Cover

Erstes Kapitel


Senga McNab war eine junge Frau, die dachte, dass sie alles im Leben erreicht hatte. Sie war beinahe 30, war ihrem Dorfleben in Wisconsin entflohen und arbeitete nun als Produzentin für einen Fernsehsender in New York City. Ihre Freundin und Kollegin Liv McLachlan war die Moderatorin der Sendung „Bar Crashers“ ihres Senders, die sie seit Neustem produzierte.

Erschöpft saß sie mit einem Stapel Bewerbungen vor sich an dem Konferenztisch ihrer Abteilung. Jeden Tag flatterten hunderte von Bewerbungen auf ihren Schreibtisch und sie hatte die schwere Aufgabe, geeignetes Fernsehmaterial herauszusuchen.
„Hier steckst du, ich hab dich schon gesucht. Was machst du?“, wollte Liv wissen, die mit zwei Tassen Kaffee zu ihrer Produzentin kam.
„Man, da sind echt ein paar gute Bars dabei, ich kann mich echt nicht entscheiden. Was denkst du?“, holte sie sich Rat bei der braungelockten, hübschen Moderatorin.
„Gott sei Dank muss ich die Entscheidung nicht treffen, sondern du“, schmunzelte sie.
„Damit hilfst du mir echt weiter, danke“, murrte Senga müde.
„Zeig mal her. Boston ist immer gut, da gibt es meistens gute Geschichten zu erzählen. Ein früherer Säufer der seine Familie in Europa gelassen hat um in den USA seinen Lebenstraum zu erfüllen. Seine Barkeeperin hat die Bewerbung eingereicht, der währe was für die erste Folge der zweiten Staffel“, schlug Liv ihr vor.
„Siehst du, manchmal solltest du die Entscheidungen treffen, gute Entscheidung, den nehme ich. Okay, Zeit für Feierabend, wie wär’s mit nem Drink?“, fragte sie ihre zwei Jahre jüngere Freundin.
„Klingt nach nem Plan. Nur nicht zu viele Drinks, ich muss morgen den Screentest machen für das neue Studio und will nicht so alt aussehen wie ich bin“, schmunzelte Liv und Senga stand auf.
„Hey, ich bin zwei Jahre älter als du!“
„Du hast aber nicht deine Teenager-Zeit in der Stadt verbracht, du siehst jünger aus, als ich und ich bin so gar nicht eifersüchtig“, entgegnete Liv cool.
„Ich wäre lieber eine Carrie gewesen als Mary Lou aus Arpin / Wisconsin“, erklärte Senga und nahm ihre Tasche.
„Das Leben in New York City ist nicht wie Sex in the City, das hast du immer noch nicht kapiert, oder?”
„Gott sei Dank ist es nicht so wie im Fernsehen. So, gehen wir los, unsere Cosmopolitans warten“, witzelte Liv und ging mit ihr in die nächste Trend-Bar.

Frustriert quetschte Liv ihre Augen zusammen. Es war spät geworden die Nacht zuvor und das bereute sie jetzt.
„Du siehst echt beschissen aus, Süße“, kam Senga zu ihr. Sie sah fit aus und schien gute Laune zu haben.
„Man, wie kannst du so munter sein?“, murrte Liv, die an ihrem Schminktisch saß.
„Wir Frauen vom Lande können gut was vertragen, wir haben viel früher mit dem Trinken angefangen. Die Augenringe kann man überschminken, keine Sorge. So, jetzt muss ich meine Assistentin über unsere neusten Pläne unterrichten, der Screentest wird gut laufen, keine Sorge. Ich bring dir auf meinem Rückweg nen Espresso vorbei, versprochen. Kann aber etwas dauern“, versprach Senga und ging grinsend weiter.

„Chefin?“, fragte Rosy, als Senga während der ganzen Besprechung durch das Glasfenster zu Liv sah, die sich durch den Screentest quälte. Roseanne McEmerson, oder kurz Rosy, war ihre Assistentin und ein wertvolles Mitglied des Teams.
„Tut mir leid, ich hab nicht zugehört, was hast du gesagt?“
„Ja, das hab ich gemerkt, ich meinte grade, jemand sollte nach Boston fahren und alles vor Ort klären“, wiederholte Rosy das Gesagte.
„Ja, mach das, bin gleich wieder da“, entgegnete Senga und ging aus der Tür ins Studio.
„Sag mal, haben die beiden was miteinander?“, fragte Rosy verwundert einen Regieassistenten neben sich, der nur mit den Achseln zuckte.

Lautlos stand Senga für ein paar Minuten neben dem Kameramann und sah ihrer Freundin zu, wie sie sich abmühte.
„Okay, machen wir fünf Minuten Pause“, entgegnete der Kameramann und sah Senga an.
„Ihr müsst nicht wegen mir pausieren“, war Senga irritiert.
„Liv braucht ne Pause, sie quält sich hinter den heißen Kameras, wart ihr Mädels wieder aus, gestern?“
„Ja, schuldig, wir werden echt zu alt dafür. Ich geh mal zu ihr“, entschuldigte sich Senga und ging in die Kulisse. Liv saß abgeschafft auf dem neuen Moderationssofa.
„Wir hätten gestern echt nicht saufen gehen sollen, du gehst ein unter den heißen Kameras“, schlussfolgerte sie und setzte sich neben sie.
„Du bist meine Freundin und alles, aber die Idee, aus einer Doku-Show so was wie ne Talkshow zu machen ist Bullshit“, erkannte Liv müde.
„Letzte Woche war die Idee noch gut“, wunderte sich Senga.
„Letzte Woche bin ich noch nicht unter den 70C° heißen Scheinwerfern gestanden“, murrte Liv.
„Da gewöhnst du dich dran, ich bring dir was zu Trinken. Rosy kam auf die Idee jemanden vor Ort zu schicken um die Lage abzuchecken, was hältst du davon?“, wollte Senga wissen.
„Ja, das machen wir doch schon seit einer Staffel so“, verstand Liv nicht.
„Ja, ganz öffentlich, aber wir sollten das Undercover machen für ein paar Wochen, das wir am besten die Bedürfnisse der Bar herausfinden können“, erklärte Senga den Plan ihrer Assistentin.
„Also ich spiel ganz sicher nicht die Kellnerin, das hab ich im College lang genug gemacht“, entschied Liv.
„Du bist viel zu bekannt, ich dachte an Rosy!“
„Rosy ist nicht genug ausgebildet dafür, du solltest es machen!“
„Ich hab mit der Show zu tun!“
„Rosy ist inzwischen gut genug um dich hier zu vertreten. Das ist wirklich ne clevere Idee, so kannst du gut eintauchen“, fand Liv die Idee gut.
„Ja, ich red mit dem Team darüber, aber das sollte ich wirklich tun“, fand sie immer mehr Gefallen daran.

Zweites Kapitel


Eine Woche später hatte das Team alles vorbereitet und Sengas Undercover-Aktion in der Bar namens Macintosh konnte beginnen. Senga hatte ihre alten Klamotten aus ihrer Zeit vor ihrer Karriere herausgekramt und ihren Koffer damit bestückt.
„Bist du wirklich sicher mit den roten Haaren?“, war sich Senga unsicher, als Liv die knallrote Haarfärbung aus der Tasche zog.
„Keine Reporterin würde jemals ihre Haare so färben, so kannst du besser dreiste Fragen stellen. Die Farbe hatte ich auch mal, die Gäste im Diner haben es geliebt“, schmunzelte Liv.
„Du willst mich nur in der Haarfarbe sehen, oder?“, schmunzelte Senga und Liv grinste.
„Gut, machen wir’s“, entschied sie, nachdem sie tief durchgeatmet hatte, und Liv färbte ihr die Haare.
Mit feuerroter Mähne saß Senga McNab in einem Zug von New York City nach Boston. Sie hätte auch mit dem Auto fahren können, aber ihr brandneuer SUV hätte zu viel Aufmerksamkeit erregt.
„Ich sitz das erste Mal in einem Zug in meinem Leben, hat was“, skypte sie während der Fahrt mit Liv über ihr Smartphone.
„Ich bin die Strecke schon oft gefahren, meine Tante wohnt in Boston. Sie holt dich am Bahnhof ab, du wohnst bei ihr solange, sie ist wirklich nett. Sie ist in den nächsten Wochen deine Tante, du hast ein paar Rückschläge erlebt und sie hat dich aufgefangen“, erklärte Liv ihr den Plan.
„Ja, ich war auch bei dem Meeting dabei, ich schaff das, keine Sorge“, versprach Senga.
„Da hab ich keine Sorge, pass nur auf dich auf“, bat Liv.
„Ja, werde ich, ich ruf dich von deiner Tante aus an. Bis dann“, legte sie wieder auf.
 
Kurz vor Boston döste sie etwas ein. Als sie wieder aufwachte, saß ein Kerl in einem Hemd und Schottenrock mit graugrünem Muster neben ihr. So einen Anblick musste sie erst mal verkraften, also blinzelte sie zwei Mal.
„Hey“, begrüßte sie den Kerl schüchtern.
„Hey“, murmelte er zurück. Er roch nach Whiskey und Schweiß. Fast automatisch rutschte sie etwas zur Seite wie bei den Pennern in der New-Yorker-U-Bahn.
„Tut mir leid, ich rieche mies“, erklärte der Kerl in einem Akzent, den sie in ihrem Döse-Zustand schwer einordnen konnte.
„Ich bin New Yorkerin, das ist keine böse Absicht, tut mir leid“, entschuldigte sie sich auch.
„Hab von euch Leutchen gehört, war nur am Flughafen, hab nicht viel von der Stadt gesehen. Man, langsam werde ich wieder nüchtern und das ganz heftig. Früher hab ich echt mehr vertragen“, fuhr er sich durch die fettigen, längeren Haare.
„Schotte, Sie sind Schotte“, sagte sie plötzlich laut vor sich hin.
„Ich trag nen Kilt, duh!“
„Ich komm aus New York City, ich hab mehr Männer Röcke tragen sehen als Frauen, die meisten davon nicht Schotten“, schlussfolgerte sie.
„Wie auch immer, ich bin einer und ich möchte echt meinen Kater ausschlafen, ich muss in ein paar Minuten auf meinen Vater treffen, den ich ne ganze Weile nicht mehr gesehen habe und da muss ich nüchtern sein“, bat er.
„Hier, ich hab eh zu viel Wasser mitgenommen, hilft gegen den Brand und gegen die Kopfschmerzen“, sagte sie freundlich und gab ihm eine Flasche Wasser.
„Danke, hab seit dem Flug nichts mehr getrunken, nichts Alkoholfreies zumindest. Ich bin übrigens Alex“, stellte der Schotte sich vor.
Senga zögerte kurz. Sie wollte ihre Rolle schon mal ausprobieren, deshalb stellte sie sich mit ihrem Alias vor.
„Ich bin Rory“, stellte sie sich vor.
„Dann danke ich dir Rory, ich hoffe dein Weg führt dich dahin, wo du hinwillst“, entgegnete er.
„Bitte, du auch“, sagte sie lächelnd und er döste neben ihr weg.
 
Eine halbe Stunde später holte Livs Tante, die ihrer Nichte sehr ähnlich sah, Senga am Bahnhof ab. Callan McLachlan war trotz ihrer fast sechzig Jahren noch eine sehr attraktive Frau.
„Hey Kleines, willkommen in Boston“, begrüßte Callan sie mit einer herzlichen Umarmung.
„Danke, dass Sie mich so herzlich bei sich aufnehmen“, bedankte sich Senga erschöpft.
„Das mit dem Sie lassen wir ganz schnell, du wirst für einige Zeit meine Nichte spielen, da können wir das Sie gar nicht gebrauchen!“
„Sicher, danke. Ich hab heut im Zug nen waschechten Schotten im Schottenrock getroffen, ich hab echt gedacht, ich hab in New York schon alles gesehen“, erzählte sie von ihrem Erlebnis.
„Der junge Mann dort, der sich die Seele aus dem Leib kotzt?“, wollte Callan wissen, die sah, wie Alex über einem Mülleimer stand und kotzte.
„Oh man, der Arme, er trifft seinen entfremdeten Vater und der sollte ihn nicht so sehen. Wir sollten ihm helfen“, schlug Senga vor.
„Du kennst ihn doch gar nicht“, verstand Callan nicht.
„Ich bin vor meinen Eltern auch geflüchtet, ich stell mir nur grad vor, wie mein Vater reagieren würde, wenn ich so in zu Hause antanzen würde“, bemerkte sie nachdenklich, während sie Alex weiter zusah, der sich erschöpft auf die Bank neben dem Mülleimer setzte.
„Meinetwegen, aber wenn er ein Axtmörder ist und uns beide abschlachtet, such ich dich heim“, entschied Callan und Senga ging voran zu Alex.
„Hey Braveheart, ich nehm dich jetzt mit nach Hause“, setzte sie sich cool neben ihn.
„Ich muss zu meinem Vater, der wartet auf mich“, murmelte er benommen.
„Morgen ist auch noch ein Tag, meine Tante meinte grade, dass man dich nicht so gehen lassen kann“, schlüpfte sie in ihre Rolle.
„Ja, meine Nichte hat immer was für Streuner übrig. Ich hab ein super bequemes Sofa, das wird es für diese Nacht tun“, schlug Callan vor.
„Ich muss verrückt sein, aber das klingt jetzt alles besser als meinem alten Herrn zu begegnen“, stimmte er zu und sie brachten ihn zu Callans kleinem Haus, etwas außerhalb von Boston. Alex schlief ziemlich zügig auf dem Sofa aus Cord ein.
„Der kommt von ner Hochzeit“, schlussfolgerte Callan, als sie ihn von der Küche aus beim Schlafen beobachteten.
„Woher weißt du dass jetzt schon wieder? Hat er noch was gesagt?“
„Nein, ich leite das Kriminalbüro Boston West, hat dir Liv nicht gesagt, oder? Deshalb hab ich auch gemerkt, dass der Junge harmlos ist. Aber eins musst du von deinem kleinen Romeo wissen…“, begann sie.
„Du hast doch nicht unter seinen Rock gesehen, während ich auf dem Klo war“, schmunzelte Senga.
„Doch, ehrlich gesagt schon, er trägt Boxers drunter, falls du es wissen wolltest. Nein, es geht aber um ein Kleidungsstück, was sehr signifikant in der schottischen Tradition ist. Er trägt einen Schuh einer Frau mit sich rum“, erkannte Callan und Senga sah sie fragend an.
„Man, hast du überhaupt keine Ahnung von den Traditionen deiner Ahnen? Das ist einer der Schuhe der Braut, er ist der Bräutigam“, analysierte sie sein Auftreten.
„Dann schläft der Mann irgendeiner schottischen Frau auf dem Sofa einer Frau, die ich auch grad erst kennengelernt habe“, fasste Senga zusammen.
„So in etwa, aber er ist nicht verheiratet, kein Ring ziert seinen Finger. Er ist von seiner Hochzeit geflüchtet“, analysierte Callan weiter.
„Super, dabei hat meine Mutter mir immer gesagt, ich soll keine Streuner mit ins Haus mit nehmen“, murmelte Senga.

Drittes Kapitel


Es wurde langsam hell als Senga durch das ihr unbekannte Haus schlurfte. Sie hatte etwas unsanft auf dem Teppich geschlafen, weil für sie eigentlich das Sofa vorgesehen war. Sie stieß die Badezimmertür auf und traf Alex an, der immer noch im Schottenrock breitbeinig vor dem Klo stand und pinkelte.
„Man, auf diesen Anblick hätte ich gut verzichten können“, stammelte sie und ging wieder raus.
„Das ist mir echt peinlich, ich hätte abschließen sollen, verzeihen Sie mir. Rory, richtig?“, kam Alex ins Wohnzimmer, nachdem er im Bad geduscht und sich umgezogen hatte. Seine normale Kleidung stand ihm viel besser als der Schottenrock.
„Ja, richtig. Wir waren bei dem du gestern Abend. Weiß deine Verlobte, dass du hier bist?“, kam sie gleich auf den Punkt.
„Ich hab gestern wohl einiges gesagt, nein, weiß sie nicht, ich bin vom Altar abgehauen, das war meine Hochzeitskluft, lange Geschichte. Ich sollte mir nen Taxi rufen, mein Dad ist sicher schon verwundert, wo ich stecke. Danke nochmal für alles“, bedankte sich Alex verlegen.
„Du sahst so verloren aus, ich musste irgendwie helfen. Meine Tante schläft noch, ich sag ihr nen Gruß von dir“, verabschiedete sie sich von ihm.
„Mach das, viel Glück!“
„Danke, du auch, bye“, ging er aus der Tür.
„Verknallst du dich immer so schnell?“, hörte sie plötzlich Callans Stimme und sie erschreckte sich, als sie Alex zusah, wie er vor der Tür auf ein Taxi wartete.
„Morgen, willst du jetzt die ganze Zeit den Bullen raushängen lassen?“, fühlte sich Senga ertappt.
„Geht mich ja nichts an, Kaffee?“, fragte Callan.
„Ja, bitte, hab kaum schlafen können, Gott sei Dank ist er jetzt weg“, murmelte Senga.
„Wenn du meinst, ich mach mal nen extra starken, ich hab auch nicht viel geschlafen, meine Bullensinne sind die ganze Nacht geschärft gewesen. Ja, ist ne Berufskrankheit. Ich hab den alten Wagen meines verstorbenen Bruders für dich geputzt, dass du für den Job einen Wagen hast, ist ein alter Chevy, er fällt nicht auf. Deine schicken New Yorker Technikkram kannst du in meinem Safe verstauen, Liv hat dir die etwas veralteten PC und Handysachen besorgt?“
„Ja, hat sie, auch die falschen Ausweise, was in Angesicht deines Jobs etwas ist, was ich dir vermutlich nicht erzählen hätte sollen“, stammelte sie vor sich hin.
„Die Sachen hat sie von mir, ich war früher bei der New Yorker Polizei, ich hab noch ziemlich gute Connections zu den Informanten“, erklärte sie beruhigend.
„Das ist echt verstörend, aber gut zu wissen. Dann danke ich dir dafür, die Sachen werden zerstört, sobald ich mit der Undercover-Arbeit fertig bin, versprochen“, schwor sie hoch und heilig.
„Ja, das werde ich persönlich überwachen, nichts für Ungut. Darf ich den Ausweis mal sehen, will mal schauen, wie gut Mickey gearbeitet hat“, bat sie und Senga zog ihren etwas mädchenhaften Geldbeutel, den sie als Rory benutzen sollte, aus ihrer genauso kitschigen Handtasche.
„Liv will dich echt quälen oder?“, schmunzelte Callan.
„Die Sachen hab ich ausgesucht, ich bin sonst nicht so Girlie-mäßig, ich dachte, das passt zu meiner Rolle. Zu viel?“
„Ich geb dir ein paar von meinen alten Handtaschen, du willst ja nicht wie eine 15-jährige auftreten. Eher wie die 25-jährige die du bist. 25, ernsthaft?“, sah sie Sengas gefälschten Ausweis an.
„Ich kann ein paar Jahre wegschummeln, wenn ich das schon kann, oder?“, schmunzelte sie.
„Klar, würde ich auch machen, ich kauf dir die 25 ab, siehst gut aus für fast dreißig. Die Klamotten passen, hier ist die Handtasche, am Haken hängen die Autoschlüssel. Die Barkeeperin ist eingeweiht, oder?“, plante Callan.
„Ja, ist sie, sie wird in den nächsten Tagen ausfallen und ich werde für sie einspringen, ich muss nur noch die wichtigsten Drinks lernen, aber ich lerne schnell“, entschied sie.
„Sonst bring ich’s dir bei, ich hab während meinem Studium lange als Barkeeperin gearbeitet. Hier ist der Haustürschlüssel, du wirst vermutlich zu ganz anderen Zeiten wie ich heimkommen. Hier ist meine Festnetznummer und meine Handynummer, gib die keinem, sind Geheimnummern. Du bist glaub ich gut genug gerüstet“, konterte Callan.
„Ich fühl mich in meine Vergangenheit zurückversetzt, ich denke, ich werde meinen Wisconsiner Akzent auch wieder ein bisschen auspacken, das stärkt die Authentizität.
„Ja, gute Idee. Ich hab auch einiges an Undercover gemacht, bevor ich im Labor gelandet bin, ich steh dir bei allen Tipps und Tricks zur Seite. So, ich mach dann mal Kaffee, zieh dich an, du darfst keine Zeit verlieren“, drängte Callan sie.
„Ja, Detective“, schmunzelte Senga und ging ins Badezimmer. Mit ihren Socken trat sie an der Toilette auf etwas Feuchtes.
„Oh verdammt Alex, darum hab ich mir nie nen Ehemann genommen, die pinkeln ja immer daneben“, fluchte sie und zog angeekelt ihre Socken aus.
Durchs Badfenster sah sie, wie Alex in ein Taxi stieg und wegfuhr. Er war ein attraktiver Kerl, das musste sie schon sagen und sein Akzent war schon sexy. Nein, sie musste daran denken, dass er verlobt war und nen Kerl, sie wollte sich nur auf ihre Karriere konzentrieren, Beziehungen brachten nur Babys und ein Kind konnte ihr Karriereende bedeuten.
„Willst du deinen Kaffee schwarz oder mit Milch und Zucker?“, hörte sie Callan von draußen und schüttelte ihre Gedanken ab.
„Schwarz bitte, und ich brauch einen Mop, Braveheart hat daneben gepinkelt“, rief sie heraus.
„Eklig, genau aus dem Grund hab ich mir nie nen Kerl angeschafft“, murrte sie.
„Das gleiche hab ich mir auch grad gesagt. Du warst also nicht verheiratet?“, wollte sie wissen.
„Nur mit meinem Job, aber keine Sorge, ich bin glücklich damit, ich sehe regelmäßig meine Nichten und Neffen und ich mag was ich tue. Ich muss zumindest keine Pisse vom Boden aufwischen. Magst du Eier, ich mach mir grad Rührei!“
„Ja, wäre klasse, danke“, entgegnete sie, während sie aus dem Bad kam.
„Gott sei Dank, du gehörst nicht zu den New Yorkerinnen, die aufgehört haben zu essen“, schmunzelte sie.
„Ich esse morgens eigentlich auch nichts, aber Rory tut es, hab ich grad entschieden“, sagte sie cool.
„Gute Entscheidung, du bist viel zu dünn, so wie Liv auch. Hier, dein Kaffee, trink den, Handtücher sind im Schrank“, erklärte sie erfreut und verschwand in der Küche.
 
Nach einem ausgiebigen Frühstück fuhr Senga Mc Nab, alias Rory Benson zum Macintosh.
Beißender Uringeruch drang in ihre Nase, als sie durch die Tür ins Macintosh ging. Es waren keine Gäste dort, was ein gutes Zeichen war, denn früh kommende Säufer waren in einer Bar nie ein gutes Zeichen. Ein Kerl Ende 50 mit einem Bart saß an einem Tisch, um ihn herum Ordner verteilt.
„Adair Macintosh?“, fragte sie vorsichtig.
„Kommt darauf an, wer das wissen will, wenn du eine Geldeintreiberin bist, nimm die linke Hand, die rechte brauch ich noch, um das Bier zu zapfen“, hielt er seine Hand hoch, während er sich weiter auf seine Unterlagen konzentrierte.
„Ich bin keine Gläubigerin, ich such nach nem Job, ich bin Rory“, stellte sie sich vor.
„Du bist süß und alles, aber im Moment könnte ich dich höchstens in Bierdeckeln bezahlen“, musterte er sie.
„Hab ich mir schon gedacht, ich komm grad aus Wisconsin hier an, wollte nur Fuß fassen“, log sie in dem breitesten Dialekt den sie aufbringen konnte.
„Das ist schön, Rory aus Wisconsin, aber ich kann kaum meine jetzigen Kräfte bezahlen, geschweige denn jemanden neues. Ich könnte jemanden gebrauchen, der meine Toilette repariert, dass mir nicht noch mehr Gäste weglaufen“, murmelte er und zeigte auf die Toilettentür.
„Haben Sie Werkzeug?“, fragte sie cool.
„Das war eigentlich sarkastisch gemeint“, konterte er.
„Mein Daddy ist nen Klempner, ich weiß wie das geht“, entgegnete sie und zog ihre Jeansjacke aus.
„Meinetwegen, schlimmer als es jetzt ist, kann es kaum werden. Werkzeug steht da hinten links, bezahlen kann ich dich aber nicht!“
„Müssen Sie nicht, ich helf gern. Arbeiten Sie ruhig weiter“, entgegnete sie und ging zu den Toiletten. Ihr Vater war wirklich Klempner, aber es war ne Weile her, dass sie eine Toilette repariert hatte. Sie rief ihren Vater an.
„Dad, hey, ich muss ne Toilette reparieren, kannst du mich nochmal kurz leiten?“, bat sie den pensionierten Klempner.
„Nein, das ist nicht meine eigene Toilette, oh man, das stinkt vielleicht, lange Geschichte, mach es einfach bitte“, bat sie und kniete sich an die verstopfte Toilette. Während sie versuchte, ihren Würgereiz zu unterdrücken, reparierte sie die Toilette und bekam es tatsächlich hin. Sie konnte es kaum erwarten, nach dieser Aktion lange bei Callan zu duschen, als sie nass und stinkend zu Adair zurückkam. Als sie fast an seinem Tisch angekommen war, drehte sich ein Mann zu ihr um, der vor Adair stand. Es war Alex.
„Klasse, das war so klar“, murmelte sie und schloss die Augen.
 

Viertes Kapitel


„Rory, hey, was machst du hier?“, musterte er die muffelnde Produzentin.
„Anscheinend die Toiletten deines Vaters reparieren. Hast lange hier her gebraucht“, war sie total überrumpelt.
„Du kennst die Kleine?“, fragte Adair seinen Sohn.
„Ich war letzte Nacht bei ihr!“
„Hast du sie vorgeschickt um mich vorher abzuchecken?“
„Nein, wirklich nicht, wir sind uns gestern im Zug begegnet und sie hat mir einen Schlafplatz angeboten“, erklärte Alex, der nicht die Augen von ihr lassen konnte.
„Früher bei uns hieß das noch Sex“, verstand Adair nicht.
„Hey, ich bin verlobt und nicht mit ihr, sie hat mich auf der Couch schlafen lassen. Was zum Henker stinkt hier so?“
„Das wäre dann ich, die Toilette ist repariert, ich geh dann duschen, rufen Sie mich an, wenn Sie nochmal Hilfe brauchen“, nahm sie ihre Jacke und eilte davon.
„Ich hab ihre Nummer gar nicht, ich hab gehört, du hast dich mit Crystal Macenzie verlobt, ist sie diejenige?“, sah Adair dem seltsamen Gast nach und wendete sich dann wieder seinem Sohn zu.
„Irgendeiner von uns muss ja eine Macenzie heiraten, wenn du es schon nicht getan hast“, war er nicht gut auf seinen Vater zu sprechen.
 
In Sengas Kopf drehte sich alles. Alex war ein Macintosh, sie musste Undercover dort arbeiten und hatte sich anscheinend Hals über Kopf in diesen Kerl verknallt, der vergeben war. Hektisch wählte sie auf ihrem Rory-Handy, Livs Nummer.
„Morgen Rotkäppchen, gut geschlafen?“, begrüßte Liv sie freundlich am Telefon.
„Ich hab scheiße gebaut, große Scheiße“, sagte sie hektisch.
„Ernsthaft? Man, ich dachte du wärst professioneller. Hast du die Fernsehtussi raushängen lassen, oder wie?“, war Liv enttäuscht.
„Ich hab mich verknallt!“
„Du bist keine 12 Stunden dort, wie ist denn das passiert? Oh Gott du bist verknallt in den alten Sack? Wusste gar nicht, wie nötig du es hast“, schmunzelte Liv amüsiert.
„Hör auf, mir ist schlecht genug, ich hab gestern in der Bahn jemanden kennengelernt, er war total betrunken, ich hab ihn mit nach Hause genommen, er hat auf dem Sofa deiner Tante gepennt, ich wusste nicht, wer er ist, stellt sich heraus, er ist der entfremdete Macintosh-Sohn“, erklärte sie in Kürze.
„Und du hast ihm deinen richtigen Namen gesagt?“
„Nein, eigentlich nicht, richtig, ich bin schon in meiner Rolle, er weiß nicht, wer ich bin. Aber ich hab es mit ihm schon versaut, ich hab in der Bar die Toilette repariert, ich stinke jetzt wie ein Penner, der drei Tage tot in der Sonne gelegen hat“, war sie total durcheinander.
„Du hast ne Toilette repariert?“
„Mein Daddy war ein Klempner, ich weiß wie das geht. Er wollte mich schon wegschicken, ich musste irgendwas tun“, entschied sie.
„Ja, über seine Toilette eroberst du das Herz jedes Mannes“, frotzelte Liv amüsiert.
„Toll, dass du das lustig findest. Was mach ich jetzt?“, war sie unsicher.
„Duschen würd ich mal sagen. Wollte nicht die Barkeeperin auf dich warten?“
„Ja klasse, ich bin total mies Undercover!“
„Versuch es nachher nochmal, geh erst mal duschen. Versuch beim zweiten Versuch keine Toiletten zu reparieren, okay?“
„Ja, ich versuch’s. Ich mach mich wegen nem Kerl zur vollkommenen Idiotin, diese Undercover-Arbeit wird immer mehr zu meiner High-School-Zeit“, entgegnete sie und legte wieder auf.
Nachdem sie sich geduscht und umgezogen hatte, versuchte sie es erneut in der Bar. Alex saß an der Bar und vergriff sich am Whiskey.
„Na, wieder da?“, fragte er lustlos und drehte sich auf dem Barhocker zu ihr hin.
„Hey, du solltest deiner Leber lieber mal ne Pause gönnen, bevor sie schreiend davon läuft. Wo ist er?“
„Wir haben uns gestritten, er ist irgendwo hin abgerauscht. Was ist deine Story, Missy?“, fragte er angetrunken.
„Ich hab keine Story, ich brauch nur nen Job, ich renn dir nicht hinterher, das war alles ein blöder Zufall“, erklärte sie.
„Ah, wenn du meinst. Er ist zumindest nicht hier, also bist du hier falsch“, war er betrunken unerträglich
„Ja, sieht ganz so aus. Wenn wir grad beim Thema sind, was ist deine Story?“
„Wir sind keine Freunde, geht dich nichts an“, murrte er.
„Hör auf zu saufen, macht dich echt fies“, ging sie enttäuscht zur Tür.
„Rory?“
„Was noch?“
„Ich bin von meiner Hochzeit geflüchtet“, begann er und sie kam langsam zurück.
„Das weiß ich schon!“
„Was du nicht weißt ist, dass ich zu dieser Hochzeit gedrängt werde“, erklärte er.
„Das ist das 21. Jahrhundert, niemand wird heut zu Tage noch zu einer Hochzeit gedrängt, außer man hat eine Frau geschwängert. Hast du die Frau geschwängert?“
„Nein, es geht um Familienehre und es werden im Nahen Osten täglich Frauen zur Hochzeit gezwungen und nicht nur dort. Du verstehst das nicht“, druckste er herum.
„Nein, da hast du Recht, ich versteh das nicht. Geht mich auch nichts an. Ich hab vergessen meine Nummer zu hinterlassen, ich schreib dir die Nummer auf, für deinen Vater, falls er sich melden will, vermutlich nicht, aber gib sie ihm einfach. Viel Glück mit deinem Problem“, schrieb sie ihre Rory-Nummer auf und verließ erneut die Bar.
 
„Ich brauch echt ne neue Strategie“, entschied Senga, als sie an diesem Abend auf dem Sofa liegend mit Liv skypte.
„Das kann ich kaum glauben. Du bist ein Tiger im Job aber sobald ein Kerl antrabt bist du ein scheues Reh?“, verstand Liv nicht.
„Es geht nicht nur um ihn, ja, er trägt einen großen Anteil an meiner Unsicherheit bei, aber der Laden ist am Boden, denen können wir glaub ich nicht mehr helfen“, entschied sie.
„Dann komm heim, dann brechen wir das hier ab“, sagte sie hilfsbereit.
„Ich will es trotzdem versuchen!“
„Das musst du mit dem Sender absprechen, nicht mit mir, wenn du wegen nem Kerl deine Karriere riskieren willst, bitte“, entgegnete Liv kritisch.
„Man, jetzt kommst du mir mit Logik. Ich versuch’s morgen noch einmal und wenn ich dann wieder gegen eine Wand laufe, dann steig ich in den nächsten Zug nach Hause“, versprach sie.
„Braves Kind, ich werde dich dann am Bahnhof abholen“, erklärte Liv freundlich und mit einem Seufzer stellte Senga Skype aus.
 
Mit süßem Pferdeschwanz und mit dem schärfsten, was sie in ihrem Koffer gefunden hatte, ging sie an diesem Dienstagmorgen das letzte Mal ins Macintosh. Weder Adair noch Alex waren da, aber eine hübsche junge Frau stand am Tresen.
„Morgen Schönheit, brauchst du nen Drink?“, fragte die junge Frau freundlich. Senga sah auf ihre Uhr, es war nicht einmal halb zehn Uhr morgens.
„Nein, eher weniger, ist Adair Macintosh da?“
„Noch nicht, du musst die mysteriöse Klempnerin sein, Adair hat von dir erzählt. Ich danke dir vielmals dafür, endlich stinkt es hier nicht mehr. Kann ich dir vielleicht helfen?“
„Du bist die Barkeeperin hier, oder?“
„Ja, ganz recht, ich mach sehr gute Drinks, aber die meisten trinken hier nur Bier. Auf was willst du hinaus?“, wollte sie wissen.
„Ist wirklich keiner von den Macintoshs da?“
„Willst du mich verführen, oder mich umbringen? Ich hab nur zwei Wörter für dich, Hetero und Pumpgun unter dem Tresen“, sagte sie ernst.
„Gut zu wissen. Nein, du hast uns ne E-Mail geschrieben, wir sind jetzt da“, schob sie ihre echte Visitenkarte über den Tresen.
„Man, ich hab mir dich ganz anders vorgestellt“, war die Barkeeperin baff.
„Ist ne kleine Maskerade, ich wollte mich hier Undercover als Bedienung einschleichen, aber Brummelbär und Sohn machen mir das ziemlich schwer“, erklärte sie.
„Ja, die Lage hier ist schlimmer als ich dachte, sein Sohn kam gestern hier her, seit dem streiten sie, ziemlich nervig. Seit wann macht ihr Undercover-Arbeit? Ich hab all eure Sendungen gesehen, das habt ihr noch nie gemacht“, wunderte sie sich.
„Das war ein Versuch, aber das war wohl nichts. Tut mir leid dass wir euch nicht helfen können, sag Alex nen Gruß“, verabschiedete sie sich und nahm ihre Karte ihr wieder aus der Hand.
„Ich könnte dich hier reinbringen, wenn du uns wirklich helfen kannst. Ich liebe Adair wie einen Vater, er hat das nicht verdient“, entgegnete sie verhandelnd.
„Das wäre nett, aber das ging nur, wenn du für mich auf deinen Job verzichten würdest und wie ich sehe liebst du deinen Job hier, das kann ich dir nicht antun. Danke trotzdem“, nahm sie das nicht entgegen.
„Ich bin schwanger und kann bald keine schweren Kisten mehr schleppen“, gestand die Barkeeperin plötzlich, als sie schon gehen wollte.
„Ernsthaft oder willst du das als Ausrede benutzen, um ihr abzuhauen!“
„Ich bin von einem One-Night-Stand schwanger geworden, bin jetzt fast in der vierten Woche, Adair weiß es noch nicht, er wird es aber bald merken“, entschied sie.
„Darum hast du uns gerufen, du willst sie nicht allein lassen“, stellte sie fest.
„Ja, wenn der Laden besser läuft kriegen sie bessere Leute, die den Laden schmeißen können, wenn ich mit dem Zwerg klarkommen muss“, entschied sie und fasste sich an den Bauch.
„Ich kann das aber nur ein paar Wochen machen“, entgegnete sie.
„Klar, versteh ich, danke“, freute sich die junge Frau.
„Dein Name ist Gwen, oder?“
„Ja, die bin ich Gwen McDougal, ich erzähle es ihm heute und schlage dich als meine Vertretung vor. Er wird eine Vertretung brauchen und dich einstellen, ich verdiene ziemlich mies, aber für ein paar Wochen wirst du das überleben“, erklärte Gwen.
„Sicher, du wirst natürlich für das alles vergütet, vor allem wegen deiner Situation und allem. Warum bist du eigentlich schon so früh hier? Ihr macht doch erst in acht Stunden auf“, wollte sie wissen.
„Wir haben keine Reinigungskraft mehr, deshalb muss ich hier alles bis zu den Öffnungszeiten sauberkriegen. Du kannst mir gerne helfen, mir ist eh grad kotzübel wegen der Morgenübelkeit“, erklärte sie.
„Klar, ich bin übrigens Rory hier, kein Wort über meine Sendung oder meinen richtigen Namen, okay?“, bat Senga.
„Klar, kein Problem. Da du ja so gut mit den Toiletten konntest übertrage ich dir die Putzarbeiten an den Toiletten“, schlug Gwen vor.
„Juhu“, murmelte sie sarkastisch und ging mit ihr zu den Toiletten. Als sie grade auf dem Boden in einer Toilettenkabine kniete und die Toilette schrubbte, kam jemand in die Kabine neben sich und kotzte lautstark in die Schüssel.
„Das machst du aber selber sauber, Süße“, sagte sie erschöpft.
„Rory, bist du das?“, hörte sie Alexs Stimme. Erschreckt setzte sie sich hinter sich auf den Boden und knallte dabei gegen die Tür. Sie fluchte wie sie seit ihrer Zeit in Wisconsin nicht mehr geflucht hatte.
„Was war das?“, fragte Alex.
„Oh man, das gibt ne Beule, ich hab mir den Kopf angeschlagen. Du bist also doch hier?“, entgegnete sie und rieb sitzend ihren Kopf.
„Ja, du auch wie es den Anschein hat. Was zum Henker machst du hier?“
„Ich putze Toiletten, Gwen ist ne alte Freundin von mir, sie braucht Hilfe“, erklärte sie.
„Wieder nen Zufall, oder wie?“, war er kritisch eingestellt.
„Sie braucht Hilfe, ich helfe, mehr musst du nicht wissen. Wehe du kotzt daneben, das wisch ich nicht auf“, raunzte sie.
„Du bist so arrogant, du könntest genauso gut aus der Stadt sein“, murrte er und sie machte die Tür auf. Da ihr noch schwindelig von dem Schlag auf den Kopf war rutschte sie an der nächsten Wand auf den Boden. Er hatte anscheinend vergessen, was sie über New York City gesagt hatte und dass sie daher kam.
„Bin ich aber nicht, bin das erste Mal in so ner Stadt wie Boston. Deine Leber mag wohl den Alkohol nicht, was?“, fragte sie cool und er drehte sich auch herum und sah sie an. Er glotzte sofort auf ihre Brüste, die durch den Push-Up den sie trug aus ihrer Bluse quollen.
„Nein, anscheinend nicht, ich bin sonst sehr trinkfest. Ich bin hierhergekommen um meiner Hochzeit zu entfliehen, aber hier treffe ich auch nur auf die Hölle. Mein Dad, den ich seit 10 Jahren nicht mehr gesehen habe, ist ein gebrochener Mann. Ich will ihm helfen, wir zoffen uns aber nur. Ich kann irgendwie nirgendwo mehr hin“, sagte er traurig und begann ganz plötzlich zu schluchzen.
„Es wird alles wieder gut“, ergriff sie seine Hand und zog sie an ihre Brust.
„Du bist ne komische Frau“, war er überrumpelt und sie ließ seine Hand wieder los.
„Stör ich hier irgendwie?“, kam Gwen zu ihnen und gab beiden eine Flasche Wasser.
„Bist du schon länger hier?“, fragte Alex, der sich von ihr überrumpelt fühlte.
„Ja, schon ne Weile, ich hab dich gestern auch ins Bett gebracht, na ja, eher auf die Matratze im Büro, auf der ich sonst immer penne. Vielen Dank übrigens dass ich wegen dir um drei Uhr nachts noch durch die halbe Stadt fahren musste“, konterte Gwen cool.
„Danke, dass du mir deinen Schlafplatz überlassen hast, ich mach’s wieder gut. Man, hier stinkt es vielleicht, ihr müsst noch einiges putzen“, rappelte er sich auf.
„Sei nicht so frech, sonst lassen wir dich putzen. Ich brauch nen Eisbeutel, der Idiot hat mich so erschreckt, dass ich mir den Kopf an geknallt habe“, erklärte Senga und Gwen half ihr auf.
„Ich mach dir Eiswürfel in nen Tuch, setz dich an einen Tisch. Putz solang weiter, Alex, bitte“, bat Gwen und brachte sie wieder in die Bar.
„Super, jetzt verletz ich mich noch bevor ich überhaupt hier anfange. Ich bin so dämlich“, murmelte Senga und rieb sich den Kopf.
„Kann passieren. Warum erschreckst du dich eigentlich vor ihm? Kennst du ihn irgendwo her?“, wollte Gwen genau wissen.
„Nein, hab ihn erst gestern im Zug hierher kennen gelernt. Er verwirrt mich vollkommen, das ist mir vorher noch nie passiert“, gestand sie.
„Du bist verknallt in ihn, kann auch passieren, er ist nur schon vergeben. Hier, drück das auf den Kopf“, schüttete Gwen Eiswürfel in ein Handtuch und Senga drückte es sich gegen den Hinterkopf.
„Dafür bin ich nicht hierhergekommen, ich bin nicht die andere Frau und das wollte ich auch nie sein“, war Senga unsicher.
„Du bist süß, du erinnerst mich an mich, als ich in deinem Alter war“, fand das Gwen putzig.
„Wie alt bist du denn?“
„34, wieso?“
„Du bist grad mal fünf Jahre älter als ich“, schlussfolgerte Senga.
„Ernsthaft? Man, hast du ein Glück, du siehst so jung aus. Ich hätte meinen Ex nicht heiraten sollen, das hat mir die ein oder andere Furche im Gesicht eingebracht. Warst du schon verheiratet?“
„Nein, aber verlobt war ich schon, aber ich war 16 und dachte für fünf Minuten dass ich schwanger wäre, das zählt also nicht. Kann man dir irgendwie helfen, Alex?“, drehte sich Senga zu dem jungen Schotten, der zu den Frauen gekommen war.
„Ich hab einen zu großen Kater für stinkende Toiletten“, maulte er trotzig.
„Ich hab nen dicken Kopf und Gwen Morgenübelkeit, jeder muss sein Päckchen tragen“, konterte sie cool.
„Du hast nen Braten in der Röhre? Ich hoff mal nicht von meinem Alten“, musterte Alex, Gwen.
„Halt den Rand, Alex“, murrte Gwen.
„Oh, hab ich da einen wunden Punkt getroffen? Ich hab sechs ältere Brüder, drücken wir mal die Daumen“, war er auch auf Krawall gebürstet.
„Glaubst du, der feuert mich, wenn ich seinem Sohn eine verpasse?“, schnaubte Gwen erbost.
„Kommt darauf an, ob er recht hat, oder nicht“, schmunzelte Senga und jetzt sah Gwen sie böse an.
„Was? Ich kenn dich jetzt fünf Minuten, was weiß ich!“
„Warte, ihr kennt euch fünf Minuten?“, fragte Alex plötzlich.
„Verdammt“, fluchte Senga.
„Habt ihr mir was verschwiegen?“
„Ich hab sie im Internet kennen gelernt, sie wird das hier packen, da bin ich sicher“, erfand Gwen irgendetwas. Alex schien es zu glauben.
„Lasst das bloß nicht meinen Vater hören, ihr seid Freundinnen, mehr muss er nicht wissen“, half Alex ihnen.
„Du bist nicht so selbstgefällig wie du tust“, erkannte Senga plötzlich.
„Man, ich brauch nen Drink“, zog er eine Whiskey-Flasche hinterm Tresen hervor.
„Nein, brauchst du nicht, Sorgen in Alkohol zu ersäufen bringt keinem was, vor allem weil ich sonst neuen Whiskey kaufen gehen muss und da hab ich heute echt keinen Bock zu. Was hältst du davon, du gehst mit Rory frühstücken und ich mach hier weiter?“, wollte Gwen ihn aus der Bar kriegen und nahm ihm die Flasche aus der Hand.
„Au ja, ich hab echt Hunger, lass uns rausgehen, hier drin wird man echt depressiv“, stimmte Senga dem zu.
„Ein bisschen Hunger hätte ich schon“, murmelte Alex.
„Siehst du, ich pack das hier schon, kommt einfach zurück, wenn ihr satt seid“, bat Gwen und Senga ging mit ihm zu einem Café in der Nähe.

Fünftes Kapitel

 
Fasziniert sah Senga zu, wie Alex Rühreier, Bagels und Milch-Shakes in sich reinstopfte.
„Du willst nichts essen?“, fragte er mit offenem Mund.
„Nein, der Kaffee reicht mir, danke. Du hast schon ne Weile nichts festes mehr zu dir genommen, oder?“
„Kann sein, hab zumindest grad ziemlich Kohldampf. Also Frau aus dem Internet, was ist deine Geschichte?“, mampfte er.
„Bist du Reporter oder so? Du musst nicht alles wissen“, war sie wortkarg.
„Ich bin Barkeeper, ich kann Leute lesen wie in einem Buch. Irgendwas versteckst du“, schlussfolgerte er.
„Der Erdbeer-Milch-Shake sieht lecker aus, ich bestell mir glaub ich auch einen“, rutschte sie von der Sitzbank und ging zum Tresen. Alex folgte ihr wie ein Schoßhündchen.
„Fliehst du vor einem gewalttätigen Ehemann?“, fragte er, als er sich neben sie an den Tresen stellte.
„Man, langsam wirst du lästig, ich bin nicht verheiratet!“, nahm sie ihren Shake entgegen.
„Ich wäre heute schon verheiratet, wenn ich nicht abgehauen wäre“, entgegnete er plötzlich.
„Ja, sieht so aus. Hast du sie wenigstens angerufen?“, wollte sie wissen und ging wieder zum Tisch. Er folgte ihr wieder. Während er lief sah er seine Anrufliste auf seinem Handy an.
„Nein, hab ich nicht, auch nicht besoffen“, bemerkte er cool.
„Du bist echt nen Arsch“
„Ich liebe sie nicht und sie mich nicht. Ich mag sie nicht mal besonders, ich bin nur Realist“, entschied er.
„Ach diese „erzwungene Ehe“-Geschichte“, glaubte sie ihm nicht.
„Gut, ich ruf sie an, sie kann es dir selbst sagen“, wählte er Crystals Nummer.
„Wurde auch mal Zeit, dass du mich anrufst, Schwachkopf“, hörte sie über den Lautsprecher die Stimme von Alexs Verlobten. Sie schien geweckt worden zu sein.
„Ja, war die letzten zwei Tage dauerhacke, tut mir leid. Wie sauer bist du auf ner Skala von 1-10?“, wollte er wissen.
„Als ich allein vor dem Altar stand 10, jetzt ungefähr 7. Wir müssen das durchziehen, du bist der letzte ledige Macintosh, Süßer“, bemerkte sie rational.
„Ja, ich weiß, scheiß Fehde. Ich bin grad in den Staaten, meinen Vater nerven. Ich komm zurück, wenn ich das mit ihm geklärt habe, versprochen“, erklärte er.
„Meinetwegen, beeil dich nur, ich werde auch nicht jünger. Noch irgendwas?“, blieb Crystal total cool.
„Ich liebe dich”, entgegnete er plötzlich.
„Ja, sehr witzig, Schlaf deinen Rausch aus. Ruf noch meine Eltern an, das erklärst du ihnen“, bat sie und legte wieder auf.
„Siehst du?“, fragte Alex rechthaberisch.
„Ihr Europäer habt doch nen Knall“, sagte sie nur.
„Wieso, das sehen wir beide als eine Art Geschäftsbeziehung, mehr nicht. Unsere Familien wollen das so, also müssen wir das machen“, entschied er trocken.
„Wenn das nur ein Geschäft ist, warum bist du dann abgehauen?“, wollte sie rechthaberisch wissen.
„Du willst nichts über dich erzählen, ich behalte meine Geheimnisse für mich. Jetzt trink deinen Shake leer“, war er plötzlich wortkarg und sie tat es.
 
Als Senga mit Alex im Schlepptau zurückkam, kam ihr fast ihr Erdbeershake hoch, als sie sah, wer sich auf einem der Sitzbänke der Bar breit gemacht hatte.
„Oh nein, das hat sie nicht getan“, war sie total konfus und zog ihr Handy raus.
„Entschuldige mich kurz“, sagte sie irritiert und ging nach draußen.
„Hast du den Verstand verloren?“, brüllte sie Liv am Telefon an.
„Er ist also bei dir angekommen“, schmunzelte Liv.
„Das findest du witzig? Der Produzent von „Guten Morgen, New York“ sitzt im Holzfällerhemd und zerrissenen Jeans im Macintosh. Was soll das?“
„Ich bin zu berühmt um an deiner Seite zu sein in dieser Situation, aber er nicht. Curtis ist dein bester Freund, er wird deinen Lover aus der Heimat spielen, dass du dich auf die Sache konzentrieren kannst, anstatt die 15-jährige zu spielen“, erklärte Liv.
„Curt ist schwul und momentan sieht er eher aus als einer von den Village-People als ein Landei“, konterte sie.
„Er ist in seinem Leben nie aus Manhattan rausgekommen, das ist das Beste was ich aus ihm machen konnte auf die Schnelle. Danke schön“
„Danke schön? Du erwartest ernsthaft einen Dank? Er kompliziert so einiges. Muss er nicht morgen früh wieder auf Sendung sein?“, war sie unzufrieden.
„Debbie packt das schon, Curt hat extra seinen Jahresurlaub für diese Sache geopfert“, entgegnete Liv versichernd.
„Deb ist erst 3 Monate dabei, was sagt der Sender dazu?“
„Die sind einverstanden, so lernt sie es richtig, bis jetzt ist sie immer nur der Co-Moderator gewesen. Bist du schon wieder einfach so abgehauen?“
„Du hättest mich wenigstens vorwarnen können, ich war etwas sehr überrumpelt. Ich geh wieder rein, bevor du wieder Telenovela spielen willst, warn mich bitte vor“, wurde sie ruhiger.
„Mach ich, ich will nur dein Bestes“, erklärte sie.
„Weiß ich doch, Süße, ich hab wirklich etwas kindisch reagiert, weiß auch nicht was mit mir los ist. Ich hab die ganze Zeit nur für meinen Job gelebt, ich fühl mich grad wie ein Kind, dass das erste Mal allein in den Süßigkeiten-Laden darf und man Alex ist ein riesiger Dauerlutscher“, schwärmte sie von ihm.
„Ah, wie auch immer, jetzt hast du zumindest für die nächsten Wochen einen ziemlich anhänglichen Ex-Freund der dich nicht gehen lassen will“, schmunzelte Liv.
„Such dir nen Hobby, Liv, du hast echt zu viel Zeit“, murmelte Senga.
„Eigentlich nicht, muss gleich zum nächsten Screentest, die Lampen sind immer noch zu heiß, ich sterb noch an Hautkrebs bevor wir auf Sendung gehen“, entschied Liv.
„Sag Marcel, er soll die Kameras für die Proben etwas höher hängen, du bist der Star, die werden auf dich hören“, schlug sie vor und Liv stimmt ihr schnaufend zu.
 
