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Erstes Kapitel


Tijuana Mexikanische Grenze, August 2065

 
„No acceso“, bemerkte der Grenzbeamte und die 27—jährige Keme Beltran fuhr mit ihrer in einen Lederhandschuh verpackten Hand durch ihre nass geschwitzten Haare.
Hubo un tiempo en el que no te dejan entrar[1]”, murmelte sie und ging wieder ein paar Schritte zurück.
„Lass‘ es einfach sein, Kem‘, die riechen schon meilenweit, was wir in Mexiko machen wollen“, bemerkte ihre Cousine Tokori hinter ihr, die so wie sie in verfranzter Motorradkluft gekleidet war.
„Als ich ein Kind war, hat man uns Amerikaner noch mit Respekt behandelt, jetzt sind wir die, die wie Aussätzige behandelt werden“, nörgelte Keme und schwang sich wieder galant auf ihr Motorrad. Die beiden Frauen waren gerade einige Stunden an die mexikanische Grenze gefahren, um dort Schutz zu suchen. Durch den Krieg zwischen Mexiko und den vereinigten Staaten fünf Jahre zuvor war es Amerikanern nicht mehr möglich ohne Genehmigung mexikanischen Boden zu betreten. Die Beltran-Cousinen hatten mexikanische Wurzeln durch ihren Großvater, aber genetisch sahen sie eher aus wie ihre nativ-amerikanischen Vorfahren. Keme war die Tochter einer mächtigen Kopfgeldjägerdynastie. Ihr Vater Harvey war halb Costano-Indianer, halb Mexikaner gewesen, doch er starb, als er 5 Jahre zuvor für die falsche Seite gekämpft hatte. Ihre Mutter Shania hatte sie danach verlassen, sie war weiß gewesen, was sich aber kaum in Kemes Hautfarbe wiederspiegelte. Ihre zwei Jahre jüngere Cousine Tokori war genauso eine wilde Mischung, aber ihr Nativ-amerikanisches Gen war auch sehr dominant. Ihre Eltern waren vor dem Krieg nach Europa geflüchtet, doch Tokori war eine Kriegerin, sie wollte für ihr Land kämpfen. Sie hatte diesen Mut fast mit ihrem Leben bezahlt. Eine lange Narbe zog sich durch ihr Gesicht von einem Messerangriff eines Mexikaners.
„Ich hab‘ solchen Hunger“, bemerkte Tokori tonlos.
„Ich auch, Engel, ich auch. Lass‘ uns weiterziehen, bis zum nächsten Grenzposten“, bat Keme und ließ ihr Motorrad an.

[1] Es gab mal eine Zeit, da haben wir euch nicht rein gelassen

Die beiden Frauen hatten schon den ganzen Tag nichts zu essen bekommen. Die vereinigten Staaten waren ganz von der WFTO abgeschnitten, seit sie in diesem furchtbaren Krieg auf eigene Faust gehandelt und abertausende Mexikaner getötet hatten. Da die Bauern für den Krieg herangezogen worden waren, waren sie nicht in der Lage gewesen, ihre Felder zu bestellen und so war der Essensvorrat knapp geworden. Das war jetzt fünf Jahre her und die Agrarwirtschaft erholte sich wieder, aber dank‘ ihrer mexikanischen Wurzeln waren sie auf der Liste der Essensrationen ziemlich weit unten. Ihre letzte Hoffnung war Mexiko, das durch die Hilfslieferungen aus Kanada und Europa genug Essen besaß.
Sie fuhren noch mal eine lange Strecke. Es war schon fast zwei Uhr in der Nacht, als sie mit knurrenden Mägen in ein Motel eincheckten. Sie mussten sich das Zimmer mit einer anderen Familie teilen, sie waren nämlich nicht die einzigen, die im Grenzgebiet auf Überreise warteten.
 
Zwei Tage später waren die Frauen am Ende ihrer Kräfte, als sie in Aqua Prieta ankamen. Keme konnte gerade noch ihre Maschine abstellen, bevor sie bewusstlos zusammenbrach. So weit unten waren sie noch nie gewesen. Tokori wollte ihrer Cousine noch helfen, doch sie verließ auf der Suche nach Nahrung in einem nah gelegenen Wald die Kraft und sie brach auch zusammen.
Die Frauen lagen etwa 10 Minuten so da, als eine Gruppe von Männern in Tarnhosen und schwarzen T-Shirts zu ihnen kamen.
„Du hattest Recht, Don‘, wieder zwei, die fallen hier um wie die Fliegen. Hängt sie an den Tropf, wir müssen sie fit kriegen, dass wir sie transportieren können“, bemerkte einer der Männer zu einem anderen.
„Wir müssen sie aus diesen Lederklamotten schälen, es hat fast 45°C, die ersticken sonst noch da drin“, bemerkte Donnelly und öffnete Kemes Lederjacke.
„Du willst ja nur Brüste begrabschen“, erwiderte sein Partner Gordon.
„Ich bin immer noch Krankenpfleger, obwohl das hier anscheinend nichts mehr zählt“, erkannte Donnelly und zog Keme die Lederjacke aus. Dabei bemerkte er ihre großen Narben auf Armen und Brust.
„Man, jetzt weiß ich, warum sie in dieser Hitze so eine dicke Jacke trägt. Leuchte mit der Lampe auf ihren Arm, ich muss ne Vene für ihre Infusion finden“, bat Donnelly und Gordon tat es. Geschickt legte er ihr eine Infusion, die er an seinem Rucksack befestigte und wieder aufstand, dass diese fließen konnte.
Zwei andere ihrer Gruppe brachten Tokori aus dem Wald auf die Lichtung.
„Man, das ist vielleicht ne Wuchtbrumme“, murmelte der eine und sie legten Tokori ab.
„Hey, sei bitte etwas mehr respektvoll, sie ist nur muskulös. Die beiden sehen mexikanisch aus, hast du schon eine ID gefunden?“, fragte Donnelly.
„Takori Stanton, klingt indianisch, was denkst du?“, fragte der eine Donnelly.
„Keme Quakadi, die ist eindeutig Nativ-Amerikanerin. Was machen die so weit außerhalb der Nativ-Amerikaner-Schutzreservate‘?“, bemerkte Donnelly und lud Keme auf seine Arme.
 „Du kennst die Reservate, das sind beinah Gefängnisse. Oh Jesus, die hier trägt ne Kopfgeldjägerdienstmarke“, bemerkte Gordon und zog Tokoris Marke von ihrem Gürtel.
„Hat meine auch, aber ich glaub‘ nicht, dass sie auf der Jagd sind, ich sehe keinerlei Unterlagen“, erkannte Donnelly, trug Keme in den Lieferwagen, hängte den Tropf an und kam zu seinem Kollegen. Gordon hatte Tokori auch schon aus ihren Lederklamotten geschält und wickelte die muskulöse Kopfgeldjägerin in eine Decke.
„Das sind zwei ganz toughe Frauen, wenn die schon umkippen, haben wir echt ein Problem“, erwiderte Donnelly, legte Tokori auch eine Infusion an ihren vernarbten Arm und lud sie zu ihrer Cousine in den Transporter.
Als Donnelly sich zu Keme hinsetzte und ihre Infusion überprüfte, wurde sie wieder wach. Aus Panik schlug sie um sich.

Zweites Kapitel


„Ruhig, ruhig, du reißt dir sonst noch die Infusion raus“, bemerkte Donnelly mit sanfter Stimme.
„Wo bin ich?“, murmelte sie erschöpft.
„In Sicherheit, kleine Squaw“, bemerkte Donnelly freundlich, aber bekam Kemes geballte Faust ins Gesicht.
„Das war für die rassistische Bemerkung, Weißbrot“, bemerkte sie schnaufend.
„Aua, ganz schöner Schlag, den du da drauf hast“, bemerkte er unter Schmerzen.
„Sei froh, dass ich keine Kraft habe, sonst hätte das noch mehr wehgetan. Warum hab‘ ich ne Infusion am Arm?“, fragte sie benommen.
„Hätte ich dich verdursten lassen sollen, Lady Rambo?“, fragte Donnelly und zog sich ein Tuch aus seiner Tasche, um seine blutende Nase abzuwischen.
„Was willst du von mir?“, fragte Keme.
„Dich retten, seit wann seid ihr ohne Essen?“, fragte Donnelly.
„Welchen Tag haben wir heute?“
„Mittwoch!“
„Drei Tage“, erklärte sie.
„Warum seid ihr ohne Nahrung unterwegs?“, mischte sich Gordon ein.
„Wir sind auf Diät“, bemerkte Keme sarkastisch.
„Warum seid ihr dann nicht im Reservat geblieben?“, fragte Donnelly.
„Hast du ein Costanoreservat in der Nähe gesehen?“, fragte Keme.
„Du bist Costano? Ich dachte, unser Stamm wäre ausgestorben“, erkannte einer der Helfer.
„Das wir beide noch leben, zeugt davon, dass wir es noch nicht sind!“, bemerkte sie keck.
„Ich hab‘ seit Jahren keinen mehr aus unserem Stamm getroffen, bist du reinrassig?“, fragte der junge Mann indianischer Herkunft neugierig.
„Was seid ihr eigentlich für eine rassistische Bande?“, fragte Keme ruppig.
„Tut mir leid, ich vermisse meinen Stamm, ich lebe schon seid so langer Zeit unter Weißen“, erwiderte der junge Mann etwas enttäuscht über ihre sture Ader.
„Lass‘ den Kleinen in Ruhe, sei‘ froh, dass es noch welche wie uns gibt“, erwiderte Tokori erschöpft.
„Tokori, du bist da“, erwiderte Keme erleichtert und griff nach der Hand ihrer Cousine.
„Ich bin dein Bodyguard, Cousine, ich bin doch immer bei dir. Tut mir leid, ich wollte Beeren suchen, aber ich hatte keine Kraft mehr“, erkannte Tokori.
„Ihr seid Cousinen?“, fragte Donnelly überrascht.
„Sieht so aus. Wo fahren wir hin?“, fragte Keme und versuchte sich aufzusetzen.
„Bleib‘ liegen, du brauchst jetzt Ruhe, wir fahren an einen geheimen Ort, dort werdet ihr versorgt“, erkannte er.
„Seid ihr Soldaten?“, wollte Tokori wissen.
„Kann man so sagen, aber nicht für diesen Staat. Ihr könnt natürlich wieder gehen, wenn ihr wieder fit seid, aber jetzt kümmern wir uns um euch“, erklärte Gordon.
„Wo ist Lucille?“, fragte Keme plötzlich.
„Wer ist Lucille?“, fragte Donnelly.
„Mein Baby“, erklärte Keme.
„Du hattest ein Baby dabei? Wir haben kein Kind gesehen, warum habt ihr nicht ordentlich geguckt?“, wurde Donnelly nervös.
„Lucille ist ihr Motorrad“, bemerkte Tokori.
„Du hast deinem Motorrad einen Namen gegeben?“, fragte Donnelly verwundert.
„Mein Großvater hat Lucille ihren Namen gegeben, das ist ein Kunstwerk aus dem Ende des 20. Jahrhunderts und das einzige, was ihr von ihrem Vater geblieben ist“, erklärte Takori.
„Die Maschinen sind auf dem Anhänger, keine Sorge, beruhig‘ dich, man, erschreck‘ mich nie wieder so“, bemerkte Donnelly.
„Diese Maschine ist wie mein Kind, die ist mir schon wahnsinnig wichtig“, entschied sie.
„Klar, man muss sich an kleinen Dingen festhalten. Wo kommt ihr eigentlich her?“, fragte Gordon neugierig.
„San Jose“, erwiderte Tokori.
„Dann seid ihr fernab von zu Hause. Wir fahren über Kanada nach Alaska, dort werdet ihr zur Ruhe kommen“, erklärte Donnelly.
„Wie wollt ihr über die kanadische Grenze kommen, das ist doch noch schwieriger als nach Mexiko zu kommen“, erkannte Tokori.
„Kanadisches Kennzeichen und kanadischen Fahrer, das wird kein Problem sein, wir machen die Tour jeden Monat“, erklärte Donnelly.
„Seid ihr CIA?“, fragte Tokori.
„Nein, wir stehen eigentlich nicht auf eurer Seite, ich hab‘ gesehen, dass ihr Kopfgeldjäger seid“, bemerkte Donnelly.
„Schon lang‘ nicht mehr, die Marken sind eigentlich nur noch ein Symbol unseres früheren Lebens. Unser letzter Fall ist schon vier Jahre her, leider“, bemerkte Keme.
„Was habt ihr dann die letzten Jahre gemacht?“, fragte Gordon.
„Das wollt ihr nicht wissen, glaubt mir“, erkannte Keme.
„Mich interessiert es aber“, bemerkte Donnelly keck.
„Oh man, okay, sagen wir mal so, ich bin froh, dass mein Dad tot ist und das nicht mir miterleben musste“, erklärte Keme etwas mysteriös.
„Das versteh‘ ich, ich hab‘ auch viel Scheiß gemacht in den letzten Jahren.  Geht’s dir schon besser?“, fragte Donnelly und überprüfte die Infusion, die schon fast durchgelaufen war.
„Bist du ein Arzt, oder so?“, fragte Tokori, die auch langsam wieder wach wurde.
„Klar, von was träumst du nachts, du glaubst doch kaum, dass ich in der heutigen Zeit studieren könnte. Ich bin Krankenpfleger“, erklärte Donnelly.
„Warst du dabei?“, fragte Keme und jeder wusste, was sie damit meinte.
„Ja, 6 Höllenwochen, ich bin grad‘ so lebend rausgekommen. Habt ihr jemanden verloren?“, fragte Donnelly.
„Meine zwei Brüder und meinen Verlobten“, bemerkte Tokori traurig.
„Meinen Vater“, erkannte Keme.
„Verdammt, das ist ja eure halbe Familie“, bemerkte Gordon fluchend.
„Der Rest unserer Familie ist nach dem Krieg weg, wir wollten nicht, wir wollten hier was verändern, aber das einzige was sich geändert hat, sind wir. Warum hab‘ ich nur Unterwäsche an?“, fragte Tokori plötzlich und zog die Decke, in die sie gewickelt hatte zu ihrem Kinn hoch.
„Du warst in ziemlich viele Lagen Leder gekleidet und wir haben den heißesten Sommer seit über 10 Jahren“, erklärte Gordon.
„Ja, das weiß ich, das war Absicht“, bemerkte Tokori beschämt, dass jeder jetzt ihre Narben sah.
„Erzählst du uns, wo du die Narben her hast?“, fragte Gordon.
„Wer bist du, der Psychologe im Team? Geht dich gar nichts an“, grummelte Tokori.
„Klar, tut es nicht, sorry!“
„Hast du den verdammten Mexikaner umgebracht, der dir das angetan hat?“, fragte der junge Costano im Lieferwagen plötzlich.
„Wie alt bist du, Junge?“, fragte Tokori kopfschüttelnd.
„18, Ma’am“, konterte der junge Mann.
„Au, das Ma’am tut jetzt fast noch mehr weh, als die Narben. Ich hab‘ im Krieg viel getan, worüber ich nie wieder sprechen werde“, entschied Tokori.
„Ja, lass‘ sie in Ruhe“, bat Donnelly.
„Ja, Sir!“
„Bist du derjenige, der hier das Sagen hat?“, fragte Keme, Donnelly.
„Wir sind eine Hilfsorganisation, hier hat niemand das Sagen“, bemerkte Gordon.
„Aber ihr seid auch Verbrecher und jede Verbrechergruppe hat nen Anführer“, schlussfolgerte Keme.
„Ja, ich hab‘ das Sagen hier“, gab Donnelly zu.
„Siehst du, hat ja nicht wehgetan. Oh, nimm‘ mir das Ding ab, es ist leer“, bat Keme und Donnelly zog die Infusion aus ihrem Arm.
„Wir sind in etwa einer Stunde in unserem Zwischenlager, da bekommt ihr noch richtige Nahrung“, versprach Donnelly.
„Woher habt ihr die ganze Nahrung?“, fragte Tokori.
„So wie du haben wir auch unsere Geheimnisse. Du bekommst sommerliche Kleidung, wenn wir da sind, dass du nicht so sehr schwitzen musst“, erklärte Gordon.
„Ich möchte meine Narben nicht zeigen“, nörgelte Tokori.
„Wir haben alle Narben“, bemerkte Gordon und zog sein schwarzes Rippshirt aus. Er hatte schwere Brandwunden auf seiner Brust.
„Das sind Kriegsnarben, die wir stolz zeigen“, entschied Donnelly und zeigte seine lange Narbe von seinem linken Schulterblatt, über seinen Bauch, bis zum Rücken.
„Man, wir sind echt ne Freakshow hier“, bemerkte Keme und lockerte so die Situation auf.
„Ich könnt‘ es ja mal versuchen“, gab Tokori nach.
„Klasse, dann macht auch deine Cousine mit, denn mit den Sachen kommt ihr nicht weit“, entgegnete Donnelly.
„Unsere Ausrüstung ist perfekt für den Kampf“, entschied Keme.
„Ihr werdet aber jetzt nicht mehr kämpfen“, versprach Donnelly.
„Das klingt fast wie ein Märchen, ich weiß gar nicht mehr, wann ich eine Nacht durchgeschlafen habe“, erwiderte Keme müde.
„Wenn wir in Alaska sind, dann kannst du so lang schlafen wie du willst“, versprach Donnelly.
„Ihr seid aber keine Sekte, oder so?“, fragte Keme skeptisch.
„Nein, sind wir nicht. Wir wollen nur helfen. Ihr könnt uns vollkommen vertrauen, wir wollen euch nichts Böses“, erkannte Gordon.
„Wir wären krepiert ohne eure Hilfe, das dachte ich mir schon. Außer ihr wollt uns aufpäppeln und dann als Nutten auf den Strich schicken“, erwiderte Tokori.
„Nein, wie kommst du denn da drauf?“, bemerkte Gordon etwas entsetzt.
„Wie ich sagte, Sachen, die ich lieber nicht erwähnen möchte“, erkannte Keme.
„Ihr armen Mädels, es wurde höchste Zeit, dass wir euch finden. Ich werde euch im Zwischenlager noch mal gründlich untersuchen“, erkannte Donnelly.
„Ja, so siehst du aus“, bemerkte Keme.
„Ihr könnt euch natürlich auch von einer weiblichen Krankenschwester untersuchen lassen, wenn euch das lieber ist“, schlug Donnelly vor.
„Ja, das ist mir lieber, die letzten Male, dass mich ein Mann berührt hat war nicht liebevoll“, erklärte Keme.
„Sicher, natürlich, wir machen alles was ihr wollt. Verdammt Mädchen, was ist mit euch passiert?“, fragte Donnelly geschockt über die Geschichten, die seine Schützlinge preisgaben.
„Nur das Leben und wir sind keine Mädchen sondern ausgewachsene Frauen“, bemerkte Tokori grummelnd.
„Klar, unsere anderen Schützlinge sind immer etwas jünger als ihr. Okay, du bist auch fertig mit deiner Infusion, tut mir leid, dass wir dich ausgezogen haben, du hattest erhöhte Temperatur und ich musste dich runter kühlen“, bemerkte Donnelly, kniete sich zu Tokori und zog die leere Infusion aus Tokoris Arm.
„Mir ist immer noch heiß“, erkannte Tokori und Donnelly maß ihre Temperatur mit einem Ohrenthermometer.
„Immer noch 38°C, hast du schon länger Fieber gehabt?“, fragte Donnelly besorgt.
„Ich bin durch einen Wüstenstaat gefahren in dicker Lederkleidung, ich hab‘ keine Ahnung, mir war eigentlich ständig wahnsinnig heiß“, erwiderte Tokori.
„Du wirst erst mal leichte Kleidung tragen, bis deine Temperatur wieder sinkt, das ist nicht gut für dich, wenn du so lang‘ erhitzt bist. Ist dir auch heiß, wie heißt du noch mal?“, fragte Donnelly, Keme.
„Kem‘, Keme, eigentlich, aber alle nennen mich Kem‘“, erklärte Keme.
„Schön dich kennen zu lernen, Kem‘, darf ich bei dir auch Fieber messen?“, fragte Donnelly vorsichtig.
„Tu‘ dir keinen Zwang an“, bemerkte Keme ungerührt und er tat es.
„Normale Temperatur, aber du schwitzt ziemlich stark“, erkannte Donnelly.
„Ich liege im Hochsommer in einem Lieferwagen voller Männer, die mir unbekannt sind, tut mir leid, dass ich da ein bisschen nervös bin“, bemerkte Keme.
„Tut mir leid, das war mir gar nicht so klar, Jungs, lasst die Frauen jetzt mal in Ruhe“, erwiderte Donnelly und die Männer rutschten an die Ecken des geräumigen Lieferwagens und ließen die Frauen ausruhen.

Drittes Kapitel


Spät in dieser Nacht hielt der Lieferwagen vor einem Landhaus. Gordon und Donnelly trugen die Frauen hinein, die wieder eingeschlafen waren. Sie legten die beiden auf ein hübsches Holzbett und gingen in die Küche.
„Auf diese Frauen müssen wir ganz besonders aufpassen, du weißt ja wie die Preise für Costanos auf dem Schwarzmarkt sind. Sike ist total aufgeregt, dass sie Costanos sind, ich hab‘ den Jungen schon seit Monaten nicht mehr so glücklich erlebt“, erwiderte Gordan und setzte sich mit seinem Partner an einen Holztisch.
„Ja, ich hab‘ auch noch nicht so viele Costanos getroffen. Das sind wirklich hübsche Frauen, die verdammt viel erlebt haben. Die jüngere, wie heißt sie noch Mal ach ja, Tokori, sie hat echt schnell erkannt, dass du Psychologe bist, Kumpel“, frotzelte Donnelly.
„Das können sie auch ruhig wissen, aber unser anderes Geheimnis sollten sie lieber nicht wissen. Wir müssen sie heut‘ Nacht noch betäuben, es darf keiner sehen, dass wir Nativ-Amerikaner transportieren, wenn wir an die Grenze kommen, die sind verloren, da es keine Costano Schutzreservate mehr gibt. Es ist doch wirklich krank, dass wir über Menschen reden, wie man früher über Tiere gesprochen hat“, erkannte Gordon nachdenklich.
„Diese Menschen werden auch wie Tiere behandelt und das nur wegen ihrer Abstammung. Die dürfen in Alaska auf keinen Fall mitkriegen, dass sie auch mexikanisch angehaucht sind, sonst lassen sie sie nicht rein. Ich bin diese Transporte so müde, wie lang‘ müssen wir das noch machen, bis unserer Beitrag geleistet ist?“, fragte Donnelly rhetorisch und Gordan fand keine Antwort.
 
Kurz vor Sonnenaufgang setzte Donnelly den Frauen ein Betäubungsmittel und sie luden sie in einen geräumigen Container, denn sie durften nicht entdeckt werden.
„Bist du sicher, dass sie die vier Stunden über die Grenze schlafen?“, fragte Gordon, während er den Container auspolsterte.
„Du unterschätzt meine Fähigkeiten ständig, Kumpel, die Mädels werden noch länger als die vier Stunden bewusstlos sein. Wenn es dich beruhigt werde ich ihnen einen Zettel schreiben, dass sie sich ruhig verhalten müssen“, erwiderte Donnelly und schrieb einen Zettel.
„Okay, dann fahren wir, bevor die Sonne aufgeht müssen wir in Kanada sein“, bemerkte Donnelly und setzte sich ans Steuer.
„Gehen wir“, erkannte Gordon, schloss den Container und stieg auch vorne in den Lieferwagen ein. Das war also ihr großes Geheimnis, was die Frauen nicht wissen sollten, sie waren Kanadier. Sie hatten nie im Krieg gekämpft, ihr Narben hatten sie nur von den gefährlichen Missionen, die sie schon hinter sich gebracht hatten, um Amerikaner aus dem Land zu schaffen. In Alaska konnten sie durch Lieferanten Nahrung aus Kanada beschaffen. Die Frauen waren jetzt schon vier Tage ohne Nahrung und es wurde dringend Zeit, dass sie versorgt wurden. Sie schafften es über die Grenze, doch als sie gerade auf einen Highway abbiegen wollten, hörten sie ein Rumpeln im hinteren Teil des Vans.
„Deine Talente unterschätzen, das glaub‘ ich nicht, Don‘“, grummelte Gordon und sie hielten auf einem Rastplatz. Als Gordon den Container öffnete, sprang die panische Tokori heraus, ihre Beine gaben aber nach und sie sackte auf den Boden.
„Ich hätt‘ wohl doch die Dosis für einen Mann geben sollen“, erwiderte Donnelly schmunzelnd.
„Findest du das lustig?“, fragte Gordon und half ihr auf.
„Was zum Henker habt ihr mit uns gemacht?“, fragte Tokori entsetzt.
„Ganz ruhig, wir haben euch betäubt, wir konnten euch so besser über die Grenze schmuggeln. Willkommen in Kanada“, bemerkte Donnelly beruhigend.
„Was ist mit ihr?“, fragte Tokori und sah zu ihrer Cousine, die immer noch bewusstlos war.
„Sie ist noch betäubt, ich hab‘ mich bei dir ein bisschen mit der Dosis vertan“, erklärte Donnelly.
„Verdammt, weißt du eigentlich, was das in einem Missbrauchsopfer auslöst, wenn man in einem dunklen Container aufwacht?“, fragte sie keuchend.
„Du kannst vorne mitfahren, ich bleib‘ hinten bei deiner Cousine, wir können sie jetzt auch wieder rausholen“, bemerkte Gordon und stieg hinten ein.
„Ihr seid echt solche Freaks“, murmelte Tokori und stieg auf dem Beifahrersitz ein.
„Schnall‘ sie an, beruhig‘ sie, wenn sie auch vorher aufwacht. Wir sind in etwa 20 Minuten am zweiten Lager, wenn alles gut geht“, erkannte Donnelly und fuhr weiter, nachdem alle gesichert waren.
Als Keme wach wurde, war sie genauso stinkig wie ihre Cousine. Sie starrte Donnelly an, als sie im zweiten Lager auf einem Feldbett saß.
„Es musste sein“, bemerkte Donnelly nur.
„Das letzte Mal, dass ich son Kopf hatte, hatte ich ne Flasche Tequila getrunken“, murmelte sie noch etwas benommen.
„Danke Donnelly, das du mich nach Kanada geschmuggelt hast, wo ich genug zu essen bekomme unter Einsatz deines Lebens. Gern geschehen“, murmelte Donnelly, der an seinem Computer arbeitete.
„Warum musstest du mich unbedingt betäuben?“, fragte sie zurück.
„Ich musste dich in einen 1,50 mal zwei Meter Container zusammen mit deiner Cousine verstecken, glaub‘ mir, dass ist nicht lustig“, erklärte Donnelly und sah sie an. In dem Moment kam Gordon zurück.
„Die Lieferung ist da“, bemerkte Gordon und breitete jede Menge Nahrungsmittel auf dem Tisch vor Donnelly aus. Keme und Tokori kamen an den Tisch. Sie sahen das ganze Essen mit leuchtenden Augen an, als wäre es bares Gold.
„Chips, oh man, wie lang‘ hatte ich die nicht mehr“, bemerkte Keme begeistert und griff zu.
„Iss erst mal langsam, dein Magen ist das essen nicht mehr so gewöhnt“, riet Donnelly ihr, aber sie hatte die Chipstüte fast schon leer.
„Das ist das Beste was ich seit langem gegessen habe“, bemerkte sie mampfend.
„Das ist das einzige, was du in letzter Zeit gegessen hast. Ich werde euch noch was Richtiges kochen, ihr müsst richtige Kohlenhydrate essen“, bemerkte Donnelly, ergriff einen Sack Kartoffeln und Karotten und ging in die Küche.
„Ich kann diese Auswahl gar nicht fassen, ich weiß gar nicht, was ich essen soll“, bemerkte Tokori und sah über den Tisch.
„Bananen sind immer gut“, bemerkte Gordon schmunzelnd.
„Oh ja Bananen, ich hab‘ schon ganz vergessen wie die aussehen“, bemerkte Tokori und griff zu.
„Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es ist, nichts zu essen zu haben“, erwiderte Gordon.
„Du bist doch Amerikaner, hast du nie hungern müssen?“, fragte sie verwirrt.
„Äh ja, aber ich konnte mir immer irgendwo essen besorgen, meistens illegal“, erwiderte Gordon herumdrucksend.
„Ah, wenn du meinst. Man, die sind frisch, die schmecken so gut“, konterte Tokori essend.
„Nen Guten. Ach, jetzt hab‘ ich die Kleidung im Auto vergessen, ich muss noch mal raus, bedient euch“, bemerkte Gordon etwas aufgedreht und ging zurück zum Lieferwagen.
„Seltsamer Kerl, man, ich hätte getötet für diese Menge von Nahrung in den Staaten. Es ist so unfair, wir haben doch gar nichts mit diesem Krieg zu tun gehabt, warum werden wir bestraft?“, war Keme überwältigt von dem was sie sah.
„Ich hab‘ für unsere Seite gekämpft, so ganz unschuldig bin ich nicht“, konterte Tokori.
„Weil du es damals für richtig gehalten hast. Wir werden das nicht mehr erwähnen, du bist einfach Kopfgeldjägerin, nicht mehr. Mach‘ auch deine Hundemarke ab“, erwiderte Keme.
„Das ist Jeremys, das kann ich nicht abmachen, es war schlimm genug seinen Ring verkaufen zu müssen“, bemerkte Tokori und hielt nachdenklich seine Hundemarke in der Hand.
„Okay, aber dann halte sie immer verdeckt“, bat Keme.
„Klar, Boss“, versprach sie.
„Uh, das mit dem Boss ist auch schon ne Weile her, das musst du nicht mehr sagen, das macht mich traurig“, bemerkte Keme.
„So, hier hab‘ ich eure Sachen, ich hab‘ von allem etwas mitgebracht, ich denke Unterwäsche habt ihr, aber ich hab‘ halt noch was mitgebracht“, erklärte Gordon, der mit drei Tüten voller Klamotten von draußen zurückkam.
„Woher weißt du unsere Größe? Was habt ihr Ferkel gemacht, während wir bewusstlos waren?“, fragte Keme kopfschüttelnd.
„Ich hab‘ während meiner Semesterferien in einem Bekleidungsladen gejobbt, ich hab‘ euch nicht angefasst, keine Sorge. Da hinten könnt ihr duschen und euch umziehen“, erkannte Gordon und gab jeder eine Tüte.
„Neue Kleidung, man, es ist so seltsam, wie sehr man sich über so einfache Sachen freuen kann“, erwiderte Keme und ging zuerst ins Badezimmer.
Als sie zurückkam, war sie sauber, hatte eine Jeans und ein blaues Top an und hatte ihre Haare rappelkurz geschnitten.
„Was hast du mit deinen schönen Haaren gemacht?“, fragte Tokori entsetzt.
„Meine Haare gingen mir schon bis zu den Knien, ich musste sie loswerden. So seh‘ ich auch weniger Nativ-Amerikanisch aus, das könnte von Vorteil sein. So, was esse ich jetzt“, entgegnete Keme, die wesentlich entspannter aussah.
„Deine Haare waren doch dein ganzer Stolz“, konnte Tokori es nicht fassen.
„Die wachsen ja wieder. Oh, Jelly Bellys, lecker“, erwiderte Keme und griff nach einer Süßigkeitentüte.
„Hast du auch was Gesundes gekauft?“, fragte Donnelly schmunzelnd, der mit zwei Tellern voller dampfendem Essen aus der Küche kam.
„Ja, schon, aber ich wollte den beiden eine Freude machen. So, esst, ihr müsst zu Kräften kommen, wir fahren morgen weiter nach Alaska. Dort werden sich unsere Wege wieder trennen, denn wir dürfen dort nicht rein, lange Geschichte“, erklärte Gordon und die Frauen setzten sich an den Tisch.
„Ich weiß, dass ihr Kanadier seid“, erkannte Keme plötzlich und Donnelly sah Gordon böse an.
„Er hat nichts gesagt, ich bin viel rumgekommen vor dem Krieg, auch in Kanada, ich kenn‘ euren Dialekt, ihr habt den kalifornischen Dialekt zwar gut drauf, aber ihr verratet euch bei manchen Wörtern. Ihr wart also nicht im Krieg dabei, oder?“, fragte Keme cool und die Männer schüttelten den Kopf.
„Warum tut ihr das für uns? Wir sind doch die Feinde“, war Tokori verwundert.
„Ihr seid doch nicht die Feinde, ihr seid die Opfer. Wir haben eure Probleme im Fernsehen gesehen und wollten helfen. Wir haben im gleichen Krankenhaus gearbeitet und eines Tages vor drei Jahren haben wir den Plan gefasst, euch armen Leuten ein besseres Leben zu ermöglichen. Unsere erste Tour hat uns gleich fast das Leben gekostet, daher die Narben. Wir haben sechs Monate gestrauchelt, doch dann sind wir zurück, doch diesmal haben wir unsere Bodyguards dabei gehabt, die ihr kennengelernt habt. Die bleiben immer in den Staaten, das sind Amerikaner, tolle Jungs“, erklärte Gordon.
„Freut mich ja, dass wir noch ein paar Verbündete haben, die uns nicht abgrundtief hassen. Auch wenn mein Vater in diesem Krieg gekämpft hat, wir sind nicht schuld daran, wie unsere Regierung gehandelt hat“, verteidigte sich Keme.
„Hey, wir sind hier nicht da um zu richten, nur um zu helfen. Ich stell‘ dein Essen erst mal warm, Tokori, dann kannst du dich endlich anziehen“, erkannte Gordon und sah zu Tokori, die schon zwei Tage nur ein Laken trug.
„Das würde ich doch auch sagen, ich fühl‘ mich auch schon besser. Ich glaub‘ das mit den Haaren abschneiden ist gar keine so schlechte Idee, als ich letztes Mal beim Frisör war, hatte ich noch Geld für solchen Luxus“, bemerkte Tokori, stand auf und ging ins Badezimmer.
„Okay, denk‘ dran, langsam essen, dein Magen muss sich erst mal wieder an Essen gewöhnen“, riet Donnelly, Keme, als sie begann zu essen.
„Ich bin ein Viertel Mexikanerin, ich hab‘ schon immer alles vertragen“, tat das Keme ab und griff kräftig zu. Das bereute sie später, als sie sich übergeben musste.
„Ich bin kein Mensch der gern sagt, ich hab’s dir doch gesagt, aber ich hab’s dir doch gesagt“, bemerkte Donnelly, als er ihr im Badezimmer assistierte.
„Ach, halt‘ die Klappe“, murmelte sie und schnappte sich das Handtuch, das er ihr hinstreckte.
„Hoffen wir mal, dass du genug Nährstoffe bekommen hast, ich leg‘ dir nachher nur zur Vorsicht noch einen Vitamintropf“, erwiderte er fürsorglich.
„Warst du schon immer so hilfsbereit?“, fragte Keme, der so viel Sorge um sie unangenehm war.
„Ich gehör‘ zum medizinischen Team, auch wenn du eine hübsche junge Frau bist, ich seh‘ das alles nur professionell“, bemerkte Donnelly und half ihr auf.
„Das hoff‘ ich doch sehr, ich hab‘ grad‘ nicht den Kopf für eine plumpe Anmache. Du kochst übrigens gut, also liegt es nicht an deiner Kochkunst“, lobte Keme ihn, während er sie zurück zum Bett brachte, in dem Tokori lag und schlief.
„Du hast wohl lang nichts mehr gekochtes gegessen, ich koch‘ echt miserabel, deshalb bin damals auch aus der Kochschule geflogen. Aber das war ein Glück, denn am nächsten Tag hab‘ mich in der Schwesternschule angemeldet und hab‘ es nie bereut“, erzählte Donnelly.
„Sollten wir nicht still sein, dass sie schlafen kann?“, fragte Keme flüsternd.
„Ich leg‘ dir nur schnell den Tropf an, dann kannst du auch schlafen“, flüsterte Donnelly und legte den Tropf an.
„Wo schlaft ihr eigentlich?“, fragte Keme leise.
„Wir schlafen nicht mehr, das ist Zeitverschwendung“, bemerkte Donnelly und klebte den Tropf fest, dass sie ihn nicht aus Versehen herauszog.
„Ja, so seht ihr auch aus. Wie lange schlaft ihr schon nicht mehr?“, fragte Tokori, die wach geworden war.
„Ich vier Tage, Gordon schon fünf“, bemerkte Donnelly.
„Wie zum Henker schafft ihr das?“, fragte Keme neugierig.
„Meditation, Selbstbeherrschung und das ein oder andere Mittelchen“, erklärte Gordon.
„Das kann doch nicht gesund sein“, erwiderte Keme kopfschüttelnd.
„Sagt die Frau, die beinahe verhungert wäre. Ich bin Krankenpfleger, ich kontrolliere ständig unsere Werte, alles halb so wild“, versprach Donnelly.
„Klasse, wir sind in der Hand von Wahnsinnigen. Ihr müsst schlafen, sonst werdet ihr draufgehen“, bemerkte Keme entsetzt.
„Uns bleibt keine Zeit für Schlaf, das ist das Opfer, was wir bringen mussten“, erklärte Gordon erschöpft.
„Ihr habt verdammt viel geopfert für diesen Job, was?“, fragte Keme keck.
„Mehr als du dir vorstellen kannst. Jetzt schlaft, wird nen anstrengender Tag morgen“, bat Donnelly und die Frauen legten sich zum Schlafen hin.

Viertes Kapitel


Sehr früh am Morgen wurden sie geweckt und gebeten sich anzuziehen.
„Wie geht’s dir?“, fragte Donnelly, Keme, als er den Frauen Frühstück machte.
„Ich werde mich jetzt daran halten, langsam zu essen, sonst gut, danke“, bemerkte Keme.
„Schön zu hören, also ich erklär‘ euch was heute noch ansteht. Ich nehm‘ euch gleich Blut ab für nen Bluttest, der wird dann in ein Labor geschickt, um Krankheiten auszuschließen. Das wird etwa zwei bis drei Tage dauern, dann wissen wir, dass ihr gesund seid. Wir wollen ja nicht, dass ihr tot zusammenbrecht, sobald ihr in Alaska seid“, erwiderte Donnelly.
„Das geht dich nen Scheißdreck an, ob ich gesund bin, oder nicht“, murrte Tokori plötzlich.
„Ist nur Blut, Tokori, kein Grund, in Stress auszubrechen“, entgegnete Keme verwundert, weil sie so reagierte.
„Ich will aber nicht“, murrte Tokori.
„Gut, dann beschwer‘ dich aber nicht, wenn du krank wirst oder es dir schlechter geht. Ich denk‘ nämlich nicht, dass es dir gut geht, du hast nämlich immer noch Fieber“, erkannte Donnelly.
„Mir kannst du ruhig Blut abnehmen, bin schon lang nicht mehr untersucht worden, keine Ahnung was sie hat“, konterte Keme und streckte ihren Arm hin.
„Ich will einfach nur nicht“, bemerkte Tokori trotzig und Keme bekam eine Nadel in den Arm gesteckt, bei dem sie ihr Gesicht verzog.
„Sorry, hab‘ vergessen zu erwähnen, dass es kurz wehtut. Ist gleich vorbei“, erwiderte Donnelly liebevoll.
„Gut dass du Handschuhe trägst“, bemerkte Tokori plötzlich.
„Ist sie krank, hast du irgendwas ansteckendes?“, fragte Donnelly und sah zu Keme.
„Ich hab‘ Hepatitis B, aber das ist doch heilbar heut‘ zu Tage, oder?“, bemerkte Keme, als wäre es das normalste der Welt.
„Warum bist du dann nicht gesund?“, fragte Donnelly.
„Kein Geld dafür, hat mich bis jetzt nie gestört“, konterte Keme cool.
„Und du, warum darf ich dein Blut nicht haben? Hast du auch irgendwelche Krankheiten, von den ich nichts erfahren soll?“, fragte Donnelly und sah wieder zu Tokori.
„Wenn du ein Baby als Krankheit ansiehst, jup, dann bin ich krank“, gestand Tokori ihr kleines Geheimnis.
„Du bist schwanger?“, fragte Keme, Tokori verwundert.
„Das wollt‘ ich damit sagen, ja“, bemerkte Tokori verlegen.
„Aber wann, mit wem?“, fragte Keme verstört und Tokori schüttelte den Kopf.
„Okay, diese Informationen kommen etwas spät, jetzt müssen wir unsere Pläne etwas ändern“, plante Donnelly um, aber ohne seine Ruhe die er die ganze Zeit ausstrahlte zu verlieren.
„Ich werde nicht abtreiben, wenn du das geplant hast“, erwiderte Tokori ernst.
„Musst du nicht, wir müssen euch beide nur trennen, tut mir leid“, bemerkte Donnelly mitfühlend.
„Verdammt, deshalb wollte ich nichts sagen, sie ist die einzige Familie, die ich noch habe, wir trennen uns nicht“, murmelte Tokori verärgert.
„Wenn du dieses Baby wirklich austragen willst, bleibt uns keine andere Wahl“, erkannte Donnelly.
„Ich finde dich wieder, Kleines, versprochen“, versprach Keme weinerlich.
„Es tut mir leid, ich hab’s versaut“, bemerkte Tokori, die auch zu weinen begann.
„Ich geb‘ dir noch eine Vitaminspritze und Tabletten mit, dass es deinem Baby gut geht. Wie weit bist du denn?“, fragte Donnelly und zog eine weitere Tüte mit Flüssigkeit aus seiner Tasche.
„Du hast ja ein ganzes Krankenhaus da drin“, war Keme erstaunt.
„Ja, so halber. Darf ich?“, fragte Donnelly und Tokori streckte ihm ihren Arm hin.
„Okay, ich lass‘ euch beide dann mal kurz allein, ich geh‘ kurz raus und besprech‘ mit Gordon, was wir jetzt machen“, erwiderte Donnelly, legte die Infusion an und ging nach draußen.
„Schwanger? Verdammt, warum erzählst du mir so was nicht?“, raunzte Keme ihre Cousine an.
„Er hat mir 40 Mücken mehr gezahlt, wenn ich es ohne Gummi mache“,  erkannte Tokori beschämt.
„Man, wie oft hab‘ ich dir das verboten, wolltest du auch Heb B kriegen so wie ich?“, fragte Keme richtig verärgert.
„Wir haben das Geld gebraucht, meine Maschine war doch leer“, bemerkte Tokori weinerlich.
„Also bist du im dritten Monat, deshalb sieht man es noch nicht. Wie lang‘ wolltest du es mir verschweigen, bis du nicht mehr auf das Motorrad passt?“, konnte Keme sich gar nicht mehr einkriegen.
„Ich wollte es dir immer sagen, aber ich hatte immer Angst, wie du reagierst, nicht gut, wie ich sehe. Was machen die jetzt mit uns? Ich hab‘ Angst“, begann Tokori zu weinen und ihre Cousine umarmte sie kraftvoll.
„Ich kann mich jetzt nicht mehr um dich kümmern“, bemerkte Keme trocken.
„Ich muss mich doch eigentlich um dich kümmern, du bist doch die Außerwählte und ich nur die Führerin“, erwiderte Tokori und lächelte matt. Tokori sprach das indianische Ritual an, was sie vor fast 10 Jahren vollzogen hatten, was Keme zur Außerwählten ihres Stammes und Tokori zu ihrer Führerin, sozusagen ihre rechte Hand gemacht hatte, wie es 40 Jahre zuvor ihre Väter erlebt hatten.
„Unsere Seelen werden über den Tod hinaus verbunden sein und wir finden uns wieder, das haben die Geister so bestimmt“, erkannte Keme mit starken Worten.
„Ich hab‘ dich seit dem Ritual nicht mehr so über unserem Stamm sprechen hören“, erkannte Tokori.
„Ich denke in letzter Zeit viel über mein Erbe nach, jetzt wo wir noch so wenige sind. Ich hab‘ heut‘ Nacht über diesen Jungen nachgedacht, er wollte so viel von wir wissen und ich hab‘ ihn einfach abgeblockt“, dachte Keme laut nach.
„Du warst total erschöpft, er hat es sicher verstanden. Hier, nimm‘ meine Hundemarke, die soll dich an mich erinnern“, bat Tokori und hang ihr ihre Marke um.
„Hör‘ bloß auf, dich zu verabschieden“, bat Keme unter Tränen.
„Wir wussten doch, dass der Tag mal kommt“, konterte Tokori gefasst.
„Aber du wirst ein Baby kriegen, von einem Freier, ich sollte dir beistehen“, bemerkte Keme und atmete tief durch, um ihre Tränen zu bekämpfen.
„Ich vertraue diesen Männern, das ist das erste Mal seit langem, dass ich einem Mann vertraue. Sie werden mir helfen und dir auch“, erkannte Tokori und in dem Moment kamen Gordon und Donnelly zurück.
„Wir hassen das zu tun, aber wir können euch nur helfen, wenn wir euch trennen“, erklärte Donnelly, als er die weinenden Frauen sah.
„Wir sind bereit“, bemerkte Keme, nachdem sie tief duchgeatmetet hatte.
„Okay, dann packt euer Zeug zusammen, Gordon bringt Tokori zu ihrem Bestimmungsort, Keme kommt mit mir“, erklärte Donnelly.
„Dürfen wir erfahren, wo wir hinkommen?“, fragte Keme und zog die Hundemarke an.
„Nein, tut mir leid, aber wir werden euch Kontaktdaten geben, sobald die Luft rein ist“, versprach Gordon.
„Vor ein paar Tagen dachte ich, unser Leben würde nicht beschissener werden, man soll den Tag nie vor dem Abend loben“, bemerkte Keme und schulterte ihre Tasche.
„Euch wird es jetzt besser gehen, versprochen. Ihr müsst nie wieder anschaffen, dafür sorge ich“, bemerkte Gordon und nahm Tokoris Tasche.
„Ich kann das selbst tragen, ich bin zwar schwanger, aber immer noch zwei Mal so stark wie du“, bemerkte Tokori etwas verärgert.
„Aber du trägst ne Infusion mit dir rum, das könnte etwas schwierig werden“, entgegnete Gordon.
„Ja, richtig, danke“, bemerkte Tokori und trug ihre Infusion herum.
„Man, ich kann sie nicht einfach gehen lassen, nicht nach dem, was ich weiß“, erkannte Keme,  als sie zusah, wie Tokori ihre Sachen inklusive ihres Yamaha Motorrades in den schwarzen Van lud.
„Wir sind die Guten, ehrlich“, versprach Donnelly und packte die Lebensmittel in zwei gerechte Haufen.
„Du sagst das meiner Meinung nach etwas zu oft“, murmelte Keme.
„Wie hast du dich mit Heb B angesteckt?“, fragte er ablenkend.
„Sex, wir sind für Geld und Essen anschaffen gegangen. Guck‘ mich nicht so geschockt an, du würdest so was auch tun, um zu überleben“, erwiderte Keme und lud ihren Armeesack auf ihre Schulter.
„Ja, würde ich. Ich bring‘ dich in eine Klinik, da wirst du behandelt, hier in Kanada“, gestand er.
„Warum darf ich nicht erfahren, wo es hingeht?“, fragte sie.
„Aus Sicherheitsgründen, es ist nicht weit weg. Ich muss Tokori nach ihrem Helm fragen, wir fahren Lucille“, erklärte er.
„Oh ja, ich vermisse es schon, auf ihr zu reiten, sie ist in den letzten Jahren die wir unterwegs sind so was wie mein verlängerter Arm geworden“, erwiderte sie und ein Lächeln kam auf ihr Gesicht.
„Du liebst diese Maschine wirklich. Ich hab‘ so eine Maschine mal in einem Museum gesehen, wie ist das möglich, dass die noch läuft?“, fragte er neugierig.
„Sie war ein Familienmitglied, seit dem Tag, an dem Tokoris Großvater sie meiner Großmutter geschenkt hat“, bemerkte Keme stolz.
„Du würdest ein Vermögen machen, wenn du sie verkaufen würdest, was du nicht tun wirst, klar, denk‘ ich mir“, erkannte er, wechselte aber dann seine Meinung, als er sah, wie sie ihn verwirrt ansah.
„Finger weg von Lucille“, murrte sie.
„Klar, verstanden, bist du fit genug um zu fahren?“, fragte er nach.
„Vor einem Jahr bin ich 200 Meilen mit nem gebrochenem Arm gefahren“, erklärte sie trocken.
„Du bist echt ne toughe Bikerin, oder?“, fragte er beindruckt.
„In dritter Generation Kopfgeldjägerin und Bikerin, ja“, konterte sie.
„Hast du Waffen bei dir?“, war er irgendwie fasziniert.
„Eine Schrotflinte und die 9mm von meinem Dad, die hast du mir doch nicht weggenommen, oder?“ fragte sie hektisch.
„Wir haben euch nichts weggenommen, keine Sorge. Hast du dafür nen Waffenschein?“, fragte er kritisch.
„Ich hab‘ ne Marke, also werde ich den wohl haben. Wo ist meine Marke eigentlich, die war doch an meinem Gürtel dran“, erkannte sie.
„In deinen Sachen, ich hab‘ dir nichts weggenommen, du bist echt ziemlich paranoid eingestellt, oder?“, fragte er und sie wühlte in ihrer Tasche herum, bis sie ihre nicht mehr so glänzende Marke gefunden hatte.
„Mir sind meine Sachen schon oft gestohlen worden, da darf man etwas paranoid sein. Ich werde jetzt meine Cousine verabschieden, ich hoffe so für dich, dass das nicht irgendeine Falle ist, denn ich habe meinem Onkel und meiner Tante versprochen auf sie aufzupassen, bis zu dem Tag an dem ich draufgehe“, erkannte sie und schulterte ihre Tasche wieder.
„Du darfst mich umbringen, wenn ich dich auf irgendeine Weise  anlüge“, versprach er.
„Ich nehm‘ dich beim Wort. Gehen wir“, bemerkte sie und ging mit ihm nach draußen. Tokori stand etwas unsicher neben der Beifahrertür, als würde sie sich nicht trauen einzusteigen.
„Es ist okay“, erwiderte Keme und umarmte ihre Cousine fest.
„Soll ich meine Eltern anrufen wegen dem Baby?“, dachte Tokori laut nach.
„Ich hab‘ keine Ahnung, wie wir sie in Madrid erreichen können, aber ich werde es rausfinden. Pass‘ gut auf das Kleine hier drin auf, er oder sie wird ein Führer werden“, bemerkte Keme und berührte Tokoris Bauch.
„Darüber hab‘ ich noch gar nicht nachgedacht, du hast Recht“, konterte Tokori und legte ihre Hand auf Kemes Hand.
„Nur schon aus dem Grund werden wir uns wiedersehen.  Warte, ich will dir noch was geben“, bat sie, ging zu ihrem Motorrad und holte die 9mm ihres Vaters heraus.
„Nur, falls irgendwas heftig schief geht, aber es wird alles gut werden“, versprach sie und gab ihr die Waffe.
„Ich hab‘ eine Waffe, Boss“, erwiderte Tokori.
„Aber die ist besser. Mein Dad wäre stolz darauf, dass sie dich beschützen darf. Wir werden Lucille fahren, ich kann es kaum erwarten, Donnelly kotzen zu sehen“, erkannte sie schmunzelnd.
„Fahr‘ lieber vorsichtig, sonst baut ihr noch einen Unfall. Ich werde aus Gordon raus quetschen, wo du hinkommst, dann werde ich dich sofort anrufen“, bemerkte Tokori und umarmte sie noch mal.
„Ich liebe dich, Kleines“, entgegnete Keme und stieg nachdenklich auf ihr Motorrad.
„Können wir?“, fragte Donnelly und setzte sich mit dem Helm in der Hand hinter sie aufs Motorrad.
„Ich bin bereit, weiß aber nicht, ob du es bist“, erwiderte sie, zog ihren Helm richtig auf und ließ den Motor aufheulen.
„Hier ist ein 90er Limit“, erinnerte Donnelly sie.
„Ich werde 90 km/h fahren … mindestens“, schmunzelte sie und fuhr los.1.  Kapitel

