzes Leben so sein?“, fragte Dreda, als sie an ihren Freund gelehnt bei ihrer Freundin im Krankenzimmer saß.
„Ich weiß es ehrlich nicht, wenn ich nicht schon wieder so feige gewesen wäre, hätten wir vielleicht was erfahren“, entschied Jordan traurig.
„Oder ne Kugel eingefangen, sie scheinen nicht zu wissen wo wir wohnen, sonst hätten sie uns zu Hause besucht. Du siehst beschissen aus, Freundin“, konterte Brendon und sah Jude an, deren Haare immer mehr ausfielen.
„Du hast schon solche Komplimente gemacht, als wir ein Paar waren. Kann mir jemand bitte den Kopf rasieren? Ich kann das nicht mehr mitansehen“, erwiderte sie trotzig.
„Ich besorg was, was haben die dir für eine Dosis gegeben, dass dir die Haare so mordsmäßig ausfallen?“, stand Dreda auf und ging raus.
Brendon stellte sich breitbeinig vor Jordan.
„Was?“, fragte er müde.
„Sag du es mir Pfleger “Ich spritz alles in meine Freundin rein was rumliegt““, entschied er kritisch.
„Bei einer Chemotherapie fallen einem die Haare aus, ich hab ihr vorhin nur ein Schlafmittel gespritzt, dass ich sie wie eine Leiche bewegen konnte“, verstand er nicht.
„Ich hätte auch ruhig daliegen können, du hast es dir echt einfach gemacht“, schlug Jude sich auf Brendons Seite.
„Hättest du regungslos daliegen können, während wir durch eine Horde von Knights gegangen sind? Das glaub ich eher weniger“, verteidigte er sich.
„Ihr seid durch eine Horde von Knights gegangen? Und die haben euch nicht erkannt?“
„Die suchen dich, nicht uns, und bitte dass ich dein Leben gerettet habe“, entgegnete er erschöpft.
„Vielen vielen Dank, tut mir leid, dass ich an dir gezweifelt habe“, bedankte sie sich ehrlich.
„Bitte. Du bist zu schwach, dass wir dich mitnehmen, sonst hätte ich dich hier rausgeholt. Aber sie haben dich nicht gefunden, denk nicht, dass sie nochmal herkommen. Wir bleiben solang bis es dir besser geht, dann verschwinden wir hier“, erklärte Jordan.
„Das gefällt dir jetzt richtig, das du mich in scheinender Rüstung retten und zurück in die Station bringen kannst“, murrte sie.
„Ich hab nicht von der Station gesprochen, ich hab nicht die ganze Mühe aufgenommen und dich hierher gebracht, um dich zurück zu bringen“, bemerkte er trocken.
„Du willst also wirklich hierbleiben“, realisierte sie.
„Arielle wird einen Tobsuchtsanfall bekommen, aber ja, ich bleib hier“, versprach er und kam näher zu ihr hin.
„Ich unterhalt mich mal mit diesem Jim, dieser Feigling muss mal lernen, wie man sich verteidigt“, spürte Brendon, dass er sie allein lassen sollte und ging nach draußen zum Wachmann.
„Ich bin so hässlich“, erwiderte sie weinerlich und zog sich weitere Haare vom Kopf.
„Du bist die schönste Frau der Welt für mich, und das weißt du. Du bist auch eine Frau der die Glatze toll stehen wird“, munterte er sie auf und küsste sie sanft.
„Du bist so kalt“, murmelte sie.
„Du hast Fieber, mein Schatz, dein Immunsystem wehrt sich heftig dagegen, aber das ist gut, das heißt du bist gesund und stark. Die Haare wachsen nach und wenn die Haare so lang sind wie zuvor heiraten wir“, erklärte er und kletterte zu ihr ins Bett.
„Das klingt nach einem Plan. Tut mir leid dass ich dir nicht getraut habe“, kuschelte sie sich an ihn und schlief kurz danach ein.
 
Eine Woche später durfte sie das Krankenhaus verlassen. Da Brian nicht da war, konnte sie in seinem Bett richtig gesund werden. Die eine Bestrahlung hatte ausgereicht, es waren alle Reste des Tumors verschwunden. Sie hatte ihre ganzen Haare verloren, aber Dreda hatte ihr ein schönes Kopftuch besorgt. Endlich konnte sie auch wieder Essen bei sich behalten.