„Hey, da bin ich wieder“, kam er in die Bar zurück.
„Alles klar bei dir?“, war Alex besorgt um sie.
„Ja, musste nur grad ein wichtiges Telefonat führen. Du hast mich gefunden“, spielte sie das Spiel mit.
„Callan ist deine einzige Verwandte außerhalb von Wisconsin, war nicht schwer, dich zu finden“, konterte ihr schwuler bester Freund so Kleinstadt-mäßig wie er es als New Yorker konnte.
„Ich bin einfach zu berechenbar. Hast du meine SMS nicht bekommen? Ich hab mit dir Schluss gemacht, du Loser“, konterte sie und stemmte ihre Hände auf ihre Hüften.
„Du weißt doch das ich mein Handy letzte Woche bei diesem Bar-Fight kaputt gemacht habe. Wie auch immer, keiner macht mit dem Todd mit einer SMS Schluss“, übertrieb Curtis seine Rolle etwas.
„Ich hab dir schon mal in die Eier getreten, das mach ich auch ein zweites Mal“, raunzte sie.
„Bisschen rabiat, meine Süße, aber genau das liebe ich an ihr. Komm Süße, deine Tante wartet sicher schon mit dem Mittagessen“, entgegnete Curtis.
„Ich hab grad erst gefrühstückt, Todd und ich muss hier noch helfen. Fahr du zu Callan, ich komm nach“, bat sie mit ernstem Ton.
„Meinetwegen, aber nachher holen wir die verpasste Zeit auf, was?“, packte Curtis sie und grabschte ihr dreist mit beiden Händen an den Hintern.
„Vielleicht, wir werden sehen, geh jetzt einfach“, bat sie und sah kopfschüttelnd zu, wie Curtis in seinem männlichsten Gang aus der Bar ging.
„Das erklärt deine Schweigsamkeit. Ist der Todd gut im Bett?“, frotzelte Alex, der die Szenerie breit grinsend beobachtet hatte.
„Ja, er ist der Grund warum ich aus Wisconsin weg bin, jetzt zufrieden?“
„Ja, es versüßt mir den Tag. Gibt es eine Dusche hier?“, wendete er sich zu Gwen.
„Das ist ne Bar, Schwachkopf!“
„Also nicht. Da werde ich mir wohl nen Hotelzimmer klarmachen müssen. Ladies, war ein Vergnügen“, verschwand auch Alex.
„Was zum Henker war das denn?“, wollte Gwen wissen und setzte sich auf den Tresen.
„Das war Curtis, mein SBF“, erklärte sie kurz und setzte sich auch auf den Tresen.
„Okay, ich sprech nicht New-Yorkerisch“, verstand Gwen nicht.
„Mein schwuler bester Freund aus New York, meine beste Freundin und Kollegin fand mich etwas überemotional was Alex angeht und wollte eingreifen. Die sind beide Moderatoren und haben beide einen an der Waffel, aber die besten Freunde die ich haben kann“, schmunzelte sie.
„Ja, das seh ich, er macht sich für dich zum Affen. Der Todd? Bist du da drauf gekommen?“, prustete Gwen amüsiert.
„Nein, er dachte, er überrascht mich mal damit, ich bin kein verdammter Stand-Up-Comedian, ich brauch ne Vorwarnung, Menschenskind. Ich bin erst zwei Tage hier und musste schon zwei Mal improvisieren. Meinem Kopf geht’s besser, lass uns weiter Toiletten putzen“, entschied sie und sie legten los.
 
„Süß, dein Kerl“, begrüßte Curtis seine Freundin, als sie nach einem harten Arbeitstag nach Hause kam. Er saß auf dem Sofa im Schneidersitz und las einen Buch über Yoga. Er trug wieder seine New-Yorker-Klamotten.
„Der Todd? Ihr habt nicht viel Zeit gehabt, euch ne Geschichte auszudenken, wie mir scheint. Ja, er ist süß, zu süß, deshalb bist du ja jetzt hier. Ist Callan zu Hause?“, setzte sie sich neben ihn.
„Nein, ich hab ne Scheibe eingeschmissen und bin eingestiegen“, sagte er sarkastisch.
„Ja, natürlich muss sie zu Hause sein. Man, ich hab noch nie so viel körperlich geschuftet wie heute. Ich nehm jetzt eine lange Dusche und danach massierst du mir die Füße als Wiedergutmachung für die Grabscherei“, erkannte sie grinsend und ging ins Badezimmer.
Etwas später saß das vermeintliche Pärchen auf dem Sofa wie ein altes Ehepaar. Während Senga ein Buch las, massierte Curtis ihr die Füße. Callan ging an ihnen vorbei und blieb kurz stehen.
„Sagt mal, wie lang seit ihr eigentlich jetzt verheiratet?“, neckte sie die beiden.
„Das ist der reine Neid, seine Fußmassagen sind göttlich. Er kann dich auch massieren, wenn du willst“, entgegnete Senga, ohne sie anzusehen.
„Klingt gut, ich hab aber was vor, ich komm erst spät heim, macht nichts was ich nicht auch tun … ach ja schwul, viel Spaß“, nahm sie ihre Jacke und ging aus dem Haus.
„Ja, wir als ein Liebespaar, das wär noch was. Ich geb es ungern zu, aber ich bin wirklich froh, dass du hergekommen bist“, entgegnete sie und kuschelte sich an ihn.
„Ich hab den halben Frühling überlegt, wie ich meinen Jahresurlaub planen soll und Boston ist nicht die schlechteste Idee. Ich werde viel lesen, mir die Stadt ansehen und im richtigen Moment den Todd raushängen lassen. Ich hab früher Theater auf dem College belegt, ich hab schon gedacht, dass ich das umsonst gemacht habe“, schmunzelte er und sie grinste.
„Versuch den Todd etwas runter zu schreiben, du bist so gar nicht wie „der Todd“, das fällt irgendwann auf“, bat sie.
„Ja, das war echt anstrengend, ja, ich werde es runterschrauben. So, wie regeln wir die Schlafarrangements hier?“, wollte er wissen.
„Ich schlaf auf dem Sofa, du auf dem Boden“, sagte sie cool.
„Von wegen, ich hab Rückenprobleme, wir sind beide erwachsen, wir schlafen beide auf dem Sofa zusammen“, forderte er ernst.
„Meinetwegen, haben wir schon oft gemacht, aber arg viel Platz haben wir hier nicht“, stimmte sie zu.
„Das klappt schon. Hast du Hunger? Ich koch uns was“, stand er auf und ging in die Küche.
„Es ist echt eine Schande, dass du schwul bist, sonst wärst du echt ein Traumtyp für viele Frauen. Du kannst kochen und massieren“, rief sie ihm entgegen.
„Und ich bin auch noch ausgestattet wie ein Pferd“, kam er breit grinsend zurück.
„Okay, das ist eine Information, die ich mein ganzes Leben nicht wissen hätte müssen“, sagte sie mit angeekeltem Gesicht.
„Tja, jetzt weißt du es. Ich mach ne vegetarische Spagetti, dafür hat sie hier alles da. Schau solang mal was sie auf ihrem Tivo hat, ich hab jetzt Lust fernzusehen“, bat er.
„Wir können doch nicht einfach so an ihren Tivo gehen!“
„Doch, können wir, ich will wissen was sie so auf ihrem Rekorder hat“, schmunzelte er.
„Meinetwegen, können ja nichts kaputt machen“, entschied sie und schaltete den Fernseher und die Festplatte an.
„Hey, sie nimmt jeden Tag Annabella auf, zumindest einer, der das guckt“, frotzelte sie, als sie die Aufnahmeliste durchging.
„Hey, du weißt genau, dass ich da auch mal mitgespielt habe“, rief er.
„Ja, damals war die Sendung aber auch noch gut. Morgen wird der erste Tag sein, an dem du nicht auf Sendung bist seit fast 8 Jahren, guckst du dir die Sendung an?“, fragte sie und kam in die Küche.
„Klar, will doch sehen, wie sich die Kleine macht. Mir fällt grad auf, dass wir lang nichts mehr nur zu zweit gemacht haben, ich vermiss das irgendwie“, stellte Curtis fest, als er das Wasser aufsetzte.
„Ja, war ziemlich stressig in letzter Zeit bei mir, tut mir leid wenn wir nicht im gleichen Sender arbeiten würden, würde ich dich gar nicht mehr sehen. Ich schau mir deine Sendung übrigens jeden Morgen an, bevor ich aus dem Haus gehe, du bist echt das heißeste was unser Sender zu bieten hat“, lobte sie ihn und öffnete eine Dose Tomaten.
„Lass das bloß nicht Liv hören“, schmunzelte er.
„Das sagt sie auch immer, sie ist dafür die einfühlsamste. Ich hab gesehen, dass sie Fluch der Karibik 4 aufgenommen hat, sollen wir das gucken?“
„Ja, Johnny Depp geht doch immer bei mir. Setz dich ruhig wieder hin und ruh dich aus, ich mach das hier“, versprach er.
„Sag doch, du bist ein Traummann. Das mach ich natürlich gern“, entgegnete sie und ging zurück ins Wohnzimmer.
 
Die Sonne war gerade aufgegangen, als es tags drauf klingelte. Da die Freunde aneinander gekuschelt tief und fest schliefen und die Klingel nicht hörten, ging Callan an die Tür.
„Morgen, kann ich reinkommen?“, stand Alex vor der Tür.
„Wenn du wieder auf meinem Sofa pennen willst, tut es mir leid, das Ding ist randvoll“, erkannte sie und zeigte auf die beiden Schlafenden.
„Die beiden haben sich also wieder versöhnt“, interpretierte er in die vertraute Zweisamkeit der beiden. Der Ton in seiner Stimme zeigte ihr, dass er eifersüchtig war.
„Ja, sieht so aus. Also, was willst du?“
„Ich wollte eigentlich zu Rory, aber ich will sie nicht wecken. Ich bin auf dem Weg zum Flughafen und wollte mich nur verabschieden“, erklärte er.
„Dann weck ich sie für dich, sie will sich sicher verabschieden“, erklärte Callan, die verhindern wollte, dass er einfach so verschwand.
„Nein, lass sie schlafen, ist vielleicht besser so. Danke nochmal, dass ihr mich bei euch schlafen lassen habt, als ich einen Platz zum Schlafen gebraucht habe“, bedankte er sich.
„Bitte, immer wieder gern. Hast du dich wieder mit deinem Vater versöhnt?“, wollte sie wissen.
„Nein, deshalb muss ich hier auch weg, vor allem auch weil meine Verlobte auf mich wartet. Sag ihr auch noch mal danke von mir, bye“, ging er von dannen.
 „Tut mir leid Kleines, ist besser so“, redete Callan mit der schlafenden Senga und ging zurück in die Küche.

Sechstes Kapitel

 
„Morgen, gibt’s Kaffee?“, kam Curtis in die Küche geschlurft, als Callan über der Zeitung saß.
„Im Fernsehen bist du echt höflicher, Curt, ja, Kaffee ist in der Maschine. Ihr gebt echt ein süßes Pärchen ab, hab ich grad mal wieder festgestellt“, konterte sie cool und zeigte auf die Maschine.
„Wir sind kein Paar, wir spielen nur eins“, stellte er klar.
„Ihr macht das zumindest gut, Schotten-Junge ist voll drauf reingefallen, er sitzt jetzt sicher schon im Flieger nach Geizkragen-Country“, schmunzelte sie.
„Was, er ist weg?“, war er entsetzt.
„Sieht so aus, schenkst du mir auch noch eine Tasse ein?“, bat sie und streckte ihm seine Tasse entgegen.
„Aber sie ist verknallt in ihn!“
„Ja, er auch in sie!“
„Woher weißt du das?“
„Ich bin ein Cop, duh, aber er hält nicht sich nicht mit seinem Emotionen zurück, es hat ihn ziemlich geschockt, als er euch zusammen gesehen hat vorhin“, erklärte sie.
„Er war vorher hier? Ja, das muss auf ihn so gewirkt haben. Ich hab die Kleine jetzt ein paar Jahre beobachtet, sie konnte sich nie wirklich verknallen, jetzt ist es soweit und es ist der Falsche. Super, was machen wir jetzt?“, wollte er einen Rat haben.
„Wir machen gar nichts, sie muss hier einen Job machen, sie riskiert ihre Karriere nicht wegen nem Kerl. Du wirst nichts sagen und ich auch nicht. Wir wissen nicht, wo er hin ist, klar?“
„Meinetwegen, dann hab ich hier ja auch nichts mehr verloren. Dann werde ich mal packen gehen“, murrte er, knallte die Tasse auf den Tisch und ging nach draußen.
„Super, jetzt hab ich zwei launische Teenager im Haus, dabei wollt ich nie Kinder“, sagte sie kopfschüttelnd und wischte den Kaffee auf, den Curtis verschüttet hatte.
Senga wurde wach, als Curtis etwas unsanft seine Sachen in seine Reisetasche stopfte.
„Na, machst du sauber?“, murmelte sie zufrieden.
„Ich verschwinde hier“, erklärte er.
„Ah, dann bist du wie die anderen Männer, die nach einer Nacht mit mir das Weite suchen“, schmunzelte sie, die noch nicht verstand, dass er das ernst meinte.
„Ich werde hier nicht mehr gebraucht, wenn ich jetzt fliege, kann ich vielleicht noch die Morgensendung moderieren“, schulterte er seine Tasche und stürmte zur Tür.
„Was ist passiert, was ist los?“, verstand sie nicht.
„Frag doch deine Tante“, murrte er und riss die Tür auf.
„Sie ist nicht wirklich meine … Callan“, krächzte sie und hustete, weil ihre Stimmbänder irgendwie spannen.
„Ja, Liebes?“, kam Callan säuselnd aus der Küche.
„Er will weg“, deutete sie auf die Tür, in der er stand.
„Ja, hab ich mitgekriegt, und?“
„Und? Irgendwas ist doch vorgefallen, spuckt es aus!“
„Dein kleiner Loverboy war grade da, er hat seinen Dudelsack gepackt und ist zurück in die Heimat gereist. Wenn er nicht mehr hier ist, brauchst du mich nicht mehr, ganz einfach“, entschied er.
„Er ist weg? Aber warum?“
„Anscheinend versteht er sich nicht mit seinem Vater und kann nicht mehr bleiben. Ich wollte nicht, dass du ihn verabschiedest, du hättest Sachen gemacht, die du später bereuen würdest“, erklärte Callan ernst.
„Toll, dass du das so gut weißt. Ich brauch deinen Wagen, Schlüssel“, murrte sie und streckte ihr die Hand entgegen.
„Was willst du machen?“, war Callan verwirrt.
„Ich dachte mir, ich hol uns Bagels und wir frühstücken in aller Ruhe“, konterte sie.
„Wirklich?“
„Nein, ich will zum Flughafen, er muss wissen, wie ich fühle“, entschied sie.
„Hier, er ist schon vor ner halben Stunden hier weg und Boston hat einen nicht grad kleinen Flughafen, das schaffst du nicht mehr“, entschied sie.
„Das lass mal meine Sorge sein, aus dem Weg“, brummelte sie und drängte Curtis von der Tür weg.
„Senga, warte“, rief Curtis ihr entgegen.
„Was?“
„Ich fahr dich, ich kann ziemlich gut rasant fahren“, schlug er vor.
„Okay, dann komm“, bat sie und kopfschüttelnd sah die Kriminalpolizistin zu, wie die beiden mit quietschenden Reifen davonfuhren.
 
Eine Stunde später saß Senga McNab, eigentlich stolze Produzentin, in Hauspuschen und ihren Schlafsachen auf einem der Wartesitze am Flughafen und starrte auf den Boden. Curtis saß hinter ihr.
„Ich hasse es, wenn die Bullen recht haben“, sagte sie das erste Mal seit einer geraumen Zeit etwas.
„Ja, ich auch. Jetzt haben wir die Sendung verpasst“, sagte er tonlos.
„Du kannst für die nächste wieder gut zu Hause sein, wenn du jetzt fliegst“, entschied sie.
„Ich werde bleiben!“
„Brauchst du aber nicht!“
„Will ich aber, du brauchst mich jetzt. Er war ein Feigling, einfach so abzuhauen“, entgegnete er.
„Er hat seine Verlobte gewählt, das zeugt auch von Mut, denn das war schwierig für ihn. Wir sollten hier abhauen, das ist nicht der Kennedy Airport, ich fall langsam auf“, schmunzelte sie und Curtis kam um die Bank herum und zog sie hoch.
„Ja, ziemlich schräg dein Outfit. Komm, wir holen Bagels und frühstücken jetzt wirklich in Ruhe“, sagte er sanft und sie nickte.
 
In ihrem Big-Apple-T-Shirt, das sie am ersten Tag in New York gekauft hatte, und einer schlichten Jeans erschien Senga an diesem Mittag zur Arbeit.
„Hey, nettes Outfit, na, wieder fit nach gestern?“, begrüßte Gwen sie freundlich.
„Ja, obwohl ich das Sofa mit Curtis teilen musste, was ziemlich eng war. Was kann ich machen?“,
„Du könntest den Zapfhahn reinigen. Tut mir leid dass sagen zu müssen, aber dein Romeo hat die Fliege gemacht“, erklärte Gwen.
„Ja, weiß ich, ich hab heute Morgen in voller Hollywood-Manier eine Flughafen-Szene nachgespielt“, gestand sie.
„Und? Was hat er gesagt?“
„“Könnte ich vielleicht noch ein Kissen haben?“, vermutlich, er war schon weg!“
„Das tut mir Leid, Süße. Es ist vielleicht besser so, dann kannst du dich auf das alles hier konzentrieren. Zumindest ist es hier ruhiger, wenn die beiden hier nicht ständig streiten. Ich hab’s ihm gestern Abend übrigens gesagt, er hat besser reagiert, als ich dachte, er will mich unterstützen. Ich hab ihm gesagt, wir teilen uns das Gehalt, bis ich nicht mehr arbeiten kann. Er hat mich zwar gefragt, wie ich das finanziell hinbekommen will, aber ich hab ihm gesagt, dass der Vater mich unterstützt und er hat’s geschluckt. Dass das klar ist, du kriegst keinen Cent“, schmunzelte sie.
„Schon klar, du bekommst vom Sender Geld, dafür ist gesorgt. Ist nur schade, dass Alex und Adair sich nicht aussprechen konnten. Okay, ich will nicht darüber nachdenken, lass uns arbeiten“, bat sie und Gwen stimmte zu.
 
Zwei Wochen vergingen und Senga wurde Teil des Macintosh-Teams. Die Nächte verbrachte sie damit, Vorschläge zu archivieren und mit Curtis über Gott und die Welt zu reden. Alles in allem war es eine schöne Zeit und sie freute sich schon darauf, ihren neuen Freunden aus der Patsche zu helfen.
„Rory, komm mal raus“, rief Gwen an diesem Abend, während sie an der Bar arbeitete.
„Ich komm sofort, die Kiste Cola ist schwer“, rief sie und kam in die Bar.
Dort stand Alex, wieder mit Kilt und Smoking-Oberteil an, an der Bar.
„Die Schotten kommen“, brachte sie nur heraus.
„Ich fälle immer die dümmsten Ideen in Schottenrock und mit Whiskey im Blut, fällt mir grad auf“, entgegnete Alex. Er schien wieder betrunken zu sein.
„Hast du ihr wenigstens diesmal gesagt, dass du sie nicht heiraten willst?“, mischte sich Gwen ein.
„Nein, viel schlimmer, ich hab meine Frau mitgebracht“, konterte er und zeigte auf eine hübsche Blondine mit langen wallenden Locken, die in einem weißen Kleid an der Eingangstür stand.
„Ja, das könnte man als Fehler betrachten. Ihr habt wohl entschieden, die Flitterwochen in Boston zu verbringen, was?“, fragte Gwen, die etwas überrumpelt war, von diesem Anblick.
„Meine Frau meinte, jetzt wo unser Clan Frieden geschlossen hat, sollte ich es mit meinem Vater auch tun. Also, wo ist er?“, fragte er und wankte hinter die Bar.
„Er ist heut nicht da, tut mir leid. Du kannst deine Whiskey-Fahne wieder auf meiner Matratze ausschlafen, aber wenn du deine Ehe darauf vollziehen willst, wechsel das Laken danach, bitte“, bat Gwen und nahm der versteinerten Senga die Kiste ab.
„Willst du noch ein Bier auf deinen Whiskey?“, versuchte Senga ihre Gefühle zu überspielen.
„Ja, bitte. Chrys, steh dann nicht so wie eine Salzsäule, komm rüber“, rief er seine Frau her. Die kam zu ihm getorkelt. Trotz ihres hohen Alkoholpegels konnte man sehen, wie schön seine Frau war.
„Du musst Rory sein, er hat ständig von dir geredet. Wenn’s mich stören würde, würde ich fast eifersüchtig werden“, murmelte Crystal und setzte sich auf den Barhocker.
„Ach, hat er das. Hier euer Bier, ich muss mal auf die Toilette“, konnte sie es nicht mehr aushalten und verschwand in den Nebenraum nachdem sie das Bier serviert hatte.
„Entschuldigt mich kurz“, ging Gwen ihr hinterher.
„Was hat er sich dabei gedacht? Er hat sie geheiratet und präsentiert sie mir in all ihrer blonden Lockenpracht“, keuchte Senga, die eine Panikattacke bekam und keuchend an eine Wand gelehnt stand.
„Er weiß nicht, was du fühlst, er wollte dich sicher nicht verletzen“, erklärte Gwen und reichte ihr eine Papiertüte, in die sie rein atmete.
„Er hat ständig von mir geredet, er ist auch verknallt in mich“, atmete sie schwer und rutschte an der Wand zu Boden.
„Ja, anscheinend, aber jetzt ist er verheiratet und somit Tabu für dich“, entschied sie.
„Danke für die Klarstellung, dass weiß ich. Ich denke, ich hab hier genug Sachen gesammelt, ich sag meinem Sender morgen, dass wir so weit sind, Liv los zu schicken“, entgegnete sie,
„Was heißt du gehst? Du lässt mich allein heute?“, war Gwen verständlicherweise nicht begeistert.
„Der Kerl der ich mag ist grad mit seiner Braut in der Bar aufgetaucht“, stellte sie nochmal die Situation dar, stand auf und nahm ihre Jacke.
„Okay, ich bin durch meine Schwangerschaft wohl in einer zu soften Stimmung um dich da wieder raus zu schicken. Ich ruf Adair an, der wird nicht begeistert sein, aber ich sag ihm, du wärst krank heimgegangen“, erklärte Gwen.
„Ich komm nicht mehr wieder, das ist dir klar, oder?“, stellte sie klar.
„Dann sag ich ihm, dass du gekündigt hast. Danke für alles, ruf mich bitte an, bevor das Fernsehen hier antanzt, ich möchte die Bar dafür auf Vordermann bringen“, bat Gwen.
„Das musst du nicht, je abgefuckter das hier aussieht umso bessere Quoten kriegen wir, wie hart das auch klingt. Du bist eine echte Freundin geworden in letzter Zeit, ich hoffe das weißt du“, sagte sie freundlich und umarmte Gwen, deren Schwangerschaft sich langsam zeigte.
„Und pass auch auf das Kleine hier auf, keine schwere Kisten schleppen, ja“, bat sie und nahm Gwen die Kiste ab, die Gwen wieder aufgenommen hatte.
„Ich besorg mir einen Rollwagen, versprochen. Pass auf dich auf im Big Apple, ja?“, verabschiedete sie sich von ihrer Bekannten und ging zurück in die Bar um ihre Tasche zu holen und die Kiste abzustellen.
„Willst du weg?“, fragte Alex, als sie ihre Tasche nahm.
„Ich hab grad gekündigt, Gratulation zur Hochzeit“, murmelte sie und ging an ihnen vorbei zur Tür. Vor der Tür musste sie sich sammeln, bevor sie in den Wagen stieg. Sie lehnte sich an die Außenwand und atmete tief durch. Die Tür wurde aufgestoßen und Alex kam heraus.
„Warum hast du gekündigt?“, fragte er und stellte sich vor sie.
„Hat dich nicht zu interessieren“, sagte sie leise.
„Ist es wegen mir?“, verstand er, warum sie so reagierte.
„Sei nicht so eingebildet, mein Leben dreht sich nicht nur um dich“, versuchte sie zu verbergen, dass sie seine Nähe genoss.
„Ich musste das tun, trotz meiner Gefühle für dich“, entgegnete er und begann ihren Nacken zu küssen. Sie wollte ihn abwehren, doch sie tat es nicht. Schnell wanderten seine Küsse in die Richtung ihres Gesichtes und sie küssten sich eng umschlungen.
„Wir können nicht, du bist verheiratet“, drückte sie ihn nach einer Weile weg.
„Wir beide wissen, dass das nur eine Farce ist“, sagte er außer Atem und küsste sie weiter. Sie bemerkten gar nicht, dass die Hintertür aufging und Chrystal heraus kam.
„Man, ich dachte echt, meine Freundinnen machen nur Witze, als sie gesagt haben, dass du mich gleich betrügen würdest“, erkannte Chrystal nüchtern, aber wenig verärgert. Alex war so angeregt von der rothaarigen Schönheit in seinen Armen, dass er seine Frischangetraute gar nicht bemerkte. Senga bemerkte sie aber und drückte ihn weg.
„Ich sollte gehen“, stotterte sie und ging eilig davon.
 
Ihr Herz pochte. Sie war grade von der Ehefrau erwischt worden, sie war niemals die andere Frau gewesen und wollte es eigentlich auch nie sein. Sie hoffte inständig, dass er betrunken genug war, dass er am nächsten Tag nichts mehr davon wusste. Sein Kuss war ehrlich und leidenschaftlich, sie hatte seine Gefühle gespürt, was sie noch mehr verwirrte. Als sie in ihren Wagen stieg, sah er ihr nach, bis Chrystal ihren Mann wieder in die Bar zog.

Siebtes Kapitel

 
Die Sonne, die durch ihre Brille auf ihre Augen schien, brannte in diesen. Sie saß neben Curtis auf der Wartebank des Flughafens und wartete auf ihren Flug. Nachdenklich spielte sie mit dem silbernen Kleeblatt herum, dass sie in Boston gekauft hatte und an ihrem Koffer trug.
„Ich versteh ja, warum du gestern Abend als du heimgekommen bist, nicht mehr reden wolltest, aber jetzt musst du was sagen“, bemerkte Curtis in die Stille.
„Ich will nicht reden“, sagte sie tonlos.
„Ja, das hab ich kapiert, ich frag mich aber warum. Ich hab verstanden dass die Undercover-Arbeit vorbei ist und du heimwillst, aber deine Stimmung kann ich nicht deuten“, entschied er.
„Ich hab mit ihm rumgemacht“, platzte es aus ihr heraus und sie ließ das Kleeblatt ruckartig los.
„Mit wem? Wann?“
„Mit Alex, gestern Abend!“
„Ich dachte Schottenjunge wäre wieder in Geizkragen-Country!“
„Er hat nen Namen, du hast Vorurteile!“, raunzte sie.
„Man, du bist echt verknallt und warum ist er wieder da?“
„Er will die Sache mit seinem Dad klären, seine Frau hat ihn gedrängt!“
„Ah … warte hast du Frau gesagt?“, wollte er wissen.
„Genau deswegen wollte ich nicht darüber reden, wir reden nie wieder darüber, okay?“
„Du kannst nicht einfach nicht darüber reden, so funktionieren Gefühle nicht“, entgegnete er und nahm seine Tasche, als ihr Flug auf dem Display erschien.
„Aber Gefühle verdrängen funktioniert so, lass uns hier verschwinden“, sagte sie nur und dass war das letzte Wort was sie darüber verlor, bis zwei Tage später, als die beiden Freunde zusammen beim Frisör saßen.
 
„Du musst über deine Gefühle sprechen“, hielt Curtis das Schweigen nicht mehr aus, als sie nebeneinander ihre Haare gerichtet bekamen.
„Nein, muss ich nicht. Fernando, ich brauch glaub ich erst Mal ne Kurpackung, diese Rihanna-Farbe hat meine Haare ziemlich angegriffen“, redete sie erst mit ihm und dann mit ihrem Haarstylisten.
„Ja, grausig geht die Welt zu Grunde, warst du besoffen oder war das wegen nem Kerl?“, war Fernando entsetzt von ihrer Frisur.
„Keins von beidem, war für den Job, frag nicht. Kannst du da noch was retten?“
„Schätzchen, du würdest du mir keinen Hunderter für einen Haarschnitt bezahlen, wenn ich diese Abscheulichkeit nicht retten könnte. Lehn dich zurück und lass mich machen“, bat er und sie lächelte matt.
„Zu dir komm ich gleich, Süßer, du warst erst vor zwei Wochen bei mir, also schlimm kann bei dir die Lage ja noch nicht sein“, wendete sich Fernando an Curtis.
„Du warst erst vor zwei Wochen hier? Übertreibst du deine Eitelkeit nicht etwas?“, kritisierte Senga ihren Freund.
„Ich komme auch nicht wirklich wegen nem Haarschnitt hierher, ich wollte in Ruhe mit dir reden“, sagte er besorgt.
„Dann solltest du der Bossa-Nova-Musik lauschen, denn ich rede nicht“, sagte sie, ohne ihre Augen zu öffnen, die sie während der Kurbehandlung zugemacht hatte.
„Arg, wie kann man nur so stur sein wie du, ich will nur darüber reden, dass du nicht irgendwann zu saufen anfängst, um deine Gefühle zu unterdrücken. Ich bin der König von unterdrückten Gefühlen, ich hab mich erst mit 24 Jahren geoutet, wie du weißt“, bat er ernst.
„Ich bin nicht homosexuell, ich hab mich nur in einen verheirateten Mann verknallt, das passiert Frauen in dieser Stadt jeden Tag“, begann sie aufzutauen.
„Du bist die andere Frau? Mädchen, ich war da, als du vor zehn Jahren mit einer furchtbaren Dauerwelle das erste Mal hier aufgeschlagen bist, du warst so natürlich und so ehrlich, habe nie gedacht, dass die Stadt dich so verändern würde“, war Fernando entsetzt.
„Ich bin nicht die andere Frau, ich hab ihn geküsst, vielleicht etwas mit ihm rumgemacht, aber er kommt von nem anderen Kontinent und wird bald wieder mit seiner Frau dahin zurückkehren, mehr muss man nicht dazu sagen. Was hältst du von ner Kurzhaarfrisur? Ich hab mich nie getraut, aber ich geh auf die dreißig zu, wird mal Zeit“, entschied sie plötzlich.
„Bist du sicher? Du machst das nicht nur aus Liebeskummer, oder?“, wollte Fernando sicher gehen.
„Runter mit der Matte, ich bezahl dich nicht dafür, den Psychologen zu spielen“, bat sie mit breitem Wisconsiner Akzent.
„Oh nein, diesen Bauernslang lässt du schön stecken, Liv und ich haben dir nicht umsonst stundenlang Sprachtraining gegeben, dass du damit wieder anfängst“, mischte sich Curtis ein.
„Curtis, klappe, Fernando, schneiden“, sagte sie nur und schwieg dann.
„Meinetwegen, ich gewähre aber keine Rabatte, wenn es dir nachher nicht mehr gefällt“, konterte Fernando und nahm die Schere auf.
 
Nach Pedi- und Maniküre und einer Schlammpackung fühlte sich Senga wieder wie eine New-Yorkerin. Sie hatte nun haselnussbraune Haare und eine hübsche Kurzhaarfrisur.
 
„Ich will ja nichts sagen, aber der Kaffee in Boston war irgendwie besser“, schlürfte Senga an diesem Nachmittag in einem Kaffeeladen ihren Kaffee mit Curtis.
„Ach, wir reden also wieder?“, fragte er trocken.
„Wir sind beste Freunde, ich will nur nicht über ihn reden!“
„Solltest du aber!“
„Es tut zu sehr weh darüber zu reden, bitte zwing mich nicht dazu“, bat sie weinerlich.
„Emotionen, endlich, ich dachte schon, er hätte auch den letzten Rest von deinem Herz rausgekratzt. Lass es raus, es wird dir gut tun“, freute er sich, eine Regung von ihr zu sehen.
„Warum tu ich das immer wieder? Warum verlieb ich mich in die falsche Person? Warum lass ich meine Gefühle immer interferieren? Warum kann ich nicht einer dieser „Der Teufel trägt Prada-Tussis“ sein, die ihre Gefühle immer unterdrücken kann? Ich hasse das“, wurde sie wütend.
„Gott sei Dank bist du nicht so, ich liebe deine emotionalen Ausbrüche, deine Anrufe um drei Uhr morgens wenn ein Kerl dich abserviert hat“, machte er ein Beispiel.
„Toll, das meine miesen Tage dich so amüsieren“, schniefte sie.
„Sie amüsieren mich nicht, ich liebe sie nur, ich bin ein Einzelkind, du bist das Nächste was an eine Schwester rankommt. Ich bin froh, dass ich gebraucht werde“, erklärte er.
„Noch mal die Kurve gekriegt. Wie soll ich ab hier weiter arbeiten, sag mir das? Ich muss ihn wieder sehen, ich muss ihm erklären, dass ich rumgeschnüffelt habe wegen meinem Job. Ich wünschte, du könntest mitkommen“, entschied sie.
„Ja, das wäre gut, aber wenn ich meine Co-Moderatorin noch länger allein lasse, denkt sie noch, es wäre ihre Sendung“, schmunzelte er.
„Hey Leute, ihr solltet mal den Kaffeeladen wechseln, das Zeug ist hier echt eklige Brühe“, stieß Liv zu ihnen.
„Na, wie lief der finale Set-Test?“, wollte Senga wissen.
„Ich gewöhn mich langsam an die Hitze, ich darf nur kein Polyester tragen. Also, über was reden wir?“
„Alex“, sagte Curtis nur.
„Redet sie endlich, wurde auch mal Zeit. Also was ist in Boston passiert?“, wollte Liv wissen und setzte sich zu ihnen hin.
„Unsere Kleine ist verliebt in nen verheirateten Mann“, erklärte Curtis.
„Curt!“
„Er ist verheiratet? Er hat es durchgezogen?“
„Anscheinend, ich hab mit ihm in seiner Hochzeitsnacht rumgemacht und seine Frau hat uns erwischt“, gestand sie.
„Du hast mir nicht erzählt, dass Blondie euch erwischt hat“, mischte sich Curtis in das Frauengespräch ein.
„War nicht der beste Moment meines Lebens, muss nicht jeder wissen!“
„Was hat sie gemacht? Hat sie dich angeschrien, hat sie dich geschlagen?“, wollte Liv wissen.
„Man, du bist echt Drama-süchtig, sie ist nicht verliebt in ihn, sie war nur verärgert, dass er ihr das angetan hatte. Ich muss mich echt entschuldigen, wenn ich sie das nächste Mal sehe, ich bin so blöd, dass ich zu privat wurde“, dachte sie laut nach.
„Zu privat ist da die richtige Wortwahl. Ich bin jetzt an deiner Seite, ich kann es kaum erwarten, ihn zu treffen“, schmunzelte Liv.
„Wehe du sprichst ihn darauf an. Am liebsten würde ich wieder Undercover gehen und so tun, als wäre das alles nicht passiert“, entschied Senga.
„Wir haben noch etwas Zeit bis zur Show, wir konnten dich zurück in einen Wisconsiner-Dorftrampel verwandeln, das schaffen wir auch anders herum. Wenn wir mit dir fertig sind, wird er dich nicht wieder erkennen“, konterte Liv cool.
„Ihr habt echt zu viel Freizeit“, entgegnete Senga erleichtert, dass ihre Freunde ihr halfen.
 
Nervös knetete Senga McNab, weitere zwei Wochen später, neben Liv und Rosy sitzend im Flugzeug die Sicherheitshinweise in der Hand.
„Süße, ich glaub, die brauchen die noch“, nahm Liv ihr die Broschüre aus der Hand.
„Ja, sicher. Haben wir wirklich alle Leute gebrievt?“, wollte sie nervös wissen.
„Ja, du kannst voll und ganz die Hexe raushängen lassen, wir verstehen das alle. Aber wehe du wirfst irgendwas an meinen Kopf, dann kriegst du einen auf die Nase, versprach Rosy.
„Mach ich nicht, versprochen. Ich wollte schon immer mal die Hexe spielen, ihr müsst mich aber aufhalten, wenn ich’s übertreib“, bat sie.
„Keine Sorge, das werden wir. Wir landen gleich, bist du bereit?“, wollte Liv wissen.
„Nein, nicht wirklich, aber wir ziehen das jetzt durch. Du wirst sie emotional unterstützen, ja? Gwen ist schwanger, sie braucht keine Aufregung“, bat sie planend.
„Ja, sagtest du schon, ich werde mich um sie kümmern, keine Sorge. Ist echt süß, dass du ne Freundin gefunden hast“, schmunzelte Liv.
„Sie war einfach nett und ehrlich, veralbere das nicht!“
„Tu ich nicht, ich bin nur ein New York Girl, ich kenne die wahre Freundschaft nur von dir und Curt, den restlichen Bekanntschaften würde ich nur so weit trauen wie ich werfen kann“, erklärte Liv.
„Ich fühl mich jetzt so gar nicht beleidigt“, murmelte Rosy.
„Rosy, du bist ein liebes Ding, aber ich kenn dich einfach nicht gut genug, nichts für ungut“, entschuldigte sich Liv bei Sengas Assistentin.
„Schon okay, wir werden uns in den nächsten Wochen im Hotel auf die Pelle rücken, wir werden uns besser kennenlernen, als dir lieb ist“, entschied Rosy.
„Warum muss ich eigentlich mit deiner Assi in einem Zimmer schlafen? Ich bin der Star hier“, murrte Liv.
„Du weißt genau, dass ich mit Cecilia in einem Zimmer schlafe“, konterte Senga.
„Können wir nicht tauschen? Ich meine, du brauchst deine Assi und ich meine Maskenbildnerin“, bat Liv.
„Könnten wir eigentlich machen“, entschied Rosy.
„Ja, meinetwegen“, entschied Liv.
 
Als Senga mit dem vom Sender geliehenen Van mit den anderen vor dem Macintosh vorfuhr kam sie als andere Person. Sie durfte nicht zeigen, dass sie sich dort auskannte. Gwen hatte sie vorgewarnt, doch sie sollte auch so tun, als würde sie sie nicht kennen.
Cool setzte sie ihre Ray-Ban-Sonnenbrille ab und ging voran durch die von ihr geöffnete Tür in die Bar.
„Okay, eine Kamera dort und dort und Licht, wir brauchen dringend Licht in diesen Kabuff“, tönte sie herum, als sie noch nicht ganz durch die Tür reingekommen war. Adair, der zusammen mit Gwen an der Bar stand und Sachen spülte zog verwundert die Augenbrauen hoch.
„Mr. Macintosh, Senga McNab, ich bin die Produzentin von BarCrashers, Sie haben sicher schon von mir gehört“, begrüßte sie Adair mit einem Handschlag, als würden sie sich gerade erst begegnen.
„Bitte machen Sie nichts kaputt“, bat Adair entsetzt.
„Nein, Schätzchen, wir werden ihr Leben verändern, diese Bar wird ins 21. Jahrhundert katapultiert. Wenn wir hier fertig sind, werden die Leute Ihnen die Bude einrennen. Ihre Barkeeperin hat uns gerufen, dass wir Ihnen helfen“, erklärte Senga direkt. Adair sah Gwen kritisch an.
„Sorry, Boss“, murmelte sie.
„Ach was soll’s schlimmer kann unsere Lage kaum werden“, stimmte er zu.
„Klasse, dann unterschreiben Sie hier und hier, und hier und schon können wir anfangen“, verlor Senga keine Zeit und legte ihm die Papiere vor, die ihn von allem entbanden.
„Sollte ich mir das nicht vorher durchlesen?“, wollte er wissen.
„Papperlapapp, alles wird besser, mehr müssen Sie nicht wissen. Wir sind fair, wir ziehen Sie nicht über den Tisch, keine Sorge. Rosy, sorg dafür, dass er das unterschreibt, ich schau mich solang mal hier um“, hörte Senga gar nicht richtig zu und ging weiter.
„Miss McNab, kann ich Sie kurz sprechen?“, fragte Gwen, Senga, als sie ihr folgte.
„Meinetwegen“, konterte sie cool und Gwen drückte sie in die Damentoilette.
Bevor Senga noch etwas sagen konnte, hatte Gwen ihr mit der flachen Hand gegen die Stirn gehauen.
„Au, was soll das?“, murrte sie.
„Du hast mich zwar vorgewarnt, dass du ne Show abziehst, aber ich muss dir jetzt echt eine verpassen. Sei nicht so dreist zu ihm“, erklärte Gwen.
„Ich mach hier ne Show für Alex, weißt du doch!“
„Alex ist grad nicht hier, also reiß dich zusammen“, bat sie ernst.
„Er ist also noch da!“
„Ja, anscheinend will er ne Weile bleiben, Blondie ist aber auch noch da!“
„Denk ich mir, sie hat seinen Ring an ihrem Finger. Wie sauer ist sie auf mich?“
„Auf die „rothaarige Schlampe“ die ihr versucht hat den Mann zu klauen? Ihre Worte, nicht meine. Sagen wir so, ist besser wenn du Senga-Die Bitch durchziehst, wenn sie da ist“, schlug sie vor.
„Au, ja, das hab ich verdient. Die Bitch is back, Süße“, schmunzelte sie, obwohl die Worte sie schmerzten.
„Okay, wie du meinst. Tolle Frisur, übrigens“, wusste Gwen nicht genau, was sie dazu sagen sollte.
„Danke, ja, ist echt seine 100 Mücken wert“, fuhr sie sich durch die Kurzhaarfrisur.
„100 Dollar nur für nen Haarschnitt. Erinnere mich dran, nie nach New York City zu ziehen“, staunte Gwen nicht schlecht.
„Es gibt wesentlich billigere Haarschnitte in New York, keine Sorge, mein erster Haarschnitt hat nicht mal 10 Dollar gekostet, jetzt kann ich mir nur bessere leisten. Wie geht’s dir eigentlich mit dem Baby?“, wollte sie mitfühlend wissen.
„Gut, muss mich endlich nicht mehr übergeben, zumindest hab ich das schon ne Woche nicht mehr. Ich muss dir was gestehen, aber du musst bei Alexs Leben schwören, das nicht weiter zu erzählen“, bat sie plötzlich ernst.
„Okay, ich versprech’s!“
„Mein Kind ist nicht bei einem One-Night-Stand entstanden, es ist Adairs Baby“, gestand Gwen.
„Ach Gwen, also nichts mit Vater und so“, war Senga enttäuscht, aber nicht überrascht.
„Ich bin ohne Vater aufgewachsen, ja, ich hab nen kleinen Knacks und ne Vorliebe für ältere Männer. Es war aber nur das eine mal, wir sind kein Pärchen oder so“, entgegnete sie.
„Aber er weiß, dass er der Vater ist, oder?“
„Ja, leider, ich hätt’s ihm lieber nicht sagen sollen, er ist jetzt viel zu fürsorglich. Alex weiß es aber nicht und Blondie auch nicht, also kein Wort“, sagte sie mit deutlichem Stimmton.
„Werde ich nicht, keine Sorge, dein Geheimnis ist bei mir sicher. Okay, wir sollten wieder raus, sonst denken die sonst noch was“, entschied Senga und ging wieder raus.
 
„Kann man euch irgendwie helfen?“, wartete Liv draußen auf sie.
„Gwen, das ist Liv, sie ist die Moderatorin der Show, aber das weißt du vermutlich“, stellte Gwen, Liv vor.
„Nein, tut mir leid, ich schlaf eigentlich den halben Tag und schau kaum fern“, entschuldigte sich Gwen.
„Kein Thema, sobald du selbst auf Sendung warst, wirst du die Sendung lieben“, versprach Liv freundlich.
„Auf Sendung? Ich komm ins Fernsehen?“, war Gwen entsetzt.
„Das ist ne Fernsehsendung, Süße“, erklärte Senga.
„Ich bin schwanger und meine Familie weiß nichts davon, das hab ich nicht unterschrieben“, konnte Gwen keine Worte finden.
„Ehrlich gesagt hat das Adair grade getan. Du solltest sie anrufen und es ihnen sagen, die Sendung wird spätestens in zwei Monaten ausgestrahlt“, erklärte Senga.
„Ihr habt mich ausgetrickst“, wütete sie.
„Nein, du hast dich bei uns gemeldet, hast du gedacht, dass das alles Off-Kamera passiert?“, fragte Senga.
„Ich kann das nicht, ich … ich muss weg“, stotterte Gwen und eilte davon.
„Ich geh ihr hinterher“, entschied Liv.
„Sie ist meine Freundin!“
„Aber ich hab die Psychologie-Ausbildung, oder?“
„Auch wahr, aber sei nett, denk an das Baby“, bat Senga und schickte ihre Freundin, Gwen hinterher.
„Hey Lady, sind Sie hier die Frau, die bei dem Blödsinn hier das Sagen hat?“, hörte er plötzlich Alexs Stimme. Sie atmete tief durch, bevor sie ihre Show wieder abzog.
„Sie müssen Mr. Macintosh junior sein, Senga McNab und ja ich hab hier das Sagen“, kam sie direkt auf ihn zu und schüttelte seine Hand.
„Wollen Sie meinen Vater verarschen? Er ist schon am Boden, er verträgt nicht mehr“, wütete er.
„Wir wollen helfen, niemand wird hier betrogen“, versprach sie. Er sah sie an, als versuchte er sich ihr Gesicht einzuprägen.
„Kann man Ihnen irgendwie helfen?“
„Kennen wir uns irgendwo her?“, versuchte er das Gesicht einzuordnen.
„Nicht das ich wüsste. Bitte sagen Sie mir nicht, dass ich wie Ihre Mutter oder so aussehe, sonst muss ich sie leider töten“, konterte sie cool.
„Nein, meine Mutter ist netter. Ich hab ihm den Vertrag weggenommen, ich les das erst Mal durch“, wendete er den Blick von ihr und ging wieder Richtung Tresen. Sie atmete tief durch. Auf den ersten Blick hatte er sie nicht erkannt, sie wusste aber nicht, ob sie die Farce die ganze Zeit aufrechterhalten konnte.
 
Als Senga in die Bar zurückkam, hatte sich Alex mit dem Vertrag im Büro verschanzt.
„Was ist hier los?“, fragte sie in die Runde.
„Mein Sohn möchte sich den Vertrag nochmal anschauen“, erklärte Adair, der inzwischen den Zapfhahn polierte.
„Wir Fernsehfritzen sind keine falschen Schlangen, der Vertrag ist in Ordnung“, murrte Senga gespielt genervt.
„Sie haben mich etwas überfallen, ich bin nur vorsichtig. Wollen Sie was trinken?“, fragte Adair freundlich.
„Es ist zehn Uhr morgens, wir saufen auch nicht beim Fernsehen“, fühlte sie sich verarscht.
„Ich weiß, wie spät es ist, ich mein ne Cola“, konterte er.
„Ja, bitte“, sagte sie zu.
„Sie erinnern mich irgendwie an jemanden“, sah Adair sie auch deutlich an.
„Bitte sagen Sie nicht, an Ihre Frau, den Blödsinn hat schon ihr Sohn verzapft!“
„Ich bin seit 12 Jahren geschieden und Sie sehen gar nicht so aus, wie diese alte Schabrake“, schmunzelte er.
„Das erzähl ich ihr, der Vertrag ist in Ordnung, nettes Parfüm“, beugte sich Alex neben ihr über den Tresen und gab seinem Vater den Vertrag zurück.
„Sagte ich doch und danke“, bedankte sie sich.
„Bitte, unterschreib es Dad, mehr als ruinieren können sie dich nicht und das schaffst du schon ganz alleine“, konterte Alex, dem das irgendwie egal schien und schnappte sich eine Whiskey-Flasche unter dem Tresen.
„Es ist nicht mal 12 Uhr, willst du jetzt deine ganze Ehe besoffen sein?“, kritisierte Adair seinen Sohn.
„Warum nicht? Das hast du ja auch gemacht. Wenn mein Weib wiederkommt, ich bin hinten“, konterte er und ging nach hinten.
„Sie sind erst zwei Wochen verheiratet und reden kaum noch. Er säuft sich jede Nacht zu und pennt in der Bar und sie bei mir. Ich hätte diese Ehe nie zulassen sollen“, dachte Adair laut nach.
„Das klingt aber nicht gut, er wird unsere Aufzeichnungen aber nicht volltrunken stören, oder?“, hoffte sie.
„Danke für Ihr Mitgefühl, ich sperr ihn wie einen Hund ein, wenn Sie das wollen“, bemerkte er trocken.
„Tut mir leid, ich muss nur an meine Show denken. Ich red mal mit meinem Team über den Ablauf hier, geben Sie meiner Assistentin den Vertrag, dann kann sie den gleich wegschicken. Danke für Ihr Verständnis“, bemerkte sie und ging zu Liv, die vor einer verschlossenen Tür auf einem Stuhl saß.
„Hey, ich glaub die farbigen Kontaktlinsen funktionieren nicht für ewig. Was machst du hier?“
„Sie hat sich eingesperrt, ich bin wohl eine noch miesere Psychologin als ich dachte“, erklärte sie traurig.
„Sie ist schwanger, sind sicher ihre Hormone, ich versuch’s mal, mach dir keinen Kopf“, legte sie die Hand auf Livs Schulter und klopfte an die Tür.
„Haut ab ihr Fernsehfritzen“, rief Gwen von drinnen.
„Mach auf, ich bin‘s“, bat Senga.
„Ich will allein sein!“
„Ich hab Schokolade“, handelte sie und die Tür ging auf.
„Komm rein“, zog Gwen sie rein.
„Sorry hab gelogen, aber ich kauf dir gleich Schokolade. Du versteckst dich vor deiner Familie, oder?“
„Ich hab dir doch erzählt, dass ich nen Kerl geheiratet habe, der mir viel Sorgen bereitet hat. Irgendwie geschieden bin ich nicht so wirklich“, druckste sie herum.
„Was heißt nicht so wirklich?“, fragte Senga und rieb sich müde die Schläfen.
„Ich bin in Baltimore noch ganz offiziell Mrs Barry Winchuk“, entgegnete sie nur.
„Man, ich höre nie wieder auf Livs Ratschlag, wenn es um meinen Job geht!“, murmelte sie.
„Was?“
„Nichts, dein Mann ist gewalttätig und soll dich nicht finden, oder?“
„So in etwa!“
„Gut, dann lassen wir dich raus, wir sagen einfach, Alex hätte uns benachrichtigt, wir müssen ihn nur für ein paar Shots nüchtern halten“, plante Senga und ließ ihre Schläfen wieder los.
„Er säuft schon wieder? Man, der kriegt noch einen Leberschaden. Adair ist seit 10 Jahren trocken, er sollte ihm echt mal ins Gewissen reden“, sagte Gwen kopfschüttelnd.
„Er flüchtet sich wegen seiner Ehe in Alkohol, er musste heiraten, er ist aber totunglücklich und sie genauso. Sie haben es für ihre Familien getan. Er tut mir leid“, entschied sie.
„Er ist nicht verknallt in mich, er hat nur versucht da raus zu kommen, als er mit mir rumgemacht hat“, schlussfolgerte Senga plötzlich.
„Das wollte ich nicht so deutlich sagen, aber schon irgendwie, tut mir leid“, druckste Gwen herum.
„Gut zu wissen, dann kann ich das hier besser durchziehen. Wir machen hier jetzt alles dicht, du kannst heimgehen und dich um deine Schwangerschaft kümmern. Wir entschädigen dich natürlich für alle Unkosten“, sagte sie etwas professionell.
„Danke, das mach ich, pass nen bisschen auf den Junior für mich auf, wir sind ja jetzt Familie und so“, bat Gwen und ging raus.