Fünftes Kapitel


Drei Stunden später kamen sie in Prince George in British Columbia an. Sie hielt erschöpft vor einem Krankenhaus.
„So, ich hab‘ dich schon angekündigt, du wirst hier etwa eine Woche behandelt, dann wird dein Heb B weg sein und wir können weiter ziehen“, erkannte Donnelly und zog seinen Helm aus.
„Wird das schmerzhaft?“, fragte die sonst toughe Keme verängstigt.
„Das wird dir der Arzt erklären, aber soweit ich weiß ist es fast schmerzlos. Diese Reise hat dich schon etwas angestrengt“, stellte er fest, als sie geschafft vom Bike stieg.
„Ne, alles klar“, murmelte sie, bevor sie ohnmächtig wurde.
„Ich hab’s kapiert, die Frauen des 21. Jahrhunderts sind stark und selbstbewusst“, bemerkte er kopfschüttelnd und trug sie zum Empfang.
„Hey Don‘, bist mal wieder da? Wen haben wir da?“, fragte die Krankenschwester am Tresen, die Don‘ kannte.
„Wieder eine von meinen speziellen „Freundinnen“. Dr. Damascus weiß schon, dass ich komme, ich werde sie einfach zu ihm hochtragen. Kannst du dafür sorgen, dass die Harley draußen ins Parkhaus kommt ohne irgendwelche Kratzer?“, fragte Donnelly.
„Klar Boss, ich schick‘ Dunston los. Hübsches Mädchen“, bemerkte die Krankenschwester und steckte ihren Stecker ins Ohr um den Hausmeister zu erreichen.
„Ja, das ist sie. Holst du den Fahrstuhl für mich?“, fragte er bittend und die Schwester drückte einen Knopf, dass die Fahrstuhltür aufsprang.
„Danke, Kleines. Sag‘ Dunston, das ist ein 1990er Modell, also er soll verdammt vorsichtig damit sein“, bat Donnelly und trug Keme in den Fahrstuhl, dessen Türen sich hinter ihm schlossen.
 
20 Minuten später wurde Keme in einem Krankenzimmerbett wach. Donnelly saß an ihrem Bett. Er hatte ihr kurz davor eine Infusion gelegt um mit ihrer Behandlung zu beginnen.
„Man, langsam fühl‘ ich mich wie ein Nadelkissen“, murmelte sie und drehte ihren Kopf zu ihm.
„Das wird leider so weiter gehen in nächster Zeit, doch dann wird es dir besser gehen. Warum hast du nicht gesagt, dass du so erschöpft bist?“, fragte Donnelly.
„Ich hab‘ nicht erkannt, wie erschöpft ich war, bis ich umgekippt bin. War der Arzt schon da?“, fragte Keme.
„Dr. Damascus kommt gleich zu dir, er hat noch nen Patienten. Das ist mein Krankenhaus, ich meine, ich arbeite hier, wenn ich nicht auf Rettungsmission bin. Ich bin sogar Chefpfleger hier“, erwiderte Donnelly.
„Deshalb kannst du hier wohl auch unsereins so gut unterbringen“, erkannte sie.
„Ja, gut erkannt. Ich werde heut‘ Nacht das erste Mal seit Monaten wieder in meinem eigenen Bett schlafen. Es ist eine Bruchbude, aber es ist mein zu Hause. Du bist hier sicher, wir haben klasse Sicherheitspersonal. Hey, da kommt er ja, Hallo Doc D“, begrüßte Donnelly einen Arzt mittleren Alters, der mit silberneren Handschuhen und gleichfarbigen Kittel zu ihnen kam.
„Nicht erschrecken, ich will Sie nur untersuchen“, bemerkte Doktor Damascus vorsichtig und trat an Kemes Krankenbett.
„Ich hab‘ keine Angst“, bemerkte Keme.
„Amerikanerin, ah, wir können langsam diese Station den 51. Staat der USA nennen, so viele Amis wie du ihr anschleppst“, entgegnete der Doktor mit beruhigender Stimme.
„Dort wird Hilfe gebraucht und ich helfe gern, Doc“, erwiderte Donnelly und rieb seine Augen müde.
„Man, Don‘, auf was bist du heute? Du siehst aus, als hättest du mindestens drei Tage nicht mehr geschlafen“, musterte Dr. Damascus seinen Kollegen.
„Fünf Tage und Foxam“, bemerkte Donnelly nur.
„Foxam, Don‘? Das Zeug ist noch in der Entwicklungsphase, du könntest blind werden von dem Zeug“, konterte Dr. Damascus kopfschüttelnd und untersuchte Donnellys blutunterlaufenen Augen.
„Ich hab‘ auch ne medizinische Ausbildung, Doc, ich weiß was ich tue. Es geht jetzt um meine Begleiterin“, wehrte sich Donnelly gegen die Behandlung und der Doktor wendete sich kopfschüttelnd wieder Keme zu.
„Sturer Bock, unser Chefpfleger, der bringt sich noch irgendwann selbst um oder schlimmer jemand anderes. Also junge Dame, warum sind wir hier?“, fragte der Doktor und begann Keme zu untersuchen.
„Heb B“, erwiderte Donnelly.
„Hab‘ ich mit dir gesprochen, Trotzkopf? Nimm‘ dir ein paar Schlafmittel und verzieh‘ dich in dein Bett, ich will dich nicht wieder sehen, bis du mindestens 10 Stunden geschlafen hast“, erkannte der Arzt streng und Donnelly zog grummelnd davon.
„Klasse Teamleiter, aber ganz mieser Patient. Hepatitis B ist es bei dir, das seh‘ ich immer häufiger bei euch Leutchen, die Hygienebedingungen sind grausig geworden. Also, mein sturer Chefpfleger hat dir schon deine erste Infusion gelegt, gut, wir werden das jetzt jeden Tag einmal wiederholen und dann müsste es dir wieder besser gehen. Morgen mach‘ ich auch noch mal eine Ultraschalluntersuchung von deiner Leber, trinkst du, Kleines?“, fragte der Doktor, dessen Stimme sie fast hypnotisierte.
„Nach dem Tod meines Dads hab‘ ich ne Weile ne Phase gehabt, aber das war vor meiner Ansteckung“, erkannte sie.
„Ja, das kann einen Umhauen, ich wüsst‘ nicht, was ich machen würde, wenn einer von meinen Verwandten draufgehen würde, Sogar bei Don‘ würd’s mir leid tun, er ist zwar ein anstrengender Stiefsohn, aber jede Mühe wert“, entschied er.
„Sie sind sein Dad?“, war sie überrascht.
„Biologisch nicht, nein, aber im Herzen schon. Schluckt der Junge einfach Foxam, als Teenager musste ich ihn davon abbringen Drogen zu nehmen, weil er sonst kein vorzeigbarer Mann der Gesellschaft werden konnte, jetzt nimmt er welche um der Gesellschaft zu helfen. Du hast ein außergewöhnliches Aussehen, hat dir das jemand schon mal gesagt?“, fragte der Doc und sah sie genau an.
„Sollte das nen Kompliment sein?“, fragte sie kritisch.
„Nur, wenn es als Kompliment angenommen wird. Halb mexikanisch, halb nativ-amerikanisch, hab‘ ich Recht?“, fragte Dr. Damascus.
„Gut geraten, aber eigentlich Drittel kaukasisch, Drittel indianisch, Drittel mexikanisch, aber meine kaukasischen Gene sind nicht so stark gewesen“, erkannte sie.
„Interessante Mischung, ich hatte nur eine nativ-amerikanische Patientin vor dir in meiner Karriere. Wunderhübsche junge Frau, das ist 20 Jahre her, sie war zurückgeblieben, du erinnerst mich an sie“, bemerkte Dr. Damascus während er sie untersuchte.
„Wissen Sie noch, wie die junge Frau hieß?“, fragte Keme neugierig.
„Oh man, da fragst du mich was, hatte irgendwas mit Glauben zu tun, Faith … nein Hope, Hope Beltran“, bemerkte Dr. Damascus.
„Oh mein Gott“, stotterte sie.
„Kanntest du sie?“, fragte Dr. Damascus überrascht über ihre Reaktion.
„Das kann man so sagen, sie ist die jüngste Schwester meines Bruders, also meine Tante“, erwiderte Keme.
„Wir haben sie entlassen, ihr ging es gut, als ich sie das letzte Mal gesehen habe. Ich weiß leider nicht, wo sie hingekommen ist, solang‘ sie nicht in die Staaten zurück ist, wird es ihr jetzt gut gehen“, bemerkte der Doktor.
„Sie ist verschwunden, als ich klein war, mein Vater hat das nie verwunden, sie war sein ein und alles. Zumindest weiß ich jetzt, was mit ihr passiert ist. Ich frag‘ mich, wo sie jetzt ist, sie ist die einzige Tante von der ich nicht weiß wo sie ist, die Mutter meiner Cousine ist in Madrid mit ihrem Mann und ihren Geschwistern und die Älteste ist in Mexiko, sie sind da schon vor dem Krieg hingezogen,  ich hab‘ sie aber seit fast 10 Jahren nicht mehr gesehen“, erklärte sie.
„Was ist mit deinem Vater?“, fragte er.
„Er musste unbedingt in den Krieg ziehen und hat das mit seinem Leben bezahlt“, erkannte sie traurig.
„Tut mir leid, dass zu hören. Ich könnte ein paar Unterlagen durchgehen, vielleicht find‘ ich was über deine Tante. Also, ich lass‘ dich jetzt schlafen, du brauchst deine Kraft in den nächsten Tagen“, bemerkte der Arzt und ließ sie allein. Die Infusion schwächte sie sehr, sie hoffte so, dass diese Therapie sie wieder gesund machte. Spät in dieser Nacht wurde sie wach, als es auf der Station laut wurde.
„Was haben Sie ihm gegeben, was zum Teufel haben Sie ihm gegeben?“, fragte Dr. Damascus jemanden mit aufgebrachter Stimme.
„Nur ein Schlafmittel, er wollte eins, er sah fertig aus, ich dachte, er könnte es gebrauchen“, entschied eine andere Stimme.
„Er ist beinahe draufgegangen, wir konnten ihn grad‘ noch retten. Tut mir Leid, ist nicht Ihre Schuld, er hat dieses verdammte Zeug genommen, sie konnten ja nicht ahnen, dass es sich nicht miteinander verträgt. Ich bin nur sauer auf ihn, meine Frau reißt mir den Kopf ab, wenn sie es erfährt. Ich geh‘ jetzt zu ihr heim und sag‘ es ihr, wie geht es unserem Gast?“, fragte er etwas ruhiger.
„Ihre Werte sind okay, sie ist ziemlich schwach, aber das ist ja normal bei dieser Behandlung. Sie schläft jetzt, ich meld‘ mich sobald sich was ändert“, versprach die Schwester und der Doktor ging mit lauten Schritten davon.
„Donnelly“, bemerkte sie nur und drückte den Knopf für die Schwester.
„Hey Kleines, hat dich mein Boss geweckt?“, fragte die Schwester freundlich und machte ein LED-Licht am Bett an.
„Ja, ich hab‘ Durst“, bemerkte sie mit trockenem Mund.
„Klar, deine Leber braucht jetzt mehr Flüssigkeit, ich geb‘ dir was. Tut mir leid, dass er dich geweckt hat, er war etwas verärgert“, bemerkte die Schwester und hielt ihr einen Wasserbecher mit einem Strohhalm hin, von dem sie trank.
„Geht es seinem Sohn gut?“, fragte Keme und nahm noch mal einen Schluck.
„Sein Herz war stehen geblieben, sie haben ihn reanimiert, hing kurz auf der Kippe, aber jetzt geht es ihm wieder gut. Er hat dich hierher gebracht, oder?“, fragte die Schwester.
„Ja, er hat mir das Leben gerettet. Ist er hier im Krankenhaus?“, fragte Keme und die Schwester nickte.
„Kann ich zu ihm?“, fragte Keme.
„Du bist sehr schwach, Liebes“, erkannte die Schwester.
„Bitte“, bat Keme.
„Ich setz‘ dich in einen Rollstuhl, dann kannst du zu ihm. Es ist die Intensivstation, deshalb muss ich dir auch Mundschutz und Handschuhe anziehen“, erklärte die Schwester  und half ihr aufzusitzen, um ihr die Sachen anzuziehen.
„Ich war so stark und gesund, als ich jünger war, jetzt sieh‘ mich an, ich kann nicht mal mehr allein aufstehen“, erwiderte sie und die Schwester half ihr in den Rollstuhl.
„Das macht die Therapie, in ein, zwei Wochen wird es dir wieder besser gehen. So, los geht’s“, bemerkte die Schwester und rollte sie auf die Intensivstation. Von weitem hörte sie schon das Piepsen des Herzmonitors.
„Lass‘ ihn schlafen, wir sind heilfroh, dass er mal schläft“, bat die Schwester.
Keme fuhr mit ihrer Hand über seinen Arm. Er lag dort, schwach und hilflos. Sie konnte gar nicht glauben, dass der gleiche Mann sie nur Stunden zuvor getragen hatte.
„Ich werde ihn nicht wecken, darf ich aber etwas mit ihm allein sein?“, fragte Keme und die Schwester ließ sie allein.
„Ich sag‘ nicht gern, ich hab’s dir gesagt, aber ich hab’s dir gesagt“, erkannte sie leise und legte ihren Kopf auf seinen Arm. Es war seltsam, sie war immer so sehr darauf bedacht gewesen, die starke Frau raushängen zu lassen und hatte keinen Mann in ihr Leben gelassen, der sie schwach aussehen lassen konnte, doch neben ihm war ihr alles egal. War es möglich, dass sie verliebt war? So richtig verliebt war sie nie gewesen, ihre harte Schale hatte sie immer davon abgehalten eine echte Beziehung einzugehen. Erschöpft schlief sie auf seinem Arm ein.
 
Als Donnelly wach wurde, weckte er auch Keme damit.
„Keme?“, murmelte er benommen.
„Donnelly, hey, sorry, bin wohl an deinem Bett eingeschlafen“, bemerkte sie verschlafen und rappelte sich von seinem Arm auf.
„Was ist passiert?“, fragte er und sah auf den Herzmonitor.
„Du wolltest einfach so abkratzen“, konterte sie und rieb ihren schmerzenden Nacken.
„Wie das?“, fragte Donnelly verwirrt.
„Foxam verträgt sich wohl nicht mit den Schlafmitteln, die du genommen hast, dein Stiefvater war verdammt angepisst, er hat dich schocken müssen“, erklärte sie.
„Das erklärt meine Schmerzen in der Brust. Was machst du denn hier, müsstest du nicht in Behandlung sein?“, fragte er und schmunzelte über ihre Gesichtsmaske und ihre Handschuhe.
„Ich wollte sehen, ob es dir gut geht“, bemerkte sie.
„Wir mir scheint war letzte Nacht die beste Nacht meines Lebens. Ich darf diesen Scheiß nicht mehr schlucken, ich hab‘ mir die letzte Zeit wohl zu viel zugemutet, aber es lohnt sich immer. Nächste Woche bringe ich dich nach Alaska und dann mach‘ ich erst mal Pause davon“, versprach er.
„Nein, wirst du nicht, es bedeutet dir viel zu viel um aufzuhören. Doch diesmal spielen wir nach meinen Regeln, ich werde dich begleiten“, bemerkte Dr. Damascus, der zu seinem Sohn kam.
„Sorry Dillian, hab’s wohl übertrieben, aber du musst nicht mitkommen“, erwiderte Donnelly, dem das wirklich peinlich war.
„Du kannst mich ruhig Dad nennen, sie weiß, dass du mein Stiefsohn bist. Morgen Schönheit, solltest du nicht in deinem Bett liegen?“, begrüßte Dillian auch seine Patientin.
„Sorry Doc, ich wollte sehen, ob er in Ordnung ist“, erklärte sie.
„Habt ihr beide was am Laufen?“, fragte Dillian kritisch.
„Das ist gegen die Regeln in unserem Verein, Dad“, bemerkte Donnelly und Keme versuchte ihre Enttäuschung zu unterdrücken.
„Seit wann hältst du dich an Regeln, Junge. Guck‘ sie dir doch an, eine wahre Schönheit“, bemerkte Dillian schmeichelnd.
„Auch wenn das Komplimente sein sollen, lass das, Doc“, bat Keme ernst.
„Sie mag keine Komplimente, sie ist nicht so nett und freundlich wie sie wirkt“, erkannte Donnelly.
„Komplimente vom einem, Beleidigungen vom anderen, ich glaub‘ es ist Zeit, zurück in mein Zimmer zu gehen“, entschied sie beleidigt und rollte davon.
„Sie steht auf dich, Idiot, das sieht man doch“, entgegnete Dillian zu seinem Stiefsohn.
„Klasse, das kann ich grad‘ gar nicht gebrauchen“, murmelte Donnelly.
„Eine Beziehung würde in deinem Leben auch ein bisschen für Ruhe sorgen, Junge“, stellte Dillian fest.
„Vielleicht will ich keine Ruhe in meinem Leben“, bemerkte Donnelly trotzig.
„Doch das willst du, das will jeder. Gut, dass du noch am Leben bist, Sohn“, erwiderte Judith Damascus, seine Mutter, die erschöpft zu ihrer Familie kam.
„Ich wollte mich nicht umbringen, wenn du das wissen wolltest“, bemerkte Donnelly nur.
„Ja, denk‘ ich mir, deine Aufgabe ist dir viel zu wichtig, um so etwas Dummes zu tun. Du hast dich also wieder verknallt?“, entgegnete sie.
„Was heißt wieder? Ist ja nicht so, dass ich täglich eine neue Frau anschleppe“, bemerkte er entrüstet.
„Eine Amerikanerin, Don‘? Da gibt es doch was Besseres“, konterte Dillian.
„Ich hab‘ nichts mit der Kleinen, verdammt“, nörgelte Donnelly lautstark.
„Dann ist ja gut, beruhig‘ dich, ich will ja nicht, dass dein Herz wieder schlappmacht. Ruh‘ dich aus, wir nehmen dich heut‘ Abend mit zu uns nach Hause“, bemerkte Dillian.
„Dad, ich bin 30 Jahre alt, ich kann auf mich selbst aufpassen“, bemerkte Donnelly gereizt.
„Ja, das hat man ja letzte Nacht gesehen. Keine Sorge, nur die Woche, bis du weiter ziehst, wir halten Reisende nicht auf. Kommst du zu Thanksgiving mal nach Hause?“, fragte seine Mutter hoffend.
„Ich versuch’s einzurichten. Muss ich noch länger an diesem Ding hängen?“, fragte Donnelly und zog an den Kabeln herum, die auf seiner Brust klebten.
„Ich hab‘ dein Herz erst vor 8 Stunden zurück zum Laufen gebracht, Sohn, Flossen weg von den Kabeln, ich will dein Herz noch mindestens 12 Stunden überwachen. Wenn du nicht aufhörst zu ziehen, muss ich dich fixieren, das will ich sehr ungern machen“, bat Dillian und Donnelly ließ die Kabel los.
„Braver Junge. Ich geh‘ jetzt deine kleine Freundin untersuchen, war gut, dass du sie hergebracht hast, sie war kränker als du dachtest“, bemerkte Dillian.
„Sie wird doch wieder gesund, oder?“, fragte Donnelly besorgt.
„Ja, wird sie, du bist ziemlich besorgt um sie, dafür, dass du nicht verknallt in sie bist“, schlussfolgerte Dillian.
„Ich bin für sie zuständig, ich war nur neugierig“, behauptete er.
„Ah, wenn du meinst. Jetzt schlaf‘ noch etwas, dein Körper braucht Ruhe“, bemerkte Dillian und führte seine Frau aus der Intensivstation.
 
Als Dillian Damascus zu seiner Patientin kam, übergab sie sich gerade.
„Mir ist übel“, murmelte sie und spuckte erneut.
„Das macht das Mittel, tut mir leid, hätte ich vielleicht erwähnen sollen. Ich warte kurz, bis es besser wird, in der Zeit kannst du mir was über deine Krankengeschichte erzählen. Hattest du öfters Fieber in deiner Kindheit, oder irgendeine schwerere Krankheit?“, fragte Dillian, während sie sich übergab.
„Das hab‘ ich meine Eltern nie gefragt, kann ich jetzt auch nicht mehr, mein Dad ist ja tot und meine Mutter unbekannt verzogen. Oh man, das ist ja echt fies“, bemerkte Keme und lehnte sich erschöpft im zurück.
„Ich geb‘ dir was, dass das aufhört. Das klingt, als hättest du keine gute Kindheit gehabt“, erwiderte Dillian und spritzte ihr ein Mittel, dass die Übelkeit aufhörte.
„Danke, nein, meine Eltern waren sehr liebevoll, aber als mein Dad starb, ist alles auseinander gegangen, meine Mutter konnte das nicht ertragen. Ich hab‘ Gerüchte gehört, dass sie wieder als Stripperin arbeitet so wie in ihrer Jugend, aber ich hoffe so, dass das nicht so ist. Ich hab‘ sie auch schon seit langer Zeit nicht mehr gesehen. Ich hab‘ leider keine Geschwister, meine Cousine ist meine Schwester im Geiste. Es tut mir in der Seele weh, dass ich jetzt von ihr getrennt bin“, erzählte sie und wischte sich den Mund sauber.
„Wo ist deine Cousine jetzt?“, fragte er mitfühlend.
„Ich weiß es nicht, wir wurden gestern getrennt, Donnellys Kollege musste sie wo anders hinbringen, weil sie schwanger ist“, erklärte sie und wurde wieder traurig.
„Sie wollte nicht schwanger werden, oder?“, fragte Dillian und Keme sah ihn mit einem vielsagenden Blick an.
„Dachte ich mir. Ich habe viel von meinem Sohn über den Ort gehört, wo schwangere Frauen hinkommen, soll wirklich schön sein dort“, bemerkte er.
„Wirklich? Ich bin ein bisschen abgelenkt durch meine Übelkeit, ich kann nicht genau einschätzen, ob du die Wahrheit sagst“, erwiderte sie kritisch.
„Warum sollte ich dich anlügen? Ihr wird es gut gehen. So, geht’s dir schon besser?“, fragte Dillan und sie nickte.
„Ja, das wirkt ziemlich schnell, ich werde jetzt deinen Oberkörper untersuchen, dafür musst du dich kurz frei machen, es kann auch eine Schwester anwesend sein, wenn du willst“, erklärte er.
„Dein Sohn hat mich auch schon ausgezogen, ganz professionell natürlich, das macht mir nichts aus“, erwiderte sie und er zog ihr Krankenhaushemd herunter. So sah er das erste Mal ihre Narben.
„Man Kind, wer hat dir das angetan?“, fragte er entsetzt.
„Son Wichser mit nem Messer, aber es war meine Schuld, ich hab‘ ihn zu nah an mich rangelassen“, erklärte sie.
„War das während deiner Zeit als Freudenmädchen?“, fragte er neugierig.
„Nein, das ist in meinem alten Leben als Kopfgeldjägerin passiert. Man, ich hab‘ diesen Begriff schon totgeglaubt, ich war ne Nutte, kannst du ruhig so nennen. Darum muss ich jetzt auch leiden, dass ich das Heb B wieder loswerde. Ich denke, ich hab‘ den größten Scheiß in meinem Leben langsam hinter mir“, erklärte sie mit kraftvoller Stimme.
„Die Wunden sind gut verheilt, warst du damals damit im Krankenhaus?“, fragte er sie weiter über ihren medizinischen Hintergrund aus.
„Klar, ich bin ja fast verblutet damals. Das war noch die Vorkriegsära, als es noch möglich war, medizinische Versorgung zu erhalten. Du hast kalte Hände“, bemerkte sie, während er ihren Bauch abtastete.
„Tut mir leid, du machst mich etwas nervös, hatte noch nie so ne toughe junge Frau auf meinem Tisch. Okay, ich kann jetzt keine Auffälligkeit an deiner Leber ertasten, ich mach‘ jetzt einen Ultraschall. Ich weiß nicht, wie sehr du mit der neusten Technik vertraut bist, ich zieh‘ jetzt den Ultraschallhandschuh über meine Hand und fahr‘ über deinen Bauch. Wir müssen dann gleich ein detailliertes 3D-Bild von deiner Leber kriegen“, erklärte Dillian und begann damit.
„Ich kenn‘ die Technik, ich war zwar schon ne Weile nicht mehr beim Arzt, aber ich bin schon im 21. Jahrhundert geboren“, erkannte sie.
„Klar, tut mir leid, wollte es nur sagen, also was haben wir hier, die Leber ist etwas vergrößert, das muss nicht unbedingt ein Resultat deines Trinkproblems sein, was du mal hattest, das liegt sicher am Virus. Die Medikation müsste das wieder regulieren, ich denke, du musst noch nach deinem Aufenthalt hier ab und zu mal so was machen lassen, um den Zustand zu überprüfen, sonst sehe ich da kein größeres Problem. Die Blutprobe, die mein Sohn gestern Morgen von dir genommen hat, ist heut‘ Morgen analysiert worden, dein Virusinfekt war etwas dramatischer als wir dachten, aber das kriegen wir hin, wir sind eine der besten Kliniken in Kanada, du kannst von Glück reden, dass dich Don‘ hier her gebracht hat. Er ist übrigens nicht so gefühllos, wie er reagiert, er hat nur angefangen, seine Gefühle abzuschalten bei seinen Missionen. Wurdest du gynäkologisch untersucht während deiner Zeit als Prostituierte?“, fragte Dillian.
„Ja, natürlich in der Freien Klinik für Huren und Stricher“, bemerkte sie sarkastisch.
„Okay, dann werde ich Dr. Turnblatt noch hierher schicken, dass sie dich richtig untersucht, das hat zwar nichts mit deiner Erkrankung zu tun, aber es schadet nicht“, erkannte Dillian mit seiner beruhigenden Stimme und verließ ihr Krankenbett wieder.

Sechstes Kapitel


An diesem Nachmittag wurde Keme rundherum untersucht. Am Abend kam Dillian mit besorgtem Blick zurück zu ihr.
„Das ist kein gutes Zeichen, wenn Sie so ein Gesicht machen“, bemerkte sie erschöpft.
„Oh Kleines, was ist dir zugestoßen?“, erkannte er ernst und setzte sich zu ihr hin.
„Nur das Leben, Doc, nur das Leben. Was habe ich noch?“, fragte sie kurz.
„Frag‘ lieber was du nicht hast, AIDS hast du nicht, und schwanger bist du auch nicht, aber den Rest müssen wir behandeln. Es hat sich niemand um dich gekümmert, in den letzten Jahren, oder?“, fragte der Doktor mitfühlend.
„Ich bin erwachsen, es musste sich niemand um mich kümmern“, entschied sie bockig.
„Doch, ganz eindeutig. Die Sachen sind alle innerhalb dieser Woche behandelbar, aber ich bitte dich inständig, das horizontale Gewerbe aufzugeben, sonst wirst du nicht alt“, bemerkte Dillian ernst.
„Ich will da auch nie mehr hin zurück. Mein Dad wollte immer, dass ich heirate und viele Kinder bekomme, als ich jünger war, ich hab‘ ihm an seinem Totenbett versprochen, dass ich das machen werde, doch bis jetzt habe ich keinen Mann gefunden der mit meiner harten Schale leben kann“, erklärte sie.
„Du hast dir diese harte Schale zugelegt, weil du nicht verletzt werden willst, genauso wie mein Sohn. Ich werde dir ne Infusion legen mit allem was du brauchst, das wird ne harte Nacht, aber eine Schwester wird jede zwei Stunden nach dir sehen“, versprach er und legte die Infusion.
„Ich fühl‘ mich eh schon beschissen, kann kaum schlimmer werden“, bemerkte sie. Sie lag falsch. Sie hatte schon furchtbare Nächte in gammligen Häusern verbracht, doch was sie in dieser Nacht in der Krankenstation erlebte, sprengte alle Grenzen. Sie weinte und schrie, als wäre sie in einem kalten Entzug. Plötzlich, in ihrer schlimmsten Phase kam jemand und nahm ihre Hand.
„Schwester?“, fragte sie keuchend.
„Nein ich bin’s, Don‘“, hörte er Donnellys freundliche Stimme.
„Das ist ein verdammter Scheiß“, fluchte sie und krampfte.
„Dir wird’s besser gehen, du musst nur die Nacht überstehen und ich bleib‘ bei dir“, versprach er und er hielt ihre Hand, bis sie eingeschlafen war.
 
Ihre Haut brannte wie Feuer, als sie an diesem Morgen erwachte. Es fühlte sich an, als hätte sie lang in der kalifornischen Sonne gelegen. Sie atmete einmal tief ein und aus. Sie versuchte die Schwester zu rufen, doch jemand hielt ihre Hand fest. Sie blinzelte. Es war Donnelly, der friedlich mit dem Kopf auf ihrem Schoß schlief.
„Don‘, wach‘ auf, du quetscht mich ein“, murmelte sie und versuchte ihn wegzudrückte, war aber zu schwach dafür.
Sie rief nach Hilfe.
„Morgen Sonnenschein, warum drückst du nicht den Knopf?“, fragte die Schwester, die sie die ganze Nacht bewacht hatte, als sie zu ihr kam. Keme deutete nur auf Donnelly.
„Oh Mann, der war noch nicht da, als ich meine letzte Runde gedreht habe. Er ist immer noch an den Herzmonitor angeschlossen, atmet er noch?“, fragte sie und die Schwester zog ihn von ihr runter.
„Ja, er schläft nur, lassen wir ihn schlafen. Wie geht’s dir?“, fragte die Schwester, rollte Donnellys Rollstuhl mit ihm zur Seite und kam zu ihr.
„Meine Haut brennt“, erwiderte Keme.
„Das macht das Mittel, ich werde dich jetzt waschen, dann wird es dir besser gehen. Das schlimmste hast du überstanden, ich mach‘ das schnell hier mal zu“, bemerkte die Schwester und zog den Vorhang um ihr Bett herum, um sie zu waschen. Nachdem sie mit eiskaltem Eiswasser gewaschen worden war, ging es ihr wirklich besser.
„Ich würde gern was anziehen, ich kann doch nicht die ganze Zeit in diesem Ding rumlaufen“, bat Keme plötzlich und zog ihr Nachthemd am Bauch hoch.
„Wir müssen dich nicht mehr untersuchen, du kannst dich ruhig wieder anziehen. Ich helf‘ dir dabei“, erkannte die Schwester und half ihr Shorts und ein Tanktop anzuziehen.
„Ich hab‘ mich übrigens noch gar nicht vorgestellt, ich bin Schwester Ruth“, stellte die Schwester sich vor.
„Ich kann lesen, danke“, bemerkte Keme und deutete auf ihr Namensschild.
„Ach ja, richtig, klar. So, jetzt wecken wir mal meinen dickköpfigen Boss, dann kann ich ihm die Kabel abnehmen“, erkannte Schwester Ruth und zog den Vorhang wieder weg.
„Hey Boss, genug geschlafen“, weckte Schwester Ruth ihren Chef, der grummelnd aufwachte.
„Noch fünf Minuten“, nörgelte Donnelly und Schwester Ruth noppte etwas rabiat einen Sensor an seiner beharrten Brust ab.
„Au, Ruth, das hat wehgetan“, erwiderte Donnelly, der davon richtig wach geworden war und rieb seine Brust.
„Sorry, musste sein. Solltest du nicht in deinem Bett liegen?“, fragte Ruth und nahm die anderen Sensoren etwas sanfter ab.
„Ich hab‘ sie weinen gehört und wollte ihr beistehen“, erklärte Donnelly und sah zu Keme.
„Typisch Don‘, immer der Beschützer von allem, was sich nicht wehren kann. Wie geht’s dir?“, fragte Schwester Beth und sah auf seine Werte.
„Ich schlaf‘ endlich wieder, also eigentlich ganz gut. Wie sehen meine Werte aus?“, fragte Donnelly.
„Scheint so, dass die Scheiße die du abgezogen hast, deinem Herz nicht geschadet hat, dein Rhythmus ist regelmäßig. Warum liegt er nicht im Bett?“, fragte Dillian, der in seiner zivilen Kleidung zu ihnen kam.
„Er kann selbst sprechen, mir geht’s gut“, bemerkte Donnelly und zog seine Jacke ruckartig zu.
„Ja, das seh‘ ich. Kannst du aufstehen?“, fragte Dillian und Donnelly versuchte aufzustehen, sackte aber dann wieder auf den Rollstuhl.
„Ich hab‘ auf dem Stuhl geschlafen, hab‘ vermutlich nur eingeschlafene Beine. Hilf‘ mir auf, bitte“, bat er seinen Vater und der half ihm auf die Beine.
„Ich ruf‘ deine Mutter an, die soll dich abholen“, bemerkte Dillian und führte ihn zu seinem Bett zurück.
 
„Irgendwie süß, dass er über mich gewacht hat. Oh man, ich muss mich schon wieder übergeben“, bemerkte sie und Schwester Beth half ihr, sich zu übergeben.
„Ich würde dir ja was geben, aber ich weiß nicht mehr, wo ich die Nadel ansetzen soll, du wurdest in der letzten Zeit einfach zu viel gespritzt, kommst du auch ohne das Medikament gegen Übelkeit klar?“, fragte Schwester Beth etwas hilflos über ihre sehr krank aussehende Patientin.
„Geht schon, die Übelkeit war schon schlimmer. Ich hoff‘ nur, dass das bald aufhört“, erwiderte Keme geschafft.
„Noch drei Tage, maximal vier, dann können wir dich von dem Mist befreien. Ich bring‘ dir gleich was zu essen, du wirst zwar nicht so wahnsinnig viel Hunger haben, aber du musst was essen, so dünn wie du bist“, bemerkte Schwester Beth fürsorglich.
„Hab‘ nicht viel zu essen bekommen in den letzten zwei Jahren, das war keine Diät, wenn du dich das fragst“, bemerkte sie.
„Hab‘ ich nicht gedacht nein, du bist nicht die erste die ich helfe zu behandeln. Wir werden dich in den nächsten Tagen mit einem sehr nährstoffreichen Nahrungsergänzungsmittel verpflegen, dass du zu Kräften kommst, oder bleibst. Okay, in deinem Fall eher kommst. Du siehst gar nicht gut aus, Kleines, ich mach‘ mir echt Sorgen um dich“, bemerkte die Schwester und strich ihr ihre verschwitzten Haare aus dem Gesicht.
„Du hättest mich noch vor zwei Tagen sehen müssen, das ist noch gar nichts. Ich will jetzt noch etwas schlafen“, bemerkte sie und döste wieder ein.
 
Zwei Tage lang dämmerte sie im Halbschlaf in ihrem Bett. Es fühlte sich an wie ein verdammt mieser Trip und sie hoffte, dass es bald aufhörte. Wie versprochen ging es ihr nach dieser Woche im Krankenhaus besser.
„Hey, sieh‘ mal an, wer da schon besser aussieht. Lucille wartet auf dich“, bemerkte Donnelly, der sie mit ihrem Seesack in der Hand abholen kam.
„Du siehst auch wieder aus wie ein Mensch, hat dich deine Mutter mal so richtig versorgt?“, fragte sie lächelnd.
„Scheint so, wir fahren noch Mal bei meiner Wohnung vorbei, bevor wir aufbrechen, ich hoffe, das ist okay“, erkannte er und half ihr auf.
„Hey, du bist der Mann mit dem Zeitplan, ich muss nirgendwo hin“, entgegnete sie und ging gestützt auf ihn ging sie zum Tresen, wo Schwester Beth auf sie wartete.
„So, dann heißt es also, Abschied nehmen“, bemerkte die Schwester traurig.
„Ja, scheint so. Vielen Dank noch Mal für alles“, erwiderte Keme und umarmte die Schwester.
„Gern geschehen, ich hoffe, es geht jetzt aufwärts für dich. Hier, das hat Dr. Damascus für dich dagelassen, er hat deine Tante gefunden“, erklärte Schwester Beth.
„Wirklich? Wo ist sie?“, fragte Keme erfreut.
„Das weiß ich nicht, Kleines, du sollst nur die Nummer anrufen“, bemerkte Schwester Beth und tippte auf das Blatt in Kemes Hand.
„Warum vertraut mir hier eigentlich niemand eine Adresse an?“, fragte sie kopfschüttelnd.
„Hey, erschieß‘ nicht den Boten, was weiß ich. Und du, Boss? War schön, dass du mal da warst“, verabschiedete sich Schwester Beth von Donnelly.
„Du übernimmst hier doch wieder alles, solang‘ ich weg bin, oder?“, fragte Donnelly hoffend.
„Mach‘ ich doch immer, Boss“, bemerkte Schwester Beth und knuffte ihn in den Bauch.
„Gut, gut. Sag‘ meinem Dad noch mal Danke für alles. Wo hat Dunston das Motorrad abgestellt?“, fragte Donnelly.
„Unten im Parkhaus, irgendwo, weiß nicht genau wo. Pass‘ gut auf sie auf, Don‘“, bat Schwester Beth, Donnelly.
„Klar, ist ja mein Job. Ich meld‘ mich bei dir, wenn ich zurück bin“, verabschiedete sich Donnelly und ging mit Keme den Gang entlang zum Parkhaus.
„Du hattest nicht geplant, hier Halt zu machen, oder?“, schlussfolgerte sie, als er den Knopf des Fahrstuhls drückte.
„Nein, nicht wirklich, aber ich wollte dich gesund wissen. Aber jetzt bin ich froh darüber, wenn ich den Herzstillstand auf der Reise gehabt hätte, wärst du jetzt allein“, bemerkte Donnelly und die Fahrstuhltür sprang auf.
„Ein gruseliger Gedanke. Du nimmst das Zeug jetzt nicht mehr, oder?“, fragte sie hoffend und er schüttelte den Kopf.
„Ich hab‘ das Pharmaunternehmen angerufen, die werden das Mittel erst mal wieder einstampfen und neu forschen. Ich probier‘ es mit Koffeintabletten fürs Erste“, bemerkte er und ging hinein.
„Klingt nach ‘nem Plan. Bin mal gespannt auf deine Wohnung“, erwiderte sie und folgte ihm.
 