„Hier Rührei und Spinat, das zaubert dir wieder etwas Farbe ins Gesicht“, reichte Jordan ihr einen Teller. Sie saß auf dem Bett und las etwas auf dem Display ihres Vaters.
„Ein Mann der kochen kann, jetzt muss ich dich eindeutig heiraten“, schmunzelte sie und nahm den Teller zu sich.
„Ist von Dreda gemacht, aber ja, musst du“, lächelte er auch.
„Ich versteh die Knights nicht, sie ziehen durch wie ein Unwetter und verschwinden dann genauso schnell wieder. Ich hab jeden Tag Angst, dass er eines Tages vor mir steht“, bemerkte sie und begann zu essen.
„Meine Kontakte wissen leider auch nicht mehr, aber ich werde immer vor dir stehen wenn er zu dir kommt und dich beschützen“, beteuerte er wie so oft.
„Bitte hör auf das zu sagen, du weißt genau, dass du dein Leben lässt, wenn du ihm wirklich entgegen trittst“, bat sie besorgt.
„Ja, ich hör auf, ich hab ja selbst furchtbare Angst. Es ist seltsam, ich fühl mich, als könnt ich dir alles sagen“, bemerkte er und setzte sich neben sie aufs Bett.
„Wachsen dir jetzt Eierstöcke?“, frotzelte sie und grinste ihn an.
„Du wirst sehr sarkastisch in letzter Zeit!“
„Ich wurde von meinem Lover verschleppt, musste mein Leben aufgeben und hab jetzt auch noch Krebs, wenn es eine Zeit für Sarkasmus gibt ist es jetzt“, entschied sie.
„Da hast du auch Recht. Aber du wirst wieder gesund und wir sind zusammen, das ist momentan das Wichtigste!“
„Er war uns schon so nah, warum denkst du, dass er mich nicht auch hier findet?“
Er schwieg, er wusste keine Antwort darauf.
 
Als sie leicht eingedöst war, hörte Jordan laute Geräusche von draußen. Er ging nach draußen um dem nach zu gehen.
„Da kommt eine Frau, die wir nicht kennen“, hatte sich Dreda hinter der Tür mit einer Waffe verschanzt.
„Schon gut, ich kenne sie“, erklärte Jordan und öffnete die Tür.
„Aria, was machst du hier?“, begrüßte Jordan die Frau im besten Alter.
„Warum hast du es mir nicht erzählt? Du weißt es sicher schon ne Weile“, begrüßte die Frau ihn trocken.
„Lass uns ein paar Meter gehen“, bat er und zog sie etwas vom Haus weg.
„Was war das den grade? Ne Ex-Freundin, was denkst du?“, steckte Dreda die Waffe weg.
„Das hoff ich mal nicht, Aria ist meine Mutter, die eigentlich tot sein sollte“, murmelte Brendon und torkelte benommen zurück auf einen Sessel.
„Ihre Leiche ist nie gefunden worden“, bemerkte Dreda und kam zu ihrem Freund hin.
„Jetzt wissen wir wohl auch wieso. Was will sie hier?“
„Dich sehen, denk ich mal. Das ist doch gut, sie lebt, Jude hat ihren Vater gefunden und deine Mutter lebt noch, wir sollten uns freuen“, munterte sie ihn auf.
„Sie hat mich im Glauben gelassen, sie wäre tot, Freude ist eine zweitklassige Emotion im Moment bei mir“, konterte er trocken.
„Red mit ihr, ich würde alles geben nochmal mit meinen Eltern reden zu können“, riet sie ihm.
„Kommst du mit?“, bat er und sie nahm seine Hand.
„Sicher, ich komm mit dir überall hin“, versprach sie und ging mit ihm zusammen den Strand entlang zu Jordan und der totgeglaubten Aria.
„Meine Güte, du läufst, du bist geheilt worden?“, begrüßte Aria ihren Sohn und wollte ihn umarmen, doch der wich zurück.
„Du lebst also noch, nett“, murmelte er trocken.