Achtes Kapitel

 
Auf ihren Stöckelschuhen und mit Liv und Rosy im Schlepptau kam sie etwas später wieder an den Tresen.
„Ladies, wie ist die Lage?“, fragte Adair und stellte den Frauen auch was zum Trinken hin.
„Gwen ist weg, wir zahlen sie aus, wir nehmen Alex dafür, er hat uns angerufen“, plante Senga.
„Das glaubt doch kein Mensch, wir beiden sind verstritten“, war Adair unsicher.
„Warum ist er dann hier?“
„Wenn ich das nur wüsste, er ist für Flitterwochen hierhergekommen, geht aber nicht mehr. Wenn Sie es erfahren, sagen Sie Bescheid“, entschied er.
„Ich red mit ihm, machen Sie sich keine Sorgen. Mädels, besprecht mal alles mit ihm, wie das hier so weiter geht, ich geh nach hinten“, plante sie und ging zu Alex.
 
Alex saß mit der Whiskeyflasche locker in der Hand auf einer alten Cord-Couch und starrte an die Wand.
„Sieht bequem aus das Sofa, darf ich?“, wollte sie sich neben ihn setzen.
„Das ist ein Privatraum“, murmelte er ohne sie anzusehen.
„Ihr Vater hat mir erlaubt hier rein zu kommen. Krieg ich nen Schluck ab?“, hoffte sie.
„Sie kriegen vorne auch genug Alkohol“, wollte er allein sein.
„Kann ich mich bitte zu Ihnen setzen?“, fragte sie bestimmt.
„Ich kann Sie wohl kaum davon abhalten, oder?“
„Nein, nicht wirklich“, setzte sie sich dreist neben ihn. Er roch trotz des Alkohols sehr gut. Sie musste die Luft anhalten, um nicht über ihn herzufallen.
„Hier“, reichte er ihr den Whiskey und sie nahm einen großen Schluck.
„Man, das zecht echt gut. Ich hab nen schlechten Tag, was dagegen wenn ich bei Ihrem Frusttrinken mitmache?“, wollte sie Kontakte knüpfen.
„Ist nen freies Land. Sie scheinen doch alles unter Kontrolle zu haben hier, Sie sind drauf und dran meinen trockenen Vater wieder zum Alkoholiker zu machen“, entschied er sarkastisch.
„Wir helfen Ihrem Vater, der einzige der hier zum Alkoholiker wird sind Sie. Also was ist Ihre Story?“, wollte sie wissen, obwohl Alex ihrem alten Ego die Geschichte schon teilweise erzählt hatte.
„Die Geschichte geht zweihundert Jahre zurück. Damals verliebte sich ein junger Macintosh in eine Dirne, obwohl er mit Lady Macenzie verlobt war. Lange Geschichte, wie auch immer, es kam zu einem Streit zwischen Crystals und meiner Familie, der bis heute anhält. Na ja, eigentlich ist er ja jetzt geschlichtet, weil ich sie geheiratet habe, obwohl vor ein paar Wochen hätte ich fast auch ne Dirne im Bett gehabt“, bemerkte er und sah sie an.
„Eine Dirne, sie war sicher keine Dirne“, konterte sie erbost und er sah sie skeptisch an.
„Denk ich mir, Sie sind kein Typ der solche Dienste in Anspruch nimmt“, redete sie sich um Kopf und Kragen“, stammelte sie.
„Nein, war sie nicht, sie war was ganz Besonderes“, bemerkte er und ganz plötzlich warf er sich auf sie und begann sie zu küssen. Kurz ließ sie es geschehen, doch dann stieß sie ihn brutal weg.
„Haben Sie den Verstand verloren?“, zeterte sie.
„Ich weiß, dass du es bist, Rory“, erklärte er liebevoll.
„Man, Sie sollten aufhören zu trinken, Sie spinnen doch. Ich muss hier weg“, spielte sie wieder die Zicke und stand hektisch auf.
„Hör auf mit den Spielchen, ich hab dich längst erkannt“, bat er ruhig.
„Mein Name ist Senga McNab und wenn Sie mir nochmal so nah kommen, singen Sie Sopran, verstanden?“
„Ja, sicher, tut mir leid, ich bin betrunken, bitte sagen Sie meinem Vater nichts“, bat er verwirrt.
„Nein, vergessen wir das. Ich sollte zurück“, murmelte sie und ging rückwärts davon.
 
„Hey, da bist du ja, was ist los?“, fragte Liv, als sie sah, wie eine völlig aufgelöste Senga nach vorne kam.
„Ich fahr ins Hotel, regelt das alles hier“, erklärte sie kurz und verließ die Bar fluchtartig.
„Was war das denn jetzt?“, fragte Liv in die Runde.
„Mein Sohn wird mir leider immer ähnlicher, verzeihen Sie, ich regle das. Kümmern Sie sich um Ihre Freundin“, war Adair klar, was passiert war und verschwand im Hinterzimmer, während Liv ihr nachging.
Senga stand in einer Häuserecke und übergab sich auf den Boden.
„Sehr ästhetisch, Miss McNab“, konterte Liv cool und hielt ihr die Haare aus dem Gesicht.
„Ich hör nie wieder auf dich“, murmelte sie und wischte sich den Mund mit dem Ärmel sauber.
„Doch, tust du. Was ist passiert?“
„Er hat mich erkannt!“
„Verdammt und nun?“
„Ich hab so getan, als würde er spinnen, irgendwas musste ich ja tun. Er ist über mich hergefallen und verdammt noch mal es hat mir gefallen“, erklärte sie.
„Ja, kann ich mir vorstellen, aber warum übergibst du dich dann jetzt?“
„Ich hab grad nen riesigen Schluck Whiskey auf Ex getrunken, das hat mein Magen nicht vertragen, ich bin grad echt nicht Herr über meine Entscheidungen, was ist mit mir los?“
„Du bist verknallt, das passiert. Das wird echt noch kompliziert hier, was?“
„Kommt ihr hier allein klar?“, hoffte Senga.
„Ja, Rosy schafft das schon, geh ins Hotel“, versprach LIv.
„Soll ich dir nen Taxi rufen?“
„Nein, mach ich schon selber, danke. Anscheinend werde ich ja überhaupt nicht mehr gebraucht“, war sie in Gedanken und torkelte davon.
 
20 Minuten später stand Senga McNab mit ihren Stöckelschuhen in der Hand vor Callans Haustür. Von Liv wusste sie, dass Callan ihr Haus renovierte und deshalb zu Hause war.
„Rory … nein Senga, hey, ich hab gehört, du bist wieder in der Stadt. Du siehst aus wie diese Nutten, die wir in North End von der Straße kratzen“, musterte Callan sie. Sie sah wirklich fertig aus, aber Callan musste auch schwer geschuftet haben, denn sie war verschwitzt und mit Farbe bekleckert.
„Danke, das gibt mir heut den Rest. Ich hab mich bei dir immer wohlgefühlt, kann ich heut Nacht bei dir bleiben?“, fragte sie erschöpft.
„Es ist nicht mal Mittag, Süße!“
„Dann helfe ich dir beim Renovieren, irgendwas muss ich tun um mich abzulenken“, bat sie.
„Sicher, ich find dir sicher irgendwelche alten Klamotten, die du anziehen kannst. Soll ich dich fragen?“
„Nur, wenn du keine Antwort von mir erhalten willst. Ich werd jetzt ne Lesbe“, grummelte Senga und Callan ließ sie rein.
„Jedem das seine, ich bin nur nicht frei“, schmunzelte sie.
„Witzig, du weißt was ich meine. Männer sind Idioten. Ich will jetzt nicht nachdenken, nur arbeiten“, bat sie.
„Dann bist du hier genau richtig. Man, du stinkst nach Whiskey und Erbrochenem, erst Mal solltest du duschen“, schlug sie vor und drückte sie ins Badezimmer.
Nach 20 Minuten klopfte Callan wieder sanft an die Badezimmertüre.
„Alles klar bei dir da drin?“, fragte sie hilfsbereit.
„Ja, bin gleich fertig. Mein Flugzeugessen kam wieder raus. Hast du mir nen Glas Wasser?“, fragte sie und öffnete die Badezimmertüre. Sie hatte ihre Haare streng zusammengebunden und trug ein Harvard-T-Shirt und Sporthosen.
„Sicher, so leger siehst du echt besser aus. Hier, meine alte Kadetten-Basecap, das du nichts in deinen teuren Haarschnitt bekommst“, setzte sie ihr die Kappe locker auf.
„Ja, kaum in New York City angekommen hab ich mich wieder in diese Tussi verwandelt, die ich eigentlich nie sein wollte. Die zwei Wochen hier waren die schönsten seit langem, ich bin in die Stadt gekommen weil da im Fernsehen alles viel cooler und einfacherer war. Doch die Stadt ist laut, kalt und unpersönlich“, philosophierte Senga nachdenklich.
„Als ich diese Basecap anhatte, war ich auch grade aus Owego geflüchtet, das ist eine Kleinstadt in New York, ich hatte den Kopf voller Ideen, niemals hatte ich gedacht, dass ich mal studieren würde um Tatortermittlerin zu werden, ich wollte immer die bösen Buben jagen und coole Sprüche von mir geben, wie Cagney und Lacey“, erzählte Callan von ihrer Vergangenheit.
„Wer sind Cagney und Lacey?“, fragte Senga unwissend.
„Oh Gott, ich werde alt, sie waren zwei weibliche Fernsehcops, sie hatten die Hosen an, wortwörtlich, das war in den 70ern ja noch Neuland“, bemerkte Callan.
„Das waren die 80er und ich kenne die Serie, Curt ist besessen von ihr, ich wollte dich nur ärgern“, schmunzelte Senga.
„Gemein, dafür musst du die harte Arbeit machen, die Küche kommt komplett raus und irgendjemand muss die Schränke rausschlagen. Du hast dich grad freiwillig gemeldet“, entschied Callan und zeigte auf den Vorschlaghammer an der Tür.
„Die Aufgabe ist perfekt für mich, ich muss echt Frust loswerden, kann ich gleich anfangen?“, war sie erfreut.
„Das sollte eigentlich ne Bestrafung sein, aber klar, tob dich aus“, konterte Callan kopfschüttelnd.
Mit einer Sicherheitsbrille auf der Nase hämmerte sie alles in der Küche kurz und klein. Sie hatte Kraft, sie musste früher zu Hause oft anpacken, weil ihr Vater sie immer mit einem Jungen verwechselt hatte. Als sie gerade schnaufend eine Pause machte, klingelte es bei Callan. Sie wohnte in einer Doppelhaushälfte und hatte kaum Nachbarn, stören konnten sie also kaum jemand, denn ihre Nachbarn im Haus waren im Urlaub.
„Ich mach auf“, rief Callan und als die Tür aufgegangen war, hörte Senga Alexs Stimme. Sie fluchte innerlich.
Sie hörte Callan nur „Sie ist nicht hier“, sagen, aber als die Worte verhallt waren, hatte sie den Drang, raus zu sprinten.
„Schon gut, ich red mit ihm“, kam sie zu ihnen.
„Ich wusste, du bist es“, schien er nüchtern, was sie verwirrte.
„Deshalb arbeite ich hinter der Kamera und nicht davor, ich bin eine echt miese Schauspielerin. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll“, entgegnete Senga.
„Sag mir, dass ich sie für dich verlassen soll“, sagte er plötzlich.
„Ich lass euch beide mal für nen Moment allein“, wusste Callan, dass sie fehl am Platz war und ging ins Schlafzimmer.
„Das kann ich nicht, nicht als Frau, nicht als Katholikin nicht …“, stotterte sie und er drückte sie zärtlich gegen die Wand und küsste sie leidenschaftlich.
„Und jetzt?“, hauchte er ihr ins Ohr.
„Sopran, Alex“, drohte sie ihm und er ging zwei Schritte zurück.
„Ich bin verliebt in dich und du in mich, das muss doch was heißen“, versuchte er zu handeln.
„Ja, es heißt, ich muss noch was kaputt schlagen“, konterte sie und ging in die Küche zurück, aus der er nur laute Geräusche vernahm.
„Callan, deine Nichte lässt ihren Frust an deiner Küche aus“, rief er zu Callan ins Schlafzimmer.
„Das soll sie auch tun, ich krieg ne neue Küche. Ich würde dir ja nen Kaffee anbieten, aber meine Maschine ist irgendwo in irgendeiner Kiste verstaut“, erklärte Callan als sie rauskam. In diesem Moment hörte sie, wie ihr Küchenfenster in Tausend Stücke zerberstete.
„Das Fenster wolltest du nicht kaputt haben, oder?“, fragte Alex sarkastisch und Callan massierte mit geschlossenen Augen ihre Schläfen.
„Nein, wollt ich nicht. Dann muss ich morgen wohl auch noch den Glaser anrufen. Du bist verheiratet, Alex, ich weiß du kannst das von mir nicht mehr hören, aber geh einfach“, sagte sie ohne die Augen zu öffnen.
„Ich verlasse diese Stadt nicht, bevor sie bei mir ist“, entschied er ernst.
„Du gestehst nicht grade ein Stalking-Vorhaben einem Detective der Spurensicherung, oder?“, fragte Callan und öffnete die Augen wieder.
„Das sollte romantisch sein, nicht jeder Kerl ist ein schlechter Mensch, ich muss den Vorschlaghammer holen, der liegt jetzt im Garten deiner Nachbarn“, kam Senga an ihnen vorbei und ging durch die Haustür.
„Ich sollte wirklich gehen, bevor sie mich mit diesem Hammer wirklich zum Sopran macht“, sagte Alex und ging auch aus der Tür. Nachdenklich sah er zu, wie Senga sich vor den Hammer kniete, der auf dem Englisch-gepflegten Rasen von Callans Nachbarn gelandet war, und ihr Gesicht in ihren Händen verbarg. Langsam ging er auf sie zu und setzte sich neben sie.
„Ich bereue jede Minute, dass ich meiner Familie gefallen wollte und sie geheiratet habe“, begann er.
„Soll das irgendwas ändern?“, fragte sie und setzte sich auch auf den Hintern.
„Wenn ich ihr sage, dass ich mich in dich verliebt habe und wir diese Sache annullieren sollten, was machst du dann?“, wollte er wissen und sie nahm den schweren Vorschlaghammer auf.
„Dann sollte ich mich bewaffnen, diese Frau wird Ärger machen“, schmunzelte sie.
„Du willst es also mit mir versuchen?“, wollte es er genau wissen.
„Zeig mir deine Scheidungsurkunde und wir reden darüber“, gab sie nach.
„Danke, du wirst es nicht bereuen“, blühte er plötzlich auf, küsste sie kurz und stürmisch, stand auf und eilte davon.
„Die lässt dich nie aus ihren Klauen, mein Freund“, konterte sie trocken und rappelte sich mit dem Hammer in der Hand wieder auf.
„Ich hoffe dein Sender hat ne gute Versicherung, das wird teuer“, rief Callan ihr entgegen, die lässig an die Tür gelehnt auf sie wartete, als sie zurück nach Hause kam.
„Mir ist er ausgerutscht, tut mir leid, meine Hände waren wohl schwitzig“, erklärte sie.
„Schwitzig ist kein Wort, du hattest feuchte Hände wegen Romeo Roy“, entgegnete Callan cool.
„Romeo Roy, clever. Ich ruf dir nen Glaser an“, konterte sie und stellte den Hammer wieder an die Tür.
„Danke, wäre zu freundlich. Was ist jetzt mit ihm?“
„Gar nichts, ich ruf den Glaser an“, lenkte sie ab und ging ins Haus.
„Er schien ne freudige Nachricht bekommen zu haben“, forschte Callan nach, während Senga auf der Warteschleife des Glasers hing.
„Er will sie für mich verlassen, ich steh dem etwas skeptisch gegenüber, ich bin wohl einfach schon zu lange eine New Yorkerin. Ja, hören Sie, mir ist ein Missgeschick im Haus einer Freundin passiert, wir bräuchten ne neue Glasscheibe, wie schnell können Sie kommen? Wir sind zwei Frauen allein zu Haus, wir bräuchten heut noch Ersatz, wenn das möglich wäre“, redete sie mit dem Glaser.
„In zwei Stunden? Das ist ja toll, vielen Dank“, bedankte sich Senga und legte wieder auf.
„Das war so Süßstaaten-mäßig, aber es hat funktioniert, danke. Ich bin schwer bewaffnet, keine Sorge, hier kommt keiner an mir vorbei“, versprach sie.
„Weiß ich, aber so kriegen wir Mitgefühl. Ich hab ihm gesagt, wir versuchen es, wenn er geschieden ist“, erklärte sie.
„Er wird sich nicht scheiden lassen, das tun sie nie“, konterte Callan und setzte sich neben sie an den Tisch.
„Ja, das weiß ich, aber danke, dass du meine miese Laune noch mieser gemacht hast. Ich räum in der Küche mal die Reste weg, dass der Glaser durchkommt“, stand sie auf und ging in das Chaos in der Küche zurück.

Neuntes Kapitel

 
 Es wurde schon dunkel, als der Glaser in einem verschwitzten Rippshirt die Scheibe einsetzte. Er sah nicht schlecht aus und so standen die Frauen an der Tür und beglotzten ihn wie zwei Teenager.
„Man, diese Muskeln machen meine innere Geilheit echt nicht besser“, lechzte Senga und leckte ihre trockenen Lippen.
„Ja, kann ich verstehen, da kriegt man nen Steak vorgesetzt und darf dann nur einen Salat essen“, war auch Callan von dem Körperbau angeregt und kühlte sich die Stirn mit ihrem kalten Glas. In dem Moment klingelte Sengas Handy. Sie nahm es aus der Handtasche.
„Alex?“, fragte Callan nur.
„Ne, meine Assistentin, ich geh kurz dafür raus, fress ihn nicht auf“, schmunzelte sie und ging nach draußen.
„Hey, Ros‘, was gibt’s?“, fragte sie in ihr Smartphone.
„Wo steckst du?“, wollte Rosy wissen.
„Bei ner Freundin nichts was ne Assi angeht“, wollte sie nichts sagen.
„Ist deine Freundin zufällig, 6 Fuß hoch, hat nen tollen Akzent und hört auf Alex?“, frotzelte Rosy.
„Nein, es ist Callan, Livs Tante, frag sie, sie kann dir das bestätigen. Ich bin morgen wieder da, ich brauch nur nen Abend Auszeit“, bat sie.
„Sicher, ich hab das im Griff, Boss, hab mir nur Sorgen gemacht. Falls du Alex siehst, sein Weib verlangt seine Aufmerksamkeit“, erklärte Rosy und legte wieder auf.
Ganz plötzlich war Senga ihre rosarote Brille wie von den Augen gerissen. Er hatte einer Frau ihren Mann gestohlen, sie war wirklich wie die Dirne, die Alex jetzt in diese Situation gebracht hatte.
„Ja, hab ihn aber nicht gesehen, überhaupt nicht“, stammelte sie.
„Okay, wie auch immer, wir sind hier soweit fertig für heute, darf ich mich ins Hotel verziehen und nen bisschen im Hotelwhirlpool abhängen?“, hoffte Rosy.
„Klar, mach was du willst, ich komm erst morgen wieder ins Hotel“, erklärte Senga.
„Ah, viel Spaß bei was auch immer. Nein, warte, Alex kommt zurück, er strahlt, was für Drogen hast du ihm gegeben?“, beobachtete Rosy, wie ein verknallter Alex an ihr vorbei zu seiner Frau ging, die schon genervt auf ihn wartete.
„Das ist wieder so was, was dich nichts angeht. Ich bin morgen wieder da, kommst du allein klar?“, wollte sie wissen.
„Ja, tu ich, man, Blondie ist echt sauer, weiß nicht, ob er das überlebt, könnte sein, dass du dir nen anderen Lover suchen musst“, schmunzelte Rosy.
„Sag ihr bloß nicht, wo ich bin“, bat sie ernst.
„Nein Boss, dafür bedeutest du mir zu viel. Ich muss jetzt wieder, ist einiges zu tun, wenn du heute nicht wieder kommst“, entschied Rosy und legte wieder auf.
„Hey, wie läuft’s?“, kam sie zurück zu Callan.
„Er ist leider schon fertig, den Hammer kriegst du aber nicht mehr in die Hand. Mein Chef hat mich grad angerufen, ich muss heute Nacht doch arbeiten, ich dusch mich jetzt und geh dann los. Ich werde vermutlich erst morgen früh heimkommen, leg dich ruhig in mein Bett“, erklärte Callan, als sie im Flur an ihr vorbeiging.
„Du hast doch Urlaub, dachte ich!“
„Wir haben nen Dreifach-Mord reinbekommen, Mörder machen leider auch keinen Urlaub. Erhol dich einfach hier, mein Schlafzimmer ist vom Chaos frei, keine Sorge“, bemerkte sie und zeigte auf ihr Schlafzimmer.
„Danke, klingt irgendwie gut, danke. Pass auf dich auf, da draußen“, bat Senga.
„Mach ich, keine Sorge, ich hab „Mr. Kugelsichere Weste“ und „Mr. 9mm“ dabei zu meinem Schutz“, erklärte Callan.
„Dann ist ja gut. Ich leg mich glaub ich hin, bin müde“, murmelte sie und ging in das gemütliche Schlafzimmer. Während Callan ihre Marke und Waffe an ihrem Gürtel befestigte und ihre kugelsichere Weste anzog, döste Senga in ihrem gemütlichen Bett ein.
 
Scheinwerfer, die durch das Schlafzimmerfenster leuchteten, weckten sie aus ihrem Döszustand. Sie sah auf den Wecker, es war fast halb eins in der Nacht. Es klopfte an die Tür. Mit einem Kratzgeräusch nahm sie den Baseballschläger neben der Schlafzimmertür auf und ging zur Tür.
„Mein Mann ist ein Seal, Sie sollten ihn lieber nicht wecken“, rief sie raus.
„Ein Seal, ernsthaft? Wann ist denn das passiert?“, hörte sie Alexs Stimme. Vorsichtig öffnete sie die Tür.
„Es ist mitten in der Nacht, Süßer“, sagte sie nur und stellte den Baseballschläger ab.
„Ich will mich nicht mehr besinnungslos trinken und weiß nicht wohin“, erklärte er.
„Dann komm rein. Solltest du nicht bei deiner Süßen sein?“, fragte sie liebevoll und er kam rein.
„Das bin ich doch“, säuselte er und küsste sie sanft.
„Hast du es ihr gesagt?“, fragte sie und drückte ihn etwas weg.
„Ja, sie will sich aber nicht scheiden lassen“, sagte er traurig.
„Was machst du dann hier?“, löste sie sich von seiner Umarmung.
„Ich will mit dir zusammen sein, hier, in diesem Land, fernab von meiner Familie, so wie es mein Dad schon gemacht hat“, erklärte er und ergriff ihre Hüfte wieder.
„Du hasst ihn deswegen“, stellte sie klar.
„Nicht mehr, seit ich dich kenne. Ich wurde immer für den Außerwählten gehalten, der, der die Familien vereinigt, meine Mutter war so glücklich bei der Hochzeit. Ich kann ihr Gesicht nicht mehr sehen, wenn ich ihr sage, dass ich das nicht durchziehe“, erklärte er.
„Deswegen musst du das auch durchziehen, ich hab mich von meiner Familie abgewendet, das solltest du nicht tun“, entgegnete sie traurig.
„Du willst mich also nicht?“, fragte er.
„Natürlich will ich dich, aber du bist verheiratet und musst bei deiner Familie bleiben“
„Ich will aber nicht, ich sauf mich noch tot, wenn ich bei ihr bleibe. Mein Leben ist mir zu kostbar, ich fühl mich lebendig, wenn ich bei dir bin“, erklärte er und küsste sie wieder. In dem Moment stellte sie ihr Gehirn ab. Sie war so lange nicht mehr mit einem Mann zusammen gewesen, sie musste diese Nacht nutzen und der Leidenschaft wieder Platz in ihrem Leben einräumen. Er roch so gut, als er seinen kratzigen Bart über ihren Bauch küssend bewegte. Sie genoss jede Sekunde, als sein Atem schneller wurde und er sie an sich zog. Er war ein sehr sanfter Liebhaber, er ließ sich viel Zeit. Es fühlte sich alles so gut an, obwohl es so falsch war. Vollkommen erschöpft schlief sie neben ihm ein.
 
Die Sonne brach durch die Fenster des Schlafzimmers, als der Detective der Spurensicherung durch ihr Schlafzimmer schlich. Sie blieb kurz am Bett, wo das Liebespaar friedlich drin schlief, stehen, schüttelte den Kopf und nahm ihre Schlafsachen aus ihrer Schublade.
„Morgen“, hörte sie die leise Stimme von Senga.
„Morgen, du hast da nen Kerl an dir“, flüsterte Callan ihr entgegen.
„Callan, hey, ja, sorry“, realisierte Senga, dass sie grade beim Ehebruch mit einem verheirateten Mann erwischt worden war.
„Er ist heiß, kann ich gut verstehen. Komm mit raus“, flüsterte sie ihr entgegen.
„Ich komm gleich“, entgegnete sie.
„Du bist nackt, oder?“
„Jup!“
„Bis gleich“, schmunzelte Callan und ließ das Paar allein. Vorsichtig löste sie sich von Alex und ging nach draußen, nachdem sie sich Callans Morgenmantel angezogen hatte.
„Was hab ich gemacht?“, fragte Senga und setzte sich verwirrt aufs Sofa.
„Ist ne Weile her bei mir, aber ich denke das war Sex“, frotzelte Callan.
„Ernsthaft? Du kommst mir jetzt mit Sarkasmus?“
„Hey, ich hab nicht umsonst bei ner Freundin geschlafen, dass ihr allein sein könnt“, gestand Callan.
„Du musstest also nicht arbeiten?“
„Ich leite meine Abteilung, ich kann mir meine Schicht aussuchen, da pfuscht mir keiner rein. Hat es sich wenigstens gelohnt?“, wollte Callan wissen.
„Es war unglaublich, aber das tut jetzt nichts zur Sache. Ich bin nicht erlaubt diesen Mann für mich zu haben“, entgegnete Senga und vergrub ihr Gesicht in den Händen.
„Du bist nicht erlaubt? Hörst du dir überhaupt zu? Du musst dir nehmen, was dir gut tut“, bemerkte Callan.
„Er ist verheiratet und stürzt gleich zwei Familien ins Unglück damit“, konterte sie.
„Das muss ich nicht verstehen, oder? Sie haben doch keine Kinder, oder?“, wollte Callan wissen und Senga erzählte ihr die Story.
„Das hat er dir vermutlich nur erzählt, um dich ins Bett zu kriegen, Süße“, schmunzelte Callan amüsiert über die Story.
„Glaubst du wirklich?“
„Ja, glaub ich, ich hab 15 Jahre lang Verhöre durchgeführt, ich hab schon alles gehört, von „Mein Hund hat meinen Ausweis gefressen“ bis „Aliens sind in meinem Garten gelandet“!“
„Könntest du ihm auf den Zahn fühlen, ob er die Wahrheit sagt?“, hoffte Senga.
„Sicher, Schätzchen, wenn du dich dann besser fühlst“, versprach Callan.
„Danke, kann ich wieder ein paar von deinen Sachen haben? Ich muss zur Arbeit zurück, bevor sie merken, dass ich ne Auszeit genommen hab, um rumzuhuren“, entschied Senga.
„Hör auf damit, du hattest eine tolle Nacht mit, ja einem verheirateten Mann, aber das hatte ich auch schon und lebe auch noch. Behalte diese Nacht in Erinnerung und leb dein Leben weiter“, bat Callan.
„Ich muss mit ihm Schluss machen, oder?“, stellte sie fest.
„Wenn du nicht die andere Frau sein willst, hast du keine andere Wahl!“
„Man, manchmal hasse ich es, ein Gewissen zu haben. Ja, du hast Recht, das muss ich tun, ich mach es am besten gleich. Ich kann mir alles aus deinem Kleiderschrank nehmen, oder?“
„Außer meine Uniform, da wärst du etwas overdressed!“
„Ja, könnte sein, die muss ich mir vielleicht mal für andere Gelegenheiten ausleihen“
„Auf keinen Fall!“
„War nen Versuch wert!“
„Lass dich mal drücken“, umarmte Callen sie und danach ging Senga zurück ins Schlafzimmer. Das Bett war leer und durch das Fenster kam frische Luft.
„Das ist fair, hätte ich sicher auch gemacht“, murmelte sie vor sich hin und suchte sich eine Jeans und ein T-Shirt aus ihrem Schrank aus. Trotz der 20 Jahre Altersunterschied trugen die Frauen die gleiche Größe, was in dem Moment sehr praktisch war. Sie band ihre Haare zusammen und setzte ihre Kontaktlinsen ein. Sie nutzte die Kontaktlinsen als eine Art Schutz, wie eine Sonnenbrille, um sich zu verstecken.
„Hey, stehen dir gut die Sachen, willst du was frühstücken?“, wollte Callan wissen, als sie auf ihren Stöckelschuhen in die Küche stöckelte.
„Nur nen Kaffee, ich muss zurück. Er ist durch das Fenster abgehauen“, sagte sie nur.
„Ja, hab den Leihwagen wegfahren hören, sorry, er hatte vermutlich nur Angst vor meinen Fragen oder meiner Waffe“, erklärte Callan beruhigend.
„Keine Ahnung, ist vielleicht auch besser so. Darf ich?“, griff sie nach dem Kaffee.
„Sicher, du hast ihr immer ein zu Hause, weißt du doch. Bedien dich, ich hab Donuts mitgebracht, du musst dich sicher stärken nach gestern Nacht, wenn er nur halb so gut ist wie Adair, dann musst du halb verhungern“, entschied Callan.
„Du hast mit Adair geschlafen?“, fragte sie angeekelt.
„Hey, nicht so abfällig, du schläfst mit seinem Sohn. Ich war vor 10 Jahren etwas vom Weg abgekommen und hing zu oft im Macintosh rum. Wir kamen ins Gespräch über meine Barkeeper-Zeiten und ich hab mit ihm geschlafen, nur einmal, aber es war unglaublich, so wie bei dir. Gott sei Dank bin ich damals nicht schwanger geworden, mit sechs Kindern ist seine Erfolgsrate ziemlich gut“, erzählte Callan.
„Du hast ihm aber nichts erzählt über mich und alles!“
„Natürlich nicht, ich hab ihn seit fast acht Jahren nicht mehr gesprochen. Viel viele Kinder hat er inzwischen?“
„Immer noch sechs Söhne, aber er freut sich bald über ein siebtes“, gestand sie.
„Man, er ist fast sechzig, reife Leistung. Es ist die Barkeeperin, oder?“
„Er steht wohl auf diese Art von Frauen, ja, sie ist die Frau, die uns angerufen hat, wir sind befreundet, na ja, zumindest jetzt, wenn sie erfährt, dass ich dich eingeweiht hat, bin ich eine tote Frau“, konterte sie und schlürfte den Kaffee.
„Alexs Liebste tötet dich vorher, keine Sorge“, spottete Callan.
„Ich kann dahin nicht zurück“, stellte Senga fest.
„Du bist 30 Jahre alt, irgendwann muss man erwachsen werden und sich allem stellen.“
„Muss wohl sein. Danke für den Kaffee, ich bring dir die Sachen irgendwann vorbei, waschen kann ich sie leider nicht“, erklärte Senga und nahm ihre Tasche.

Zehntes Kapitel

 
Breitbeinig stand Senga cool mit ihrer Brille auf der Nase vor dem Macintosh. Sie wusste nicht, was sie erwartete, was sie sehr ängstigte. Sie atmete dreimal tief durch und ging hinein. Gwen stand hinter dem Tresen und verstaute angebrochene Alkoholika in Kisten.
„Morgen, geht’s dir besser?“, begrüßte Gwen sie freundlich.
„Äh, ja, hatte gestern nur ne Egomanie, tut mir nochmal leid. Wie geht’s dir?“
„Ganz gut, ist seltsam, hier alles leer zu räumen. Du hast hier gestern echt ne Show verpasst, Blondie ist total ausgeflippt, weil er die Scheidung wollte, er hat aber nicht gesagt, wieso. Danach ist er für Stunden verschwunden und sie hat sich hier die Kante gegeben. Ne Ahnung wo er abgeblieben ist?“, fragte Gwen und grinste sie an.
„Kein Kommentar. Die anderen sind noch nicht da?“
„Nein, nur ich. Ist er so gut im Bett wie sein Vater?“
„Kein Kommentar“, entschied sie verdächtig grinsend.
„Du alter Schlawiner, schön für dich. Und jetzt?“
„Nichts und, hat Spaß gemacht, mehr nicht. Soll ich dir helfen?“
„Ja, wenn du willst. Gut siehst du aus, die Sachen stehen dir gut!“
„Sind nur geliehen. Welchen Alkohol kann man nicht riechen?“, wollte Senga wissen.
„Man riecht jeden Alkohol, aber Wodka vermutlich am wenigsten, wieso?“
„Gut, danke“, konterte sie, zog den Ausschanktropf aus der Flasche und nahm einen Schluck aus der Wodkaflasche.
„Es ist 9 Uhr morgens!“
„Schon klar, ich will mich ja nicht besaufen. Er ist heut Morgen heimlich abgehauen, ohne ein weiteres Wort. Ich bin wie eine Hure, nur ohne die Bezahlung“, war Senga bedrückt und stellte die Flasche in eine Kiste.
„Nein, das hat er nicht gemacht“, glaubte sie ihr nicht und in dem Moment kam Alex wie gerufen durch die Tür. Senga ignorierte ihn absichtlich, dass er merkte, wie sehr er sie verletzt hatte.
„Können wir reden?“, fragte er sie ruhig.
„Kann ich Ihnen irgendwie helfen, Mr. Macintosh?“, drehte sie sich zu ihm hin.
„Wir sind also wieder bei dem Scheiß, meinetwegen. Ist mein Dad da?“, murrte er enttäuscht von ihrer Show.
„Nein, Süßer, der schläft sicher noch. Wohnst du nicht mit deiner Frau bei ihm?“, spielte Gwen die Unwissende.
„Ach, tu doch nicht so, als würdest du es nicht wissen“, zischte er.
„Du solltest das mit dem Trinken echt lassen, greift voll dein Hirn an, Süßer“, half sie ihrer Freundin und er ging verwirrt ohne ein weiteres Wort weiter.
„Okay, warum verwirren wir den armen Kerl?“, wollte Gwen von ihrer Freundin wissen.
„Wenn ich das wüsste, Kurzschlussreaktion vermutlich. Man, ich hätte nicht mit ihm schlafen sollen, das hat eine komplizierte Situation ausweglos gemacht“, erkannte Senga traurig.
„Nur wenn du jetzt weiter so spielst. Geh zu ihm, er will reden, rede mit ihm“, bat Gwen helfend.
„Er ist geflüchtet!“
„Das wärst du auch!“
„Man, du kennst mich echt gut für die kurze Zeit, wie wir uns kennen. Ich geh zu ihm“, gab sie nach und folgte Alex.
 
„Alex, warte“, rief sie ihr entgegen und er blieb stehen.
„Du musst dich mal entscheiden, was du willst, Weib“, drehte er sich zu ihr hin.
„Ich will dich, aber du gehörst mir nicht allein“, sagte sie philosophisch.
„Doch, das tu ich, das hab ich dir doch gestern gesagt, Die letzte Nacht war die schönste meines Lebens, ich hab mich endlich als Mann gefühlt und das will ich auch weiter so fühlen“, bemerkte er, hakte seine Finger in ihre Jeansschlaufen und zog sie an sich.
„Ja, ich auch, aber das war nur ein Traum, wir müssen wieder aufwachen, Alex“, entschied sie und er begann sie zu küssen.
„Nein, wenn wir so anfangen, dann werden wir das nicht beenden können. Du hast heut Morgen schon einen guten Schritt getan, belassen wir es dabei“, drehte sie ihren Kopf weg.
„Ich hatte Angst vor der Frau mit der Knarre, tut mir leid“, zog er sie immer enger an sich ran.
„Du hast auch ne Knarre in deiner Hose“, spürte sie seine Erregung.
„Ich bin nur erfreut, dich zu sehen“, schmunzelte er.
„Ja, das merk ich, wenn ich dir jetzt das Knie reinramme, wird das echt wehtun“, drohte sie ihm und er ließ sie ruckartig los und ging einen Schritt zurück.
„Was soll das jetzt?“, fragte er entsetzt.
„So lässt du mich wenigstens los, dann können wir vernünftig reden“, konterte sie cool.
„Du spinnst doch“, ging er wütend davon.
„Sein Hirn wurde nicht genug mit Blut versorgt, der beruhigt sich schon“, versprach Gwen, die sie belauscht hatte.
„Vielleicht ist es besser so. Komm, machen wir weiter“, sagte Senga abwesend und ging zur Bar zurück. Gwen blieb schläfenreibend stehen.
„Man, ich bin langsam mit meinem Latein am Ende, die beiden sind mir zu hoch“, entgegnete Adair, der mit einer Kiste in der Hand aus dem Keller kam.
„Ich versteh nicht, warum du die zusammenbringen willst, dein Sohn ist verheiratet“, verstand Gwen nicht und sah ihn an.
„Er versucht auszubügeln, was ich damals verbockt habe, das ist nicht richtig“, konterte er.
„Da bist du etwas spät, er hat sie schon geheiratet“, entschied Gwen.
„Ja, das weiß ich auch, ich dachte immer, er zieht das ne Weile hin, aber dann ging’s plötzlich ganz schnell. Man, die beiden passen so gut zusammen, wir müssen diese Ehe auseinander bringen, aber wie bringen wir eine Beziehung auseinander, die eigentlich nur auf Vernunft und keinerlei Gefühlen beruht“, dachte Adair laut nach.
„Nur mit Logik und wenn das nicht klappt, ich weiß, wie man Eifersucht entfachen kann, wo keine Eifersucht ist“, schlussfolgerte Gwen und Adair sah sie an.
„Was? Irgendwelche Talente muss ein Mensch doch haben“, konterte sie cool und ging zu Senga zurück. Senga hatte sich wieder die Wodka-Flasche geschnappt.
„Hey, nicht bevor es wieder dunkel wird. Diese Flasche hat mich dazu gebracht mit Adair zu schlafen, also vorsichtig, wir wollen keine „Enkel, Sohn oder Tochter gleichzeitig geborenen“-Situation hier“, entgegnete Gwen und nahm ihr die Flasche weg.
„Keine Sorge, er hasst mich“, murmelte sie, während sie mit abgewinkelten Beinen auf dem Tresen saß.
„Wenn er dich hassen würde, hätte er nicht mit dir geschlafen!“, behauptete Gwen.
„Man, ich dachte, ich wäre hier die Dorfpomeranze, Männer schlafen aus verdammt vielen Gründen mit einem, nicht selten um einem das Herz zu brechen“, konterte Senga betrübt.
„Er mag dich aber, das merk ich doch“
„Ich ihn doch auch, das ändert nichts an unserer Situation“, erwiderte sie und rutschte vom Tresen.
„Was würdest du sagen, wenn dich dir sage, dass ich das ändern kann“, entgegnete Gwen cool.
„Du schläfst doch mit seinem Vater, ist diese „Zwei-verfeindete-Familien-Vereinigung“ eigentlich wahr?“, wollte Senga nachdenklich wissen.
„Männer reden zwar oft Bullshit um einen ins Bett zu bringen, aber das ist wahr, ich hab das sogar schriftlich gesehen, tut mir leid“, konterte sie.
„Das ist echt so ein Blödsinn, aber ich kenn ihn inzwischen so, dass ich weiß, warum er das getan hat. Steht in dieser blöden Erklärung auch, wie lang diese Ehe dauern muss? Ich werde auch nicht jünger“, murrte Senga.
„Nein, das steht da nicht, aber eine Art Ablaufzeit wird es da wohl kaum geben. Aber wenn sie sich scheiden lassen wollen, kann sie ja kaum jemand daran hindern“, bemerkte Gwen mit einem gewissen Unterton.
„Nein, lass das, das müssen sie selbst mit sich ausmachen“, bat Senga.
„Klar, wollte nur meine Hilfe anbieten“
„Danke, aber ich schaff das schon!“
„Ja, aber mein Alkohol muss darunter leiden, du musst hier arbeiten, denk daran. Ich muss hier wohl etwas auf dich aufpassen“, konterte Gwen und stellte den Alkohol weg.
„Ja, ist vielleicht besser so, danke. So, lass uns einfach weiterarbeiten, bis die anderen kommen. Kein Wort aber zu meinen Mädels, sie müssen nicht wissen, was für einen Scheiß ich gemacht habe“, bat Senga.
„Sicher, du behältst meine Geheimnisse für dich, ich deine. Wir müssen diese Spiegel hinter den Schränken auf jeden Fall loswerden, der ist echt deprimierend“, konterte Gwen, als sie ihr müdes Gesicht in dem Spiegel betrachtete.
„Geh mal zurück“, bat Senga.
„Was hast du vor?“
„Tu’s einfach“
„Okay“, ging sie unsicher ein paar Schritte zurück.
„Augen zu!“
„Okay, jetzt machst du mich nervös!“
„Bitte!“
„Meinetwegen“, schloss sie ihre Augen und Senga warf mit einem Barhocker den Spiegel ein, der mit lautem Knall zerberstete.
„Man, das hat echt gut getan“, sagte Senga zufrieden.
„Was zum Henker ist denn hier los?“, kam Adair zu ihnen gerannt.
„Wir dekorieren um, nichts passiert“, beruhigte Gwen, Adair.
„Ja, das seh ich, der Spiegel war sauteuer!“
„Wir brauchen hier keinen Spiegel, das brauchte ich jetzt, wollte dich nicht erschrecken!“, lief Senga über die knirschenden Scherben zu ihm hin.
„Man, mein Sohn muss echt ne Niete im Bett sein“, schmunzelte Adair und Senga sah Gwen verärgert an.
„Sie hat nichts erzählt, ich hab ihn gestern zu dir geschickt“, gestand Adair.
„Du hast ihn geschickt? Du musst deine Schwiegertochter nicht sehr mögen, was?“, wusste sie nicht, was sie darauf antworten sollte.
„Ich find sie eigentlich ganz okay, aber er hat ein Opfer für die Familie gebracht, was ich damals wegen der Liebe zu seiner Mutter nicht konnte. Er hat eine Nacht mit einer Frau verdient, die er liebt“, erzählte er.
„Er liebt mich nicht“, behauptete sie.
„Wie du meinst. Wer räumt das jetzt auf?“, wollte er wissen, als er den Schaden betrachtete.
„Das mach ich, keine Sorge. Bring nur den Alkohol vor mir in Sicherheit, ich hab seit heut Morgen einen furchtbaren Drang, Alkohol in mich rein zu schütten“, erklärte sie.
„Schade, ich dachte echt, ihr würdet sexuell harmonieren. Wir müssen das eh alles verstauen, bis ihr hier fertig seid“, entschied er und räumte den Alkohol weg.
„Du wirst es mir nicht glauben, aber das mit dem Spiegel wollte ich auch schon Ewigkeiten machen. Er mag dich wirklich, Süße, das Leben ist nicht fair, ich muss das ja wissen, wenn mein Kind auf die High-School kommt, ist sein oder ihr Dad schon in Pension“, konterte sie nachdenklich.
„Vielleicht ist es ja wirklich ein Mädchen, aber bei der dominanten Männerquote ist es vermutlich ein Junge. Ich frag mich grad, ob alle Macintoshs so gut im Bett sind“, dachte sie laut nach.
„Ich hab sechs Neffen und drei Nichten, wir reden zwar nicht darüber, aber ich denk schon. Alles klar bei euch?“, kam Alex zu ihnen.
„Äh, ja, bestens“, murmelte Senga vor sich hin, während sie die Scherben aufkehrte.
„Schon sechs Neffen, Adair hat mir nur von fünf erzählt“, konterte Gwen.
„Adair jr und seine Frau haben Sohn Nummer drei vor sechs Monaten bekommen, er ist wohl nicht ganz informiert. Cairn ist der Informant, oder?“, wollte Alex wissen.
„Keine Ahnung, er hat mir nur mal Bilder gezeigt. Ihr könntet euch ja zusammensetzen und du erzählst ihm vom neusten Enkelkind“, schlug Gwen vor.
„Er hat mir ja auch nichts von seinem neusten Missgeschick erzählt, also was soll das“, deutete er auf Gwens Bauch. Entsetzt sah Gwen, Senga an, die nur den Kopf schüttelte.
„Ach komm schon, ich hab nicht Journalismus studiert, um meine Talente jetzt zu verstecken“, entgegnete er.
„Du hast studiert? Ich dachte, du wärst Barkeeper!“, wunderte sich Senga.
„Ich besitz ne Bar, das heißt aber nicht, dass ich blöd bin“, fühlte er sich angegriffen.
„Das hab ich nie gesagt, bin nur überrascht. Bist wohl in die Fußstapfen deines Vaters getreten, was?“
„Ja, scheint so. Keine Sorge, geht mich nichts an. Kann ich euch irgendwas helfen?“, fragte Alex.
„Du bist in deinen Flitterwochen, geh zu deiner Frau, Alex“, entschied sie schroff.
„Okay, die Aussage war ja nicht miss zu verstehen. Diese Nacht mit dir hat mir viel bedeutet und ich würde für dich alles hinschmeißen und mit dir abhauen, aber wenn du die Zicke spielen willst, tu dir keinen Zwang an“, konterte er wütend und zog wieder ab.
„Ich weiß was du machst“, kommentierte Gwen die Situation und Senga schmiss mit lautem Klirren die Scherben in einen Mülleimer.
„Ja, ich räum auf, sieht man doch!“
„Ich mein mit ihm, du magst ihn, sehr sogar, aber da so viel zwischen euch steht, weißt du ihn ab, dass es nicht komplizierter wird“, schlussfolgerte die Barkeeperin.
„Super entdeckt, Dr. Watson. Was soll ich deiner Meinung sonst tun?“
„Lieb ihn, halt ihn fest, als gäbe es kein Morgen“, entschied Gwen.
„Aber der Morgen kommt immer, und an diesem Morgen ist er immer noch verheiratet!“
„Aber es ist keine Liebesheirat!“
„Ist doch egal, ob er mit einer Frau verheiratet ist, die er nicht liebt oder mit nem Esel, verheiratet ist verheiratet!“
„Mit nem Esel?“, schmunzelte Gwen.
„Hey, ich komm aus Wisconsin, da heiraten Kerle auch Esel!“
„Wirklich?“
„Nein, nicht wirklich, das war nur so daher gesagt, man ihr habt hier ja noch mehr Vorurteile gegenüber uns Kleinstädtern als die New Yorker. Er hat diese Frau geheiratet, dann muss er auch mit ihr zusammenbleiben und ich spiel den Part der Geliebten nicht, können wir jetzt endlich aufhören, darüber zu reden und arbeiten?“, wollte sie nicht mehr darüber reden und sie arbeiteten wortlos weiter.

Elftes Kapitel

 
Zwei Tage später saß das Team im Konferenzraum des Hotels, in dem sie abgestiegen waren zusammen, um ihr Konzept zu planen. Rosy klackerte gedankenversunken neben Senga mit einem Bleistift auf dem Tisch herum, was sie wirklich aufregte. Genervt nahm sie ihr den Stift aus der Hand und zerbrach ihn in zwei Hälften. Das gesamte Team sah sie an.
„Was? Das hat mich genervt“, moserte Senga und legte die zwei Teile des Bleistifts auf den Tisch.
„Okay, Zeit für ne Kaffeepause“, entschied Liv, die diese Stimmung ihrer Freundin kannte und die Gruppe verschwand in die Pause. Außer Senga, Liv und Rosy, die verwirrt ihren kaputten Stift wieder von ihrer Chefin aufsammelte.
„Sorry, Rosy, ich besorg dir gleich nen Neuen. Was?“, war Senga irritiert, als die beiden Frauen links und rechts von ihr sie ansahen, als wollten sie gleich was sagen.
„Hat sich ganz schön viel sexueller Frust in dir aufgestaut in den zwei Tagen“, konterte Rosy keck.
„Woher wisst ihr das jetzt schon wieder?“, fühlte sie sich ertappt.
„Das wussten wir nicht, wir haben nur geraten, weil du vor zwei Tagen nicht im Hotel geschlafen hast. Wer war es?“
„Niemand!“
„Dann hast du es dir also selbst gemacht“, schlussfolgerte Rosy.
„Nein, brave Wisconsiner-Mädels machen so was nicht“, konterte Liv amüsiert.
„Auch wenn es meine Assistentin eigentlich nichts angeht, Wisconsiner Mädels machen so was, ich hab sogar schon mal euer Geschenk zu meinem 25. Geburtstag ausprobiert. Ja, ich hatte mit nem Kerl Sex, das war aber ein One-Night-Stand, mehr müsst ihr nicht wissen“, murrte sie.
„Weiß Alex, dass du ihm so wenig bedeutet hast?“, wollte Liv wissen.
„Ich wusste, dass ich dich gestern nicht allein mit ihm hätte lassen sollen“, fühlte sie sich ertappt.
„Ich mach die Vorgespräche mit den Leuten, bevor sie auf Sendung gehen, das mach ich immer im Einzelgespräch. Obwohl, ich hätte auch die Nationalhymne auf Gälisch rülpsen können, was ich übrigens kann, er hat seine Augen nicht von dir lassen können und hat mir gar nicht zugehört, als wir dort auf dieser Bank saßen“, erzählte Liv.
„Unsere oder die irische Nationalhymne?“, lenkte Senga ab.
„Beide, hast du mir nicht zugehört, was ich gesagt habe?“
„Doch, verdammt, glaubst du ich weiß das nicht? Ich kann mich ja auch kaum auf die Arbeit konzentrieren. Ich möchte das hier einfach fertig kriegen, nach New York zurück und diesen verheirateten Mistkerl aus meinem Hirn streichen, ist das zu viel verlangt?“, wurde sie laut.
„Rosy, bringst du uns bitte mal zwei Kaffee?“, sah Liv, Sengas Assistentin an.
„Aber ich will das hören“, nörgelte Rosy.
„Einen mit Milch und Zucker, einen Schwarz, hopp“, forderte Liv und Rosy ging davon.
„Ich red auch nicht mit dir wenn du die Angestellten wegschickst, Olivia“, konterte Senga stur.
„Man, du nennst mich nur Olivia, wenn du es wirklich ernst meinst ich sag jetzt nichts mehr“, verstand Liv.
„Ich hab die falsche Bar für dich ausgesucht, oder?“, fragte Liv mitfühlend.
„Nein, du hast zur richtigen Zeit die richtige Bar ausgesucht, nur ich den falschen Kerl. Hat Derry jetzt schon geschrieben, was Alex vor der Kamera sagen soll?“
„Ja, ein geschriebener Dialog für die Person, die sich bei uns gemeldet hat, das ist auch eine Premiere bei uns. Warum können wir nicht Gwen nehmen?“, wollte Liv wissen.
„Das ist nicht deine Aufgabe, das zu wissen, er hat uns angerufen, Punkt“, bat sie ernst.
„Da hat fast nur noch das „Olivia“ dahinter gefehlt, aber ich hab dich verstanden, zu willst Gwen vor irgendwas beschützen, ich bin ja nicht der Senderchef, wenn du das okay hast, mach was du für richtig hältst. Okay, hast du was von Curt gehört? Der hat nen Neuen, hab ich gehört“, führte sie mit ihr Smalltalk, weil sie spürte, dass sie nicht über Alex reden wollte.
 