Am Stadtrand hielt Donnelly mit einem geliehenen Transporter vor einem etwas herunter gekommenen Haus.
„Nett“, bemerkte sie nur.
„Ich weiß, ist ne Dreckshütte, aber ich bin fast nie hier“, entgegnete er und schloss die Außentür auf.
„Das war nicht sarkastisch gemeint, ich hab‘ in schlimmeren Hütten gewohnt. Meine erste Wohnung war das Hinterzimmer unseres Kopfgeldbüros“, erkannte sie und er ließ sie rein.
„Was ist damit passiert?“, fragte er neugierig.
„Ah, dumme Sache“, sagte sie nur.
„Willst du nicht darüber reden?“, fragte er und sie nickte.
„Klar, dann reden wir nicht darüber. So, hier sind wir“, bemerkte er und blieb vor einer Tür stehen.
„Bin ich die erste von deinen Schützlingen die du hier her bringst?“, fragte sie und er schloss auf.
„Ja, eigentlich schon, also erwarte nicht zu viel“, bat er und öffnete die Tür. Sie sah sich um. Überall standen Kisten herum und eine hohe Staubschicht lag auf den Möbeln.
„Feng Shui ist nicht so dein Ding, oder?“, fragte sie schmunzelnd.
„Ich bin noch nicht so richtig eingezogen“, bemerkte er.
„Bist du grad‘ umgezogen?“, fragte sie.
„Vor vier Jahren eigentlich“, erkannte er.
„Wie hast du hier drin schlafen können?“, fragte sie kopfschüttelnd.
„Schlafen kann man überall. Meine Sachen sind ganz abgewetzt langsam, ich muss die mal austauschen“, erkannte er und schmiss seine Tasche aufs Bett, was ziemlich staubte.
„Ihr Männer seit echt so eklig“, erkannte sie.
„Danke für das Kompliment. Gibst du mir mal den Sack da drüben?“, fragte er und bekam eine Plastiktüte gereicht.
„Man, das Zeug hab‘ ich echt lang getragen, fast 2 Jahre“, bemerkte er und stopfte seine Anziehsachen in die Tüte. Keme nahm ein dunkelgrünes T-Shirt mit einem seltsamen Fleck auf.
„Ew, das ist kein Kompliment sondern eine Tatsache“, entschied sie und hielt das T-Shirt hoch.
„Ja, den Fleck hab‘ ich im Waschsalon nicht rausgekriegt“, erkannte er und nahm das T-Shirt.
„Was hast du da draufgekriegt?“, fragte sie neugierig.
„Mh, Blut“, bemerkte er nachdenklich.
„Deins?“
„Äh, nein“, konterte er kleinlaut.
„Ah“, murmelte sie verwirrt.
„Ich werde dich mit meinem Leben beschützen“, versprach er plötzlich ernst.
„Der armen Frau, dessen Blut an diesem T-Shirt klebt hast du das vermutlich auch versprochen. Ist sie tot?“, fragte sie und er nickte stumm.
„Du erzählst mir nicht, was passiert ist, oder?“, fragte sie.
„Nein, aber nicht, weil ich dir nicht vertraue, ich will dich nur nicht erschrecken“, erkannte er und stopfte ziemlich gleich aussehende Kleidungsstücke in seine nun leere Tasche.
„Ich nehm‘ mal an, dass du ne Freundin hattest ist fast so lang her wie meine letzte Beziehung“, erkannte sie sarkastisch.
„Ja, ist ziemlich offensichtlich, oder?“, fragte er.
„Keine Frau, die was auf sich hält, lässt ihren Kerl mit solchen Sachen rumlaufen. Wo kaufst du ein, in einem Militärladen?“, kritisierte sie seinen Kleidungsstil.
„Das sagt die Frau, die nur Bikerkleidung trägt. Das Zeug ist unauffällig und praktisch“, verteidigte er sich.
„Wie auch immer. Warum hast du eigentlich einen Lieferwagen besorgt?“, fragte sie und setzte sich auf das staubige Bett.
„Wir müssen noch fast 10 Stunden bis zur Grenze fahren, das schaffst du nicht auf dem Motorrad. Ich weiß, dass du es auf dem Bike liebst, aber du bist noch zu schwach“, erklärte er.
„Ich kann nicht abstreiten, dass du recht hast“, bemerkte sie und er setzte sich neben sie.
„Du musst echt fertig sein, wenn du mir da zustimmst. Ich hab‘ was, was ich dir zeigen will, aber ich weiß nicht wie du reagieren wirst“, bemerkte er und kramte in seiner Hosentasche herum.
„Wenn du mir dein Ding zeigen willst weiß ich genau, wie ich reagieren werde“, bemerkte sie etwas verwirrt.
„Ich zeig‘ dir doch nicht mein Ding, wie kommst du denn da drauf? Mach‘ mal den Fernseher an“, bemerkte er und sie stand verwirrt auf und machte den Display an.
„Okay, was wird das jetzt?“, fragte sie verwundert und er hielt sein Handy auf den Display. Ein Ultraschallbild erschien.
„Ist das?“, fragte sie und er nickte.
„Deine Nichte oder dein Neffe, ja, Gordon hat es mir heute Morgen geschickt, Mutter und Kind geht es gut, ihr Fieber ist endlich runter gegangen“, erkannte er.
Keme fasste mit ihrer Hand auf das Bild.
„Das ist der Führer meines Kindes“, bemerkte sie etwas traurig.
„Führer?“, fragte er und sie erklärte ihm das Ritual, was schon ihre Urgroßmutter durchlebt hatte und ihr viel bedeutete.
„Darf ich dein Brandzeichen sehen?“, fragte er und sie stellte sich nah vor ihn. Sie hob ihr T-Shirt etwas hoch und ihr Short ein bisschen herunter. Ein kleiner Wolf zierte ihre zarte Hüfte. Er fuhr mit seinen Fingern darüber. Seine Finger waren kalt, was sie zusammenzucken ließ.
„Tut mir leid“, bemerkte er sanft.
„Du hast kalte Hände“, bemerkte sie und er zog sie an ihren Oberschenkeln näher an sich.
„Was machst du?“, fragte sie ohne sich zu wehren.
„Ich möchte dich küssen, wenn das okay ist“, erkannte er und sie küsste ihn sanft, aber leidenschaftlich.
„Das wollte ich auch schon länger machen“, murmelte sie und stand aus der Knieposition wieder auf, in die sie gegangen war.
„Ich mag dich, Keme“, gestand er.
„Ich mag dich auch, was machen wir jetzt?“, fragte sie, aber er hatte keine Antwort.
„Du musst mich da hinbringen, ich hab‘ in deinem Leben keinen Platz“, bemerkte sie traurig.
„Ich weiß, ich wünschte, es wäre anders, aber dort wo ich dich hinbringe wirst du ein gutes Leben führen“, versprach er und stand wieder auf.
„Und was für ein Leben wirst du führen?“, fragte sie und machte das Display wieder aus.
„Das Leben, das ich mir ausgesucht habe. Wir müssen los, das wird eine lange Reise“, erkannte er und nahm seine Tasche.
„Ja, wird es“, entschied sie und folgte ihm nach draußen.
Die ganze Zeit bis zur Grenze herrschte eisiges Schweigen zwischen den Beiden. Keiner von beiden wusste so recht, was er sagen sollte. Kurz vor der Grenze ergriff Donnelly das Wort.
„Wir werden gleich auf einen Lieferwagen mit amerikanischem Kennzeichen treffen, nicht erschrecken, das sind wieder meine amerikanischen Männer. Sie werden deine Maschine umladen und wir müssen noch ein paar Details besprechen und dann werdet ihr auf einem Kieslader nach Alaska schippern“, erklärte er kurz und mit ernster Stimme und sie nickte nur.
„Bitte sag‘ was, ich halt‘ das Schweigen nicht aus“, bat er.
„Was soll ich sagen, gute Arbeit?“, fragte sie etwas sarkastisch.
„Besser als gar nichts zu sagen“, murrte er.
„Gute Arbeit“, erkannte sie sarkastisch.
„Danke“, bemerkte er den Sarkasmus in ihrer Stimme.
Sie wollte erneut ansetzen um etwas zu sagen, als ein schwarzer Lieferwagen an ihnen vorbeifuhr und Donnelly scharf bremste. Dabei fiel Keme etwas ruckartig in die Sicherheitsgurte.
„Au, was ist?“, fragte sie gereizt.
„Meine Männer sind da“, sagte er nur kryptisch und drehte den Wagen zu dem schwarzen Lieferwagen.
„Bleib‘ erst mal im Wagen“, bat er und stieg aus.
„Hey Boss, das ist kein schwarzer Lieferwagen, der ist blau, wir sind fast an dir vorbei gefahren“, bemerkte der Fahrer des schwarzen Lieferwagens.
„Sorry, gab‘ ne Planänderung, hab‘ nur einen Gast heute. Behandelt sie gut, sie hat viel durchgemacht“, bat Donnelly und sah zu Keme, die etwas verloren auf dem Beifahrersitz saß.
„Ist sie deine “spezielle Freundin“?“, fragte der Beifahrer des Lieferwagens etwas abfällig.
„Dumme Fragen ignorier‘ ich einfach“, murmelte Donnelly genervt und schmiss dem Kerl Kemes Seesack hin.
„Das beantwortet meine Frage auch ohne viele Worte. Dann hol‘ sie mal her“, erkannte der Fahrer und Donnelly winkte sie her.
„Hallo, endlich mal was zum Gucken, mir ist schon klar, dass du auf sie stehst“, kommentierte der Beifahrer Kemes wirklich sehr ansehnliches Erscheinungsbild.
„Die würde ich lieber nicht reizen“, erwiderte Donnelly.
„Sie sieht nicht gefährlich aus“, belächelte der Fahrer und eh er sich versah hatte Keme ihn fest im Polizeigriff.
„Das ist genau euer Problem, ihr unterschätzt mich“, erkannte sie und drückte noch mal fester zu.
„Lass‘ ihn los Kem‘, er muss den Wagen fahren“, bat Donnelly und sie ließ ihn los.
„Wer von euch Clowns hilft mir jetzt mit meiner Maschine?“, fragte sie cool und lief zu dem Lieferwagen, mit dem sie gekommen waren.
„Also hilfebedürftig ist die nicht grad‘“, kommentierte der Fahrer, während er sich den Arm rieb.
„Die ist ausgebildete Kopfgeldjägerin in dritter Generation, die bricht dir alle Knochen mit einem Finger, also Finger weg von ihr, will ich dir nur geraten haben“, bemerkte Donnelly, während der Beifahrer ihr beim Entladen ihrer Maschine half.
„Ich wollte dich nicht diskriminieren, ich bin schwul, ich muss nur manchmal so Sprüche raus klopfen, dass sie keinen Verdacht schöpfen“, entschuldigte sich der Beifahrer plötzlich sehr freundlich bei Keme.
„Zieh‘ dir ne Truckermütze auf und fang‘ das Rauchen an, dass lässt dich eher männlich aussehen. Ich bin übrigens Keme“, stellte sie sich vor.
„Uther, schöner Name, Kem‘. Keine Sorge, die Kerle die hier dabei sind bellen viel, beißen aber nicht“, versprach Uther freundlich.
„Die sollen ruhig kommen. Sei vorsichtig mit ihr“, bemerkte sie, als er die Maschine etwas unsanft anpackte.
„Mit wem?“, fragte Uther verwundert.
„Lucille!“
„Wem?“
„Lucille ist ihre Maschine. Kommt ihr dann? Wir sind etwas hinter dem Zeitplan, der Schlepper fährt in 20 Minuten“, bat Donnelly, der zu ihnen kam.
„Klar, Boss, wir beeilen uns“, bemerkte Uther und so luden sie die Maschine um.
„Dann heißt es wohl Abschied nehmen“, bemerkte Keme, als sie mit Donnelly hinter dem Lieferwagen versteckt Abschied nahm.
„Beschütze Takori und ihr Baby, sie werden dort auf dich warten“, bemerkte Donnelly, schrieb er ihr eine Adresse auf die Hand, küsste diese und ließ sie wieder los.
„Und du lass‘ dich nicht abknallen“, bat sie, küsste ihn kurz und kam dann wieder hinter dem Lieferwagen vor.
„Wir müssen“, bemerkte Uther und sie stieg zwischen den Männern im Fahrerhaus ein.
„Fahrt schon, ihr müsst ne Fähre kriegen“, bat Donnelly und sie drehten mit quietschenden Reifen und fuhren Richtung Grenze.
Keme musste sich im ersten Mal in ihrem Leben wirklich das Weinen verkneifen. Sie hatte diesen lockenköpfigen Kanadier in den fast vierzehn Tagen die sie sich kannten verdammt lieb gewonnen.
„Alles klar mit dir?“, fragte Uther sie und sie nickte, eine Träne rollte ihr aber die Backe herunter.
„Siehst aber nicht so aus“, bemerkte der Fahrer, den Uther Sekunden davor Mike genannt hatte.
„Kümmer’ dich um deinen eigenen Mist, Mike“, grummelte sie und sie schwiegen bis zur Grenze.
Keme staunte nicht schlecht, dass ihr Lieferwagen ohne irgendeine Kontrolle durchgewinkt wurde.
„Das ging aber einfach“, bemerkte sie zu Uther.
„Sie haben am Kennzeichen gesehen, wer wir sind“, erkannte Uther kurz. Keme war zu niedergeschlagen, um ihn über Details auszuquetschen. 

Siebtes Kapitel


An diesem Nachmittag wurde Keme rundherum untersucht. Am Abend kam Dillian mit besorgtem Blick zurück zu ihr.
„Das ist kein gutes Zeichen, wenn Sie so ein Gesicht machen“, bemerkte sie erschöpft.
„Oh Kleines, was ist dir zugestoßen?“, erkannte er ernst und setzte sich zu ihr hin.
„Nur das Leben, Doc, nur das Leben. Was habe ich noch?“, fragte sie kurz.
„Frag‘ lieber was du nicht hast, AIDS hast du nicht, und schwanger bist du auch nicht, aber den Rest müssen wir behandeln. Es hat sich niemand um dich gekümmert, in den letzten Jahren, oder?“, fragte der Doktor mitfühlend.
„Ich bin erwachsen, es musste sich niemand um mich kümmern“, entschied sie bockig.
„Doch, ganz eindeutig. Die Sachen sind alle innerhalb dieser Woche behandelbar, aber ich bitte dich inständig, das horizontale Gewerbe aufzugeben, sonst wirst du nicht alt“, bemerkte Dillian ernst.
„Ich will da auch nie mehr hin zurück. Mein Dad wollte immer, dass ich heirate und viele Kinder bekomme, als ich jünger war, ich hab‘ ihm an seinem Totenbett versprochen, dass ich das machen werde, doch bis jetzt habe ich keinen Mann gefunden der mit meiner harten Schale leben kann“, erklärte sie.
„Du hast dir diese harte Schale zugelegt, weil du nicht verletzt werden willst, genauso wie mein Sohn. Ich werde dir ne Infusion legen mit allem was du brauchst, das wird ne harte Nacht, aber eine Schwester wird jede zwei Stunden nach dir sehen“, versprach er und legte die Infusion.
„Ich fühl‘ mich eh schon beschissen, kann kaum schlimmer werden“, bemerkte sie. Sie lag falsch. Sie hatte schon furchtbare Nächte in gammligen Häusern verbracht, doch was sie in dieser Nacht in der Krankenstation erlebte, sprengte alle Grenzen. Sie weinte und schrie, als wäre sie in einem kalten Entzug. Plötzlich, in ihrer schlimmsten Phase kam jemand und nahm ihre Hand.
„Schwester?“, fragte sie keuchend.
„Nein ich bin’s, Don‘“, hörte er Donnellys freundliche Stimme.
„Das ist ein verdammter Scheiß“, fluchte sie und krampfte.
„Dir wird’s besser gehen, du musst nur die Nacht überstehen und ich bleib‘ bei dir“, versprach er und er hielt ihre Hand, bis sie eingeschlafen war.
 
Ihre Haut brannte wie Feuer, als sie an diesem Morgen erwachte. Es fühlte sich an, als hätte sie lang in der kalifornischen Sonne gelegen. Sie atmete einmal tief ein und aus. Sie versuchte die Schwester zu rufen, doch jemand hielt ihre Hand fest. Sie blinzelte. Es war Donnelly, der friedlich mit dem Kopf auf ihrem Schoß schlief.
„Don‘, wach‘ auf, du quetscht mich ein“, murmelte sie und versuchte ihn wegzudrückte, war aber zu schwach dafür.
Sie rief nach Hilfe.
„Morgen Sonnenschein, warum drückst du nicht den Knopf?“, fragte die Schwester, die sie die ganze Nacht bewacht hatte, als sie zu ihr kam. Keme deutete nur auf Donnelly.
„Oh Mann, der war noch nicht da, als ich meine letzte Runde gedreht habe. Er ist immer noch an den Herzmonitor angeschlossen, atmet er noch?“, fragte sie und die Schwester zog ihn von ihr runter.
„Ja, er schläft nur, lassen wir ihn schlafen. Wie geht’s dir?“, fragte die Schwester, rollte Donnellys Rollstuhl mit ihm zur Seite und kam zu ihr.
„Meine Haut brennt“, erwiderte Keme.
„Das macht das Mittel, ich werde dich jetzt waschen, dann wird es dir besser gehen. Das schlimmste hast du überstanden, ich mach‘ das schnell hier mal zu“, bemerkte die Schwester und zog den Vorhang um ihr Bett herum, um sie zu waschen. Nachdem sie mit eiskaltem Eiswasser gewaschen worden war, ging es ihr wirklich besser.
„Ich würde gern was anziehen, ich kann doch nicht die ganze Zeit in diesem Ding rumlaufen“, bat Keme plötzlich und zog ihr Nachthemd am Bauch hoch.
„Wir müssen dich nicht mehr untersuchen, du kannst dich ruhig wieder anziehen. Ich helf‘ dir dabei“, erkannte die Schwester und half ihr Shorts und ein Tanktop anzuziehen.
„Ich hab‘ mich übrigens noch gar nicht vorgestellt, ich bin Schwester Ruth“, stellte die Schwester sich vor.
„Ich kann lesen, danke“, bemerkte Keme und deutete auf ihr Namensschild.
„Ach ja, richtig, klar. So, jetzt wecken wir mal meinen dickköpfigen Boss, dann kann ich ihm die Kabel abnehmen“, erkannte Schwester Ruth und zog den Vorhang wieder weg.
„Hey Boss, genug geschlafen“, weckte Schwester Ruth ihren Chef, der grummelnd aufwachte.
„Noch fünf Minuten“, nörgelte Donnelly und Schwester Ruth noppte etwas rabiat einen Sensor an seiner beharrten Brust ab.
„Au, Ruth, das hat wehgetan“, erwiderte Donnelly, der davon richtig wach geworden war und rieb seine Brust.
„Sorry, musste sein. Solltest du nicht in deinem Bett liegen?“, fragte Ruth und nahm die anderen Sensoren etwas sanfter ab.
„Ich hab‘ sie weinen gehört und wollte ihr beistehen“, erklärte Donnelly und sah zu Keme.
„Typisch Don‘, immer der Beschützer von allem, was sich nicht wehren kann. Wie geht’s dir?“, fragte Schwester Beth und sah auf seine Werte.
„Ich schlaf‘ endlich wieder, also eigentlich ganz gut. Wie sehen meine Werte aus?“, fragte Donnelly.
„Scheint so, dass die Scheiße die du abgezogen hast, deinem Herz nicht geschadet hat, dein Rhythmus ist regelmäßig. Warum liegt er nicht im Bett?“, fragte Dillian, der in seiner zivilen Kleidung zu ihnen kam.
„Er kann selbst sprechen, mir geht’s gut“, bemerkte Donnelly und zog seine Jacke ruckartig zu.
„Ja, das seh‘ ich. Kannst du aufstehen?“, fragte Dillian und Donnelly versuchte aufzustehen, sackte aber dann wieder auf den Rollstuhl.
„Ich hab‘ auf dem Stuhl geschlafen, hab‘ vermutlich nur eingeschlafene Beine. Hilf‘ mir auf, bitte“, bat er seinen Vater und der half ihm auf die Beine.
„Ich ruf‘ deine Mutter an, die soll dich abholen“, bemerkte Dillian und führte ihn zu seinem Bett zurück.
 
„Irgendwie süß, dass er über mich gewacht hat. Oh man, ich muss mich schon wieder übergeben“, bemerkte sie und Schwester Beth half ihr, sich zu übergeben.
„Ich würde dir ja was geben, aber ich weiß nicht mehr, wo ich die Nadel ansetzen soll, du wurdest in der letzten Zeit einfach zu viel gespritzt, kommst du auch ohne das Medikament gegen Übelkeit klar?“, fragte Schwester Beth etwas hilflos über ihre sehr krank aussehende Patientin.
„Geht schon, die Übelkeit war schon schlimmer. Ich hoff‘ nur, dass das bald aufhört“, erwiderte Keme geschafft.
„Noch drei Tage, maximal vier, dann können wir dich von dem Mist befreien. Ich bring‘ dir gleich was zu essen, du wirst zwar nicht so wahnsinnig viel Hunger haben, aber du musst was essen, so dünn wie du bist“, bemerkte Schwester Beth fürsorglich.
„Hab‘ nicht viel zu essen bekommen in den letzten zwei Jahren, das war keine Diät, wenn du dich das fragst“, bemerkte sie.
„Hab‘ ich nicht gedacht nein, du bist nicht die erste die ich helfe zu behandeln. Wir werden dich in den nächsten Tagen mit einem sehr nährstoffreichen Nahrungsergänzungsmittel verpflegen, dass du zu Kräften kommst, oder bleibst. Okay, in deinem Fall eher kommst. Du siehst gar nicht gut aus, Kleines, ich mach‘ mir echt Sorgen um dich“, bemerkte die Schwester und strich ihr ihre verschwitzten Haare aus dem Gesicht.
„Du hättest mich noch vor zwei Tagen sehen müssen, das ist noch gar nichts. Ich will jetzt noch etwas schlafen“, bemerkte sie und döste wieder ein.
 
Zwei Tage lang dämmerte sie im Halbschlaf in ihrem Bett. Es fühlte sich an wie ein verdammt mieser Trip und sie hoffte, dass es bald aufhörte. Wie versprochen ging es ihr nach dieser Woche im Krankenhaus besser.
„Hey, sieh‘ mal an, wer da schon besser aussieht. Lucille wartet auf dich“, bemerkte Donnelly, der sie mit ihrem Seesack in der Hand abholen kam.
„Du siehst auch wieder aus wie ein Mensch, hat dich deine Mutter mal so richtig versorgt?“, fragte sie lächelnd.
„Scheint so, wir fahren noch Mal bei meiner Wohnung vorbei, bevor wir aufbrechen, ich hoffe, das ist okay“, erkannte er und half ihr auf.
„Hey, du bist der Mann mit dem Zeitplan, ich muss nirgendwo hin“, entgegnete sie und ging gestützt auf ihn ging sie zum Tresen, wo Schwester Beth auf sie wartete.
„So, dann heißt es also, Abschied nehmen“, bemerkte die Schwester traurig.
„Ja, scheint so. Vielen Dank noch Mal für alles“, erwiderte Keme und umarmte die Schwester.
„Gern geschehen, ich hoffe, es geht jetzt aufwärts für dich. Hier, das hat Dr. Damascus für dich dagelassen, er hat deine Tante gefunden“, erklärte Schwester Beth.
„Wirklich? Wo ist sie?“, fragte Keme erfreut.
„Das weiß ich nicht, Kleines, du sollst nur die Nummer anrufen“, bemerkte Schwester Beth und tippte auf das Blatt in Kemes Hand.
„Warum vertraut mir hier eigentlich niemand eine Adresse an?“, fragte sie kopfschüttelnd.
„Hey, erschieß‘ nicht den Boten, was weiß ich. Und du, Boss? War schön, dass du mal da warst“, verabschiedete sich Schwester Beth von Donnelly.
„Du übernimmst hier doch wieder alles, solang‘ ich weg bin, oder?“, fragte Donnelly hoffend.
„Mach‘ ich doch immer, Boss“, bemerkte Schwester Beth und knuffte ihn in den Bauch.
„Gut, gut. Sag‘ meinem Dad noch mal Danke für alles. Wo hat Dunston das Motorrad abgestellt?“, fragte Donnelly.
„Unten im Parkhaus, irgendwo, weiß nicht genau wo. Pass‘ gut auf sie auf, Don‘“, bat Schwester Beth, Donnelly.
„Klar, ist ja mein Job. Ich meld‘ mich bei dir, wenn ich zurück bin“, verabschiedete sich Donnelly und ging mit Keme den Gang entlang zum Parkhaus.
„Du hattest nicht geplant, hier Halt zu machen, oder?“, schlussfolgerte sie, als er den Knopf des Fahrstuhls drückte.
„Nein, nicht wirklich, aber ich wollte dich gesund wissen. Aber jetzt bin ich froh darüber, wenn ich den Herzstillstand auf der Reise gehabt hätte, wärst du jetzt allein“, bemerkte Donnelly und die Fahrstuhltür sprang auf.
„Ein gruseliger Gedanke. Du nimmst das Zeug jetzt nicht mehr, oder?“, fragte sie hoffend und er schüttelte den Kopf.
„Ich hab‘ das Pharmaunternehmen angerufen, die werden das Mittel erst mal wieder einstampfen und neu forschen. Ich probier‘ es mit Koffeintabletten fürs Erste“, bemerkte er und ging hinein.
„Klingt nach ‘nem Plan. Bin mal gespannt auf deine Wohnung“, erwiderte sie und folgte ihm.
 
Am Stadtrand hielt Donnelly mit einem geliehenen Transporter vor einem etwas herunter gekommenen Haus.
„Nett“, bemerkte sie nur.
„Ich weiß, ist ne Dreckshütte, aber ich bin fast nie hier“, entgegnete er und schloss die Außentür auf.
„Das war nicht sarkastisch gemeint, ich hab‘ in schlimmeren Hütten gewohnt. Meine erste Wohnung war das Hinterzimmer unseres Kopfgeldbüros“, erkannte sie und er ließ sie rein.
„Was ist damit passiert?“, fragte er neugierig.
„Ah, dumme Sache“, sagte sie nur.
„Willst du nicht darüber reden?“, fragte er und sie nickte.
„Klar, dann reden wir nicht darüber. So, hier sind wir“, bemerkte er und blieb vor einer Tür stehen.
„Bin ich die erste von deinen Schützlingen die du hier her bringst?“, fragte sie und er schloss auf.
„Ja, eigentlich schon, also erwarte nicht zu viel“, bat er und öffnete die Tür. Sie sah sich um. Überall standen Kisten herum und eine hohe Staubschicht lag auf den Möbeln.
„Feng Shui ist nicht so dein Ding, oder?“, fragte sie schmunzelnd.
„Ich bin noch nicht so richtig eingezogen“, bemerkte er.
„Bist du grad‘ umgezogen?“, fragte sie.
„Vor vier Jahren eigentlich“, erkannte er.
„Wie hast du hier drin schlafen können?“, fragte sie kopfschüttelnd.
„Schlafen kann man überall. Meine Sachen sind ganz abgewetzt langsam, ich muss die mal austauschen“, erkannte er und schmiss seine Tasche aufs Bett, was ziemlich staubte.
„Ihr Männer seit echt so eklig“, erkannte sie.
„Danke für das Kompliment. Gibst du mir mal den Sack da drüben?“, fragte er und bekam eine Plastiktüte gereicht.
„Man, das Zeug hab‘ ich echt lang getragen, fast 2 Jahre“, bemerkte er und stopfte seine Anziehsachen in die Tüte. Keme nahm ein dunkelgrünes T-Shirt mit einem seltsamen Fleck auf.
„Ew, das ist kein Kompliment sondern eine Tatsache“, entschied sie und hielt das T-Shirt hoch.
„Ja, den Fleck hab‘ ich im Waschsalon nicht rausgekriegt“, erkannte er und nahm das T-Shirt.
„Was hast du da draufgekriegt?“, fragte sie neugierig.
„Mh, Blut“, bemerkte er nachdenklich.
„Deins?“
„Äh, nein“, konterte er kleinlaut.
„Ah“, murmelte sie verwirrt.
„Ich werde dich mit meinem Leben beschützen“, versprach er plötzlich ernst.
„Der armen Frau, dessen Blut an diesem T-Shirt klebt hast du das vermutlich auch versprochen. Ist sie tot?“, fragte sie und er nickte stumm.
„Du erzählst mir nicht, was passiert ist, oder?“, fragte sie.
„Nein, aber nicht, weil ich dir nicht vertraue, ich will dich nur nicht erschrecken“, erkannte er und stopfte ziemlich gleich aussehende Kleidungsstücke in seine nun leere Tasche.
„Ich nehm‘ mal an, dass du ne Freundin hattest ist fast so lang her wie meine letzte Beziehung“, erkannte sie sarkastisch.
„Ja, ist ziemlich offensichtlich, oder?“, fragte er.
„Keine Frau, die was auf sich hält, lässt ihren Kerl mit solchen Sachen rumlaufen. Wo kaufst du ein, in einem Militärladen?“, kritisierte sie seinen Kleidungsstil.
„Das sagt die Frau, die nur Bikerkleidung trägt. Das Zeug ist unauffällig und praktisch“, verteidigte er sich.
„Wie auch immer. Warum hast du eigentlich einen Lieferwagen besorgt?“, fragte sie und setzte sich auf das staubige Bett.
„Wir müssen noch fast 10 Stunden bis zur Grenze fahren, das schaffst du nicht auf dem Motorrad. Ich weiß, dass du es auf dem Bike liebst, aber du bist noch zu schwach“, erklärte er.
„Ich kann nicht abstreiten, dass du recht hast“, bemerkte sie und er setzte sich neben sie.
„Du musst echt fertig sein, wenn du mir da zustimmst. Ich hab‘ was, was ich dir zeigen will, aber ich weiß nicht wie du reagieren wirst“, bemerkte er und kramte in seiner Hosentasche herum.
„Wenn du mir dein Ding zeigen willst weiß ich genau, wie ich reagieren werde“, bemerkte sie etwas verwirrt.
„Ich zeig‘ dir doch nicht mein Ding, wie kommst du denn da drauf? Mach‘ mal den Fernseher an“, bemerkte er und sie stand verwirrt auf und machte den Display an.
„Okay, was wird das jetzt?“, fragte sie verwundert und er hielt sein Handy auf den Display. Ein Ultraschallbild erschien.
„Ist das?“, fragte sie und er nickte.
„Deine Nichte oder dein Neffe, ja, Gordon hat es mir heute Morgen geschickt, Mutter und Kind geht es gut, ihr Fieber ist endlich runter gegangen“, erkannte er.
Keme fasste mit ihrer Hand auf das Bild.
„Das ist der Führer meines Kindes“, bemerkte sie etwas traurig.
„Führer?“, fragte er und sie erklärte ihm das Ritual, was schon ihre Urgroßmutter durchlebt hatte und ihr viel bedeutete.
„Darf ich dein Brandzeichen sehen?“, fragte er und sie stellte sich nah vor ihn. Sie hob ihr T-Shirt etwas hoch und ihr Short ein bisschen herunter. Ein kleiner Wolf zierte ihre zarte Hüfte. Er fuhr mit seinen Fingern darüber. Seine Finger waren kalt, was sie zusammenzucken ließ.
„Tut mir leid“, bemerkte er sanft.
„Du hast kalte Hände“, bemerkte sie und er zog sie an ihren Oberschenkeln näher an sich.
„Was machst du?“, fragte sie ohne sich zu wehren.
„Ich möchte dich küssen, wenn das okay ist“, erkannte er und sie küsste ihn sanft, aber leidenschaftlich.
„Das wollte ich auch schon länger machen“, murmelte sie und stand aus der Knieposition wieder auf, in die sie gegangen war.
„Ich mag dich, Keme“, gestand er.
„Ich mag dich auch, was machen wir jetzt?“, fragte sie, aber er hatte keine Antwort.
„Du musst mich da hinbringen, ich hab‘ in deinem Leben keinen Platz“, bemerkte sie traurig.
„Ich weiß, ich wünschte, es wäre anders, aber dort wo ich dich hinbringe wirst du ein gutes Leben führen“, versprach er und stand wieder auf.
„Und was für ein Leben wirst du führen?“, fragte sie und machte das Display wieder aus.
„Das Leben, das ich mir ausgesucht habe. Wir müssen los, das wird eine lange Reise“, erkannte er und nahm seine Tasche.
„Ja, wird es“, entschied sie und folgte ihm nach draußen.
Die ganze Zeit bis zur Grenze herrschte eisiges Schweigen zwischen den Beiden. Keiner von beiden wusste so recht, was er sagen sollte. Kurz vor der Grenze ergriff Donnelly das Wort.
„Wir werden gleich auf einen Lieferwagen mit amerikanischem Kennzeichen treffen, nicht erschrecken, das sind wieder meine amerikanischen Männer. Sie werden deine Maschine umladen und wir müssen noch ein paar Details besprechen und dann werdet ihr auf einem Kieslader nach Alaska schippern“, erklärte er kurz und mit ernster Stimme und sie nickte nur.
„Bitte sag‘ was, ich halt‘ das Schweigen nicht aus“, bat er.
„Was soll ich sagen, gute Arbeit?“, fragte sie etwas sarkastisch.
„Besser als gar nichts zu sagen“, murrte er.
„Gute Arbeit“, erkannte sie sarkastisch.
„Danke“, bemerkte er den Sarkasmus in ihrer Stimme.
Sie wollte erneut ansetzen um etwas zu sagen, als ein schwarzer Lieferwagen an ihnen vorbeifuhr und Donnelly scharf bremste. Dabei fiel Keme etwas ruckartig in die Sicherheitsgurte.
„Au, was ist?“, fragte sie gereizt.
„Meine Männer sind da“, sagte er nur kryptisch und drehte den Wagen zu dem schwarzen Lieferwagen.
„Bleib‘ erst mal im Wagen“, bat er und stieg aus.
„Hey Boss, das ist kein schwarzer Lieferwagen, der ist blau, wir sind fast an dir vorbei gefahren“, bemerkte der Fahrer des schwarzen Lieferwagens.
„Sorry, gab‘ ne Planänderung, hab‘ nur einen Gast heute. Behandelt sie gut, sie hat viel durchgemacht“, bat Donnelly und sah zu Keme, die etwas verloren auf dem Beifahrersitz saß.
„Ist sie deine “spezielle Freundin“?“, fragte der Beifahrer des Lieferwagens etwas abfällig.
„Dumme Fragen ignorier‘ ich einfach“, murmelte Donnelly genervt und schmiss dem Kerl Kemes Seesack hin.
„Das beantwortet meine Frage auch ohne viele Worte. Dann hol‘ sie mal her“, erkannte der Fahrer und Donnelly winkte sie her.
„Hallo, endlich mal was zum Gucken, mir ist schon klar, dass du auf sie stehst“, kommentierte der Beifahrer Kemes wirklich sehr ansehnliches Erscheinungsbild.
„Die würde ich lieber nicht reizen“, erwiderte Donnelly.
„Sie sieht nicht gefährlich aus“, belächelte der Fahrer und eh er sich versah hatte Keme ihn fest im Polizeigriff.
„Das ist genau euer Problem, ihr unterschätzt mich“, erkannte sie und drückte noch mal fester zu.
„Lass‘ ihn los Kem‘, er muss den Wagen fahren“, bat Donnelly und sie ließ ihn los.
„Wer von euch Clowns hilft mir jetzt mit meiner Maschine?“, fragte sie cool und lief zu dem Lieferwagen, mit dem sie gekommen waren.
„Also hilfebedürftig ist die nicht grad‘“, kommentierte der Fahrer, während er sich den Arm rieb.
„Die ist ausgebildete Kopfgeldjägerin in dritter Generation, die bricht dir alle Knochen mit einem Finger, also Finger weg von ihr, will ich dir nur geraten haben“, bemerkte Donnelly, während der Beifahrer ihr beim Entladen ihrer Maschine half.
„Ich wollte dich nicht diskriminieren, ich bin schwul, ich muss nur manchmal so Sprüche raus klopfen, dass sie keinen Verdacht schöpfen“, entschuldigte sich der Beifahrer plötzlich sehr freundlich bei Keme.
„Zieh‘ dir ne Truckermütze auf und fang‘ das Rauchen an, dass lässt dich eher männlich aussehen. Ich bin übrigens Keme“, stellte sie sich vor.
„Uther, schöner Name, Kem‘. Keine Sorge, die Kerle die hier dabei sind bellen viel, beißen aber nicht“, versprach Uther freundlich.
„Die sollen ruhig kommen. Sei vorsichtig mit ihr“, bemerkte sie, als er die Maschine etwas unsanft anpackte.
„Mit wem?“, fragte Uther verwundert.
„Lucille!“
„Wem?“
„Lucille ist ihre Maschine. Kommt ihr dann? Wir sind etwas hinter dem Zeitplan, der Schlepper fährt in 20 Minuten“, bat Donnelly, der zu ihnen kam.
„Klar, Boss, wir beeilen uns“, bemerkte Uther und so luden sie die Maschine um.
„Dann heißt es wohl Abschied nehmen“, bemerkte Keme, als sie mit Donnelly hinter dem Lieferwagen versteckt Abschied nahm.
„Beschütze Takori und ihr Baby, sie werden dort auf dich warten“, bemerkte Donnelly, schrieb er ihr eine Adresse auf die Hand, küsste diese und ließ sie wieder los.
„Und du lass‘ dich nicht abknallen“, bat sie, küsste ihn kurz und kam dann wieder hinter dem Lieferwagen vor.
„Wir müssen“, bemerkte Uther und sie stieg zwischen den Männern im Fahrerhaus ein.
„Fahrt schon, ihr müsst ne Fähre kriegen“, bat Donnelly und sie drehten mit quietschenden Reifen und fuhren Richtung Grenze.
Keme musste sich im ersten Mal in ihrem Leben wirklich das Weinen verkneifen. Sie hatte diesen lockenköpfigen Kanadier in den fast vierzehn Tagen die sie sich kannten verdammt lieb gewonnen.
„Alles klar mit dir?“, fragte Uther sie und sie nickte, eine Träne rollte ihr aber die Backe herunter.
„Siehst aber nicht so aus“, bemerkte der Fahrer, den Uther Sekunden davor Mike genannt hatte.
„Kümmer’ dich um deinen eigenen Mist, Mike“, grummelte sie und sie schwiegen bis zur Grenze.
Keme staunte nicht schlecht, dass ihr Lieferwagen ohne irgendeine Kontrolle durchgewinkt wurde.
„Das ging aber einfach“, bemerkte sie zu Uther.
„Sie haben am Kennzeichen gesehen, wer wir sind“, erkannte Uther kurz. Keme war zu niedergeschlagen, um ihn über Details auszuquetschen. 

Achtes Kapitel


Als Keme aus ihrem Dämmerschlaf erwachte, saß ihre Großmutter neben ihr auf einem Bett. Ihre blonden Haare waren jetzt grau, aber sie hatte immer noch das schönste Lächeln, das sie kannte.
„Hi Engel, bin ich froh, dass du noch am Leben bist“, erkannte Cindy liebevoll.
„Wir Costanos sind ziemlich zäh, wir kommen nicht so einfach um, na ja, außer wir werden im Krieg erschossen wie Dad. Warum wart ihr alle nicht bei der Beerdigung?“, fragte sie vorwurfsvoll.
„Wir sind ins Exil geflüchtet, wir haben uns mit den falschen Leuten angelegt. Du auch, wie ich sehe“, erwiderte Cindy, als sie die Narben ihrer Enkelin sah.
„Ja, bringt der Job mit sich. Man, ich hab‘ Hunger“, erklärte sie und Cindy stellte das Tablett mit Essen neben sie, dass sie mitgebracht hatte.
„Ich erinnere mich daran, dass du mir immer Essen gemacht hast, als ich ein Kind war“, bemerkte Keme und griff nach dem Essen. Ihre Arme waren wie Wackelpudding.
„Das machen die Drogen, ich kann dich füttern, das habe ich früher auch gemacht. Ich hab‘ dich nicht aufwachsen sehen, das tut mir leid“, entgegnete sie und fütterte ihre Enkelin, so wie sie es früher getan hatte.
„Mum hat dich oft vermisst, sie hätte es nie laut gesagt, aber ich wusste es“, bemerkte Keme schmatzend.
„Ich weiß, ich hab‘ lange Gespräche mit ihr geführt, nachdem sie hier trocken wurde. Schmeckt es?“, fragte Cindy.
„Ich komme selten an Nahrung, alles Essbare schmeckt mir“, erklärte Keme und sah in das entsetzte Gesicht ihrer Großmutter.
„Ist halb so schlimm, ich hab‘ nie viel gegessen. Das ist echt gut, Mum hat früher auch so gekocht. Lebt Grandpa Emilio eigentlich noch?“, fragte sie plötzlich.
„Nein, er ist vor 2 Jahren an Krebs gestorben, tut mir leid. Wo ist Tokori?“, fragte Cindy und hielt ihr einen Becher mit einem Strohhalm hin.
„Ich weiß es nicht, wir wurden in Kanada getrennt. Sie ist in anderen Umständen“, erklärte Keme und Cindy setzte den Becher ab.
„Wie hast du das zulassen können?“, fragte Cindy vorwurfsvoll.
„Nein, das kannst du nicht mir in die Schuhe schieben, ich hab‘ ihr alles über Verhütung beigebracht, was ich wusste. Ich hab‘ mich prostituiert, ich habe ihr nicht gesagt, dass sie das nachmachen soll“, entgegnete sie.
„Du bist auf den Strich gegangen?“, fragte Cindy.
„Ich hab‘ nichts anderes bekommen und man macht alles, wenn man Hunger hat“, erkannte sie trocken.
„Was auch immer du machen musstest, wir lassen nicht zu, dass du das noch mal durchmachst. Du wirst bei deinem Großvater und mir wohnen, bis es dir wieder besser geht. Ich hab‘ grad mit Donnelly telefoniert, er hat mich über deinen Gesundheitszustand aufgeklärt, ich glaube, dass ich dich früher immer Karotten essen ließ, hat zu deiner Gesundheit nicht viel beigetragen. Komm‘, lass‘ uns in unsere Hütte gehen, du solltest nicht hier sein“, entschied ihre Großmutter und brachte sie in eine hübsche Hütte an dessen Tür ein Traumfänger hing.
„Wir haben ein Gästezimmer, deine Mutter hat lang dort gewohnt, es wird dir dort gefallen. Ich hab‘ deine Sachen reingebracht, Handtücher und Kosmetikartikel liegen auf dem Bett, du würdest dich sicher gern mal wieder schminken“, erklärte ihre Großmutter. Keme sah sich in dem Holzhaus um. Viele Möbelstücke hatten einen Nativ-Amerikanischen Touch und auch viele andere Sachen in diesem Haus erinnerten an Alos Costano-Wurzeln.
„Echt schön hier. Aber Make-up? Ich hab‘ mich seit meinem Abschlussball nicht mehr geschminkt“, erkannte Keme.
„Dann würde es dir nicht schaden, Donnelly kommt morgen früh hier her um dich zu besuchen“, bemerkte sie breit grinsend.
„Donnelly kommt hier her? Wieso das denn?“, fragte Keme verwirrt.
„Dich besuchen, hab‘ ich grad‘ gesagt. Anscheinend hat sich da einer verknallt“, entgegnete Cindy frotzelnd.
„Woher weißt du das jetzt schon wieder?“, fragte sie peinlich berührt.
„Ich rede eigentlich von ihm, du hast dich auch verknallt?“, fragte Cindy überrascht.
„Ich verknall‘ mich nicht, wir haben geknutscht, mehr nicht“, erklärte sie.
„Oh, lass‘ das bloß nicht deinen Großvater erfahren, er ist nicht begeistert von unserer männlichen Schwester“, gestand Cindy.
„Ja, hab‘ ich schon mitgekriegt. Das war nur ein Flirt, mehr nicht“, erkannte sie und setzte sich auf einen Sessel.
„Bist du in einer Beziehung?“, fragte Cindy und setzte sich neben sie auf einen anderen Sessel.
„Seit ich mit der Kopfgeldjagd begonnen habe, hatte ich keine Beziehung mehr, Männer können nicht so sehr mit starken Frauen“, entgegnete Keme cool.
„Dein Großvater hat eine starke Frau geheiratet, dein Vater auch, die Ausrede zieht in unserer Familie nicht. Lass‘ dich nicht von deinem Großvater beeinflussen, wenn ihr euch liebt, dann bleibt ihr zusammen“, versprach Cindy.
„Gran, wer redet hier vom zusammen kommen, ich kenn‘ den Kerl doch gar nicht“, bemerkte Keme beschämt.
„Aber du würdest ihn gern kennenlernen“, schlussfolgerte Cindy.
„Nein, ja, ich weiß nicht, vielleicht“, druckste sie herum.
„Du musst dir keine Sorgen machen, dass er kein Costano ist, wir weißen haben schon lang in der Costano-DNA rumgepfuscht“, erwiderte Cindy.
„Ich würd‘ das weniger rumpfuschen nennen, eher ein Würzen der DNA“, erkannte Alo, der hinter ihnen auftauchte.
„Verdammt Grandpa, du kannst mich doch nicht so erschrecken“, bemerkte Keme erschreckt.
„Tut mir leid, ich hab‘ Moccacins an, die sind ziemlich leise. Ja, ich hau‘ hier ein Klischee nach dem anderen raus, aber hier weiß keiner was wir Nativ-Amerikaner so tun, ich hab‘ echt Narrenfreiheit. Hat sie was gegessen?“, fragte Alo seine Frau, küsste ihren Kopf und ging in die Küche.
„Ja, hat sie, sie ist selbst groß und kann antworten. Ich könnte aber noch nen Drink gebrauchen“, bemerkte Keme.
„Netter Versuch, Engel, du hättest mir nicht von deinem Alkoholproblem erzählen dürfen, ich schließ‘ den Alkoholschrank jetzt ab“, konterte Alo cool.
„Du hast ein Alkoholproblem?“, fragte Cindy ihre Enkelin.
„Hatte ich, aber jetzt komm‘ ich klar“, versprach sie.
„Ja klar, keinen Alkohol für dich. So, die Schwitzhütte ist vorbereitet, bereit um etwas zu Schwitzen?“, fragte Alo aufmunternd.
„Das hab‘ ich noch nie gemacht“, entgegnete Keme unsicher.
„Ist toll, danach fühlst du dich wie neugeboren“, versprach Alo und zog sie hoch.
„Kann ich danach hier duschen?“, fragte sie.
„Natürlich, das ist jetzt auch dein Haus. Kommst du auch mit, Schatz?“, fragte er seine Frau.
„Nein, danke, das müsst ihr beide alleine machen. Ich bereite schon mal das Abendessen vor“, erkannte Cindy.
„Dann lass‘ uns gehen“, konterte sie und folgte ihrem Großvater zu einem Tippi, was in der Mitte der Hüttenlandschaft stand.
„Hast du das selbst gebaut?“, fragte sie beeindruckt.
„Ja, mit ein paar Männern. Ist schön, nicht?“, fragte Alo stolz.
„Ja, sehr beeindruckend. Gehen wir rein“, bemerkte sie und ging mit ihm in die Schwitzhütte.
Während sie schwitzend in der Hütte saßen, unterhielten sie sich über alles. Ganz plötzlich brach Keme in Tränen aus und konnte sich gar nicht mehr beruhigen.
„Ist okay, Kleines, lass‘ es raus, lass‘ es alles raus“, tröstete ihr Großvater sie und hielt sie sanft in seinen Armen.
Erschöpft von ihrem Weinkrampf doch frei von Giftstoffen kam Keme erschöpft im Arm ihres Großvaters zurück ins Haus.
„Hey, was ist denn mit euch passiert?“, fragte Cindy, als sie in ihre erschöpften und verschwitzten Gesichter sah.
„Wenn du dich mal trauen würdest, in die Schwitzhütte mitzukommen wüsstest du es, Süße. Willst du ein Bad nehmen, Keme? Das hast du sicher schon lang nicht mehr gemacht“, schlug Alo vor und Keme ging ins Badezimmer.
Sie konnte sich wirklich nicht daran erinnern, wann sie zuletzt gebadet hatte. Sie ließ Wasser in die Badewanne ein und ließ dabei das Wasser über ihre Hand fließen. Es war so sauber und fühlte sich toll auf der Hand an. Etwas zögerlich stieg sie in die Badewanne.  Nachdenklich betrachtete sie die Narben auf ihrem Körper. Das war das erste Mal seit ihrer Verletzung, dass sie ihre Narben länger betrachtete. So tief und so unansehnlich waren sie gar nicht. Sie roch an einer Seife, die nach Rosen duftete. Sie hatte nicht viel Schönes gerochen in den letzten Jahren, nur Blut, Schweiß und Müll und andere nicht identifizierbare  Gerüche. Sie rieb die Seife auf ihre feuchte Haut. Ein wunderbarer Geruch verteilte sich im Raum. In dem Moment dachte sie plötzlich wieder an Tokori. Wo war ihre Cousine? War sie noch mit Gordon unterwegs? Hatte er ihr etwas angetan? Sie ärgerte sich immer noch, dass sie die Nummer verloren hatte, die er ihr aufgeschrieben hatte. Er wollte sie besuchen kommen, ihr kurzer Kuss musste ihm wohl viel bedeutet haben. Sie betrachtete ihr Gesicht in dem Spiegel vor ihr. Sie hatte sich selbst nicht oft im Spiegel betrachtet in den letzten Jahren. Sie hatte ihre Haare nicht wirklich grade geschnitten. Sie tauchte mit dem Kopf unter Wasser und lauschte ihrem Herzschlag. Er war ruhig und regelmäßig. Diese Schwitzsitzung hatte ihr wirklich gut getan, sie hatte seit dem Tod ihres Vaters nicht mehr geweint, trotz dem ganzen Mist, was sie die Jahre zuvor erlebt hatte. Ruhig und gelassen kam sie in einem Morgenmantel ihrer Großmutter wieder aus dem Badezimmer.
„Hey, Süße, du warst lang da drin, geht’s dir jetzt besser?“, fragte Cindy, die mit einem Buch in der Hand auf einem Sessel saß.
„Ja, viel besser, diese Schwitzhütte ist echt besser als jede Sauna. Ich hab deinen Bademantel genommen, ich hoffe das ist okay“, bemerkte sie.
„Klar, steht dir, ich hab‘ noch nen Neueren, den kannst du haben. Den solltest du nur nicht tragen, wenn Donnelly kommt, sexy ist der nicht“, schmunzelte Cindy.
„Ja, ganz sicher nicht. Ich brauche ein paar Schuhe, kann man hier was einkaufen?“, fragte Keme.
„Welche Größe hast du denn?“, fragte Cindy.
„38!“
„Die gleiche Größe wie deine Mutter. Im Gästezimmer sind noch ein paar ihrer Schuhe, die sie nicht mehr wollte, ich hab sie bis jetzt noch nicht an die Frauen verteilt, nimm dir was du willst“, erklärte Cindy und lächelte sie an.
„Danke, für alles. Ich bin noch sehr erschöpft, ich geh‘ schlafen“, erwiderte Keme müde.
„Du isst erst mal deinen Grießbrei, du musst zunehmen“, erkannte Alo und reichte ihr eine Schüssel mit Brei.
„Zu Befehl, Grandpa“, bemerkte sie und nahm einen Löffel mit Brei. Sie hatte eigentlich keinen Hunger, aber der Brei war köstlich. Schnell war der Teller leer.
„Siehst du, war doch nicht so schwer. Schlaf‘ gut, Engelchen“, erkannte Alo und Keme ging lächelnd ins Gästezimmer.
Dort gab es ein schönes King-Size Bett und einen selbst geschnitzten Tisch. Sie ging an den Tisch, auf dem ein Bild von ihrem Vater stand. Es war eins seiner frühen Bilder, er hatte rappelkurzes Haar auf dem Bild, sie kannte ihn nur mit langen Haaren zu einem Pferdeschwanz gebunden.
„Ach Dad, ich wollte dir immer nacheifern, aber ich bin nicht so stark wie du warst“, redete sie mit dem Bild und setzte sich aufs Bett. Das Bett war so weich und die Bettwäsche roch sauber. Sie legte sich zurück.
„Hast du alles?“, rief Cindy zu ihr.
„Ja, danke. Gute Nacht!“
„Gute Nacht!“
Sie zog sich bis zur Unterwäsche aus und legte sich ins Bett. Kurz danach war sie eingeschlafen.