„Nett? Das ist alles, was du mir zu sagen hast?“
„“Du dreckige Nutte hast mich in der schlimmsten Zeit meines Lebens allein gelassen“, fand ich etwas zu hart“, konterte er kühl.
„Ja, das ist wirklich hart, aber es ist gerechtfertigt. Ihr habt ihn verwandelt, oder?“, wollte Aria wissen und versuchte hinter Brendons Kontaktlinsen zu sehen.
„Sonst hätten wir ihn ja nicht heilen können, so wie dich damals. Wir lassen euch mal allein, redet miteinander“, forderte Jordan sie auf und ging mit Dreda zurück zum Haus.
„Jude wird ganz schön stinkig sein, wenn sie erfährt, dass du es wusstest, ich hoffe, das weißt du“, bemerkte Dreda, als die beiden Mutter und Sohn ansahen, wie sie versuchten, ein Gespräch zu führen.
„Wenn du eine gute Freundin bist, verschweigst du ihr das besser, vor allem in ihrem Zustand. Ich hab nicht gedacht, dass sie ihn aufsuchen würde, sie hat mir immer gesagt, sie will für ihn nur das Beste“, erklärte er.
„Mach dir nichts vor, sie ist nur hier, weil sie gehört hat, dass er nicht mehr der arme Krüppel ist und jetzt zu euch gehört“, entschied sie.
„Ja, vermutlich, aber sag ihm das nicht. Er scheint sich irgendwie zu freuen sie zu sehen, das ist doch ein gutes Zeichen, oder?“
„Ja, wenn sie ihn nicht wieder enttäuscht, ist das ein gutes Zeichen. Ich wünschte, meine Eltern würden wissen, wie glücklich ich grade bin, mit ihm, und hier, wo ich das Meer sehen kann“, dachte sie laut nach.
„Ja, ich auch, meine Mutter wollte immer eine hübsche, brave Schwiegertochter, die kriegt sie jetzt und sie wird es nie erfahren“, war er auch nachdenklich.
„Ich weiß nicht, was schlimmer ist, dass meine Eltern denken dass ich eine Schwerverbrecherin bin, oder dass deine Eltern dich für tot halten“, entschied sie.
„Meine Schwester war schon so oft bei ihnen, aber ging nie zu ihnen rein. Ich hätte niemals zulassen sollen, dass sie die OP machen lässt, sie hätte noch ihr Leben als Solid, könnte Kinder bekommen, eine Familie gründen und das alles“, wurde er richtig melancholisch.
„Wenn sie noch ein Solid wäre, wäre sie noch eine Knight und vielleicht wäre sie ja unter einem meiner Opfer gewesen. Jetzt sag ich es auch schon, ich bin eine Schwerverbrecherin, meine Eltern sehen das schon ganz richtig“, entschied sie traurig und er packte sie an den Schultern.
„Hör auf, so zu denken, Du hast dich selbst gerettet, das Leben vom Doc, von Brendon und von vielen anderen Liquids auf der Station. Du bist eine Heldin“, entgegnete er und ließ ihre Schultern ruckartig los.
„Du genauso, wenn ich mich als Heldin sehen soll, dann du auch“, konterte sie.
„Da hat sie Recht“, hörten sie plötzlich Judes Stimme.
„Baby, du gehörst ins Bett, was machst du hier?“, fragte er fürsorglich.
„Ihr seid alle abgehauen, ich wollte sehen, was ihr macht“, sagte sie schwach und Jordan stützte sie, weil sie ziemlich wacklig auf den Beinen war.
„Wir unterhalten uns nur, nichts besonders“, drehte er sie so herum, dass sie Aria nicht sah.
„Was ist da, was ich nicht sehen soll?“, drehte sie ihren Kopf.
„Gar nichts, Brendon hat nur Besuch“, murmelte er.
„Besuch? Niemand weiß, dass er hier ist“, verstand sie nicht.
„Komm, Süße, es ist kalt, lass uns wieder reingehen“, drängte auch Dreda sie, zurück zum Haus zu gehen.