Nach und nach trudelten die ganzen Fernsehleute im Macintosh ein.
„Was ist denn mit dem Spiegel passiert?“, fragte Liv, Senga.
„Frag nicht, Gefühlsausbruch, nichts weiter, den brauchen wir eh nicht mehr. Okay, ich rede nochmal mit Adair, ihr dreht schon mal die ersten Szenen. Das mit dem Spiegel können wir nachher digital retuschieren, oder?“, fragte Senga den Kameramann.
„Ja, weißt du doch, wir retuschieren Liv auch jedes Mal fünf Pfund weg“, witzelte der Kameramann und Liv sah sie böse an.
„Nur nen Witz, du bist perfekt, Süße“, grinste er breit.
„Was auch immer, Pausbäckchen. Ich geh mal auf die Suche nach Alex“, konterte Liv cool und ging in die Hinter-Räume.
„Au, das ging nach hinten los, ein Tipp unter Freunden, sag das nie wieder zu einer Frau“, entgegnete Senga, klopfte dem Kameramann auf die Schulter und ging an die Bar.
„Morgen, wieder nüchtern?“, begrüßte Gwen sie, die Gläser in Papier einwickelte.
„Ja, ich sollte meine Gefühle nicht immer so raus lassen. Zumindest nicht so dramatisch“, entschied sie und sah dabei Alex zu, wie er mit ner Kiste in der Hand an der Bar vorbeilief.
„Das war schon richtig so, sonst hast du mit 40 Jahren Magengeschwüre. Wie seid ihr beide eigentlich jetzt verblieben?“
„Ehrlich gesagt, keine Ahnung, ich will jetzt nicht darüber nachdenken. Gib mir irgendwas zu machen, sonst steh ich hier immer unbeteiligt rum, während die anderen ihre Arbeit tun“, bat Senga.
„Hilf mir die Gläser einzupacken. Irgendwann musst du aber mit ihm reden“, entschied sie.
„Nein, muss ich nicht. Ich mach hier meinen Job und dann bin ich weg“, hatte Senga ihre schlechte Laune vom Vormittag behalten.
„Wie lange dauert dass hier eigentlich?“
„3-4 Monate, ich hoff mal nicht, dass er solang hier bleib“, konterte sie cool.
„Da kannst du sicher sein, dass er das macht, er will mit dir zusammen sein, als er vor zwei Tagen bei dir war, meinte er, er würde nicht aufgeben, bis er dich hat, hat Callan zumindest gesagt“, kam Liv an ihnen vorbei.
„Super, ganz toll, als wäre die Arbeit hier nicht anstrengend genug, jetzt hab ich mir noch einen verrückten Stalker aufgehalst“, murrte Senga.
„Ich glaub, wenn er dir jemals zu nahe kommt, knallt Callan ihn für dich ab, keine Sorge“, schmunzelte Liv.
„Sie hat ja dafür gesorgt, dass er mir zu nahe kam, das glaub ich eher weniger. Ich sollte mal mit Crystal reden, so von Frau zu Frau, dass sie ihn von mir weg bringt“, entschied Senga standhaft.
„Von wegen, du redest kein Wort mit meiner Frau, sie weiß nichts von dir und mir“, kam Alex wieder an ihnen vorbei.
„Warte, sie weiß nichts? Was hast du ihr dann gesagt, dass du dich scheiden lassen willst?“, hielt Senga ihn am Arm fest.
„Äh, ich liebe sie nicht und will nicht den Rest meines Lebens mit jemandem verbringen, für den ich keine Gefühle hege“, konterte er lässig.
„Du warst zwar aller Anschein ziemlich hacke bei deiner Hochzeit, aber das hast du vorher schon gewusst“, entschied sie.
„Ich hab mich vor der Hochzeit in dich verliebt, aber du hast mich abgewiesen, deshalb hab ich das getan und wegen dir und diesem Todd-Proll, was ist mit dem eigentlich?“, wollte er wissen.
„Der heißt Curtis und ist mein bester Freund!“
„Schwuler bester Freund“, fügte Liv hinzu.
„Ich wusste seine Fingernägel sind zu sehr pedikürt. Ihr habt euch beide sicher danach gegenseitig die Nägel lackiert und euch darüber ausgelassen, wie ihr dieses schottische Landei reingelegt habt“, murrte er verärgert.
„Ich hab mit ihm darüber gesprochen, ja, aber ich hab ihm gestanden, wie sehr ich mich in dich verliebt habe. Als hätte er es nicht schon gewusst, als er mit mir damals zum Flughafen geeilt ist, in unseren Schlafanzügen, du warst aber schon in der Luft“, bemerkte sie.
„Das hast du nicht gemacht“, glaubte er ihr nicht.
„In Rosa Plüschhausschuhen“, entgegnete sie, um nochmal zu zeigen, wie eilig sie es hatte.
„Ich hätte was sagen sollen ich hätte nicht einfach gehen sollen, aber als ich Todd und dich…!“
„Curtis!“
„…Ja, Curtis und dich da so liegen sah, ihr saht so vertraut aus, da wollte ich mein Glück nicht über eures stellen“, erklärte er.
„Können wir uns einigen, dass ihr beide Trottel seid und ihr fertig macht, bevor die hier mit Filmen anfangen?“, mischte sich jetzt auch Adair ein.
„Die Filmen hier nicht, bevor ich das Okay gebe. Können wir uns kurz in Ruhe unter vier Augen unterhalten?“, fragte Senga sanfter und Alex ging mit ihr mit.
„Ich hab mich noch nie so schnell verknallt“, gestand sie, als sie ihn in den Nebenraum mit dem bequemen Sofa geschoben hatte.
„Ich hab mich noch nie verknallt, deshalb bin ich auch diese Schose mit der Hochzeit und allem eingegangen, ich hab gedacht, das wär’s für mich, dass ich als alter grimmiger Einsiedler mit Bar sterben werde“, erklärte er und setzte sich hin.
„Wir leben nicht mal auf dem gleichen Kontinent, Alex, geschweige denn sind wir beide Single. Wenn Crystal sich nicht scheiden lassen willen, können wir nicht zusammen sein. Ich möchte heiraten und Kinder kriegen irgendwann, aber ich geb mich nicht mit abgelegter Ware zufrieden“, konterte sie.
„Ich hoff mal, dass in deinem Dialekt „Abgelegte Ware“ nicht das bedeutet, was ich denke, dass es bedeutet“, fühlte er sich gekränkt.
„Das hab ich falsch ausgedrückt, ich will dich voll und ganz für mich, Süßer“, versuchte sie ihn zu besänftigen.
„Du bist doch schon längst mein voll und ganz“, sagte er romantisch und sie setzte sich auf seinen Schoß und küsste ihn leidenschaftlich. Als sie gerade wild dabei waren, stand Crystal plötzlich in der Tür.
„Lex, kannst du das nicht lassen, zumindest solang wir hier in den Flitterwochen sind?“, fragte sie genervt.
„Tu nicht so prüde, ich hab heut Morgen die Abrechnung meiner Kreditkarte bekommen, du hast nicht nur ein Dutzend Schuhe gekauft, sondern auch ne Edelnutte in ein Hotelzimmer eingeladen, die ganze Nacht“, entschied er cool.
„Sie ist ne Lesbe, das erklärt ne Menge“, war Senga überrascht.
„Cleverer als die letzte ist sie zumindest“, konterte Crystal und musterte sie.
„Es gab nur die eine, ich hab mich verliebt, Crystal“, gestand er ihr endlich.
„Ich hab meine Freundin verlassen für diesen ganzen Mist hier, das ist mir ehrlich gesagt scheißegal“, blieb sie stur.
„Ach komm schon, du hast Blondie erst vor nem halben Jahr kennengelernt, die große Liebe war das wohl kaum“, konterte er.
„Okay, das ist ein Gespräch unter Eheleuten, ein bizarres Gespräch, das muss ich zugeben, aber keins, wo ich beiwohnen sollte. Wir reden später, Alex“, murmelte Senga und ließ sie allein.
„Hier steckst du, wie siehst du aus? Hat er dir was getan?“, traf sie auf dem Weg zurück auf Liv, die ihr half, ihre Kleidung zu richten, die Alex ziemlich durchwühlt hatte.
„Nichts, was ich nicht auch wollte, seine Frau hat uns erwischt“, erklärte sie durcheinander.
„Uh oh, sie hat dich am Leben gelassen, wie ich sehe“, stellte sie fest.
„Sie hat jemanden verlassen den sie geliebt hat um ihn zu heiraten, sie ist pissig und will ihn nicht freigeben“, erzählte sie ihr.
„Das ist Mist, nichts schürt mehr Rachegelüste als ein gebrochenes Herz. Soll ich mal mit ihr reden?“, bot Liv ihre Hilfe an.
„Nein, schon gut, das hält mich wenigstens davon ab, noch blödere Sachen zu machen wie ich sie jetzt schon gemacht habe. Es wird mal Zeit, dass wir über dich und Luca reden, ich hab lang genug geschwiegen“, entschied sie.
„Luca und ich sind fast ein Jahr geschieden, wir müssen nicht darüber reden“, druckste Liv herum.
„Aber es belastet dich noch, das merk ich doch.“
„An manchen Tagen ja, aber nicht heute, ein anderes Mal. Jetzt geht es um dich und deine Probleme. Also, wie werden wir sie los?“, witzelte Liv und ging mit ihr zurück.
Spät an diesem Abend saßen Liv und Senga an der Kante des Hotelswimmingpools und ließen ihre geschwollenen Füße im Wasser abkühlen.
„Er hat sich rar gemacht heute“, redete Liv sie auf Alex an.
„Ja, war mir ganz recht. Heute Abend reden wir über Luca“, entgegnete Senga plötzlich ernst.
„Nein, ich bin nicht betrunken genug für dieses Gespräch“, wollte Liv nicht darüber reden.
„Das hab ich erwartet“, zog sie einen Flachmann aus ihrer Jacke.
„Wirst du jetzt zur Alkoholikerin oder wie? Wo hast du den jetzt schon wieder her?“, wollte Liv wissen.
„Hab ich von Adair, stammt noch aus seinen Trinkerzeiten, trink“, bat sie und reichte ihr den Flachmann.
„Ich muss morgen drehen, da will ich nicht aufgequollen aussehen“, lehnte Liv es ab.
„Ich hab dich stundenlang in den Armen gehalten, als du geheult hast, du bist mir Antworten schuldig“, forderte Senga und Liv nahm ihr den Flachmann ab.
Sie nahm einen Schluck, atmete tief durch und begann von ihren Gefühlen zu erzählen. Luca war Musiker, ein Lebemann, den sie bei einem Konzert kennengelernt hatte. Sie waren fast drei Jahre zusammen gewesen, hatten Affären, Eifersuchtsdramen und Karrieren-Tiefs miteinander erlebt, doch irgendwann konnte sie nicht mehr und verließ ihn. Das war nun ein Jahr her und sie hatte abgelehnt darüber zu reden bis zu dem Zeitpunkt.
„Er hat mich letzten Monat angerufen“, sagte Liv plötzlich und sah in die Reflektionen der Kacheln im Wasser.
„Das erzählst du mir erst jetzt? Was hat er gesagt?“, wollte Senga wissen.
„Ach, was sie immer sagen, dass er mich vermisst und mich wiedersehen möchte!“
„Und das willst du nicht?“
„Würdest du Adam wiedersehen wollen?“
„Ich war mit Adam sechs Monate locker zusammen, das kannst du nicht vergleichen. Er war dein Mann und du hast noch Gefühle für ihn!“
„Natürlich hab ich noch Gefühle für ihn, deshalb rede ich ja nicht darüber“, entschied Liv.
„Das ist also die Lösung für alles, schweigen bis es uns umbringt?“, dachte Liv laut nach.
„Auf das große Schweigen“, hob Senga den Flachmann hoch.
„Von wegen, wir reden jetzt über alles bis wir nicht mehr können“, entschied Liv und nahm auch einen Schluck aus dem Flachmann. Zwei Stunden später fanden Cecilia und Rosy ihre Kolleginnen schlafend auf den Strandliegen vor.
„Boss? Kann man euch irgendwie helfen?“, weckte Rosy ihre Vorgesetzte sanft.
„Nur noch fünf Minuten, Ros‘“, murmelte Senga.
„Du liegst auf einer Strandliege, Boss, du solltest ins Bett gehen“, schlug Rosy vor.
„Bin ich das nicht?“
„Nein, bist du nicht. Bist du betrunken?“, wunderte sich Rosy.
„Nein, nur etwas angedudelt, hilf mir hoch“, murmelte sie und Rosy stützte sie zum Zimmer, während Cecilia sich um ihren Star kümmerte.

Zwölftes Kapitel

 
„Man, ich fühl mich wie Cher, ich hatte in meinem Leben noch nie so viel Make-up drauf“, murmelte Liv, als sie mit dicker Sonnenbrille auf der Nase neben Senga auf dem Rücksitz des SUVs saßen, der zum Macintosh fuhr.
„Wenn ihr nicht Lindsay und Britney gespielt hättet gestern, wäre das nicht nötig gewesen“, entschied Cecilia, die sich gerade selbst im Spiegel schminkte, weil sie durch ihren Mehraufwand bei Liv nicht dazugekommen war.
„Liegt es nur an meinem Kater oder war deine Stimme immer schon so nervig?“, murrte Liv.
„Das erste, meine Stimme ist melodisch und du hast nen Kater“, sagte Cecilia cool.
„Sag mir was, was ich nicht weiß. Hat jemand was zu Trinken mitgenommen?“, war Liv total verkatert.
„Willst du weitertrinken?“, schmunzelte Senga, der es wesentlich besser ging.
„Wasser, ich hab nen Wahnsinns-Brand“, murrte sie und Senga gab ihr eine Flasche Wasser.
„Hier, ich hab schon mindestens mein Körpergewicht in Wasser getrunken, das brauch ich glaub ich nicht mehr“, entgegnete Senga freundlich.
„Danke, du bist Schuld“, murmelte Liv.
„Hey, ich hab dich nicht gezwungen zu trinken. Zumindest haben wir mal über alles reden können“, entschied Senga.
„Ja, obwohl ich mich nur noch schemenhaft an die Sachen erinnern kann, war es wirklich ein gutes Gespräch, glaub ich“, konterte Liv.
„Ja, war es, ich weiß jetzt, dass du ihn immer noch liebst und vermisst!“
„Nein, tu ich nicht, hört ihr das, tu ich nicht“, behauptete Liv und alle mussten ihr zustimmen.
„Lügnerin“, murmelte Senga und Liv sah sie böse an.
„Tust du nicht?“, suchte Senga eine bessere Lösung für Liv und ihre Gesichtsmuskeln entspannten sich wieder.
„Wir haben darüber geredet, jetzt reden wir nicht mehr darüber, okay?“
„Ja, meinetwegen. Sind wir gleich da? Ich muss pinkeln“, wechselte sie das Thema.
„Wir sind gleich da, Boss“, versprach Rosy und hielt kurz danach wieder am Macintosh.
 
Mit klappernden Stöckelschuhen eilte sie zur den Toiletten.
„Ich beneide dich, wie du tagtäglich mit diesen Dingern laufen kannst“, hörte sie Gwens Stimme aus der Kabine neben ihr.
„Woher wusstest du, dass ich es bin?“
„Du bist die einzige hier, die so hohe Schuhe trägt. Das war jetzt eilig, was?“, frotzelte Gwen.
„Ja, sieht so aus. Wie ist die Lage hier?“
„Besser, seit er weg ist!“
„Er ist weg?“
„Dich kann man echt leicht verarschen, er wird hier nie wieder weggehen. Blondie jetzt leider auch nicht mehr, du musstest dich ja erwischen lassen“, kritisierte sie Senga.
„Ja, ich weiß, ich war so blöd. Anstatt dass ich ihn von mir weg stoße, veranstalte ich so einen Mist“, bemerkte Senga frustriert.
„Ich hab nen Mistkerl wegen der Liebe geheiratet, gibt schlimmeres was du hättest tun können. Der Vorteil von eurer Umbauaktion ist, dass wir Alex nüchtern halten, solang er das Haus nicht verlässt, was er übrigens nicht tut, Blondie schläft bei ihrem Schwiegervater, er bleibt hier, immer, hol ihn hier raus, bitte“, bat Gwen genervt.
„Ich versuch’s, vielleicht kann ich ihn bei Callan unterbringen“, schlug Senga vor.
„Das wäre toll, obwohl das so gar nicht eigennützig ist“, entgegnete Gwen cool.
„Ja, ich will ihn für mich haben, ist das verboten?“, gestand sie.
„Wenn er verheiratet ist schon irgendwie. Aber ich bin auch eine Ehebrecherin, ich darf mich nicht so weit aus dem Fenster lehnen. Man, ist das komisch auf der Toilette zu quatschen, fertig?“
„Ja, warte, ich komm raus. Man, ich muss ständig pinkeln, ich will gar nicht wissen wie das in ein paar Monaten wird. Man, siehst du fertig aus, gestern zu viel gefeiert?“, gingen sie beide aus ihren Kabinen.
„Feiern eher weniger, eher Frust-Saufen, man, wann hört dieser Durst endlich auf?“, kam Liv zu ihnen.
„Trink die Flasche leer, dann wird’s gehen. Bin ich froh, dass ich heute nicht vor der Kamera stehen muss“, schmunzelte Senga.
„Danke, das hab ich jetzt gebraucht. Man, ich hab so einen Kopf“, murrte sie.
„Tut mir leid, sonst hätte ich dich nie zum Reden gebracht. Was im Nachhinein aber eine dumme Idee war, denn jetzt redest du ja nicht mehr. Man, diese Toiletten müssen auch dringend raus, die werden nie wieder sauber, so gut wie du auch putzt“, entgegnete Senga.
„Da hast du meinen Segen, auch wenn ich dann meinem Kind nicht mehr zeigen kann, wo es gezeugt wurde“, bemerkte Gwen und fuhr nachdenklich über eine Klotür.
Senga kam das Bild in den Kopf, wie der alternde Adair die junge Barkeeperin in der Toilette verführte.
„Danke, dass ich dieses Bild nie wieder aus meinem Kopf kriege“, sagte Senga angeekelt.
„Bitte, wenn ich es mir grad so überlege ist eine mehr romantische Story empfehlenswerter. Bis das Kind groß genug ist, um das zu kapieren, kann ich mir ne bessere Geschichte ausdenken. Wenn ihr jetzt anfangt zu filmen, verzieh ich mich besser“, schmunzelte Gwen und verschwand durch den Hinterausgang.
„Erzählst du mir, warum sie nicht ins Fernsehen will?“, fragte Liv, als sie Gwen hinterhersahen.
„Nicht jeder ist so gemacht fürs Fernsehen wie du, mehr musst du nicht wissen. So, hilft ja nichts, wir sind zum Arbeiten her gekommen, also los“, stürzte sie sich in die Arbeit.
 
Obwohl Alex ständig um sie herum war, konnte Senga ihre Arbeit einigermaßen durchziehen. Bis zum Abend, als das Team abgezogen war und Senga alleine an einer Sitzbank saß und ging ihre Unterlagen durchging.
„Du bist ein kleiner Workaholic, was?“, begrüßte Alex sie und setzte sich ihr gegenüber.
„Hey, ja, sieht so aus!“
„Wir können so nicht weitermachen“, sagte er nur.
„Ja, das ganze Konzept stinkt, wir verballern viel zu viele Kosten für unnötige Sachen“, war sie beschäftigt und er griff nach ihrer Hand.
„Ich mein das mit uns, die Lage ist dir nicht fair gegenüber“, klang er rational.
„Ja, ist es nicht“, sah sie ihn an.
„Ich mag dich sehr gern, wir passen sexuell auch gut zusammen, aber da sitzt mir so eine ätzende Lesbe im Nacken, die sich meine Frau schimpft“, erklärte er.
„Ja, danke für die Zusammenfassung. Hat sie dich geschickt?“, schlussfolgerte sie.
„Sie ist nicht meine Chefin, ich mach gar nichts, was sie sagt“, behauptete er.
„Ah, ich muss noch arbeiten, könntest du mich allein lassen?“, bat sie und zog ihre Hand unter seiner hervor.
„Bitte sei nicht so!“
„Wie soll ich denn sein? Du tanzt nach ihrer Pfeife, das ist doch offensichtlich, ich will jetzt nicht mehr darüber reden, geh einfach“, bat sie kühl und er stand auf. Alex stellte sich neben sie und küsste ihren Kopf. Sie hörte, wie er dabei schluchzte. Sie musste stark bleiben, also schluckte sie ihre Trauer runter und ließ ihn davon gehen.
 
Sie lief durch eine Wiese. Die Grashalme kitzelten an ihren Beinen. Sie war glücklich, sie fühlte die wohlige Wärme in ihrem Herzen und seine warme Hand in ihrer. Die Wiese war wie die bei ihr zu Hause in Wisconsin. Ein wohliges Gefühl von zu Hause stellte sich bei ihr ein. Das Klirren einer Flasche weckte sie abrupt.
„Tut mir leid, ich wollte dich nicht wecken“, hörte sie Gwens Stimme und sie rieb sich die Augen. Sie war an dem Tisch eingeschlafen.
„Wie spät ist es?“, murmelte sie.
„Kurz vor Mitternacht, du hast es geschafft“, entschied sie.
„Mir einen steifen Nacken zu holen, ja, das hab ich geschafft“, murmelte sie und rieb ihren Nacken.
„Ja, das passiert wenn man an Tischen schläft. Nein, ich meine, er ist weg, Alex ist wirklich nicht mehr in diesem Gebäude, egal was du gemacht hast, danke!“
„Wir haben uns getrennt, obwohl wir ja nicht mal wirklich zusammen waren. Es tut trotzdem höllisch weh“, erklärte Senga bedrückt.
„Ja, glaub ich dir, ist vielleicht besser so. Warum bist du immer noch hier?“
„Dank meiner pubertären Lebensweise ist bei mir viel Arbeit liegen geblieben, ich muss noch was arbeiten“, erklärte sie.
„Aber nicht kurz vor Mitternacht, komm, ich fahr dich heim“, schlug Gwen vor.
„Du hast Recht, Zeit für Feierabend. Man, ich brauch jetzt dringend Alkohol“, murmelte sie und stand auf.
„Nein, brauchst du nicht, du brauchst Schlaf. Ich hab mir einen schönen Tag gemacht heute, aber irgendwie führt mich mein Weg immer wieder hierhin zurück. Wie läuft’s hier?“, machte sie Smalltalk.
„Gut, denk ich. Ich sollte wirklich Schlafen gehen, der Morgen kommt schnell genug“, schlussfolgerte sie und packte ihre Sachen zusammen.

Dreizehntes Kapitel

 
Leises Klopfen weckte die Psychologin und Moderatorin Olivia MacLaclan, an diesem Morgen. Müde sah sie auf ihr Handy. Es war nicht einmal sechs Uhr morgens. Brummelnd stand sie auf, zog den Bademantel des Hotels an und öffnete die Tür.
„Tut mir leid, dass ich dich wecke“, stand Rosy vor der Tür. Sie trug auch nur einen Bademantel.
„Danke, Entschuldigung akzeptiert, warum bist du hier?“, wollte sie müde wissen.
„Sie weint, schon die halbe Nacht“, sagte Rosy nur.
„Das hatte ich befürchtet, ich geh zu ihr, leg dich in mein Bett und schlaf noch etwas“, schlug Liv vor.
„Danke, ich könnt echt noch etwas Schlaf brauchen“, bedankte sich Rosy und schlurfte ins Zimmer, während Liv mit ihrer Karte in Sengas Hotelzimmer ging.
 
Wortlos kuschelte sich Liv zu ihrer Freundin ins Bett.
„Ich will ihn für mich haben“, schluchzte Senga, als sie bemerkte, dass es Liv war.
„Ja, ich weiß, das geht halt einfach nicht. Du hast dich also endlich von ihm gelöst?“
„Er hat mich verlassen, wenn du das damit meinst. Ich kann nicht aufhören zu weinen, ich muss doch arbeiten, das kann ich nicht, wenn ich mich nicht unter Kontrolle habe“, versuchte sie aufzuhören zu weinen.
„Ich hab was zur Beruhigung dabei, das geb ich dir nachher, jetzt lass uns endlich schlafen“, beruhigte Liv sie.
„Ich kann nicht schlafen, wenn ich schlafe, seh ich ihn“, war sie nicht zu beruhigen.
„Man, dich hat es echt erwischt. Ich geb dir ein Schlafmittel, wir kommen heute ohne dich klar“, versprach Liv.
„Bist du jetzt unter die Drogendealer gegangen?“, schniefte sie.
„Ich schlaf schlecht, das sind meine Medis. Ja, ich schlaf meine Sorgen weg, gibt schlimmeres. Ich bring dir die Medikamente, schlaf ein bisschen“, rutschte sie wieder aus dem Bett und ging zurück ins Zimmer. Mit einem Schlaf- und einem Beruhigungsmittel im Blut schlief sie endlich ein.
 
Ohne Senga kam die Crew wieder ins Macintosh. Adair wartete schon auf sie.
„Hey, auf ein Neues. Wo ist die furchtlose Anführerin?“, begrüßte Adair sie gut gelaunt. Er schien nach Alexs Weggang gelöster zu sein, was Liv irritierte.
„Ihr geht’s nicht so gut, sie braucht nen Tag Pause. Wenn Sie Fragen haben, Rosy kann Ihnen helfen, sonst kommen Sie zu mir. Wann kommt Ihr Sohn denn wieder?“
„Er ist grad auf dem Weg zum Flughafen, nicht in nächster Zeit. Sie hätten ihn noch gebraucht, oder?“
„Ja, hätte ich, verdammt, warum haben Sie ihn nicht abgehalten?“
„Er ist erwachsen und ging mir höllisch auf die Nerven, ich bin ehrlich gesagt froh, dass er weg ist. So, wo fangen wir an, Farbe, Tapete, was?“, war er aufgekratzt.
„Ich muss zum Flughafen, ihr kommt hier klar, oder?“, wollte sie wissen und Rosy nickte.
 
„Ich hoffe, das weißt du zu schätzen, was ich für dich tue“, murmelte Liv vor sich hin, während sie mit dem SUV zum Flughafen eilte. Sie hatte noch Zeit, ihn einzuholen, sie war knapp bemessen, aber sie konnte es noch schaffen.
Hektisch zog sie ihre Stöckelschuhe aus. Sie rannte, sie war New Yorkerin, sie rannte sonst Taxis hinterher, doch das war was anderes.
Sie rief seinen Namen. Seine Frau war bei ihm, als er bei ihnen ankam.
„Du haust nicht einfach so ab“, keuchte sie und stützte sich auf ihre Knie.
„Liv, was machst du hier?“, war er überrascht, die Moderatorin zu sehen.
„Du rennst vor deinen Problemen weg, das kannst du ruhig machen, auch wenn du meiner besten Freundin das Herz gebrochen hast, aber ich brauch dich noch für den Job“, versuchte sie atemlos zu erklären.
„Ich kann nicht bleiben, tut mir leid“, entgegnete er.
„Ja, das hab ich kapiert, du bist an einem Flughafen, aber ich bitte dich zu bleiben, wenn nicht für ihre Liebe dann für ihre Karriere“, bat sie ernst.
„Wir werden ihn nicht brauchen, wir kriegen das auch ohne ihn hin“, stand plötzlich Rosy hinter ihr.
„Was zum … Wie kommst du denn hier her?“, stotterte LIv verwirrt.
„Ich bin dir gefolgt, ich hab nen Taxi hergerufen, ich hab diese „Folgen Sie dem Auto-Schose“ abgezogen, das wollte ich immer schon mal machen“, erklärte Rosy.
„Warum bist du so wenig außer Atem?“
„Ich bin zu einem anderen Eingang reingekommen, du bist durch die ganze Halle gerannt“, erklärte sie.
„Du warst schon hier, oder?“
„Ja, war ich, wenn du es nicht so eilig gehabt hättest, hätte ich es dir sagen können. Lass ihn gehen“, bat Rosy.
„Hast du mit Senga gesprochen?“, hatte Alex plötzlich Interesse an der Unterhaltung der beiden Frauen.
„Nein, die ist immer noch im Medikamententiefschlaf. Aber ich kenne sie langsam besser als mich selbst, sie will ihren Job nicht verlieren, aber den verliert sie, wenn sie in ihrer Nähe ist“, entschied Rosy trocken.
„Lex, jetzt komm, wir verpassen sonst noch unseren Flug“, nörgelte Crystal.
„Danke, Kleine, tut mir leid, Süße, das Weibchen ruft, ich muss“, verabschiedete sich Alex und ließ die Frauen stehen, während er seiner Frau ins Gate folgte.
„Sie wird dich dafür hassen, ich hoffe, das weißt du“, entschied Liv, als sie mit Rosy zum Auto ging.
„Sie wird davon nichts erfahren, ich liebe sie wie eine große Schwester und sie hätte das auf keinen Fall gut geheißen, ihre Karriere ist ihr nur zu wichtig, dass sie das wegen nem Kerl aufgeben darf“, bat sie um Stillschweigen.
„Ja, irgendwie schon, aber das ist verdammt scheiße. Wir müssen sie jetzt in nächster Zeit unterstützen, wir beide, haben wir uns verstanden?“
„Ja, natürlich, ich werde dich unterstützen. Wir waren nur nicht hier, verstanden?“
„Man, Kleine, du entfaltest echt langsam deine ganze Gartenzwerg-Power“, lobte Liv ihre keine 1,60 m große Kollegin.
„Wenn das keine Beleidigung gewesen wäre, wäre ich fast geehrt. Man, Alex ist schon ein heißes Schnittchen, was?“, führte Rosy Smalltalk.
„Ja, das sind die Verheirateten immer. Was hast du eigentlich Adair gesagt, wo du hingehst?“
„Auf die Toilette?“, sagte Rosy wieder kleinlaut.
„Man, der hat sicher schon gedacht, du würdest dein Körpergewicht ausscheiden, lass uns schnell zurückfahren“, sagte Liv kopfschüttelnd und sie fuhren zurück.
 
„Hey, da sind Sie ja, ich wollte Sie fast als vermisst melden. Ach, Sie sind auch wieder da, Miss MacLachlan, dann können wir ja anfangen. Alex war schon weg, oder?“, begrüßte Adair die Frauen zurück.
„Äh ja, über alle Berge“, stotterte Rosy und Liv sah sie böse an.
„Hab ich was verpasst?“, wollte Adair kritisch wissen.
„Nein, gar nichts, machen wir weiter“, entgegnete Liv und sie arbeiteten weiter.
 
Etwas torkelnd kam Senga an diesem Abend an den Hotelpool, wo Liv Runden schwamm.
„Na, wieder von den Toten auferstanden?“, begrüßte Liv sie und sprang auf den Beckenrand mit ihrem Hintern. Die Endzwanzigerin hatte einen tollen Körper, den sie sich in dem vergangenen Jahr vor lauter Liebeskummer antrainiert hatte.
„Man, was hast du mir gegeben? Wir müssen zu Hause dringend mal über deine Selbstmedikation sprechen, du schluckst ja Hämmer“, murmelte sie immer noch benommen.
„Die beiden Medis zusammen waren wohl etwas viel, tut mir leid. Zumindest hast du schlafen können. Wir waren heut auch erfolgreich, das Grundgerüst steht schon“, stand LIv auf und trocknete sie ab.
„Super“, sagte Senga nicht begeistert.
„Wir brauchen dich trotzdem, das zeigt nur wie gut du uns geschult hast. Geht’s dir besser?“, wollte Liv liebevoll wissen.
„Ich wurde gestern privat abgesägt und jetzt anscheinend auch beruflich, nicht wirklich, nein“, brummelte sie und setzte sich auf eine Liege.
„Red keinen Mist, du bist die Beste und morgen startest du wieder durch“, half sie ihr.
„Nein, tu ich nicht, ich werde morgen kündigen“, entschied sie.
„Was? Nein! Du spinnst doch!“
„Nein, das alles hier hat mich aufgeweckt, ich gehör nicht in diese Schicki-MIcki-Welt, ich bin aus Wisconsin, verdammt, ich liebe es zu fluchen, mache es aber nicht mehr weil es „nicht schicklich“ ist, wie du es gern ausgedrückt hast, als du mich umerzogen hast“, war sie komisch drauf.
„Ich hab dich doch nicht umerzogen, ich hab dir nur ein paar Tipps gegeben, wie du dein Leben verbessern kannst“, entschied sie.
„Ah, wenn du meinst. Wie auch immer, morgen bin ich hier weg“, war es ihr ernst.
„Du scheinst dir das gut überlegt zu haben“, war Liv baff.
„Ja, habe ich, tut mir leid!“
„Sicher, dann tu das, wenn du das so willst“, wusste Liv nicht, was sie dazu sagen sollte.
„Ja, das will ich. Ich sollte wieder ins Bett gehen, das wird ne lange Reise morgen“, stand Senga wieder auf und ging zurück ins Hotelzimmer. Als Liv am nächsten Morgen in Sengas und Rosys Zimmer kam, war sie weg. Sie hatte Rosy Anweisungen dagelassen, wie sie die Sendung ohne sie abwickeln konnte, aber verabschiedet hatte sie sich nicht.
„Was heißt, sie ist weg?“, konnte Rosy nicht verstehen, dass sie einfach so gegangen war.
„Sie wollte nach Wisconsin zurück, mehr kann ich nicht dazu sagen“, hatte sie keine Ahnung, was sie sagen sollte.
„Nach Wisconsin, das sind aber einige Schritte zurück, in ihrer Karriere“, entschied Rosy.
„Ja, ich hätte sie davon abhalten sollen, aber irgendwie hat diese ganze Alex-Geschichte meine Gefühlswelt wieder total durcheinander gebracht und ich kann nicht aufhören an Luca zu denken“, gestand Liv plötzlich.
„Klar, du liebst ihn noch, das wissen wir doch, wir haben aber grade wichtigere Probleme, einer der besten Produzentinnen dieses Landes will FarmVille-Live spielen, wenn ihr versteht was ich meine“, sah Rosy, Liv und die dazu gekommene Cecilia an, die sie nur verwirrt anstarrten.
„FarmVille, Facebook, das ist ein Online-Spiel wo man eine Farm aufbauen kann, man seid ihr alt“, konterte sie cool.
„Glaubst du, sie bleibt mit mir befreundet, wenn ich ihre Assi erwürge?“, wendete sich Liv zu Cecilia und Rosy schluckte schwer.
„Wenn du ihr erzählst, dass sie dich als alt bezeichnet hat, sicher nicht. Du musst Curt anrufen“, schlussfolgerte Cecilia.
„Verdammt, ist scheiße, dass er immer als Retter fungieren muss“, murmelte Liv.
„Hast du grad geflucht, Miss McLachlan?“, war Cecilia verwundert.
„Ja, muss auch mal sein. Das hat echt gut getan, ich kann Senga grad gut verstehen“, konterte Liv zufrieden.
„Ijr habt sie ja nicht alle, ich bereite mich jetzt auf meinen Job vor, denn ich will Adair helfen und wenn wir dem Sender sagen würde, dass sie abgesprungen ist, beenden sie das Ganze. Sie erfahren nichts, verstanden?“
„Wir verlieren auch unsere Jobs, wenn sie das spitz kriegen, keine Sorge, wir sagen nichts, wir fahren in einer halben Stunde“, versprach Liv und sie trennten sich wieder.
 
Senga kam eine Stunde später mit dem Flieger in Madison, der Hauptstadt von Wisconsin, an. Davon aus fuhr mit dem Bus aus nach Arpin. Sie hatte ihre Eltern ewig nicht mehr gesehen, die Stunden im Bus ließen sie zweifeln, ob es richtig war, zurück zu kehren.
 
Erschöpft stieg sie an diesem Nachmittag aus dem Bus in ihrer Heimatstadt aus. Die Zeit war in dieser schnuckeligen Kleinstadt stehen geblieben in den vorangegangen fünf Jahren ihrer Abwesenheit, aber das war auch schon vorher so gewesen. Sie fiel auf, natürlich, sie trug auch Klamotten, die noch in diesem Jahrtausend hergestellt worden waren.
Sie konnte von der Bushaltestelle zu ihrem Elternhaus laufen. Das Haus war auch genauso, wie sie es verlassen hatte, als sie zehn Jahre zuvor zum College aufgebrochen war. Ein Kinderrad stand an die Häuserwand gelehnt. Sie hatte gehört, dass ihre große Schwester mit ihrer Nichte nach ihrer Scheidung zu ihren Eltern gezogen war. Sie hatte als Kind ein tolles Verhältnis zu ihrer Schwester Stella gehabt, aber dann hatte sie geheiratet und eine Familie gegründet und sie war nach New York gegangen. Sie hatte ihre Nichte bei ihrer Taufe gesehen, sie musste anscheinend schon so groß sein, dass sie ein Fahrrad fahren konnte. Sie klingelte und ein Hund bellte. Der Hund war neu, sie hatten früher nie Haustiere gehabt. Wie angewurzelt stand Gardenia McNab da, als ihre Tochter in hochhakigen Schuhen, Stoffhosen und einer etwas zerknitterten weißen Bluse an vor ihr stand.
„Alt bist du geworden, du siehst immer mehr wie Stella aus“, konnte Gardenia nur von sich geben.
„Du bist wie immer um kein mieses Kompliment verlegen. Hallo Mutter“, begrüßte sie sie kühl.
„Tut mir leid, ich bin nur überrascht dich zu sehen, als wir dich damals in New York besucht haben, hast du gesagt, du kommst niemals in dieses wie hast du es genannt, ach ja „ranzige Kaff“ zurück. Und doch bist du da“, erklärte Gardenia.
„Ich hab versagt Mum, vollkommen versagt“, brach sie in Tränen aus.
„Ach, komm her, du kannst kaum versagen, du bist doch ein Talent in Allem“, munterte Gardenia sie auf und umarmte sie liebevoll. In dem Moment wusste sie, dass es richtig gewesen war, nach Hause zurück zu kehren.

Vierzehntes Kapitel


Senga ertappte sich dabei, wie sie ihre fünfjährige Nichte Lulu anstarrte. Sie sah genauso aus wie Stella als Kind ausgesehen hatte und war einfach so süß. Sie dachte darüber nach, ob es vielleicht zu spät war für sie, Kinder zu bekommen.
„Sagst du heute noch was?“, riss Stella ihre kleine Schwester aus ihren Gedanken. Die hübsche Mutter war etwas fülliger geworden, aber ihr stand es gut. Ihre Kleidung war altbacken, hatte aber einen gewissen Stil.
„Ja, tut mir leid, Lulu ist nur so süß!“
„Ja, weiß ich, also, warum bist du hier?“, war Stella kühl ihr gegenüber.
„Stella, sei nett, sie hat ne Krise, ich hab dich damals auch aufgenommen“, bat Gardenia ihre Tochter.
„Danke, Mum!“
„Sie kann aber nicht hier wohnen, hier ist kein Platz“, murrte Stella.
„Ich freu mich auch, dich zu sehen, Schwesterherz“, bemerkte sie sarkastisch.
„Du bist schon so sarkastisch wie jeder Großstädter!“
„Und du bist schon so verbittert wie jede Geschiedene!“
„Kinder, ihr streitet ja wie früher, Senga, du kannst so lang bleiben wie du willst“, versprach Gardenia.
„Danke, Mum, aber ich werde mir selbst was suchen. Ich wollte dich nicht blöd anmachen, Stel, ich weiß, du kämpfst jeden Tag als Alleinerziehende und ich bin eifersüchtig auf dein Mutterglück“, entschuldigte sich Senga bei ihrer Schwester.
„Und ich bin eifersüchtig auf deine Karriere, man, die Klamotten die du am Leib trägst sind schon mehr wert als mein Wagen“, erklärte sie.
„Ich muss in meinem Job so rumlaufen, ich renn immer noch lieber in Jeans und T-Shirt rum. Ich kann es kaum glauben, dass ein Kerl es geschafft hat, dass ich meine Karriere aufgebe“, bemerkte sie nachdenklich.
„Das ist wohl ein Familienfluch“, entschied Stella. Beide Frauen, Stella und Gardenia hatten für eine Familie ihre Karriere beendet.
„Und dabei ist er nicht mal frei, was für eine Idiotin schmeiß alles hin wegen eines verheirateten Kerls?“, redete sie vor sich hin und beide Frauen reckten die Hand.
„Man, das ist wirklich ein Familienfluch“, stellte sie fest. Erst jetzt merkte sie, dass sie die dritte McNab-Frau war, die sich in einen Verheirateten verliebt hatte. Ihr Vater und ihr ehemaliger Schwager waren beide verheiratet gewesen, als sie ihre Mutter bzw. ihre Schwester kennenlernten. Beide waren inzwischen wieder geschieden, das wollte sie nicht erleben.
„Du hast ihn gehen lassen, das hätten wir damals auch machen sollen, wir sind stolz auf dich“, sagte ihre Mutter.
„Danke, tut nur höllisch weh und eigentlich hat er mich verlassen“, gestand sie.
„Wir sind trotzdem stolz auf dich, vergiss meine Eifersucht, du bist hier willkommen“, wurde Stellas Stimme sanfter.
„Danke, das bedeutet mir viel. Ich muss hier komplett neu anfangen, aber es fühlt sich richtig an. Ich zieh mich schnell um“, stand Senga wieder auf.
„Du kannst mein Zimmer benutzen, ist ein Doppelbett, du kannst auch dort schlafen, Lulu schläft in deinem alten Kinderzimmer“, erklärte Stella.
„Werde ich, danke. Bin gleich zurück“, konterte sie müde und ging sich umziehen. Als sie zurückkam, erwischte sie ihre Mutter, wie sie in Sengas Tasche rumwühlte.
„Ich nehm keine Drogen, Mum“, sagte sie nur und kam langsam auf sie zu.
„Weiß ich doch, hab dein Handy gesucht, tut mir leid“, entschuldigte sie ich.
„Mein Smartphone liegt noch in Boston, ich hab es in die Tasche meiner Assistentin gesteckt, während sie geschlafen hat. Warum brauchst du mein Handy?“
„Ich wollte ihn anrufen, tut mir leid, Süße, du hast so hingebungsvoll von ihm gesprochen, ich dachte …“, stotterte Gardenia.
„Das hat ja bei euch beiden so toll funktioniert. Ich hab seine Nummer nicht, falls es dich interessiert, sonst hätte ich ihn sicher schon angerufen. Hast du nen Haargummi in meiner Handtasche gefunden, während du meine Privatsphäre durchwühlt hast?“, fragte sie.
„Nein, ich kann dir aber eins geben. Ja, da ist meine alte Senga wieder, so kenn ich dich“, sah ihre Mutter sie in ihren lässigen Klamotten an.
„Ja, fühl mich auch gleich besser. Bitte fass meine Sachen nicht an, ja?“, bat sie ruhiger.
„Sicher, du musst deine eigenen Entscheidungen treffen. Du bist ohne Handy weg? Seid ihr jungen Leute ohne euer Handy nicht total aufgeschmissen?“
„Ich hab noch nen anderes Handy, trotzdem danke für deine Sorge. Man, ich hab glaub ich den ganzen Tag nichts gegessen, kann ich bei dir was essen?“, hoffte sie.
„Sicher, ich koch dir schnell was, du bist eh viel zu mager geworden. Darf ich deinem Dad übrigens sagen, dass du wieder da bist?“, wollte Gardenia wissen.
„Sicher, ist ja kein Geheimnis. Irgendwas mit Kartoffeln wäre toll, ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann ich dich das das letzte Mal hatte“, schlug sie vor.
„Ja, ich mach dir Kartoffelbrei mit Kidney-Bohnen, wie klingt das?“
„Perfekt, danke. Ich sollte Liv anrufen, darf ich dein Telefon benutzen?“
„Du wohnst jetzt hier, klar. Ich geh dann mal in die Küche, Stel, sei nett zu deiner Schwester“, bat Gardenia und ging in die Küche.
„Ich bin nett, wirklich. Ich bin nur so überrascht, dass du zurück bist. Dass ich ne Verlierin bin und jetzt mit meiner Tochter bei meiner Mum leben muss war irgendwie klar, aber du bist das College-Girl mit der steilen Karriere“, erklärte Stelle und Senga setzte sich neben ihre Schwester.
„Hey, du hast dich für das Kind und einen Mann entschieden, daran ist nichts falsch, Sachen scheitern, ich hab trotzdem immer zu dir aufgesehen“, versprach Senga.
„Nein, hast du nicht!“
„Doch, hab ich, du bist meine große Schwester, verdammt“, sagte sie bestimmt.
„Du hast denselben Fehler gemacht wie ich, was bin ich schon für ein tolles Vorbild?“
„Hallo? Du hast ein tolles, aufgewecktes Mädchen bei dir und führst deinen eigenen Handarbeitsladen, wenn das nicht bemerkenswert ist, weiß ich nicht was“, konterte sie und zeigte auf Lulu, die mit Freude mit ihren Puppen auf dem Boden vor ihnen spielte.
„Jetzt veralberst du mich!“
„Du hast immer gewusst, wenn ich dich veralbere, das ist mein Ernst. Vielleicht kann ich ja in deinem Laden als Verkäuferin anfangen!“, dachte Senga laut nach.
„Irgendwie hab ich verlernt in deinem Gesicht zu lesen, das war jetzt wieder Verarsche, oder?“, war Stella kritisch eingestellt.
„Ja, ich muss noch einen Teil von meinem Studentendarlehen abbezahlen, das kann ich nicht als Verkäuferin, verdammt, ich hab noch Schulden, ich brauch nen guten Job“, realisierte sie.
„Deshalb solltest du deinen Job auch nicht aufgeben, sag ihnen, du hast Burn-Out und dass du Ruhe brauchst, es gibt doch sicher auch irgendeine trendige Sucht gegen du dich im Schein behandeln lassen kannst“, schlug Stella vor.
„Man, in dir steckt immer noch was von der Anwältin, das ist keine schlechte Idee, ich brauch glaub ich wirklich nur ne Pause. Ich geh mit Burn-Out, mein Therapeut in New York ist cool, der bescheinigt mir alles“, fand Senga die Lösung gar nicht schlecht.
„Gut, dann mach das, ruf aber erst mal deine Freundin an und erklär ihr alles. LIv und du, seid ihr eigentlich nur Freundinnen oder „Spezielle Freundinnen“, sagte Stella mit einem gewissen Unterton.
„Stel, ich wurde grad von nem Kerl abserviert, ich bin immer noch hetero!“
„Hey, ich hab dich fünf Jahre nicht mehr gesehen, wer ist eigentlich der heiße Typ von dem Weihnachtsparty-Foto was du uns Neujahr geschickt hast?“, wollte Stella wissen und meine Curtis damit.
„Der ist einer meiner „Freundinnen“, wenn du verstehst was ich meine!“
„Ah, schade, der ist echt heiß. Ich bring die Kleine mal hoch, dann kannst du in Ruhe telefonieren“, entschied Stella, setzte ihre Tochter auf ihre Hüfte und ging die Treppe hoch.
Langsam setzte sich Senga ans Telefon und wählte Livs Handynummer, die sie nach stundenlangen Gesprächen mit ihr, als Livs Ehe zerbrochen war, auswendig gelernt hatte.
„Howdie Partner, was machen die Kühe?“, begrüßte eine gute gelaunte Liv sie.
„Sorry, ich glaub ich hab mich verwählt!“, entschuldigte sich Senga.
„Nein, ich bin’s, ich wollte nur was Flapsiges sagen, ein „Hey, wie geht’s dir“, hätte dich vermutlich noch zum Selbstmord getrieben“, bemerkte Liv wieder ernster.
„Mir geht’s einigermaßen, keine Sorge. Ich glaub, ich hab nen Burn-Out-Syndrom, ich werde ne Weile hier bleiben“, erklärte sie trocken.
„Du hast kein Burn-Out-Syndrom!“
„Ja, weiß ich, aber Liebeskummer würden die nicht schlucken vom Sender. Du musst mit Dr. Farb reden, er ist dir nach dem Blow-Job ja noch was schuldig, das macht der schon“, bat Senga und in dem Moment bemerkte sie, dass ihre Mutter mit einem Glas Saft neben ihr stand.
„Oh man, ich hab das Wort grad in der Anwesenheit meiner Mutter in den Mund genommen“, murmelte sie verlegen.
„Meine Mutter hat mich mal bei so was erwischt, keine Sorge. Sieht sie geschockt aus?“, fragte Liv.
„Komischerweise nicht!“
„Dann kennt sie das, ihr Kleinstädter seit eh viel perverser eingestellt als ihr zugeben wollt. Ich red mit ihm, aber ich hab Curtis leider schon zu dir losgeschickt!“
„Du hast Curt …, ernsthaft? Du hast ihm aber gesagt, dass er das Todd-Outfit anziehen muss, sonst kriegt er hier schnell Ärger“, war sie genervt, dass sie immer Curtis riefen, wenn es ernst wurde.
„Nein, hab ich nicht, ich ruf ihn nochmal an, geht’s dir sonst gut?“, wollte Liv wissen.
„Ja, geht schon, Gwen geht’s auch gut?“
„Ja, sie ist stinkig auf dich, aber sie versteht es auch. Ich pass auf sie auf, hab ich dir ja versprochen. Erhol dich, Süße“, entgegnete sie und legte wieder auf.
„Äh, hi Mum“, wendete sie sich zu ihrer Mutter.
„Das erklärt, warum sich der Kerl so schnell in dich verknallt hat, das hat dein Dad nie von mir bekommen“, sagte Gardenia nur und reichte ihr das Glas.
„Dazu sag ich jetzt lieber nichts, danke“, trank sie einen Schluck.
„Das ist auch besser so, und, alles geklärt?“
„Ja, denk schon. Mit jedem Atemzug hier fühl ich mich besser, es war schon richtig hierher zu kommen“, war sie glücklich, dort zu sein.
„Das ist schön, ich hab die Kartoffeln schon aufgesetzt, wir können bald essen. Ruf deinen Dad am besten selbst an, er freut sich sicher, von dir zu hören“, erklärte sie.
„Ja, mach ich, nur nicht jetzt. Ich leg mich etwas hin, bis das Essen fertig ist, okay?“
„Klar, mach das“, sagte sie freundlich und Senga ging in das Gästezimmer, um sich aus zu ruhen. Nachdenklich setzte sie sich auf das große Doppelbett. Ein Bild ihres Schwagers stand auf dem Nachttisch, was sie überraschte.
„Oh Stella, ich weiß genau wie du dich fühlst“, sagte sie vor sich hin und legte sich auf den Rücken. Kurz danach war sie eingeschlafen.
Leises Klopfen weckte sie. Sie musste kurz überlegen, wo sie war, doch als sie aus dem Fenster sah, wusste sie es sofort.
„Ja?“, fragte sie benommen.
„Das Essen ist fertig, Süße!“
„Ich komm gleich!“, rief sie zurück und Schritte entfernten sich von der Tür.
Ihr Nacken schmerzte, sie hatte zu lang hinter dem Steuer gesessen.
Ihren Nacken reibend kam sie in die Küche.
„Hey, gut geschlafen?“, begrüßte Gardenia sie.
„Ja, hab nur Nackenschmerzen, war ne lange Fahrt. Man, das riecht echt gut“, setzte sie sich hin.
„Danke, schmeckt dir sicher auch. Deine Freundin hat vorhin angerufen, sie kann euren Kumpel nicht erreichen, das sollte ich dir nur ausrichten“, erklärte ihre Mutter.
„Super, dann wird er bald hier aufschlagen, dabei hab ich Männer grad so was von satt“, murmelte sie.
„Wer war Curtis jetzt nochmal?“
„Warum schreib ich eigentlich die langen E-Mails wenn ihr sie gar nicht lest?“, war sie beleidigt.
„Tut mir leid, du schreibst immer so viel, auch wenn wir uns immer darüber freuen, ich hab grad viel zu tun mit Lulu und allem“, entgegnete Gardenia beruhigend.
„Curtis ist mein schwuler bester Freund und der Person der ich am Meisten vertraue“, erklärte sie.
„Ach ja, du gibst dich ja mit diesen Leuten ab“, bemerkte Gardenia trocken.
„Genau aus diesem Grund sollte er eigentlich nicht hierher kommen, wegen ignoranten Leuten wie dir“, raunzte sie und stand wieder auf.
„Tut mir leid, ich hab dir ja versprochen, toleranter zu sein, also bin ich das. Es ist wichtig, einen guten Freund im Leben zu haben“, entschuldigte sie sich.
„Ja, das solltest du und er bedeutet mir sehr viel also wenn ich ein schwulenfeindliches Wort über deine Lippen kommen höre bin ich für immer weg und du kriegst keine langen E-Mails mehr von mir, die du nicht lesen wirst“, forderte sie streng.
„Ja, verstanden“, verstand sie die Ernsthaftigkeit dieser Worte.
„Gut, dann lass uns essen“, bemerkte sie und setzte sich wieder hin.
 