Neuntes Kapitel


Am nächsten Morgen wachte sie auf und fühlte sich das erste Mal seit langem wohl. Etwas verträumt ging sind im Morgenmantel zu ihrer Großmutter in die Küche.
„Morgen“, murmelte sie verschlafen.
„Morgen“, begrüßte Donnelly sie und erschreckte sie damit.
„Don‘, hey, du bist schon da“, stotterte sie und zog den Morgenmantel an der Brust zusammen.
„Das hab‘ ich von dir schon gesehen“, erkannte Donnelly keck.
„Klasse, das wollt‘ ich schon immer von einem meiner Mitarbeiter hören“, erkannte Alo, der mit einem Brot in der Hand zu ihnen kam.
„Nur professionell, Boss, nur professionell, ich bin Pfleger, schon vergessen? Oh klasse, Holzofenbrot, krieg‘ ich was davon?“, fragte Donnelly, Alo.
„Boss? Hast du endlich verstanden, dass ich der Boss bin und du nichts?“, fragte Alo und legte das Brot auf den Tresen vor sich.
„Ich leite meine Einheit, die Leute nennen mich halt Boss, ich weiß dass du hier alles leitest“, bemerkte Donnelly verlegen.
„Richtige Antwort, wir essen gleich zusammen, setz‘ dich an den Tisch“, bemerkte Alo grummelig und ging mit den jungen Leuten an den Esstisch. Auf dem Tisch standen gekochte Eier, frisch gebratener Speck und andere Frühstücksleckereien.
„Oh man, kneift mich mal einer“, bemerkte Keme begeistert und setzte sich.
„Du wirst so lang von uns mit Leckereien verwöhnt bis du wieder gesund bist. Lasst uns Essen“, bat Cindy und sie aßen.
„Man, ist das schön alle zusammen hier zu sitzen“, erwiderte Cindy plötzlich und Keme sah sie kritisch an.
„Was? Ich sag‘ nur, dass es schön ist“, murmelte Cindy und Keme schüttelte den Kopf.
„Ich werd‘ mich mal anziehen“, bemerkte Keme, nachdem sie ruckartig aufgestanden war.
„Wir essen noch, Engel“, erkannte Cindy.
„Tut mir leid, ich fühl‘ mich nicht wohl nur so im Morgenmantel“, erkannte sie stotternd und ging ins Gästezimmer.
„Tut mir leid Don‘, sie ist noch etwas verstört“, entschuldigte sich Alo bei seinem Gast.
„Nach allem was sie durchgemacht hat ist sie eigentlich noch ziemlich normal“, entgegnete Donnelly und sah zur Tür des Gästezimmers.
„Du magst sie, oder?“, fragte Cindy plötzlich keck.
„Ja, ist ziemlich offensichtlich, oder? Ich dränge sie zu nichts, ich weiß ja nicht mal, ob das Zukunft haben könnte, ich bin Kanadier und dürfte eigentlich gar nicht hier sein, sie darf nicht in Kanada bleiben. Wenn ich so darüber nachdenke ist das überhaupt keine gute Idee“, erklärte er.
„War ne lange Fahrt, oder?“, fragte Cindy mitfühlend.
„Oh ja, viel zu lang. Danke, dass du mich nicht dafür kritisierst dass ich hier her gekommen bin, Alo“, bemerkte Donnelly.
„Es besteht halt immer ein Risiko, wenn ihr Kanadier hier her kommt, aber ich freu‘ mich doch immer, dich zu sehen, du bist wie der Sohn den ich niemals wollte“, schmunzelte Alo.
„Danke, denke ich. Ich hab‘ übrigens seit drei Tagen nichts mehr von Gordon gehört, hat er sich bei dir gemeldet?“, fragte Donnelly und sah Alo an.
„Drei Tage und du meldest dich nicht? Ihr seid Partner, ihr müsst immer im Kontakt stehen“, bemerkte Alo verärgert.
„Ja, schon gut, es sind nicht nur drei Tage, ich hab‘ nichts mehr von ihm gehört, seit wir uns vor über einer Woche getrennt haben“, gestand er kleinlaut.
„Was? Du warst die ganze Zeit bei mir im Krankenhaus und hast mir nichts gesagt?“, fragte Keme verärgert, die in einer Bluse und Jeans ihrer Mutter zurück zu den anderen kam.
„Ich wollte dich nicht beunruhigen“, entschuldigte er sich.
Keme zerrte ihm vom Stuhl und drückte ihn gegen die Wand.
„Du wolltest mich nicht beunruhigen? Wie soll ich mich jetzt fühlen?“, fragte sie während sie seine Luftröhre zudrückte.
„Kem‘, Engel, lass‘ ihn los, er kann nichts dafür“, bat Cindy und Keme ließ ihn los.
„Du bist zu deiner alten Kraft zurückgekehrt, wie mir scheint“, keuchte Donnelly und rieb sich den Hals.
„Sorry, das passiert, wenn ich verärgert bin. Sie ist schwanger, verdammt und irrt jetzt irgendwo einsam herum“, erkannte Keme verärgert.
„Gordon ist ganz sicher bei ihr“, versprach Donnelly.
„Woher willst du das wissen wenn du nichts von ihm gehört hast? Vielleicht ist er ja draufgegangen und hat sie irgendwo allein gelassen“, bemerkte Keme verärgert.
„Warum glaubst du dass er tot ist?“, fragte Donnelly und kam nah zu ihr.
„Du sagtest er wäre sehr zuverlässig, ist nur so ne Idee“, erwiderte sie und ging zurück, weil er ihr zu nahe kam.
„Das ist nen Grund warum ich dich brauche, ich will ihn suchen und brauche deine Kenntnisse als Kopfgeldjägerin“, erklärte er.
„Ah, jetzt enthüllst du den wirklichen Grund, warum du hier bist, ich dachte, es wäre wegen mir“, bemerkte sie etwas enttäuscht.
„Natürlich bin ich auch wegen dir da, ich brauch‘ nur dringend deine Hilfe“, druckste er herum.
„Ich brauch‘ ne Waffe, einen Tausender in bar und Benzin für Lucille“, plante sie.
„Kriegst du. Wofür brauchst du ne Waffe?“, fragte er erst mit starkem aber dann mit verwirrtem Blick.
„Weil ich keine mehr habe, duh!“
„Ich hab‘ dir ne Waffe und ne kugelsichere Weste“, erkannte Alo helfend.
„Du schickst meine Kleine nicht mehr da raus“, bemerkte Cindy entsetzt.
„Erstens bin ich keine Kleine mehr und zweitens bin ich ja nicht hinter einem Verbrecher her sondern such‘ nur meine Cousine“, entgegnete Keme, deren Jagdtrieb wieder geweckt worden war.
„Du solltest dich noch ein paar Tage ausruhen, deine Mutter kommt doch auch hierher“, bat Cindy, die das Funkeln in den Augen ihrer Enkeltochter gar nicht gern sah.
„Sie ist schwanger, Gran und allein da draußen“, erkannte Keme ernst.
„Ihr wisst nicht, ob sie allein ist, vielleicht ist Gordon einfach nur nicht erreichbar“, bemerkte Cindy.
„Ich werde sie finden, Gran, egal wo sie ist“, erklärte Keme standhaft.
„Ich werde sie regelmäßig untersuchen, Cindy, ihr wird es gut gehen“, versprach Donnelly.
„Ja, das glaub‘ ich gern“, bemerkte Cindy sarkastisch.
„Ich hab‘ ne Waffe und ne Schrotflinte dabei, er wird mich nicht anfassen wenn ich das nicht will“, versprach sie.
„Ich tue auch ohne Waffe nichts Unanständiges. Wir brauchen noch Vorräte und medizinische Ausrüstung“, erkannte Donnelly.
„Pack‘ ich euch zusammen. Wir müssen sie gehen lassen, Schatz, Reisende darf man nicht aufhalten“, erkannte Alo und umarmte seine Frau.
„Aber wir haben sie doch erst grad‘ wiedergefunden“, erwiderte Cindy bedrückt.
„Ich komme wieder Gran, versprochen, zusammen mit Tokori“, erkannte Keme versprechend.
„Ich hab‘ noch was für dich, wenn du wirklich ernsthaft auf die Suche gehen willst, brauchst du das“, entgegnete Cindy und kramte in einer alten Kiste herum. Dort zog sie eine schwarze Lederhose heraus. Sie schien oft getragen worden zu sein.
„Nein Cindy, ich hab‘ sie grad‘ dazu gebracht kein Leder mehr zu tragen“, nörgelte Donnelly.
„Das ist die Hose, oder?“, fragte Keme ehrfürchtig und fuhr mit der Hand über das nicht mehr so glatte Leder.
„Hat die Hose irgendeine spirituelle Bedeutung für dein Volk?“, verstand Donnelly nicht.
„Äh nein, das ist die Lederhose meiner Großmutter, sie starb kurz nach meiner Geburt, sie hat sogar in dieser Hose geheiratet“, erkannte Keme.
„Waren sicher heiße Hochzeitsfotos. Warum hat Cindy sie jetzt?“, fragte Donnelly.
„Meine Großmutter hat sie meiner Mutter vererbt und jetzt darf ich sie tragen, was für eine Ehre“, erkannte Keme und ging ins Zimmer um sie anzuziehen.
„Sie passt“, kam sie freudestrahlend in der Lederhose zurück.
„Natürlich passt sie, du bist ja dünn genug für Größe 38. Das ist aber nicht etwas, auf was du stolz sein kannst, du bist verdammt dünn, Kleines“, bemerkte Cindy.
„Wie oft hast du versucht dich in diese Hose zu quetschen, als du jung warst?“, fragte Keme, als sie erkannte, was sie mit ihrer Aussage bezwecken wollte.
„Sagen wir mal öfter als ein Mal. Ich pack‘ dir ein paar Sachen deiner Mutter zusammen, dass du was zum Anziehen hast. Und was zu essen, wir wollen ja nicht, dass du uns wieder zusammenbrichst“, sah es Cindy auch ein und ging in die Küche.
„Ich hungere nicht freiwillig, warum kapiert das keiner?“, fragte sie grummelnd.
„Ich weiß es“, bemerkte er und lächelte sie an.
„Du musst mir echt nicht schöne Augen machen, ich helf‘ dir schon“, erwiderte sie verwirrt.
„Echt scharf die Lederhose“, erkannte er cool.
„Danke, fühlt sich auch gut an. Es ist als wäre Leder meine zweite Haut, ich fühl‘ mich erst wohl, wenn ich Leder anhabe. Hier ist es ja auch nicht so heiß wie in Kalifornien“, bemerkte Keme.
„Hab‘ nichts gesagt, ist eh sicherer auf dem Motorrad, wenn du sie anhast. Aber ich bitte um eine Stoffjacke, du schwitzt sonst zu sehr“, bat er.
„Ich hab‘ keine Stoffjacke, tut mir leid“, erwiderte sie grinsend.
„Deine Mutter hat echt viele Kleidungsstücke hier gelassen, darunter auch eine schwarze Stoffjacke. Hör‘ auf ihn“, bemerkte Cindy, die zurück aus der Küche kam.
„Mach‘ ich ja, schon gut, die zieh‘ ich an. Wann kommt Shania an?“, fragte sie plötzlich.
„Sie muss ne Weile fahren, heut‘ Nachmittag, willst du jetzt doch auf sie warten?“, fragte Cindy und gab Donnelly eine Tüte mit Essen.
„Nicht, wenn es nicht unbedingt sein muss. Wir sollten bald fahren“, entschied sie.
„Sie fährt ziemlich lang um dich zu sehen“, erkannte Cindy.
„Ich weiß, aber ich kann grad‘ nicht mit der Situation umgehen“, erkannte sie und ging ins Gästezimmer um die Jacke anzuziehen und ein paar sauberere Sachen in ihren Seesack zu quetschen.
„Meinetwegen können wir fahren“, erwiderte sie zu Donnelly.
„Du bist nicht gern länger an einem Platz, oder?“, fragte Donnelly etwas skeptisch.
„Ich bin es nicht mehr gewöhnt, das ist alles. Wir werden erst anfangen hier in Alaska zu suchen, dann gehen wir zurück nach Kanada“, plante sie.
„Das wird ne lange Suche“, kommentierte er ihren Plan.
„Ist mir schmerzlich bewusst, danke, aber da du deine Teammitglieder nicht unter Kontrolle hast müssen wir so vorgehen“, bemerkte sie etwas vorwurfsvoll.
„Ich hab‘ sonst immer alles unter Kontrolle ich hab‘ nie gedacht, dass ich ihm nicht vertrauen kann. Wir werden sie finden, versprochen“, versprach er.
„Das ist aber dann nicht dein Verdienst, sondern meiner. Ich kann dir gar nicht sagen, wie sauer ich grade auf dich bin, dass du mich belogen hast, aber ich brauche deine medizinische Versorgung um diese Reise durchzustehen, deshalb nehm‘ ich dich mit“, erkannte sie etwas kühl.
„Eigentlich nehm‘ ich dich mit“, verbesserte er sie.
„Wir wollen jetzt nicht kleinlich werden. Wir brauchen noch nen Helm für dich und ne Motorradkluft“, bemerkte sie cool.
„Das hat letztes Mal auch ohne Motorradkluft geklappt“, erkannte er.
„Jetzt werden wir aber länger unterwegs sein, du wirst das tragen, ich kann es nicht erwarten dich in Leder zu sehen“, schmunzelte sie.
„Ich glaube nicht, dass ich hier einen Laden für Motorradkleidung finde“, bemerkte er.
„Gut, dass ich Motorrad gefahren bin und dir meine Kluft vermachen kann. Ist zwar genauso abgetragen wie Shanias alte Hose, aber ihr wollt ja keinen Schönheitswettbewerb gewinnen, oder?“, fragte Alo der zurückkam.
„Ich krieg‘ dein Zeug, danke“, bemerkte Donnelly der nicht wirklich glücklich darüber war.
„Gern geschehen. Hier habt ihr noch Handys und die tausend Dollar, die du wolltest. Ich weiß, Handys sind etwas altmodisch, aber sie werden ihren Zweck erfüllen. Ruft mich von jedem Rastplatz aus an und das meine ich ernst“, erklärte Alo und sah Donnelly kritisch an.
„Ja, werden wir, was ist mit der Waffe?“, fragte Keme.
„Psst, die geb‘ ich dir, wenn es deine Großmutter nicht sieht“, erkannte er flüsternd.
„Ich habe schon immer besser geschossen als du, mein Schatz, du kriegst meine alte Waffe, die hat mir immer treue Dienste geleistet“, bemerkte Cindy und überreichte ihrer Enkeltochter ihre alte Kopfgeldjägerwaffe.
„Sie auch Mrs. Quakadi?“, fragte Donnelly überrascht.
„Wir waren und sind alle Kopfgeldjäger in unserer Familie, Junge, also leg‘ dich nicht mit uns an“, entschied Cindy cool und Keme steckte die Waffe hinten in ihre Hose.
„Hab‘ ich nicht vor. Also, gehen wir?“, entschied er.
„Erst umziehen, mein Süßer, sonst nehm‘ ich dich nicht mit“, konterte sie und deutete auf seine Khaki-Hose und sein grünes T-Shirt.
„Oh man, das Zeug ist sicher höllisch heiß“, murrte er.
„Aber auch höllisch sicher, jetzt mach‘ schon wir sollten keine Zeit mehr vertrödeln“, entschied sie und zog die schwarze Stoffjacke an.
„Das Jagen gefällt dir viel zu gut, wie ich sehe“, kommentierte Cindy das Auftreten ihrer Enkeltochter.
„Es ist mein Leben und ich bin froh, dass ich endlich wieder raus auf die Straße kann, auch wenn ich keine Verbrecher jage“, bemerkte sie mit einem Funkeln in den Augen.
„Du solltest mal darüber nachdenken eine Familie zu gründen. Das Leben kann ganz schnell vorbei sein“, entschied Cindy plötzlich.
„Wem sagst du das. Bis jetzt hab‘ ich noch nicht den Mann fürs Leben gefunden“, entgegnete sie.
„Du hast ja nicht mal gesucht, Engel, Donnelly ist ein guter Mann“, erkannte Cindy.
„Ja, das ist er, schade dass er dafür nicht in Frage kommt“, bemerkte sie und bevor Cindy sie fragen konnte, was sie damit meinte, kam Donnelly in scharfer Lederkluft zu ihnen. Sie war ihm etwas groß, aber sie sollte ihren Zweck erfüllen.
„Scharf, du erinnerst mich an Alo in seinen besten Zeiten. So, jetzt könnt ihr fahren, ich erklär‘ Shania schon warum ihr nicht mehr da seid“, konterte Cindy und umarmte ihre Enkeltochter.
„Danke, für alles. Ich komm‘ zurück, versprochen“, versprach Keme und ging zu ihrem Motorrad. Es war etwas verdreckt, hatte die Reise aber gut überstanden.
„Lucille ist echt unzerstörbar, ich könnt‘ mir gar nicht vorstellen ohne sie zu sein“, erwiderte Keme und strich ihre Maschine sauber.
„Du weißt schon, dass sie kein Mensch ist, oder?“, fragte Donnelly und Keme setzte sich auf Lucille und rollte sie rückwärts aus der Garage.
„Als echter Biker musst du echt deine Einstellung ändern“, bemerkte sie und klopfte auf den Sitz hinter sich, dass er drauf sitzen sollte.
„Ich bin kein echter Biker“, konterte er und setzte sich hinter sie.
„Wir werden ne Weile unterwegs sein, du wirst einer werden“, erkannte sie und er hielt sich ungeschickt an ihr fest und begrabschte ihre Brust.
„Das ist nicht meine Hüfte, Süßer!“
„Oh, sorry!“ bemerkte er und umarmte dann ihre Hüfte.
„Okay, los geht’s“, entschied sie und düste los.

Zehntes Kapitel


Als sie gerade ein paar Meilen gefahren waren, wurden sie von einem Typen in einem schwarzen Helm und auf einer schwarzen Maschine verfolgt.
Keme beschleunigte um ihn abzuschütteln, aber er überholte sie und bremste parallel zur Straße. Mit einer Notbremsung konnte Keme einen Unfall verhindern.
„Verdammt Arschloch, was ist dein Problem?“, fluchte Keme, riss ihren Helm vom Kopf und stampfte auf den Motorradfahrer zu.
„Sorry, du wolltest ja nicht warten“, erwiderte der Kerl und zog seinen Helm aus. Die blonde Mähne ihrer Mutter kam zum Vorschein.
„Mum?“, fragte sie ganz verwirrt.
„Hey Baby“, begrüßte Shania ihre Tochter mit einem breiten Grinsen.
„Ich hätte dich umbringen können“, raunzte Keme.
„Ja, tut mir leid, ich wollte dich einfach stoppen. Können wir reden?“, fragte Shania.
„Wir sind mitten im Nirgendwo, Mum“, bemerkte Keme kopfschüttelnd.
„Etwa 2 Meilen von hier ist ein Diner“, erklärte Shania.
„Ich bin in Gesellschaft“, erkannte Keme und sah zu Donnelly, der seinen Helm auch abgezogen hatte.
„Ist süß! Dein Freund?“, fragte Shania keck.
„Nein, eigentlich nicht. Ich geb‘ dir ne halbe Stunde“, gab sie nach.
„Danke, folgt mir einfach“, bat Shania, zog ihren Helm wieder auf und Keme ging zurück zum Motorrad.
„Ist das die Person die ich denke dass sie es ist?“, fragte Donnelly und Keme zog ihren Helm wieder auf ohne das Visier runter zu machen.
„Sie will reden, wir sollen ihr folgen“, erklärte Keme.
„Dann machen wir das“, bemerkte er und nachdem sie ihre Visiere runter geklappt hatten fuhren sie weiter.
 
Schweigend saßen sich Mutter und Tochter 10 Minuten später in einem Diner gegenüber. Donnelly saß etwas weiter entfernt von ihnen.
„Hast du Hunger?“, fragte Shania.
„Nein!“
„Du bist dünn geworden!“
„Nicht freiwillig“, bemerkte Keme kühl.
„Wenn du mir was zu sagen hast, sag‘ es!“
„Du bist gegangen, einfach so gegangen in der schwersten Zeit meines Lebens“, hielt sie ihrer Mutter vor.
„Ich weiß, es tut mir so sehr leid, ich hatte einfach einen Nervenzusammenbruch, das hättest du auch gehabt, wenn du deinen Mann verloren hättest“, entschuldigte sich Shania.
„Ich hatte auch einen Zusammenbruch, Mum, ich hab‘ zwei Wochen meine Wohnung nicht verlassen und hab‘ mich fast zu Tode gesoffen, ich hatte Tokori, die mich unterstützt hat, aber sie hatte selbst drei wichtige Menschen in ihrem Leben verloren. Ich hätte dich so gebraucht“, bemerkte Keme anklagend.
„Du siehst ihm so ähnlich, ich konnte nicht in deiner Nähe sein ohne an ihn zu denken“, erklärte Shania.
„Das ist deine Erklärung, ich sehe ihm zu ähnlich? Glaubst du, dass hat mich nicht jeden Tag genauso belastet als ich in einen Spiegel gesehen habe?“, fragte Keme wütend.
„Ich hätte bei dir bleiben sollen, aber in dem Moment konnte ich nicht klar denken“, bemerkte Shania.
„Was willst du jetzt von mir hören? Das ich dir jetzt weinend um den Hals falle und dir alles verzeihe? Entschuldige, dafür ist zu viel passiert. Ich vermisse Tokori, sie ist schwanger wie du weißt und braucht meine Hilfe, sie ist irgendwo, vermutlich allein und verängstigt“, erwiderte Keme und stand ruckartig auf.
„Du hast mir eine halbe Stunde versprochen“, nörgelte Shania.
„Wenn du mir irgendwas Interessantes zu erzählen hast, bleib‘ ich“, entschied sie und stützte sich vor ihr auf ihren Händen auf den Tisch.
„Du kannst mich nicht so drängen“, murrte Shania.
„Schönes Leben noch, Mum“, grummelte sie und ging verärgert zurück zu Donnelly.
„Schon alles beredet?“, fragte Donnelly verwundert.
„Fahren wir weiter“, erkannte sie nur.
„Nicht gut gelaufen?“, fragte Donnelly erkennend.
„Nicht gut gelaufen!“
„Dann lass uns gehen“, erwiderte er und stand auf.
„Tust du mir einen Gefallen?“, fragte sie leise.
„Alles, Süße!“
„Bitte nimm mich in den Arm“, bat sie und er umarmte sie liebevoll.
„Danke, das brauchte ich jetzt. Gehen wir“, erwiderte sie und ging an ihrer Mutter vorbei aus der Tür.
„Du willst sie einfach hier sitzen lassen?“, fragte er skeptisch.
„Ich kann grad‘ nicht mit ihr umgehen. Ich will einfach nur fahren“, bat sie und zog ihn an der Hand zurück zum Motorrad.
Fünf Stunden später machte Donnelly ein Zeichen, dass sie anhalten sollte.
„Was ist?“, fragte sie, als sie angehalten hatte.
„Es reicht für heute, wir haben genug rumgesucht, du brauchst ne Pause“, bemerkte er.
„Nein, mir geht’s gut“, entschied sie standhaft.
„Wir hatten ausgemacht, dass du bei dieser Reise das Sagen bei der Suche hast und ich im Medizinischen Bereich“, erinnerte er sie.
„Richtig, du bist der Doc, na ja eigentlich bist du kein Doc, aber du verstehst was ich meine“, erwiderte sie.
„Das ich hätte studieren sollen?“, fragte er keck.
„Nein, das hab‘ ich nicht gesagt. Also, in zehn Meilen gibt es ein Motel, da sollten wir absteigen“, schlug Keme vor, die ihr GPS heraus gekramt hatte, was auch Motels anzeigte.
„Nette Spielerei“, erkannte er und legte seinen Kopf auf ihre Schulter um darauf zu sehen.
„Ja, ich weiß, wir sind halb verhungert obwohl wir ein teures GPS besitzen, aber wir sind Frauen, wir brauchten was zur Orientierung und das Ding hab‘ ich schon ne Weile“, erklärte sie.
„Hab‘ nichts gesagt, bin froh dass wir das dabei haben. Okay, da können wir hinfahren“, entschied er und lehnte sich wieder zurück. Sie genoss die Wärme seines Körpers, obwohl sie das nie zugeben würde.
 
Eine halbe Stunde später standen sie etwas unsicher vor dem einzigen Bett im Raum.
„Wir sind beide erwachsen, wir können uns das Bett teilen“, bemerkte er.
„Ich nehm‘ noch Antibiotika, wir dürften gar nicht“, erkannte sie.
„Ach richtig, ich will auch nicht“, erklärte er.
„Das glaubst du doch selbst nicht, ich hab‘ jetzt fünf Stunden vor dir gesessen, ich hab‘ die Beule in deiner Hose bemerkt“, erwiderte sie keck.
„Ich hab‘ seit fast zwei Jahren keine Freundin mehr gehabt, mein Kleiner ist etwas verwirrt“, schmunzelte er.
„Ich hab‘ Kondome dabei, die könnten auch reichen“, bemerkte sie verführerisch.
„Meinst du das ernst?“
„Die sexuelle Spannung zwischen uns ist fast greifbar, wenn wir das in der ersten Nacht klären, kriegen wir später keine Probleme“, erkannte sie.
„Das klingt fast wie ein Job für dich“, bemerkte er kritisch.
„Nimmst du mich jetzt, oder wie?“, fragte sie keck und er legte sie küssend sanft auf das Bett. Er berührte sie mit sanfter Hand und das gefiel ihr sehr. Das erste Mal seit langer Zeit hatte sie nicht das Gefühl von Übelkeit beim Sex.
Erschöpft lagen sie später aneinander gekuschelt nebeneinander.
„Man, das hab‘ ich jetzt echt gebraucht“, murmelte er zufrieden.
„Gibt dein Kleiner jetzt Ruhe während der Fahrt? Das ist ziemlich nervig“, schmunzelte sie.
„Der hat so seinen eigenen Kopf, aber ich werde es versuchen. Hat es dir gefallen?“, fragte er.
„Oh man sag‘ nicht dass du einer von den Kerlen bist, die danach Bestätigung brauchen“, bemerkte sie frech.
„Nein, ich wollte nur wissen, ob ich sanft genug zu dir war“, nörgelte er.
„Es war perfekt, keine Sorge. Man, jetzt krieg‘ ich Hunger, wir sollten was essen“, erkannte sie aufgekratzt und kletterte über ihn rüber um an die Tüte mit Nahrungsmitteln zu kommen.
„Auch wenn du jetzt Hunger hast, mach‘ immer noch langsam“, riet er ihr.
„War das ein ärztlicher Rat oder hast du Angst dass ich dir alles wegesse?“, fragte sie, zog das Laken von ihm und verschwand samt Laken und Essenstüte an den Tisch neben dem Bett.
„Jetzt bin ich hungrig und mir ist kalt“, bemerkte er.
„Komm‘ und hol‘ dir das Essen“, neckte sie ihn und er kam nackt wie Gott ihn geschaffen hatte zu ihr.
Als er grad‘ nach der Tüte schnappte, starrte er plötzlich aus dem Fenster. Ruckartig zog er das Tischdeckchen vom Tisch und hielt es vor sein Gemächt.
„Was ist?“, fragte sie schmunzelnd.
„Deine Mutter starrt mich an“, stotterte er.
„So alt seh‘ ich doch auch nicht aus“, bemerkte sie scherzhaft.
„Nein, ernsthaft, deine Mutter steht vor unsrem Fenster“, erkannte er und eilte ins Badezimmer. Keme drehte sich ruckartig nach hinten. Dort stand ihre Mutter am Fenster und winkte mit der linken Hand.
„Irgendwie war mir das klar, dass das zu einfach von statten ging“, murrte sie und ging ins Laken gewickelt an die Tür.
„Bitte sag‘ mir nicht, dass du uns dabei zugesehen hast“, begrüßte Keme ihre Mutter schroff.
„Du hast mir eine halbe Stunde versprochen“, erkannte Shania und trat ein.
„Du hast mir versprochen immer für mich da zu sein, die Welt ist voller Enttäuschungen“, grummelte Keme und setzte sich aufs Bett.
„Süße, gibst du mir meine Sachen hier rein?“, rief Donnelly aus dem Badezimmer heraus.
„Klar, sofort“, erkannte sie, suchte seine Sachen auf dem Boden zusammen und reichte sie ihm rein.
„Danke, komm‘ gleich wieder raus“, entgegnete er und schloss die Tür wieder.
„Musst dich nicht beeilen, ich geh‘ mit meiner Mutter raus“, rief sie ihm rein, ließ das Laken fallen und zog sich ohne Scham vor ihrer Mutter an.
„Du bist ziemlich selbstbewusst im Umgang mit deinem Körper, oder?“, fragte Shania erstaunt.
„Wenn man als Nutte arbeitet verliert man seine Scham“, erwiderte Keme während sie sich anzog.
„Du hast als Nutte gearbeitet?“, fragte Shania entsetzt.
„Ich hatte keinen Job und kein zu Hause mehr, irgendwas musste ich tun um zu überleben“, erwiderte sie kritisch.
„Du bist doch eine kluge junge Frau“, war Shania verstört.
„Wenn du nichts zu essen hast hilft dir die Klugheit nicht weiter“, entschied sie schroff.
„Das war jetzt kein Kunde, oder?“, fragte Shania und sah zum Badezimmer.
„Nein, das war aus Spaß, er ist der Mann der mich aus Kalifornien zu Großmutter und Großvater gebracht hat“, erklärte Keme.
„Wie heißt er?“, fragte Shania.
„Don!“
„Donnelly? Den kenn‘ ich, hi Don‘“, bemerkte Shania.
„Bitte red‘ jetzt nicht mit mir, Shay“, bat er aus dem Badezimmer.
„Ist ihm peinlich was? Lass‘ uns rausgehen“, schmunzelte Shania und ging mit Keme vor die Tür.
„Wie hast du uns gefunden?“, fragte Keme und lehnte sich an die Balustrade.
„Lucille hat nen Peilsender, wir lassen diese Antiquität nicht aus den Augen“, erklärte Shania und sah nach unten auf das Motorrad.
„Du wusstest also die ganze Zeit, wo ich bin?“, erkannte Keme trocken.
„Ja, aber ich wollte dir deine Freiheit lassen. Ich wusste nicht, dass du am Verhungern warst, ehrlich“, verteidigte sich Shania.
„Warum denkst du bin ich ständig an die Grenzen von Mexiko gefahren? Sicher nicht, weil mir das Land so sehr gefällt“, murrte Keme.
„Jetzt bin ich bei dir und will dir bei allem beistehen“, versprach Shania.
„Ich brauch‘ dich nicht mehr, Mum“, erwiderte Keme und stieß sich von der Balustrade ab.
„Aber ich brauche dich“, bemerkte Shania traurig.
„Das fällt dir echt spät ein“, entschied Keme.
„Ich bin ganz allein“, gestand Shania.
„Dann fahr‘ wieder zu Großmutter und Großvater, du hast immer ein Zimmer bei ihnen“, schlug Keme vor.
„Ich will unsere kleine Familie zusammenhalten“, erklärte Shania.
„Ich muss jetzt erst Tokori finden“, erkannte Keme.
„Klar, ich verstehe. Aber denk‘ immer daran, ich liebe dich“, bemerkte Shania.
„Ich liebe dich auch, Mum, ach komm‘ her“, entschied Keme und umarmte ihre Mutter plötzlich.
„Das bedeutet mir sehr viel, danke. Hier, nimm das auf deinen Reisen mit“, bat Shania und hängte ihr den Ehering von ihr und Harvey an einer Kette um den Hals.
„Das kann ich nicht annehmen“, erkannte Keme überrumpelt.
„Diese Kette ist so was wie eine Bürde für mich geworden über die Jahre, dich soll sie aber beschützen“, entschied Shania.
„Danke, das wird sie ganz sicher. Auch wenn ich dir jetzt noch nicht die Liebe gegenüber bringen kann, die du von mir verlangst, freu‘ ich mich, dass wir uns wieder gesehen haben“, erwiderte Keme liebevoll.
„Du wirst mir irgendwann verzeihen können und dann werde ich da sein“, versprach Shania, küsste den Kopf ihrer Tochter und düste wieder davon.
Keme weinte. Nicht nur aus Trauer, eher aus Erleichterung, dass sie sich mit ihrer Mutter endlich aussprechen konnte.
„Also geweint hat vorher noch keine bei mir“, entgegnete Donnelly trocken und lehnte sich auch gegen die Balustrade, gegen die sie sich gelehnt hatte.
„Ist nicht wegen dir“, bemerkte Keme und legte ihre Hand auf seine.
„Weiß ich doch, geht’s dir gut?“, fragte er und sah sie an.
„Auch wenn ich weine, ja mir geht es gut“, erkannte sie und lächelte ihn matt an.
„Das ist schön. Wir sollten was essen“, entschied er und zog sie nach drinnen.
 
„Was ist das jetzt mit uns? Sind wir jetzt nen Paar?“, fragte Donnelly, während sie aßen.
„Oh nein, du willst ne Beziehung?“, fragte sie kritisch.
„Du nicht?“
„Ne, eigentlich nicht“, bemerkte sie kurz.
„Sexbuddys?“, schlug er vor.
„Klingt gut. Ich bin momentan nicht bereit für eine Beziehung, wenn das mit dir klargeht“, druckste sie herum.
„So können wir es auch machen. Man, das hab‘ ich fast vergessen“, erkannte er und zog ein Gerät aus seiner Tasche.
„Sind deine Akkus leer?“, scherzte sie.
„Ich muss jeden Abend ein EKG machen um mein Herz zu kontrollieren“, erkannte er und hängte die Sensoren an seine Brust.
„Ich dachte, deinem Herz geht es gut?“, fragte sie überrascht.
„Geht es auch, ich will nur sicher gehen. Vor allem nach der Tätigkeit die wir grade gemacht haben“, erklärte er.
„So sehr anstrengend war das für dein Herz auch nicht“, witzelte sie.
„Danke, das will jeder Mann hören“, grummelte er.
„Es war schön, aber nicht sehr intensiv, wollt‘ ich damit sagen“, erklärte sie.
„Ich wollte dir mal ein schönes Sexerlebnis bereiten, nicht so aggressiv wie deine letzten, wusste nicht, dass dich das stört“, war er etwas eingeschnappt.
„Es hat mir sehr gut gefallen. Bitte sei nicht eingeschnappt“, bat sie liebevoll.
„Bin ich nicht, ich fand’s auch schön. Wir sind etwa 200 Meilen entfernt von einem weiteren Standort unserer Initiative, wir sollten sie morgen dort suchen, vielleicht hat Gordon sie dort hingebracht“, schlug er vor und sie stimmte zu. 

Elftes Kapitel


Das erste Mal seit vielen Jahren wachte Keme Beltran an diesem sonnigen Augusttag neben einem Mann auf. Donnelly schlief so friedlich auf seiner Seite des Bettes. Sanft wischte sie ihm die Haarsträhne aus dem Gesicht und er sah sie mit einem Auge an. Sie erschreckte sich ein bisschen.
„Morgen, Süße“, erwiderte er und lächelte sie an.
„Dir ist eine Strähne ins Gesicht gefallen“, murmelte sie verlegen.
„Das machen die Dinger öfters. Wie lang starrst du mich schon an?“, fragte er.
„Eine Weile, ist ein seltsames Gefühl so entspannt aufzuwachen“, entgegnete sie lächelnd.
„Du machst was, was Pärchen sonst tun, ich hoffe das weißt du“, schmunzelte er.
„Ich geh‘ duschen“, entschied sie plötzlich und ging ins Badezimmer.
„Wir sind kein Paar, das war ein Witz, komm‘ zurück“, erwiderte er amüsiert und folgte ihr ins Badezimmer.
„Ich vermisse meine lange Haare“, erkannte Keme, die sich gerade im Spiegel betrachtete, als er reinkam.
„War deine Entscheidung, sie abzuschneiden“, konterte Donnelly und öffnete seine Hose.
„Was soll das werden?“, fragte sie kritisch.
„Ich will pinkeln, meine Blase ist voll“, entgegnete er cool und begann im Stehen zu pinkeln.
„Willst du mich ärgern?“, fragte sie schroff.
„Nein, nur pinkeln“, verstand er nicht und schüttelte ab, als er fertig war.
„Oh Gott, wir sind in einer Beziehung“, erkannte sie entsetzt.
„Gibt schlimmeres“, schmunzelte er, packte alles zusammen und wusch sich die Hände.
„Okay, wir versuchen eine Beziehung, aber wenn du mir irgendwie blöd kommst setz‘ ich dich irgendwo aus ohne Rücksicht auf Verluste“, entschied sie.
„Klingt nach nem Deal. Wir müssen an einem Laden halt machen, wir haben nach unserer Aktion gestern ziemlich viel gegessen“, war er erfreut, küsste ihre Stirn und ging wieder nach draußen.
„Ja, machen wir. Erzähl‘ es nicht Tokori, aber es macht viel mehr Spaß mit dir auf Tour zu sein“, erwiderte sie und ging ins Zimmer um sich anzuziehen. Sie zog ihr Grateful Dead T-Shirt und eine Jeans an.
„Was ist den Grateful Dead?“, fragte er verwundert.
„Irgendeine Band aus der guten alten Zeit, wie sie mein Dad nannte, er hatte das T-Shirt von Alo, es ist also schon uralt, aber nicht totzukriegen“, erklärte sie.
„Scharfes T-Shirt, ich steh‘ auf die alten Sachen, die sind aber schwer zu kriegen, sogar in Kanada. Meine Mutter mag dich, übrigens“, entgegnete er.
„Wie kommst du jetzt da drauf?“, erkannte sie.
„Nur so, das solltest du nur wissen“, erklärte er.
„Meine Mutter hält dich für scharf“, schmunzelte sie.
„Das ist schräg, aber auch schmeichelnd“, bemerkte er und zog seine Stiefel an.
„Was ist deine Schuhgröße?“, fragte sie plötzlich.
„44, so wie die von deinem Großvater passenderweise“, erkannte er.
„Und wie mein Vater, irgendwie seltsam. Ich hätte ihn damals nicht gehen lassen sollen“, erwiderte sie und spielte traurig mit den Trauringen ihrer Eltern herum, die sie gerade unter dem T-Shirt hervorgezogen hatte.
„Hätte er sich aufhalten lassen?“, fragte er mitfühlend.
„Vermutlich nicht. Ich vergesse nie den Morgen, an dem ich ihn verabschiedet habe, er hatte diese Uniform der Reserveeinheit an, er sah so stolz aus und mutig. Er hat mir versprochen zurück zu kommen, er war sich so sicher, dass er zurückkommen würde. In meinen Träumen gehe ich an diesen Tag zurück und versuche ihn aufzuhalten, scheitere aber immer“, erzählte sie nachdenklich.
„In eurer Kultur haben Träume eine wichtige Bedeutung, oder?“, fragte er und sie nickte.
„Du hättest nichts tun können“, erkannte er.
„Weiß ich doch, man träumt oft Sachen, die man verarbeiten muss. Tokori ist auch immer schreiend aufgewacht, vor allem wegen den Sachen die sie im Krieg erlebt hat, aber auch wegen ihren Verlusten. Es ist mir immer noch unbegreiflich wie wir aus diesem Sumpf rausgekommen sind“, erwiderte Keme nachdenklich.
„Ich will ja nicht kleinlich sein, aber eigentlich seid ihr da nicht rausgekommen“, konterte er.
„Doch, dank‘ dir und dieser Organisation. Es ist ne Schande, dass ihr eure Heldentaten geheim halten müsst“, bemerkte sie.
„Ich seh‘ das nicht als Heldentaten, irgendjemand muss es ja machen“, konterte er cool.
„Wer macht eigentlich deine Arbeit, während du hier bist?“, fragte sie plötzlich.
„Wir sind sehr viele Mitglieder, auch wenn ich das hier sehr genieße, meinen Schützling wieder zu finden gehört auch zu meinen Aufgaben“, erklärte er.
„Wirst du dafür bezahlt?“, fragte sie und er schüttelte den Kopf.
„Ich hab‘ nen Pensum was ich ausgeben kann, aber dafür bezahlt werde ich nicht. Ich lebe momentan von meinen Ersparnissen, dem kleinen Gehalt was ich für die Arbeit bekomme, wenn ich mal arbeite und etwas Geld von meinem Stiefdad“, erklärte er.
„Dein Dad ist echt cool er macht diese ganze Versorgung kostenlos und ich fühle mich schon viel besser. Obwohl ich Mitte letzter Woche noch gedacht habe, dass er mich umbringen will, mir ging’s echt so mies“, schmunzelte sie.
„Deshalb will ich dich ja auch jeden Tag untersuchen. Du kannst mir grad‘ deinen Arm mal geben“, konterte er und zog das Blutdruckmessgerät aus seiner Tasche.
„Ich glaub‘, du hast mich gestern schon gründlich untersucht“, säuselte sie.
„Arm, bitte“, bat er grinsend und bekam den Arm gereicht.
„Keine Sorge, ich steck‘ keine Nadeln mehr in dich rein“, versprach er und maß ihren Blutdruck.
„Okay, guter Blutdruck, jetzt noch den Puls“, erkannte er und legte seine zwei Finger auf ihre Hauptschlagader am Hals.
„Dein Puls ist ziemlich hoch“, erwiderte er.
„Liegt daran, dass eine heiße männliche Schwester mich grade untersucht“, flirtete sie.
„Ja, daran kann es auch liegen. Wie fühlst du dich?“, fragte er und sie küsste ihn sanft.
„Momentan eigentlich sehr gut, aber die Fahrt wird anstrengend werden“, erkannte sie.
„Du sagst einfach, wenn du nicht mehr kannst, aber wir werden nur 2-3 Stunden fahren, heute“, erklärte er.
„Warst du dort schon?“, fragte sie neugierig.
„Nein, bis jetzt noch nicht, ich agiere sonst nur in Kanada, das mit Kalifornien war auch ne Ausnahme. Eine schöne Ausnahme wenn ich das hinzufügen darf“, erkannte er und strich ihr mit der Hand über das Gesicht.
„Das war nur ne Ausnahme, dass du in Kalifornien warst?“
„Ja, Gordon und ich sind für eine andere Truppe eingesprungen, das mit Gordon versteh‘ ich immer noch nicht, ich befürchte, ihm ist was Furchtbares passiert“, wurde er jetzt auch nachdenklich.
„Du magst ihn gern, oder?“, fragte sie mitfühlend.
„Wir arbeiten zusammen im Krankenhaus und bei unseren Missionen, wir sind gute Freunde geworden. Denkst du deine Cousine ist verrückt genug mit ihm durchzubrennen?“, versuchte er eine Lösung zu finden.
„Nein, ganz sicher nicht, als ihr Verlobter starb ist sie innerlich gestorben, es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass sie sich so schnell verlieben würde“, entschied sie.
„Ich hab‘ auch nie gedacht, dass ich mich so schnell in dich verliebe würde“, entgegnete er.
„Du hast dich in mich verliebt?“, fragte sie verwundert.
„Ich schlaf‘ nicht mit Frauen, in die ich nicht verliebt bin“, bemerkte er.
„Die letzte Person die mir das L-Wort gesagt hat war mein erster Freund und der wollte nur mit mir schlafen“, konterte sie gerührt.
„Ich sag‘ das nicht nur so, ich bin wirklich in dich verliebt“, erklärte er.
„Jetzt bringst du mich in eine Zwickmühle, ich weiß jetzt nicht, was ich sagen soll“, druckste sie herum.
„Du musst es nicht sagen, wenn du es nicht kannst, ich versteh‘ es“, entschied er.
„Das ist nicht fair dir gegenüber“, war sie beschämt.
„Du hast so viel erlebt, ich versteh‘ das völlig“, ging er vollkommen cool damit um.
„Ich hab‘ dich nicht verdient“, konnte sie ihre Emotionen nicht verbergen und begann zu weinen.
„Hey, nicht weinen, ich wollte nicht, dass du weinst“, war er etwas verwirrt.
„Ich bin nur seit langem wieder glücklich, das überfordert mich ein wenig“, schniefte sie.
„Lass‘ dich einfach gehen, Gefühle zuzulassen kann dir nur gut tun“, erkannte er liebevoll und sie vergrub ihr Gesicht an seiner Brust. Er umarmte sie fest und ließ sie erst mal ausheulen.
 