„Jetzt macht ihr mich neugierig, Brendon hat keine Freunde und auch keine Verwandte mehr und er war zur kurz auf der Station um dort Freunde zu finden. Wer ist sie?“, war sie neugierig und löste sich von ihm, um in die Richtung ihres Freundes zu gehen.
Je näher sie Brendon kam, umso mehr erkannte sie die Frau neben ihm. Aria war ihr gut in Erinnerung geblieben, sie war oft genug schwer betrunken und bekifft im Waisenhaus aufgetaucht, während Brendon dort mit ihr gelebt hatte. Sie war alt geworden, aber sie sah gut aus, wie eine Liquid, sie war sicher einer der Opfer der Flut gewesen, die Slug gerettet hatte.
Plötzlich wurde ihr schwindelig und sie musste sich auf einen großen Stein setzen. Brendon und Aria bemerkten sie und kamen auf sie zu.
„Süße, du bist ja auf den Beinen, sieh mal, wer hier ist“, erkannte Brendon und zeigte auf Aria.
„Sie sieht nicht schlecht aus für ne Tote“, konnte sie nur von sich geben.
„Sie hat es überlebt, ich hab mich das immer gefragt, auch wenn sie eine furchtbare Mutter war, sie ist meine Mutter“, erklärte Brendon ruhig.
„Bleibt sie jetzt hier?“
„Im Moment schon, ich weiß, du bist nicht gut auf sie zu sprechen, ich bin es auch nicht, aber die Situation hat sich geändert und sie lebt noch, das muss ich ausnutzen“, entschied er und Aria kam zu ihnen.
„Ja, du hast Recht, sie ist deine Mutter. Hey Aria, lang ist es her“, begrüßte sie seine Mutter.
„Seit ihr noch ein Paar?“, wollte sie keck wissen.
„Nein, das ist schon ne ganze Weile her. Ich bin mit Dreda zusammen“, winkte er seine Freundin her.
„Schade, dass wir Liquids nicht reproduzieren können, sie hat schöne gebärfreudige Hüften“, musterte Aria sie.
„Ihr ist schon klar, dass ich fünf Knights umgelegt habe, oder?“, bemerkte sie cool.
„Das war nen Kompliment, Süße, nimm es an“, entschied Aria.
„Dann danke. Komm, Jude, lassen wir die beiden etwas alleine, du gehörst zurück ins Bett“, bat Dreda und zog Jude wieder hoch.
„Gute Besserung, Kleines“, erwiderte Aria und die drei gingen zurück zum Haus, während sich Mutter und Sohn weiter unterhielten.
 
Das Haus ihres Vaters am Meer wurde langsam ziemlich voll, als sich auch Aria für die Nacht dort einnistete. Dem Pärchen überließen sie das Schlafzimmer, was Jude sehr begrüßte, denn der Stress, den sie sich durch das Aufregen, dass Aria einfach so aufgetaucht war, gemacht hatte, hatte ihr ziemlich zugesetzt.
„Ich will keinen Krebs mehr haben“, murmelte Jude, als sie erschöpft nach einer Kotzattacke in seinem Arm lag.
„Ich weiß, Honey, aber er geht zurück, wenn wir Glück haben brauchst du keine Chemo mehr. Jetzt schlaf, du brauchst deine Kraft“, drückte er sie fest an sich.
„Ich friere so“, ging er es echt übel.
„Ich wünschte, ich wäre wärmer für dich“, entschied er.
„Lenk mich ab, erklär mir, warum ihr so eine niedrige Körpertemperatur habt“, bat sie und er spielte mit ihrer Hand in seiner Hand herum.
„Das ist die Flüssigkeit, die uns besser heilen lässt, so genau weiß ich das nicht, es kühlt auch das Blut ab, als Vorbereitung für die Cryogenik. Tut mir leid, die Erklärung ist nicht sehr lang, soll ich dir vielleicht eine Wärmflasche oder so machen?“
„Nein, halt mich einfach im Arm, ich werde schon warm, irgendwann“
„Ich kann auch Dreda zu dir ins Bett holen, macht mir nichts aus!“
„Nein, wag jetzt nicht weg zu gehen, bleib bloß bei mir!“
„Ich bleib bei dir, versprochen“, sagte er liebevoll und drückte sie solang an sich, bis sie eingeschlafen war.