Umringt von Blumen saß Senga an diesem Abend auf einer Wiese. Das war wie in einer ihrer Träume, es war einfach traumhaft und sie konnte das erste Mal richtig entspannen. Sie sah einen hochgewachsenen Mann auf sie zukommen. Für einen Moment dachte sie, es wäre Alex, doch der Mann, der da auf sie zusteuerte war viel zu gut angezogen.
„Hi Blumenmädchen, du hast dich schnell wieder angepasst, was? Was machst du hier?“, fragte Curtis, der in einem schicken, enger geschnitteneren Anzug auf sie zusteuerte.
„Du hast den Weg hierher in diesem Aufzug überstanden? Du bist härter als ich dachte“, begrüßte sie ihn und reichte ihm eine ausgerupfte Blume.
„Hast du irgendwas geraucht?“
„Nein, ich kann hier nur richtig entspannen. Hat dich meine Mutter hierher geschickt?“
„Ja, nette Lady übrigens, die Mädels schicken mich“, erkannte er.
„Ja, ich weiß, du bist aber umsonst hierhergekommen, ich bleibe hier“, entschied sie.
„Dachte ich mir schon, ich kann dir nicht überall hinterher reisen!“
„Denk ich mir, du musst ewig unterwegs gewesen sein“, konterte sie.
„Nicht länger als du vermutlich, ich hab mir nur einen stärkeren Wagen geliehen, denk ich. Du hast wegen nem Kerl deine Karriere aufgegeben, der nicht mal an deiner Seite ist, ich hoffe das weißt du“, wurde er ernst.
„Ich brauch ne Auszeit, bevor ich mich umbringe oder den Drogen verfalle“, entschied sie.
„Das ist nen bisschen dramatisch ausgedrückt, oder?“
„Ich wollte mich nur noch besaufen, das wäre schlecht ausgegangen, es fühlte sich richtig an, das tut es immer noch. Ich kann das nicht richtig erklären!“
„Sicher, du siehst auch gleich besser aus. Ich dachte, dir ging es schlechter, so wie es Liv beschrieben hat. Ich bin so schnell gekommen wie ich konnte, ich hab sogar noch das Studio-Makeup auf dem Gesicht“, erkannte er.
„Das du überhaupt die Stadtgrenze passieren konntest ist echt ein Wunder, wir müssen dich ein bisschen in Todd verwandeln, wenn du hier überleben willst“, entschied sie.
„Dir geht’s gut, deshalb reise ich gleich wieder ab. Deine Mutter tötet mich sonst noch mit ihrem Blick, glaub ich“, entgegnete er schmunzelnd.
„Man, ich dachte sie wäre nett zu dir gewesen“, war sie enttäuscht von ihrer Mutter.
„War sie auch, mit ihren Worten, aber ihr Blick sagte so viel wie „Wie krieg ich dieses schwule Männlein wieder von meinem Sofa und wie heiß muss ich nachher meine Teetasse spülen, dass ich kein AIDS krieg““, erklärte er.
„Das tut mir leid, schieben wir es mal auf ihre Erziehung. Wir checken dich jetzt erst Mal im Hotel ein, wir spielen da das frischgebackene Ehepaar, dann stellen die keine komischen Fragen“, plante sie.
„Ich kann echt nicht verstehen, dass du hierhin zurückwillst, auch wenn es hier ruhig und erholsam ist, die Leute sind echt strange“, entschied er.
„Schau mal wer da redet, nen Kerl in einem dreihundert Dollar teurem Anzug und Make-up im Gesicht“, konterte sie cool.
„Ein Tag auf dem Land und du ziehst schon über die Städter her“, konterte er wenig getroffen.
„Ich zieh nicht über Städter her, bin ja inzwischen selbst einer, du musst hier nur tolerant sein“, entgegnete sie und stand auf.
„Meine Toleranz hat Grenzen wenn mich die Leute aus dem Dorf mit Fackeln und Rechen verfolgen, sonst versuch ich’s“, schmunzelte er.
„Ja, die sollten hier echt mal im 21. Jahrhundert ankommen. Trotzdem ist es schön, meine Familie wieder zu sehen, vor allem meine Nichte“, konterte sie und hakte sich bei ihm unter.
„Ja, hab sie kurz gesehen, wenn mein Bruder nicht so ein republikanischer Arsch wäre, würde ich meine Neffen auch mal sehen“, konterte er verärgert.
„Du sprichst selten über deine Familie“, sagte sie und drückte ihren Kopf an seine Schulter.
„Sie sind schon ne Weile nicht mehr meine Familie, nur Leute die zufällig mit mir verwandt sind. Ich vermiss sie trotzdem. Du hast es richtig gemacht in der Stunde der Not zu deiner Familie zu gehen“, erklärte er und brachte sie zu seinem Wagen.
 
An diesem Abend saßen die beiden gemütlich auf der Terrasse des Hotels und gönnten sich eine Flasche Wein.
„Ich frag mich grad, ob Alexs Brüder genauso heiß sind, wie er“, bemerkte Senga, die das meiste des Weins schon intus hatte.
„Adair ist auch nicht von schlechten Eltern, vermutlich ist das ein ganzer Haufen raubeiniger heißer Kerle. Ich frag mich, ob einer davon vom anderen Ufer ist“, dachte auch Curtis darüber nach.
„Sie sind alle verheiratet, keine Ahnung, ob auch mit Männern. Ich muss dir jetzt was sagen und du darfst es den Mädels nichts weitererzählen“, begann sie.
„Sicher, was gibt’s, du bist doch nicht schwanger, oder?“
„Nein, leider nicht. Ich denke nicht, dass Alex und Crystal je Kinder bekommen werden!“
„Alex schießt also mit Platzpatronen!“
„Ne, er ist potent, ich sprech da aus Erfahrung, nein, Crystal steht auf Frauen“, gestand sie.
„Du hast nen Kerl an ne Lesbe verloren?“, prustete er unsensibel.
„Man, das hätte ich nicht erzählen sollen!“
„Doch, es ist gut, dass du es mir erzählt hast, das ist peinlich, aber auch amüsant“, frotzelte er.
„Haha, ich lach mich tot. Ich geh ins Bett“, stand sie wankend auf und ging die kurze Treppe der Terrasse herunter.
„Komm schon, du weißt wie ich das meine. Wir können darüber reden, bleib stehen“, ging er ihr hinterher.
„Sie hat ihn am Wickel, wegen der Hochzeit musste sie ihre Geliebte verlassen, die ihr viel bedeutet hat, das verzeiht sie ihm nicht und will ihm jetzt auch sein Leben versauen“, erklärte sie, als sie stehen geblieben war.
„Autsch, die Kleine hat Eier, das muss man ihr lassen. Vielleicht hat sie eines Tages ihre Rachegefühle im Griff und lässt ihn frei, hoffen wir nur, dass deine Eier bis dahin nicht verschrumpelt sind“, konterte er und drückte sie an sich.
„Du findest immer die richtigen Worte, mein Süßer. Kann ich heut Nacht bei dir pennen?“, hoffte sie.
„Ist zwar ne Weile her, dass ich ne Frau im Bett hatte, aber sicher, du willst deine Schwester sicher nicht mit deinem Schwips nerven. Lass uns ins Bett gehen“, umschlang er ihre Hüfte und führte sie ins Hotelzimmer.
Während sie in seinem Arm einschlief stellte sie sich vor, sie würde in Alexs Arm schlafen und sie musste für einen Moment lächeln.
 
Am nächsten Morgen saßen sie zusammen auf der Terrasse beim Frühstück, als ein Kerl in einer Priesteruniform auf die Terrasse kam.
„Morgen, hab gehört dass du wieder in der Stadt bist“, begrüßte er Senga.
„Man, du hast mir zu meinem Kater noch gefehlt“, war sie nicht begeistert den Mann in ihrem Alter zu sehen.
„Ist das die feine englische Art einen Ex-Freund zu begrüßen“, entgegnete der Kerl und setzte sich breitbeinig verkehrtherum auf einen Stuhl.
„Das ist dein Ex-Freund? Ein gutes Händchen bei Kerlen hattest du noch nie, oder?“, war Curtis amüsiert.
„Ich hab dich angegraben, das sollte deine Frage beantworten. Man, ich spring hier von einem Julia Roberts-Film in den anderen, ich hoff mal, ich lande nicht irgendwann auf dem Strich“, redete sie vor sich hin.
„Das muss ich nicht verstehen, oder?“
„Nein, also Pfarrer Brown, sag mir nicht, dass meine Mutter dich geschickt hat“, wendete sie sich an den Pfarrer.
„Nein … deine Schwester … sie machte sich Sorgen dass du mit einem von diesen in einem Bett geschlafen hast“, entgegnete Pfarrer Brown und sah Curtis kritisch an.
„Ich kann dir auch eine reinhauen, ich war auf einer katholischen Schule, ich hab ziemlich aufgestaute Aggressionen auf euch Männer in Schwarz“, wurde Curtis wütend.
„Ganz schön Aggro dein Freund für einer von denen“, wendete sich Pfarrer Brown wieder an Senga.
„Wenn du noch einmal den Begriff „einer von denen“ in den Mund nimmst, verlierst du ein paar Zähne“, zischte Curtis.
„Lässt du ihn so mit mir reden?“, war der Pfarrer empört.
„Er hat Recht, er hat ne bessere Pediküre, ich würde das auch für ihn übernehmen“, stellte sie sich auf seine Seite.
„Du hast dich echt verändert, Senga!“
„Du hast, nachdem du mit mir geschlafen hast, entschieden Pfarrer zu werden, so viel zu Veränderungen. Geh einfach, Brian“, bat sie ihren Ex zu gehen.
„Gut, leb dein Leben wie du willst, ich muss das nicht gutheißen“, murrte Brian und ging davon.
„Wird Zeit dass ich hier wieder abhaue“, sah Curtis dem Geistlichen hinterher.
„Ich flieg mit“, sagte sie nur.
„Wolltest du hier nicht zu Ruhe kommen?“
„Hier komm ich nicht zur Ruhe, ich muss hier weg!“
„Wenn du meinst, dann fliegst du mit mir mit. Die Mädels wird es freuen“, konterte er.
„Nein, ich kann nicht, ich sollte mich erholen, keine Ahnung, sag du mir doch, was ich tun soll“, war sie unsicher.
„Da kann ich dir auch nicht helfen, aber förderlich für dich ist es sicher nicht, wenn du hier bleibst, aber ne Auszeit könntest du schon brauchen“, schlussfolgerte er.
„Was ist das denn bitte für ein Ratschlag?“
„Kein Guter, wie mir scheint, du solltest hier bleiben, hier kannst du gesund werden“, bei deiner Familie“, riet er ihr.
„Ja, da hast du Recht, danke. Du solltest wieder los, die kündigen dich bald, wenn du ständig zu meiner Hilfe eilst!“
„Ich liebe dich wie eine kleine Schwester, ich würde alles für dich tun“, entschied er und stand auf.
„Ja, ich weiß und ich werde bis zu meinem Lebensende dankbar sein, aber du musst auch an dich denken. Ich komme hier klar, versprochen, ich lass mir einfach nichts einreden“, versprach sie und umarmte ihm zum Abschied.
„Übrigens, ich hab gelogen was meinen Wagen angeht, ich hab nen neuen Freund, der hat nen Helikopter“, gestand Curtis breit grinsend.
„Du Luder, es ist nicht schon wieder unser Programmchef, oder?“
„Ein Gentleman genießt und schweigt. Ruf mich an, wenn du hier weg willst, dann schick ich dir einen Heli“, konterte er und setzte cool seine Sonnenbrille auf.
„Ich will gar nicht wissen was du im lecken musst dass du solche Privilegien genießt“, erklärte sie auch grinsend.
„Sagen wir mal so, so ein braves Mädchen vom Dorf würde das nie machen. Ich liebe dich“, küsste er sie kurz zum Abschied und ging die Straße lang.
Nachdenklich ging sie zu ihrem Elternhaus zurück. Ihre Mutter riss die Tür auf.
„Du willst mir mein Leben unbedingt schwer machen, oder?“, war sie wütend.
„Ich habe heute Nacht mit meinem besten Freund in einem Bett geschlafen, es hat mir gut getan und jetzt ist er wieder weg, Ende der Geschichte. Das Gute an solchen Kerlen, die du immer verteufelst, ist, dass sie nichts von einer Frau wollen. Hetz mir nie wieder Brian auf den Hals, sonst erzähl ich der gesamten Gemeinde, dass Brian für das Scheitern deiner Ehe verantwortlich ist“, konterte sie und schob sich an ihr vorbei.
„Das ist aber eine Lüge“, wusste Gardenia nicht, was sie sagen sollte.
„Das ist eine gutgläubige Gemeinde, die glauben so gut wie alles, wäre schade wenn das den Ruf von Brian ruinieren würde“, entschied sie.
„Man, du bist ein bisschen zu sehr Städterin für meinen Geschmack, man, kannst du fies sein“, raunzte Gardenia.
„Das würde ich nie machen, aber du solltest wissen, dass ich es kann. Sorry, ich hatte zu viel Wein gestern, bin etwas verkatert und Brian und seine schwulenfeindlichen Kommentare haben mir da grad noch gefehlt. Mir ist meine Familie heilig und ich würde niemals euren Ruf beschädigen“, versprach sie.
„Dann schlaf nächstes Mal nicht mit einem so gut aussehenden Kerl in einem Hotelzimmer wenn du nicht mit ihm verheiratet bist, bitte“, bat Gardenia ernst.
„Keine Sorge, Tyen wie Curt während wir viel zu glatt, ich steh auf kernige Typen“, entgegnete sie amüsiert.
„Alex ist einer dieser kernigen Typen, was?“
„Ja, ein ganzer Mann“, schwelgte sie lächelnd in Erinnerungen.
„Wenn er ein ganzer Mann wäre, hätte er für dich gekämpft“, sagte Gardenia nur und Sengas Lächeln erstarb.
„Danke, dass du mich wieder auf den Boden der Tatsachen geholt hast. Ich leg mich noch etwas hin“, grummelte sie und ging die Treppenstufen hoch.
„Das war unsensibel, Süße, tut mir leid, du leidest, was ich gut verstehen kann“, rief sie ihr hinterher.
„Ich brauche nur etwas Ruhe in nächster Zeit um wieder einen klaren Gedanken fassen zu können. Kannst du mir dabei helfen?“, hoffte Senga.
„Dafür bist du doch hierhergekommen, ich unterstütze dich in Allem, erpress mich nur nicht wieder, das hab ich schon gehasst, als du ein Kind warst“, versprach sie und Senga verschwand im Zimmer.
 
Zwei Monate später
 
Senga fuhr sich durch ihr Gesicht. Sie hatte etwas bekommen was sie seit ihrer Kindheit nicht mehr gehabt hatte – Sommersprossen. Der Sommer ging auch in Wisconsin langsam zur Neige und sie war viel länger zu Hause geblieben, als sie wollte. Ihre Haare waren wieder länger und legten sich schön um ihren Kopf. Sie sah erholt aus, jung, sie hatte sich das Stadtleben bei vielen langen Duschsitzungen vom Körper gewaschen, sie fühlte sich so gut wie zehn Jahre zuvor. Sie hatte ihre Brücken in New York City abgebrochen. Rosy hatte ihre Wohnung ausgeräumt und sie hatte ihr als Abfindung die Einnahmen aus ihren Sachen geschenkt. Sie hatte sich auf ein einfacheres Leben umgestellt, arbeitete nun in einem kleinen Büro in der Nachbarstadt und hatte sich eine Wohnung genommen. Alles in Allem fühlte sie sich dort sehr wohl, was sie sehr überraschte. Curtis und Liv hielten das immer noch für einen schlechten Scherz, aber sie respektierten sie genug, sie nicht zu belästigen. Es klopfte an ihrer Tür.
„Taxi ist da“, hörte sie die freundliche Stimme ihres Nachbarn Jimmy. Jimmy nahm sie immer zur Arbeit mit, sie waren spät dran an diesem Morgen.
„Komme“, rief sie zurück und ging aus dem Badezimmer. Jimmy war ein untersetzter Kerl Anfang Vierzig, der noch bei seiner Mutter lebte, also nicht wirklich ein potentieller Ehemann.
„Morgen, gut siehst du aus“, begrüßte er sie.
„Danke, du auch. Wir sollten“, wusste sie nicht genau, was sie sagen sollte.
„Ja, ich park gleich vor dem Haus. Komm“, bat Jimmy und nahm sie mit.

Fünfzehntes Kapitel

 
Die junge Produzentin hatte einige Buchhaltungskurse in der Uni belegt und so konnte sie einem hiesigen Autohändler mit der Buchhaltung helfen. Der Job war weder glamourös noch gut bezahlt, doch es war jetzt ihr Leben.
Es klopfte an ihre Büro-Türe. Ihr Chef war schon weg und sie war allein im Büro.
„Wir haben geschlossen“, rief sie.
„Hier machst du also genauso wenig, wie bei uns, du bist ne faule Sau“, hörte sie Gwens Stimme.
„Gwen, bist du das?“, war sie überrascht.
„Nein, das ist dein schlechtes Gewissen, du wirst verrückt“, frotzelte Gwen und sie ging zur Tür. Dort stand vor ihr die hübsche Barkeeperin, mit sichtlichem Babybauch.
„Gwen, was machst du hier?“, umarmte sie sie stürmisch.
„Ich glaub, ich bin irgendwo falsch abgebogen und in den 90ern gelandet. Was trägst du da?“, musterte sie sie. Senga trug einen Jeansrock und eine Bluse.
„Sommersachen, bist du nur hierhergekommen um meine Garderobe zu kritisieren?“
„Deine Freunde haben mir erzählt, dass du ne Identitätskrise hast, ich wollte das mit ansehen und spotten. Du machst es mir echt einfach“, sagte sie trocken.
„Danke, sehr nett, aber du bist nicht die 2000 Meilen hierhergefahren um nur das zu tun“, entschied sie.
„Nein, nicht wirklich. Deine Leute haben zwar einen tollen Job gemacht mit der Bar, aber die Show hat mich öffentlich bloß gestellt und ich musste abhauen. Hier wird er mich wohl hoffentlich nicht finden“, schien sie das alles kalt zu lassen.
„Ja, sicher … warte, die Show ist ohne mich weiter gegangen?“
„Die Show muss weiter gehen, weißt du doch. Haben sie übrigens gut hinbekommen, das Geschäft läuft wieder, zumindest im Moment. Deine Nachfolgerin hatte aber nicht den Schneid den du hattest. Den hast du aber irgendwo in dieser 70-er-Jahre Deko verloren“, sah sie sich um.
„Wenn du hierbleiben willst, brauchst du nen Job, ich kann immer Hilfe brauchen“, konterte sie cool.
„Das glaub ich eher weniger. Hast du nen Nervenzusammenbruch? Hat dich Alex so verletzt?“, wollte Gwen herausfinden, warum sie sich versteckte.
„Auch wenn du Alex Brüderchen oder Schwesterchen austrägst mach dich das nicht zum Macintosh-Experten“, murrte Senga ertappt.
„Ein Mädchen und da hab ich echt einen wunden Punkt getroffen, was?“
„Dann sind alle guten Dinge wohl sieben. Ja, hast du“, sagte sie ertappt.
„Kann ich gut verstehen, du musst aber deine Freunde um dich rum haben um das zu verarbeiten, nicht 70er-Jahre-Kitsch und Männer mit Schnurrbärten“, nahm sie das Bild von Sengas Chef auf.
„Hier ist mein Leben einfach viel einfacher, hier gibt es niemanden, der ständig was von einem will, nur ich, mein Chef und ein paar Zahlen“, konterte sie.
„Du weißt, dass du mehr kannst, sieh dir das an, wir haben nur mit deinen Unterlagen die Bar gestaltet, na ja, deine Nachfolgerin, aber sie hat sich nicht viel Mühe gemacht, wie auch immer, dir haben wir es zu verdanken, dass der Laden läuft“, zeigte sie ihr Bilder von der Bar auf dem Smartphone.
„Ihr habt sogar meine Zeichnungen gefunden. Ich bin ja eigentlich nicht dafür zuständig, kaum zu glauben, dass sie das so gestaltet haben“, war sie gerührt.
„Du hast viele verborgene Talente, sogar die Zeichnungen sind spitze. New York City ist noch nicht mit dir fertig, Süße“, konterte Gwen und steckte ihr Handy wieder weg.
„Aber ich bin fertig mit New York City, all diese Oberflächlichkeit und dieser Lärm, hier ist alles so ruhig und gelassen, ich kann mich wieder selbst denken hören“, entgegnete sie zufrieden.
„Liv und Rosy wollen dich wiederhaben, sie vermissen dich“, entschied sie.
„Ich vermiss sie ja auch, aber ich vermiss diese Stadt nicht“, erklärte sie.
„Dann komm mit nach Boston, das ist eine Stadt ohne zu laut und wild zu sein“, schlug Gwen vor.
„Du bist sehr einsam, was?“
„Ich kann bald nicht mehr arbeiten und du könntest mich während dem Mutterschutz ersetzen, du hast echt einen guten Job gemacht für ne Nicht-Barkeeperin“, lobte sie sie.
„Danke, aber ich kann keine Nachtschichten mehr machen, ich mag meinen Schlaf“, entgegnete sie cool.
„Ah, wenn du meinst, dann lässt du mich also mal wieder allein“, spielte sie die Schuldgefühlkarte aus.
„Komm mir nicht so, du weißt genau, dass ich da nicht nein sagen kann“, murrte sie.
„Du kommst also mit?“
„Oh ja, noch einen frauenfeindlichen Spruch von meinem Chef mehr und ich knall ihn ab“, bemerkte sie trocken.
„Ja, kann ich gut verstehen. Pack deine Sachen zusammen, deine Mutter regelt das alles hier, sie war sehr hilfreich bei der Planung“, schmunzelte Gwen.
„Deshalb war sie so verschlossen am Telefon gestern, das Luder, danke, dass ihr mir immer eine Wahl lasst“, murmelte sie.
„Du musst nicht mitgehen, ich hab nur einen freien Platz im Auto neben mir zurück nach Boston, ich fahre in zwei Stunden, mit oder ohne dich, ich warte vor dem Hotel auf dich“, erklärte Gwen und ging einfach davon.
 
Es wurde schon dunkel, als Gwen cool an den Wagen gelehnt mit ihrer Sonnenbrille in der Hand auf sie wartete. Sie wollte grade einsteigen und losfahren, als Senga mit einer Reisetasche auf der Schulter zu ihnen stieß.
„Ich fahre, Schwangere sollten nicht so lang fahren“, sagte sie nur und Gwen gab ihr den Autoschlüssel ihres Mietwagens.
„Ich hab gehofft, du würdest das sagen“, freute sich Gwen und sie stiegen ein.
 
Sie brauchten fast zwei Tage zurück, sie unterhielten sich über fast alles. Sie erfuhr, dass Gwen, Adair immer noch nicht erzählt hatte, dass er Vater wurde.
„Spätestens wenn sie so eine große Klappe kriegt wie Alex und er und sicher die andren seiner Rasselbande, wird er es merken, du solltest es ihm sagen, wenn wir heimkommen“, schlug Senga vor.
„Ich kenn Adair, er würde mich heiraten wollen, aber er ist so alt wie mein Vater, sogar älter ehrlichgesagt“, konterte Gwen.
„Ich glaub nicht, dass er dich heiraten würde, ich kenn ihn nicht so lang wie du aber ich glaub dass er eher so ein „Einmal und nie wieder“-Typ ist, wenn es ums Heiraten geht“, entschied Senga.
„Okay, ich sag’s ihm, aber wenn er einen Ring rausholt, geb ich dir die Schuld“, entschied Gwen.
„Solang ich Trauzeugin werde, macht mir das nichts aus“, schmunzelte sie.
„Das hättest du wohl gerne, vorher heiratest du den Königssohn“, witzelte Gwen und Sengas Lächeln erstarb.
„Man, bist du empfindlich, es ist zwei Monate her, du musst weiterleben, irgendwie“, bat Gwen.
„Sagt die Frau die Sex mit einem älteren Mann hatte und jetzt seine Tochter austrägt, obwohl er nichts davon weiß“, wurde sie gehässig.
„Langsam glaub ich, dass es nicht so eine gute Idee war, dich Grummelbär zurück zu holen“, murrte Gwen.
„Doch, sorry, du hast dein Leben riskiert um hierher zu kommen. Du solltest aber wieder gehen, sobald ich drinnen bin“, konterte sie.
„Keine Sorge, ich bin nicht in Gefahr, ich hab gelogen. Adair hat sich darum gekümmert“, gestand sie.
„Was heißt „Er hat sich darum gekümmert?““, hatte sie etwas Angst zu fragen.
„Er kennt die besten Bullen der Stadt, ein Vorteil wenn man eine Bar besitzt, sie überwachen mich, dass er nicht an mich rankommt“, erklärte sie und Senga atmete auf.
„Wie du meinst, warte du hast ihm erzählst dass du verheiratet bis mit nem Psycho-Heini aber nicht, dass du von ihm schwanger bist?“
„Ein Schock nach dem anderen, ich werde es ihm heute Abend sagen, wenn du an meiner Seite bist, hab ich auch keine Angst“, entgegnete Gwen und ergriff ihre Hand.
„Schön, wenn ich wegen dir aber eine Kugel einfange, kriegst du echt Ärger!“
„Wenn du das überlebst, darfst du mich gern schlagen“, fand Gwen das amüsant.
„Sehr witzig. So, wir sind da“, hielt sie vor dem Macintosh.
„Man, jetzt bin ich echt nervös, ich hab Adair nicht gesagt, warum ich weggehe, die Beichte dass ich sein Kind austrage wird wohl das einzige sein, was ihn davon abhält, mich zu feuern“, sagte Gwen nervös und löste ihren Gurt.
„Supi, dann sind wir wohl beide hier nicht so sehr willkommen. Wenn du nicht schwanger wärst, könnten wir uns jetzt irgendwo einen hinter die Binde kippen“, entgegnete Senga und löste ebenso ihren Gurt.
„Oh man, wir haben grade die Stadtgrenze überfahren und schon willst du wieder trinken“, war Gwen nicht begeistert.
„War ja nur so ne Idee, mach mich nicht zum Alki hier. Bereit?“, bat sie und stieg aus.
„Wisconsin war eigentlich gar nicht so schlecht“, war sie unsicher.
„Zu spät, komm“, streckte sie ihr die Hand entgegen und Hand in Hand gingen sie in die Bar. Es war noch gar nicht spät, doch die Bar war ziemlich voll.
„Ganz schön viel los hier“, drängte sich Senga voran durch die Leute.
„Ja, das ist es seit der Neueröffnung am letzten Donnerstag immer“, entschied Gwen und ging hinter die Bar. Als sie sich grade ihren Gürtel mit dem Geld und ihrem Block umschnallte, kam Adair aus dem Nebenraum.
„Ach, wer traut sich denn wieder zurück, warum denkst du, dass du einfach hier weiterarbeiten kannst?“, war er nicht gut auf seine Angestellte zu sprchen.
„Gut, ich kann auch wieder gehen, ich hab ne lange Fahrt hinter mir und könnte Ruhe brauchen“, entschied sie und wollte ihren Gürtel wieder ausziehen.
„Nein, bitte bleib, ich brauch dich heut wirklich, die Neue fängt erst morgen an. Geht’s dem Baby gut?“, legte er sanft seine kräftige Hand auf ihren Bauch.
„Ja, ihr geht’s bestens, danke, du wirst es nicht bereuen. Hilfst du mir?“, bat Gwen und drehte sich zu Senga.
„Klar, dafür bin ich doch mitgekommen“, entschied sie und nahm eine Flasche auf.
„Du bringst also jetzt deine eigenen Angestellten mit?“, musterte Adair, Senga.
„Adair, das ist Senga, sie hat schon hier gearbeitet, schon vergessen?“
„Ach, unsere abwesende Produzentin, sollte die nicht in der Reha sein?“
„Reha, du hast ihm erzählt, ich wär in der Reha?“, murrte Senga.
„Ich hab gar nichts gesagt, das Gerücht ist hier rumgegangen, ich wusste ja auch nichts genaues, ich hab ja auch nur Gerüchte gehört. Nein, sie war nur bei ihren Eltern, sie hat kein Suchtproblem, denk ich zumindest“, musterte sie auch Senga.
„Ich kann auch wieder gehen, Leute“, fühlte sich Senga missverstanden.
„Nein, bedien dich nur nicht am Alkohol, ihr tauscht nur, Gwen geht an die Bar und du rennst rum, mir ist das mit dem Baby gefährlich, wenn es hier so voll ist“, bat Adair.
„Sicher, wie du meinst“, tauschte Gwen mit ihrer Freundin.
 
Den restlichen Abend hatten die beiden Frauen gar keine Zeit sich zu unterhalten, erst als sie um halb drei in der Nacht an einem Tisch saßen und das Trinkgeld zählten.
„Man, so viel Trinkgeld haben wir ewig nicht mehr gemacht, vergiss die neue Tussi, du bist eingestellt“, schmunzelte Adair, als er das ganze Geld auf dem Tisch zwischen den Frauen sah.
„Das war was einmaliges, dieser Abend hat mir mal wieder gezeigt, dass ich für nen Produzenten-Job mehr gemacht bin. Setz dich mal hin, Adair“, bat Senga und der quetschte sich neben Gwen auf die Bank.
„Du hast also wirklich ein Alkohol-Problem, ich kann dein Pate sein, ich helf dir da durch“, erkannte Adair, als er in das ernste Gesicht seiner Bekannten sah.
„Ich hab kein gottverdammtes Alkohol-Problem, zumindest jetzt noch nicht. Gwen, du wolltest Adair was sagen“, begann sie ernst.
„Jetzt?“, war Gwen nervös.
„Nein, wenn die Kleine den College-Abschluss macht, ja, jetzt“
„Adair, ich muss dir was sagen“, nahm Gwen die Hand ihres Nebensitzers.
„Du haust nicht ab, oder? Wir kriegen das mit deinem Arschloch von Mann hin, versprochen“, versprach er.
„Ja, das weiß ich und ich danke dir vielmals dafür. Nein, es ist dein Kind, Adair“, gestand sie und hielt sich den Bauch.
„Äh, duh, weiß ich doch“, war Adair nicht überrascht.
„Du weißt es?“, fragte sie erleichtert und schlug ihm sanft auf den Arm.
„Ja, natürlich weiß ich das, ich kann rechnen, Süße, du hast auch den mysteriösen Kerl danach nie wieder erwähnt. Ich kenn dich schon einige Jahre, du bringst immer Gefühle in eine Beziehung, es gab keinen anderen, nur mich“, schlussfolgerte er.
„Ja, es gab keinen anderen. Ich will dich damit nicht belasten!“
„Hey, ich hab sechs Kinder erzogen, da ist nen siebtes ein Klacks“, war Adair ruhig und gelassen.
„Ich werde dich nicht heiraten!“
„Hab ich mir schon gedacht, ich will auch nicht mehr heiraten!“
„Siehst du, hab ich doch gesagt“, mischte sich Senga plötzlich ein.
„Seng‘, kannst du mal den Tresen oder so putzen und uns für ne Minute allein lassen?“, bat Gwen.
„Sicher, ich bin weg, ich sollte mir auch ein Hotelzimmer nehmen, ich bin echt müde. Tut nichts, was ich nicht auch tun würde“, verabschiedete sie sich, nahm ihre Tasche und verließ die Bar.
 
Sie rief sich ein Taxi und fuhr zum Flughafen. Sie hatte gesehen, dass es bei Gwen und Adair gut lief, jetzt musste sie ihr Leben in New York City wieder aufnehmen.
Der Morgen graute schon, als sie vor Curtis‘ Haus ankam.
„Man, ich habe diesen blöden Türsteher vergessen“, ging sie langsam auf die Eingangstür mit dem Sicherheitsmann zu.
„Morgen Süßer, schöner Morgen, nicht wahr?“, flirtete sie mit dem Türsteher.
„Miss McNab, ist ne Weile her, Sie haben Glück, er ist noch da. Wo ist mein Kaffee?“, hoffte er auf seinen Kaffee, den sie immer mitbrachte, wenn er in seine Wohnung wollte.
„Ich geb Ihnen einen Fünfer, ist das auch okay?“
„Das nächste Mal, schon gut. Ich verrate aber nicht, wer bei ihm regelmäßig ein und ausgeht“, entgegnete der Sicherheitsmann und hielt ihr die Tür auf.
„Ist auch seine Privatsache, danke“, bedankte sie sich, als sie durch die Tür ging.
Sie war nervös, sie hatte seit seiner Abreise zwei Monate zuvor nicht mehr mit ihm gesprochen, sonst sprach sie täglich mit ihm.
Sie klingelte. Curtis öffnete ihr mit einem hübschen Zweireiher an.
„Senga?“, war er jetzt total überrascht.
„So sieht’s aus, du musst gleich los, oder?“, erkannte sie.
„Ein bisschen hab ich noch. New York City hat dich also wieder!“
„Ja, bin grade eben angekommen, Gwen hat mich zurückgeholt“, erklärte sie und er ließ sie rein.
„Ja, die Mädels haben mir schon erzählt, sie planen so was, hab nicht gedacht, dass du zurückkommst. Wenn ich dich so sehe fühl ich mich 10 Jahre zurückversetzt, du siehst nur älter aus wie damals“, musterte er sie.
„Du bist nie um ein Kompliment verlegen, ich will zurück ins Geschäft“, erklärte sie.
„Und deshalb bist du zurück, du hast gehört, dass ich mit dem Senderchef schlafe und willst jetzt deine Connections ausnutzen“, war er seltsam drauf.
„Ich wusste nicht, dass du mit dem Senderchef schläfst, aber das erklärt einiges. Ich liebe dich, du Idiot, und wollte dich als erstes besuchen“, war sie enttäuscht von seiner Laune.
„Tut mir leid, mein Herz gehört jemand anderem“, schmunzelte er versöhnlicher und zog sie mit einem Arm an seine Brust.
„Du bist verliebt, das ist schön, zumindest ist es einer von uns. Ich schaff es ohne deine Connections, keine Sorge“, genoss sie seine Nähe.
„Nein, tust du nicht, aber ich helf dir gerne. Wissen die anderen es schon?“
„Ich sollte erst mal etwas schlafen, bevor ich mich da reinstürze“
„Sicher, mi casa es su casa. Ich muss jetzt los, meine Show wartet nicht. Guck sie dir an, wird ne gute Sendung heute“, küsste er ihre Backe und verließ das Haus.
Sie sah sich in seiner Wohnung um und erinnerte sich schmunzelnd an den Abend, an dem sie das erste Mal dort gewesen war. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie noch gedacht, dass er auf sie stand, doch als sie seine weißen Möbel und seinen goldenen Spiegel im Eingang gesehen hatte, war es ihr ziemlich klar gewesen, auf was er stand.
 
Sie schaltete den übertrieben großen Flachbildschirm in seinem Wohnzimmerbereich ein und legte sich aufs Sofa.
Noch bevor Curtis auf dem Bildschirm erschien, war sie friedlich eingeschlafen.

Sechzehntes Kapitel

 
An diesem Abend lud Senga Rosy und Liv in ein Café ein. Die waren erfreut von ihr zu hören und wollten kommen. Mit zusammen gebundenen Haaren und einer ihrer New Yorker-Kleider an saß sie an diesem Abend nervös im Café und wartete auf ihre Freundinnen. Sie fühlte sich wie bei einem ersten Date, sie wusste, dass die beiden verantwortlich dafür waren, dass sie sich jetzt wieder dem Großstadtlärm aussetzte, aber sie hatte sie auch mit allem allein gelassen und das bereute sie in diesem Augenblick.
Als die beiden Frauen in ihren hohen Stöckelschuhen ins Café gestöckelt kamen, wurde ihr bewusst, was sie an Coolness eingebüßt hatte.
„Sie ist wieder zurück“, war Rosy glücklich ihre ehemalige Chefin zu sehen.
„Ja, das bin ich, seht euch an, ihr seht gut aus. Also, wieso bin ich hier?“, begrüßte sie beide mit einer Umarmung.
„Warum du hier bist? Du fragst ernsthaft warum du hier bist? Das ist New York City, du bist in Wisconsin vergammelt, das mussten wir ändern“, entschied Liv.
„Ich war glücklich in Wisconsin“, behauptete sie.
„Klar, deshalb bist du jetzt auch hier. Man, wir haben dich grad noch rechtzeitig zurückgeholt, du verwandelst dich langsam wieder in die Senga von vor zehn Jahren“, musterte Liv sie.
„Hey, ich hab nen teures Kleid an und die Schuhe haben mich ein halbes Gehalt gekostet, also Vorsicht“, murrte sie.
„Es geht nicht um deine Kleidung, es geht darum, wie du sie trägst, ohne Selbstbewusstsein, dieser Kerl hat uns unsere Senga geklaut“, musterte Rosy sie.
„Redet nicht so einen Blödsinn, ich bin immer noch ich!“
„Das denkst du, aber das bist du nicht. Du brauchst nen neuen Mann“, entschied Liv.
„Tut mir leid, ihr Süßen, aber ihr habt beiden auch keinen, von euch brauch ich keine Tipps“, war Senga frech.
„So richtig ist das nicht“, entschied Liv mysteriös.
„Du hast nen Neuen?“, war sie überrascht.
„Ich hab eher nen Alten, Luca und ich haben irgendwie was am Laufen“, gestand Liv.
„Du hast Luca zurückgerufen? Das ist ja toll“, war Senga hellauf begeistert.
„Okay, ich hab nicht gedacht, dass du so reagierst“, war Liv überrascht.
„Warum sollte ich nicht erfreut sein? Ich mag ihn und du liebst ihn immer noch, ich freu mich für dich“, umarmte sie ihre Freundin herzlich.
„Danke, das bedeutet mir viel, wir wollen es langsam angehen lassen, wir wollen die Fehler von früher vermeiden“, erklärte sie.
„Das ist gut, gratuliere“, war Senga etwas neidisch.
„Tut mir leid, ich wollte dich damit nicht vollquatschen, lasst uns was bestellen“, änderte Liv das Gesprächsthema und sie setzten sich alle hin.
„Tust du nicht, ich freu mich doch immer über gute Nachrichten. Wisst ihr das mit Curtis und Burke?“, begann sie mit Smalltalk.
„Ja, er weiß aber nicht, dass wir es wissen, also kein Wort“, bat Rosy.
„Ach nein, keine Geheimnisse mehr, jetzt war ich grad auf einer Ebene wo ich keine Geheimnisse mehr mit mir rumschleppen musste“, war sie nicht begeistert.
„Gut, dann sind wir offen und ehrlich. Also, was weißt du?“, mischte sich Liv ein.
„Gwen trägt Adairs Kind aus!“
„Das wissen wir doch schon!“
„Sie hat es euch gesagt?“
„Nein, ich bin Psychologin, ich kann Zeichen erkennen. Das weißt du erst seit kurzem?“
„Nein, aber Adair weiß es seit gestern, zumindest hat sie es ihm gesagt, gewusst hat er es schon länger. Ich hab die beiden allein gelassen um das zu regeln“, erklärte sie.
„Hattet ihr eigentlich mal Sex mit so’m alten Knacker, wenn wir grad so ehrlich sind?“, wollte Rosy plötzlich wissen.
„Ich nicht, Liv aber schon“, schmunzelte Senga.
„Warum erzählst du der kleinen das?“
„Sorry, ist doch nichts Schlimmes dran, Luca ist sieben Jahre älter als du, du stehst auf ältere, ist doch nicht schlimm!“
„Mitte dreißig ist nicht alt, jetzt übertreibst du es aber. Luther war auch erst fünfzig und nicht scheintot“, bemerkte Liv ernst.
„Da hat sie Recht, ich hatte mal was mit nem Lehrer als ich 17 war, der war auch schon Mitte Vierzig, also hab ich wohl das Rennen gewonnen“, gestand Rosy plötzlich.
„Du hattest was mit nem Lehrer? Warst du da nicht minderjährig?“, fragte Senga.
„Ja schon, man du kannst einem ja jede Geschichte versauen“, murrte Rosy.
„Tut mir leid, ich bin nicht gut in solchen Gesprächen“, entschuldigte sich Senga.
„Okay, dann lassen wir das. Irgendjemanden kennengelernt während deinem Aufenthalt im Kuh-Staat?“, wollte Liv von ihrer Freundin wissen.
„Ja einen, aber der ist vierzig und lebt noch bei Mutti, also genau richtig für Rosy“, frotzelte Senga und Rosy sah sie böse an.
„Die Geschichte werdet ihr mir jetzt ewig vorhalten, oder?“, wollte Rosy wissen.
„Ja, etwas“, konterte Liv und die Frauen lachten.
Die drei Frauen saßen gemütlich zusammen, als Curtis ins Café kam.
„Hier steckst du. Hab dich vermisst“, küsste er ihren Kopf, was sie schmerzlich an Alexs Abschied erinnerte, und setzte sich neben Senga.
„Wir sind also jetzt besser drauf als heut Morgen“, sagte sie trocken.
„War ne kurze Nacht, tut mir leid. Jetzt bin ich wieder ganz für dich da. Hast du meine Sendung gesehen?“, wollte Curtis wissen und winkte die Kellnerin her.
„Ich wollte, bin aber dabei eingepennt, tut mir leid, ich bin die ganze Nacht hierher zurückgefahren. Wie ich dich Egomane kenne, hast du es aber sicher aufgezeichnet“, frotzelte sie.
„Ja, hab ich tatsächlich, können es uns ja nachher zusammen ansehen. Ist das schön, dass du zurückbist, unsere Gruppe war nicht vollständig ohne dich“, konterte Curtis zufrieden.
„Ja, find ich auch. Wann lernen wir eigentlich deinen Neuen mal kennen?“, wollte Senga wissen und Curtis sah sie böse an.
„Süßer, wir wissen alle mit wem du schläfst und wir sind stolz auf dich“, schmunzelte Liv und nun sah Curtis Senga noch fieser an.
„Nicht von mir, ihr arbeitet zusammen in einem Sender, sie sitzen eher an der Quelle. Ist er gut?“, wollte Senga wissen.
„Er ist euer Chef, das sag ich ganz sicher nicht“, druckste er herum.
„Der Sex mit Alex war genial“, gestand Senga plötzlich.
„Das erklärt warum du so an ihm hängst, erzähl mal“, war Liv neugierig.
„Der Sex war gigantisch gut, mehr nicht!“
„Mehr nicht? Weißt du wie rar guter Sex heutzutage ist?“, wollte Curtis wissen.
„Das erklärt wie dein Sexleben aussieht“, schmunzelte Liv.
„Mein Sexleben ist toll, nur nicht gigantisch“, behauptete er.
„Sexleben kann ich das bei mir ja nicht nennen, ich hab einen verheirateten Mann gevögelt, einmal, dann hat er mich verlassen, mehr nicht“, sinnierte sie.
„Tut mir leid, wir wollten nicht wieder damit anfangen!“
„Ich muss nach Edinburgh“, entschied Senga plötzlich.
„Sorry, hab ich grad was nicht mitgekriegt?“, war Curtis überrascht und auch die Frauen sahen sie verständnislos an.
„Ich muss das mit ihm klären, oder ihre Geliebte finden und die beiden wieder zusammenbringen“, plante Senga.
„Geliebte, hab ich da was nicht mitgekriegt?“, wollte Liv wissen.
„Ja, ich bin von ner Lesbe ausgestochen worden, nicht mein glorreichster Tag“, gestand sie.
„Blondie ist ne Lesbe? Das ist mal nen Ding. Er zieht also eine sexlose Ehe dir vor“, konterte Rosy erkennend und Senga stand auf.
„Ach komm schon, wir veräppeln dich doch nur“, wollte Rosy sie zum Bleiben überreden.
„Könnt ihr ruhig, ich muss zu ihm. Ich liebe euch alle, bye“, sagte sie abwesend und eilte aus der Tür.
„Meinte die jetzt Edinburgh in Schottland?“, wusste Liv gar nicht, was sie sagen sollte.
„Hinterher“, entgegnete Rosy und sie folgten ihr alle.
 
Gehetzt eilte Senga durch den JFK-Flughafen. Sie war keine 24 Stunden zuvor dort gelandet doch eine unbekannte Macht führte sie wieder aus der Stadt.
„Seng‘, verdammt bleib stehen, man, wir haben dich echt gut im Stöckelschuh-Gehen trainiert, du bist verdammt schnell“, packte Liv sie am Arm, die sie eingeholt hatte.
„Aber du bist immer noch die Königin darin, du bist ja nicht mal außer Atem. Willst du mitkommen?“, fragte sie trocken.
„Nein, du solltest auch nirgendwo hinfliegen, was willst du den in Schottland machen? Er ist verheiratet, mit ner Lesbe zwar, aber trotzdem verheiratet. Er hat sich gegen dich entschieden, das tut höllisch weh, aber es ist so“, versuchte sie ihr Vernunft einzubläuen.
„Lass bitte meinen Arm los, ich muss das tun“, entgegnete sie und riss sich los.
„Ich bin nur deine Freundin und will dich nicht noch bedrückter sehen als du jetzt schon bist“, erklärte sie.
„Wenn ich ihn sehe, wird er erkennen, dass er mich liebt und für mich kämpfen muss“, entgegnete sie mit Tränen in den Augen und Liv ihren Arm los.
„Du musst das tun, ich wäre eine Heuchlerin, wenn ich dich nicht gehen lassen würde, ich hab ja meinen Stolz runtergeschluckt um wieder mit dem Mann zusammen zu sein, den ich liebe“, konterte sie und ließ sie gehen.
Als die anderen bei Liv ankamen, war Liv schon durch den Check-in durch.
„Was soll das? Wo ist sie?“, motzte Curtis.
„Wir müssen sie das tun lassen“, sagte Liv nur.
„Quatsch, müssen wir gar nicht. Ich ruf meinen Freund an, der hat nen Privatjet, kauft euch was ihr braucht im Duty-Free, ich wollte schon immer mal nach Schottland“, plante Curtis.
„Süßer, dein Freund ist zwar der Chef von Allem, ich muss trotzdem in nächster Zeit moderieren“, erwiderte Liv.
„Chef von allem, nur ein Anruf und ihr könnt ohne Probleme an den Nordpol reisen bis zur nächsten Eiszeit“, sagte Curtis cool.
„Lassen wir sie das alleine regeln, wir sind da, wenn sie zurückkommt“, bat Rosy und nachdenklich gingen sie zurück zum Auto.
 
Im Flugzeug nach Edinburgh konnte sie das erste Mal seit zwei Tagen tief und fest schlafen. Sie hatte Glück gehabt, dass gerade ein Flieger dorthin ging, sie hatte ihre letzten Ersparnisse für ein 1. Klasse-Ticket ausgegeben, sie wusste nicht, ob sie in diesen Stunden die Chance ihres Lebens ergriff oder den dümmsten Fehler machte. Aber sie konnte auch in ihrem Träumen nur an ihn denken.
 