20 Minuten später war sie bereit zu fahren. Sie kamen gut durch und waren in zwei Stunden am Ziel angekommen. Die Hilfsstation hatte viel Ähnlichkeit mit der Station in dem ihr Großvater wohnte, doch diese Station hatte nicht so einen starken indianischen Einfluss. Die Flüchtlinge der Station sahen die ankommenden Gäste kritisch an. Unbekümmert davon führte Donnelly seine Freundin zu einem Gebäude.
„Hey, kein Eintritt für Zivilisten“, erwiderte ein junger Mann, als sie in die Holzhütte eintraten.
„Ich gehör‘ zum Team“, erkannte Donnelly cool und zückte seinen Ausweis.
„Donnelly Damascus aus Kanada, seit wann operiert ihr außerhalb der Grenzen? Das ist echt gefährlich“, bemerkte der junge Mann, nachdem er seinen Ausweis studiert hatte.
„Ja, ist mir klar, wir suchen jemanden, Tokori Stanton, ist die hier?“, fragte Donnelly.
„Ich schau‘ mal nach, sagt mir nicht, dass ihr einen Schützling verloren habt“, bemerkte der Kerl, während er in seinem Computer-Pad herum tippte.
„Ich hab‘ sie nicht verloren, ich hab‘ sie einem Kollegen anvertraut. Der ist aber jetzt zehn Tage überfällig mit der Meldung“, erklärte Donnelly.
„Wie heißt der Kollege, vielleicht find‘ ich ihn, denn eine Tokori Stanton find‘ ich nicht“, erwiderte der Typ.
„Gordon Lesley“, erkannte Donnelly.
„Okay, sehen wir mal, Lesley, Lesley, ja, hier hab‘ ich ihn, oh man, tut mir leid, Mann, der Name ist rot unterlegt“, erklärte der Kerl und Donnelly schloss die Augen.
„Rot unterlegt, was bedeutet das?“, verstand Keme nicht.
„Die Todesfälle werden mit rot markiert“, bemerkte Donnelly mit geschlossenen Augen und schwacher Stimme.
„Wo ist er gefunden worden?“, fragte Keme.
„In Taylor, alles klar mit dir, Kumpel?“, fragte der Typ, als er sah wie Donnelly immer bleicher wurde. Er rannte aus der Hütte und übergab sich draußen.
„Mehr müssen wir nicht wissen, danke“, erkannte Keme und eilte ihrem Freund zur Hilfe.
 
„Ich hätte ihn nicht allein gehen lassen sollen“, bemerkte Donnelly, der auf den Stufen der Hütte saß und ins Nichts starrte.
„Das ist nicht deine Schuld gewesen“, bemerkte sie und setzte sich neben ihn.
„Er war noch so jung, 25 Jahre alt, er hätte noch nicht sterben müssen“, bemerkte er absent.
„Keiner hätte sterben sollen. Wir müssen es seiner Familie sagen“, entgegnete sie planend und er übergab sich noch mal auf ihren Motorradstiefeln.
„Sorry“, murmelte er und wischte sich seinen Mund sauber.
„Nicht das erste Mal, dass jemand auf die gekotzt hat, meistens war ich es selbst“, beruhigte sie ihn.
„Das kann ich seinem Dad nicht erklären“, bemerkte er traurig.
„Dann mach‘ ich das für dich. Ich werde den Typen darin nach seinen Notfallkontakten fragen“, erwiderte sie hilfsbereit und stand auf.
„Nein, das muss ich machen“, erkannte er, als er ihre Hand ergriffen hatte um sie davon abzuhalten.
„Dann geh‘ ich mal meine Stiefel putzen“, erwiderte sie und er ließ sie los.
„Geh‘ nicht zu weit von mir weg“, bat er und sie nickte.
Als Donnelly mit Gordons Vater telefoniert hatte, ging er wieder aus der Hütte. Ihm war zum Heulen zu Mute, aber er wollte hier nicht weinen. Er ging durch die Wege zwischen den Hütten und ging auf die Suche nach seiner Freundin. Sie saß neben einer Frau die wie eine Inuit aussah und starrte in die Ferne.
„Hey“, bemerkte er und setzte sich neben sie.
„Hey, hast du ihn erreicht?“, fragte sie und er nickte. Sie nahm seine Hand in ihre und saß einfach schweigend neben ihm.
„Seid ihr auch Flüchtlinge?“, fragte die Inuit-Frau neben ihnen.
„Ja, so was ähnliches. Mein Freund ist etwas durcheinander, weißt du, in welcher Hütte noch Platz für uns ist?“, fragte Keme die Frau.
„Die Hütte da hinten hat noch Betten frei, ihr braucht eine Pause, ihr seht fertig aus“, erkannte die Frau.
„Danke“, erwiderte sie nur und zog ihn zu der besagten Hütte.
„Da hinten ist noch ein Hochbett frei“, bemerkte Keme und setzte den verstörten Donnelly auf die untere Seite des Hochbettes.
„Sein Vater hat mich angeschrien, ich hab‘ ihm damals geschworen, dass ich ihn beschützen werde“, redete er vor sich hin.
„Du bist nur ein Pfleger, nicht Superman, du hättest ihn nicht beschützen können“, versuchte sie ihn zu beruhigen.
„Ich hab‘ ihn damals überredet, er wollte nicht, er hatte zu diesem Zeitpunkt diese interessante Studie, aber ich hab‘ ihm die Bilder aus den Staaten gezeigt und damit seinen Beschützerinstinkt angesprochen. Wenn ich nicht gewesen wäre, wäre er noch am Leben und vermutlich berühmt“, bemerkte er und schniefte.
„Wein‘ dich ruhig aus“, bemerkte sie. Er sah sich um und sah in die fragenden Augen von den anderen Leuten.
„Das kann ich nicht hier machen“, murmelte er.
„Dann lass‘ uns nen Spaziergang machen. Glotzt nicht so, wir sind nichts Besonderes“, schnauzte sie die anderen an, zog ihre Jacke aus, legte sie auf das obere Bett und ging mit ihm raus.
„Ich weiß nicht, ob er ne Freundin hatte, er hat sie zumindest nie erwähnt“, erklärte er, als sie etwas außerhalb auf einem Baumstumpf saßen. Er musste sich zwingen, nicht vor ihr zu heulen.
„Lass‘ es raus, Schatz, ich hab‘ erst heut Morgen vor dir geheult“, bat sie und er legte seinen Kopf in seinen Schoß und weinte bitterlich. Keme hatte noch nie einen Mann weinen sehen, sie hatte immer mit knallharten Bikern zusammengearbeitet. Sie legte ihren Kopf einfach auf seinen Rücken und ließ ihn weinen.
Als Donnelly gerade tonlos seinen Kopf gesenkt neben ihr saß, kam ein Mann mittleren Alters zu ihnen.
„Sie sind die Neuankömmlinge?“, fragte der Mann, Keme und die nickte.
„Kommen Sie bitte kurz mit“, bat der Mann und Keme zog ihren zusammengesackt sitzenden Freund hoch.
„Geht’s ihm nicht gut?“, fragte der Mann verwundert.
„Memos haben s´Sie hier nicht, oder?“, fragte sie etwas sarkastisch und schleppte Donnelly hinter dem Mann her zu einer größeren Hütte.
„Kommen Sie rein, ich bin Claudio Marrett, ich leite diese Auffangstation für Flüchtlinge. Nein, ich hab‘ keinen Status von Ihnen bekommen, die Kommunikation ist hier nicht besonders gut. Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte Claudio und bat sie an einem hübschen Holztisch Platz zu nehmen.
„Uns wurde eigentlich schon geholfen, wir haben Informationen über einen Kollegen meines Freundes gesucht und haben gerade herausgefunden, dass er tot ist“, erklärte Keme souverän.
„Das tut mir leid, wie hieß ihr Kollege, Junge?“, fragte Claudio und legte eine Hand auf Donnellys Schulter was ihn aufschrecken ließ.
„Gordon Lesley, er war erst 25 Jahre jung, ein Jammer“, erklärte sie.
„Sagt mir nichts, tut mir leid. Sie brauchen nen Drink, ganz eindeutig, Sie auch, kleine Lady?“, fragte Claudio und holte eine Flasche Bourbone aus einem Schrank neben sich.
„Sie trinkt nicht“, erkannte Donnelly unnötig laut.
„Okay, dann nicht“, bemerkte Claudio etwas erschreckt über seinen harschen Ton und schenkte ihm ein Glas ein.
„Tut mir leid, ich wollte nicht so laut sein, sie hat nen Trinkproblem. Alo hat ihr auch schon was zu Trinken gegeben, als sie vorgestern hier ankam“, erkannte Donnelly entschuldigend.
„Ja, Alo, den kenn‘ ich, der kommt langsam auch ins Alter wo man verwirrt sein kann“, bemerkte Claudio.
„Hey, das ist nicht wahr“, entgegnete Keme entrüstet.
„Wie lang hast du ihn erlebt, einen Tag? Ich kenn‘ ihn schon etwas länger, kleine Lady“, bemerkte Claudio.
„Er ist mein Stief-Großvater und wenn Sie nicht mit dem „kleine Lady“ aufhören, brat‘ ich ihnen eins mit der Bourbone-Flasche über den Kopf“, wurde sie wütend.
„Okay, ich lass‘ das mit der kleinen Lady, wir sind etwas hitzköpfig, oder?“, fragte Claudio erschreckt.
„Sie ist eine Kopfgeldjägerin, Sie sollten sie wirklich nicht verärgern“, riet Donnelly, Claudio.
„Sie sind also wirklich Alos Enkeltochter. Kann ich Ihnen was anderes bringen, irgendwas in ner Plastikflasche was mich nicht töten kann?“, fragte Claudio keck.
„Grade nicht, danke. Sie sind ein ebenbürtiger Gegner für mich, ich bin übrigens Keme Beltran“, stellte sich Keme vor.
„Freut mich Sie kennen zu lernen Miss Beltran. Noch einen Drink, Kumpel?“, fragte Claudio und sah zu Donnelly, der den Kopf schüttelte.
„Okay ich darf Sie doch Claudio nennen, also hören Sie Claudio, mein Freund hier war der Teamleiter von Gordon, wir hatten ein paar Probleme und wir haben uns getrennt. Gordon ist mit meiner schwangeren Cousine weitergefahren, Donnelly hat mich wegen einer Krankheit in ein Krankenhaus gebracht. Donnelly hat mir leider bis gestern verschwiegen, dass er seit 10 Tagen keinen Kontakt mehr zu Gordon hatte. Jetzt ist mein Problem dass wir nicht wissen wo sie ist“, erklärte sie stockend.
„Sie sind ein Flüchtling?“, fragte Claudio erstaunt.
„Seh‘ ich so viel besser aus? Ja, ich bin aus San Jose geflüchtet vor knapp zwei Wochen, ich bin kurz vorm Abnippeln gewesen“, erklärte sie.
„Was hatten Sie denn, wenn ich das fragen darf?“, fragte Claudio.
„Heb B, aber das hat mich nicht beinahe umgebracht, ich bin fast verhungert“, erklärte sie.
„Ich hör‘ diese Story jeden Tag so oft, aber es berührt mich jedes Mal“, bemerkte Claudio mitfühlend.
„Ja, Hunger ist das grausigste Gefühl überhaupt. Ich muss meine Cousine finden, ich hab‘ schon die Leute in Nome kontaktiert, weil man mir sagte, dass dort die schwangeren Frauen hinkommen, aber meine Mutter sagte mir, sie wäre nicht dort“, erkannte sie.
„Shania ist Ihre Mutter?“, fragte Claudio erstaunt.
„Ja, ich weiß, wir sehen uns gar nicht ähnlich, ich komm‘ ganz nach meinem Vater. Er starb im Krieg und meine Mutter hat das nicht verkraftet. Ich habe sie gestern das erste Mal seit Jahren wieder gesehen, sagen wir mal so, es ist kompliziert zwischen uns“, erkannte sie.
„Das mit dem Tod ihres Vaters hab‘ ich mitgekriegt, ich hab‘ selbst öfters mit ihr am Telefon geflirtet, sie hat mir aber deutlich gemacht, dass das bei ihr nicht läuft“, konterte er.
„Sie wird nicht mehr lieben können, meine Cousine hat auch ihren Verlobten verloren und ist genauso. Ich hab‘ ihr versprochen, dass ich sie wiederfinde, egal was passiert“, bemerkte sie nachdenklich.
„Wir werden sie finden, Schatz, wir werden morgen nach Taylor fahren und sie suchen“, mischte sich Donnelly wieder ins Gespräch ein. Er schien sich etwas gefangen zu haben.
„Ich werde mich mal ans Telefon klemmen und ein paar Anrufe machen, vielleicht find‘ ich sie auch so“, erklärte Claudio freundlich und ging in einen anderen Raum.
„Wenn sie irgendwo wäre, wo sie in Sicherheit ist, wüssten wir davon“, murmelte er.
„Danke für deine Aufmunterung!“
„Entschuldige, mich regt nur diese freundliche Art von dem Typen auf, die Situation ist ernst, er macht aber so, als wären wir hier zum Kaffeeklatsch“, war er ganz schlecht drauf.
„Ich wollte nur nett sein, ich mach‘ das schon seit ein paar Jahren, das ist sicher kein Kaffeeklatsch“, erkannte Claudio, der zurückgekommen war.
„Entschuldigen Sie ihn, er trauert. Wenn Sie mir eine Liste der Namen geben, kann ich dort anrufen, ich kann es den Leuten vermutlich am besten erklären“, schlug sie vor.
„Die Liste liegt da hinten, sagen Sie einfach, dass Sie meine Assistentin oder so was sind. Ich kümmere mich solang um Ihren Freund, Sie können in mein Büro sitzen“, entschied er und sie ging in einen Nebenraum.
 
Sie telefonierte ziemlich lang mit allen Stationen, sie war überrascht wie viele es in Alaska gab. Als sie zurück zu den Männern kamen, lag Donnelly mit seinem Kopf auf dem Tisch und schnarchte.
„Was ist denn hier passiert?“, fragte sie kopfschüttelnd.
„Ihr Freund verträgt keinen Bourbone“, bemerkte Claudio nur, der am anderen Ende des Tisches saß und etwas schrieb.
„Man, warum haben Sie ihn so viel trinken lassen, er hatte letzte Woche einen Herzstillstand, das ist gefährlich“, bemerkte sie verärgert und maß seinen Puls am Hals. Er war ruhig und gleichmäßig.
„Ich bring‘ ihn ins Bett, dann komm‘ ich zurück“, erkannte sie leicht gereizt, zog ihn hoch und führte ihn schwerfällig zu der Hütte. Dann kam sie wieder zurück.
„Ich hab‘ ihn ans EKG angeschlossen, ich hoffe für Sie, dass es ihm morgen noch gut geht“, murrte sie und setzte sich neben ihn an den Tisch.
„Er wird morgen einen Kater haben und das tut mir leid. Haben Sie was rausgefunden?“, fragte Claudio und sie schüttelte den Kopf.
„Ich gehöre zu den Besten Kopfgeldjägern in den Staaten, aber ich bin ratlos, das ist kein gutes Zeichen. Wir werden morgen trotzdem nach Taylor fahren um von dort weiter zu suchen. Ich hab‘ mit der Frau in Taylor gesprochen, wirklich eine nette Lady“, bemerkte sie etwas freundlicher.
„Warum hatte Donnelly einen Herzstillstand?“, fragte Claudio.
„Er hat Aufputschmittel und Schlafmittel in hohen Dosen gemischt, ich weiß, dämlich, hab ich deswegen auch schon ausgeschimpft. Ich kenn‘ den Kerl erst 2 Wochen, es ist aber fast so, als würde er meine Seele kennen. Ich sag‘ nicht, dass wir Seelenverwandte sind, denn das sind Tokori und ich, aber er ist der erste Kerl, mit dem ich mir was vorstellen könnte, aber leider ist er Kanadier und ich Amerikanerin, unsere Zeit ist begrenzt“, dachte sie laut nach.
„Wenn Sie ihn heiraten würden nicht“, dachte er auch laut nach.
„Ich heirate nicht“, bemerkte sie ernst.
„Das ist dann Ihr Problem, aber überstürzen Sie nichts, ich war selbst drei Mal verheiratet, gibt nur Ärger. Sie sagten grad‘ Sie und Ihre Cousine wären Seelenverwandte, was bedeutet das?“, fragte Claudio neugierig.
„Unser Stamm hat einen oder eine Auserwählte und einen Führer oder Führerin. Unsere Väter waren Auserwählter und Führer und auch Tokori und ich sind es. Der Führer muss immer den Auserwählten beschützen und an seiner Seite stehen, aber jetzt ist meine Zeit gekommen für sie zu sorgen. Sie wurde schwanger, obwohl sie das nicht wollte, aber ihr Sohn oder ihre Tochter wird der Führer oder die Führerin meines Kindes werden. Das ist unsere Bestimmung, auch wenn die Zeiten nie so schlimm waren wie jetzt, darf man eine Bestimmung nicht ignorieren. Wenn sie auch tot ist, will ich auch nicht mehr leben“, bemerkte sie ernst.
„Wenn sie auch tot wäre, hätten wir sie gefunden, glauben Sie mir, sie lebt noch, ganz sicher“, versprach Claudio.
„Aber wo ist sie dann?“, fragte sie in den Raum und starrte dann schweigend in die untergehende Sonne außerhalb des Fensters.

Zwölftes Kapitel


Liebevoll kühlte Keme die Stirn ihres Freundes, der schon einige Stunden weggetreten war. Es war spät in der Nacht. Stöhnend öffnete er die Augen und sah in das lächelnde Gesicht seiner Freundin.
„Hey“, sagte sie liebevoll.
„Warum trinke ich so viel?“, fragte er stöhnend.
„Das weiß ich nicht, Süßer, das weiß ich nicht. Wieder nüchtern?“, fragte sie.
„Nicht so ganz. Hast du was erfahren?“, fragte er und sie kuschelte sich an ihn.
„Heut‘ Morgen war ich noch glücklich, heute Nacht könnt‘ ich nur noch heulen“, erwiderte sie.
„Also nichts, dachte ich mir schon. Ich bin froh, dass du heut‘ Nacht bei mir bist“, bemerkte er und drückte sie an sich.
„Find‘ ich auch. Wenn ich in deinen Armen liege fühl‘ ich mich, als könnte ich alles schaffen“, erwiderte sie schläfrig.
„Wir können alles schaffen, jetzt schlaf‘ ein bisschen, wird morgen eine lange Fahrt“, murmelte er und kurz danach waren beide eingeschlafen.
 
Als Donnelly spät an diesem Morgen erwachte, war seine Freundin weg. Hektisch stolperte er nach draußen. Keme sah lässig auf ihrer Maschine und schraubte an etwas herum.
„Brennt die Hütte?“, fragte sie und stand auf.
„Ich dachte …“, stotterte er.
„Sag‘ nicht, du dachtest ich wäre ohne dich weg, warum sollte ich das tun? Ich hab‘ Lucille nur mal durchgecheckt, das hatte ich in letzter Zeit vernachlässigt. Dusch dich, zieh‘ dich um, wir ziehen bald weiter“, erkannte sie kühl.
„Warum bist du so kalt?“, fragte er verwundert.
„Entschuldige, komm‘ her“, bemerkte sie, kam zu ihm und küsste ihn.
„Ich hab‘ geschnarcht, oder?“, fragte er.
„Nur ganz normales Suff-Schnarchen. Ich hab‘ nur vorhin mit meinem Großvater telefoniert, der drängt mich dazu, zurück zu kommen. Meine Mutter kam letzte Nacht spät bei ihnen an, übrigens“, erklärte sie.
„Du willst doch nicht zurück, oder?“, fragte er kritisch.
„Nein, natürlich nicht, jetzt geh‘ duschen, du stinkst ein bisschen“, bat sie und er ging zu den Duschen.
„Keme“, rief Claudio, der zu ihr kam.
„Morgen, er hat die Nacht gut überstanden, wir fahren nachher weiter, danke für das Gespräch gestern Abend“, bedankte sie sich.
„Immer wieder gern, egal wohin euch euer Weg führt, ihr seid hier immer willkommen“, verabschiedete sich Claudio mit einer Umarmung.
„Danke, wir kommen vielleicht mal drauf zurück. Wenn mein Großvater hier anruft, sag‘ ihm, ich werde ihn anrufen, wenn ich angekommen bin und er soll sich keine Sorgen machen“, bat sie.
„Sag‘ ich ihm, macht er sich sicher trotzdem. Wie geht’s unserem Helden?“, fragte Claudio und sah zu der Hütte.
„Er hat nen mächtigen Kater, er dachte grade tatsächlich dass ich ohne ihn weitergefahren bin. Mit ihm werde ich noch meine Probleme haben in den nächsten Tagen. Ich würd‘ ja eine Flasche Alkohol für ihn besorgen, aber ich fürchte, die würde ich dann allein trinken“, entschied sie.
„Ja, keine so gute Idee. Braucht ihr sonst noch was?“, fragte Claudio freundlich.
„Sie haben nicht zufällig einen Sehenden hier, oder?“, fragte sie und wischte sich den Schweiß aus der Stirn.
„Einen Sehenden? Meinen sie einen Hellseher?“
„Ja, genau, ich praktiziere eigentlich die Rieten meines Stammes nicht, aber ich bin irgendwie verzweifelt“, erkannte sie.
„Nein, keinen Sehenden, tut mir leid“, bemerkte er.
„Wär‘ auch zu einfach gewesen. Na ja, vielleicht treffen wir ja einen auf der Reise, was sag‘ ich da, gibt ja nicht viele von denen. Man, ich bin schon viel zu lange unterwegs, wenn ich Tokori gefunden habe, werde ich mich irgendwo niederlassen, auch wenn mir das keiner glaubt, ich wollte schon immer mal das normale Leben kennenlernen“, dachte sie laut nach.
„Das glaubt dir echt keiner, du bist Kopfgeldjägerin durch und durch. Es hat hier gefühlte 60°C muss ich wirklich Leder tragen?“, fragte Donnelly der nur mit Lederhose bekleidet barfuß zurück zu ihr kam.
„Bitte sag‘ mir nicht, dass wir das jetzt jeden Tag diskutieren müssen, dann wird das nämlich eine lange Reise“, entgegnete sie genervt.
„Ich schwitze, verdammt“, murrte er.
„Ich trage auch Leder, wie du siehst, beschwer‘ ich mich etwa?“
„Okay, junge Liebe, ich lass‘ euch dann mal allein“, war es Claudio unangenehm bei dem Streit zuzuhören und ließ sie allein.
„War einfacher den loszuwerden, als ich dachte“, schmunzelte er.
„Was sollte das? Du kannst auch einfach sagen, dass er uns allein lassen soll. Ich bin grad‘ bisschen empfindlich und kann grad‘ keinen Streit vertragen“, bemerkte sie kopfschüttelnd und kam näher zu ihm.
„Du bist echt heiß wenn du wütend bist, weißt du das eigentlich?“, fragte er und begann ihren Nacken zu küssen.
„Du willst mich gar nicht wütend erleben, mein Süßer. Du bist auch verdammt heiß“, entgegnete sie.
„Das macht die Lederhose“, witzelte er.
„Nein, ich meins ernst, du glühst. Du hast Fieber“, erkannte sie und fühlte seine Stirn.
„Du versaust hier irgendwie die Stimmung“, erkannte er und ließ von ihr ab.
„Fühlst du dich krank?“, fragte sie besorgt.
„Nein, nur heiß, vermutlich bin ich nur etwas überhitzt, das ist alles. Kann ich nicht ein T-Shirt tragen, wenn du langsam fährst?“, fragte er handelnd und sie sah ihn streng an.
„Nicht sauer machen, verstanden. Ich werde Claudio nach einem Eisbeutel oder so fragen, den ich mir in die Jacke stecken kann“, erkannte er und ging zur Hütte.
 
Nachdem Donnelly sich angezogen hatte konnten sie losfahren.
„Man, das ist ganz schön kalt an meinem Rücken“, erkannte Keme, als er sich hinten aufs Motorrad setzte mit einem Eis-Pack in der Brusttasche.
„Du wirst dich noch über etwas Abkühlung freuen, das wird ne lange Fahrt. Also wie immer, wenn du nicht mehr kannst, sagst du Bescheid“, entschied er und zog seinen Helm auf.
„Ich war die letzten zwei Jahre ständig auf Reisen, das halt‘ ich schon aus“, versprach sie, klappte ihr Visier herunter und fuhr los.
 
Nach sechs wirklich heißen Stunden kamen sie in Taylor an. Dort war es etwas kühler.
„Oh man, mir ist schwindelig“, murmelte Keme, als sie abstieg und wurde neben ihrem Motorrad bewusstlos.
„Man, du bist so bockig“, murrte er, schulterte seine Freundin und brachte sie in die Hütte vor sich.
Mit einem Bein stieß er die Tür auf.
„Was soll das werden?“, fragte eine Frau, die verdutzt an einem Tisch im Halbdunkeln saß.
„Tschuldigung, hatte keine Hand frei. Ich brauch‘ Eis, schnell“, bat er keuchend und lud seine Freundin auf einer Liege in der Ecke ab.
„Was ist mit ihr?“, fragte die Frau und stand auf.
„Sie ist nur bockig, mehr nicht. Ich erklär‘ Ihnen gleich alles, jetzt brauch‘ ich Eis“, bat er hektisch und knöpfte erst ihre Jacke und dann ihre Bluse auf.
„Wer zum Henker sind Sie?“, war die Frau verwirrt.
„Ich bin Pfleger, das geht schon klar. Eis, bitte“, bat er.
„Ich hab‘ nur kaltes Wasser“, erkannte die Frau etwas nervös.
„Ja, geht auch, hergeben, bitte“, erkannte er hektisch. Etwas verstört reichte die Frau ihm eine kalte Wasserflasche aus einem Kühlschrank. Beherzt schüttete er die ganze Flasche über ihren Kopf und ihre Brust.
„Was zum… scheiße ist das kalt“, fluchte sie, als sie zur Besinnung kam.
„Willkommen zurück, Süße, das musste kalt sein, sorry. Ich bin echt langsam angepisst, dass du niemals was sagst“, bemerkte er vorwurfsvoll aber mit einem Lächeln.
„Ich hab‘ lang nicht mehr auf jemanden gehört, ist schwer das umzustellen. Du hast mir die Kleider vom Leib gerissen“, murmelte sie und sah an sich runter.
„Nur um dich Abzukühlen, sorry. Bleib‘ kurz liegen, bis dein Kreislauf wieder da ist“, bat er und als er sie in Sicherheit wusste, kippte er auch um.
Als er wieder wach wurde, lag er neben seiner Freundin auf einer Art Krankenstation.
„Keme?“, fragte er benommen.
„Du darfst mir keine Vorwürfe machen wenn du selbst mit hohem Fieber rumläufst“, bemerkte Keme, die mit einem Eisbeutel auf der Stirn auf dem Rücken lag.
„Wir beide sind so lächerlich, wir bringen uns noch um“, bemerkte Donnelly.
„Wir müssen den Sommer abwarten, die Hitze bringt uns um, wortwörtlich“, entschied sie.
„Wir können doch nicht einfach Tokori ihrem Schicksal überlassen“, wunderte sich Donnelly über ihr Aufgeben.
„Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr rennen und nirgendwo mehr hinfahren“, bemerkte sie erschöpft.
„Wir werden erst Mal ein paar Tage Rast machen, vielleicht auch ein paar Wochen, dass du wieder ganz gesund wirst und ich auch. Wir werden eine andere Gruppe losschicken um sie zu suchen, wir sind momentan zu schwach dafür“, schlug er vor und sie nickte.
„Ich kann kaum glauben, dass ich dich jemals aufgeben sehe“, hörte sie plötzlich eine Stimme, die nicht da sein konnte.
„Toll, ich hab‘ nen Hitzeschlag, ich hör‘ schon Stimmen von Leuten, die nicht da sein können“, murmelte sie während sie weiter auf dem Bett liegen blieb.
„Ich hör‘ die Stimme auch“, entgegnete er.
„Ernsthaft?“, fragte sie und setzte sich auf. Das führte zu einem starken Kopfschmerz.
„Oh man“, grummelte sie und kniff ihre Augen zusammen.
„Das du mich für ne Wahnvorstellung hältst, Boss, ist echt beleidigend“, hörte sie die Stimme wieder.
„Bubblegum? Das kann nicht sein“, erwiderte sie und riss die Augen auf. Dort stand tatsächlich ihr früherer Assistent Jonah, den sie wegen ihrer Vorliebe für Kaugummi liebevoll Bubblegum nannte. Er war verschwunden, als sie damals das Trinken angefangen hatte.
„Du bist hierher gefahren, deshalb geh‘ ich davon aus das du jetzt trocken bist“, konterte Bubblegum. Der schmächtige 19-jährige von früher war jetzt ein attraktiver junger Mann mit Ziegenbart.
„Ich hätte nie gedacht, dass ich dich wiedersehe“, bemerkte sie gerührt und umarmte ihn herzlich.
„Dito. Was zum Henker machst du hier? Ich bin fast umgefallen, als ich gehört habe, dass du hierher kommst“, erkannte Bubblegum.
„Ich suche Tokori, wir wurden getrennt. Was machst du hier?“, fragte sie.
„Ich wohne hier, seit dem Tag, an dem du mich brüllend rausgeschmissen hast. Ich bin jetzt verheiratet und hab‘ ne sechs Monate alte Tochter“, erklärte er stolz.
„Es tut mir so leid, ich war so fertig, ich wollte alles nur zusammenschlagen, ich hab‘ das Büro abgebrannt, du wärst eh bald arbeitslos geworden, danach ist alles schief gelaufen“, erklärte sie.
„Ich hätte dich nicht allein lassen sollen, ich bin weggerannt wie ein Feigling“, entschuldigte sich Bubblegum.
„Ich war furchtbar, du musstest gehen, meine Mutter ist auch weg. Sag‘ bloß nicht, du bist auch bei der Truppe“, entgegnete sie.
„Nein, ich hab‘ einen Motorradladen in der Nähe, Lou Ann ist meine Schwiegermutter“, erklärte er.
„Lou Ann, die Leiterin der Station hier, das ist echt nen Zufall, ich hab‘ meine Großeltern und meine Mutter schon getroffen, langsam wird’s unheimlich“, erwiderte sie kritisch.
„Das ist echt nicht geplant, ich weiß es erst seit gestern Abend, seit meine Schwiegermutter mit dir telefoniert hat. Ich bin nicht mehr sauer auf dich, du hattest ne schwere Zeit, ich hab‘ mir Sorgen um dich gemacht“, bemerkte er.
„Die Zeiten sind danach viel schwieriger geworden, aber jetzt geht es wieder bergauf. Das ist übrigens mein Freund Donnelly, er hilft mir bei der Suche nach Tokori, aber wir sind grad‘ beide etwas gesundheitlich und emotional angeschlagen“, erklärte Keme und wollte zu ihrem Freund ans Bett gehen, ihre Knie sackten aber zusammen.
„Hey, langsam, was hast du denn?“, fragte Bubblegum besorgt.
„Ich hatte Heb B, aber bin auf dem Weg der Besserung. Nein, ich hatte es noch nicht, als ich mit dir geschlafen habe, versprochen“, bemerkte sie, als sie sah, dass er sie kritisch ansah, während er sie stützte.
„Hab‘ ich auch nicht gedacht, man, das war ein Sommer, oder?“, fragte Bubblegum in Erinnerung schwelgend.
„Hallo, fester Freund liegt hier“, mischte sich Donnelly ein.
„Klar, sorry Kumpel, das war echt nur ein Sommer, ich war grad‘ 18 geworden und sie war schon älter, das hatte nichts zu bedeuten“, erklärte Bubblegum.
„Ja, 2 Jahre, du erzählst die Geschichte als wäre ich eine Berglöwin“, erkannte Keme und setzte sich aufs Donnellys Liege.
„Berglöwin?“, fragte Bubblegum.
„Die suchen sich immer jüngere Männchen. Ja, das war nen genialer Sommer, da war alles noch in Ordnung. Man, das du hier bist gibt mir wieder neue Kraft, zumindest emotional. Danke, dass du gekommen bist, Jon‘“, bedankte sich Keme für sein Kommen.
„Wenn du was brauchst, für Lucille oder Geld oder so, meine Werkstatt ist nur 2 Meilen entfernt von hier, komm‘ noch Mal vorbei, bevor du weiterziehst, bitte“, bat er und umarmte sie noch Mal.
„Mach‘ ich, danke dass du hier warst“, erkannte sie und er ging wieder.
„Langsam wird’s unheimlich“, bemerkte Keme und nahm seine Hand.
„Ich muss es jetzt machen“, bemerkte Donnelly plötzlich.
„Nicht jetzt, Schatz, ich bin grad‘ nicht in der Stimmung“, erwiderte sie nachdenklich.
„Das mein‘ ich nicht, ich muss seine Leiche anschauen“, erwiderte er und setzte sich auf.
„Du solltest erst mal ausruhen, du hast immer noch Fieber“, riet sie ihm.
„Geht schon, du musst mir halt nen bisschen beim Laufen helfen, bin noch etwas schwindelig“, erkannte er und stand auf.
„Ihr solltet die Rollstühle benutzen die wir euch hingestellt haben. Seit ihr wieder von den Toten auferstanden? Hab‘ mir schon Sorgen gemacht, ihr wart fast drei Stunden bewusstlos“, bemerkte ihre Gastgeberin Lou Ann, die in die Krankenstation zu ihnen kam.
„Ich setz‘ mich nicht in einen Rollstuhl“, bemerkte Donnelly trotzig.
„Dann kipp‘ halt um, nicht mein Problem“, erwiderte Lou Ann und rollte Keme einen Rollstuhl hin, in den sie sich setzte.
„Danke, ich bin nicht zu eitel dafür. Sie sind also die Schwiegermutter meiner Jugendliebe, die Welt ist klein“, entgegnete Keme und wurde von ihr aus dem Raum gerollt. Donnelly torkelte hinterher.
 
„Okay, hier hinten geht es zur Leichenhalle, wollen Sie allein rein?“, fragte Lou Ann, als sie einen Gang eines größeren grauen Gebäudes heruntergelaufen waren.
„Wo sind wir hier? Das sieht so aus wie ein öffentliches Gebäude“, bemerkte Donnelly.
„Ist es auch, das ist die frühere Polizeistation und Leichenhalle von Taylor, hier leben fast keine Menschen außer den Flüchtlingen, uns wurde diese Station hier zu Verfügung gestellt. Wir haben leider mehr Leichen als uns lieb ist, viele Flüchtlinge haben nicht so viel Glück wie Keme. Ihr Partner liegt in Fach 507, ich könnte unseren Pathologen dazu bitten, wenn Sie Fragen über die Todesursache haben“, erklärte Lou Ann und tippte einen Code in eine Tür ein, die aufging.
„Ich bin Krankenpfleger, ich kann mir das selbst zusammenreimen, danke“, bemerkte Donnelly und ging rein. Nachdenklich saß Keme in ihrem Rollstuhl und wartete mit Lou Ann auf ihren Freund, den sie danach wieder auffangen wollte. Plötzlich hörte sie einen dumpfen Schlag und rollte selbst hinein. Ihr Freund lag bewusstlos neben einem aufgezogenen Leichensack, der in einer Leichenschublade lag.
„Don‘?“, fragte sie verwundert, stieg aus dem Rollstuhl und kniete zu ihrem Freund.
„Was ist passiert, war es zu viel für ihn?“, fragte Lou Ann die hinter ihr her gekommen war.
„Ich weiß es nicht, hilf‘ mir ihn in den Rollstuhl zu setzen“, bemerkte Keme und zusammen zogen sie ihn in den Rollstuhl.
„Vielleicht ist er einfach nur zu schwach, bringen Sie ihn zurück in die Krankenstation“, bat Keme professionell und Lou Ann rollte ihn davon. Etwas zögernd sah sich Keme die Leiche von Gordon an. Was sie dort sah, ließ sie auch fast in die Knie sinken. Der Mann auf der Bahre war nicht Gordon.

Dreizehntes Kapitel


„Sind Sie wirklich sicher?“, fragte Keme schon zum dritten Mal an diesem späten Abend. Donnelly blinzelte in das grelle Licht der Krankenstation.
„Er hatte seine Ausweispapiere dabei, mir tut diese Verwechslung leid“, entschuldigte sich Lou Ann wieder und wieder.
„Was ist passiert?“, fragte Donnelly benommen.
„Hey Süßer, da bist du ja wieder“, bemerkte Keme liebevoll und kam zu ihm hin.
„Wie komm‘ ich hierher?“, fragte er verwundert.
„Wir haben dich hierhergebracht. Weißt du noch was passiert ist?“, fragte sie und half ihm auf.
„Ich hab‘ Gordon angesehen und bin dann einfach umgekippt“, erwiderte er.
„Er ist es nicht“, sagte sie nur.
„Ach ja, genau, deshalb bin ich umgekippt, hatte ich die falsche Leiche?“, erkannte er.
„Ich hab‘ mir Bilder von allen Leichen dort angesehen, nicht gerade Bilder die mich gut schlafen lassen werden, keiner davon ist Gordon“, bemerkte sie.
„Oh man, wenn Gordon noch lebt werde ich ihn so was von umbringen weil er mich zum flennen gebracht hat“, murmelte er.
„Wenn er nicht tot ist, warum ist er dann nicht erreichbar?“, fragte sie was er dachte.
„Ich weiß es nicht Süße, ich weiß es nicht. Sobald wir gesund sind fahren wir weiter, aber wir müssen erst wieder gesund werden“, erkannte er und sie nickte.
 
Es dauerte fast zwei Wochen bis die beiden Turteltauben in der Lage waren weiter zu fahren. Der Herbst zog schon langsam über Alaska und die Wärme wurde erträglich. Ihr einziges Problem war, dass sie keine Ahnung hatten, wie sie nun weiter machen sollten.
 
Als Keme gerade ihre Tasche in ihrer Motorradtasche verstaute fiel ihr der Zettel in die Hände, den Dillian ihr gegeben hatte, mit der Adresse ihrer Tante.
„Ha, den hatte ich ganz vergessen“, bemerkte sie.
„Was ist das, ein alter Liebesbrief?“, schmunzelte er und umarmte sie von hinten.
„Nein, dein Dad hat für mich die Adresse meiner Tante herausgefunden, sie lebt in Wiseman“, dachte sie laut nach.
„Willst du da hinfahren?“, fragte er sie.
„Ich weiß es nicht, mir gehen langsam die Ideen aus“, erkannte sie.
„Mir auch, ich bin kein Jäger so wie du, ich hab‘ keinen Jagdinstinkt“, erwiderte er.
„Jagdinstinkt, wieso bin ich da nicht gleich drauf gekommen, steig‘ auf“, hatte sie plötzlich wieder Feuer in den Augen und stieg auf.
„Sagst du mir, was du vorhast?“, fragte er verwundert.
„Später, lass‘ uns erst mal fahren“, bat sie und düste los.
 
Zwei Stunden später hielt sie vor einem Kopfgeldjägerbüro, was sie in einer Zeitung gefunden hatte.
„Das Problem ist, dass ich nur eine Jägerin bin, ich brauche Unterstützung“, enthüllte sie ihren Plan.
„Ich will ja nicht deine Freude trüben, aber so offiziell jagst du ja eigentlich nicht und ich denke, dass sie dich eher als Konkurrenten sehen“, war er nicht so sehr davon überzeugt.
„Du kannst einem auch jeden Wind aus den Segeln nehmen. Jetzt gehen wir erst mal rein und fragen sie“, bemerkte sie, stieg ab, zog ihren Helm aus und ging durch die Tür.
In dem Kopfgeldjägerbüro saß ein Mann mittleren Alters, in einem Rippshirt und Lederhosen, an einem Schreibtisch und sah auf.
„Hey Süße, du kommst sicher wegen der Kaution von Thomas McGnarley“, begrüßte der Mann sie anzüglich.
„Seh‘ ich aus wie eine von diesen armen Seelen die denkt dass sie ihren gewalttätigen Freund lieben würde und führ ihn die Kaution hinterlegt?“, fragte sie keck.
„Du bist eine von uns, hab‘ ich recht?“, realisierte er.
„Du bist gut, genauso jemand brauche ich bei meiner Suche“, erkannte sie.
„Ich arbeite nicht mit Konkurrenz zusammen, vor allem nicht, wenn sie sich illegal über die Grenze geschlichen haben um in fremden Territorien zu wildern“, bemerkte der Kerl harsch.
„Gut, dann sacke ich die halbe Mille halt allein ein“, erkannte sie cool.
„Hast du grad‘ 500.000 Dollar gesagt? Wen hast du flüchtig, den Präsident der vereinigten Staaten?“, fragte der Kerl und winkte eine Mitarbeiterin her.
„Leider nicht, obwohl das echt cool wäre, den zu jagen. Ich suche meine Cousine, ist eigentlich was Persönliches und auf sie ist kein Kopfgeld angesetzt, sorry, wollte nur deine Aufmerksamkeit bekommen“, erklärte sie die Situation.
„Sehen wir aus wie Babysitter? Wir sind hier nicht die Vermisstenagentur, Missy“, wurde der Mann pampig.
„Sorry, dass ich gedacht habe, dass ihr einer Kollegin einen Gefallen tun könnt, dann lass‘ ich euch mal allein“, entgegnete sie enttäuscht und ging auf ihren knatschenden Stiefeln wieder nach draußen.
„Man, ich hasse es, wenn ihr Männer Recht habt“, murrte sie, als sie zurück zu ihm kam.
„War nen Versuch wert“, versuchte er sie zu trösten. Als sie gerade weiter fahren wollten kam ein junger Mann Anfang zwanzig aus dem Büro geeilt.
„Hey, wartet kurz, mein Dad ist heut‘ schlecht drauf, wir haben nicht so arg viel Klienten in letzter Zeit, wir können euch helfen“, rief er ihnen entgegen.
„Klasse, danke, wir kommen gleich“, freute sich Keme und stieg wieder ab.
„Sag‘ ich doch, dass das was bringt“, erkannte sie und ging mit ihm rein.
Der Mann am Schreibtisch sah sie verwundert an, aber der jüngere Mann führte sie in ein Büro hinter einer Tür.
„So Ladies, wie kann ich euch helfen?“, fragte der junge Mann und bat sie Platz zu nehmen.
„Wir suchen meine Cousine, sie ist auch Kopfgeldjägerin. Wir wurden zusammen aus Kalifornien gerettet von einer Hilfsorganisation. Wir wurden getrennt und jetzt ist sie seit einem Monat verschollen. Wir haben leider keine Anhaltspunkte über ihren Aufenthaltsort“, begann sie zu erklären.
„Einfach macht ihr es mir nicht grade“, bemerkte der Typ skeptisch.
„Alo, kommst du mal raus, bitte“, hörte sie aus einer krächzenden Sprechanlage.
„Mein Dad, sorry, ich muss da kurz hin“, erkannte der Typ augenrollend und ging aus der Tür.
„Hab‘ ich grad verstanden dass der Kerl Alo heißt?“, fragte Donnelly, Keme.
„Ja, hab‘ ich auch gehört, seltsam“, konterte Keme.
10 Minuten später kam der Typ zurück.
„So, tut mir Leid, mein Dad ist etwas herrisch manchmal. Also, wo waren wir?“
„Heißt du wirklich Alo?“, fragte Keme plötzlich.
„Ja, ich bin zu einem Viertel Costano, bei dir sieht man auch deine indianischen Wurzeln.
„Wie ist dein Nachname, Alo?“, fragte Donnelly.
„Strensen, das ist der Mädchenname meiner Großmutter, mein Großvater heißt Quakadi“, erklärte der junge Alo.
„Deine Großmutter heißt Sonja, oder?“, fragte Keme schwer atmend.
„Ja, sie hieß so, sie starb vor zwei Jahren, woher weißt du das?“, fragte der junge Alo.
„Äh, Sonja Strensen war die erste Frau meines Großvaters“, druckste sie herum.
„Du bist Cindy Marrons Enkeltochter, oder?“, fragte Alo.
„Ja, bin ich, ich hab‘ die anderen Kinder von Alo nie kennengelernt, man, ich treff‘ hier noch meine ganze Familie“, bemerkte sie.
„Man, das hab‘ ich jetzt echt nicht erwartet, mein Dad will euch nicht helfen, aber ich“, erkannte der junge Alo.
„Dein Vater ist genauso bockig wie sein Vater. Aber er ist der Boss von allem hier, oder?“, fragte Donnelly.
„Nein, das Sagen hab‘ ich, ja ich weiß, schwere Bürde für so nen jungen Mann, denk‘ ich mir auch jeden Tag, aber ich gewöhn‘ mich dran“, erkannte der junge Alo.
„Ich war auch so alt wie du, als ich das Kopfgeldbüro meines Vaters übernommen habe“, erkannte sie.
„Und dein Dad hat dich einfach machen lassen?“, fragte der junge Alo etwas eifersüchtig.
„Ihm ist die Entscheidung abgenommen worden, er starb im Krieg“, bemerkte sie traurig.
„Tut mir leid, das zu hören. Er war der Auserwählte der Costanos, oder? Wer ist sein Nachfolger? Ich würde tot umfallen, wenn ich dem begegnen würde“, erkannte der junge Alo aufgedreht. Keme sah ihn breit grinsend und mit verschränkten Armen an.
„Was ist? Seit dem Tod meiner Großmutter befasse ich mich mit der Kultur meines Großvaters, sie hat das immer nicht gern gesehen, deshalb hab‘ ich gewartet, bis sie gestorben ist“, erkannte er.
„Er sieht für mich gesund aus, findest du nicht auch?“, fragte Keme, Donnelly.
„Kerngesund. Wie lange müssen wir deiner Meinung nach warten?“, fragte Donnelly schmunzelnd.
„Sag‘ mal, verarscht ihr mich grade?“, fragte der junge Alo verwundert.
„Ein bisschen. Wenn du unsere Geschichte richtig studiert hättest, wüsstest du, das der Auserwählte ein Blutsverwandter vom „weißen Wolf“ sein muss und na ja, das bin ich“, erkannte sie stolz.
Der weiße Wolf war der erste Häuptling ihres Stammes gewesen und ihr Urahne. Obwohl ihr Vater eher das Leben eines weißen Mannes geführt hatte, hatte sie alles über ihre Kultur durch ihre Verwandten erfahren.
„Kann ich es sehen?“, fragte der junge Alo plötzlich.
„Entschuldigung?“, fragte sie verwundert.
„Dein Brandzeichen, was du bei deiner Taufe bekommen hast“, bat er mit Ehrfurcht.
„Ah, okay“, erkannte sie etwas verwirrt und zeigte ihm den Wolf.
„Das ist ja ein Tattoo“, bemerkte der junge Alo etwas enttäuscht.
„Ja, ich bin der erste der kein Brandzeichen bekommen hat seit 500 Jahren, mein Dad ist an seinem fast krepiert, deshalb hat er die Ältesten überredet, dass ich nur ein Tattoo bekomme. Ich werde ihm mein ganzes Leben dafür dankbar sein. Okay, genug der Familiengeschichte, was für Equipment habt ihr?“, fing sie an zu arbeiten.
„Man, es ist mir eine Ehre mit der Auserwählten zu arbeiten. Also, wir haben eine Datenbank die mit der Polizei vernetzt ist, ich habe 14 Mitarbeiter in ganz Alaska und jede Menge Autos im Fuhrpark“, erklärte der junge Alo stolz.
„Man, das ist echt viel, ich wusste doch, dass ich hier richtig bin“, erkannte sie erfreut.
„So, dann fangen wir gleich an, hast du mir ein Bild von ihr?“, fragte der junge Alo planend und sie legte ihr Handy auf den Tisch, der das Bild auf einen Bildschirm übertrug.
„Man, echt eine hübsche Frau, sie ist ja auch Costano“, erwiderte der junge Alo, als er das Bild von Tokori betrachtete.
„Sie ist meine Cousine, duh, natürlich ist sie auch eine Costano“, erwiderte sie.
„Sie sieht mehr Costano aus als du, wenn ich das so unverschämt sagen darf“, bemerkte der junge Alo als er das Bild betrachtete.
„Das ist nicht unverschämt, das ist Genetik, ich hatte weniger Costanos im Stammbaum als sie“, konterte Keme und starrte betrübt das Foto an.
„Wir sind die Besten, wir finden sie“, versprach der junge Alo.
„Das hoff‘ ich so, sie ist schwanger, sie ist sicher total verstört und Gott weiß wo ihr Beschützer hin ist“, erkannte sie und den Blick von dem Bild zu nehmen.
„Sie ist schwanger? Dann weiß ich vielleicht, wo sie ist. Wisst ihr wo Nome ist?“, fragte der junge Alo und griff nach dem Telefon. Ruckartig zog Keme ihm das Telefon aus der Hand und legte wieder auf.
„Ja, wir wissen wo Nome ist“, entgegnete sie nur.
„Schlechte Erfahrungen in Nome gemacht?“, fragte der junge Alo verwundert.
„Nein, aber ich bin mir sicher, dass sie dort nicht ist, meine Mutter ist dort die Chefin und wir sind etwas verkracht“, erklärte sie.
„Ah, okay, dann nicht Nome. Stellen wir das Bild erst mal online, vielleicht hat sie ja jemand von meinen Männern gesehen. Auch wenn ich jetzt unhöflich klinge, wer ist eigentlich dein Begleiter?“, fragte der junge Alo plötzlich.
„Das ist Don‘, mein Freund“, entgegnete sie.
„Dein Freund oder dein Freund Freund?“, fragte der junge Alo.
„Mein Freund Freund. Er ist der Krankenpfleger der mich aus Kalifornien gerettet hat“, erklärte sie.
„Du schläfst mit ner Krankenschwester, scharf“, bemerkte der junge Alo und reckte seine Hand für ein High-Five. Keme sah ihn kritisch an.
„Sorry, ich häng‘ zu viel mit meinen unreife Freunden ab. Also Pfleger Don‘, wie könntest du uns bei der Suche helfen?“, bemerkte der junge Alo.
„Ich glaub‘ so arg kann ich euch nicht helfen, ich sollte eigentlich schon wieder auf Tour sein und Flüchtlingen helfen, aber Keme braucht meine Hilfe“, entgegnete er.
„Also, das erste was wir hier immer machen ist die Familie zu befragen, kann es sein, dass sie bei ihren Verwandten ist?“, fragte der junge Alo planend.
„Nein, das glaub‘ ich eher weniger“, bemerkte Keme nachdenklich.
„Das darfst du nicht so einfach abtun, die sind meistens bei den Verwandten“, entschied der junge Alo.
„Meine Tante und mein Onkel sind in Spanien mit ihren Geschwistern, ich bin ihre einzige Verwandte hier“, erklärte sie.
„Ah okay, in Spanien ist sie wohl kaum. Ihr seht aus als wärt ihr am Verhungern, ich sag‘ meiner Mutter dass ihr zum Essen kommt“, bemerkte der junge Alo plötzlich.
„Sag‘ bloß, du wohnst noch zu Hause“, bemerkte Donnelly.
„Hey, ich bin erst 22 und wir wohnen nur ums Eck“, erwiderte der junge Alo verteidigend.
„Ich hab‘ in meinem Büro gewohnt, war auch nicht besser. Hast du grad‘ gesagt, du hast Freunde?“, fragte sie skeptisch.
„Ja, natürlich hab‘ ich Freunde, du nicht?“, fragte der junge Alo verwundert.
„Ich hatte nicht besonders viele, die hab‘ ich aber vergrault als ich ein Trinkproblem hatte. Halt dir diese Freunde in Ehren und fang das Trinken nicht an“, erkannte sie.
„Klar, werde ich machen. Also, was esst ihr gern?“, fragte der junge Alo freundlich.
„Was ich gern esse? Die letzten Jahre habe ich eigentlich nur gegessen um zu überleben, ich hab‘ nie den Luxus gehabt zu überlegen was ich mir wünsche“, bemerkte sie nachdenklich.
„Meine Mutter kocht ein spitzen Chili“, schlug er vor.
„Chili con Carne hat ich seit Jahren nicht mehr, klingt toll“, bemerkte sie erfreut.
„Dann soll es Chili sein, ich ruf‘ sie gleich an. Du kannst solang ihre Daten in den PC eingeben“, erwiderte der junge Alo.
 