 
Jude wachte auf, als die Haustür brutal aufgebrochen wurde. Sie fühlte sie zu schwach, um aufzustehen, doch Jordan war neben ihr sofort hellwach.
„Sie haben uns gefunden, oder?“, flüsterte sie weinerlich.
„Versteck dich im Schrank, sofort“, flüsterte er im Befehlston.
„Ich bin zu schwach zum Aufstehen!
Ohne weitere Worte schnappte er sie und legte sie sanft in den Kleiderschrank ihres Vaters. Seine Klamotten rochen nach Fisch, was ihr wieder Übelkeit bereitete.
„Egal was du hörst, bleib da drin“, bat er, küsste sie sanft und ging nach draußen.
Als Jordan ins Wohnzimmer kam, standen ein halbes Dutzend Dark Knights in dem kleinen Raum. Eine verschreckte Aria stand mit einer Waffe an der Brust fest an einen Knight gepresst.
„Wessen Mummy ist das?“, fragte der Knight mit einem hämischen Grinsen auf den Lippen.
„Lasst sie gehen, sie hat nichts damit zu tun“, bat Brendon, dem die Angst ins Gesicht geschrieben stand.
„Danke für die schnelle Antwort, Grünäuglein. Wo ist sie?“
„Sie ist nicht hier“, sagte Jordan trocken, der in der Tür stand. Wortlos schoss der Kerl ihm ins Knie und Jordan sackte zusammen.
„Falsche Antwort, Loverboy, versuchen wir es nochmal, wo ist sie?“
„Sie ist wirklich nicht hier“, jammerte Dreda, die ihre Waffe nicht erreichen konnte. Das hatte zur Folge, dass sie eine Kugel in den Bauch bekam.
„Dreda“, rief Brendon verzweifelt, der von zwei Männern festgehalten wurde.
„Hört auf, ich bin hier“, kam Jude auf wackligen Beinen zu ihnen. Sie weinte fürchterlich, vor allem, als sie über ihren halb bewusstlosen Freund klettern musste, um zu ihnen zu kommen.
„Seht ihr, ihr hättet es uns nicht so schwer machen müssen. Komm her“, bat der Schütze und nur in ihrem Nachthemd bekleidet schleppten sie sie nach draußen.
„Schatz, bitte stirb mir nicht weg“, bat Brendon, der Dreda die Hände auf die Wunde drückte.
„Du musst sie in die Röhre bringen, schnell“, plante Jordan, der auf dem Boden krümmend lag.
„Das bringt sie um!“
„Sie hat ne Kugel in der Nähe des Herzens stecken, Slug muss sie verwandeln, sonst überlebt sie das nicht, du musst dich beeilen, ihr braucht auch durch die Röhre ne Stunde dorthin“, forderte er und Brendon lud sie auf seine Arme.
„Was ist mit dir?“
„Ich komm klar, bring sie erst mal da hin, ich komm nach. Aria, bitte hilf mir“, bat er und Aria zog ihn hoch. Halb zerrend, halb stützend brachte sie ihn zu den Röhren, die sich am Strand befanden.
„Okay, du musst langsame und gleichmäßige Atemzüge machen, ich weiß du bist selbst noch nicht ganz fit darin, deine Kiemen zu benutzen, aber das musst du jetzt. Du musst sie Mund zu Mund beatmen, sie wird eine ganze Weile unter Wasser sein. Ich warn die Station vor, du wirst vermutlich zwischendrin auch ohnmächtig. Das ist nichts schlimmes, ist mir auch am Anfang passiert. Zieh dein Hemd aus, das verringert die Reibung, los, sie hat nicht viel Zeit“, wies er ihn eilig in die Röhre ein und seine Freundin an sich gepresst begann Brendon die Reise.
„Was ist mit dir? Bleiben oder fliehen?“, fragte er Aria, während er sich auch das T-Shirt auszog.
„Ich bleib nirgendwo, wo Knights sind, du wirst vermutlich auch zwischendrin bewusstlos, lass uns gehen“, entschied sie und zerrte ihn in die Röhre.

Ende Teil 1

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Tag der Veröffentlichung: 29.06.2014

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