Erschöpft fuhr sie mit dem Taxi an den grünen Bergen und Tälern Schottlands vorbei. Adair, den sie im Flugzeug angerufen hatte, hatte ihr die Adresse von Alexs Bar gegeben, wo der Fahrer hinsteuerte.
Mit ihren Stöckelschuhen in der Hand ging sie in die Bar mit dem klingenden Namen „Nur für Schotten“.
Sie ging durch die Eingangshalle. Auf der Damentoilette stand unter dem Schild mit der Frau drauf „Nur für Schotten“ und sie musste schmunzeln.
Ein Bierglas knallte neben ihr auf den Boden und Bier spritzte auf ihre Hose.
„Man Alter kannst du nicht auf…“, drehte sie sich zu dem Verursacher der Schweinerei hin. Es war Alex, der sie fassungslos anstarrte.
„Man, das letzte Guinness war eindeutig zu viel“, murmelte er betrunken.
Wortlos ging sie zu ihm hin und küsste ihn innig.
„Das ist eine wirklich reale Wahnvorstellung“, konnte er nur sagen.
„Man, ich war nicht ne Weile unterwegs, dass ich jetzt nur ne Wahnvorstellung bin“, bemerkte sie und legte ihre Hände auf seine Brust.
„Du bist wirklich hier“, konnte er es kaum fassen, umschlang sie liebevoll mit beiden Armen und drückte sie fest an sich. Er roch furchtbar nach Bier, aber das störte sie in dem Moment nicht, sie genoss seinen Herzschlag, den sie an ihrer Brust fühlte.
„Man muss deinen Eifer fast loben“, hörte sie plötzlich Crystals Stimme.
„Danke“, sagte sie trocken und hielt ihn noch fester an sich gedrückt, um sie zu ärgern.
„Ich weiß wo hier die Waffen liegen, Missy“, drohte sie ihr.
„Komm, lass uns gehen“, zog sie Alex in einen Nebenraum, auf dessen Tür „Privat“ stand.
In dem Raum stand ein gemütliches Sofa und eine Matratze lag auf dem Boden.
Dieser Raum kam ihr verdammt bekannt vor.
„Du bist deinem Vater ähnlicher als du dir denkst“, konterte sie und drückte ihn aufs Sofa. Dann klemmte sie einen Stuhl an die Tür, dass Chrystal nicht reinkam.
„Du bist wirklich da“, murmelte er vor sich hin.
„Ja, das hatten wir schon. Deine Frau wird immer fieser, wie mir scheint“, hörte sie, wie sie versuchte reinzukommen.
„Sie ruiniert mir mein Leben“, sagte er betrübt.
„Ja, das merk ich. Verpiss dich, Crys“, brüllte sie raus und eingeschüchtert verschwand die junge Frau von der Tür.
„Geht doch. Leg dich hin“, bat sie.
„Wenn du dich auf mich drauflegst“, flirtete er.
„Du bist besoffen, ich will dich nicht ausnutzen“, entschied sie und zog seine Beine hoch, dass er auf dem Sofa lag.
„Ich lebe mit ner Lesbe in ner Ehe zusammen, bitte nutz mich aus“, öffnete er seinen Gürtel.
„Meinetwegen, aber ich hör nicht auf, wenn sie reinkommt“, entschied sie und stieg auf seinen Schoß.
„Ich bitte darum“, schmunzelte er und begann sie auszuziehen.
Sie wusste nicht, ob es die Anspannung war, dass seine Frau jede Minute reinplatzen konnte, oder weil er so betrunken war, der Sex war echt mies und das merkte er trotz seines Rauschs auch.
„Tut mir leid“, entschuldigte er sich benommen, als sie von ihm abstieg.
„Passiert, schlaf erst Mal deinen Rausch aus, ich red mit deiner Frau“, erklärte sie und schloss ihr Kleid wieder.
„Bitte sag ihr nicht wie blöd ich mich angestellt habe“, bat er.
„Werde ich nicht, geht sie ja nichts an“, sagte sie liebevoll und deckte ihn zu. Kurz danach war er eingedöst.
„Das war jetzt echt mal was, das erzähl ich sicher niemandem“, redete sie vor sich hin und ging zur Tür. Sie zog den Stuhl unter dem Türknauf weg und ging aus der Tür. Chrystal stand Gott sei Dank nicht an der Tür, sie stand hinter der Bar, er hatte nie erwähnt, dass sie eine Barkeeperin war. Wortlos klemmte sie sich auf den Stuhl an der Bar.
„Das ging aber schnell, ich dachte immer, er wäre ein guter Liebhaber“, kommentierte Chrystal ihren Auftritt.
„Habt ihr nen Gescheiten Wein hier?“, wollte Senga wissen.
„Nen kalifornischen, geb ich dir. So schlecht also?“, schlussfolgerte sie.
„Schieben wir es mal auf die Situation, Danke“, nahm sie ein Glas Wein entgegen.
„Das nenn ich dann mal Karma“, sagte Chrystal nur.
„Ja, ich hab’s kapiert, er gehört auf eine ganz schräge Weise dir, aber ich liebe ihn und wenn du nur einen Funken Romantik in deinem eiskalten Herz hättest, würdest du ihn gehen lassen“, entschied sie.
„Ich kenne ihn seit ich denken kann und er war mein bester Freund, bis zu dem Tag an dem ich ihn geheiratet habe. Wir hatten das wochenlang diskutiert, er hat mir gesagt, er würde immer für mich da sein, wenn ich meine Freundin verlasse. Doch dann ist er in die Staaten, ich dachte mir, okay, er will sich die Hörner abstoßen, er kommt ja zurück, aber dann kam er vollkommen verändert zurück. Ich wusste nicht, wie ich ihm helfen konnte, er wollte mich heiraten, also haben wir geheiratet. Er hat sich damals in dich verknallt, oder?“, erzählte sie ihre Geschichte mit ihm.
„Keine Ahnung, ich hab ihm vorgemacht, dass ich einen Freund habe, ich hab sein Herz gebrochen, seit dem scheint er nicht aufzuhören zu saufen. Ich hab das alles nicht gewollt, tut mir leid“, entschuldigte sie sich bei ihr.
„Kannst ja nichts dafür, tut mir leid, dass ich das an dir auslasse. Ich hab nur solchen Liebeskummer“, gestand Chrystal plötzlich.
„Ich weiß wie es dir geht, ich hab jetzt zwei Monate bei meiner Mutter verbracht, weil ich mir meine Gefühle nicht eingestehen wollte“, erklärte Senga.
„Bei deiner Mutter, ernsthaft? Ich wäre nach einer Woche schon hohlgedreht. Meine Mutter redet jetzt davon, dass ich so schnell wie möglich schwanger werden soll“, fand Chrystal mit ihrer eigentlichen Konkurrentin ein Gesprächsthema.
„Deine Mutter weiß also nicht, dass du lesbisch bist?“
„Ich hab mich mit 18 Jahren geoutet, das weiß sie ziemlich gut, das ist ja das Schlimme daran“
„Das Schlimmste daran ist, dass sie seelenruhig mit angesehen hat, wie du ihn geheiratet hast!“
„Solang sie den Nachbar nicht erklären muss, warum ich nicht heirate werde, ist sie glücklich, du kennst ja unserer Familiengeschichte“, erklärte sie.
„Man und ich dachte meine Mutter wäre furchtbar. Ich find dich eigentlich nett, ich bin nur neidisch, dass du den Mann hast, den ich liebe“, erklärte Senga versöhnlich.
„Ich will ja nichts sagen, aber geht das mit der Liebe nicht etwas schnell bei euch?“, wollte sie wissen.
„Ehrlich gesagt mir geht das auch zu schnell, aber so fühle ich halt und er auch. Tut mir leid, dass ich damit in dein Leben so eingreife“, entschuldigte sie sich weiter.
„So ging mir das mit meiner Ex-Freundin auch, keiner wollte es mir glauben, aber es war so. Ich würde euch ja gern den Weg ebnen, aber meine Familie ist mir das wichtigste“, entgegnete Gwen.
„Das versteh ich nicht, sie behandeln dich, als wäre deine Homosexualität eine Sünde, wie kannst du dann alles für sie tun?“
„Nur meine Mutter ist so, meine restlichen Geschwister liebe und respektieren mich so wie ich bin“, erklärte sie.
„Wenn die dich so lieben, hätten sie dich nicht heiraten lassen sollen“, sagte sie altklug und Chrystal schwieg gedankenversunken.
„Tut mir leid, ich wollte dich nicht betrüben, aber stimmt doch, oder?“
„Ja, irgendwie schon, man, was denkst du, wie schwer mir dieser Akt gefallen ist? Ich liebe ihn, ja, ich steh ihm näher als manchen von meinen Geschwistern, aber ich hab mir nie im Leben vorgestellt ihn mal zu heiraten und er mich dann hassen würde“, war sie in Gedanken.
„Er hasst dich doch nicht!“
„Du hast ihn hier nicht erlebt, früher haben wir uns ohne Worte verstanden und wir waren glücklich damit, jetzt bin ich glücklich wenn er zu mir zwei verständliche Worte sagt. Er hat mir seine Wohnung gegeben, er schläft nur noch hier, er haust wie ein Single in dieser Ehe“, entgegnete sie.
„Ich geb mir die Schuld dafür!“
„Da haben wir was gemeinsam, das tu ich auch!“
Die beiden Frauen schwiegen und Senga schlürfte tonlos ihren Wein.
„Ich werde hier nicht weggehen, ich hab mein letztes Geld auch für das Ticket hierher ausgegeben“, sagte Senga plötzlich.
„Dann kommst du erst Mal mit zu mir, mein Mann ist ja nie zu Hause, da hab ich genug Platz“, schlug Chrystal plötzlich vor, was Senga überraschte.
„Äh, danke“, wusste sie nicht genau, was sie dazu sagen sollte.
„Gerne doch, habt nur keinen Sex in meinem Bett, bitte“, gab sie das Okay für ihre Beziehung mit Alex.
„Wirklich? Du kommst damit klar?“, versuchte sie zu verstehen.
„Ich bin ja auch nicht grade das „treusorgende Frauchen“, wenn du verstehst“, schmunzelte sie.
„Ja, schon. Irgendwas ist doch faul“, traute sie dem Frieden nicht.
„Ich kann das Angebot auch zurücknehmen“, sagte Chrystal cool.
„Nein, ich bin nur überrascht, ich bin still und danke dir nur“, bedankte sie sich und Chrystal lächelte matt.
„Bitte, es ist spät, ich bring dich heim, Suffkopf lassen wir da schlafen, unsere Angestellten schaffen das hier schon. Ich bin ganz froh, dass der Laden jetzt zur Hälfte auch mir gehört, so wie er sich in den letzten Monaten benommen hat wär das ohne meine Hilfe ziemlich schief gegangen. Seine Mutter sorgt sich sehr, sie hat Angst, dass er wird wie sein Vater“, bemerkte sie und kam hinter der Bar hervor.
„Das müssen wir verhindern, ich mein das mit dem Alkoholismus, sein Vater ist ja so trocken ja ein echt Netter. Es ist wunderschön hier, ich war noch nie in Europa“, erklärte sie, während sie zu ihrem Kleinwagen gingen.
„Ich war nie in den Staaten bis vor kurzem, da gefällt es mir hier besser, nichts für ungut“, entschied Chrystal und sie stiegen ein.
„Denk ich mir. Hast du auch so viele Geschwister wie Alex?“, war sie neugierig.
„Nein, nur vier Schwestern, aber das reicht auch. Und du?“
„Nur eine Schwester, die reicht auch, ich hab sie lang nicht mehr gesehen, ich bin froh, wieder mit ihr in Kontakt zu sein, vor allem wegen meiner Nichte. Die verlangen von euch doch nicht ernsthaft, dass ihr Enkel in die Welt setzt, oder? Die Sprüche von deiner Mütter sind nur solche die Mütter immer von sich geben, oder?“, fragte sie plötzlich.
„Darüber haben wir nie gesprochen, vermutlich, darauf können sie aber warten bis sie schwarz werden. Willst du mich heute mit deiner Fragerei noch in den Selbstmord treiben, dass du mich los bist?“, fragte sie kritisch.
„Sorry, du willst sicher nicht darüber nachdenken, ich bin still. Ich bin wirklich in einen Flieger nach Schottland gestiegen, ich kann es noch gar nicht glauben“, sah sie auf die grüne Landschaft vor sich, die sich langsam in Dunkelheit hüllte.
„Ja, so viel Kampfgeist hab ich dir echt nicht zugetraut, ich hab echt gedacht, dass du so eine Tussi bist, die nur will, was sie nicht haben kann, aber er bedeutet dir wirklich viel. Du kannst seine Stütze sein, die ich ihm eigentlich sein sollte in der Situation. Man, ich werde echt zu sanft, noch ein paar Monate und die können mir noch ein Kind andrehen, irgendwie“, war sie besorgt.
„Nicht mit meinem Kerl“, stellte Senga Besitzansprüche.
„Nicht auf natürlichem Wege, keine Sorge, ich war vor meinem Coming-Out mit Kerlen intim gewesen, aber mit Alex wär das wie Inzucht“, entschied sie.
„Kann ich gut verstehen, so wie bei mir und Curtis, wir kennen uns noch nicht so lange wie ihr, aber da gibt es eine Verbindung zwischen uns, die ich nicht erklären kann“
„Ja, so wie Seelenverwandte ohne die ganze Romantik-Schiene. Lass mich raten, er hat dich unterstützt hier her zu kommen?“,
„Äh, nicht wirklich, das war meine beste Freundin, aber die kam grade wieder mit ihrem Ex-Mann zusammen und war leicht ausnutzbar. Er wollte mich eher davon abhalten, aber er ist noch nie wirklich verknallt gewesen, auch wenn er das immer behauptet. Vielleicht war ich es auch nie und das alles hier ist nur ein hormongesteuerter Mist“, dachte Senga laut nach.
„Das hier ist alles nur hormongesteuert, aber das ist die Liebe meistens. Mit meiner Ex bin ich gar nicht mehr aus dem Bett rausgekommen“, erklärte sie versichernd.
„Super, ich hab meine Karriere wegen Hormonen aufgegeben, meine Eltern wären so stolz“, murmelte Senga.
„Ich hab meine sexuelle Orientierung wegen Hormonen geändert, ein paar falsche Entscheidungen werden sie dir wohl kaum vorhalten. Jetzt schlaf dich erst mal aus, morgen freust du dich, dass du hier bist, das verspreche ich dir“, konterte sie und fuhr sie nach Hause. Die Wohnung, die sie an diesem Nachmittag betrat war so ganz anders, wie sie sich Alexs Wohnung vorgestellt hatte.
„Du hast hier ziemlich was verändert, oder?“, sah sie sich um.
„Nein, der ganze Kitsch gehört ihm, er ist nen E-Bay-Junkie. Ich bin eher minimalistisch eingestellt. Immer noch verknallt in ihn?“, nahm sie eine Hula-Puppe von seinem Schreibtisch auf.
„Leider Gottes macht mich das nur schärfer, bis ich diese Mini-Wohnung in Manhattan bezogen habe, war ich auch E-Bay-Stammkunde“, schmunzelte sie.
„Ihr beiden Freaks seid für einander geschaffen. Wenn ich hier mein ganzes Leben verbringen muss, brauch ich Platz für mein Zeug“, sah sie sich um. Alex sammelte wirklich jeden Mist, den er finden konnte.
„Ja, anscheinend. Man, darf ich mich setzen? Ich war in den letzten vier Tagen in mehreren Bundesstaaten und mehreren Ländern, ich brauch ne Pause“, bat sie.
„Sicher, das wird auch dein Bett sein. Ich bring dir nen T-Shirt, dann kannst du dich schlafen legen“, schlug sie vor.
„Danke, ich hab zwar im Flugzeug geschlafen, aber war echt ne lange Reise“, begann sie ihr Kleid aufzumachen.
„Kann ich dir irgendwie helfen?“, fragte Chrystal und betrachtete sie.
„Ein T-Shirt reicht mir, danke. Das wird hier keine Peepshow, Süße“, wollte sie sie loswerden.
„Eigentlich schade, bin gleich wieder da“, entgegnete Chrystal und ging ins Schlafzimmer. Als sie zurückkam, war ihr Gast nur in Unterhose bekleidet auf dem Sofa eingeschlafen.
„Da war eine wohl verdammt müde“, redete sie mit ihr und deckte Senga zu.

Siebzehntes Kapitel

 
„Chrys, verdammt, steh auf“, hörte sie Alex brüllen. Es dämmerte draußen und Senga musste sich orientieren. Sie hörte ihren Lover zur Schlafzimmertür gehen und er hämmerte dagegen.
„Verdammt, Lex, ich arbeite nachts im Vergleich zu manch anderen Leuten, lass mich schlafen“, hörte sie Chrystal brüllen.
„Du bist einfach abgehauen, mit ner Tussi, ich hab dir gesagt, du sollst keiner der Schlampen hierher mitbringen“, war Alex richtig sauer.
„Ich bring keine Frau hierher mit, hab ich dir doch versprochen, ich hab einer deiner Flittchen hierher mitgebracht“, riss Chrystal die Tür auf und kam nur in Unterwäsche bekleidet zu ihrem Gatten.
„Klar, du ziehst ja auch für meine Freundinnen so scharfe Unterwäsche an. Ich muss da rein, mein Golfzeug ist da drin“, ging er rabiat an ihr vorbei.
„Du stinkst wie ne ganze Brauerei. Willst du in dem Zustand bei dem Turnier dabei sein? Deine Kumpels halten dich dann sicher für einen Säufer“, machte sich Chrystal Sorgen um ihn.
„Können sie ruhig, ist mir egal“, war er mies drauf.
„Was ist mit dir los? Sie ist da und du bist immer noch nicht zufrieden damit?“, wusste sie nicht mehr mit ihm umzugehen.
„Was redest du da für einen Mist? Manchmal denk ich echt, du trinkst auch zu viel“, entgegnete er unwissend.
„Man, du musst gestern echt hackedicht gewesen sein, dass du das nicht mehr weißt. Das erklärt deinen kleinen Unfall“, schmunzelte sie und zeigte mit einem geknickten Finger an, was Alex die Nacht zuvor passiert war.
„Wer hat dir … ich dachte das hab ich nur geträumt“, war er total verwirrt.
„Das passiert jedem Mann mal, vor allem im Suff“, hörte er Sengas Stimme. Seine Liebste stand nur in einer schwarzen Unterhose bekleidet in der Tür.
„Senga, du bist da und du bist nackt“, stotterte er und ließ seinen Golfsack mit lautem Klirren fallen, den er aufgenommen hatte.
„Man, das hatten wir schon, ja, ich bin tausende Kilometer zu dir geflogen nur mit den Klamotten an meinem Körper und das erklärt auch mein Nacktsein, ich konnte doch nicht in meinem 500-Dollar-Kleid schlafen. Krieg ich jetzt bitte was zum Anziehen?“, fragte sie und Chrystal warf ihr ein T-Shirt hin.
„Danke, ich friere langsam. Ihr solltet verdammt nochmal mal miteinander reden, ich würde mich eher umbringen als mit Curtis so zu reden“, hielt sie ihnen eine Standpauke und plötzlich wurden beide ganz still.
„Gut, ich hab euch zum Schweigen gebracht. Ich mach Frühstück, ihr redet, ich will euch nicht im Zimmer einschließen, aber wenn ich dazu gezwungen werde, mach ich es“, drohte sie ihnen und knallte die Tür hinter sich zu.
„Sie ist scharf wenn sie wütend ist“, kommentierte Chrystal die Situation.
„Wenn du vernünftig mit mir reden willst, lass die Finger von meinem Mädchen“, sagte er ernst.
„Dein Mädchen? Haben wir nen Zeitsprung in die 50er gemacht?“, konterte sie cool.
„Ich hör euch streiten“, rief Senga von draußen.
„Wir diskutieren nur, lass uns allein, bitte“, bat Chrystal und Senga verschwand von der Tür.
Senga ließ ihnen ihren Freiraum. In dem T-Shirt mit dem Logo der Bar darauf ging sie zurück zum Sofa und rief Curtis an. Das ganze Beste-Freunde-Gerede hatte sie nachdenklich gemacht und sie wollte mit ihrem besten Freund reden.
„Morgen Schönheit, weißt du eigentlich wie spät es hier ist?“, begrüßte Curtis sie schläfrig.
„Mein Smartphone sagt zwei Uhr nachts“, konterte sie cool.
„Und trotzdem rufst du mich an!“
„Es ist verdammt teuer mit meinem Tarif bei dir anzurufen, ich würde es echt bereuen wieder aufzulegen“, brummelte sie.
„Tut mir leid, du wolltest mit mir reden, ich hör dir zu“, wurde seine Stimme sanfter.
„Alles hier ist so ganz anders als ich dachte“, klagte sie ihr Leid.
„Er ist verheiratet, ich hätte dir schon sagen können, dass es etwas komplizierter wird“, sagte er beruhigend.
„Du kannst gar nicht glauben wie kompliziert. Ich sitze grade in einem T-Shirt seiner Frau auf ihrem Sofa. Sie akzeptiert unsere Beziehung und das ist echt schräg. Sie ist nett, wirklich nett, na ja, zu mir, ihren besten Freund aka Ehemann schreit sie immer nur an. Bitte lass uns niemals heiraten“, erklärte sie.
„Gut, dann bring ich den Verlobungsring wieder zurück in den Laden“, witzelte er.
„Was?“, verstand sie den Witz nicht.
„Man, du bist nur ein Tag raus aus den Staaten und schon verstehst du keinen Sarkasmus mehr. Soll ich zu dir kommen?“
„Ganz sicher nicht, trotzdem danke für das Angebot. Ich lass dich jetzt schlafen, sonst muss dein Maskenbildner morgen Wunder bewirken. Danke, dass du zugehört hast“, verabschiedete sie sich.
„Immer doch, und wenn ihr zu dritt im Bett landet will ich Fotos sehen“, schmunzelte er.
„Du solltest echt schlafen, du wirst so hetero, wenn man dich weckt“, konterte sie und legte wieder auf.
 
Senga bereitete den beiden ein typisches amerikanisches Frühstück mit Pancakes, Speck und frisch gepresstem Orangensaft zu.
„Das ist Folter, wenn du uns mit so nem tollem Geruch quälst. Können wir rauskommen?“, rief Alex, als ein toller Geruch durch die Wohnung wehte.
„Wenn die Schimpfwörter und die schlechte Laune in dem Zimmer bleibt, meinetwegen“, rief sie zu ihm und wortlos kamen die besten Freunde heraus.
„Wir sind brav“, versprach er.
„Ihr habt euch jetzt 20 Minuten angeschwiegen, oder?“
„Ja, so in etwa, kriegen wir trotzdem Frühstück?“
„Ihr seid unglaublich. Jetzt esst erst mal, dann versuchen wir es nochmal“, murrte sie und tat ihnen auf.
„Man, wenn ich das hier sehe, verstehe ich, warum ihr Amis alle so fett seid“, traute sich Chrystal nicht so richtig ans Essen.
„Das sagt eine Schottin, ihr frittiert alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist“, konterte sie keck.
„Es gibt nichts Besseres als einen frittierten Mars-Riegel“, entgegnete Alex.
„Ja, weißt du noch als wir im Flannigans mal sechs Stück verdrückt haben, wir haben so gekotzt“, schwelgte Chrystal in Erinnerung und das erste Mal seit Monaten konnte sie ihren besten Freund wieder anlächeln.
„Ich hab danach noch drei frittierte Eier verdrückt“, erinnerte sich auch Alex.
„Ja, ich hab dich so verflucht, das hat so gestunken“, entgegnete sie.
„Wie seid ihr eigentlich beste Freunde geworden? Ich meine ihr seid Romeo und Julia, eure Eltern haben euch wohl einander vorgestellt“, war Senga neugierig.
„Wir hatten Sex, da haben wir uns kennengelernt“, schmunzelte Alex.
„Okay, das musst du mir erklären, ich dachte, du hättest dich schon als Kind geoutet!“
„Mit 18, ja, aber mit 17 hatte ich mein erstes Mal, auf ner Party, volltrunken, mit diesem scharfen Kerl, dessen Namen ich gar nicht kannte. Ihm ging es genauso, als wir aufgewacht sind am nächsten Morgen haben wir festgestellt wer wir sind. Wir waren ein Jahr zusammen bis ich mich geoutet habe“, erzählte Chrystal.
„Sie hat in unserer Beziehung gemerkt, dass sie eher auf Frauen steht, zu was macht mich das?“, dachte er laut nach.
„Zu meinem besten Freund. Wenn du mich damals nicht aufgefangen hättest und der beste Freund gewesen wärst, den sich eine Frau wünschen konnte, wüsste ich jetzt nicht wo ich wäre“, wurde sich Chrystal wieder bewusst, was sie an ihm hatte.
„Das hast du mir nie gesagt“, war er gerührt.
„Ich musste es dir nie sagen, du wusstest es immer. Tut mir leid dass ich dir die Schuld dafür gebe, was mit uns ist“, entschuldigte sich Chrystal.
„Ab und zu musst du mir es nochmal sagen, dann wird das hier nicht wieder so eskalieren“, bat er versöhnlich und küsste ihren Kopf.
„Geht doch, genießt euer Frühstück, ich besorg mir irgendwelche Klamotten. Kann ich ne Shorts oder so von dir haben?“, stand Senga auf.
„Bedien dich ruhig an meinem Kleiderschrank. Man, da muss erst ne Geliebte kommen, dass unsere Ehe noch ne Chance hat“, sah Chrystal ihren Mann an.
„Ich hätte nicht hierher kommen sollen, ich hab euch schon genug im Leben rumgepfuscht, ich geh wieder heim“, fühlte sie sich plötzlich fehl am Platz und ging nur in T-Shirt bekleidet vor die Tür.
„Lass sie bloß nicht gehen. Vor allem nicht so gekleidet, meine Mum kommt hier öfters vorbei und es kommt nicht so gut, wenn halbnackte Frauen unsere Wohnung verlassen, für beide von uns“, schickte Chrystal, Alex hinterher.
„Senga, warte“, rief Alex ihr hinterher und sie blieb stehen.
„In New York City kann man vielleicht so auf der Straße rumrennen, aber hier erregt man nur in T-Shirt ziemlich Aufmerksamkeit“, erklärte er und wickelte sie liebevoll in seine Jacke.
„Ja, sorry, ich hab gar kein Geld um heim zu kommen, Ich bin von einer aufsteigenden New Yorker Produzentin in Prada in drei Monaten zu einer abgebrannten Arbeitslosen in einem verwaschenen T-Shirt geworden“, fing sie an zu weinen.
„Wie kannst du so schnell pleite sein?“, wollte er wissen.
„Ich bin nicht wirklich pleite, aber ich hab mein Geld gut angelegt. Im Moment bin ich nur mit meiner Tasche und meinem besten Kleid am Leib zu dir gereist, weil ich dich liebe, aber ich bin immer noch die naive 18-jährige die nach New York City kam, ich hab wirklich gedacht, ich könnte dich im Sturm erobern“, schniefte sie.
„Ich liebe diese naive Seite an dir, die macht dich menschlich und Süße, du hast mich mit einem Hurrikan erobert“, schwang er sie auf seine Arme.
„Was machst du da?“, fragte sie überrascht.
„Ich bring dich heim“, schmunzelte er und trug sie rein.
„Aber hallo, ist ne Weile her, dass du jemanden auf den Armen getragen hast, das letzte Mal mich auf der Abschlussfeier von der High-School. Alles klar bei dir, Kleines?“, kommentierte Chrystal ihre Rückkehr.
„Ja, bin etwas verblüfft, aber mir geht’s gut. Er will mich wohl nicht gehen lassen“, hatte sie aufgehört zu weinen und er lud sie auf dem Sofa ab.
„Sieht ganz so aus. Ich such dir was Gescheites zum Anziehen raus, ich bin zwar etwas kräftiger als du, aber mit Gürtel kriegt man alles passend. Hat sie jemand gesehen?“, plante Chrystal.
„Ich glaub nicht. Deine Mutter kann denken was sie will“, war er nicht gut auf das Thema zu sprechen.
„Es ist ein Unterschied das sie denkt, dass ich mit Frauen schlafe oder das sie es sieht“, brummelte sie und ging ins Schlafzimmer, um Senga Klamotten zu besorgen.
„Deine Schwiegermutter taucht hier also ab und zu mal auf“, bemerkte Senga.
„Ab und zu ist gut, sie ist ständig hier, sie ist furchtbar. Sie macht mich nieder, dann macht sie sie nieder und am Ende fühlen wir uns beide mies und sie zieht wieder ab“, erklärte er.
„Also ne ganz normale Schwiegermutter. Sie hat doch noch andere Töchter die sie nerven kann, oder?“
„Ja, ich habe einige Schwestern, aber die haben alle schon Kinder ausgespuckt und leben ein tolles Hausfrauen-Leben, aber ich will weder meinen Job aufgeben noch Kinder kriegen und das fuchst sie, dass sie mich solang bearbeitet, bis ich auch ein Hausmütterchen bin“, jammerte Chrystal, die mit ein paar Anziehsachen in der Hand zurückkam.
„So leicht bist du nicht zu brechen. Sie weiß, dass wir nicht miteinander schlafen, also kann sie auf Enkelkinder warten, bis sie schwarz wird“, entschied Alex.
„Meine Mutter ist eine Hexe, die kriegt so einiges hin“, konterte Chrystal und Senga zog sich an.
„Ich hoffe, du meinst mit Hexe ihre Charakterzüge“, entgegnete Senga kritisch.
„Äh, ja, passen die Sachen?“, druckste sie herum.
„Ja, so arg dicker als ich bist du nicht. Ich wache nicht morgen mit Warzen am ganzen Körper auf, oder?“, wollte sie nervös wissen.
„Nein, nicht, wenn sie dich nicht gesehen hat“, murmelte Chrystal und begann, den Frühstückstisch abzuräumen.
„Ihr glaubt doch nicht an diesen Mist, oder?“, entgegnete Senga.
„Ich hab keine Kräfte, aber sie glaubt daran und das ist schon genug, was ich wissen muss. Ja, das geht für den Anfang, ich hab dich für schlanker gehalten, sollte nicht beleidigend klingen“, musterte sie sie.
„Ich hab mich Gott sei Dank nicht auf die Zero-Größe runtergehungert, da bin ich auch ganz stolz darauf. Ich muss ja auch nicht vor der Kamera stehen, so wie meine Freundin Liv. Wolltest du nicht golfen gehen?“, kam es ihr wieder in den Sinn.
„Du bist hier, ich hab nen Kater, da steht Golfen nicht so weit oben auf meiner Liste. Ich ruf die Jungs ab und sag ab“, entschied er.
„Nein, du solltest gehen, du verlierst sonst noch alle deine Freunde. Wir kommen hier allein klar“, bat Chrystal und er sah Senga an.
„Du solltest wirklich gehen, Freunde sind das Wichtigste im Leben. Duschen und umziehen solltest du dich nur vorher, du stinkst gewaltig“, erklärte sie.
„Gut, dann mach ich das. Wenn Hussein anruft, ich bin unterwegs“, entgegnete er und ging ins Badezimmer.
„Gute Idee, die Dusche hat er länger nicht mehr betreten. Rasieren wäre auch nicht schlecht“, rief Chrystal ins Badezimmer.
„Netter Versuch“, weigerte sich Alex.
„Dann eben nicht!“
„Er rasiert sich seit Monaten nicht mehr, er findet, er sieht so männlicher aus, ich finde, er sieht aus wie ein Landstreicher“, erklärte Chrystal ihr und betonte die letzten Worte lauter.
„Das hab ich gehört!“
„Gut, solltest du auch. Da liegt ein elektrischer Rasierer von mir, benutz ihn, ich mach ihn dir auch sauber!“
„Ich steh übrigens auch nicht so auf Bärte“, half Senga ihr.
„Okay, meinetwegen“, stimmte er zu und schwieg dann.
„Danke!“
„Gern geschehen, ich steh ehrlich gesagt auf Bärte, aber er sieht wirklich langsam wie ein Penner aus“, schmunzelte sie.
„Wie wär‘s mit nem Schnurrbart?“, rief er plötzlich.
„Du bist nicht George Clooney, runter mit der Matte!“
 
Zwanzig Minuten später kam ein frischrasierter, schick angezogener Alex aus dem Schlafzimmer.
„Aber hallo, den Kerl hab ich mal gesehen, ist ne Weile her, aber er schimpft sich mein bester Freund“, musterte Chrystal ihn happy.
„Ich fühl mich irgendwie nackt“, fuhr er sich über die glattrasierten Wangen.
„Du hast so ein hübsches Gesicht, jetzt geh, Hussein hat schon drei Mal angerufen“, hetzte Chrystal, drückte ihm seinen Golfbeutel in die Hand und drängte ihn aus der Tür.
 
„So, jetzt sind wir wieder allein“, wendete sich Chrystal zu Senga.
„Das hättest du wohl gerne“, schmunzelte Senga und ging in die Küche.
„Du bist gar nicht mein Typ, Süße, keine Sorge“, versprach Chrystal.
„Das wäre ja auch extrem verrückt wenn du mit uns beiden schläfst“, dachte sie laut nach.
„Du hast also schon mal mit ner Frau?“, war Chrystal neugierig.
„Ja, einmal auf dem College, war nett, aber ich steh jetzt eindeutig auf Männer. War er damals eigentlich auch schon so gut im Bett? Alex mein ich jetzt!“
„Er war 18, was denkst du?“
„Hatte er viele Frauen vor mir dass er so gut geworden ist?“
„Ich führe nicht Buch darüber, aber ein oder zwei werden es schon gewesen sein!“
„Sehen seine Brüder auch alle so gut aus wie er?“
„Oh ja, fast noch besser, ihre Frauen und Männer sind glückliche Menschen“, entgegnete Chrystal und begann den Tisch abzuräumen.
„Ist also auch ein schwuler Bruder dabei?“
„Sogar zwei, sie sind nicht wirklich verheiratet, nur in einer eingetragener Partnerschaft. Bei Lincoln war ich Trauzeuge, bei Quincy war es Alex“, erzählte sie.
„Ich kann immer weniger verstehen wie die alle zulassen konnten, dass ihr heiratet“, entschied Senga kopfschüttelnd.
„Es ist wirklich nicht so schlimm, ich könnte auch mit nem Mistkerl verheiratet sein, mit dem ich Sex haben müsste. Du willst, dass ich mich scheiden lassen, oder?“
„Ich bin verliebt in ihn, natürlich will ich das im inneren, aber das geht eben nicht. Wir sollten heute Abend zusammen in der Bar was trinken und zusammen überlegen, was wir jetzt machen“, schlug Senga vor.
 
So saßen sie an diesem Abend zusammen in der Bar und betranken sich. Was Senga am Abend noch für eine gute Idee gehalten hatte, bereute sie am nächsten Morgen zutiefst, als sie nackt zwischen dem Ehepaar erwachte.
„Man, gute Ideen kommen mir in letzter Zeit echt weniger“, entgegnete sie, schob Alexs und Chrystals Arm von ihrem Körper herunter und ging Richtung Badezimmer. Dort duschte sie erst Mal lange und weckte Alex damit.
„Senga, Süße, alles klar bei dir?“, hörte sie seine Stimme von draußen.
„Nein, nicht wirklich“, erkannte sie, die betrübt auf dem Boden des Badezimmers saß.
„Darf ich reinkommen?“, hoffte er.
„Ist deine Wohnung!“, entschied sie und er öffnete vorsichtig die Tür.
„Hey, mach dir keinen Kopf, wir hatten gestern Nacht nur etwas Spaß“, beruhigte er sie und setzte sich neben sie.
„Das ist es nicht, ich fall immer tiefer, ich muss wieder neu anfangen, ich weiß nur nicht wo, ich kann nicht mehr zu meiner Familie, in New York bin ich auch nicht mehr willkommen und hier wach ich in zwei Tagen zwei Mal nackt auf und weiß nicht, wo ich bin. Kannst du mir Geld für ein Flugticket leihen?“, schluchzte sie.
„Natürlich, aber ich will nicht, dass du gehst“, sagte er traurig und legte seine Hand auf ihre, die sie auf den Boden gelegt hatte.
„Ich muss aber, ich dringe hier in dein Leben ein, das ist nicht richtig“, entschied sie und er küsste sie sanft.
„Mein Leben ist aber nicht lebenswert ohne dich. Wir finden eine gemeinsame Wohnung, ich kann mich natürlich nicht scheiden lassen und dich heiraten, aber zwei meiner Brüder können das auch nicht heiraten, ist nicht das Schlimmste“, plante er.
„Tut mir leid, ich will ganz oder gar nicht“, war sie sich sicher.
„Ich buch dir nen Ticket, ich kann mir kein 1.Klasse-Ticket im Moment leisten, also kann es etwas dauern“, entgegnete er trocken.
„Kein Problem, danke. Das war ein schöner Kuss, das hab ich vermisst“, erkannte sie und lehnte ihren Kopf auf seine Schulter.
„Ich hätte nicht gehen sollen, dann hättest du deinen Job nicht aufgegeben“, entschied er und es klang wie eine Entschuldigung.
„Ja, vermutlich, aber das ist jetzt nicht mehr wichtig. Man, ich könnte ewig mit dir hier sitzen“, fühlte sie sich plötzlich wohl, obwohl sie nur ein Handtuch trug und auf einem kalten Boden saß.
„Ja, ich auch“, schmunzelte er.
„Tut mir leid euch stören zu müssen, aber dein Handy hört nicht auf auf dem Tisch zu vibrieren, Senga“, störte Chrystal ihre traute Zweisamkeit.
„Dann geh doch dran“
„Du solltest drangehen, ich glaub, es ist wichtig“, bemerkte sie.
„Darf ich mir was anderes aus deinem Schrank holen?“, wollte sie wissen.
„Sicher, bedien dich. Alex, Dusche“, bat Chrystal.
„Ich hab gestern geduscht“, jammerte er.
„Gewöhn dich dran, das wirst du jetzt öfters tun. Vor allem, wenn du mit zwei Frauen geschlafen hast. Übrigens, was ist da gestern passiert? Nach dem letzten Whiskey weiß ich gar nichts mehr!“
„Ehrlich gesagt, keine Ahnung, ich will es auch nicht wissen. Sie will weggehen“, erklärte er zu ihr, während Senga sich anzog und Liv zurückrief.
„Nach gestern Nacht kein Wunder“, entschied sie.
„Will ich wissen, was wir gemacht haben?“
„Nein, nicht wirklich. Das darf nicht mehr passieren“, sagte sie ernst und er nickte.
 
Bleich kam Senga aus dem Schlafzimmer. Sie hatte ihr Handy in ihre Hand geklammert und wusste nicht, wie sie es ihm sagen sollte.
„Hey, schlechte Nachrichten?“, fragte Alex und sie umarmte ihn nur.
„Süße, du machst mir Angst“, was ist los?“, verstand er nicht.
„Liv hat angerufen, es gab eine Schießerei im Macintosh“, begann sie.
„Ist mein Dad okay?“, fragte er, aber sie schüttelte nur den Kopf.

Achtzehntes Kapitel

 
Er hatte nicht geweint, nicht geredet und weigerte sich etwas zu Essen. Senga, die ihm gegenüber saß und seine Knie streichelte, war überfordert mit der Situation. Sie saßen zusammen im Privatjet von Curtis Lovers. Der Flug nach Boston schien endlos zu sein.
„Hast du keinen Hunger?“, fragte sie ihn und er schüttelte den Kopf.
„Bitte sag was, irgendwas“, bat sie.
„Sie haben ihn einfach abgeknallt“, redete er das erste Mal seit Stunden.
„Ja, Süßer, es ist furchtbar, ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll!“
„Er hatte Schulden bei einem Kredithai, warum hat er nichts gesagt?“
„Er war vermutlich zu stolz, ich hätte das Geld doch auftreiben können, wir haben das letzte Season öfters gemacht. Das willst du jetzt nicht hören, oder?“, bemerkte sie, dass er nicht darüber nachdenken wollte.
„Danke, dass du bei mir bist“, sagte er nur und nahm ihre Hand auf seinem Knie in seine Hände.
„Für immer mein Süßer, für immer“, wurde sie philosophisch.
„Wir haben uns nicht aussprechen können“, entgegnete er.
„Er wusste sicher, was du fühlst“, wollte sie ihn beruhigen.
„Ich hab es ihm nie gesagt, woher sollte er es wissen?“
„Eltern wissen das immer, Süßer, mach dir darüber jetzt keine Gedanken“, bat sie.
„Ich kann das nicht alleine regeln, wir hätten meine Brüder anrufen sollen“, war er total durch den Wind.
„Das machen wir wenn wir in Boston angekommen sind. Ich kann Gwen nicht erreichen“, erwiderte sie auch nachdenklich.
„Glaubst du sie ist auch… mein Gott, sie ist schwanger“, schlussfolgerte er.
„Liv hat nur von ihm erfahren, aber ihr wird es schon gut gehen, es muss, sie trägt deine kleine Schwester unterm Herzen“, dachte sie laut nach.
„Sie werden ihr nichts angetan haben, was hast du gesagt? Das Kind ist von meinem Dad?“
„Bitte sag ihr nicht, dass du das von mir weißt“, bat sie ertappt.
„Klar, man, das ist auch mal was. Ein Mädchen, ich hab mir immer vorgestellt, eine kleine Schwester zu haben“, wurde er von dem Thema kleine Schwester etwas abgelenkt.
„Jetzt kannst du dich um sie kümmern“, versprach sie.
„Ja, wenn Gwen das will, werde ich immer für die Kleine da sein. Wie lang weißt du das schon?“
„Eigentlich ziemlich von Anfang an, tut mir leid!“
„Schon gut, sie hat ne Freundin gefunden, der sie vertrauen kann, das ist wichtig“, wirkte er überhaupt nicht sauer über die Nachricht.
„Ja, die hat sie, ich wär jetzt so gern schon bei ihr, sie muss total durcheinander sein“, konterte sie.
„Wir sind bald da, dann kannst du dich um sie kümmern und ich muss die Beerdigung meines Dads planen. Das klingt so surreal, die Beerdigung meines Vaters“, wurde es ihm das erste Mal bewusst und er begann zu weinen. Sie schnallte sich ab, setzte sich auf seinen Schoß und ließ ihn sich auf ihrer Brust ausheulen.
 
Die Sonne ging gerade auf in Boston, als sie auf einem Privatflughafen landeten. Ein SUV wartete auf sie auf der Rollbahn. Eng an ihn gekuschelt ging sie mit Alex in die Richtung des Wagens.
„Willkommen zurück in den Staaten, Miss McNab“, begrüßte der Fahrer sie und hielt ihr die Beifahrertür auf.
„Ich würde gerne hinten sitzen mit ihm“, bat Senga müde.
„Sicher, wie Sie wollen“, machte er ihnen die Tür des Rücksitzes auf und sie stiegen ein.
Sie döste in seinem Arm ein, als sie über die Straßen von Boston fuhren. Er weinte nicht mehr, was ihr ganz Recht war, sie war in einem Staat aufgewachsen, wo Männer nicht gerade gefühlsbetont waren und so konnte sie nicht sehr gut damit umgehen.
Der Fahrer fuhr sie zum Macintosh. Die Polizei war inzwischen wieder weg, nur Callan wartete dort auf sie.
Senga löste sich von ihm, stieg aus dem parkenden Wagen aus und umarmte Callan nur.
„Gut, dass ihr wieder da seid. Wo ist er?“, fragte Callan und Senga deutete auf den Wagen.
„Das war alles nicht so geplant“, entschied Callan.
„Nein, war es nicht, ich bin zumindest wieder in den Staaten. Ich wollte ihn eigentlich verlassen, das kann ich jetzt wohl nicht mehr“, entgegnete sie und er stieg aus. Sie streckte ihm die Hand entgegen, die er in seine nahm.
„Hey Callan, danke, dass du dich darüber gekümmert hast“, begrüßte Alex sie.
„Das ist doch Ehrensache, ich dachte mir, dass ich diesen Fall übernehmen sollte, wen ich das schon kann. Herzliches Beileid“, bemerkte Callan.
„Danke“, sagte er und er weinte kurz.
„Ihr solltet nicht hier sein, fahrt zu mir, ihr bleibt ihr erst Mal bei mir“, bat sie.
„Hast du Gwen gesehen?“
„Die ist nach Hause gefahren, wir haben sie bis jetzt nicht erreicht“, erklärte Callan.
„Was heißt nach Hause gefahren? Sie hat einen gewalttätigen Ehemann, sie kann nicht nach Hause fahren“, war sie geschockt.
„Sie hat nen gewalttätigen Ehemann? Warum erzählst du mir das nicht?“, fragte Callan besorgt.
„Weil es dich bis jetzt nichts angegangen ist, man, es ist zwar gut, dass sie aus der Stadt raus ist, aber zu welchem Preis? Man, mir fällt auf den Teufel komm raus nicht ein, wo sie jetzt nochmal herkommt“, war sie jetzt noch besorgter.
„Wir finden sie, keine Sorge. Jetzt geht heim, ich komm in ein paar Stunden nach und koch euch was“, bat sie.
„Wir sind nicht hungrig, aber danke. Ist der Fahrer einer deiner Kollegen?“, wollte sie wissen.
„Ja, wir wissen ja nicht, was da los ist, wir wollten nur sicher gehen. Er bleibt auch vor meinem Haus, bis ich nach Hause komme. Wir finden Gwen, keine Sorge, ihr müsst nur etwas Schlafen, das wird nen anstrengender Tag morgen“, entschied sie.
„Danke, für alles“, entgegnete sie und zog ihn wieder zum Wagen.
 
„Unsere Beziehung scheint sich nur in diesem Haus abzuspielen, was?“, versuchte Senga die Stimmung aufzulockern, als sie mit dem Schlüssel, den Callan ihr gegeben hatte mit ihm eintrat. Er antwortete ihr nicht, was sie gut verstehen konnte.
„Ruf deine Familie an, ich besorg uns was zum Essen“, plante sie. Sie war gut in Plänen, sie konnte nicht darüber nachdenken, also plante sie.
„Es ist noch sehr früh bei ihnen“, erkannte er. Seine tonlose Stimme gefiel ihr gar nicht.
„Okay, dann mach das morgen früh. Setz dich hin“, bat sie und drückte ihn aufs Sofa.
„Er hat sein Leben umgekrempelt, hat aufgehört zu trinken, hat ne Bar am Laufen gehalten und hat auch noch im hohen Alter ein Kind gezeugt, das durfte nicht passieren“, dachte er laut nach.
„Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll, tut mir leid“, weinte Senga das erste Mal seit der Nachricht auch.
„Sei einfach bei mir, bitte“, bat er und sie setzte sich zu ihm, legte ihren Kopf auf seinen Schoß und weinte, während er ihren Kopf streichelte.
 
Senga schreckte auf, als die Tür im Schloss ging.
„Ganz ruhig, das ist nur Callan“, sagte er mit sanfter Stimme. Er saß wie eine Statue starr auf dem Sofa, er schien sich in der Zeit, in der sie geschlafen hatte, nicht bewegt zu haben.
„Hey, kannst du nicht schlafen?“, setzte sie sich auf und strich über seine Wange.
„Nein, immer wenn ich einschlafen will, muss ich an ihn denken. Du hast aber tief und fest geschlafen, das ist gut, ich brauche einen ausgeruhten Menschen an meiner Seite. Schlaf weiter, ich geh zu ihr“, stand er auf und legte ihren Kopf vorsichtig aufs Sofa.
„Hey“, begrüßte er die Polizistin leise.
„Hey, schläft sie?“, begrüßte Callan, Alex.
„Sie hatte geschlafen, ich hoffe, sie schläft aber wieder ein. Habt ihr was erreicht?“, wollte er wissen.
„Im Moment noch nicht, aber ich kümmere mich persönlich darum, dass das aufgeklärt wird, ich war ja schließlich mit deinem Vater auch befreundet. Willst du nicht schlafen?“, war sie besorgt um den schlappen jungen Mann.
„Ich kann nicht schlafen“, sagte er erschöpft.
„Glaub ich dir, ich hab was da, das nehm ich immer, wenn ich nen harten Fall hinter mich gebracht habe. Du musst schlafen, sie ist nicht so stark, dass sie das für euch beide durchziehen kann. Komm, ich geb dir was, es ist fast zwei Uhr nachts“, entgegnete sie und ging mit ihm ins Badezimmer. Es dauerte keine zwanzig Minuten und er war in ihrem Bett eingeschlafen.
 
Als Senga am nächsten Morgen wach wurde, hatte sie Kleidung an, wusste aber wieder nicht, wo sie war. Sie war an viel zu vielen Orten gewesen, sie fand sich gar nicht mehr zurecht.
„Hey, gut geschlafen?“, hörte sie Callans Stimme und realisierte wieder, was passiert war.
„Gut ist relativ, sagen wir, ich hab geschlafen. Wo ist er?“, suchte sie Alex.
„Der schläft in meinem Bett, keine Sorge, ich hab nicht neben ihm geschlafen. Sagst du mir jetzt, warum du in Schottland warst?“
„Ach, wenn ich das nur so wüsste. Ich wollte ihn eigentlich endgültig verlassen, aber dann ist das hier alles passiert. Jetzt kann ich ihn nicht mehr allein lassen. Ich bin so blöd, oder?“, setzte sie sich auf.
„Nein, du bist verliebt, für die Liebe macht man einiges. Du bist hier, seine Frau nicht, das muss doch was bedeuten, oder?“
„Ja, es heißt, sie muss sich um die Bar zu Hause kümmern und konnte nicht mit, sie wäre gern dabei gewesen!“
„Ja, meinetwegen, Liv hat vorhin angerufen, Luca und sie kommen heute Nachmittag hier an“, erklärte die Ermittlerin, die die ganze Nacht an ihrem Küchentisch gesessen hatte.
„Sie kommt hier her? Was ist mit der Show?“
„Es ist Sommerpause, weißt du doch, sie wäre aber auch so gekommen. Curtis hatte leider nicht frei, aber er versucht am Wochenende zu kommen“, erklärte sie.
„Nein, wir sind doch in Gefahr, ich will sie nicht hierhaben“, war Senga besorgt.
„Ihr seid nicht in Gefahr, ich wollte nur sicher sein, aber die wollten nur ihn, ich beschütze euch trotzdem, keine Sorge!“
„Man, ich wollte doch nur gute Quoten einfahren, was Besonderes für die zweite Staffel finden, jetzt bin ich meinen Job los, bin unglücklich verliebt und ein Mann ist tot“, zählte sie auf, was passiert war.
„Warum glaubst du, dass einer dieser Dinge deine Schuld ist? Na ja, der Verlust deines Jobs vielleicht, aber du hieltest das in den Moment für richtig. Die Quoten sind übrigens momentan miserabel, die neue Produzentin bringt’s nicht, sagt Liv“, erklärte Callan weiter.
„Mist, das muss ich auch noch in Ordnung bringen, aber eins nach dem anderen. Erst Mal brauch ich Anziehsachen und so, einige Sachen sind bei Curtis, andere in einem Lagerhaus, Rosy hatte es nicht übers Herz gebracht, meine Sachen zu verkaufen, die Süße, jetzt brauch ich nur noch nen Platz, wo ich wieder alles unterstellen kann. Ich glaube, ich bleibe hier in Boston, hier habe ich mich immer am wohlsten gefühlt in letzter Zeit. Vielleicht bleibt er ja auch, er will sich um Gwen und seine kleine Schwester kümmern“, erkannte sie.
„Ach Süße, ich wünsche es dir und ich freue mich, dass du bleibst. Er weiß es jetzt also!“
„Ja, seit gestern, war vielleicht nicht der beste Zeitpunkt für diese Enthüllung, aber ist mir so rausgerutscht. Er war vollkommen ruhig, als ich es ihm erzählt habe, vermutlich ist ihm das noch gar nicht bewusst geworden. Das ist jetzt auch nicht wichtig. Ich geh jetzt duschen, kümmere dich darum, dass er endlich etwas isst“, bat sie und ging wie selbstverständlich ins Badezimmer.
„Ja, fühl dich wie zu Hause. Ich leg dir neue Anziehsachen raus“, rief sie ins Badezimmer, aber sie hörte sie nicht. Kopfschüttelnd ging sie ins Schlafzimmer um Alex zu wecken.
„Hey Süßer, ist Zeit um Aufstehen“, weckte sie ihn sanft.
„Senga?“, fragte er verschlafen.
„Nein, ich bin’s Callan, es ist fast Mittag“, erklärte er.
„Fast Mittag? Was zum Henker hast du mir gegeben?“, war er überrascht.
„Ja, das Mittel hat schon seine Stärke, aber zumindest hast du geschlafen. Deine Frau hat übrigens vor ner halben Stunde mal angerufen, weiß sie das mit Senga und dir eigentlich?“,
„Auch wenn es dich nichts angeht, ja, das weiß sie, mehr musst du nicht wissen. Ist sie wach?“
„Ja, sie ist unter der Dusche“, entgegnete sie und Alex setzte sich auf und zog sein T-Shirt aus.
„Dann sollte ich ihr mal Gesellschaft leisten“, murmelte er und schlurfte zur Dusche.
„Man, und ich dachte wir wären in den 70ern wild gewesen“, sagte sie kopfschüttelnd und legte sich nochmal im Bett hin.
„Kann ich reinkommen?“, klopfte er bei ihr an die Tür.
„Ich dusch grad, Alex“, rief sie raus.
„Ich weiß, ich brauch ein paar Endorphine um den Tag zu überstehen“, deutete er etwas an und die Tür ging auf.
„Willst du wirklich?“, fragte sie, die nackt wie Gott sie geschaffen hatte vor ihm stand.
„Oh ja, jetzt noch mehr“, drängte er sie ins Badezimmer und verführte sie unter der Dusche.