Am Ende des Tages saßen Donnelly und Keme bei den Stensons zum Abendessen.
„Ich hab‘ noch nie so ein gutes Chili gegessen“, lobte Keme die Köchin.
„Danke für das Kompliment, ich bin auch berühmt für mein Chili. Weißt du eigentlich, wie ähnlich du deiner Großmutter siehst?“, fragte Mrs. Stenson und sah Keme genau an.
„Danke, das erfüllt mich mit Ehre mit der wunderschönen Magena Kenza verglichen zu werden“, bemerkte Keme mit stolz geschwellter Brust.
„Ich hab‘ sie leider nie kennengelernt, hab‘ aber wahrhaftig tolle Geschichten von ihr gehört. War sie wirklich so stark wie es erzählt wurde?“, fragte Mrs. Stenson.
„Sie war keine Superheldin, wenn Sie das wissen wollen, sie war nur trainiert, so wie ich es bin. Sie starb viel zu früh, ich hätte gern so viel von ihr gelernt. Ich hätt‘ auch gern mal gegen sie gekämpft, hätte mich interessiert wer von uns stärker wäre. Man, bin ich satt“, bemerkte sie und nahm Donnellys Hand in ihre.
„Ihr seid so ein süßes Paar, dass aus so einer schlimmen Sache so eine schöne Liebe entstehen kann“, erwiderte Mrs. Stenson.
„Wir sind erst kurz zusammen, von Liebe kann man da nicht so sehr sprechen, wir verstehen uns einfach gut“, erkannte Donnelly. Keme drückte seine Hand sanft und lächelte ihn an.
„Das ist doch schön, ich wünschte mein Sohn würde die Frau seines Lebens finden, ich möchte Großmutter werden“, erkannte Mrs. Quakadi und sah ihren Sohn an, der ziemlich gesättigt, lässig und breitbeinig auf seinem Stuhl saß.
„Er ist noch jung und er wird seinen Weg machen“, erkannte Keme und sah den jungen Alo an, der sie anlächelte.
„Es ist schade, dass mein Mann sich im Büro verschanzt hat, er ist ein bisschen bockig und hat ein gespaltenes Verhältnis zu seinem Vater, aber das wird schon, er wird schon noch auftauen. Ich würde euch ja einen Schlafplatz anbieten, wir haben aber leider keinen“, erkannte Mrs. Stenson.
„Schon gut, ich hab‘ vorhin ein Motelzimmer reserviert, aber danke für das Angebot“, erwiderte Keme.
„Wir sind doch Familie, da ist das Ehrensache. Du suchst also deine Cousine, ihr steht euch nah, oder?“, fragte Mrs. Stenson.
„Wir sind wie Schwestern, ja. Aber ich bin zuversichtlich dass Alo, man es ist so seltsam ihn so zu nennen, mir dabei helfen kann“, erwiderte sie.
„Ja, muss für dich seltsam sein, wir haben den Namen genommen, um euren Stamm zu ehren“, erklärte Mrs. Stenson.
„Das hat deinem Mann nicht so gepasst, kann ich mir denken, wegen seinem Problem mit seinem Vater“, dachte Keme laut nach.
„Ja, etwas Überredungskunst war da schon nötig, aber es ist wichtig euren Stamm Ehre zu erweisen. Alo hat mir erzählt, dass du eine Nachfahrin des großen Häuptlings bist, das ist ziemlich eindrucksvoll“, erkannte Mrs. Stenson.
„Ich hab‘ nichts dazu beigetragen, ich bin nur da rein geboren. Obwohl, das Ritual ist ganz schön heftig, zwei Tage fasten und diese komischen Kräuter von den ich Wahnvorstellungen bekommen habe, das wünsch‘ ich zwar niemandem, aber es wird mir eine Ehre sein, es meinem Sohn anzutun“, bemerkte sie schmunzelnd.
„Deinen Sohn? Bist du schwanger?“, fragte Mrs. Stenson überrascht.
„Nein, oh Gott nein, aber ich werde einen Sohn gebären der den Stamm weiterführt“, erklärte sie herumdrucksend.
„Da stehst du ganz schön unter Leistungsdruck, was?“, fragte der junge Alo, Donnelly keck.
„Hey, hör‘ auf ihn so erschrecken, wenn er mein Gefährte fürs Leben wird, wird er mit mir einen Sohn zeugen, wenn nicht, dann nicht“, erwiderte sie.
„Danke, Süße, ich wäre auch geehrt, wenn ich der Vater des Auserwählten werden würde. Man, ich werd‘ langsam müde, wir sollten ins Motel fahren“, erkannte Donnelly und sah Keme tief in die Augen.
„Ah, müde, verstehe. Dann sehen wir uns Morgen um acht in meinem Büro?“, fragte der junge Alo und nachdem Keme das bestätigt hatte, zog sie mit ihrem Freund los ins Hotelzimmer.
 
Donnelly liebkoste den nackten Körper seiner Freundin. Sie fühlte sich kalt an und er versuchte sie mit seinem Körper aufzuwärmen. Sie atmete schwer und genoss seine Berührungen vollkommen. Sie hatten seit dem Tag ihres ersten Mals keinen Sex mehr gehabt um ihre Kräfte zu schonen und das Gefühl war so viel intensiver. Als sie gerade mittendrin dabei waren, stieg sie plötzlich von ihm runter und lief wie in Hypnose splitterfasernackt aus dem Raum und die Treppe hinunter zum Parkplatz. Donnelly, der sich erst mal um seine Erektion kümmern musste folgte ihr in Shorts ein paar Minuten später. Keme starrte in die Ferne.
„Schatz, alles klar? Du weißt dass dieses Scharfmachen und dann verschwinden gegen das Guantanamo Gesetz verstößt, was Grausamkeit gegen Ausländer verbietet. Du bist nackt, dich können alle sehen“, bemerkte Donnelly und legte ihr ihre Lederjacke über die Schultern. Ihre braune Haut glänzte wunderschön im Mondschein.
Donnelly konnte nicht erahnen, was Keme sah. Sie hatte eine Vision mit einem Wolf, ihr Vater stand neben dem Wolf und erklärte ihr, wie ihr Leben weiter verlaufen musste. Sie hatte noch nie eine Vision eines Wolfes gehabt, aber sie hatte gelernt, dass man diese Visionen nicht ignorieren durfte. Nachdem Keme etwas im Costano-Dialekt gesagt hatte, kippte sie plötzlich bewusstlos zusammen. Liebevoll aber etwas verstört trug er sie hinein. Ganz plötzlich glühte ihr Körper vor Hitze. Er drehte das kalte Wasser der Dusche an und stellte sich mit ihr darunter. Ganz plötzlich wurde sie wach. Etwas panisch wehrte sie sich gegen seine Umarmung und das hatte zur Folge dass sie beide aus der Dusche stolperten und aufeinander auf dem Boden landeten.
„Was zum Henker machst du mit mir? Warum bin ich nackt?“, fragte sie verstört und zog hastig ein Handtuch vom Haken um es sich umzubinden.
„Du weißt nicht, was passiert ist?“, fragte er vorsichtig.
„Wir hatten Sex und jetzt steh‘ ich mit dir unter der Dusche, was für Schweinereien hast du mit mir gemacht?“, fragte sie entsetzt und ging rückwärts ins Schlafzimmer zurück.
„Ich hab‘ gar nichts gemacht, ich glaube, du hattest eine Vision oder so, du bist einfach so aufgestanden und nackt nach draußen gegangen, ich dachte erst, du hast nen Schaden, aber als du in einem Costano-Dialekt zu sprechen begonnen hast, dachte ich mir schon, dass das was mit deiner Bestimmung als Auserwählte zu tun hat“, erklärte er.
„Ich spreche kein Costano, nicht mal mein Vater hat den Dialekt gesprochen“, erkannte sie ungläubig.
„Dann war es irgendeine andere Sprache, aber es klang irgendwie mystisch. Du weißt es wirklich nicht mehr?“, fragte er mit besorgtem Blick.
„Nein, tu ich nicht, eine Vision sagst du? Man, jetzt warte ich schon mein ganzes Leben auf eine Vision und dann verpass‘ ich sie“, erkannte sie und begann sich wieder anzuziehen.
„Was machst du da?“, fragte er.
„Mich anziehen, du glaubst doch kaum, dass ich jetzt noch Lust auf Sex habe. Ich muss zu Alo, ich meine dem jungen Alo, sei mir nicht böse, ich bin bald zurück“, erklärte sie und nachdem sie sich angezogen hatte, stieg sie auf Lucille und düste davon.
„Du hättest mir auch sagen können wenn du keinen Sex willst“, murmelte er und setzte sich frustriert aufs Bett.

Vierzehntes Kapitel


Zwei Stunden später wurde Donnelly langsam unruhig und rief bei den Stensons an. Er weckte Alo jr., der keine Ahnung hatte, von was er sprach. Keme war niemals bei ihm aufgetaucht.
„Was heißt sie ist nicht bei dir, wo ist sie dann?“, fragte Donnelly nervös.
„Keine Ahnung, Don‘, ich hatte nen verdammt harten Tag, können wir das nicht morgen besprechen?“, fragte Alo jr. schläfrig.
„Nein, wir können das nicht morgen besprechen, meine Freundin ist verschwunden, verdammt“, fluchte Donnelly.
„Ich bin in 20 Minuten bei dir, ich rate dir Kaffee da zu haben, ich brauch‘ jetzt Koffein“, bemerkte Alo jr. und legte wieder auf.
 
Es war fast ein Uhr, als Alo jr. und Donnelly am Tisch im Motelzimmer die Lage besprachen.
„Sie wirkte so souverän heute Abend, denkst du, dass sie einen Knall hat?“, fragte Alo jr. cool und Donnelly sah ihn böse an.
„Was? So lang kennst du sie auch nicht, kann ja sein, dass sie psychische Probleme hat“, erkannte Alo jr. .
„Hast du noch andere dumme Sprüche parat, oder war’s das? Ich war jetzt drei Wochen Tag und Nacht mit ihr zusammen, sie ist psychisch stabiler als wir beide zusammen. Du bist doch so’n Costano-Experte, was haben die Visionen zu bedeuten?“, fragte Donnelly.
„Sorry, bin erledigt. Also, ich seh‘ mich nicht als Experte, aber ich weiß, dass ein Costano seiner Vision folgen muss, egal was es ist“, erklärte Alo jr.  und Donnelly schloss die Augen.
„Sie wusste ganz genau was in ihrer Vision gesehen hat und wollte dem allein nachgehen, sie wusste auch, dass ich sie begleiten wollen würde und deshalb hat sie dieses Schauspiel ausgeführt“, entgegnete Donnelly erkennend.
„Ihre Sachen hat sie alle hiergelassen“, erkannte Alo jr. , als er sich umsah.
„Ja, ich hab’s auch schon gesehen, seltsam. Warum war sie eigentlich nackt als sie die Vision erhalten hat?“, fragte Alo jr.  neugierig und Donnelly sah ihn mit bösem Blick an.
„Ach, deswegen, blöde Sache, das versaut einem die ganze Stimmung. Man, wenn sie nur einen Peilsender hätte, dann könnten wir sie leicht finden“, dachte Alo jr.  laut nach.
„Ihre Maschine hat GPS“, bemerkte Donnelly plötzlich und griff nach dem Telefon.
„Verdammt, warum nervst du mich dann?“, fragte Alo jr.  augenrollend und Donnelly machte ein Zeichen, dass er still sein sollte.
„Misses Beltran, ich weiß es ist spät, verdammt spät, ja, aber wir brauchen schnell mal die exakten Koordinaten von Kemes Motorrad, wir haben es irgendwo abgestellt, wissen aber nicht mehr wo, ja ich weiß, total dämlich, nein wir sind nicht betrunken, geben Sie mir bitte einfach den exakten Standort“, bat Donnelly.
„Uh ja danke, genau das ist es, sorry, wir rufen nie wieder so spät an, danke, bye“, bedankte sich Donnelly und legte wieder auf.
„Rampart, sie ist in Rampart“, erkannte er triumphierend.
„Nein, ist sie nicht“, entgegnete Alo jr.  cool.
„Was meinst du, sie ist da nicht, GPS lügt nicht“, erwiderte Donnelly genervt.
„Auch wenn deine Freundin eine Rennfahrerin wäre, schafft sie die 500 Meilen bis Rempart nicht in zwei Stunden“, entschied Alo jr.  lässig.
„Sie hat den Sender gefunden und ist in losgeworden, hier fließt doch ein Fluss durch, oder?“, fragte er.
„Ja, der Tahana, der fließt auch durch Rampart, verdammt, die Kleine ist gut. Keine Sorge, wir finden sie auch so“, bemerkte Alo jr.  sicher.
„Nein, sie will nicht gefunden werden. Ich hab‘ den Fehler begangen und mich in sie verliebt, das hätte ich nicht tun sollen. Du hast doch heut‘ Morgen mit deinem großen Fuhrpark geprotzt, kann ich einen von deinen Wagen haben? Nur bis zur Grenze, dann muss ich eh was anderes zum Reisen finden“, bat er betrübt.
„Klar, ich bring‘ dir morgen einen Wagen vorbei. Tut mir leid, man, ihr saht so verliebt aus, das hätte was mit euch werden können“, erwiderte Alo jr. , klopfte ihm auf die Schulter und ließ ihn wieder allein.
Donnelly konnte es nicht fassen. Wie konnte sie ihn jetzt allein lassen. War sie jetzt weiter auf der Suche nach Tokori oder Gordon, oder hatte sie einfach aufgegeben?
 
Zur gleichen Zeit erreichte Keme Beltran die Küstenstadt St. Michael. Sie war vollkommen erschöpft. Sie hatte ein Teil des Geldes und die Waffen mitgenommen, das war das einzige was sie jetzt brauchte.
„Ich hoffe dein Visions-Ich ist genauso clever wie du, also ich bin jetzt hier, Dad, wie führst du mich jetzt weiter?“, fragte Keme die Dunkelheit, die sich vor ihr ausbreitete. In ihrer Vision hatte ihr Vater ihr gesagt, sie müsse nach St. Michael fahren und sich beeilen und sie müsse alleine kommen. Was sollte diese Vision bedeuten? War Tokori dort? Willst du, dass ich zu Mum gehe und sie um Hilfe bitte? Ich hab‘ mich mit ihr versöhnt, was willst du noch?“, redete sie mit sich selbst. Zu ihrem Glück stand sie fern ab von anderen Menschen die sie für verrückt erklären würden.
Plötzlich sah sie einen Lichtstrahl, der auf einer Düne matt schien. Sie ging ein paar Schritte und entdeckte ein Zelt. Es war Tokoris Zelt, was sie in ihrer Maschine mit sich herumfuhr. Zögerlich ging sie zu dem Licht, in der Hoffnung Tokori dort zu finden. Als sie immer näher kam, kamen die Zweifel. Dieses Zelt war kein Einzelstück, vielleicht überraschte sie auch nur ein Liebespaar in flagranti. Sie versuchte es erst Mal  mit Tierstimmen, die sie als Kinder immer benutzt hatten als sie im Wald spielten. Sie machte eine Eule und bekam keine Reaktion. Dann versuchte sie es mit einem Waschbären und der Reißverschluss des Zeltes ging auf. Eine Person mit kurzen Haaren streckte den Kopf hinaus. Sie sah sich um und das Gesicht war zu sehen. Es war Tokori.
„Tokori“, bemerkte Keme begeistert. Erst dachte Tokori, dass sie sich das nur einbildete, doch dann trat Keme näher an sie ran.
„Keme?“, fragte Tokori zögerlich.
„Ich hab‘ dich gefunden“, erwiderte Keme mit tränenreicher Stimme.
„Keme, was machst du hier?“, fragte Tokori, kroch aus dem Zelt und fiel ihrer Cousine um den Hals.
„Dich suchen, Dummerchen, was denn sonst? Ich frag‘ mich eher was du hier machst“, entgegnete sie.
„In der ersten Zeit gewartet, nach einer Woche hab‘ ich mir dann ein Leben so gut wie es geht hier eingerichtet. Die Händler auf den Wochenmärkten sind so lieb und geben mir alles was ich brauche. Hat Gordon dich geschickt?“, fragte Tokori, der es gut zu gehen schien.
„Nicht direkt, hat er dich einfach so allein gelassen?“, fragte Keme entsetzt.
„Er hat mich nicht nach Nome bringen wollen, wegen der Verheiratung und so und ich war ihm ewig dankbar dafür. Doch von einem Ausflug zwei Tage später kam er nicht mehr zurück. Ich wollte erst auf die Suche gehen, doch dann hatte ich eine Vision von Kai und der bat mich hier zu bleiben, du würdest mich nur hier finden und du hast mich hier gefunden, etwas spät vielleicht, aber immerhin“, erkannte Tokori erleichtert.
„Du hast dich von einer Vision leiten lassen? Das hab‘ ich auch, deshalb bin ich hier. Nicht schlecht für jemanden, die als Teenager ihren Weg verleugnet haben“, erkannte Keme und drückte Tokori nochmal.
„Dein Dad hat gewusst, dass du das nicht so ernst gemeint hast und dass du deinen Weg gegangen bist nach deiner Weihe. Hat dich dein hübscher Begleiter hierhergebracht?“, fragte Tokori und Keme bemerkte plötzlich, was sie gemacht hatte.
„Ich liebe ihn und habe dein Leben über mein eigenes gestellt“, entschied sie entsetzt.
„Was redest du da? Wen liebst du?“, fragte Tokori verwirrt.
„Donnelly, ich liebe ihn“, wurde es Keme bewusst.
„Dich kann man auch nicht mal 4 Wochen allein lassen“, schmunzelte Tokori.
„Ich muss ein Telefon finden und ihn anrufen“, entschied Keme und ging zurück zu ihrem Motorrad.
„Hast du nicht was vergessen?“, fragte Tokori, die ihr hinterher stiefelte.
„Ich hab‘ so einiges liegen gelassen“, erkannte Keme.
„Mich nimmst du doch auch mit, oder, Boss?“, fragte Tokori verwirrt.
„Pack‘ deine Sachen ein, wir fahren nach Nome, das sind nur noch 20 Meilen, keine Sorge, heiraten wird da keiner“, bat Keme und half Tokori ihre ganzen Sachen in ihre Maschine zu packen, die fest angekettet am Wegrand stand.
„Wo ist Gordon? Wir haben seinen Ausweis bei einer Leiche gefunden und dachten für zwei Tage dass er tot ist, doch es war jemand anderes“, erwiderte Keme.
„Mein Gott, Donnelly muss das echt getroffen haben, gut dass du bei ihm warst. Wo habt ihr seine Sachen gefunden?“, fragte Tokori entsetzt.
„In Taylor, das ist nen ganz schönes Stück weg von hier. Wo hast du eigentlich Donnelly verlassen?“, fragte Tokori und setzte sich auf ihr Motorrad. Dabei bemerkte Keme das erste Mal Takoris wachsendes Bäuchlein.
„Hey, man sieht ja langsam was“, erwiderte Keme gerührt und Takori fasste auf ihren Bauch.
„Ja, ich war so froh, als ich das Baby auf dem Ultraschall gesehen habe, aber seit dem weiß ich nicht mehr, wie es meinem Baby geht, aber es fühlt sich alles richtig an. Wenn wir zurück in der Zivilisation sind, sollte ich mal wieder zum Arzt gehen. Was hältst du davon, dass ich das Baby Kai nenne, wenn es ein Junge wird?“, fragte Tokori nachdenklich.
„Das würde seiner Mutter echt gefallen, auch wenn es nicht sein Kind ist“, erwiderte Keme und stieg auch aufs Motorrad.
„Also, los nach Nome, auch wenn ich mich dagegen wehre, da Mum dort ist“, erkannte Keme.
„Shania ist dort? Warum sagt mir das keiner?“, fragte Tokori überrascht.
„Ich hab‘ es auch nur von Großvater Alo erfahren, ja er ist auch hier, so wie Großmutter Cindy, Bubblegum und erst gestern hab ich den Sohn von Alos älteren Kindern kennengelernt, ja, ich weiß, wirklich verrückt“, erzählte Keme von ihren Abenteuern.
„Du hast echt viel erlebt, es ist so schön, dass du dich mit Bubblegum aussprechen konntest, ist echt fies ausgegangen mit euch“, erwiderte Tokori.
„Ja, lass mich nie wieder so viel trinken. Bist du fit genug um zu fahren?“, fragte Keme.
„Das sind nur 40 Meilen, das schaff‘ ich. Aber noch mal vier Wochen, dann kann ich nicht mehr auf ein Motorrad steigen. Ich werde in Nome bleiben, bis der kleine Zwuckel geboren ist, aber ich werde niemanden heiraten“, bemerkte Tokori.
„Ich werde dir bei allem beistehen, ich muss nur noch mit ihm telefonieren und mich ordentlich von ihm verabschieden“, entschied Keme plötzlich.
„Nein, du liebst ihn, du kannst ihn nicht gehen lassen“, entschied Tokori.
„Wir können nicht zusammenbleiben, er hat ein Leben in Kanada, ich kann da nicht leben, das war eine Sommerromanze, mehr nicht“, bemerkte sie realistisch.
„Das tut mir leid für dich, ich hab‘ dich noch nie das L-Wort sagen hören, es ist nicht fair“, erwiderte Tokori.
„Nein, das ganze Leben ist nicht fair. Fahren wir!“, entschied sie und gab ihrem Motorrad die Sporen.
 
Nach etwas mehr als einer Stunde kamen sie in Nome an. Es war ja mitten in der Nacht und das Lager war düster.
„Klar, normale Menschen schlafen ab und zu. Ich ruf‘ Mum an, die muss halt raus kommen“, konterte Keme müde und rief die Nummer an, die ihr Shania gegeben hatte.
„Man Süße, ich freu‘ mich ja immer über euren Anruf, aber ihr müsst euer Motorrad schon selbst finden“, hörte sie die verschlafene Stimme ihrer Mutter.
„Sorry, ich hab‘ keine Ahnung von was du redest. Ich steh‘ in deinem Lager, will aber hier niemanden wecken. Kannst du mal rauskommen?“, fragte Keme verwirrt.
„Du bist in Nome, du warst doch grad noch in Rampart“, war ihre Mutter jetzt ganz verwirrt.
„Komm‘ einfach raus, bitte“, entgegnete sie müde.
„Ja, Moment“, murmelte Shania und legte wieder auf.
„Sie kommt raus“, erkannte Keme und steckte das Handy, was sie von Alo bekommen hatte wieder ein.
„Blöde Frage, warum rufst du ihn nicht über das Handy an?“, fragte Tokori, Keme.
„Das mach‘ ich morgen, der läuft ja nicht weg“, erwiderte Keme und das Licht einer Hütte links von ihnen ging an.
„Da ist sie“, bemerkte Keme und ging zu der Hütte.
„Keme?“, flüsterte Shania in die Nacht.
„Hier sind wir“, flüsterte Keme zurück und kam ins Licht.
„Du hast sie gefunden“, erkannte Shania und kam in ihrer Schlafanzughose und in einem Unterhemd zu ihnen.
„Sie war gar nicht so weit weg, sie war nur in St. Michael. Eine Vision hat mich hierher geführt“, erklärte Keme und umarmte ihre Mutter.
„Eine Vision? Dein Vater wäre so stolz auf dich. Kommt rein“, bemerkte Shania und ließ beide rein. Shania führte sie in die kleine Hütte, die sehr ähnlich wie Alos Hütte eingerichtet war.
„Wir sind ziemlich erschöpft, können wir morgen reden?“, fragte Keme müde.
„Sicher, Tokori du schläfst mit mir im Bett, Keme ist das Sofa okay für dich?“, fragte Shania und ihre Tochter nickte. Sie zog ihre Jacke aus.
„Trägst du keinen BH?“, fragte Shania, Keme.
„Ja, ist das ein Problem?“, fragte Keme.
„Nein, sieht dir nur nicht ähnlich, hattest du wieder einen Freier?“, fragte Shania.
„Ich hab‘ nen Freund, ganz sicher nicht. Ich hatte die Vision während dem Sex, hab‘ mich etwas hektisch angezogen, dass das immer passieren kann, hat mir Dad wohl verschwiegen“, erklärte Keme etwas peinlich berührt.
„Du hast Don‘ während dem Sex verlassen?“, fragte Tokori, Keme etwas amüsiert.
„Hör‘ auf zu lachen, das war peinlich genug. Jetzt will ich nur noch schlafen“, erkannte Keme und legte sich auf das gemütliche Sofa.
„Klar, schlafen wir erst Mal. Schlaf‘ gut, Süße“, erkannte Shania und ging zusammen mit ihrer Nichte zu ihrem Bett. Kurz danach waren alle eingeschlafen.
 
Sanft weckte Shania ihre Tochter am nächsten Morgen.
„Hey, Süße, es ist schon fast Mittag, willst du was essen?“, fragte Shania.
„Ja, danke“, bemerkte Keme und setzte sich auf. Plötzlich wurde ihr richtig übel und sie übergab sich in den Mülleimer der neben ihr stand.
„Wupps, was war das denn?“, fragte Shania verwundert.
„Das Chili von gestern vermutlich“, murmelte Keme und wischte ihren Mund sauber.
„Ich hab‘ mich am Anfang auch morgens übergeben“, erkannte Tokori, die mit einer Schüssel Müsli am Tisch neben ihr saß.
„Ich bin nicht schwanger, ich hatte erst meine Tage“, erkannte Keme abstreitend.
„Du hattest sie zuletzt zwei Tage bevor wir gerettet wurden, das ist fast sechs Wochen her, rechnen konntest du nie gut in der Schule, oder?“, fragte Tokori keck.
„Verdammt, bin ich etwa auch schwanger?“, fragte sich Keme.
„Das können wir gleich rausfinden, ich wollte Tokori grad‘ zur Untersuchung mitnehmen. Willst du trotzdem was essen?“, fragte Shania.
„Erst will ich Zähne putzen, dann vielleicht. Das wäre echt schräg, ich hatte mit ihm nur einmal Sex“, bemerkte Keme und stand auf.
„Einmal reicht schon aus, ich dachte, das hätte ich bei deiner Aufklärung klar gemacht. Ich bring‘ dir ne Zahnbürste, nimm‘ deine Vitamine, Tokori, bitte“, bemerkte Shania und ging zu einem Schrank, aus dem sie eine verpackte Zahnbürste herauszog.
„Mach‘ ich, Tante. Es ist echt toll, dich wiederzusehen, wir haben uns echt Sorgen um dich gemacht“, erwiderte Tokori, der es viel besser zu gehen schien.
„Dann geh‘ ich mal Zähneputzen und Duschen und mich nochmal übergeben“, murmelte Keme und schlurfte ins Badezimmer.
„Sie lässt ihn gehen, das können wir nicht zulassen“, bemerkte Tokori zu Shania, die zurück zu ihrer Nichte an den Tisch kam.
„Den Kerl, mit dem sie schläft? Das glaub‘ ich nicht“, tat Shania das als Unmögliches ab.
„Sie hat gestern gesagt, dass sie ihn liebt!“
„Hat sie das wirklich gesagt?“, fragte Shania.
„Ja, laut und deutlich. Wenn sie wirklich schwanger ist, braucht sie ihn, ich werde mein Kind allein zur Welt bringen und du bist auch allein, jemand von uns muss glücklich werden“, dachte Tokori laut nach.
„Sie wird ihn nicht anrufen und es ihm gestehen, oder?“, fragte Shania.
„Wir müssen das für sie machen“, schlussfolgerte Tokori.
„Wir haben seine Nummer nicht!“
„Ihr Handy ist in ihrer Lederjacke“, bemerkte Tokori und Shania stand auf. Als sie gerade in Kemes Jacke herumwühlte, kam Keme wieder aus dem Badezimmer.
„Wenn du mein Handy suchst, ich hab es in der Hosentasche, ich hab‘ ihn grad‘ angerufen, er hat sein Handy nicht mitgenommen als er nach Kanada zurück ist, hat mir Alo jr.  erklärt“, erwiderte Keme traurig, die mit ihrem Handy in der Hand zu ihnen kam.
„Verdammt, das tut mir leid, Keme, du bist hier immer willkommen, versprochen“, bemerkte Shania und umarmte ihre Tochter.
„Wenn ich wirklich schwanger bin, bin ich wohl richtig hier“, resignierte sie.
„Gehen wir erst mal zu der Untersuchung bevor ich einen Strampelanzug für dich häkle“, entgegnete Shania und brachte die beiden Frauen zu der Frauenärztin der Station.
 
„Okay, Süße, fangen wir mit dir an und gucken mal wie es deinem Baby geht“, erkannte die Frauenärztin und Tokori zog ihr T-Shirt hoch.
„Das Gel ist kalt, nicht erschrecken“, bemerkte die Frauenärztin und legte das Ultraschallgerät auf, nachdem sie das Gel verteilt hatte.
„Ich hatte schon einen Ultraschall“, erklärte Tokori und lächelte, als sie ihr Baby auf dem Display vor ihr sah.
„Hey, da ist es ja, es sieht gut aus, fünfte Woche sagten sie, ja, das kann bei der Größe hinkommen. Wir werden sie mit Vitaminen versorgen und allem anderen was ihrem Kind guttut, jetzt sind sie in Sicherheit“, versprach die Frauenärztin freundlich.
„Ja, das bin ich, das sind wir. Können Sie jetzt auch meine Cousine untersuchen, sie übergibt sich und ist schon ne Weile drüber“, bemerkte Tokori, wischte ihren Bauch sauber und setzte sich wieder auf.
„Das muss noch nichts heißen, legen Sie sich einfach mal hin“, entschied die Ärztin und zögerlich setzte sich Keme auf den Untersuchungstisch, legte sich hin und schob ihr Hemd hoch.
„So, dann schauen wir mal. Man, das ist eine ganz schöne Narbe, wenn Sie wirklich schwanger wären, müssen sie das gut eincremen dass das nicht hässlich aussieht“, entgegnete die Ärztin, als sie ihre große Narbe am Bauch sah.
„Ja, werde ich machen. So, jetzt spannen sie mich nicht weiter auf die Folter“, bemerkte Keme hektisch und spürte die Kälte des Kotaktgels als der Ultraschall aufgelegt wurde.
„Da muss ich etwas suchen, also wenn da was wäre ist es noch nicht besonders weit. Momentan seh‘ ich da nichts, machen wir lieber einen Bluttest. Also, geben Sie mir mal Ihren Arm her, Gott sei Dank sind wir her mit der neusten Technik ausgestattet, das funktioniert jetzt so schnell wie ein Schwangerschaftstest zum Kaufen. Ich nehm‘ Ihnen jetzt Blut ab, dann steck‘ ich es in dieses kleine Ding und innerhalb von fünf Minuten wissen wir das Resultat. Wann hatten Sie denn ihre letzte Periode?“, fragte die Ärztin, während sie das Blut abnahm.
„Sechs Wochen, glaub‘ ich, war etwas stressig bei mir in letzter Zeit. Sex hatte ich gestern erst, aber so schnell geht das wohl nicht, das letzte Mal richtig hatte ich vor knapp drei Wochen“, bemerkte Keme.
„Das wollte ich als nächstes fragen, gut, dass könnte zeitlich hinhauen. Jetzt werden wir warten“, erkannte die Ärztin und sie warteten das Resultat ab.
„Okay, ihre Cousine hatte Recht, sie werden Mami“, erklärte die Ärztin.
„Na ganz toll!“
„Das war nicht geplant, oder?“, fragte die Ärztin.
„Ich lieg‘ hier mitten in Alaska auf einem Untersuchungstisch einer Krankenstation für Flüchtlinge, was denken Sie?“, fragte Keme etwas angepisst.
„Also nicht. Wie auch immer, wir kümmern uns hier wunderbar um Sie, keine Sorge. Ist das Kind von einem Zuhälter?“, fragte die Ärztin keck.
„Nein, von meinem Freund, meine Mutter ist ein kleines Plappermaul, was?“, fragte Keme etwas irritiert.
„Wir sind Freundinnen, tut mir leid, das war zu forsch. Ist Ihr Freund auch hier?“, fragte die Ärztin.
„Nein, ich hab‘ ihn dummerweise gestern verlassen. Danke für Ihre Zeit, Doc, ich muss jetzt gehen“, bemerkte Keme wie benommen und wanderte nach draußen. Tokori ging ihr hinterher.
„Keme, warte, das ist was Gutes, vielleicht trägst du den Auserwählten in dir, vielleicht soll es so geschehen“, bemerkte Tokori mystisch.
„Nein, es soll so nicht geschehen, es soll geschehen wenn ich mit dem Mann meiner Träume verheiratet bin und einen kleinen Laden auf dem Land habe, nicht wenn ich wegen einer gottverdammten Vision den Mann verlasse, den ich zu lieben glaube, weil ich dich in Gefahr glaubte, obwohl du fit wie ein Turnschuh bist“, bemerkte Keme wütend und atmete tief durch.
„Machst du mir jetzt Vorwürfe, dass es mir gut geht?“, fragte Tokori kritisch.
„Nein, natürlich nicht, ich bin furchtbar glücklich darüber, dass du am Leben bist, du bist meine Seelenverwandte, dass weißt du doch. Ich kann kein Kind aufziehen, nicht hier, nicht jetzt“, erkannte Keme betrübt.
„Was soll ich denn sagen? Ich kannte nicht mal den Namen von dem Kerl dessen Kind ich jetzt austrage, ich wache jeden Morgen auf und versuche mir vorzustellen, dass es Kais Kind ist, doch es gelingt mir nicht. Ich seh‘ immer diesen furchtbar ekligen Kerl vor mir mit diesem gammligen Bart und der Bierfahne. Aber das ist das 21. Jahrhundert, wir sind vor dem Verhungern gerettet worden, dann schaffen wir das auch noch. Und hey, der Führer und der Auserwählte werden fast gleichalt sein, das ist doch toll, sie werden zusammen zur Schule gehen“, versuchte Tokori ihre Cousine aufzumuntern.
„Du redest von Schule, siehst du hier irgendwo eine Schule?“, fragte Keme kritisch.
„Das sind sieben Jahre bis wir uns darüber Gedanken machen müssen, momentan müssen wir von Tag zu Tag denken. Dir wird in den nächsten Wochen oft übel sein und du wirst dich furchtbar fühlen, aber du wirst es überleben, so wie ich es getan habe. Jetzt haben wir deine Mutter, sie hat ein Kind zur Welt gebracht und hilft hier tausenden von Frauen, sie wird uns beistehen“, erklärte Tokori ruhig.
„Du hast das ganz allein durchgemacht, dass tut mir so leid, ich lass‘ dich nicht wieder allein, versprochen“, versprach Keme und nahm ihre Cousine in den Arm.
„Ich dich auch nicht, vor allem nicht jetzt. Was ist mit deiner Heb B, übrigens, das ist doch gefährlich für das Baby, oder?“, fragte Tokori während sie zurück zur Hütte gingen.
„Meine Heb B ist weg, sie ist behandelt worden und auch andere Krankheiten, ich fühle mich besser als je zuvor. Na ja, außer dass ich ab und zu mal unkontrolliert kotzen muss, aber das erinnert mich an unsere Highschoolparties. Ich sollte seinen Vater anrufen und es ihm ausrichten, er sollte wissen, dass er Vater wird“, erkannte sie und klopfte an die Tür der Hütte ihrer Mutter.
„Hey, da seid ihr ja wieder, und wie sieht es aus?“, fragte Shania, als sie ihnen die Tür öffnete. Keme drängte sich an ihr vorbei und eilte ins Badezimmer um sich wieder zu übergeben.
„Fang‘ schon mal das Stricken an, Oma“, bemerkte Tokori cool und Shania ließ sie rein.
„Als ihr mit 14 alles gleich haben wolltet, fand ich das herzig, jetzt ist es eher nervig“, murmelte Shania kopfschüttelnd.
„Das war keine Absicht, von keinem von uns, aber wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass das Schicksal ist, was die Geister für uns vorgesehen haben“, erklärte Tokori.
„Das klingt eher nach ner Resignation, Nichte, das Schicksal für euch ist nicht geschrieben, das zeigt schon die Tatsache, dass ihr hier bei mir seiht“, erwiderte Shania.
„Ja, jetzt gehör‘ ich hier wohl auch her. Ist es möglich, dass du hier Internet oder so hast?“, fragte Keme, die zurück ins Wohnzimmer kam und sich müde aufs Sofa setzte.
„Hab‘ ich, ja, was willst du machen?“, fragte Shania verwundert.
„Ich brauch‘ nen Nummer von einem Krankenhaus in King George in Kanada, ich muss dort einen Arzt anrufen und ihm erklären, dass er Großvater wird“, erwiderte sie trocken.
„Du kennst seine Eltern?“, fragte Shania verwundert.
„Nur durch Zufall, wir waren noch nicht zusammen, als ich sie in Kanada kennengelernt habe. Er soll es seinem Sohn ausrichten, falls er wieder da auftaucht“, erklärte Keme.
„Das kannst du doch nicht machen, du musst es ihm persönlich sagen“, fand das Tokori nicht gut.
„Wenn ich ihn erreichen würde, würde ich das tun. Es tut mir echt alles so leid, wie das gelaufen ist, aber wie Dad in meiner Vision sagte, einer Costano-Vision muss man gehorchen“, erklärte Keme.
„Harvey war in deiner Vision?“, fragte Shania mit Tränen in den Augen.
„Ja, war er, zusammen mit einem weißen Wolf. Er hat in einem Costano-Dialekt gesprochen, ich bin froh, dass ich den von ihm gelernt habe. Man, jetzt hab‘ ich plötzlich Hunger!"“
„Ich mach‘ dir nen Frühstück, mein PC steht in meinem Schlafzimmer. Man, ich wünschte, ich hätte diese Vision gehabt und deinen Vater noch einmal gesehen. Du kannst auch im Büro telefonieren“, erwiderte Shania nachdenklich und Keme ging ins Schlafzimmer.
Etwas zögerlich setzte sich an Shanias PC. Sie hatte das allerneuste Modell, was sie nicht erwartet hatte. Sie fuhr mit der Handfläche über das Display und wischte alle anderen Programme zur Seite, die geöffnet waren. Sie war zwar nicht talentiert in diesen Techniksachen, aber sie hatte schon PC in der ersten Klasse gehabt und kannte sich einigermaßen aus. Blitzschnell hatte sie die Adresse herausgefunden, aber sie starrte mindestens 5 Minuten auf den Bildschirm, bevor sie das Telefon in die Hand nahm.
„Prince George Memorial, Schwester Ruth, wie kann ich Ihnen helfen?“, meldete sich Schwester Ruth am Telefon.
„Hi Ruth“, meldete sich Keme freundlich.
„Keme, bist du das?“, fragte Schwester Ruth verwundert.
„Ja, ich bin es“, bemerkte Keme.
„Bist du angekommen, wo du hinwolltest?“, fragte Schwester Ruth zufrieden.
„Ja, ich bin bei meiner Mutter. Ist es vielleicht möglich Doktor D zu sprechen?“, fragte Keme hoffend.
„Dr. Damascus, klar, ich stell‘ dich durch“, erwiderte Schwester Ruth und sie hörte einen nervigen Song, bis sie die tiefe Stimme von Donnellys Vater hörte.
„Hi, ich bin es Keme, erinnerst du dich an mich?“, frage Keme.
„Keme, natürlich, wie geht’s dir?“, fragte Dillian erfreut von ihr zu hören.
„Gesundheitlich gut, nur emotional etwas niedergeschlagen“, erkannte sie stockend.
„Hab’s schon gehört, dass mit meinem Sohn ist ja anscheinend schief gelaufen, was hat er gemacht?“, fragte Dillian mitfühlend.
„Er hat nichts gemacht, ich hab‘ ihn ohne ein Wort verlassen, hast du mit ihm gesprochen?“, fragte Keme beschämt.
„Er rief ganz früh heut‘ Morgen in der Praxis an und hat sich für die Nachtschicht angekündigt. Scheint so als hättest du ihn dazu gebracht, dass er wieder ansässig wird und ne Weile hier bleibt. Auch wenn das blöd klingt, vielen Dank dafür, auch von meiner Frau. Hab‘ keine Schuldgefühle, manchmal klappt eine Beziehung zwischen zwei Menschen einfach nicht. Ich sag‘ ihm, dass du angerufen hast“, erkannte Dillian. Keme atmete tief durch.
„Ist noch was, Kleine?“, fragte Dillian verwundert.
„Könntest du mir die Privatnummer von Don‘ geben, ich hab‘ was mit ihm zu besprechen, was Wichtiges“, erwiderte sie herumdrucksend.
„Das würd‘ ich gern tun, aber er hat ne Geheimnummer, aus Sicherheitsgründen, die darf ich leider nicht rausgeben“, erklärte Dillian herumdrucksend.
„Klar, gut, dann sag‘ ich es dir … man ist das schwer …ich bin schwanger und er ist der Vater“, gestand sie.
„Nein, das kannst du uns nicht antun, wenn er das erfährt ist er mit dem nächsten Flieger bei dir“, murmelte Dillian leicht verärgert.
„Nein, dann sag es ihm nicht, du bist immer noch mein Arzt und hast Schweigepflicht. Erzähl es ihm, wenn er soweit ist“, bemerkte Keme etwas verstört.
„Das ist nicht fair dir gegenüber“, bemerkte Dillian besorgt.
„Er braucht sein Leben zurück, denn vielleicht kann man ihn bei seinem nächsten Medikamentenexperiment nicht mehr zurückholen. Gebt ihm bloß keine Medis mehr, okay?“, bat Keme besorgt.
„Werden wir nicht, versprochen. Wenn du irgendwas brauchst, meld‘ dich, wir helfen dir mit allem“, versprach Dillian.
„Es war ein Fehler bei dir anzurufen, sag einfach gar nichts, bye“, bemerkte sie und legte wieder auf.
Als Tokori zu ihr ins Zimmer kam, lag Keme weinend auf dem Bett.
„Keme?“, fragte Tokori verwirrt, die ihre Cousine nicht so oft so sah und setzte sich zu ihr aufs Bett.
„Er hat sich endlich wieder dazu entschlossen ansässig zu werden, da will ich ihm nicht rein pfuschen“, schniefte Keme in ihr Kissen.
„Du wolltest ihm auch nicht in sein Leben rein pfuschen, du wolltest es ihm nur sagen“, erkannte Tokori beruhigend.
„Sein Dad hält das für keine gute Idee, er würde zu mir kommen, wir sind uns einig geworden, dass er es ihm sagt, wenn er es für richtig hält“, murmelte Keme und drehte sich auf den Rücken.
„Seit wann lässt du dir von einem Mann was sagen, sag‘ mal“, bemerkte Tokori entrüstet.
„Seit er Recht hat. Es tut trotzdem so sehr weh“, erkannte Keme und Tokori wischte ihr die Tränen aus den Augen.
„Ich hab‘ dich noch nie mit Liebeskummer gesehen, man könnt‘ fast denken, du wärst auch nur ein Mensch“, schmunzelte sie.
„Hey, ich bin nur ein Mensch. Man, ich will kein Kind allein aufziehen“, murrte Keme und setzte sich auf.
„Hey, ich auch nicht, kann man halt nichts machen. Jetzt iss was, deine Mutter hat dir Frühstück gemacht“, bat Tokori und zog sie hoch.
„Ich hab‘ überhaupt keinen Hunger“, entgegnete Keme trotzig.
„Hinsetzen, Essen, du bist noch viel zu mager für ein Kind“, forderte Shania und zog ihr einen Stuhl am Tisch nach hinten, auf dem ein vollgefüllter Teller stand.
„Tokori auch“, nörgelte Keme wie eine Fünfjährige.
„Sie wird von mir auch gemästet. Und du kriegst solang was zu essen bis du nicht mehr in die 38er Lederhose reinpasst“, entschied Shania und Keme setzte sich hin.
„Das ist Folterung!“
„Willst du dein Kind vielleicht mit nem Kaiserschnitt zur Welt bringen?“
„Ich weiß erst fünf Minuten dass ich schwanger bin, keine Ahnung“, murrte Keme.
„Das war eigentlich nicht wirklich ne Frage, du wirst nur Probleme bei der Geburt haben, wenn du dünn bleibst, aber wir alle haben nach unseren Kindern nicht mehr in diese Hose reingepasst“, erklärte Shania.
„Das muntert mich jetzt überhaupt nicht auf“, konterte Keme schroff.
„Sorry, Süße, ich bin manchmal etwas ruppig. Was hat sein Dad gesagt?“, fragte Shania freundlicher und Keme brach wieder in Tränen aus.
„Was? Jetzt war ich doch nett“, verstand Shania nicht und Tokori erklärte ihr was passiert war.
„Ja, verzwickte Situation, jetzt bist du ja bei mir und alles wird wieder gut“, versprach Shania und küsste Kemes Kopf.

Fünfzehntes Kapitel


Vollkommen erschöpft kam Donnelly Damascus an diesem Abend an seinem Arbeitsplatz an. Er war von einem seiner Kollegen aus dem Hilfsprogramm von der Grenze aus mitgenommen worden.
„Danke Macy, pass‘ auf dich auf“, verabschiedete er seinen Kollegen und der fuhr mit seinem Lieferwagen weiter. Müde rieb er sich die Augen. Es war keine 24 Stunden her, dass ihn seine Freundin Knall auf Fall verlassen hatte, er wollte sich eigentlich nur noch in einer Bar besaufen, aber entschied sich dann doch zu arbeiten. Er zog seinen Angestelltenausweis aus der Tasche und zog ihn durch die Türkontrolle, die mit einem metallischen Klang aufsprang. Grelles Licht brannte in seinen verweinten Augen. Er hatte die ganze Zeit eine Sonnenbrille getragen, dass es Macy nicht auffiel. Sein Liebeskummer war heftig, er liebte diese Frau, aber sie war zu gut für ihn gewesen.
Die Augen brannten weiter als er durch den sterilen Gang des Mitarbeiterumkleideraums entlangging. Eine zweite Bewegung der Hand mit dem Ausweis öffnete seinen Schrank. Der Geruch von getrocknetem Schweiß und irgendwas Schimmelndem kam ihm entgegen.
Er zog eine Mülltüte aus einer Schublade und schmiss seinen gesamten Schrankinhalt hinein.
„Bisschen spät für Frühjahrsputz, oder?“, fragte Schwester Beth die zu ihm kam.
„Männerumkleiden, Beth“, sagte er einsilbig.
„Sorry, wollte dem Gerücht nachgehen, dass du wirklich wieder da bist. Brauchst du davon nichts mehr?“, fragte Beth besorgt über seine dunkle Stimmung.
„Nein, nicht wirklich. Stinkt eh wie die Hölle. Hast du nachher Zeit für ein Briefing?“, fragte Donnelly professionell, was Beth aufatmen ließ, die schon einen Nervenzusammenbruch ihres Bosses befürchtet hatte.
„Klar, halbe Stunde, Schwesternzimmer. Du siehst fertig aus, bist du sicher, dass du das heut noch packst?“, fragte Beth besorgt.
„Ja, ich will heut‘ Arbeiten. Ich will mich jetzt umziehen, ich seh‘ dich gleich?“, wollte er sie loswerden und sie ging wieder nachdem sie genickt hatte.
Erschöpft ging er unter die Dusche, zog sich seine Pfleger-Uniform an und ging auf seine Station.
„Ich seh‘ eine Fatamorgana, Don‘ ist wieder da“, kam ihm der Assistenzarzt Mc Gnarley entgegen.
„Ja, diesmal bleib‘ ich für länger. Und, schon jemand umgebracht, Gnarles?“, fragte Donnelly gespielt cool.
„Ja, leider schon, ist zwei Jahre her, Don‘, wir haben uns ne Weile nicht mehr gesehen. Du wirst jetzt sesshaft?“, fragte Mc Gnarley ungläubig.
„Ich versuch’s. Ich treff Beth in ner halben Stunde zum Briefing, kannst du mich auch kurz briefen, was ich verpasst habe?“, fragte Donnelly.
„Sicher, kann ich einrichten. Schön, dass du wieder da bist. Im Eisfach liegt übrigens ein Eisbeutel, leg‘ dir denn auf die Augen, Liebeskummer ist Scheiße, hab‘ grad wegen Zeitproblemen mit meiner Freundin Schluss gemacht, du siehst echt verheult aus und willst sicher keine doofen Fragen beantworten“, erkannte Mc Gnarley und ging weiter.
Donnelly ging ins Schwesterzimmer und sah sich im Spiegel an. Seine Augen waren rotgeschwollen.
„Oh man, ich seh‘ aus wie ein verheultes Schulmädchen. Eisbeutel, Eisbeutel, Eisbeutel, ach hier“, suchte er den Eisbeutel und als er ihn gefunden hatte, legte er sich aufs Sofa und den Eisbeutel aufs Gesicht.
„Na, schon wieder Pause?“, fragte Beth, die zu ihm reinkam.
„Das war keine halbe Stunde“, murmelte Donnelly unter dem Eisbeutel.
„Brauchst du noch Zeit für deine SPA-Behandlung?“, fragte Beth cool.
„Oh man, nerv‘ mich nicht“, murrte Donnelly und nahm den Eisbeutel vom Gesicht.
„Hab‘ ich doch richtig gesehen, verheulte Augen, die seh‘ ich sonst nur bei meiner Tochter. Hängt das zusammen mit dem Anruf von Keme heute Mittag?“, fragte Beth mit besorgtem Blick.
„Keme hat hier angerufen?“, fragte Donnelly und setzte sich ruckartig auf.
„Ja, wollte deinen Dad sprechen. Sie hat dich verlassen, oder?“, fragte Beth mitfühlend.
„Ist ja offensichtlich. Ich muss kurz zu ihm, pack‘ das wieder weg“, murmelte er nachdenklich, drückte ihr den Eisbeutel in die Hand und ging zu Dillians Büro. Etwas dreist ging er ohne zu klopfen hinein.
„Was wollte sie?“, fragte Donnelly seinen Stiefvater.
„Mir geht’s gut, danke, willkommen zurück“, erkannte Dillian ohne von seinem PC aufzusehen.
„Sorry, was wollte Keme?“, fragte Donnelly erschöpft.
„Ich bin ihr Arzt, das geht dich kaum was an“, erwiderte Dillian und sah seinen Stiefsohn an.
„Es war was Medizinisches?“, fragte Donnelly skeptisch.
„Da ich ein Arzt bin, wird sie mich wohl wegen was Medizinischem angerufen haben. Hast du ne Allergie?“, fragte Dillian.
„Nein, ich hab‘ geheult, ist sie wieder krank?“, fragte Donnelly besorgt.
„Kein Kommentar, Don!“
„Ist sie in Sicherheit, kannst du mir das wenigstens sagen?“, fragte Donnelly.
„Ja, sie ist in Sicherheit. Geh‘ zurück zur Arbeit, Don!“
„Irgendwas verschweigst du mir doch, Dillian“, bemerkte Donnelly kritisch.
„Geh zur Arbeit, Don!“ wiederholte Dillian und widmete sich wieder seinem Computerdisplay auf seinem Tisch.
„Ich find‘ es schon raus, glaub‘ mir“, entschied Donnelly und ging wieder nach draußen.
 
„So, bereit für die Besprechung?“, fragte Beth, als er zurück ins Schwesternzimmer kam.
„Ja, wir können. Weißt du von wo Keme angerufen hat?“, fragte Donnelly und setzte sich an den Tisch.
„Nein, die Nummer war unterdrückt. Wenn du wirklich arbeiten willst, musst du dich darauf konzentrieren“, bat Beth und Donnelly stimmte zu.
 
Die Schicht verlief schleppend und Donnelly schlief um vier Uhr morgens auf dem Sofa im Aufenthaltsraum ein. Als die Sonne schon wieder aufgegangen war, hörte er draußen zwei Menschen reden.
„Du musst mit ihm reden, ich weiß nicht, ob er arbeitstauglich ist“, bemerkte die Stimme seines Stiefvaters.
„Ich schau‘ ihn mir an, muss mich eh entschuldigen, dass ich so eine untreue Seele war“, bemerkte Gordon. Plötzlich war Donnelly hellwach. Er riss die Tür des Schwesternzimmers auf und stürzte ohne ein einziges Wort zu sagen auf Gordon und warf ihn zu Boden.
„Du Arschloch, du elender Wichser“, fluchte Donnelly und schlug auf den Psychologen ein. Sein Vater musste all seine Kraft zusammennehmen und ihn von ihm runterziehen.
„Don‘, was zum Henker machst du da?“, fragte Dillian.
„Dieser Mistkerl, ich hab‘ wegen ihm geflennt, ich hab‘ gedacht, dass er tot wäre“, erkannte Donnelly schnaubend.
„Ich bin überfallen worden und mir wurden alle Sachen samt Handy geklaut, ich war fast eine Woche unterwegs bis ich Meldung geben konnte, die haben dich aber nicht erreicht“, erklärte Gordon und wischte sich das Blut von der Lippe.
„Ich hab‘ wegen dir geflennt, Mann“, fluchte Donnelly etwas ruhiger und Dillian ließ ihn los.
„Das ist ne ganz normale emotionale Reaktion“, bemerkte Gordon ruhig.
„Fang‘ jetzt nicht bei mir diese Psychologenscheiße an“, nörgelte Donnelly.
„Nein, werde ich nicht. Können wir trotzdem in mein Büro gehen und darüber reden, bitte?“, bat Gordon und rappelte sich auf.
„Hast du Kaffee?“, fragte Donnelly.
„Den Besten im Krankenhaus, komm‘ mit“, schmunzelte Gordon und führte ihn in sein Büro.
„Man, wir haben euch fast drei Wochen gesucht, wo ist Tokori?“, fragte Donnelly und pflanzte sich aufs Sofa.
„St. Michael, sie ist in Ordnung“, versprach Gordon.
„Seit wann bist du wieder zu Hause?“, fragte Donnelly.
„10 Tage so um den Dreh, ich hätte echt alle Hebel in Bewegung gesetzt um dich zu erreichen, wenn ich gewusst hätte, dass der Kerl, der mich beklaut hat, gestorben ist, ich wollte dich echt nicht quälen“, entschuldigte sich Gordon.
„Wir sind nach Taylor gefahren und haben ziemlich schnell erfahren, dass du nicht der Tote bist, aber ich wusste nicht ob du noch lebst“, erklärte Donnelly.
„Du hast wegen mir geflennt, Don‘?“, fragte Gordon frotzelnd.
„Ich kann dir noch mehr wehtun“, drohte Donnelly.
„Du kannst mir erst mal helfen, mein Nasenbluten zu stoppen“, bemerkte Gordon und legte den Kopf in den Nacken.
„Ja, Moment. Ich hab‘ ziemlich schlechte Laune grade, tschuldige, wollt‘ dich nicht schlagen“, erklärte Donnelly, während er Gordon verarztete.
„Ja, hab‘ schon gehört, dass es hart und heftig mit Keme war“, bemerkte Gordon.
„Sie hat mich verlassen, Ende der Geschichte. Du musst es ausbluten lassen, tut mir leid, ich bring‘ dir ne Bandage“, erkannte Donnelly und wollte wieder rausgehen.
„Unsere Sitzung ist noch nicht fertig“, entschied Gordon.
„Keinen Psychologenkram, hab‘ ich doch gesagt!“
„Dein Dad schickt dich auf unbekannte Zeit heim wenn du nicht mit mir redest“, erklärte Gordon.
„45 Minuten, aber wenn du mich wieder zum Heulen bringst, bist du so was von dran“, grummelte Donnelly und legte sich wieder auf die Couch.
„Meine Nase blutet immer noch“, warf Gordon ein.
„Ach, nimm‘ ein Taschentuch, Sissy“, entgegnete Donnely schroff.
„Eine Lederhose macht dich nicht zu einem starken Kerl, Don‘“, kommentierte Gordon cool.
„Jetzt fang‘ schon an, Gord‘“, bat Donnelly müde und die Sitzung begann.
 
Eine Stunde später hatte sich Gordon ein Bild vom Zustand seines Kumpels gemacht. Als Donnelly auf seinem Sofa eingepennt war, ging er zu Dillian.
„Gordon, hey, hat dich ganz schön erwischt mein Sohn, alles klar bei dir?“, fragte Dillian, als er ihn in sein Büro ließ.
„Dein Sohn ist Gott sei Dank kein Schläger, ist nichts Schlimmeres passiert. Ich hab‘ die Sitzung mit ihm jetzt beendet“, erkannte Gordon und kam rein.
„Danke dass du dir die Zeit genommen hast. Also, wie geht’s ihm?“, fragte Dillian und Gordon setzte sich hin.
„Er bräuchte ein anständiges Besäufnis und ein paar Stunden Schlaf, aber er leidet nur unter der Trennung von Keme, mehr nicht, ich denke nicht, dass das seine Arbeit beeinträchtigt“, erklärte Gordon.
„Ist das deine professionelle Meinung oder deine Meinung als Freund?“, bemerkte Dillian kritisch.
„Doktor D, ich bin ein Profi, das ist meine professionelle Meinung“, bemerkte Gordon brüskiert.
„Gut, dann freut es mich, hast du heut‘ Zeit mit ihm was trinken zu gehen?“, fragte Dillian.
„Therapeutisches Besäufnis?“, fragte Gordon schmunzelnd.
„So in etwa, also?“, fragte er hoffend.
„Ich hab‘ um sechs Uhr Schluss, dann werde ich ihn abfüllen, rein therapeutisch natürlich“, versprach Gordon und stand wieder auf.
„Danke, ich muss dir noch was erzählen, von Arzt zu Arzt, also darfst du es nicht weitererzählen“, bemerkte Dillian herumdrucksend.
„Klar, ich bin auch für deine psychologischen Probleme zuständig. Was gibt’s?“, fragte Gordon freundlich.
„Donnelly hat dir sicher gesagt, dass Keme gestern bei mir angerufen hat“, begann er.
„Ja, er ist der Meinung, dass du ihm was verschweigst“, erkannte Gordon amüsiert.
„Tu ich auch“, gestand Dillian.
„Was ist mit Keme, ist sie krank?“, fragte Gordon plötzlich ernst.
„Ja, so in etwa“, bemerkte Dillian herumdrucksend.
„Ihr Heb B ist doch nicht zurückgekehrt, oder?“, fragte Gordon besorgt.
„Nein, sie ist gesund …. sie ist schwanger“, gestand Dillian stockend.
„Von ihm?“
„Da die beiden sich grade getrennt haben mit großer Wahrscheinlichkeit von ihm“, entschied Dillian.
„Warum weiß er davon nichts?“, fragte Gordon kritisch.
„Du weißt, was passiert, wenn er es erfährt“, bemerkte Dillian trocken.
„Er sollte es wissen, es ist sein Kind“, entschied Gordon.
„Er hat sich endlich entschieden wieder nach Hause zu kommen und zu bleiben, er darf es nicht erfahren, niemals“, forderte Dillian.
„Warum erzählst mir es dann?“, fragte Gordons schroff.
„Weil ich ein Magengeschwür bekomme, wenn ich es keinem sagen kann“, entschied Dillian.
„Klasse, musstest du dir unbedingt mich als Therapeuten aussuchen?“, bemerkte Gordon schroff.
„Du bist mein Therapeut, Gord‘“, konterte er.
„Ach ja, richtig. Man, Don und ich sind seit 10 Jahren beste Freunde, wie soll ich ihm das verheimlichen?“, fragte Gordon verwirrt.
„Tu’s einfach, bitte“, bat Dillian.
„Ja, okay, man du verlangst ziemlich viel von mir“, gab er nach.
„Ich verlange so viel wie ich von einem Therapeuten verlangen kann“, entschied er.
„Ja, richtig, sorry, ich muss jetzt zurückgehen und ihn wecken, sag‘ Judith sie soll mal nach ihm schauen heute Nachmittag“, bat Gordon und ging zur Tür.
„Du sagtest doch, er ist in Ordnung“, wunderte sich Dillian.
„Er ist in Ordnung, er kann nur mit mir nicht richtig über seine Gefühle sprechen, dass kann Judith sicher besser“, erkannte er.
„Klar, kann ich machen. Auch kein Wort zu Jud‘, versprich‘ mir das“, bat Dillian.
„Kein Wort zu keinem hab’s kapiert. Ach übrigens, denk‘ nicht, dass das deine alljährliche Sitzung bei mir war, ich seh‘ dich in 5 Wochen in meinem Büro wie jeden anderen“, erkannte Gordon und verschwand wieder.

Sechzehntes Kapitel


Donnelly atmete tief durch. Er stand vor seiner eigenen Haustür und traute sich nicht reinzugehen. Er war das letzte Mal mit ihr in dieser Wohnung gewesen, hatte sie das erste Mal auf diesem Bett geküsst. Er drehte den Schlüssel im Schloss herum und stieß die Tür auf.
Ein muffiger Geruch kam ihm entgegen. Seine Wohnung wirkte wie ein Mausoleum, als würden die Leichen von vergangenen Tagen dort vermodern.
Er öffnete die Fenster und ließ die frische Herbstluft hinein. Nachdenklich setzte er sich aufs Bett. Der Staub wurde nach oben gewirbelt.
„Ich muss dringend putzen“, dachte er laut nach und stand wieder auf. Bis er seine ganze Wohnung geputzt hatte, vergingen ein paar Stunden und so lag er danach erschöpft mit geschlossenen Augen auf seinem frisch bezogenen Bett. Als er grad‘ am Eindösen war, klingelte es an der Tür.
„Na klasse, Besuch“, murmelte er und stand auf. Vor der Tür stand seine Mutter, die ihn wortlos umarmte
„Gordon macht sich viel zu viele Sorgen“, erkannte Donnelly.
„Gordon ist dein Freund, er darf sich Sorgen machen. Hast du aufgeräumt?“, fragte Judith, als sie eintrat.
„Ja, musste mal sein. Was machst du hier?“, fragte er müde.
„Ich hab‘ dich einen Monat nicht mehr gesehen, wollt‘ nur sehen wie’s dir geht“, erkannte Judith.
„Gut, soweit. Ich wollt‘ grad was kochen, isst du mit?“, fragte Donnelly und ging in die Küche.
„Klar, ich mag‘ dein Essen immer. Willst du darüber reden, was mit Keme und dir passiert ist?“, fragte seine Mutter mitfühlend.
„Eigentlich nicht!“
„Sie ist eine tolle Frau!“
„Ja, das ist sie. Sie hat mich verlassen, jetzt bin ich hier, Ende der Geschichte“, erwiderte er
„Gut, du willst nicht darüber reden, verstanden. Weißt du, was mit deinem Dad los ist, seit gestern ist er irgendwie komisch“, bemerkte Judith und setzte sich an den Küchentisch.
„Er hat irgendwas von Keme erfahren, was er mir nicht sagen will, auch wenn ich grad‘ verdammt stinkig auf sie bin, hoffe ich, ihr geht’s gut, wo auch immer sie ist“, dachte er laut nach.
„Ihr geht es sicher gut, tut mir echt Leid für dich. Also, was kochst du?“, fragte sie und er öffnete den Kühlschrank. Darin gab es nur eine Ketschup- und eine Wasserflasche.
„Ich bestell‘ uns Pizza“, bemerkte er trocken und griff zum Telefon.
 
Zur gleichen Zeit hing seine Ex-Freundin das dritte Mal an diesem Tag über der Kloschüssel.
„So schlecht kocht deine Mutter doch gar nicht“, frotzelte Tokori, die im Türrahmen stand.
„Du könntest dich nützlich machen und ihr was zum Trinken bringen“, entgegnete Shania, die sich an ihr vorbeidrückte und Keme einen feuchten Waschlappen in den Nacken drückte.
„Also so heftig musste ich mich nie übergeben“, entschied Tokori.
„Ich hab‘ Angst, Mum“, bemerkte Keme erschöpft.
„Das Übergeben ist ein gutes Zeichen, dass bedeutet dass das Kind gesund ist, du musst keine Angst haben. Diese Situation erinnert mich an euer erstes Saufgelage mit diesem billigen Whiskey, da standen wir auch zu dritt in einem Badezimmer, weißt du noch?“, fragte Shania ablenkend.
„Du hast uns so lieb behandelt, obwohl wir so biestig zu dir gewesen sind an diesem Abend“, bemerkte Tokori nachdenklich.
„Ihr wart 15, das hab‘ ich schon verstanden. Du hast damals so geflennt, du dachtest Keme würde draufgehen“, schmunzelte Shania und half Keme auf.
„Ich hab‘ in dieser Nacht gewünscht ich würde draufgehen. Okay, jetzt geht es mir besser, wir können zurück ins Wohnzimmer“, bemerkte Keme erschöpft und Shania führte sie zurück aufs Sofa.
„Ich wünschte, er wäre jetzt bei mir, er könnte mir irgendwas spritzen, dass es mir besser geht“, erkannte Keme und legte sich aufs Sofa.
„Er hätte dir auch nichts spritzen können, das musst du aussitzen. Aber es wäre schon schön, wenn er bei dir wäre“, entschied Shania und legte ihr einen nassen Waschlappen auf die Stirn.
„Es ist nicht fair, dass er plötzlich entschieden hat, sein Leben wieder in normalen Bahnen laufen zu lassen“, erwiderte Keme erschöpft.
„Du hast ihn vermutlich dazu gebracht, wie blöd das auch klingt. Er wird es ihm erzählen, wenn er denkt, dass er dazu bereit ist. Ich kann es schon verstehen, dass seine Familie ihn zu Hause haben will, ich hab‘ mir jeden Tag gewünscht, dass du zu mir kommst und wir wieder eine Familie werden können, nachdem dein Vater gestorben ist. Okay, ich bin abgehauen, das ist ein blödes Beispiel. Hab‘ ich dir schon gesagt, dass ich froh bin, dass du bei mir bist?“, fragte Shania herumdrucksend.
„Ja, ne halbe Milliarde mal. Aber danke, ich find‘ es auch schön. Ich bin froh, dass du hier bist, während ich das hier durchmache. Es ist seltsam, vor zehn Jahren dachte ich dass ich jetzt verheiratet bin und Kinder habe, na ja, das war bevor ich Kopfgeldjägerin wurde, danach war ich froh, eine Woche überlebt zu haben“, entschied Keme nachdenklich.
„Ich hab‘ nie gewusst, dass dich die Kopfgeldjagd so geängstigt hat“, bemerkte Shania erschreckt.
„Ich hab‘ mich mit 18 dafür entschieden, ein bisschen Angst ist immer gut, aber das hat meine Arbeit nie beeinflusst. Die letzten zehn Jahre waren trotzdem die Besten meines Lebens, doch jetzt wird es Zeit das Kapitel zuzuklappen und mit einem neuen Kapitel anzufangen“, erwiderte sie, während sie eindöste.
„Ja, das mein‘ ich auch, schlaf‘ meine Süße, ruh‘ dich aus“, erkannte Shania und strich über Kemes Kopf, bis sie eingeschlafen war.
„Kommst du mit mir mal raus, bitte?“, bat Tokori ihre Tante und beide gingen nach draußen.
„Wen kannst du von hier für ein paar Tage entbehren?“, fragte Tokori ernst.
„Das können wir nicht machen, sein Vater möchte das nicht“, bemerkte Shania flüsternd.
„Du siehst sie doch, das ist nicht unsere Keme, das ist ein Schatten von Keme bestenfalls“, erwiderte Tokori besorgt.
„Das wird sein Vater uns nie verzeihen“, erkannte Shania.
„Die beiden gehören zusammen. Ich werde nie mein Happy-End bekommen, sie hat eins verdient“, erklärte Tokori.
„Du kennst ihn nicht, du weißt nicht, ob er einfach zu ihr kommen und alles hinter sich lassen würde“, bemerkte Shania.
„Deshalb machen wir das auch hinter ihrem Rücken, denn wenn er es erfährt und kneift, erfährt sie davon nichts“, schlussfolgerte Tokori.
„Was ist wenn er sie anruft?“, fragte Shania skeptisch.
„Er weißt nicht, wo sie ist, wir werden seinen Vater auch außen vor lassen, wir lassen den Boten einfach ausrichten, dass sie schwanger ist und dass ich ihn geschickt habe, um es ihm zu sagen“, konterte Tokori.
„Das könnte funktionieren, du müsstest aber darauf gefasst sein, dass sie sauer auf dich sein wird“, bemerkte Shania.
„Das nehm‘ ich in Kauf. Also, hast du einen?“, fragte Tokori.
„Ja, hab‘ ich, ich schick‘ morgen früh einen los, man solch‘ einen Plan hätte ich nicht von dir erwartet“, erkannte Shania überrascht.
„Hey, auch wenn ich nur das dumme Helferlein war, kann ich auch Pläne austüfteln“, bemerkte Tokori entrüstet.
„Du warst kein dummes Helferlein, du hast dich nur nie richtig durchgesetzt. Du weißt, dass du sie dadurch auch für immer verlieren könntest, oder?“, fragte Shania.
„Sie wird nicht weggehen, der Auserwählte und der Führer müssen zusammenbleiben“, entschied Tokori und legte ihre Hand auf ihren Bauch.
„Es ist mir immer noch unbegreiflich, warum Keme so sehr nach den Regeln ihrer Ahnen lebt“, erkannte Shania kopfschüttelnd.
„Hey, wir sind nur noch eine Handvoll Costanos in den USA, da ist das sehr wichtig, sie hätte mich auch nie gefunden, wenn sie ihre Vision ignoriert hätte“, entschied Tokori.
„Das stimmt, ihr Dad wäre auch sehr stolz auf sie. Apropos Dad, weiß Larry von seiner Beförderung zum Großvater?“, fragte Shania, Tokori.
„Oh Gott nein, sie sind in Europa, das soll auch so bleiben“, entschied Tokori.
„Sie werden nicht den nächsten Flug nach Vancouver nehmen, sie sollten es einfach wissen“, bemerkte Shania ernst.
„Darf ich dein Büro benutzen?“, fragte Tokori nachgebend.
„Klar, Süße, ich werde euch eine Hütte suchen, wo ihr Leben könnt, jetzt wo Keme schwanger ist, kann sie nicht auf dem Sofa schlafen, vor allem nicht wenn ihr dauernd so übel ist“, entschied Shania und zog davon. Tokori ging rein und rief ihre Eltern an. Sie waren verständlicherweise nicht begeistert davon, aber sie versprachen ihr bei allem zu helfen. Zufrieden ging Tokori wieder nach draußen und setzte sich auf den Sessel neben ihrer schlafenden Cousine.
 
In Kanada schloss Gordon mit dem Ersatzschlüssel von Donnelly dessen Wohnung auf. Er hatte mindestens ein Dutzend Mal bei seinem Kollegen und Patienten angerufen und wollte jetzt selbst nachsehen. Er ging am Anrufbeantworter entlang, der immer noch blinkte.
„Don‘?“, fragte er in den Raum. Er bekam keine Antwort.
„Oh man Junge, wo steckst du?“, fragte Gordon kopfschüttelnd. Plötzlich hörte er ein Klirren aus dem Badezimmer.
„Don‘?“, fragte er erneut und ging vorsichtig ins Badezimmer. Donnelly saß in seiner Badewanne und trank ein Bier nach dem anderen.
„Klasse, da fängst du die Party ohne mich an. Wo ist deine Mutter?“, fragte Gordon und nahm Donnelly die Flasche Bier aus der Hand.
„Ich hab‘ so getan als ob ich schlafen würde, da ist sie verschwunden“, murmelte Donnelly betrunken.
„Deine Mutter lässt sich immer noch so gut verarschen wie früher. Du musst in 4 Stunden wieder arbeiten, ich leg‘ dir einen Vitamintropf, dass du nüchtern wirst“, bemerkte Gordon ruhig.
„Du weißt gar nicht, wie das geht“, entschied Donnelly schroff.
„Ich hab‘ dir drei Milliarden Mal zugesehen, wie du das gemacht hast, das krieg‘ ich schon hin“, bemerkte Gordon und zog ihn aus der Wanne.
„Warum bist du überhaupt hier?“, fragte Donnelly und Gordon schleppte ihn aufs Bett.
„Da du anscheinend nicht die Fähigkeit besitzt ein Telefon zu benutzen, wollte ich nach dir sehen. Wo ist deine Erste Hilfe Tasche?“, fragte Gordon und sah umher.
„Liegt an der Tür. Wehe, ich krieg‘ von dir einen blauen Arm verpasst“, murmelte Donnelly einschlummernd.
„Nörgel‘ nicht, sonst kriegst du noch ein blaues Auge“, entgegnete Gordon und legte ihm einen Tropf an. Donnelly pennte dabei ein.
„Schlaf‘ schön, Schnarchnase, ich hoff‘ du bist fit, bis zum Dienst. Keine Sorge, ich bleib‘ bei dir“, erkannte Gordon, setzte sich neben ihn aufs Bett und machte den Fernseher an.
Während einer langweiligen Talkshow wachte Donnelly grummelnd auf.
„Morgen, Prinzessin“, entgegnete Gordon und Donnelly rutschte ruckartig aus seinem Bett und knallte auf den Boden.
„Verdammt“, fluchte er vom Boden aus.
„Was machst du auch?“, fragte Gordon schmunzelnd.
„Gord‘, was machst du in meinem Bett?“, fragte Donnelly und rappelte sich auf.
„Doktor spielen“, bemerkte Gordon grinsend.
„Was?“
„Ich hab‘ dir nen Vitamintropf gelegt, dass du wieder nüchtern wirst, du musst in zwei Stunden wieder arbeiten“, erkannte Gordon und Donnelly krabbelte wieder aufs Bett.
„Ja, muss ich wohl. Wie bist du hier reingekommen?“, fragte Donnelly, der langsam wieder wach wurde.
„Ein Notfallschlüssel ist eine echt praktische Sache. Wie geht’s dir?“, fragte Gordon besorgt.
„Geht, danke, die Infusion hat gewirkt. Man, mein Arm tut weh“, erkannte Donnelly und rieb seinen etwas blauen Arm.
„Du hattest Recht, ich kann das nicht so gut, sorry, bitte schlag‘ mich nicht“, bat Gordon.
„Ich schlag‘ dich nicht, wie kommst du denn darauf?“, fragte Donnelly verwundert.
„Die Schläge hast du mir vorhin angedroht, bevor du bewusstlos wurdest“, erkannte Gordon.
„Ich bin eklig, wenn ich trinke, entschuldige. Ich war einkaufen vorhin, ich hatte eigentlich gar nicht geplant mich zu besaufen, aber nach zwei Bier war ich so betrübt, dass ich einfach weiter getrunken habe. Ich bin noch nie so verliebt gewesen, es war so idiotisch mich so emotional an sie zu binden, aber du hast sie gesehen, sie ist die schönste Frau, die ich jemals getroffen habe. Die letzten drei Wochen waren die schönsten in meinem Leben“, bemerkte Donnelly traurig.
„Du dachtest doch, ich wäre tot, das nehm‘ ich dir jetzt krumm“, bemerkte Gordon gespielt beleidigt.
„Ohne sie hätte ich das nicht überstanden, ich hab‘ nen fremden Leichnam angeschaut und bin dabei umgekippt“, erkannte Donnelly.
„Sissy“, schmunzelte Gordon und Donnelly sah ihn böse an.
„Hast du meine Unterlagen eigentlich mitgebracht?“, fragte Gordon plötzlich.
„Die hat Keme in ihrem Bike, sorry“, erklärte Donnelly.
„Was denkst du, wo sie ist?“, fragte Gordon.
„Ich Sicherheit, denk‘ ich mal, vermutlich bei ihrer Mutter oder bei ihren Großeltern, sie hat vermutlich Tokori gefunden und hilft ihr jetzt durch ihre Schwangerschaft. Ich bin nicht sauer, dass sie sich für Tokori entschieden hat, sie sind Seelenverwandte, Führer und Auserwählte, sie gehören Seite an Seite“, entschied Donnelly.
„Du bist noch nicht ganz nüchtern, oder?“, fragte Gordon verwundert.
„Nicht so ganz, aber ich meins ernst, ich hab‘ sie verloren, aber für die gute Sache“, murmelte Donnelly während er wieder einschlummerte.
Gordon rutschte vom Bett, ging nach draußen und griff nach dem Handy.
„Das kann ich nicht mehr machen“, bemerkte Gordon zu Dillian, den er angerufen hatte.
„Du hast die gleiche schlechte Angewohnheit wie Don gleich auf den Punkt zu kommen“, entschied Dillian.
„Sorry, hey, wie geht’s dir?“, fragte Gordon höflich.
„Gut, danke, also was kannst du nicht mehr machen?“, fragte Dillian.
„Du weißt was ich meine, ich lüge ihn nicht mehr an“, entschied Gordon ernst.
„Ich werde dich beim Chef des Krankenhauses anschwärzen, wenn du ihm nur einen Hinweis gibst“, drohte Dillian ihm.
„Das kannst du nicht machen“, murrte Gordon.
„Ich kann und ich werde. Geh‘ mit ihm was trinken, der wird schon wieder“, bemerkte Dillian ernst.
„Er hat schon genug getrunken für heute, er wird nachher bei der Arbeit aufschlagen, er braucht ne Ablenkung, lass‘ ihn arbeiten“, bemerkte Gordon.
„Er kommt besoffen zum Dienst?“, fragte Dillian kritisch.
„Ich hab‘ ihm nen Vitamintropf gelegt, er wird wieder fit sein bis zum Dienst. Ich geh‘ jetzt heim, wenn ich ihm nichts sagen kann, bleib‘ ich lieber fern von ihm“, entschied Gordon und legte wieder auf.
Als er zu Hause angekommen war, warf er sich erschöpft auf seinen alten Lehnsessel. Er hatte sich immer für eine starke Persönlichkeit gehalten, aber diese Lüge macht ihn fertig. Als er grade erschöpft auf dem Sessel eingedöst war, klingelte sein Telefon.
„Gordon Lesley“, murmelte er in sein Headset was noch an seinem Ohr hing.
Eine Frau beschimpfte ihn mit echt heftigen spanischen Schimpfwörtern.
„Auf Deutsch bitte, no hablo espaÑol“, erkannte Gordon und rieb seine Augen.
„Ich fluche besser in Spanisch“, hörte sie Kemes Stimme und er wurde plötzlich hellwach.
„Keme?“, fragte er überrascht.
„Überrascht dass ich ins Jenseits anrufen kann?“, fragte sie kritisch.
„Es tut mir echt leid, ich wurde beraubt. Du hast also meine Unterlagen ausgepackt“, entschied Gordon ruhig.
„Ja, sieht so aus. Also er weiß, dass du noch lebst und hat dich noch nicht umgebracht?“, fragte Keme ruhiger.
„Er hat’s versucht, dein Freund ist aber ein schwächlicher Typ wie du weißt, hab‘ nur ne geprellte Nase. Bist du in Sicherheit?“, fragte Gordon freundlich.
„Ja, bin ich. Was du für meine Cousine gemacht hast, war wirklich nett, aber mach‘ das nie wieder“, erkannte sie dankbar, aber ernst.
„Geht es ihnen gut, ich meine dem Baby und ihr?“, fragte Gordon fürsorglich.
„Ja, uns geht’s gut, danke“, erkannte Keme.
„Euch auch?“, fragte Gordon mysteriös.
„Man, er hat es dir gesagt, oder?“, fragte Keme gereizt.
„Ich bin sein Therapeut, irgendjemand musste er es ja sagen. Don weiß es nicht“, erkannte er kurz.
„Gut, du wirst es ihm auch nicht sagen, oder?“, fragte Keme nervös.
„Ich verlier‘ meinen Job, wenn ich es tue, keine Sorge, von mir erfährt er nichts. Ihm geht es miserabel, falls du das wissen wolltest“, erklärte Gordon.
„Nein, das wollte ich nicht wissen, passt du auf ihn auf?“, fragte Keme besorgt.
„Ja, mach‘ ich doch immer. Er hat mir grad‘ gebeichtet, dass die letzten drei Wochen die schönsten in seinem Leben waren“, erklärte Gordon.
„Ich vermisse ihn höllisch“, gestand sie.
„Er vermisst dich auch. Das ist echt nicht fair“, erkannte Gordon.
„Wem sagst du das. Wird er das überstehen?“, fragte sie hoffend.
„Das weiß ich nicht, ich hoffe es. Ich werde solang mit ihm reden, bis er es überwunden hat. Hast du auch jemanden bei dir, mit dem du reden kannst?“, fragte Gordon.
„Wir haben hier gute Therapeuten“, versprach sie.
„Du bist in Nome, oder? Man muss kein Genie sein, um das herauszufinden“, erklärte er.
„Ja, wirklich nicht, solang er nicht weiß, dass ich schwanger bin, wird er mich hier nicht vermuten. Ich muss jetzt wieder Schluss machen, ich hab‘ hier was zu tun, kannst du mir schnell deine Adresse geben, dann schick ich dir deine ganzen Unterlagen“, bat sie, er gab sie ihr und legte wieder auf.
„Man, die brauchen nen Hobby“, murmelte Gordon und stand auf.
 
In Alaska saß Keme gerade nachdenklich auf dem Sofa der kleinen Hütte, die ihre Mutter für die zwei Frauen gefunden hatte. Dies sollte nun ihr zu Hause sein, dort sollten sie ihre Kinder aufziehen.
„Es ist nicht gut, dass du mit ihm telefonierst, er ist sein bester Freund“, erkannte Tokori, die in der kleinen Küchenzeile Sandwichs für sie machte.
„Ich schick‘ ihm nur seine Unterlagen, dass das ein für alle Mal ein Ende hat. Das ist also jetzt unser zu Hause, besser als das Zelt, was?“, fragte Keme und stand auf.
„Eindeutig besser, ja. Geht’s dir jetzt besser?“, fragte Tokori.
„Ja, Gott sei Dank, vielleicht hatte ich auch nur nen Virus. Ihm geht’s dreckig und das ist meine Schuld“, bemerkte Keme nachdenklich.
„Dir geht’s auch dreckig wegen ihm. Warum habt ihr eigentlich nicht verhütet, mir hast du Vorwürfe gemacht, dass ich so unvorsichtig war“, entgegnete Tokori.
„Der Rausch der Leidenschaft, keine Ahnung, jeder macht mal Fehler. Wenn ich noch Heb B gehabt hätte, hätte ich das natürlich nicht gemacht, ach was weiß ich“, erklärte Keme und setzte sich an den Tisch.
„Du warst verliebt und naiv, das bist du nicht häufig. Wie auch immer, jetzt sind wir hier und warten auf unsere Ehemänner“, entschied Tokori.
„Ich hoff‘, du machst einen Witz“, erkannte Keme entsetzt.
„Wir sind hierhergekommen, jetzt müssen wir heiraten“, erkannte Tokori ernst.
„Nein, ich will nicht heiraten, vor allem niemanden den ich nicht kenne, nicht liebe“, erwiderte Keme unruhig.
„Du bist echt leicht zu verarschen“, bemerkte Tokori mit einem breiten Grinsen.
„Glaubst du ich wäre jetzt in der Stimmung für so dumme Witze?“, fragte Keme schroff.
„Wir müssen uns aber bedeckt halten, wir werden die einzigen Frauen hier sein, die dann Single sind“, erklärte Tokori.
„Man, ich würd‘ dich ja würgen, wenn ich mich nicht schon wieder übergeben müsste … entschuldige mich“, erkannte sie und rannte ins Badezimmer.
„Du musst wirklich einen Virus haben, so oft übergibt sich keine Schwangere“, bemerkte Tokori und folgte ihr ins Badezimmer.
„Ich geh‘ morgen noch mal zur Ärztin. Okay, das war ein kurzes Vergnügen. Ich geh‘ glaub‘ ich mal ins Bett, ich bin fertig“, entschied sie, als die Übelkeit aufhörte und schlurfte in ihr Zimmer. Ihr Zimmer hatte genauso ein schönes Holzbett wie bei ihren Großeltern und ein Computer stand auch in ihrem Zimmer.
Ihre wenigen Habseligkeiten lagen auf dem Bett verteilt. Nachdenklich hob sie das Grateful Dead T-Shirt auf und hängte es in ihren Kleiderschrank. Sie hatte wenige Kleidungsstücke aus dem Feuer retten können, die meisten die sie mit sich rumtrug waren von ihrer Mutter.
Das waren alles so enge Kleidungsstücke, sie musste sich Schwangerschaftsklamotten besorgen.
„Ich bekomm‘ ein Baby“, realisierte sie plötzlich und legte die Hand auf ihren Bauch.
Sie zog ihre Hose und ihr Shirt aus und schlüpfte in ein Unterhemd. Sie war seit ihrer Behandlung zwei Wochen zuvor immer noch den ganzen Tag müde. Sie kroch ins Bett und schloss die Augen. Immer wenn sie das tat, sah sie ihn, wie konnte sie sich nur so verlieben? Ein Klopfen riss sie aus ihren Gedanken.
„Darf ich reinkommen?“, fragte Tokori vorsichtig.
„Klar, da musst du nicht fragen“, entschied sie und Tokori kam rein.
„Ich stell‘ dir das Sandwich auf den Schreibtisch, falls du heut‘ Nacht Hunger kriegst. Ich kann die Ärztin auch kommen lassen, so spät ist es ja noch nicht“, bemerkte Tokori und stellte den Teller ab.
„Geht schon, danke. Wann hast du denn aufgehört Kais Gesicht zu sehen, wenn du die Augen zugemacht hast?“, fragte Keme.
„Was meinst du mit aufhören?“, fragte Tokori und setzte sich zu ihr aufs Bett.
„Du meinst, das hört nie auf?“, fragte Keme verwirrt.
„Eigentlich nicht, das Bild wird nur schwächer. Keine Sorge, ich werde immer für dich da sein, du kannst mich auch wecken, wenn du nen Albtraum hast“, versprach Tokori, küsste Kemes Stirn und stand wieder auf.
„Danke, das werde ich mir merken. Jetzt geh‘ du auch schlafen, der nächste Führer unseres Stammes braucht Ruhe“, erwiderte Keme.
„Ja, braucht er und ich auch. Schlaf‘ gut, Süße“, entschied Tokori und verschwand wieder. Keme schloss die Augen erneut. Ihr gingen Gordons Worte durch den Kopf dass Donnelly unter der Trennung schwer litt. Sie döste leicht ein und träumte. Ihr Traum wurde erneut von einem Wolf besucht. Dieser berichtete ihr etwas sehr interessantes.