Neunzehntes Kapitel

 
Lächelnd sah Callan in den Rückspiegel. Das verliebte Pärchen saß mit einem leichten Lächeln auf den Lippen aneinander gekuschelt auf dem Rücksitz. Für die kurze Zeit bis zu ihrer Polizeistation waren sie nur ein Mann und eine Frau die ihre traute Zweisamkeit genossen.
„Tut mir leid, meine Süßen, wir sind da“, hielt sie vor einem Gebäudekomplex.
„Ja, muss wohl sein. Ich muss ihn aber nicht identifizieren oder so, oder?“, war Alex nervös.
„Nein, das hab ich schon gemacht, keine Sorge, du musst nur ein paar Formulare für die Überstellung nach Schottland ausfüllen, dann ist alles erledigt. Wir machen die Bar sauber, so aufgerüstet kann die gut verkauft werden“, plante Callan und sie stiegen aus.
„Das werde ich mit Gwen bereden, habt ihr von ihr gehört?“, wollte er wissen.
„Nein, tut mir leid, aber wir tun alles, um sie zu finden“, versprach Callan.
„Wenn ihr auch noch was passiert ist, weiß ich nicht, was ich mache“, war Senga voller Sorge.
„Ihr wird nichts passiert sein, sonst hätten wir davon gehört. Wir haben inzwischen rausgefunden, dass sie aus Hartford /Michigan kommt, wir haben die Polizei dort schon verständigt und sie sucht nach ihr. Es wird alles wieder gut, keine Sorge“, beruhigte Callan sie.
„Dein Wort in Gottes Ohr. Das ist also dein Arbeitsplatz, hab ich mir irgendwie anders vorgestellt, bin glaub ich schon mal hier vorbei gefahren“, ging sie zaghaft an Alex gekuschelt zum Eingang.
„Soll auch nicht so auffällig sein, ich hab nie gedacht, dass ich dich jemals hier her mitnehmen muss, irgendwie traurig“, dachte Callan laut nach.
„Ja, irgendwie schon, ist auch ein trauriger Anlass. Alles klar bei dir, Schatz?“, wendete sie sich an Alex, der die ganze Fahrt über nichts gesagt hatte.
„Weiß ich nicht so genau, denk schon“, entschied er und Callan öffnete mit einem Pin die Tür.
„Wenn du weg willst, sag es einfach, ich kann das auch alles für dich regeln“, war Senga hilfsbereit.
„Nein, bis ich meine Familie erreiche, muss ich das tun. Zumindest wurde mir mein ganzes Leben eingebläut, was in seinem Todesfall geschehen soll, so kann ich das alles emotionslos durchziehen“, entschied er und ging mit den Frauen rein.
„Na ja, so ganz emotionslos wird das nicht von Statten gehen, du kannst ruhig weinen, ich hab schon harte Rocker weinen sehen“, bemerkte sie und ging an die Anmeldung.
„Hey Brad, ich brauch zwei Besucherausweise“, begrüßte sie den Sicherheitsbeamten am Eingang freundlich.
„Klar, Call‘, für dich mach ich fast alles. Gib mir mal die Namen“, erkannte der Beamte und lächelte sie an.
„Senga McNab und Alexander Macintosh!“
„Macintosh, wie der Macintosh-Mord?“, fragte Brad und Callan sah ihn kritisch an.
„Er war mein Vater“, sagte Alex traurig.
„Mein herzliches Beileid, hier, die Ausweise. Tut mir leid, Boss“, entschuldigte sich Brad.
„Schon gut, pass nur etwas auf deine Wortwahl auf. Kommt Leute, entschuldige Alex“, entschied sie.
„Schon gut, gehen wir“, bat er nervös und sie folgten Callan zum Fahrstuhl.
Ein Kribbeln durchfuhr Sengas Magen, als der Fahrstuhl sich nach oben bewegte. Nervös bewegte sie ihre Finger in der Hand, die Alex festhielt. Er bemerkte ihre Nervosität, zog ihre Hand hoch und küsste sie sanft.
„Der Fall deines Vaters hat in meiner Abteilung für viel Gesprächsstoff gesorgt, die haben irgendwie rausgefunden, dass ich mal was mit ihm gehabt hatte. Also wenn die euch komisch angucken, dann nur deswegen. Ich hab ihnen aber gedroht, dass jeder, der eine unpassende Frage stellt, zwei Wochen bei den Cleanern Tatorte reinigen muss“, erklärte sie und die Fahrstuhltüre sprang auf. Die Leute in der Abteilung hatten schon Wind bekommen, wer da in die Abteilung kam und sie starrten sie an, während sie zum Verhörraum gingen.
„Habt ihr nichts anderes zu tun? Geht an die Arbeit, wir haben einen Mord aufzuklären“, tönte sie in die Runde und drängte die beiden unter den wachsamen Augen ihrer Kollegen in den Verhörraum.
„Man, die sind wie Geier, tolle Ermittler aber nen bisschen zu neugierig. Setzt euch bitte“, bat sie und sie nahmen Platz. Der Raum war nicht grad einladend.
„Tut mir leid, mein Büro ist verglast, hier haben wir unsere Ruhe. Hier sind die Papiere, wir versuchen das so einfach wie möglich für dich zu machen. Es wird etwas dauern, bis wir den Leichnam freigeben können, aber wenn es soweit ist, wird es ganz problemlos über die Bühne laufen“, erklärte Callan und legte ihm die Papiere vor.
„Ich dachte, ich kann ihn gleich mit nach Hause nehmen“, wunderte sich Alex und es war ein Stich ins Herz für Senga, weil er mit nach Hause nicht Boston meinte, so also nicht bleiben wollte.
„Das ist noch eine laufende Ermittlung, wir können ihn noch nicht freigeben, tut mir leid. Ich dachte, du willst hier bleiben um dich um einiges zu kümmern“, sprach Callan ihn darauf an.
„Erst Mal muss ich mich um meine eigene Familie kümmern“, war er wortkarg.
„Gwen gehört jetzt auch zu deiner Familie“, zischte Senga. Seine Worte schmerzten sie.
„Wir wissen nicht, ob ihre Geschichte stimmt, vielleicht will sie auch nur groß erben“, tönte er.
„Was ist mit dir los? Gwen ist eine ehrliche Person und dein Vater war nicht Bill Gates, was schwafelst du für einen Mist? Brauchst du mich hier noch?“, maulte sie und sah Callan an, die den Kopf schüttelte.
„Gut, dass ich ne New Yorkerin bin, da weiß ich bestens, wie man ein Taxi ruft. Wir sehen uns zu Hause Callan und du, Scheiß egal, ob ich dich wiedersehe“, war Senga plötzlich richtig sauer und stürmte aus dem Büro. Was war mit ihm los? Erst Minuten zuvor hatten sie am gleichen Strang gezogen, sie hatte Hoffnung geschöpft, dass er bei ihr blieb, aber er war nur gekommen um seinen Vater mitzunehmen, sonst nichts. Die Beamten sahen sie an. Sie sah sicher verwirrt aus.
„Guckt nicht so blöd, ruft mir nen Taxi“, bat sie und ein Beamter rief ihr eins.
 
Im Schneidersitz saß Senga an diesem Nachmittag auf Callans Sofa. Sie starrte gegen die Wand, so wie ihr Freund die Nacht zuvor.
„Wie lang macht sie das jetzt schon?“, fragte Liv ihre Tante, die zusammen mit ihrem wiedervereinten Ex-Mann bei ihr auf der Terrasse vor dem Haus saß.
„Sie war schon so, als ich heimgekommen bin!“
„Und er?“
„Ihn hab ich in einem Hotel untergebracht mit gutem Sicherheitsdienst. Er wird noch ne Weile hier bleiben, ich hab keine Ahnung, was er vorhat, aber er hat sie ziemlich gut gelogen, hab es ihm auch kurz abgekauft. Sie hängt viel zu sehr an ihm, das ist nicht gut“, schlussfolgerte Callan.
„Kannst du mal fünf Minuten ihre Freundin sein und kein Cop? Sie leidet, da ist es scheißegal, ob oder warum er lügt, irgendeiner von uns muss zu ihr gehen und mit ihr reden“, reagierte Liv auch gereizt.
„Du bist die Therapeutin, tu dir keinen Zwang an“, entschied Callan und Liv stand auf.
„Wenn du Luca einem Verhör unterziehst, bin ich so schnell weg wie ich gekommen bin", bemerkte sie und ging zu Senga.
„Hey Süße, wie geht’s dir?“, setzte sie sich neben sie.
„Ich geb‘s auf, ich bin eine starke Frau, aber jetzt reicht es mir“, konterte sie nur.
„Die Liebe gibt man nicht so schnell auf, ich war auch kurz davor und jetzt sieh mich an, ich bin schwanger, Seng“, gestand sie.
„Bist du sicher, dass es von ihm ist?“, fragte sie ihre Freundin nur.
„Das hast du jetzt nicht wirklich gefragt, oder?“
„Tut mir leid, natürlich ist es von ihm, es ist nur was, was er gesagt hat, er glaubt nicht, dass Gwens Baby von seinem Vater ist. Ich weiß nicht, wie er auf so einen Scheiß kommt“, war sie immer noch wütend auf ihn.
„Du hast auch nur ihr Wort!“
„Du glaubst ihr auch nicht?“
„Ich kenn sie nicht gut genug, um mir ein Urteil darüber zu bilden. Meine Tante glaubt, dass er eine Show abzieht“, gestand sie.
„Ich weiß, ich kenn ihn langsam gut genug, es tut trotzdem umso mehr weh. Du bist schwanger?“, realisierte sie erst jetzt.
„Ja, ich weiß es erst seit gestern, er weiß es noch nicht, ich wollte es ihm eigentlich am Wochenende bei unseren zweiten Flitterwochen erzählen, aber ich glaub, ich mach es heute Abend“, erklärte sie.
„Ich freu mich für dich, komm her“, umarmte sie sie herzlich.
„Danke, ich freu mich auch sehr, da die Sendung grad den Bach runtergeht werde ich in ein paar Monaten genug Zeit für ein Baby haben“, entgegnete sie mit Wehmut.
„Ja, hab’s gehört, tut mir leid!“
„Kannst du ja nichts für!“
„Doch, kann ich, ich hab euch im Stich gelassen“, entschuldigte sie sich.
„Nein, hast du nicht, du hattest Probleme, jetzt geht es dir besser, na ja, bis heute. Er hat dich nicht verdient, Süße“, entschied sie.
„Dir ist schon klar, dass du während dieses Gesprächs deine Meinung geändert hast, oder?“, fragte sie trocken.
„Nein, hab ich nicht, er hat dich nicht verdient, aber du hast ihn verdammt noch mal verdient“, entgegnete Liv und nahm ihre Hand.
„Ich weiß nicht so genau, was ich dazu sagen soll“, sagte sie kritisch.
„Er gehört zu den Guten, das wollte ich nur sagen, deshalb hast du ihn verdient. Das wird schon irgendwie mit euch, da bin ich ganz sicher“, versprach Liv.
„Oh, das ist jetzt wieder deine Therapeutenstimme, die gefällt mir gar nicht“, murrte Senga und starrte wieder an die Wand.
„Sorry, das wollte ich dir ja nicht antun, ich kann das nicht immer abstellen. Komm zu uns raus, das Wetter ist so schön“, zog sie ihre Freundin hoch.
„Ich will nur schlafen“, murmelte sie.
„Ja, das kenn ich, aber wenn du dich mal hinlegst, stehst du nicht mehr auf, du hast dass doch bei mir erlebt. Das werden wir bei dir vermeiden, auch wenn du ihn grad schlagen könntest, musst du jetzt für ihn da sein“, entschied sie und zog sie raus.
„Hey, schaut mal, wer sich daraus traut. Du hast mich noch gar nicht begrüßt, Kleines“, begrüßte Luca sie mit einer Umarmung. Livs Ex und sie waren gut befreundet und sie freute sich ihn wieder in ihrem Leben zu haben.
„Gut siehst du aus, kriegst langsam graue Haare, mein Lieber“, neckte sie ihn.
„Liv, deine Freundin ärgert mich“, maulte er.
„Hör auf ihn zu ärgern, du weißt wie empfindlich er da ist“, schmunzelte Liv und Senga lächelte matt
„Kann ja nicht jeder so jung aussehen wie du“, machte Luca ihr ein Kompliment.
„Immer noch der gleiche Schleimer, aber danke. Ich freu mich so, euch wieder zusammen zu sehen, ihr gehört einfach zusammen“, sagte sie matt lächelnd und fasste an beider Arme.
„Ja, das tun wir. Jetzt kochen wir was, du musst was essen und ich auch. Schatz, komm mal mit, ich will dir was erzählen“, wollte Liv ihrem Freund von ihrer Schwangerschaft erzählen und ging mit ihm ein paar Schritte auf dem Weg.
„Sie ist schwanger“, sagte Senga zu Callan.
„Was, ernsthaft? Was für eine tolle Nachricht in so einer schlimmen Zeit. Meine Schwester wird ausflippen, wenn sie das erfährt, sie hat sich so ein Enkelkind gewünscht und immer befürchtet dass Liv erst Mal große Karriere machen will, vor allem nach der Trennung von ihm. Dir muss es aber im Herzen wehtun, dass sie so glücklich ist und du nicht“, erkannte sie mitfühlend.
„Bis jetzt nicht, aber danke für den Hinweis. Ich geh etwas spazieren“, wurde ihre Stimmung mieser und sie ging in gegengesetzter Richtung die Straße entlang.
 
„Iss was bitte, auch wenn du keinen Hunger hast“, bat Callan an diesem Abend, als sie zusammensaßen und Senga nur in ihrem Essen herumstocherte.
„Ich glaub, ich geh ins Bett“, stand sie ruckartig auf und ging ins Schlafzimmer.
„Soll ich zu ihr gehen?“, war Liv unsicher.
„Nein, lass sie, wenn sie ihre Ruhe braucht, müssen wir sie ihr lassen. Du wolltest doch die Nummer deiner Mutter haben von dem Hotel in Florida wo sie grade ist. Ich glaub, die hab ich hier notiert“, entgegnete Liv und kramte in einem Schrank herum. Plötzlich entdeckte sie was, was sie erschreckte.
„Scheiße, verdammt, verflucht“, fluchte sie und drehte sich ruckartig um.
„Das waren eindeutig zu viele Schimpfwörter für ne Beamtin“, schmunzelte Luca, aber sein Lächeln verschwand, als er ihr Gesicht sah.
„Meine Zweitwaffe ist weg“, stammelte sie.
„Was heißt weg?“
„Ich hab sie hier im Schrank versteckt, für den Notfall, sie ist nicht mehr da“, wurde sie nervös.
„Sie ist dir geklaut worden?“
„Ja und ich weiß glaub ich von wem“, schlussfolgerte sie.
„Senga“, rief Liv entsetzt und eilte zu ihrer Freundin. Die hatte sich in ein Kissen gekuschelt, was noch nach ihm roch und weinte.
„Was? Kann man hier nicht mal fünf Minuten schlafen?“, schniefte sie.
„Gib sie her“, tönte Liv.
„Von was redest du?“, verstand sie nicht.
„Callans Waffe ist weg!“
„Was hab ich damit zu tun?“
„Du hast sie genommen, gib’s zu!“
„So depri bin ich jetzt doch nicht, vielleicht hat sie sie einfach verlegt!“
„Gib sie her, verdammt!“
„Ich hab diese gottverdammte Waffe nicht, kannst du mich nicht einfach schlafen lassen, bitte“, wurde sie laut.
„Ich mein nicht sie“, kam Callan zu ihnen.
„Nein, nicht er, warum schließt du das Ding nicht weg?“, sprang Senga auf.
„Tut mir leid, ich schließ das sonst immer weg, ich hatte nur etwas Stress in letzter Zeit. Ich ruf bei dem Hotel an“, entschuldigte sich Callan und eilte raus.
„Wenn er sich was antut, könnte ich mir das nie verzeihen“, begann Senga wieder zu weinen.
„Ich hab mit ihm gesprochen, das macht er nicht, keine Sorge“, versuchte Liv sie zu beruhigen.
„Ich muss zu ihm“, nahm Senga ihre Jacke.
„Das ist ja schön und gut, aber was willst du machen wenn er wirklich die Waffe hat. Willst du dich abknallen lassen?“, versuchte Liv sie abzuhalten.
„Im Moment nicht, nein, ich will mein Patenkind noch aufwachsen sehen. Er schießt auch nicht auf mich, denke ich“, zog sie ihre Schuhe an.
„Ah, da redet die Expertin, nehm wenigstens den Cop mit!“
„Wie ich sie kenne sitzt sie eh schon im Auto. Callan, können wir?“, rief sie raus.
„Er ist aus dem Hotel abgehauen“, erklärte Callan, die wieder zu ihnen reinkam.
„Was heißt abgehauen, ich dachte, die haben einen guten Sicherheitsdienst!“
„Er ist kein Gefangener, er hat dem Portier gesagt, er mache einen Spaziergang, das ist aber schon ne Stunde her. Jetzt streng mal dein Köpfchen an, wenn du ihn so sehr liebst, wo ist er?“, wollte Callan wissen, während sie zum Wagen gingen.
„Das klang jetzt beleidigend, denn du weißt genau, dass ich das nicht weiß“, murrte sie und setzte sich auf den Beifahrersitz.
„Sorry, bin zu wenig verliebt gewesen um das zu kapieren. Vielleicht ist er ja am Macintosh, ist nen Versuch wert!“
„Ich glaub nicht, dass er an den Ort zurückgeht, wo sein Vater ermordet wurde, aber du bist der Cop, gehen wir deiner Idee nach“, entschied sie und sie fuhren los. Das Macintosh sah verlassen aus, aber die Hintertür stand einen Spalt offen.
„Es ist jemand hier“, flüsterte Macintosh und zog ihre Dienstwaffe.
„Knall mir bloß nicht meinen Freund ab, hörst du?“, bat sie ernst und Callan nickte bevor sie hineinschlich. Senga ging unsicher hinterher.
Als Senga den Lichtschalter für den Barbereich anmachte, fiel ein Schuss und sie fühlte einen Schmerz in ihrer Seite. Als das Energiesparlicht langsam anging, sah sie schemenhaft Alex auf der Bar sitzen, in der Hand Callans Revolver.
„Du hast mich getroffen“, murmelte sie und ging auf die Knie.
„Fallenlassen“, brüllte Callan und mit glasigen Augen ließ der junge Mann die Waffe fallen.
„Senga, hörst du mich?“, kniete sie sich zu ihrer Freundin, die viel Blut verlor.
„Liebe tut weh“, murmelte Senga, bevor sie bewusstlos wurde.

Zwanzigstes Kapitel

 
Ein Piep folgte auf ein weiteres Piep des Herzmonitors und ihre Lungen füllten sich mit Sauerstoff. Sie lebte noch, aber jeder Atemzug tat weh. Sie verkeilte ihre Hand im Laken und spürte den Schmerz durch ihren Körper fließen.
„Sie wird wach“, hörte sie Livs Stimme.
„Er schießt nicht auf mich, noch so’n Irrtum von mir“, entgegnete Senga schwach. Ihr Mund fühlte sich trocken an.
„Sei froh, dass es dein Loverboy auf 1,5 Promille geschafft hat in dieser kurzen Zeit und die Kugel dich nur gestreift hat. Wie geht es dir?“, hörte sie Callans Stimme. Die Kriminalbeamtin saß breitbeinig in blutiger Kleidung am Fenster.
„Ich hab Durst“, sagte sie nur.
„Ich geb dir was zu Trinken, hier“, reichte Liv ihr liebevoll einen Becher Wasser, den sie gierig trank.
„Wo ist er?“, wollte Senga wissen.
„Der Kerl hat sie grad massakriert und sie liebt ihn immer noch, unglaublich“, hörte sie Curtis‘ Stimme, der mit einem Halter voller Kaffeebecher zu ihnen kam.
„Ihr habt ihn doch nicht verhaftet, oder?“
„Er ist in einer Ausnüchterungszelle, aber wir holen ihn da raus. Er wollte Rache nehmen am Tod seines Vaters und die Schützen in die Bar locken, das hat er zumindest gelallt, bevor er bewusstlos wurde, war nicht einer seiner besten Einfälle. Das wird zwar ne Weile wehtun, weil eine Rippe angeknackst wurde, aber du wirst es überleben. Ich lass ihn als Strafe zusammen mit zwei meiner Kollegen eine Woche lang Tatorte putzen, du hast uns allen eine Scheißangst eingejagt“, erklärte Callan.
„Wann kann ich hier raus?“, wollte sie wissen.
„Ein paar Tage musst du schon drin bleiben, er wird ne Weile schlafen und wird dann länger befragt, du wirst ihn noch früh genug sehen. Man, du bist das erste Opfer, das es nicht erwarten kann zum Täter zu kommen“, sagte Callan kopfschüttelnd und kam zu ihr.
„Es war ein Unfall, ich werde ihn nicht anzeigen“, konterte sie trocken.
„Natürlich war es ein Unfall, aber mit weitreichenden Konsequenzen. Ich bin beurlaubt, bis das alles geklärt ist. Ich hatte grade Urlaub, ich brauch jetzt echt keine Ruhe, da komm ich viel zu sehr zum Nachdenken“, entschied Callan, die aufgekratzt schien.
„Das tut mir so leid, das ist alles meine Schuld“, entschuldigte sich Senga.
„Wie sollte das auf irgendeine Weise deine schuld sein?“
„Ich hab ihn in dein Leben gebracht“, konterte sie.
„Nein, er ist in dein Leben gekommen und ich gehöre auch zu deinem Leben, also musste das irgendwie passieren“, bemerkte sie und erhielt in diesem Moment einen Anruf.
„Tut mir leid, ich muss wegen … ich komm nachher wieder, versprochen“, bemerkte sie plötzlich abwesend und ging davon.
„Okay, das war jetzt seltsam, kann ich dir irgendwie was bringen?“, sah Curtis ihr nach.
„So’n Kaffee wäre nicht schlecht“, streckte Senga ihre Hand aus.
„Kein Koffein für dich, tut mir leid. Ich darf ja auch nicht“, bemerkte Liv.
„Er weiß es also schon?“, fragte Senga, Liv.
„Ich hab ihn die Schwangerschaftstests kaufen lassen, irgendjemand musste es ja tun, ich bin viel zu berühmt“, bemerkte Liv cool.
„Das der Kerl aus den Morgennachrichten einen Schwangerschaftstest kauft, ist ja auch viel unauffälliger. Der Apotheker hat mir zugezwinkert, jetzt muss ich wohl irgendeine arme Seele schwängern“, entgegnete er sarkastisch.
„Das war echt gemein, warum hast du nicht Rosy losgeschickt?“, wollte Senga wissen.
„Dass du die Arme für jeden Tampon mitten in der Nacht losgeschickt hast, heißt nicht, dass ich das auch tue!“
„Du stellst mich so dar, als wäre ich die Chefin aus „Der Teufel trägt Prada“
„Du hast sie doch mal um zwei Uhr nachts Tampons kaufen lassen, oder?“
„Einmal und das war echt ein Notfall. Apropos Notfall, ich bräuchte vermutlich in den nächsten Tagen wieder welche, könntet ihr mir welche besorgen?“, hoffte Senga und Liv sah Curtis an.
„Ich flieg zwar mitten in der Nacht hierher, um dir beizustehen, aber Tampons gehen echt zu weit“, murmelte Curtis.
„Ich besorg dir welche. Ich fahr kurz mal heim und hol dir ein paar bequeme Sachen, Curtis sei nett“, bat Liv und ließ sie auch allein.
„Ich kauf dir keine Tampons“, maulte Curtis.
„Musst du nicht, Curt‘. Setz dich einfach zu mir hin, bitte“, bat sie und Curtis setzte sich hin.
 
Während Senga sich mit Curtis unterhielt, klackerten die Absätze von Callan McLachlan über den Flur des Polizeireviers. Alex war wachgeworden und randalierte in der Zelle.
„Danke, dass Sie gleich angerufen haben, ich kümmere ich mich um ihn“, bedankte sie sich bei einem Beamten und ging zur Tür des Raums, in dem Alex war.
„Waffe“, bat der Beamte.
„Ja, sicher, der Fehler sollte mir nicht zwei Mal passieren“, schmunzelte sie, aber der Beamte verzog keine Miene, als er ihre Waffe entgegen nahm.
„Noch kein Witz-Material, verstehe. Halten Sie das auch, das muss ich in die Reinigung bringen, wenn er draufkotzt“, bemerkte sie und gab ihm auch ihr Jackett, bevor sie reinging. Alex hatte die mit einem Gummilaken bezogene Matratze vom Boden aufgehoben und trommelte dagegen.
„Ich bin nicht Bürger dieses Landes, ihr könnt mich hier nicht festhalten“, wütete er.
„Du hast auf eine Person geschossen, wir können so einiges“, bemerkte sie cool.
„Ich hab sie umgebracht, es tut mir so leid“, begann er zu weinen.
„Du hast niemanden umgebracht“, beruhigte sie ihn.
„Sie lebt noch?“, schniefte er.
„Ja, natürlich lebt sie noch, Wilhelm Tell, du bist ein miserabler Schütze, sie hat ne ziemliche Wunde und ne angeknackste Rippe, aber sie wird es überleben. Du hingegen kommst nicht so glimpflich davon“, drohte sie ihm.
„Sie verklagt mich?“
„Nein, sie würde dich am liebsten gleich heiraten, ich schieb das mal auf die Medikamente die sie bekommt. Ich lass mir was für dich einfallen, ich bin wegen dir suspendiert, ich hab ne Menge Zeit mir was auszudenken. Ich besorg mir erst mal einen Waffentresor, jetzt wo Liv ein Kind bekommt brauch ich den eh“, entschied sie.
„Du wirst Großtante, gratuliere. Wann kann ich zu ihr?“
„Du bist nicht mal ganz nüchtern, heute nicht mehr, dass du dich überhaupt noch an gestern erinnerst ist schon traurig, du warst ja ziemlich betrunken“, dachte sie laut nach.
„Ja, ich wollte mir nur Mut antrinken, was hattet ihr da eigentlich verloren?“, versuchte er einen klaren Gedanken zu fassen.
„Sie hatte die Sorge, dass du dich umbringen würdest, jetzt hast du sie fast umgebracht, das hat was ironisches“, erklärte sie.
„Ich liebe sie“, sagte er plötzlich.
„Ja, so weit sind wir schon, du bist aber immer noch verheiratet und benimmst dich wie ein Arsch ihr gegenüber“
„Das hab ich nur gemacht, dass sie nicht in der Nähe ist, wenn ich die Mörder meines Vaters töte“, erklärte er.
„Du weißt wer ihn umgebracht hat?“
„Nein, nicht direkt, ich hab nur auf gut Glück gehofft, dass sie zurückkommen würden, mit 1,0 Promille im Blut hat das mehr Sinn ergeben“, murmelte er und bekam von ihre eine Kopfnuss.
„Au, gehört das schon zu meiner Bestrafung?“, maulte er.
„Nein, mir war nur danach. Komm mit, hier stinkt es nach einigen Sachen, die ich nicht identifizieren kann. Du bleibst aber an meiner Seite, keine Alleingänge mehr, verstanden?“
„Ja, Detective“, murrte er und sie holte ihn aus dem Knast.
 
„Du hast ihn hierher mitgenommen?“, zischte Liv, als sie sich mit ihrer Tante vor der Tür unterhielt. Sie hatte Alex zu sich nach Hause mitgenommen.
„Ja, wo sollte ich sonst mit ihm hin?“
„Äh, ins Hotel, wo er hingehört. Ich will ihn nicht hierhaben“, murrte Liv.
„Er ist harmlos und ich bin bewaffnet“, entschied Callan.
„Wir haben ja gestern Nacht gesehen wie gut du mit deinen Waffen umgehen kannst“, entgegnete Liv trocken.
„Autsch, das hat gesessen“, kommentierte Curtis von der Bank aus, auf der er vor der Tür saß.
„Lies dein Buch, Curt“, raunzte Callan.
„Miau, da ist eine schlecht drauf“, sagte er lesend.
„Ich bin suspendiert und meine Freundin wurde angeschossen, ich darf schlecht drauf sein!“
„Ihr geht’s gut und du wirst bald wieder eingesetzt, wen ich deinem Dienstpsychologen erkläre, dass du fit genug bist für den Dienst“, versprach Liv.
„Ich hab niemanden erschossen, ich bin suspendiert, weil ich meine Waffe nicht weggeschlossen habe. Das war nicht mal meine Dienstwaffe, verdammt“, maulte sie.
„Siehst du, das wird schon wieder, glaub mir“, bemerkte Liv.
„Senga hat Recht, dein Psychologen-Ich ist echt ätzend. Ich werde meinem Gast jetzt was kochen, tut euch keinen Zwang an reinzukommen, sonst könnt ihr wo anders was essen gehen“, bemerkte sie trocken und ging zu Alex.
„Hey, ich koch was, irgendwelche Wünsche?“, kam sie zu ihrem Gast, der wieder auf dem Sofa saß und die Wand anstarrte.
„Da ich mich vermutlich noch übergeben werde heute, irgendwas weiches und wenig gewürztes“, murmelte er, ohne sie anzusehen.
„Toast Hawaii gut?“
„Ja, ohne die Ananas!“
„Also nen Sandwich mit Schinken und Käse“, schlussfolgerte sie.
„Du musst echt nichts kochen, ich hab keinen Hunger.“
„Sandwich zu machen ist nicht kochen, ich mach dir was, iss es wenn du Hunger kriegst. Du kannst duschen, wenn du willst, du brauchst hier nichts durchsuchen, meine Waffen sind beide eingezogen“, entgegnete sie cool.
„Du vertraust mir also nicht mehr!“
„Nicht im Moment, nein, aber vielleicht irgendwann wieder. Möchtest du nen Tee?“
„Bin zwar kein großer Tee-Trinker, aber ich versuch’s mal, danke“, sah er sie endlich an.
„Dann mach ich dir nen Tee. Bis gleich“, ging sie in die Küche.
Als Callan in der Küche war, kamen Liv und Curtis herein und setzten sich links und rechts von ihm.
„Was wird das? Krieg ich jetzt ne Standpauke?“, war er unsicher.
„Liebst du sie?“, fragte Liv.
„Ja, das tu ich!“
„Bist du wirklich mit ner Lesbe verheiratet?“, wollte Curtis entgegen wissen.
„Ihr erzählt euch auch alles, was? Ja, ich bin mit ner Lesbe verheiratet, sie ist meine beste Freundin, aber ich könnte sie nie so lieben wie ich Senga liebe“, entschied er.
„Du kannst Senga kaum so sehr lieben wie deine beste Freundin!“
„Nicht so wie sie, anders halt, man, wart ihr nie verliebt?“, grummelte er und hielt seinen schmerzenden Kopf.
„Doch, wir sind es grade, deshalb wissen wir, dass Liebe Arbeit bedeutet, nicht ein One-Night-Stand und heiße Küsse wenn es die Frau nicht sieht“, entgegnete Liv trocken.
„Ein One-Night-Stand setzt nur eine Nacht voraus, wir hatten eindeutig mehr als einmal Sex, sogar einmal mit meiner Frau zusammen“, brüstete er sich.
„Das sind eindeutig zu viele Informationen für meinen Geschmack. Ich glaub, ich helf Liv beim Kochen“, war Liv von seinen Erzählungen angeekelt und ging in die Küche.
„Ich hatte auch mal nen teuflischen Dreier, als ich noch nicht wusste, wo es mich hin verschlägt“, warf Curtis ein.
„Super, jetzt ist mir übel, entschuldige mich“, murmelte Alex und eilte ins Badezimmer.
„Klasse, der Mann, der meine beste Freundin liebt ist homophob“, sagte er kopfschüttelnd.
„Meine beste Freundin ist ne Lesbe, ich bin nicht homophob, nur verkatert“, rief er aus dem Badezimmer.
„Man, kannst du gut hören“, rief er zurück.
„Die Tür ist auf und du redest ziemlich laut. Hab ich mich schon mal bedankt, dass du uns nen Privatjet geschickt hast?“, fragte er und kam etwas bleich um die Nase wieder raus.
„Nein, aber das hab ich eher wegen ihr gemacht, sie wollte ja weg von dir“, konterte Curtis.
„Soll mich das jetzt schocken? Das weiß ich doch, wir haben darüber geredet. Ich bin verheiratet, den Mist hab ich mir selbst eingebrockt, ich versuch alles, aber ich komm nicht von ihr los“, erklärte er.
„Du versuchst es nicht, weil du es nicht willst. Aber wer bin ich dich zu richten, ich bin wieder mit meinem Ex zusammen und bin jetzt schwanger von ihm“, erklärte Liv, die mit zwei Tassen Tee zu ihnen kam.
„Ja, hab’s gehört, gratuliere. Wo ist der glückliche Vater eigentlich?“, sah Alex sich um.
„Im Krankenhaus, wir wechseln uns ab“, entschied Callan, die ihrer Nichte folgte und stellte ihm ein Sandwich hin.
„Das ist nett“, wusste er nicht genau, was er dazu sagen sollte und mümmelte brav sein Sandwich.
 
Senga döste vor sich hin, vollgedröhnt mit Schmerz- und Beruhigungsmitteln, als Schritte sich ihr näherten. Luca döste auf dem Stuhl vor der Tür. Hektisch suchte sie nach dem Schwesternruf auf ihrem Bett.
„Hey, ich hab gehört, du suchst nach mir“, hörte sie Gwens Stimme.

Einundzwanzigstes Kapitel

 
„Gwen, Süße, Gott sei Dank, dir geht’s gut“, war Senga so glücklich, ihre Freundin wohlbehalten an der Hand zu halten.
„Ich war nie in Gefahr, im Gegenteil zu dir. Du wurdest von Alex angeschossen?“
„Lange Geschichte, ich lieb ihn immer noch. Adair ist tot“, sagte Senga nur.
„Ja, ich weiß, ich hab’s gehört, deshalb bin ich jetzt wieder hier. Wer ist der Kerl vor der Tür, der schnarcht wie ein Mähdrescher?“, wollte sie wissen.
„Der Ex und jetzt wieder Freund von Liv, die wollen mich irgendwie überwachen, denk ich. Wie geht’s dir?“, wollte sie wissen.
„Ich wollte ihn heiraten, er hat mich gefragt“, sagte Gwen betrübt.
„Deshalb bist du heim, du wolltest dich offiziell scheiden lassen, tut mir so leid für dich“, zeigte sie ihr Mitgefühl.
„Na ja, ein gutes hat es, mein versoffener Ehemann hat die Papiere unterzeichnet, wenn das alles schnell durchläuft, bin ich in wenigen Wochen eine geschiedene Frau“, erklärte Gwen.
„Das ist toll, traurig in der Situation, aber toll. Alex weiß jetzt, dass du ein Geschwisterchen von ihm austrägst, erst hat er gut reagiert, jetzt behauptet er, Adair wäre sicher nicht der Vater“, gestand Senga.
„Arschloch, natürlich ist es Adairs Kind, sonst hätte ich ihm das nicht erzählt. Warum willst du nochmal mit ihm zusammen sein?“
„Ich liebe ihn!“
„Ach ja, das, dumme Sache. Wann kommst du raus?“
„Keine Ahnung, ich bin grad ziemlich high, ich bin nur zu 70% sicher, dass du wirklich da bist“, murmelte sie und Gwen zwickte sie.
„Au, was sollte das?“
„Kann eine Wahnvorstellung dir Schmerzen bereiten?“
„Da hast du Recht, du bist also wirklich da. Man, Luca ist ein typischer Künstler, der kann überall so tief und fest pennen, dass ein Jet neben ihm landen könnte. Die Schwester pennt auch irgendwie“, drückte sie den Schwesternruf fester.
„Das Kabel ist draußen“, deutete Gwen auf ein abgelöstes Kabel.
„Super, wirklich beruhigend. Könntest du ne Schwester holen bitte?“, bat sie.
„Sicher, hast du Schmerzen?“
„Ne, nen Druck auf der Blase!“
„Komm, ich helf dir schnell. Ich hab mal als Pflegekraft gearbeitet, zwar kurz, aber ich kann dir helfen“, entgegnete sie und half ihr aufsitzen.
„Oh verdammt, tut das weh, lass dich nie von nem Kerl anschießen, verstanden?“, brummelte Senga, die gestützt auf Gwen zur Toilette ging.
„Ich hab gehört du hast in den letzten Tagen ne kleine Odyssee hinter dich gebracht“, führte Gwen mit ihr Smalltalk.
„Ja, kann man so sagen, aber jetzt bin ich angekommen, glaub ich. Man, das wird ne Narbe geben, das werde ich ihm so was von vorhalten“, zog sie ihren Krankenhauskittel hoch, ihren Verband zur Seite und sah ihre Wunde an.
„Hey, lass das drauf, das entzündet sich sonst noch. Du willst also mit ihm zusammenbleiben?“, wollte Gwen wissen.
„Stell mir eine einfachere Frage. Auf die Toilette schaff ich es alleine, danke“, bat sie, sie allein zu lassen.
„Sicher, ruf mich wenn du fertig bist und Finger weg vom Verband“, forderte Gwen und ließ sie allein. Sie erschreckte sich fast zu Tode, als Luca wortlos vor der Tür im Halbdunkeln stand.
„Man, wenn du schon so schwarzgekleidet rumläufst, musst du schon Laute von dir geben, wenn du gehst“, hielt sie ihre Brust.
„Kennen wir uns?“, fragte der charmante Musiker, der eigentlich immer schick schwarz gekleidet war.
„Tut mir leid, ich bin Gwen, du bist Luca, Livs Ex, richtig?“
„Frühere Ex, jetzt wieder liiert mit ihr, lange Geschichte. Warst du nicht verschollen?“, wunderte er sich und musterte sie.
„Ich war nur bei meinen Eltern, hier ist viel passiert, sie ist auf der Toilette“, war Gwen wortkarg.
„Sie sollte nicht aufstehen“, murrte er.
„Sie will nicht den New York Marathon laufen und ich helf ihr wieder ins Bett, du trägst zu viel schwarz um ein Arzt zu sein“, raunzte sie.
„Ich hab ehrlich gesagt nen Doktortitel in Musikgeschichte, aber das ist nen anderes Thema, du hast grad deinen Freund verloren, also bleib ich sachlich. Wegen dir ist sie verletzt, wir hätten sie verlieren können“, raunzte er.
„Glaubst du nicht, dass ich mir das jeden Tag vorhalte? Wenn sie nicht meinen Brief erhalten hätte, wäre sie jetzt noch eine erfolgreiche New Yorker-Produzentin, hätte keine Sorgen mit Alex und wäre nicht fast draufgegangen“, wurde Gwen laut.
„Entschuldige mal, du bist nen bisschen egomanisch, was? Ich habe selbst über mein Leben entschieden. Hilfst du mir mal bitte?“, kam Senga aus der Toilette und die beiden halfen ihr ins Bett.
„Aber wenn ich diesen Brief nicht geschrieben …“
„Dann hätte ich dich nicht kennengelernt und Adair, der mein Leben trotz der kurzen Zeit die ich ihn kannte bereichert hat“, begann Senga auf einmal zu weinen.
„Ich vermisse ihn auch so sehr“, fing auch Gwen an zu weinen.
„Okay, weinende Frauen sind nicht so ganz meine Sache, ich verzieh mich“, war es Luca unangenehm und trottete davon.
„Keine Sorge, ich bleib bei dir, ich schlaf seit ich von seinem Tod erfahren habe eh nicht mehr. Meine Mutter hat nicht verstanden, dass ich ihn liebe, aber ich tue es, ich werde ihr einen schottischen Namen geben, sie muss ihre Wurzeln kennen“, versuchte Gwen sich zu fassen.
„Ja, das solltest du, ich find Merida schön, dann heißt sie später wie eine Zeichentrickfigur, das gefällt ihr sicher“, konterte Senga, schniefend.
„Hab ich noch gar nicht drüber nachgedacht, gute Idee. Schlaf weiter, ich bewach dich“, sagte sie sanft und setzte sich neben sie.
 
„Danke, dass du ihn ins Hotel gebracht hast“, bedankte sich Liv, als die anderen zur gleichen Zeit an diesem Abend zusammen saßen.
„Ich wusste auch nicht, was ich mit ihm reden sollte, ein Beamter steht vor dem Hotel, er steht also unter Bewachung. Ihr schlaft in meinem Bett, ich auf dem Sofa, Curtis auf dem Boden, tut mir leid, Curt“, plante Callan.
„Schon gut, wo steckt dein Romeo eigentlich?“, wollte Curtis von Liv wissen.
„Bei Senga, weißt du doch, alles klar bei dir?“, wunderte sich Liv.
„Bist du sicher?“
„Hast du gesoffen?“
„Dracula steht am Fenster“, sagte Curtis nur und Callan und Liv sahen zum Fenster, wo Luca stand.
„Heilige …, was macht er da?“, erschreckte sich Callan.
„Keine Ahnung, ich hol ihn rein, manchmal versteh ich den Kerl nicht. Bin gleich wieder da“, murmelte Liv und ging zu ihrem Lover.
„Willst du auch angeschossen werden?“, zischte Liv, als sie zu Luca kam.
„Äh, hi Baby“, schien er verwirrt.
„Sag mal, trinkst du wieder?“, verstand sie seine Reaktion nicht.
„Gwen und Senga weinen“, sagte er nur.
„Gwen ist zurück, wann, wo?“
„Sie kam ins Krankenhaus, grade eben, das mit ihrem Lover wusste sie schon, sie hat angefangen zu flennen, dann hat unsere Süße angefangen zu flennen und ich bin weg. Ich werde Vater, Oliva“, entgegnete Luca, der sie als einziger ungestraft so nennen durfte.
„Ja, das wirst du, hast lang gebraucht um das zu kapieren. Die anderen sind irritiert, dass du hier draußen so rumstehst, kommst du mit rein?“, hoffte sie und führte ihn rein.
 
3 Tage später durfte Senga das Krankenhaus wieder verlassen. Alex war in der ganzen Zeit nicht bei ihr gewesen und sie vermutete, ihre Freunde hatten damit etwas zu tun.
„So, setz dich erst Mal aufs Sofa, brauchst du irgendwas?“, half Callan ihr, sich aufs Sofa zu setzen.
„Alex“, sagte sie nur nachdenklich.
„Man, ich bin in deinem Alter auch mal angeschossen worden, auf Sex hatte ich danach keine Lust“, schmunzelte sie.
„Er hat mich nicht besucht“, sagte sie nur.
„Er hat das Hotelzimmer in den letzten drei Tagen nicht verlassen“, erklärte Callan.
„Hab mir schon gedacht, dass ihr ihn überwacht, vielleicht hat er zu viel Schiss raus zu gehen. Wer von euch hat mit ihm geredet?“, fragte sie trocken, aber mit rechthaberischem Unterton.
„Ich hab ihn nur ins Hotelzimmer gebracht, mehr nicht, auch wenn ich das mit euch nicht gutheiße, fahr ich dich zu ihm“, entschied sie.
„Danke, die anderen hätten das nicht für mich getan. Ist gut, dass sie nicht mehr da sind, auch wenn es schön war, dass sie da waren. Du würdest es zwar nie zugeben, aber tief in deinem Herzen bist du eine verkappte Romantikerin“, schmunzelte sie und stand mit ihrer Hilfe wieder auf.
„Ich bin eine Romantikerin, das geb ich zu, bin nur in den letzten Jahren etwas gefühllos geworden. Schon ne Ahnung was du ihm sagen willst?“
„“Du Arsch hast mich angeschossen“ ist doch ein guter Eisbrecher, oder?“, witzelte sie und ging mit ihr zum Auto.
„Ja, das ist mal ein guter Anfang. Bist du fit genug?“, wollte Callan fürsorglich wissen.
„Ich will ja nicht ne Marathon-Sex-Orgie veranstalten, alles andere schaff ich. Danke übrigens, dass du Gwen sicher untergebracht hast, bis ihr den Mörder von Adair habt, ich will sie und dieses Kind sicher wissen“, bedankte sie sich.
„Versteh ich, aber du darfst keine Wunder erwarten, meine Kollegen haben noch keinen Anhaltspunkt, wer der Mörder sein könnte. Wenn ich dabei wäre, ging’s vielleicht schneller, aber ich bin zum Nichtstun verdammt. Soll ich mit reingehen, oder schaffst du das alleine?“, plante Callan.
„Das schaff ich allein, keine Sorge“, entgegnete sie und Callan fuhr los.
 
Sengas Rippe schmerzte furchtbar als sie den Gang entlang zu seinem Hotelzimmer ging. Sie war keinen Moment sauer gewesen, dass er sie angeschossen hatte, sie wusste ja, dass er das nicht mit Absicht gemacht hatte.
Sie atmete tief durch, was ihre Rippe noch mehr schmerzen ließ und klopfte an die Tür.
„Stellen Sie es vor die Tür“, rief Alex von drinnen.
„Ich bin’s“, sagte sie verwirrt.
„Senga?“
„Nein, die Nutte die du bestellt hast“, sagte sie sarkastisch.
„Ne, die war gestern schon da“, sagte er trocken.
„Ich hoff, das war ein Witz“, rief sie.
„Natürlich war das ein Witz, unser Sexleben ist mir echt genug. Du bist also wieder draußen“, öffnete er ihr lächelnd die Tür. Er sah gut aus, zu gut, er roch nach Rasierwasser und einem netten Hotelshampoo.
„Du hast mich angeschossen, du Arsch“, sagte sie ihren Spruch auf.
„Ja, das hab ich, ich hab gedacht, ich hätte dich verloren“, umarmte er sie stürmisch.
„Au, au, nicht so fest“, sagte sie mit schmerzverzerrtem Gesicht.
„Schussverletzung, hab ich vergessen, tut mir leid“, ließ er sie los.
„Hab ich heut Morgen auch mal vergessen, ist ganz schön ätzend. Ich hab in nächster Zeit genug von Waffen. Du hast grad deinen Vater verloren, du solltest nicht alleine sein“, sagte sie nur.
„Tut mir leid, was ich gesagt habe, dieses Kind ist sicher von meinem Vater, ich wollte nur so fies sein, dass du da nicht reingezogen wirst“, erklärte er.
„Irgendwie wusste ich das, ich hab das nur als Chance gesehen, mich von dir zu trennen. Du bist ein wichtiger Mensch in meinem Leben geworden, unsere Leben sind nur im Moment nicht miteinander vereinbar“, machte sie mit ihm Schluss.
„Du machst mit mir Schluss?“, verstand er nicht.
„Ja, so sieht’s aus, tut mir leid“, entschuldigte sie sich.
„Du hast doch grad gesagt, ich darf jetzt nicht allein sein“, war er den Tränen nahe.
„Jetzt wo wir keine Beziehung mehr haben, kann ich als Freundin für dich da sein“, entgegnete sie.
„Ich hab genug Freunde, ich hab sogar eine Freundin mit der ich nicht schlafen kann geheiratet. Geh jetzt einfach“, bat er ohne eine Miene zu verziehen.
„Du solltest jetzt wirklich nicht allein sein“, wollte sie nicht gehen.
„Werde ich nicht, aber mit dir zusammen sein möchte ich nicht“
„Gut, verstehe“, entschied sie gefasst und ging den Gang wieder entlang zum Fahrstuhl.
 
„Und?“, fragte Callan, als sie wieder ins Auto stieg.
„Ich hab gemacht, für was ich gekommen bin, jetzt lass uns fahren“, bat sie nur.
„Okay, also keinen Kommentar dazu?“, wollte sie wissen.
„Das war mein Kommentar, ich rede nie wieder darüber“, sagte sie nur.
„Sicher, wie du willst. Wir kaufen Eiskrem, du willst mir zwar nicht erzählen was los ist, aber ich fühle, dass du deswegen Eiskrem brauchst“, schmunzelte sie.
„Da kannst du Recht haben, danke“, bedankte sie sich und sie fuhren los.
 
Vier Monate später war es Winter in Boston. Senga hatte sich eine Wohnung genommen und arbeitete ganz zufrieden im Macintosh. Sie hatten einen Sicherheitsmann angestellt, der die Tür bewachte, was Senga besonders wichtig war, vor allem weil die nun hochschwangere Gwen immer noch arbeitete. Der Laden lief gut, besser als sie erwartet hatten und die Leute, die der Sender ihnen besorgte hatte waren ihr Geld wert.
„Seng‘, komm mal schnell bitte“, bat Gwen von einem Tisch aus und Senga kam zu ihr.
„Ist was mit dem Baby?“, fragte Senga hektisch.
„Nein, hör auf damit, es reicht schon dass du mich wie eine Bombe ansiehst, ich sag dir schon, wenn ich Wehen krieg, ein paar Wochen hab ich ja noch. Ich hab nen Brief von Alex gekriegt“, bemerkte Gwen und geplättet setzte sich Senga hin.
„Du hast einen Brief von meinem Ex bekommen?“, fragte sie verwirrt.
„Ja, eine Einladung zur Beerdigung seines Vaters, du hast mir gar nicht erzählt, dass der Fall abgeschlossen ist“, entgegnete sie trocken.
„Ich wusste es auch nicht, anscheinend hat er seiner Familie von dem Baby erzählt“, versuchte sie unbeeindruckt zu wirken, aber Gwen durchschaute das sofort.
„Nein, er hat es ihnen nicht erzählt, dass schreibt er hier, er will mich trotzdem dabei haben. Er scheint das nur aus Höflichkeit zu machen, er weiß, dass ich in meinem Zustand in kein Flugzeug mehr steigen kann“, murmelte sie und zerknüllte den Brief.
„Wenn du da hinwillst, kann ich Curtis anrufen wegen dem Privatjet, ich begleite dich auch“, schlug sie vor.
„Bist du sicher?“
„Vier Monate sind eine lange Zeit und mir hat er auch was bedeutet, Adair mein ich jetzt“, konterte sie.
„Hey, du sprichst mit mir, du meinst nicht nur Adair. Bitte ruf Curtis an, ich möchte dabei sein“, bat Gwen.
„Ich ruf ihn gleich an“, entschied Senga und stand wieder auf.
 
Nachdem ihre Ärztin ihr das Okay gegeben hatte, flog Gwen mit ihrer Freundin nach Edinburgh.
„Wenn das nicht so ein schlimmer Anlass wäre, würde ich es genießen in einem Privatjet zu fliegen“, sah Gwen sinnierend aus dem Flugzeugfenster in die Nacht.
„Ja, ist irgendwie wie ein Urlaub. Man, ich bin nervös, ich hab wohl immer noch Gefühle für ihn“, entgegnete sie.
„Erzähl mir was, was ich noch nicht weiß“, sagte Gwen cool.
„Die abergläubische Angst vor der Zahl 13 nennt man Triskaidekaphobie!“
„Was?“
„Das ist was, was du noch nicht weißt!“
„Wusste ich tatsächlich nicht, danke für die Info“, konnte sie Gwen das erste Mal seit längerem ein breites Grinsen entlocken.
„Dieses Lächeln hab ich vermisst, ich dachte schon, das kommt nicht wieder. Er wird ziemlich sauer sein, wenn wir dort auftauchen, oder?“, dachte Senga laut nach.
„Tja, sie hat mich eingeladen, da komm ich auch“, entschied Gwen.
„Wir werden da aber keine Szene machen, wir gehen dorthin, trauern und fliegen zurück, klar?“, stellte Senga die Regeln auf.
„Ich bin zwar grad ein hormonelles Wrack aber da hab ich eher bei dir die Sorge!“
„Das war wohl nicht so eine gute Idee nach Schottland zu fliegen“, stellte sie fest.
„Zum Umkehren ist es jetzt zu spät, jetzt musst du das durchstehen“, entgegnete sie und Senga lehnte sich im Sitz zurück. Für eine Sekunde dachte sie darüber nach, wie Alex ihr erst vier Monate zuvor in diesem Flieger gegenüber saß und wie nah sie sich damals waren.
 
Eine Stunde vor der Trauerfeier kamen sie in Edinburgh an. Es schneite ziemlich stark und sie kamen nur mühsam mit dem Taxi zum Hotel. Als Gwen auf dem Bett eingedöst war, schlich sich Senga raus. Sie wollte zu ihm vor der Trauerfeier, sie wollte nicht einfach so in der Kirche auftauchen. Sie nahm den Bus zu ihnen. Das Ehepaar kam grad aus dem Haus, als sie dort auftauchte.
„Jetzt hab ich schon deine Wahnvorstellungen, ich seh Senga jetzt auch“, bemerkte Chrystal sie.
„Hey Leute“, begrüßte sie sie.
„Die Wahnvorstellung redet mit uns“, konterte Alex verwirrt.
„Es gibt Flugzeuge wie ihr wisst, ich könnte hier sein, ich bin nicht tot“, bemerkte sie trocken.
„Senga?“, realisierte Alex, dass sie da war.
„Blitzmerker, ich wollte nicht einfach so auf der Beerdigung auftauchen“, erklärte sie.
„Du bist nicht eingeladen“, sagte er trocken.
„Ich weiß, ich begleite Gwen“
„Sie ist hochschwanger, sie sollte nicht mehr fliegen“, erwiderte Alex.
„Deswegen hast du sie auch eingeladen, weil du dachtest, dass sie nicht kommt, Pech, sie ist da, wir haben den Privatflieger des Senders genommen“, wurde Senga pampig.
„Bitte macht keine Szene auf der Beerdigung, es ist Familie ganze anwesend und auch Chrystals Eltern“, wurde er kleinlaut.
„Werden wir nicht, sie will nur dabei sein, sie trägt sein Kind unter dem Herzen, das darfst du ihr nicht verwehren“, bat sie.
„Tu ich nicht, danke dass du uns vorgewarnt hast“, sagte er kühl.
„Bitte, ich seh euch dann auf der Trauerfeier“, bemerkte sie und ging von dannen.
„Ernsthaft? Sie kommt extra für dich nach Europa und du lässt sie einfach gehen? Schon wieder!“, kritisierte Chrystal ihn.
„Sie ist wegen der Beerdigung gekommen“, behauptete er.
„So gut kannte sie ihn nicht, dass sie die lange Reise nur für eine Beerdigung auf sich nimmt. Red mit ihr nach der Trauerfeier, tu mir den Gefallen, bitte“, bat Chrystal.
„Man, du willst mich echt aus der Wohnung haben“, schlussfolgerte er.
„Du trinkst nicht mehr, arbeitest hart und tust alles um diese Fake-Ehe am Laufen zu halten, du hast es verdient“, entgegnete sie.
„Vor der Beerdigung meines Dads mit dem Trinken aufzuhören war eine echt bescheuerte Idee, vor allem, weil ich es nur für sie getan habe“, entschied er.
„Dann sag ihr genau das, sie will dich auch noch, sonst wär sie nicht hier“, wollte Chrystal helfen.
„Bist du sicher? Warte, was hast du davon?“
„Ich treff mich seit ein paar Wochen wieder mit jemandem. Du weißt es, oder?“, gestand sie.
„Ich wohne und arbeite mit dir zusammen, natürlich weiß ich es, du konntest mir noch nie etwas verheimlichen. Ich würde mit ihr weggehen, wenn das mit uns was wird“, wollte er sicher gehen.
„Ich schmeiß den Laden eh schon fast allein, schon gut“
„Wir waren nie länger als ein paar Tage voneinander getrennt seit wir uns kennen“
„Du bist ganz schön anhänglich, mein Süßer“, schmunzelte sie.
„Was sagst du meiner Mutter?“
„Jetzt lass sie dich erst Mal zurücknehmen, dann reden wir über die Details“, schlug sie vor.
„Kaum zu glauben, dass ich vor der Beerdigung meines Vaters über meine Ex nachdenke“, dachte er laut nach.
„Das ist gut, lenkt dich ab. Wir müssen los, der Pfarrer wollte vorher noch mit uns reden“, entgegnete sie und sie gingen zum Wagen.

Zweiundzwanzigstes Kapitel

 
„Guten Tag, liebe Gemeinde, wir sind heut zusammengekommen, um Abschied zu nehmen von Adair Macintosh, einem fürsorglichem Vater und Ehemann …“, begann der Pfarrer die Rede. Senga konnte nicht zuhören, sie starrte die ganze Zeit Alex an, bis Gwen sie in die Seite boxte.
„Die Leute starren dich an“, bemerkte sie trocken.
„Nein, sie starren dich an, geht’s dir gut?“
„Keine Ahnung, der Kleinen geht’s gut, aber ich fühl mich hier nicht wohl“, murmelte sie.
„Das ist die Beerdigung des Mannes den du geliebt hast, das glaub ich dir“, sagte sie liebevoll und die Frauen neben ihr sah sie an.
„Kann man Ihnen helfen?“, raunzte Gwen die Frau an.
„Sie sind also die Kleine, vor der Adair mir vor seinem Tod erzählt hat“, bemerkte die Frau.
„Sie sind Socorra, oder?“, fragte Gwen peinlich berührt.
„Die einzig wahre. Er hat mir nie erzählt, dass ihr ein Paar seid, wir standen uns wohl nicht mehr so nahe wie ich dachte“, entgegnete Socorra.
„Bitte sag mir, dass sie eine Schwester von ihm ist“, flüsterte Senga zu Gwen.
„Keine Ahnung, woher soll ich das wissen?“, flüsterte sie zurück.
„Ich bin seine Ex, Alexs Mum“, sagte die charmante Frau keck.
„Das Kind ist nicht von ihm“, stotterte Gwen plötzlich.
„Doch, ist es, ich seh doch, was für ne Kugel du vor dir hin schiebst, das kann nur ein Macintosh-Junge sein“, schlussfolgerte Socorra.
„Okay, wenn Sie meinen“, murmelte Gwen.
„Es ist ein Mädchen, oder?“, fragte Socorra mit einer seltsamen Stimme.
„Es tut mir leid“, hatte Gwen das Gefühl sich entschuldigen zu müssen.
„Schon gut, sechs Mal hab ich es mit ihm versucht, sechs Mal hab ich gedacht, dass er wohl keine Mädchen produzieren kann, immer hat er mich unterstützt und mir gesagt, dass er jeden Jungen sehr liebt und es nichts ausmacht, dass er keine Tochter hat, aber ich bin sicher, er hätte diese kleine Prinzessin vergöttert“, wurde Socorra nachdenklich.
„Ich muss hier weg“, brach Gwen in Tränen aus und stolperte aus der Kirche.
„Ich geh zu ihr“, entgegnete Socorra und ließ Senga allein neben einer etwas muffelnden alten Dame sitzen, die Senga matt und unsicher anlächelte.
„Was ist hier los?“, setzte sich Alex ganz plötzlich auf den freien Platz neben Senga.
„Warum haben die uns ausgerechnet neben deine Mutter gesetzt?“, fragte Senga leise.
„Sie hat es ihr gesagt? Warum macht ihr so was?“, wurde er lauter.
„Wir haben es ihr nicht gesagt, sie hat es irgendwie erraten. Senke deine Stimme“, flüsterte sie, weil er ziemlich laut wurde.
„Sie ist keine Hellseherin, ihr habt es ihr doch gesagt“, schimpfte er.
„Komm, lass uns zu ihnen rausgehen“, drückte sie ihn bis der Tür.
„Alex, hast du es gewusst?“, wetterte Socorra gegen ihren Sohn, als die beiden bei der weinenden Gwen und der wütenden Socorra ankamen.
„Das ist nicht der Zeitpunkt für unsere Streitereien, Mum“, wurde er kleinlaut.
„Das ist genau der richtige Zeitpunkt. Mein Ex hat ne Frau geschwängert die so alt ist wie mein jüngster Sohn und hatte nicht mal den Schneid es mir zu sagen“, war sie ziemlich geladen.
„Sie haben grade erst zueinander gefunden und er wusste es auch nicht sehr lange“, wollte Senga ihm helfen.
„Wer ist sie jetzt?“, sah Socorra, Senga an.
„Hey, sei nett“, verteidigte er Senga beschützend.
„Sie ist dann wohl die Kleine, die bei deiner Ehe dazwischenfunkt“, musterte Socorra sie.
„Du musst nicht alles wissen, Mum“, murrte er.
„Meine Güte, du liebst sie, hat dir die Geschichte mit deinem Vater und mir nichts gelehrt?“, erkannte sie.
„Du hast Dad geliebt und sechs Kinder mit ihm bekommen, ihr habt euch nur scheiden lassen weil er das mit der Sauferei nicht mehr lassen konnte. Ich bin zurückgekehrt, hab mich in eine sexlose Ehe mit einer Lesbe eingefunden, also lass mich in Ruhe mit dem Mist“, sagte er wütend und trottete davon.
„Liebst du ihn?“, wendete sich Socorra überraschend zu Senga, die sie total verdattert ansah.
„Was er gesagt hat“, entschied sie nur cool und ging ihm hinterher.
„Alex, warte“, fing sie ihm an seinem Wagen ab.
„Warum bist du hierhergekommen?“, fragte er traurig und sie stellte sich nah vor ihn.
„Bis ich in der Luft war dachte ich nur für Gwen, jetzt wo ich dich sehe weiß ich das nicht mehr“, säuselte sie und legte ihre Hand auf seine Brust.
„Bitte tu das nicht, es war schwer genug über dich weg zu kommen“, bat er und legte seine Hand auf ihre.
„Ich geh jetzt lieber, tut mir leid wegen deinem Vater“, zog sie ihre Hand aus seiner und ging ein paar Schritte davon.
„Senga, warte“, bat er leise, aber sie hörte ihn und drehte sich um.
„Ich will nicht mehr ohne dich sein, die letzten Monate waren die Hölle“, bat er und sie kam mit schnellen Schritten zu ihm und fiel ihm um den Hals.
Als sie grade wild am knutschen waren, kam jemand zu ihnen.
„Dass du eins weißt, ich will die Scheidung“, hörten sie Chrystals Stimme.
„Meinst du das Ernst?“, fragte Alex glücklich.
„Natürlich, du Fremdgeher, unsere alte Familien-Fehde sieht zwar vor, dass wir beide heiraten, aber sie sagt nicht, wie lang wir verheiratet sein müssen“, entgegnete Chrystal nur.
„Da hat sie eigentlich Recht, du bist die beste Freundin die sich ein Mann wünschen kann“, umarmte er sie stürmisch und drückte dabei Senga auch an sie.
„Wir könnten da weitermachen wo wir im Sommer aufgehört haben“, schmunzelte sie und Alex ließ sie los.
„Ich dachte du hättest jemand neues!“
„Sie kann auch mitmachen“, schlug sie vor.
„Du musst deine Kleine mal flachlegen, Süße, wir passen. Wir sollten wieder reingehen“, entschied er und ging mit seinen Frauen an den Händen wieder zurück zur Beerdigung seines Vaters.
 
Als Senga an Alex geklammert am Grab stand, während der Sarg heruntergelassen wurde, kam Gwen zu ihr.
„Auch wenn ich mich für dich freue, dass du mich in meiner Situation allein gelassen hast, vergess ich dir nie“, zischte sie ihr wütend hinter ihr stehend ins Ohr und erschreckte sie furchtbar. Wegen der ganzen Alex-Sache hatte sie Gwen ganz vergessen.
„Ich muss kurz weg“, flüsterte sie zu Alex, löste sich von ihm und ging mit Gwen von der Trauergemeinde weg.
„Es tut mir so leid“, entschuldigte sie sich ehrlich.
„Ich weiß, ich wollte dich nur von ihm trennen, lass uns abhauen“, konterte Gwen cool, die gar nicht sauer war.
„Man, du hast mich erschreckt, ich werde hier nicht weggehen“, entgegnete Senga trocken.
„Okay, der war gut, der Pilot trifft uns am Flughafen“, konterte Gwen.
„Wir sind wieder zusammen und er lässt sich scheiden“, erklärte sie.
„Du meinst das ernst. Wir haben eine Bar zu Hause“, wurde Gwen wirklich sauer.
„Du hast ne Bar zu Hause, ich helfe dir nur“, bemerkte Senga.
„Ich werde in vier Wochen Mutter, was soll ich dann machen?“, begann Gwen zu weinen.
„Auf diese Krokodils-Tränen fall ich nicht zwei Mal rein“
„Ach leck mich doch!“, murrte Gwen, drehte sich von ihr weg und ging davon. Plötzlich sackte Gwen auf die Knie.
„Gwen?“, rief Senga und eilte zu ihr.
„Irgendwas stimmt nicht mit dem Baby“, keuchte Gwen und kippte ohnmächtig zur Seite.
Senga schrie verstört nach Hilfe. Alex eilte zu ihr und half ihr, einen Krankenwagen zu holen.
 
„Es ist meine Schuld, es ist meine Schuld“, sprach Senga im Singsang als sie im Flur des Krankenhauses saßen. Gwen war im OP und Merida wurde in einem Notkaiserschnitt geholt.
„Sie werden das beide überstehen, die Kleine ist eine Macintosh, wir sind alle ziemlich hartnäckig“, versprach Alex, in deren Arm sie sich gekuschelt hatte.
„Merida, sie wird Merida heißen“, schniefte Senga und sah ihn an.
„Ist nen schöner Name, passt zu einer Macintosh. Sie schaffen das, drei von uns Jungs waren Frühchen, zwei hatten nen blauen Kopf, als sie geboren wurden, wir leben alle noch“, beruhigte er sie.
„Sie hätte nicht fliegen sollen, ich wollte dich aber nur sehen“, weinte Senga.
„Und ich bin glücklich dass du hier bist, ich hätte die Beerdigung nicht ohne dich überstanden“, bemerkte er liebevoll.
„Ich kann nicht hier bleiben, Gwen braucht mich jetzt und in ein paar Monaten werde ich Patentante“, realisierte sie weinerlich.
„Ich weiß, es war ein schöner Traum, aber es geht nicht“, sagte er trocken.
„Es tut mir leid“, entschuldigte sie sich.
„Du hast nichts falsch gemacht, das Schicksal ist nur gegen uns. Wir genießen die Zeit, in der ihr hier seid und dann sehen wir weiter“, entschied er und drückte sie fest an sich.
Sie war etwas eingedöst, als der Arzt aus dem OP kam.
„Mutter und Tochter sind wohlauf, wer von Ihnen ist der Vater?“, fragte der Arzt in die Runde. Die gesamte Macintosh-Familie saß ganz in Schwarz gekleidet dort.
„Den Vater haben wir heute beerdigt. Der Kleinen geht’s gut?“, fragte Socorra in Tränen aufgelöst.
„Ja, sie hat uns erschreckt, aber ihr fehlt nichts. Dann ist das wohl das Wunder des Tages. Wer möchte die Kleine zuerst sehen?“, wollte er wissen.
„Senga sollte zu ihnen gehen“, schlug Alex vor.
„Ja, ich geh zu ihr. Ihr müsst nicht hier bleiben, ihr habt ja nichts mit uns zu tun“, entgegnete Senga mit einem komischen Unterton und stand auf.
„Sie gehört jetzt zu unserer Familie, wir bleiben hier“, sagte Socorra plötzlich.
„Es war ein langer Tag, ihr solltet heimgehen“, bat Senga, die die Gruppe nicht um sich haben wollte.
„Sicher, wenn du das willst, es wird dich später jemand abholen“, erkannte Alex und verließ mit seiner gesamten Familie das Krankenhaus.
„Was ist Ihre Story?“, fragte der Arzt, als Senga ihm in den Aufwachraum folgte.
„Das ist eine zu lange Geschichte, die Kurzfassung ist, dass die Kleine die erste Tochter von Adair Macintosh ist und er sie niemals kennenlernen wird“, erklärte sie betrübt.
„Adair Macintosh sagen Sie? Ich war mit ihm in der Schule, er hat mit fast sechzig noch ein Kind gezeugt? Er war immer so ein kleiner Angeber“, schmunzelte der Arzt.
„Er ist tot, das ist jetzt nicht mehr wichtig. Wie lang muss meine Freundin im Krankenhaus bleiben?“, fragte sie trocken.
„Ne Weile, fliegen kann sie auf keinen Fall bis die Wunde verheilt ist. Sie wollen schnell hier weg, wie mir scheint!“
„Wir hätten erst gar nicht hierher kommen sollen. Können Sie uns alleine lassen, bitte?“, bat sie und der Arzt nickte und ließ sie allein. Vorsichtig ging sie an das Kinderbettchen, in dem Merida schlief. Sie war das wunderschönste Baby was sie jemals gesehen hatte und sie hatte große Ähnlichkeit mit ihren Geschwistern. Es gab keinen Zweifel daran, dass sie eine Macintosh war.
„Oh Merida, es ist nicht fair, dass du deinen Dad nicht kennenlernen wirst. Aber du hast sechs tolle Brüder und eine wunderbare Mum, du wirst eine starke Kriegerin werden. Tut mir leid, dass ich das jetzt tun muss, Gwen, aber sonst wirst du nicht hier bleiben“, ging sie zu Gwen, küsste den Kopf der schlafenden frischgebackenen Mutter, legte das Kuscheltier, dass sie während dem Warten gekauft hatte neben das Kinderbett und verschwand.

Dreiundzwanzigstes Kapitel


Die Motoren der Privatmaschine liefen schon, als Senga im Dunkeln mit ihrem Rollkoffer zu dem Flieger kam.
„Wo ist Ihre Freundin?“, fragte die Flugbegleiterin, die mitgeflogen war.
„Bei ihrer Familie, die kommt nicht mehr, wir können fliegen“, stieg sie die Treppen des Fliegers hoch und folgte der Flugbegleiterin hinein.
 
Der Flieger flog direkt nach New York City. Sie musste zu diesem Zeitpunkt bei ihren Freunden sein, sie hatte sie seit Monaten nicht mehr gesehen, um die Bar wollte sie sich später kümmern.
„Ich muss dich wirklich lieben wenn ich mitten in der Nacht zum Flughafen komme um dich abzuholen“, begrüßte Curtis ihre Freundin am JFK-Airport, die ihm aber nur stumm um den Hals fiel.
„Ich weiß, du liebst mich auch, ist wohl doch nicht so mit ihm gelaufen, was?“, fragte er mitfühlend.
„Ja, so in etwa. Ich will jetzt nicht reden, ich will einfach nur schlafen“, bat sie.
„Sicher, morgen ist auch noch ein Tag, komm“, umschlug er ihre Schulter mit seinem Arm und brachte sie zu sich nach Hause.
Frischgeduscht und mit einem Sender-T-Shirt an saß sie ihm spät in dieser Nacht gegenüber.
„Du solltest schlafen gehen“, entschied sie und nippte an ihrem Tee.
„Du kannst nicht schlafen und ich will dich mit deinen Gedanken nicht allein lassen. Also, was ist passiert?“, setzte er sich verkehrtherum vor sie auf einen Stuhl.
„Merida ist gestern Nacht in einer Not-OP auf die Welt gekommen und ich hab Gwen ganz allein gelassen“, gestand sie.
„Du hast was? Das passt gar nicht zu dir. Du hast sie alleine mit einer Familie gelassen, die die Kleine als Tochter der Geliebten ansieht“, bemerkte er.
„Danke für die Zusammenfassung meiner Missetaten“, erwiderte sie trotzig.
„In meinem Kopf hat es noch Sinn gemacht. Ich hab sie da einfach allein gelassen“, begann sie zu weinen.
„Du hast Panik gekriegt, das passiert, vielleicht kommt ja alles anders und sie wird von ihnen aufgenommen. Du musstest auch mal an dich denken, in den letzten Monaten bist du in dieser Bar versauert anstatt deine Karriere wieder aufzunehmen“, beruhigte er sie.
„Ich werde nicht mehr hierher zurückkehren, ich bin nur auf Urlaub hier. Boston ist jetzt meine Heimat“, erklärte sie.
„Okay, wenn du meinst. Und Alex?“
„Geh einfach ins Bett, Curt!“
„Willst du jetzt dein ganzes Leben ihm hinterherreisen oder vor ihm fliehen bis du kapierst, dass ihr zusammen gehört?“, fragte er ernst.
„Ich komm bei Liv und Luca sicher auch unter“, murrte sie.
„Senga, du bist inzwischen ein großes Mädchen, du kannst nicht allem aus dem Weg gehen“, bat er.
„Super, jetzt redest du schon wie mein Vater, ich verschwinde“, stand sie auf und ging zur Tür.
„Senga!“
„Was?“
„Du hast keine Hosen an und es ist vier Uhr morgens, wenn dich die Bullen so abgreifen, halten die sich sicher für ne Nutte“, entgegnete er.
„Genug der Komplimente für heute. Ich bin viel zu müde um jetzt irgendwo hin zu gehen, lass das bitte nur mit den Fragen“, bat sie müde.
„Komm, lass uns schlafen gehen, morgen kann ich dir noch genug Schuldgefühle machen“, streckte er ihr die Hand entgegen und führte sie ins Schlafzimmer.
 
Senga nippte an ihrem Kaffee. Ihre besten Freunde saßen ihnen gegenüber und versuchten ihr ins Gewissen zu reden, aber sie schaltete auf stur.
„Senga verhalt dich bitte nicht wie ein Kind, du musst irgendwann man auf mein Kind aufpassen, das kannst du nicht, wenn du dich selbst wie eins verhältst“, erwiderte Liv.
„Ich stürze mich von einem Fehler zum Anderen, ich dachte in Boston wäre ich glücklich gewesen, aber ich wollte nur die Verbindung zu Alex spüren. Er will mit mir zusammen sein, Chrystal will sich für uns von ihm scheiden lassen, aber ich hab wieder Panik gekriegt und bin abgehauen“, begann sie zu weinen.
„Idiotin“, kommentierte Liv nur und Senga drehte ihren Kopf zu Curtis.
„Das was sie gesagt hat. Du bist hin und hergerissen zwischen uns und ihm und ich versteh das, aber wir sind glücklich hier, ich werde mit meinem Freund vermutlich in den nächsten Wochen zusammenziehen, ist ziemlich ernst zwischen uns“, erklärte Curtis.
„Ihr braucht mich also nicht mehr?“, schluchzte sie.
„Nein Baby, wir werden dich immer brauchen, aber wir haben unsere Familien, du solltest ihn dir schnappen denn du hast das Glück verdient“, konterte Liv.
„Natürlich hab ich das Glück verdient, aber ich will nicht in Schottland wohnen“, hörte sie auf zu weinen.
„Dann hol ihn dir her, du bist ein Mädchen vom Lande, du kannst dir holen was dir zusteht, oder?“, schmunzelte Curtis und streichelte sanft ihr Knie.
„Ja, verdammt, ich hab das verdient. Ich brauch deine Connections wieder“, stand sie auf.
„Vergiss es, zwei Flüge in zwei Tagen sind schon etwas heftig, du bist langsam für ein weiteres Ozonloch verantwortlich. Er soll gefälligst zu dir kommen“, bemerkte er.
„Dann müsste ich ihn ja anrufen, nein danke, so tief bin ich dann doch nicht gesunken. Ich nehm glaub ich den Nachtzug nach Boston, ich fühl mich hier nicht mehr wohl“, murmelte sie und ging aus der Tür.
„Ruf ihn an, dass sie auf dem Weg ist“, erkannte Liv und Curtis nahm sein Smartphone in die Hand.
 
Während Senga über den New-Yorker-Bahnhof ging hatte sie das Gefühl verfolgt zu werden. Sie schüttelte den Gedanken ab, in New York City lebten Millionen von Menschen, irgendjemand würde sie auf irgendeine Art und Weise verfolgen, das war nichts besonders. Sie schob ihren Koffer durch die Tür und stieg dann auch in den Wagon ein. Die Nacht legte sich ihr zu Füßen, als der Zug langsam rollte und seine Reise begann.
Als sie in diesem Zug nach Boston saß musste sie gezwungenermaßen daran denken, wie sie einen hageldichten Alex Monate zuvor in einem ähnlichen Zug kennengelernt hatte.
Sie war so in Gedanken, dass sie nicht bemerkte, dass sich jemand neben sie setzte.
„Du willst deinen ökologischen Fußabdruck nicht noch vergrößern, was?“, hörte sie plötzlich eine Stimme, die nicht da sein konnte.
„Ja, man muss ein ökologisches Vorbild für die Jugend sein. Ich weiß zwar nicht wie du das gemacht hast, aber ich denke mal, meine Freunde haben was damit zu tun“, drehte sie sich zur Seite. Alex saß dort mit einem charmanten Lächeln auf den Lippen.
„Tut mir leid, ich bin mit ihnen über Facebook in Kontakt, schon länger ehrlich gesagt. Ich war schon im Flieger in die Staaten, die Flugbegleiterin war meine Cousine, mein Dad hat ne Menge Geschwister, sie hat dich abgelenkt, dass es dir nicht auffällt, dass ich auch dort war. Ich wusste, dass du die Fliege machst, wortwörtlich. Bin ich so furchtbar?“, erklärte er.
„Du warst die ganze Zeit im Flieger? Wo warst du versteckt?“, war sie verwundert.
„Im Cockpit, du hast meine Frage nicht beantwortet!“
„Nein, ich bin so furchtbar, ich hab dich nicht verdient“, entschuldigte sie sich ehrlich.
„Nein, hast du nicht, aber ich hab dich verdient und ich lass dich nicht einfach so gehen“, bemerkte er cool.
„Ich bin froh, dass du so bockig bist“, war sie so froh ihn zu sehen und er küsste sie sanft.
„Bleibst du jetzt hier?“, hoffte sie.
„Irgendjemand muss ja das Macintosh leiten und da ich es geerbt habe, bin ich das wohl“, erkannte er.
„Ich dachte immer Gwen hätte das alles geerbt!“
„Ah, du weißt davon, aber sie fällt jetzt ne Weile aus und ich übernehme für sie“, erwiderte er.
„Woher wusstest du dass ich abhauen würde? Ich wusste es selbst nicht, das war so eine Art spontane Flucht“, wollte sie wissen.
„So spontan wie du denkst bist du nicht, mein Schatz, deine Freunde haben so was geahnt und mich vorgewarnt. Ich hatte aber den gleichen Plan, Curtis hat mir die Nummer vom Piloten gegeben, der wollte aber nicht ohne euch fliegen. Als er mich angerufen hat, dass du dich angekündigt hast, bin ich hin gerast, einerseits um dich aufzuhalten andererseits mit dir wegzufliegen wenn du nicht aufzuhalten gewesen wärst“, erklärte er.
„Du wärst mitgekommen?“
„Hallo, ich bin mitgekommen!“
„Ja, du bist fast 12 Stunden im Cockpit geblieben, wirklich heldenhaft!“
„Ich wollte dir die Zeit nehmen die du brauchst, du hast lang geheult, da wollt ich nicht stören“, erkannte er.
„Auch wenn es dich kränkt, ich hab nicht nur wegen dir geweint, ich vermisse deinen Vater auch und das mit Gwen war auch ziemlich herzlos“, entschied sie.
„Hab ich auch nicht behauptet. Meine Mutter wird sich um Gwen kümmern, jetzt wo du sie im Stich gelassen hast, keine Sorge“
„Das ist was mir Sorgen bereitet“, schmunzelte sie.
„Nein, sie ist in ihrem Inneren sehr hilfsbereit, du würdest auch durchdrehen wenn eine 30-Jährige ein Kind mit deinem Ex-Mann bekommen würde“, verteidigte er seine Mutter.
„Ja, schon, ich hoffe, du hast Recht. Sie wird so sauer sein, dass ich weg bin, da ich vor unserem Streit ja eigentlich bei dir bleiben wollte“, gestand sie.
„Du wolltest bleiben?“
„Natürlich wollte ich bleiben, ich liebe dich, du Schmock“
„Schmock?“
„Trottel, Dummkopf!“
„Ich weiß was Schmock heißt, ich bin halb jüdisch“
„Echt?“
„Man, manchmal bist du echt süß, nein, aber so Sachen weiß man halt. Ich liebe dich Senga, ich weiß nicht wieso, aber ich will es gar nicht wissen, gestand er.
„Das ist das erste Mal, dass ich dir das vollkommen glaube“, erwiderte sie und küssten ihn erneut.
Die ganze Fahrt über nach Boston döste sie in seinem Arm und das fühlte sich verdammt gut an.
Am nächsten Morgen wachte sie in ihrer neuen Wohnung, die sie sich mit Gwen teilte, auch wieder in seinem Arm auf. Für einen Moment dachte sie, sie würde träumen, aber als sie seine Brust fühlte, wusste sie, dass sie es nicht tat.
„Hey“, wurde Alex wach und streckte sich zufrieden.
„Hey, du bist noch da“, küsste sie ihn sanft.
„Ich geh auch nicht mehr weg, na ja zumindest bis ihr mich rausschmeißt. Aber sobald ich geschieden bin, heiraten wir“, schlug er vor.
„War das grad nen Antrag?“, fragte sie und spielte mit seiner Hand herum.
„Kommt darauf an, was du antwortest“, schmunzelte er.
„Du bist noch verheiratet, Schätzchen!“
„Ja, weiß ich, das war keine richtige Antwort!“
„Natürlich will ich dich heiraten, Idiot!“
„Wie romantisch!“
Wortlos kletterte sie auf seinen Schoß.
„Das ist besser“, konterte er und zog ihr T-Shirt aus.
 

Vierundzwanzigstes Kapitel

 
Sich gegenseitig neckend standen sie eine Stunde später vor der Hintertür des Macintosh.
„Komm lass, sonst krieg ich die Tür nie auf“, kicherte Senga, während sie versuchte aufzuschließen.
„Miss McDougal?“, hörte sie plötzlich eine Stimme von hinten.
„Nein, die ist nicht da, ich bin Ms McNab, ihre Geschäftspartnerin. Miss McDougal hat grad ein Kind bekommen, Sie müssen mit mir Vorlieb nehmen“, erklärte Senga und Alex löste sich von ihr.
„Ich bin Henderson, ich war Adairs Sponsor“, bemerkte Henderson nur.
„Ich denk mal nicht, dass sie Sponsor vom Macintosh meinen!“, wusste Senga nicht, was sie sagen sollte.
„Ich hab ihm bei seinem Alkoholproblem geholfen. Ich wollte ihn von seinen Schulden befreien, aber ich hab es nicht rechtzeitig geschafft, das Geld zu beschaffen. Jetzt hab ich es zusammen, Ms McDougal soll es bekommen um wieder sicher zu sein“, erklärte Henderson.
„Deswegen ist er erschossen worden?“, wollte sie von Alex wissen, doch der zuckte nur mit den Schultern.
„Seine Schulden waren in der Nacht fällig, also denk ich schon, wer sind Sie eigentlich?“, fragte er Senga.
„Sie ist Senga McNab, meine Freundin, Adair war mein Vater“, erklärte Alex.
„Ich hab mir schon gedacht, dass du einer seiner Söhne bist, die Ähnlichkeit ist verblüffend. Du musst Alex sein“, erkannte Henderson.
„Ja, das bin ich, er hat sich sicher immer über mich beschwert“, murmelte er.
„Nein, ehrlich gesagt hat er immer erzählt, wie stolz er auf dich ist, du aber, wie er, dem Alkohol verfällst. Du siehst gut für nen Alki, ich bin also noch nicht zu spät“, musterte er ihn.
„Ich bin kein Alki“, moserte er.
„Gott sei Dank noch nicht, aber du könntest immer einer werden, ich würde dich gern sponsern“, entgegnete er.
„Finanziell gern, bei der Alkoholsache, brauch ich dich nicht, keine Sorge!“
„Es könnte nicht schaden“, mischte sich Senga ein.
„Meinetwegen, für dich mach ich alles“, konterte er und küsste sie sanft.
„Bist du nicht mit ner Schottin verheiratet?“
„Lange Geschichte, ich will dich ja nicht loswerden oder so, aber wir öffnen grade die Bar das erste Mal seit dem Mord und würden gern allein sein“, wollte Alex, Henderson loswerden.
„Klar, hier ist der Scheck, gib ihn Ms McDougal und sag ihr, dass ich auch immer für sie da bin, falls sie was braucht“, bat Henderson und Senga nahm den Check entgegen.
„Werde ich, danke“, sagte sie nur.
„So, dann geh ich mal wieder, nochmal herzliches Beileid“, trottete er davon.
„Wir haben den Laden schon seit Monaten auf“, verbesserte Senga ihren Freund.
„Ich weiß, aber so lässt er uns wenigstens allein. Mach die Tür auf“, entgegnete er und sie schloss auf. Alex war begeistert von der Sauberkeit der Räume.
„Man, das ist mal sauber hier, man merkt echt, dass Frauen hier das Sagen haben“, schmunzelte er.
„Ja, wir haben jetzt ne ganz andere Klientel, aber die bringen das Geld rein. Wir haben ein Bild von deinem Vater über der Bar aufgehängt, ich hoff, das ist okay für dich“, zeigte sie ihm ein schönes Bild von Adair was über den Alkoholika hing.
„Klar, da gehört er auch hin. Danke, dass ihr ihn so ehrt, ich hab das leider zu Lebzeiten nie getan. Ich hab mich schon entschuldigt dass ich behauptet habe, dass die Kleine nicht Adairs Tochter ist, oder?“, wollte er wissen, aber sie schüttelte den Kopf.
„Dann entschuldige, Gwen ist eine ehrliche Frau, Merida ist sicher meine kleine Schwester. Ich werde für sie da sein, egal was kommt, das hab ich ja versprochen“, entschuldigte er sich.
„Wir werden beide für sie da sein, zusammen“, sagte sie zufrieden und nahm seine Hand.
„Ja, das werden wir. Ich muss mal schnell wohin, bin gleich wieder da“, erklärte er und ging zu den Toiletten. Er musste grinsen, als er an der Damentoilette geschrieben „Nur für Schotten“ sah, so wie in seiner Bar auch.
 
2 Monate später
 
„Schatz, ich brauch noch Bier“, rief Senga nach hinten, als sie im vollen Macintosh am Tresen stand und Cocktails mixte. Sie konnte es inzwischen ziemlich gut, sie hatte auch Abendkurse belegt, aber am besten lernte sie es in der Bar.
 
„Komm gleich“, rief er zurück und sie drehte sich wieder zur Bar. Dort stand Gwen mit Merida in einer Babytragetasche vor sich geschnallt. Senga erschreckte sich furchtbar.
„Heilige Maria Mutter Gottes“, murmelte sie.
„Oh ja, bete, obwohl dir das vermutlich auch nicht mehr hilft“, begrüßte Gwen sie trocken.
„Ich kann das erklären“, stammelte sie.
„Auf die Erklärung bin ich gespannt“, entschied sie.
„Ich hab ehrlich gesagt keine, das war ne Kurzschlussreaktion, tut mir leid“, entschuldigte sie sich ehrlich und in dem Moment kam Alex zur Bar.
„Mit was für einem Körperteil Romeo gedacht hat, kann ich mir vorstellen. Hi Alex“, begrüßte sie auch ihren Bekannten.
„Hey Gwen, wie war dein Flug?“, begrüßte er sie auch.
„10 Stunden Flug in der Touristenklasse mit nem zwei Monate altem Baby an der Brust, absolut toll“, sagte sie sarkastisch.
„Ich versteh schon, ich bin ein Arsch“, erkannte Senga.
„Ja, bist du, aber ich hab zwei Monate Zeit gehabt mich zu beruhigen, ich versteh dich. Euch beide glücklich zu sehen macht mich auch glücklich, also vergessen wir das. Ihr werdet aber so oft Babysitten wie ich Schlaf brauche, verstanden?“, bat sie ernst.
„Sicher, so oft du willst. Wir haben die Wohnung kindergerecht eingerichtet, ist praktisch nen Mann im Haus zu haben. Alex muss Ende der Woche zurück nach Schottland, dann hast du in der Wohnung deine Ruhe“, erklärte sie.
„Ihr trennt euch wieder?“
„Ja, aber nur ein paar Wochen, er muss die Scheidung durchbringen. Ist schön, dass du wieder da bist, dann bin ich nicht so allein. Merida ist ja so süß“, fuhr sie der Kleinen über den Kopf.
„Sie ist auch eine Macintosh, auch wenn das andere anders sehen“, entgegnete Gwen und sah Alex böse an.
„Ich glaub dir, ehrlich“, versprach er.
„Lincoln hat mir geholfen einen Verwandtschaftstest zu machen, sie ist eine Macintosh, das hab ich jetzt auch schriftlich“, zog sie demonstrativ einen Zettel aus der Tasche und hielt ihn ihm unter die Nase.
„Ich glaub dir wirklich, ich wollte sie damals nur von mir wegstoßen. Man, sie ist ja wirklich eine Macintosh“, las er den Zettel.
„Natürlich ist sie eine Macintosh, sie könnte genauso gut auch deine Tochter sein“, bemerkte Senga trocken und sah die beide seltsam an.
„Ich war nicht in diesem Land als dieses Kind gezeugt wurde“, verteidigte er sich.
„Gut, wollte nur noch mal sicher gehen. Nimm sie in den Arm, dann wirst du merken, dass sie Familie ist“, schlug Senga vor.
„Meinetwegen“, erkannte Alex nahm Gwen die Babytragetasche ab und ging nach hinten, wo es ruhiger war.
„Wie soll ihm das helfen zu erkennen, dass sie seine Schwester ist?“, wunderte sich Gwen.
„Tut’s nicht, ich dachte nur, du bräuchtest mal ne Minute für dich“, entgegnete Senga fürsorglich.
„Das brauch ich wirklich, danke. Man, das wächst langsam zusammen, aber die Wunde schmerzt ganz schön“, rieb Gwen ihren schmerzenden Bauch.
„Ich weiß, was du meinst, Schwester“, zeigte Senga ihre lange Narbe von der Schusswunde.
„Das ruiniert dir auch die Bikinifrisur, noch ein bisschen mehr als bei mir. Ihr beide seid jetzt also offiziell ein Paar?“, wollte Gwen neugierig wissen und Senga hielt ihr den Verlobungsring hin, den sie seit ein paar Tagen trug.
„Hör auf, ernsthaft?“, Das ging aber schnell“, war sie überrascht.
„Er hat mir einen Tag nach meiner Rückkehr einen Antrag gemacht, wir sind aber erst seit letzter Woche offiziell verlobt. Seine Noch-Frau hat uns schon gratuliert“, sagte sie glücklich.
„Du hast es tatsächlich geschafft, gratuliere!“
„Ja, hab ich, war ja auch nen Theater bis dahin. Ich kann die Hochzeit kaum abwarten“, erkannte sie.
„Tja, wenn er nicht gestorben wäre, wäre ich vermutlich schon mit Adair verheiratet“, sagte Gwen nachdenklich und sah sich das Bild hinter der Bar an.
„Tut mir leid, ich red hier von all meinen freudigen Sachen die bald auf mich zukommen und du hast grad erst deinen Verlobten verloren“, entschuldigte sie sich.
„Grade eben ist übertrieben, aber es schmerzt schon noch ziemlich. Kann ich irgendwie helfen?“, wollte Gwen wissen.
„Leg dich schlafen, du siehst fertig aus, wir nehmen die Kleine solang. Sie schreit sicher, wenn sie gestillt werden muss, dann wecken wir dich“, bat Senga.
„Ich kann sie leider nicht stillen, ich brauch immer noch Medikamente, sie bekommt die Flasche. Wenn sie dich später mal fragt, warum sie keine Beziehung zu mir aufbauen kann, geb ich dir die Schuld“, frotzelte sie und gab ihr die ganzen Babysachen.
„Okay, dann ruh dich aus, wir wecken dich, wenn was ist. Du brauchst echt Schlaf“, bemerkte Senga und ließ sie hinter den Tresen, dass sie in den Raum hinter der Bar gehen konnte.
 
Als Alex zwei Wochen danach als geschiedener Mann zurückkam, hatten sich Gwen und Senga schon als eingespieltes Team in der kleinen Wohnung eingelebt. Senga konnte inzwischen auch gut wickeln und Merida füttern.
Lächelnd sah Alex zu Senga, die Merida auf den Arm hatte und sie fütterte. Er stellte seine Reisetasche an die Tür und ging langsam auf sie zu.
„Was?“, fragte sie schmunzelnd und er kam nah zu ihr und küsste sie nur.
„Ich möchte ein Kind mit dir haben“, gestand er plötzlich.
„Jetzt haben wir grad einen Schreihals im Haus, aber ich merk’s mir. Wie sieht es aus, bist du ein freier Mann?“, hoffte sie und er zeigte seine Hand ohne Ehering.
„Ich bin jetzt ganz dein, Baby“, sagte er glücklich.
„Das will jede Frau hören. Gwen, wir können anfangen eine Hochzeit zu planen“, rief sie zu ihrer Freundin.
„Ich bin schon weiter als du, ihr müsst leider ziemlich zeitig heiraten wegen der Einwanderungsbehörde und so, hier ist mein Ordner“, hatte Gwen schon angefangen zu planen und legte einen Ordner auf den Tisch vor ihr.
„Okay, du hast eindeutig zu viel Energie, dann kannst du die Prinzessin weiter füttern. Ich begrüße meinen Verlobten solang“, drückte Senga ihr Merida auf den Arm und zog Alex in ihr Schlafzimmer.
„Ehrlich, jetzt? Ich bin zu Hause, ich kann euch dann hören“, murrte sie.
„Dann geh spazieren, wir haben keine Milch mehr“, rief Senga aus dem Schlafzimmer.
„Super, dann geh ich einkaufen, habt ihr danach noch auf irgendwas Hunger?“
„Das weiß ich doch jetzt noch nicht, überrasch mich!“
„Meinetwegen, komm Süße, lassen wir Tante Senga mal ihren Spaß haben“, redete sie mit ihrer Tochter, packte sie in den Kinderwagen und verließ das Haus.
„Hey du“, wendete sich Senga zu ihrem Verlobten, nachdem die Tür ins Schloss gefallen war.
„Selber hey, ich hab dich vermisst“, zog er Senga an ihrem Gürtel zu sich.
„Und ich erst, ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr wieder!“
„Natürlich komm ich wieder, wir wollen doch heiraten. Gwen hat übrigens Recht, wir müssen noch diesen Monat heiraten“, bemerkte er.
„Dann tun wir das, meine Familie und Freunde krieg ich her, bei deiner wird es schwieriger“, entgegnete sie.
„Wieso? Chrystal schaff ich schon irgendwie hier her und das war‘s schon von den Leuten, die ich dabei haben will“, entschied er.
„Ist wohl nicht so gut gelaufen mit deiner Familie, was?“, fragte sie mitfühlend.
„Ich will jetzt nicht darüber reden, ich will jetzt einfach mit dir schlafen, okay?“, bat er.
„Sicher, danach reden wir aber“, bat sie und er nickte.
 
„Das ging aber schnell“, erkannte sie, als sie zwei Minuten später in seinem Arm lag.
„Tut mir leid, ich war nicht mit den Gedanken dabei. Ich sollte darüber reden“, entgegnete er.
„Sicher, fang an“, erwiderte sie und spielte mit seiner Hand herum.
„Es gab einen riesen Krach, ich bin von beiden Familien verstoßen worden, sie haben mir sogar verboten Chrystal zu sehen, aber eher würde ich sterben als das zuzulassen“, erklärte er traurig.
„Oh man, im schlimmsten Fall holen wir sie her, wir können in der Bar jede Hand gebrauchen“, schlug sie vor.
„Bist du sicher?“
„Sie ist deine beste Freundin, klar, ich will dich doch glücklich sehen. Ich denk aber nicht, dass sie weg will, sie ist ja schwerverliebt“, konterte sie.
„Ja, schon, mal sehen, sie ist zumindest deine Trauzeugin, alles andere ist nicht wichtig. Deine Familie bedeutet dir sehr viel, oder?“
„Eigentlich schon, aber wenn sie meinem Glück im Weg stehen, geht es nicht anders“, erwiderte er trocken.
„Das ist echt scheiße, ich will meine Kinder aber nicht ohne Großeltern aufwachsen sehen!“
„Man kann nicht alles haben, sie können dich nicht akzeptieren, so einfach ist das“, erklärte er.
„Das kann ich aber nicht akzeptieren, ich möchte sie dabeihaben“, entgegnete sie.
„Dann viel Spaß dabei sie zu überreden, ich habe genug geredet“, konterte er, zog seine Shorts an und ging Richtung Küche.
„Du willst auch nicht, dass ich mit ihnen rede, oder?“, fragte sie, als sie barfuß nur mit seinem Hemd an zu ihm kam.
„Tut mir leid, ich wollte nicht so reagieren, aber ich hatte lange Diskussionen zu Hause die mir auf die Nerven gingen. Ich hab getan was sie von mir wollten, ich hab sie geheiratet, ich hab es versucht, aber ich hab mich verliebt, sie hat sich verliebt, Ehen scheitern überall auf dieser Welt wegen solcher Sachen. Sie können das einfach nicht einsehen, das ist so frustrierend. Ich will doch nur glücklich sein, ist das so schwer zu verstehen?“, fragte er und eine Träne kullerte aus seinem Auge.
„Hey, ich seh dich das erste Mal seit dem Tod deines Vaters weinen, das ist gut, du darfst das nicht in dich reinfressen. Komm her“, drückte sie ihren Verlobten an sich. Der begann ihren nackten Hintern zu begrabschen.
„Schon wieder Lust auf die zweite Runde?“, schmunzelte sie und er setzte sie breitbeinig auf den Küchentresen.
„Anscheinend schon“, kicherte sie und zog ihm die Shorts herunter.
 
Als Gwen in ihre Wohnung zurückkam, kuschelte das verlobte Pärchen nur in eine Decke gewickelt auf dem Sofa.
„Man, ich still mein Kind auf diesem Sofa. Ich hab euch fast eine Stunde gegeben, bewegt euch in euer Zimmer“, murrte sie und stellte die Einkäufe ab. Sie hatte Merida an ihre Brust geschnallt.
„Hey, du bist wieder da, wir sollten dich nicht belästigen, wir sind schon weg“, fühlte sich Senga ertappt.
„Man, ihr seid ja komplett nackt, ich lass euch dann mal allein, sagt Bescheid, wenn ich wieder aus dem Zimmer kommen kann“, entgegnete sie und ging in ihr Zimmer.
„Das war echt mal was, jetzt haben wir ganz die Zeit aus dem Blick verloren. Ich geh duschen, kommst du mit?“, neckte sie ihn und zog ihn ins Badezimmer.
„Das hab ich nicht damit gemeint“, rief Gwen genervt aus ihrem Zimmer.
 
Die Wochen darauf bereiteten sie fleißig die Hochzeit vor. Senga war keine Frau, die sich immer ein traumhaftes Hochzeitskleid ausgemalt hatte, wenn es um ihre Hochzeit ging. Umso überraschter war sie, als die hochschwangere Liv mit drei Kleidern an einem Sonntagmorgen kurz vor ihrer Hochzeit vor ihrer Tür stand.
„Liv, hey, was machst du denn hier?“, war sie überrascht und umarmte ihre Freundin.
„Ich bin Trauzeugin, deine Hochzeit ist in drei Tagen, irgendwann muss ich wohl hierher kommen, oder?“, schmunzelte sie.
„Ja, schon, aber was sollen die Kleider?“
„Heidi war mir noch was schuldig, sind zwar nur geliehen, dafür aber wunderschön. Du wirst in weiß heiraten, das hab ich so entschieden“, erkannte sie.
„Heidi wer?“
„Heidi Klum, duh! Ich bin eine Prominente, schon vergessen? Ich kenne Prominente, mit einigen bin ich sogar befreundet. So, wir probieren heute Vera Wang an“, bemerkte sie und legte die Kleider aufs Sofa.
„Die Vera Wang aus Sex and the City?“, war sie verblüfft.
„Nein, die von der Reinigung die Straße runter, natürlich von der berühmten Modedesignerin. Du heiratest nur einmal, hoff ich, da muss es was Besonderes sein. Ich hab drei Kleider mitgebracht, ich hab nen Favoriten, aber du kannst dir eins aussuchen“, erklärte sie.
„Ich weiß echt nicht, was ich sagen soll, pass ich überhaupt in eins dieser Kleider?“, stammelte sie.
„Ja, eher als ich zumindest, jetzt probier sie erst mal an. Alex ist nicht da, oder?“, fragte Liv und trat ein.
„Nein, er ist beim Amt wegen der Papiere. Ich heirate wirklich“, wurde ihr in diesem Moment erst richtig bewusst.
„Ja, das tust du, du hast mich damals mit einem tollen Junggeselleninnenabschied überrascht, leider kann ich das in meinem Zustand nicht, aber wir gehen heut Abend mit Callan und Gwen was essen, Alex kümmert sich solang um Merida, er will keinen Abschied feiern, er kann nicht trinken und er würde nur mit seinen Brüdern feiern wollen, aber das geht ja nicht“, erklärte Liv.
„Ja, sieht so aus“, murmelte Senga und öffnete einen Kleidersack.
„Was weißt du?“, fragte Liv neugierig.
„Echt ein tolles Kleid“, lenkte Senga ab.
„Okay, du willst es anscheinend nicht sagen, meinetwegen. Probier es an, das steht dir sicher gut“, konterte Liv und Senga zog das Kleid heraus.
„Ich trau mich gar nicht, es anzufassen“, hauchte sie.
„Du musst es anfassen um es anzuziehen. Jetzt mach schon“, schmunzelte Liv und half ihr es anzuziehen.
„Ich seh aus wie ne Prinzessin“, war Senga den Tränen nahe, als sie das wunderschöne Kleid anhatten und es perfekt passte.
„Ja, das tust du, hast du dich schon entschieden?“, fragte Liv.
„Ja, hab ich, das nehm ich!“
„Gut, das war auch mein Favorit. Hey, hör auf zu weinen, sonst wird das Kleid noch nass. Du wirst eine wunderschöne Braut sein“, entgegnete sie und half ihr wieder raus.
 
Während die Mädels gemütlich zu Abend aßen, putzte Alex mit Merida auf dem Rücken die Bar. Die Kleine schlief friedlich und so konnte er in Ruhe arbeiten. Als er von den Toiletten kam, saß sein Bruder Lincoln auf einem Barhocker.
„Was muss ich hier anstellen um einen Dirty Martini zu bekommen?“, fragte der junge Mann cool.
„Linc?“, stotterte er verwirrt.
„Nein, der Prinz von Persien. Hey, kleiner Bruder“, begrüßte Lincoln ihn.
„Du kommst zu meiner Hochzeit?“
„Ne, ich dachte, ich trink hier nur was und hau dann wieder ab. Natürlich komm ich zu deiner Hochzeit, wir sind Brüder, du warst auch auf allen von unseren Hochzeiten“, erkannte Lincoln und da bemerkte er Cairn, Quincy, Adair jr und Lucas, seine ganzen Brüder, die verteilt auf die Bänke in der Bar saßen.
„Ihr seid alle da“, war er den Tränen nahe.
„Hör auf zu flennen, du Tunte“, frotzelte Lincoln und Alex umarmte ihn glücklich.
„Mum kommt nicht, oder?“, fragte er vorsichtig, aber Lincoln schüttelte den Kopf.
„Egal, zumindest seid ihr da, hey kleine Schwester, jetzt wirst du wach“, bemerkte er, dass Merida wach wurde.
„Wir haben tatsächlich noch ne kleine Schwester, unser alter Herr konnte es nicht lassen“, schlussfolgerte Cairn und spielte mit Meridas kleinem Händchen herum.
„Sie ist Familie, egal von welcher Mutter sie ist, verstanden?“, bat Alex.
„Natürlich ist sie Familie, Mum ist die einzige die sich dagegen sträubt. So, wo steigt jetzt die Party?“, wollte Lucas wissen.
„Welche Party?“
„Du heiratest bald, ein Junggesellenabschied ist da Pflicht“, bemerkte Lincoln.
„Ich habe aufgehört zu trinken, das wird ne nüchterne Angelegenheit!“
„Deine Verlobte hat schon für Unterhaltung gesorgt, das kannst du auch nüchtern“, bemerkte Adair jr.
„Sie hat mir was organisiert? Ich muss doch Babysitten“, verstand er nicht.
„Livs Mann kommt in einer Stunde und holt die Kleine ab, wir werden unseren Spaß haben, wir kriegen sogar eine Stripperin“, bemerkte Cairn begeistert.
„Man, meine Süße ist echt die Richtige“, grinste Alex.
 
Viel zu schnell kam der große Tag für Alex und Senga. Furchtbar nervös stand Alex im Kilt in seinen Familienfarben neben seinen fünf Brüdern in Callans Garten wo sie die Feier abhielten. Als Senga in ihrem Traum von einem Kleid zu ihm kam, wurde alles still.
„Man, wenn du sie nicht heiratest tu ich es“, bemerkte Chrystal, die erst Minuten zuvor angekommen war und ihm jetzt zur Seite stand.
„Flossen weg, die gehört mir“, schmunzelte er und strahlte seine Braut an.
Alex konnte nicht fassen, dass er tatsächlich die Frau seiner Träume heiraten durfte. Sie war so wunderschön in ihrem Kleid, dass er sich die Tränen verkneifen musste. Sein ganzes Leben hatte er danach gestrebt seiner Familie zu gefallen und hatte sich dabei fast verloren. Nachdenklich spielte er mit dem Sporran[1] an seinem Kilt herum. Er hatte seinem Vater gehört, seine Brüder hatten ihn ihm mitgebracht, dass er etwas von seinem Vater zu seiner Hochzeit trug.
„Hey, alles klar bei dir?“, fragte Senga fürsorglich, als sie bei ihm ankam.
„Du bist unglaublich schön“, sagte er nur und nahm ihre Hand.
„Danke Süßer, du trägst immer noch nen Rock“, konterte sie schmunzelnd.
„Die restliche Zeit unserer Ehe hast du den Rock an, versprochen“, witzelte er und sie grinste.
„Sind Sie soweit?“, wollte der Standesbeamte wissen.
„Wir waren nie bereiter“, entgegnete Senga und die Zeremonie konnte
 
[1] Ein Sporran (Schottisch für „Geldbeutel“) gehört zur traditionellen Kleidung der Bewohner der schottischen Highlands. Er ersetzt an dem sonst taschenlosen Kilt die Hosentasche.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 25.11.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Deine Füße bringen dich dorthin, wo Dein Herz ist. - Schottisches Sprichwort

Nächste Seite
Seite 1 /