Siebzehntes Kapitel


Später am nächsten Tag klopfte es an der Tür der Hütte, in dem die Frauen wohnten. Tokori öffnete dem Besucher. Es war Shania.
„Hey Tante, was gibt’s?“, fragte Tokori freundlich.
„Ist Keme da?“, fragte Shania geheimnisvoll.
„Nein, sie wollte noch mal zur Ärztin wegen ihrer Übelkeit, wieso?“, fragte Tokori verwundert.
„Unser Mann ist verschollen“, bemerkte Shania geheimnisvoll und Tokori sah sie verwundert an.
„Der Kerl, der zu Donnelly fahren sollte, seine Frau hat keinen blassen Schimmer, wo er abgeblieben ist“, erklärte Shania.
„Ich hab‘ da so ne Ahnung“, bemerkte Tokori und ging mit Shania zu ihrem Parkplatz im hinteren Teil der Hütte. Als sie das Garagentor aufmachte, fand sie den vermissten Fahrer nur in Shorts bekleidet gefesselt an einen Holzstuhl in die Sonne blinzelnd.
„Sie ist noch die Alte, wir machen uns ganz umsonst Sorgen“, erkannte Shania und machte den Mann los.
„Hast du es ihr verraten?“, fragte Shania kritisch, aber Tokori schüttelte den Kopf.
„Ratet mal, wer als erstes seit 4 Generationen eine Sehende des Stamms ist“, bemerkte Keme cool, die neben ihnen auftauchte und sie erschreckte.
„Man, du bist doch schon die Auserwählte, das Schicksal hat einen echt fiesen Humor“, entschied Tokori und drehte sich zu ihr um.
„Ist für mich auch nicht lustig, alles zu wissen. Versucht das bitte nicht noch mal, ich krieg‘ das mit“, erwiderte Keme und verschwand wieder.
„Ich bring‘ ihn zu seiner Frau, red‘ du mit ihr“, bat Shania und Tokori nickte.
„Keme, warte auf mich“, rief Tokori ihrer Cousine hinterher und sie blieb stehen.
„Ich kann nicht glauben, dass du das getan hast, du weißt genau, dass ich das nicht will“, bemerkte Keme verärgert.
„Ich will, dass du glücklich bist, ich hab‘ meinen Mann verloren, deiner lebt noch“, erklärte Tokori.
„Er hat sein eigenes Leben, ich war so dumm nicht zu verhüten, dass muss er nicht ausbaden“, entschied sie.
„Du warst nicht dumm, nur unvorsichtig, er ist auch genauso Schuld dran. Er sollte es wissen“, bemerkte Tokori.
„Nein, muss er nicht. Wenn du mich jetzt entschuldigst, durch diese kleine Aktion komm‘ ich zu spät zum Arzt“, entgegnete Keme und ging zur Hütte der Ärztin.
„Ihm geht’s gut, sie hat ihm nicht wehgetan, nur blamiert. Er will das jetzt nicht mehr tun. Ich denk‘ auch nicht, dass wir nochmal die Möglichkeit dazu haben“, erkannte Shania, als sie zu Tokori zurückkam, die nachdenklich auf der Terrasse ihrer Hütte saß.
„Warum wird sie jetzt zu einer Sehenden? Ich meine, sie ist fast 30, das bekommt man doch nicht einfach so“, dachte Tokori laut nach und Shania setzte sich zu ihr.
„Vielleicht ist es nicht sie, vielleicht ist es das Baby“, bemerkte Shania.
„Das Baby ist nicht größer als eine Kaulquappe, wie soll das bitte das Baby sein?“
„Mir fällte eine Geschichte ein, die mir meine Schwiegermutter mal erzählt hat. Als sie ganz kurz mit deinem Onkel schwanger wurde, wurde sie ohnmächtig durch eine Mehlallergie, obwohl sie nicht allergisch dagegen war. Es stellte sich heraus, dass es Harvey war, der allergisch war. Vielleicht ist es bei ihr genauso“, schlussfolgerte Shania.
„Eine Allergie ist eine plausible Erklärung für eine Ohnmacht, eine Vision nicht“, entschied Tokori.
„Du kleiner Eifersuchtsbolzen“, frotzelte Shania.
„Sie ist doch schon die Auserwählte, das ist nicht fair“, grummelte Tokori und lehnte sich zurück.
„Du bist die Führerin eures Stammes, das ist auch ein wahnsinnig wichtiger Job“, bemerkte Shania beruhigend.
„Wir sind vielleicht noch 10 Personen unseres Stammes, meine Aufgabe ist eher eine Legende als ein wirklicher Job. Bei Keme war es eigentlich genauso, aber jetzt hat sie diese coolen Visionen“, entschied sie.
„Sie hält sie sicher für nicht so cool, bei ihrer letzten Vision hatte sie gerade Sex“, bemerkte Shania schmunzelnd.
„Wir tut Donnelly eher leid“, erkannte Tokori grinsend.
„Wir müssen dem Schicksal einfach ihren Lauf lassen, wenn sie sich wieder sehen, gut, wenn nicht, ist das ihr Problem“, bemerkte Tokori beschließend.
„Gut, dass du das einsiehst. Habt ihr schon was gegessen, sonst koch‘ ich was für euch“, schlug Shania vor.
„Wir nehmen die Einladung gern an, dann bringst du Keme dazu was zu essen, sie isst schon seit gestern nichts mehr“, erwiderte Tokori.
„Dir war auch die letzten Wochen übel, da hattest du auch keine Lust was zu essen. Ich mach‘ Suppe, das kriegt sie sicher runter. Ich werde mal zur Ärztin gehen, vielleicht braucht Keme meine moralische Unterstützung“, bemerkte Shania und stand wieder auf.
Keme lag noch auf dem Untersuchungstisch, als ihre Mutter eintrat.
„Mum, was machst du hier?“, fragte sie überrascht.
„Hey, ich wollt‘ nur wissen, wie es dir geht“, bemerkte Shania freundlich.
„Ich kotz‘ mir regelmäßig die Seele aus dem Leib weil ich schwanger bin, was denkst du?“, fragte sie grummelnd.
„Ich hab‘ auch im Badezimmer gewohnt, als ich mit dir schwanger war“, erkannte Shania mitfühlend.
„Das beruhigt mich überhaupt nicht grade“, erkannte Keme.
„Keine Sorge, die Medizin hat in den letzten dreißig Jahren einen großen Vorsprung gemacht, ich spritz‘ dir was, das du dich nicht mehr übergeben musst“, bemerkte die Ärztin.
„Aussitzen, was?“, wendete sich Keme zu ihrer Mutter.
„Hey, ich bin keine Ärztin, bei mir war das noch nicht möglich. Ist das nicht schädlich für das Kind?“, fragte Shania besorgt.
„Ich hab‘ drei Kinder zur Welt gebracht, alle kerngesund und ich hab‘ das Zeug jedes Mal genommen“, erklärte die Ärztin.
„Spritzen Sie es mir, bitte“, bat Keme und bekam das Serum gespritzt.
„Dir wird’s bald besser gehen. Hier ist dein Paket mit Vitaminen und anderen Sachen für werdende Mütter“, erklärte die Ärztin freundlich und sie setzte sich wieder auf.
„Werdende Mutter, das klingt so erwachsen“, erkannte Keme nachdenklich.
„Das kriegen wir zusammen hin, ich freu‘ mich schon auf meine Rolle als Großmutter“, erwiderte Shania freundlich.
„Du wirst die heißeste Großmutter hier werden“, erkannte die Ärztin.
„Das will ich auch hoffen, kommst du jetzt mit, Schatz, ich mach‘ euch Mittagessen“, bemerkte Shania und brachte sie zu sich nach Hause.
 
In Kanada beendete Donnelly gerade mit einem Restkater seine Nachtschicht. Da es ein schöner Herbsttag in seiner Heimatstadt war machte er einen Spaziergang durch die Stadt. Es war verrückt, in Kanada konnte man alles kaufen was man sich kaufen wollte und in den Staaten verhungerten die Leute. Doch nach der letzten Mission konnte er nicht mehr dorthin zurückkehren, er brachte sich einfach emotional zu sehr ein, er war nicht einer dieser harten Soldaten die ihn begleiteten, er hatte Gefühle, die er nicht einfach abschütteln konnte. Er kam bei einem Frisör vorbei. Seine Frisur war ein bisschen zu lang, also ging er hinein.
„So, was kann ich für Sie tun?“, fragte die Frisörin freundlich.
„Machen Sie aus dem Gewirr auf meinem Kopf wieder ne Frisur“, bat er.
„Klar, kann ich machen. Haben Sie eine heiße Verabredung heut‘ Abend?“, fragte die Frisörin und er setzte sich hin.
„Nein, ich wurde grade von meiner Freundin verlassen, ich brauche nur was Neues“, bemerkte er.
„Ja, glaub‘ ich Ihnen, also, schauen wir mal“, bemerkte die Frisörin und begann zu schneiden.
Nach seinem Frisörbesuch ging Donnelly an einem Bekleidungsladen vorbei und kaufte sich einen Anzug und ein paar Hemden. Er wusste zwar nicht, ob er jemals einen Anzug gebrauchen konnte, aber es war ein gutes Gefühl, einen zu haben.
Als er bei seiner Wohnung ankam, wartete Gordon schon auf ihn.
„Du brauchst nen Privatleben, Doc“, erkannte Donnelly und zog ihn vom Boden hoch, auf dem er vor seiner Tür gesessen hatte.
„Du bist mein Privatleben solang du so trübsinnig durch die Gänge des Krankenhauses wandelst. Beth ist besorgt“, erklärte Gordon und kam mit ihm rein.
„Beth ist immer besorgt, das ist nichts Neues. Was guckst du mich so an?“, fragte Donnelly und hängte seinen Anzug in der Schutztüte an seinen Schrank.
„Warst du beim Frisör?“, fragte er schmunzelnd.
„Ja, ist das jetzt verboten?“, fragte Donnelly verwundert.
„Nein, sieht gut aus. Wusste gar nicht, dass du einen Anzug besitzt“, erkannte Gordon, ging zum Schrank und fuhr mit seiner Hand über das Plastik der Schutzhülle.
„Hatte ich auch nicht, den hab‘ ich grad gekauft, keine Ahnung wieso“, erkannte er.
„Du willst aber nicht so ne romantische Geste abziehen und Keme überraschen, oder?“, fragte Gordon verwundert.
„Ach quatsch, ich weiß ja nicht mal wo sie ist, es wird nur Zeit, dass ich meine Garderobe etwas verbessere. Ich koch‘ was, isst du mit mir mit?“, fragte Donnelly und ging in die Küche.
„Gerne, kam heut‘ nicht richtig zum Essen. Wie geht’s eigentlich deinem Arm?“, fragte Gordon und Donnelly krempelte seinen Ärmel hoch, unter dem ein riesiger blauer Fleck versteckt gewesen war.
„Du bist eine echt saumäßige Krankenschwester, mich haben drei Menschen gefragt, ob ich jetzt Drogen nehme“, erkannte Donnelly.
„Ja, sorry, ich mach‘ es nie wieder. Also, was kochst du heute?“, fragte Gordon und Donnelly sah in seinen Kühlschrank.
„Spagetti?“, fragte Donnelly und drehte sich zu ihm.
„Ich hab‘ italienische Vorfahren, da brauchst du nicht zu fragen“, erkannte Gordon grinsend und so begann er zu kochen.
 
In Alaska ging es Keme nach dem Serum was sie bekommen hatte endlich besser und sie konnte ihre Schwangerschaft genießen. Die Tage vergingen, dann die Wochen und nach dem großen Thanksgiving-Fest wurde es kälter in Alaska und die Bäuche der Cousinen wuchsen, dass man ihre Schwangerschaft sah. Sie wurden etwas schräg angesehen, weil sie nicht verheiratet waren, aber Shania schaffte es, dass die Gerüchte verstummten.
Als Keme gerade einen weiten Pullover angezogen hatte, kam Tokori in ihr Zimmer.
„Du musst deinen Bauch nicht verstecken, hör‘ nicht auf die Gerüchte“, bemerkte Tokori kritisch, die ein enges Shirt und eine Strichjacke trug.
„Ich versteck‘ hier gar nichts, es ist November und schweinekalt, warum haben wir noch Mal Kalifornien verlassen?“, fragte Keme etwas unleidig über die Kälte.
„Weil wir dort fast umgekommen sind?“, fragte Tokori.
„Ja, richtig, muss mich nur jeden kalten Tag hier daran erinnern warum wir hier sind. Ich muss hier irgendwas machen, ich hab‘ ätzende Langeweile“, erklärte Keme.
„Du kannst auch in dem Lebensmittelladen anfangen, so wie ich“, erkannte Tokori vorschlagend.
„Du hast da schon nichts zu tun, da brauchen sie sicher nicht noch eine Kraft. Ich dachte eigentlich daran, Tante Hope zu suchen und sie hierher zu holen, dass sie bei uns wohnt“, dachte Keme laut nach.
„Glaubst du, es ist eine gute Idee eine Behinderte in unser Haus zu holen, wenn wir bald zwei aufgeweckte Jungs haben?“, fragte Tokori und fuhr über ihren Bauch.
„Dad war immer so traurig, dass sie nicht mehr da war um mich aufwachsen zu sehen, sie soll um meinen Sohn herum sein“, entschied Keme.
„Sie lebt in Wiseman, das ist ne verdammt lange Reise und wie willst du da hinkommen, du kannst Lucille nicht mehr fahren und wie du noch weißt, hast du keinen Autoführerschein“, war das Tokori nicht recht.
„Aber soweit ich mich erinnere, hast du Fahrstunden in der Schule gehabt und einen Führerschein“, bemerkte Keme keck.
„Ich bin seit Jahren nicht mehr hinter einem Lenkrad gesessen, das trau‘ ich mir nicht zu“, erkannte Tokori.
„Gut, dann muss ich jemand anderes finden, fährst du zumindest mit?“, fragte Keme etwas enttäuscht.
„Nein, tut mir leid“, bemerkte Tokori.
„Gut, verstehe. Ich geh‘ kurz zu Mum und frag‘ sie, wer mich fahren kann“, entschied sie, legte einen Schal um und ging zur Hütte ihrer Mutter.
„Hey Engel, komm‘ rein“, war  Shania erfreut ihre Tochter zu sehen und ließ sie rein, als sie vor ihrer Tür stand.
„Ich muss dich um einen Gefallen bitten, Mum“, erkannte Keme ernst.
„Klar, alles!“
„Kannst du mir einen Fahrer besorgen, ich möchte nach Wiseman“, erklärte Keme.
„Ich könnte dir schon einen Fahrer besorgen, aber was willst du da? Wieder eine Vision?“, fragte Shania kritisch.
„Nein, dein Enkel lässt mich seit zwei Wochen in Ruhe, ich möchte Hope hierher bringen“, erklärte Keme.
„Hope, meine Schwägerin Hope? Du weißt wo sie ist?“, fragte Shania weinerlich.
„Oh mein Gott, das hab‘ ich dir noch gar nicht erzählt, oder?“, fragte Keme beschämt.
„Nein, hast du nicht. Du hast Hope gefunden?“, fragte Shania schniefend.
„Ein Freund von mir hat sie hier in Alaska gefunden, ja. Sie soll meinen Sohn aufwachsen sehen“, erkannte Keme.
„Ja, das sollte sie, ich besorg‘ dir jemanden“, versprach Shania.
„Tut mir so leid, dass ich dir das verschwiegen habe, war alles bisschen viel für mich in letzter Zeit. Hast du Zeit mich zu begleiten, Tokori will nicht“, erkannte Keme und Shania sagte zu.
„Können wir schon morgen fahren?“, fragte Keme hoffend.
„Mal schauen, ich denke schon. Bitte verschweig‘ mir nie wieder etwas, was mit deinem Vater zu tun hat“, bat Shania.
„Ja, tut mir echt leid. Was guckst du mich so an?“, fragte Keme verwundert, als Shania sie musterte.
„Du hast gut zugenommen“, lobte Shania ihre Tochter.
„Das ist kein Kompliment für eine Frau, Mum“, erkannte Keme kritisch.
„Du warst viel zu dünn für ein Kind, jetzt bist du gesünder, das wollte ich nur damit sagen“, erkannte Shania.
„Ich pass‘ bald nicht mehr in meine Hosen rein“, grummelte Keme.
„Ich besorg‘ dir weitere Schwangerschaftshosen, keine Sorge. Jetzt ruh‘ dich aus, das wird eine lange Reise morgen“, bat Shania, umarmte ihre Tochter und die ging wieder davon.
Seit Keme Tür an Tür mit ihrer Mutter wohnte hatten sie ihre Beziehung wieder repariert und waren jetzt enger als je zuvor. Als Keme aus der Tür getreten war, fühlte sie etwas Kaltes auf ihrer Backe. Sie sah nach oben. Es begann zu schneien. Sie blieb stehen und eine Träne kullerte über ihre Backe.
„Hey Süße, was ist los?“, fragte Tokori, die sie gesucht und gefunden hatte.
„Das ist Schnee, mein erster Schnee“, schniefte Keme.
„Das ist nur gefrorenes Wasser, Süße!“
„Du kannst doch nicht einfach so emotionslos deinen ersten Schnee erleben, schließ die Augen“, bat Keme und Tokori schloss die Augen.
„So, und nun?“, fragte Tokori.
„Genieß es einfach“, bat Keme und sie tat es.
„Ist immer noch grfrorenes Wasser für mich“, bemerkte Tokori unberührt.
„Oh man, lass‘ uns was kochen“, bemerkte Keme kopfschüttelnd und ging mit ihr rein.
 
Später am nächsten Tag fuhr Shania mit dem Fahrer an Kemes Hütte vor.
„Keme, sie ist da“, rief Tokori in Kemes Zimmer.
„Willst du wirklich nicht mitfahren?“, fragte Keme noch einmal, als sie aus ihrem Zimmer kam.
„Nein, ich muss arbeiten, mach‘ du das mit deiner Mutter. Fahrt vorsichtig“, erkannte Tokori und umarmte ihre Cousine.
„Arbeite nicht zu hart. Ich bin spätestens in drei Tagen wieder da“, versprach Keme, nahm ihren Seesack und ging aus der Tür. Es hatte in der Nacht zuvor etwas mehr geschneit und der Schnee knatschte unter ihren Boots, als sie zum Wagen ging. Zufrieden stieg sie ein. Ihre Mutter saß auf dem Beifahrersitz und als Fahrer hatte sie den Typen ausgewählt, den Keme Monate zuvor halbnackt gefesselt hatte.
„Er war der einzige, den ich auf die Schnelle gefunden habe. Sei brav“, bat Shania, die sich zu ihr umgedreht hatte.
„Sorry wegen der Sache, Kumpel“, bemerkte Keme und klopfte dem Typen auf die Schulter, was ihn zusammenschrecken ließ.
„Am besten fasst du ihn nicht an, das verträgt er noch nicht so gut“, bemerkte Shania.
„Klar, tschuldigung. Fahren wir“, erwiderte Keme verwirrt und sie fuhren los. 

Achtzehntes Kapitel


„Ich hab‘ gestern Nacht noch recherchiert, Hope wohnt in diesem Pflegeheim“, erkannte Shania, als sie spät an diesem Abend vor dem Pflegheim Dailey Care in Wiseman standen.
„Wir gehen morgen früh gleich hier hin, ich hab‘ uns zwei Hotelzimmer gebucht, ist das einzige Hotel hier in der Stadt, ist kein Luxus, aber es reicht zum Schlafen“, erklärte Keme.
„Ja, denk‘ ich auch, gehen wir schlafen“, entschied Shania und sie fuhr weiter.
 
Zwei Tage zuvor in Prince George
 
„Don, kommst du runter, es gibt Frühstück“, rief Judith Damascus am Tag nach Thanksgiving ins Arbeitszimmer ihres Mannes, wo ihr Sohn geschlafen hatte.
„Komm‘ gleich“, rief Donnelly verschlafen. Er zog sein Hemd vom Schreibtisch seines Vaters und zog es an. Ein Kontoauszug war heruntergefallen. Er hob es hoch. Eigentlich war er kein neugieriger Mensch, aber er las den Auszug trotzdem durch. Zwei Abbuchungen erregten sein Interesse.
„Dill‘“, rief er zu seinem Vater.
„Was gibt’s, Don!“
„Kommst du mal bitte ins Arbeitszimmer?“
„Bin gleich da“, bemerkte Dillian und kam ins Arbeitszimmer.
„Warum zahlst du meiner Ex-Freundin zwei Mal im Monat 500 Dollar?“, fragte Don kritisch und hoch den Kontoauszug hoch.
„Warum schnüffelst du in meinen Sachen rum?“, fragte Dillian kritisch und riss ihm den Zettel aus der Hand.
„1000 Dollar sind verdammt viel Geld, sogar für so‘n gutbezahlten Arzt wie dich“, bemerkte Donnelly.
„Ich mochte sie und möchte sie in ihrem neuen Leben unterstützen“, erklärte Dillian kurz.
„Hast du mit ihr geschlafen?“, fragte Donnelly entsetzt.
„Nein, oh Gott nein, streu‘ hier nicht so furchtbare Gerüchte, ich betrüge deine Mutter nicht!“
„Warum gibst du ihr dann so viel Geld?“, forderte Donnelly eine ehrliche Antwort.
„Das sagte ich doch, als Unterstützung!“
„Mum weiß sicher nicht, dass du ihr so viel zahlst, ich würde es ihr ungern erzählen“, drohte Donnelly ihm.
„Nein, lass‘ das, ich erzähl’ es dir“, bemerkte Dillian nervös und schloss die Tür des Arbeitszimmers.
„Gut, ich höre“, entgegnete Donnelly kritisch und verschränkte seine Arme vor der Brust.
„Setz‘ dich bitte“, bat Dillian ernst und Donnelly setzte sich etwas verwirrt.
„Man, das klingt ernst“, bemerkte Donnelly.
„Sie ist schwanger“, gestand Dillian.
„Was, du hast sie geschwängert?“, fragte Donnelly und sprang verärgert auf.
„Ich hatte nichts mit ihr, lässt du das mal sein? Es ist dein Baby, Don“, entschied Dillian gestehend.
„Mein Baby, sie ist schwanger mit meinem Baby?“, fragte Donnelly stotternd.
„Ja, das wollte ich mit dieser Aussage ausdrücken“, erkannte Dillian.
„Du hast es mir verschwiegen, du hast mir die wichtigste Neuigkeit in meinem Leben verschwiegen“, konnte Donnelly es nicht fassen.
„Lass‘ mich erklären“, bat Dillian zum aufgebrachten Donnelly.
„Ich kann jetzt nicht mit dir reden“, entschied Donnelly stockend und stürmte aus dem Raum.
„Da bist du ja“, bemerkte Judith freundlich, als Donnelly die Treppen herunter eilte.
„Ich hab‘ keinen Hunger mehr, Mum, ich ruf‘ dich später an, bye“, erkannte er nur und eilte aus der Tür.
„Dill‘, was hast du gemacht?“, fragte Judith und sah zu ihrem Mann, der hilflos auf der obersten Stufe der Treppe stand.
 
Donnelly fuhr mit seinem Wagen durch die Straßen von Prince George. Er wusste nicht, was er jetzt tun sollte. Die Frau, die er immer noch über alles liebte trug sein Kind unter ihrem Herzen. Er fuhr zu Gordon und klopfte heftig an seiner Apartmenttür.
„Wenn Sie ein Zeuge Jehova sind, ich bin Katholik und habe eine Kirche in die ich gehe, danke“, rief Gordon verschlafen von drinnen.
„Gord‘, mach auf, ich bin’s“, rief Donnelly zu ihm.
„Don‘, es ist erst acht Uhr morgens, was machst du hier?“, fragte Gordon, als er nur mit Shorts bekleidet die Tür öffnete.
„Hast du es gewusst?“, fragte Donnelly schnaubend.
„Mehr Informationen musst du mir schon geben, Don‘, ich hab‘ nen Kater und bin nicht so schnell heut‘ Morgen“, erkannte er.
„Hast du gewusst, dass Keme von mir schwanger ist?“, fragte Donnelly detaillierter.
„Keme ist schwanger?“, fragte Gordon und kratzte seinen Kopf.
„Also, ja, deshalb hast du jedes Mal abgeblockt, wenn ich über sie reden wollte“, erkannte Donnelly verärgert.
„Ich hab‘ gemerkt, dass es dich zu sehr aufregt, das ist alles“, entschied Gordon erklärend.
„Ich bin sein Therapeut, ich hätte meinen Job verloren, wenn ich das ausgeplauderte hätte“, erklärte Gordon.
„Wir sind beste Freund, Gord‘, du verschweigst mir das jetzt fast 4 Monate“, war Donnelly verärgert.
„Ich konnte nicht“, verteidigte sich Gordon.
„Ja, super Ausrede. Wo ist sie?“, fragte Donnelly und zerrte ihn an seinem Arm in die Wohnung, um die Tür hinter ihm zuzuschlagen.
„Ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass sie schwanger ist, er hat mir nie gesagt, wo sie ist“, bemerkte Gordon und Donnelly ließ ihn los.
„Ich muss sie finden“, bemerkte Donnelly nur.
„Er weiß, wo sie ist, also musst du mit ihm reden“, entschied Gordon.
„Im Moment bin ich zu wütend, ich muss mit jemandem darüber reden, ziehst du dich bitte an, ich brauch‘ einen Therapeuten im Moment“, bat Donnelly ruhiger.
„Klar, gib mir 10 Minuten. Nimm‘ dir was zu Trinken aus dem Kühlschrank und was zu essen, wenn du Hunger hast“, erwiderte Gordon und ging ins Schlafzimmer um sich anzuziehen.
 
Nachdem Donnelly eine Stunde mit Gordon gesprochen hatte, ging es ihm besser und er konnte zu seinem Stiefvater zurück.
„Gut, du bist zurückgekommen“, erwiderte Dillian, als er ihm die Tür öffnete.
„Ich musste Dampf ablassen, aber jetzt bin ich wieder da“, erkannte Donnelly nur.
„Ich wollte dich nicht verlieren und deine Mutter würde das nie verkraften, wenn du gehen würdest“, erwiderte Dillian erklärend.
„Solang aus diesem wandelnden Etwas wieder ein Mann und aus diesem Mann wieder mein Sohn wird lass‘ ich ihn überall hingehen“, bemerkte Judith, die zu den Männern kam.
„Ich muss dir was erzählen“, erwiderte Dillian und führte seine Frau ins Wohnzimmer.
„Du verschweigst mir das solange? Wir waren die letzte Woche 24 Stunden am Tag zusammen und du hast keinen Ton gesagt“, hörte Donnelly seine Mutter schimpfen, als er auf den Treppenstufen Platz genommen hatte. Dabei klingelte sein Handy und er steckte sein Headset an und nahm den Hörer ab.
„Boss, ich weiß, du hast dir noch die nächsten drei Tage wegen Thanksgiving freigenommen, aber wir haben hier irgendwie einen Mitarbeiterengpass, kannst du heut‘ arbeiten?“, fragte Beth, die am Hörer war.
„Wir haben jedes Thanksgiving einen Engpass, Beth, warum kann das nicht jemand anders machen?“, fragte er genervt.
„Du bist die einzige Pflegekraft die keine Kinder hat“, entschied Beth.
„Ich muss noch was zu Hause klären, ich komm‘ in einer Stunde“, erkannte Donnelly und zog das Headset gedankenvoll von seinem Ohr.
Vorsichtig ging Donnelly zu seinen streitenden Eltern.
„Hey, Beth hat grad‘ angerufen, ich muss arbeiten“, erkannte Donnelly und seine Eltern sahen ihn an.
„Du kannst doch jetzt nicht arbeiten gehen“, bemerkte Judith aufgebracht, aber mit Sorge in der Stimme.
„Leider bin ich der einzige ohne Kinder, ironischer weise. Ich komm‘ klar, wirklich, genießt eure freien Tage, ich komm‘ klar mit der Nachricht“, versprach Donnelly, umarmte seine Mutter und verließ das Haus seiner Eltern wieder.
Wie versprochen kam Donnelly brav zur Arbeit. Er begann ganz normal zu arbeiten, aber kurz vor seiner Pause sah er ein Pärchen, bei dem sich der Mann fürsorglich um seine hochschwangere Frau kümmerte. Er drehte sich um und ging zu Beth, die im Schwesterzimmer saß.
„Hey, machen wir zusammen Pause?“, fragte Beth, die grade ihr Vesper auspackte.
„Ich bin dann mal weg“, sagte er nur.
„Ich brauch‘ dich noch, Boss“, erkannte Beth verwundert.
„Nein, brauchst du nicht, du machst meinen Job schon seit Jahren, ich bin hier nicht mehr glücklich. Stell‘ einen würdigen Nachfolger ein, der deinen Job macht, am besten einen Mann, wir sind hier etwas in der Minderheit“, erklärte Donnelly und legte sein Stethoskop ab.
„Hast du einen Nervenzusammenbruch oder so?“, fragte Beth verwundert.
„Keme ist schwanger von mir und ich werde jetzt zu ihr gehen“, erkannte er nur.
„Sie ist in Nome“, erklärte Beth nur. Donnelly küsste ihren Kopf und ging wortlos von dannen.
 
Wiseman 2 Tage später
 
Keme wälzte sich unruhig im Schlaf herum.
„Engel, ganz ruhig, du bist in Sicherheit“, versuchte Shania ihre Tochter zu beruhigen, aber die schreckte aus ihrem Schlaf auf.
„Was ist los?“, fragte sie verschlafen.
„Hattest du wieder eine Vision?“, fragte Shania besorgt.
„Nein, nur ein gewöhnlicher Albtraum, tut mir leid, dass ich dich wachgemacht habe“, entschuldigte sich Keme.
„Hab‘ nicht geschlafen, muss die ganze Zeit darüber nachdenken, was ich Hope morgen sage. Ob sie es kapiert, dass Harvey tot ist?“, fragte Shania nachdenklich.
„Wir erklären es ihr zusammen, sie wird es schon verstehen. Schlaf‘ ein bisschen“, bat Keme und kuschelte sich an ihre Mutter. Sie war ihrer Mutter seit ihrer Kindheit nicht mehr so nah gewesen, es war ein schönes Gefühl. Kurz danach waren die beiden beide eingeschlafen.
 
Früh am nächsten Morgen fuhren sie mit ihrem Fahrer zu dem Pflegeheim. Nervös griff Shania nach der Hand ihrer Tochter, als sie durch die Gänge des Pflegeheims gingen.
„Guten Morgen, wir wollen Hope Beltran besuchen“, meldete sich Keme an der Rezeption an.
„Miss Beltran ist auf Station 5“, erkannte die Schwester und die Frauen gingen weiter.
Sie suchten auf der besagten Station nach Hope. Es musste doch nicht schwer sein, eine Nativ-Amerikanerin zu finden. Plötzlich saß sie da, auf einem altmodischen Sofa und las ein Buch.
„Hallo Hope, erkennst du mich, ich bin’s Shania“, kam Shania vorsichtig auf ihre Schwägerin zu.
„Wenn du Patienten so ansprichst, fühlen sie sich minderbemittelt“, erkannte Hope plötzlich cool und sah sie an.
„Ja, entschuldige, ich bin Shania, Harveys Frau“, bemerkte Shania immer noch viel zu vorsichtig.
„Ich hab‘ gehofft, dass du mal hierher kommst. Harveys Tod ist schon ne Weile her“, erkannte Hope wie eine ganz normale Frau.
„Du weißt von seinem Tod?“, fragte Keme verwundert.
„Mein Sohn war damals auf seiner Beerdigung, er wollte bei der Beerdigung des Auserwählten dabei sein, ich musste leider arbeiten. Ihr kommt grad‘ etwas unpassend, meine Frühstückspause ist grad‘ vorbei“, erkannte Hope und stand auf. Sie hatte ein Namensschild mit dem Zeichen des Pflegeheims an ihre Brust gepinnt.
„Hope, du wirkst so …“, stotterte Keme.
„Normal, ja, ich hab nen Neuroimplantat im Gehirn, ich bin sozusagen von meiner geistigen Behinderung geheilt worden. Deswegen bin ich ja hier nach Kanada gekommen, warum denkt ihr, bin ich sonst aus den USA weg?“, fragte Hope.
„Du bist gesund?“, fragte Shania mit Tränen in den Augen.
„Mein Rücken macht mir öfters Probleme, sonst bin ich fit ja. Hey Keme, du bist ja auch da, mein Sohn hat mir erzählt, dass du ein ganz schön loses Mundwerk hast. Er war derjenige, der dich im Sommer aus Kalifornien geholt hat, zusammen mit diesen Kanadiern, mit denen er neuerdings rumhängt“, erwiderte Hope.
„Ja, ich erinnere mich an ihn, ich war ziemlich fies zu ihm, ich sollte mich bei ihm entschuldigen“, erkannte Keme.
„Ihr könnt heut‘ Abend zum Abendessen zu uns kommen, ich lebe mit meinem Sohn nicht weit weg von hier, er ist auch grad‘ zu Hause wegen Thanksgiving. Guckt mich bitte nicht so an wie ein Alien, ich bin doch ganz normal“, bat Hope etwas verwirrt. Shania umarmte ihre Schwägerin stürmisch.
„Schon gut, mir geht es sehr gut hier, wirklich. Vor allem jetzt, wenn ich euch sehe. Ist dein Mann auch hier Keme, ich hab‘ bemerkt, dass du schwanger bist“, erkannte Hope.
„Nein, ich hab‘ keinen Mann, es wird nur das Baby und mich geben“, erkannte Keme traurig.
„Ich bin auch alleinerziehende Mutter, das ist nicht so schlimm wie du es dir vorstellst. Der Vater des Kindes ist dieser Cowboy oder, der Krankenpfleger?“, erkannte Hope.
„Woher weißt du das? Sag‘ nicht, dass du auch ne Sehende bist, das würde meine neue Kraft nicht mehr so cool machen“, entschied Keme.
„Nein, keine Sehende, du bist auch eine Sehende? Bist du nicht schon die Auserwählte?“, fragte Hope und zog ihre Augenbrauen hoch.
„Das eine schließt das andere ja nicht aus. Tokori ist auch richtig eifersüchtig auf mich, wir sind aber der Meinung, dass mein Sohn der Sehende ist und ich nur seine Kraft reflektiere“, erklärte sie.
„Das ist echt interessant, Sike, mein Sohn ist ganz begeistert von seinem Erbe, er versucht alles darüber herauszufinden“, erkannte Hope.
„Da kenn‘ ich noch jemanden, nicht weit weg von hier wohnt noch nen Cousin von mir mit dem gleichen Hobby. Ja, anscheinend sind die meisten Mitglieder meiner Familie hier in Alaska. Wir kommen gern zum Abendessen, ist acht Uhr okay?“, fragte Keme.
„Klingt gut. Danke, dass ihr mich besucht habt, aber ich muss jetzt weiterarbeiten“, erwiderte Hope und ging weiter.
„Sie ist wieder ganz normal“, erkannte Shania total verblüfft.
„Dad wäre so glücklich, dass zu sehen“, erkannte Keme und umarmte ihre Mutter.
 
An diesem Abend waren die beiden Frauen bei Hope zum Essen eingeladen und nachdem sich Keme bei Sike entschuldigt hatte, erklärte sie ihm alles über ihre Vorfahren was sie wusste. Sie wären am liebsten noch länger bei ihrer Tante geblieben, aber sie wollte ihre Cousine nicht länger allein lassen. Tags drauf fuhren sie nach Nome zurück.
Es war schon später Nachmittag als sie an ihrer Hütte ankam.
„Tokori, du wirst nicht glauben, was ich in Wiseman erlebt habe, Tokori, bist du zu Hause?“, rief Keme durch die Gänge.
„Hi, meine Süße, willkommen zu Hause“, hörte sie plötzlich die Stimme ihres Ex-Freundes.

Neunzehntes Kapitel


Keme drehte sich vorsichtig um. Auf ihrem Sofa saß Donnelly mit einem Lächeln auf den Lippen und einem Teddybär in der Hand.
„Don‘, bist du wirklich hier?“, fragte sie ungläubig und kam auf ihn zu.
„Ich hätte mir denken können, dass du hier bist. Du hast einen echt scharfen Körper bekommen, nicht dass du früher nicht auch sexy warst, aber jetzt bist du so was von verführerisch“, säuselte er.
„Hat Tokori dich hierher geholt?“, fragte Keme verwundert.
„Nein, sie war auch total überrascht mich zu sehen, ich hab‘ vor zwei Tagen zufällig von den Zahlungen meines Vaters an dich erfahren und hab‘ ihm die Wahrheit entlockt. Warum hast du es mir nicht gesagt?“, erkannte er und stand auf.
„Dein Dad hat mich darum gebeten, dass ich es dir nicht sage. Lebt Dillian noch?“, fragte sie hoffend.
„Ja, so grade, ich bin einfach weggegangen, mitten bei der Arbeit, ich hab‘ dieses Pärchen gesehen, bei dem sich der Mann rührend um seine schwangere Frau gekümmert hat. Ich kann dich nicht allein lassen, ich liebe dich, auch wenn du mich nicht mehr willst“, gestand er.
„Ich liebe dich auch, Dummerchen, ich hab‘ jeden Tag bereut, dass ich dich einfach verlassen habe“, entgegnete Keme und küsste ihn emotionsvoll.
„Mach‘ dir keine Schuldgefühle, du musstest deiner Vision folgen“, erkannte er versöhnlich.
„Es sind anscheinend die Visionen deines Sohnes“, erkannte Keme.
„Es wird ein Junge?“, fragte Donnelly mit einer Träne im Auge.
„Ja, ein kleiner Auserwählte mit der Gabe für Visionen, das wird echt noch lustig“, erkannte Keme, die auch zu weinen begann.
„Bitte wein‘ nicht!“
„Ich weine aus Freude, mein Süßer, nur aus Freude. Ich bin etwas sehr emotional in letzter Zeit, damit muss du auch klarkommen, wenn du hierbleibst“, erwiderte sie schniefend.
„Natürlich bleib‘ ich jetzt hier, ich fühle mich in Kanada nicht mehr zu Hause“, erkannte er.
„Du musst aber Amerikaner werden, das ist dir schon klar, oder?“, fragte Keme.
„Wenn ich eine Amerikanerin heirate, werde ich automatisch einer. Tokori, heiratest du mich?“, fragte Donnelly und Tokori kam aus dem Badezimmer.
„Klar, dann verstummen diese blöden Gerüchte endlich“, bemerkte Tokori und hakte sich bei ihm ein.
„Hey, such‘ dir deinen eigenen Mann, sollte das nen Heiratsantrag sein?“, fragte Keme verwirrt.
„Ich hab‘ nen Ring mit einem Türkisstein dabei, den könntet ihr beide tragen“, witzelte er.
„Den nehm‘ ich“, bemerkte Keme und riss ihm die Samttasche mit dem Ring aus der Hand.
„Klar, Auserwählte, Seherin und jetzt kriegt sie auch noch den Mann“, erkannte Tokori gespielt nörgelnd und ließ die beiden wieder allein.
„Probier‘ ihn an“, bemerkte Donnelly und Keme zog einen schönen Türkisring aus der Samtasche.
„Das ist der schönste Ring, den ich je gesehen habe. Wo hast du den denn her?“, fragte sie gerührt.
„Ich würde gern sagen, dass ihn eine weise alte Costano-Dame extra für dich hergestellt habe, aber der ist aus einem peruanischen Laden in Prince George“, gestand er.
„Der ist wunderschön“, erkannte Keme und steckte ihn auf.
„Also, willst du?“, fragte er hoffend.
„Also, ich steh‘ doch eher auf Diamanten“, schmunzelte sie und er sah sie böse an.
„Natürlich will ich dich heiraten, ich liebe dich, du Idiot“, erkannte sie und küsste ihn.
„Ein Happy-End wie schön. Ich muss los, meine Mittagspause ist rum“, erkannte Tokori kurz angebunden und ging davon.
„Hat sie was?“, fragte er verwundert.
„Sie ist eifersüchtig, sie hätte auch gern, was ich habe, sie kriegt sich wieder ein. Hey, wir beiden sind jetzt ganz allein, Lust mein Bett mal einzuweihen?“, fragte sie säuselnd.
„Ich hatte jetzt eine viermonatige Trockenperiode, nichts lieber als das“, erkannte er und sie zog ihn in ihr Zimmer.
Nachdem sie sich die halbe Nacht geliebt hatten saßen sie spät in dieser Nacht nebeneinander auf dem Bett.
„Man, das hab‘ ich echt vermisst, noch ne Runde?“, fragte Keme zufrieden.
„Bitte nicht, ich will schlafen und die Wände sind nicht so wahnsinnig dick“, hörte sie Tokori von ihrem Zimmer aus.
„Ja, sorry, wir sind jetzt still“, rief Keme zurück. Donnelly war das sichtlich peinlich.
„Man, ist das peinlich“, bemerkte er.
„Mir nicht, ich hatte schon Sex vor ihr, jetzt ist wenigstens eine Wand dazwischen“, erkannte sie cool.
„Ihr teilt auch alles, oder?“, fragte er schmunzelnd.
„Wir haben unsere Kunden immer in Hörweite rangelassen, aus Sicherheitsgründen. Tut mir leid, dir ist das Thema unangenehm, oder?“, fragte Keme.
„Du musst nie wieder anschaffen gehen, egal was kommt, hörst du“, versprach er ernst.
„Ich werde auch nie wieder anschaffen, keine Sorge, diese vielen Krankheiten und die Schmerzen haben mich aufgeweckt. Ich passe nicht mehr in die Lederhosen meiner Großmutter, ich glaube, ich bin die letzte Generation, der Kopfgeldjäger unserer Familie, ich geb‘ das Zepter an den jungen Alo weiter, ich will jetzt nur noch Mutter sein“, erkannte Keme.
„Ich werde mir hier einen Job suchen, es werden hier so viele Kinder geboren, die brauchen sicher einen Krankenpfleger. Man, bin ich müde, ich brauch‘ Schlaf, du hast mich ausgelaugt, Weib“, bemerkte er zufrieden.
„Dann schlaf‘, mein Süßer, kommt halt nicht jeder mit meiner geballten Ladung Weiblichkeit klar“, schmunzelte sie und kuschelte sich an ihn.
„Oh mein Gott, gönn‘ dem Jungen ein bisschen Schlaf“, hörte sie wieder Tokori von drüben.
„Schlaf einfach, Tokori“, grummelte Keme.
„Wenn du auch schläfst“, bemerkte Tokori.
„Okay, ich geh‘ aufs Sofa zum Schlafen“, erwiderte Donnelly, schnappte seine Shorts und verschwand ins Wohnzimmer.
„Klasse, jetzt hast du ihn verjagt“, rief Keme genervt zu ihr.
„Na endlich, schlaf‘ endlich, Süße“, bat Tokori und gab dann Ruhe.
 
Als Keme an diesem Novembermorgen in ihrem kalten Bett allein erwachte, dachte sie erst, sie hätte sich das alles nur eingebildet, doch dann bemerkte sie, dass sie keine Kleider trug. Schnell schlüpfte sie in einen Morgenmantel und ging ins Wohnzimmer. Dort lag ihr Verlobter schnarchend auf dem Bauch auf dem Sofa. Das war kein Anblick, wie man einen Mann vor der Hochzeit sehen sollte.
Kopfschüttelnd ging sie an ihm vorbei zur Küchenzeile. Sie konnte es sich nicht verkneifen den Mixer aufheulen zu lassen. Sie hörte einen dumpfen Schlag und grinste.
„Morgen, Schatz“, erwiderte sie grinsend und er rappelte sich benommen auf.
„Das hast du so was von absichtlich gemacht“, murmelte er und stand wieder vom Boden auf.
„Na ja, ein bisschen. Als ich grade aufgewacht bin, hab‘ ich erst gedacht, dass ich alles nur geträumt habe, weil du nicht bei mir warst“, erkannte sie und er kam zu ihr.
„Tut mir leid, Süße, ich musste nur dringend schlafen. Du wirst mich nicht los, keine Sorge. Wir müssen noch mal darüber reden, was du gemacht hast“, erkannte er plötzlich.
„Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll mich zu entschuldigen, ich hab‘ dich bei dieser Reise ausgeschlossen, obwohl du mir die Tage vorher deutlich gezeigt hast, dass ich dir voll und ganz vertrauen kann“, bemerkte sie beschämt.
„Ich hab‘ mir verdammt viel Sorgen um dich gemacht, vor allem als deine Mutter deinen GPS-Sender in Rampart lokalisiert hat“, erkannte er gefühlvoll.
„In Rampart, man, dieser Fluss hat echt eine starke Strömung, ich bin das Ding auf dem Hinweg schon los geworden, du weißt doch noch, als ich an diesem Fluss pinkeln gegangen bin, bevor wir bei meinem Cousin ankamen? Da hab‘ ich den Sender in den Fluss geworfen“, erklärte sie.
„Warum hast du das gemacht?“, fragte er kopfschüttelnd.
„Würdest du überall gefunden werden wollen?“, fragte sie.
„Wenn mich jemand vermissen würde, ja!“, bemerkte er deutlich.
„Ich hab‘ nicht gesagt, dass ich immer die besten Ideen habe“, bemerkte sie beschämt und stellte die Kaffeemaschine ein.
„Du bist mitten beim Sex abgehauen“, hielt er ihr vor.
„Da kann ich nichts für, damals war ich in Trance“, erklärte sie.
„Ja, hab‘ ich gemerkt, dir ist schon klar, dass du splitterfasernackt auf einem Parkplatz gestanden hast, oder?“, fragte er keck.
„Das hatte ich versucht zu verdrängen, danke. Ich kann mich nur daran erinnern, dass mir furchtbar heiß war“, erkannte sie.
„Du hast auch geglüht, war vermutlich der Wolf in dir. Deshalb bist du in der Dusche zu Bewusstsein gekommen, ich wollte dich abkühlen“, erkannte er.
„Das war vermutlich das Beste, danke nochmal, dass du mich geweckt hast. Das war meine erste Vision und ich habe meinen Vater gesehen, ich war einfach verstört. Doch ich hatte noch zwei weitere seitdem, ich hoffe echt, dass die Visionen deinem Sohn gehören, nicht mir, die sind ganz schön lästig“, erklärte sie.
„Hast du nen Ultraschallbild von unserem Sohn?“, fragte er plötzlich.
„Im Badezimmer am Spiegel, wir kriegen übrigens beide Jungs, falls du das wissen wolltest“, bemerkte sie.
„Zwei Jungs, man, das wird noch lustig. Kann ich das Bild meinen Eltern mailen?“, fragte er hoffend.
„Sicher, weiß es deine Mutter jetzt?“
„Ja, Dad hat es ihr gesagt, sie waren noch in Diskussionen darüber, als ich weg bin, darf ich deinen PC benutzen?“, fragte er.
„Klar, bedien‘ dich, zieh dir auch was an, wenn du schon da drin bist“, bat sie und er ging ins Schlafzimmer.
„Ah, koffeinfreier Kaffee, was kann es morgens besseres geben?“, erwiderte Tokori, als sie nur in einem Schlafanzugoberteil zu ihrer Cousine in die Küche kam.
„Wir haben männliche Gesellschaft“, erkannte Keme nur.
„Ich hab‘ euch letzte Nacht genug stöhnen hören, dass brauchst du mir nicht zu sagen“, entgegnete Tokori müde.
„Ja, Tschuldige noch mal, du trägst keine Hosen!“
„Ich passe nicht mehr in die Hosen“, entgegnete Tokori und zeigte ihr ihren wachsenden Bauch.
„Man, Klein Kai wächst echt gewaltig, hast du schon ne Idee, wie du deinen Kleinen nennen willst?“, fragte Tokori.
„Emilio!“
„Du kannst den Auserwählten nicht Emilio nennen!“
„Das war der Name meines Großvaters“, erwiderte sie entrüstet.
„Was spricht gegen Alo oder Harvey?“, fragte Tokori.
„Alos laufen in Kanada schon genug rum und ich weiß zwar nicht, was sich Großmutter Meg damals gedacht hat, aber ich nenne meinen Sohn sicher nicht Harvey, auch wenn das meine Mutter lieben würde“, erkannte sie.
„Donnelly jr.“, mischte sich Donnelly ein.
„Dein Name klingt wie ein Nachname und Don jr. klingt wie der Sohn des Paten“, erwiderte Keme keck.
„Gordon?“
„Klingt wie Gordo und Gordo bedeutet fett auf Spanisch!“
„Du hattest in letzter Zeit viel Zeit zum Nachdenken, oder?“, fragte er schmunzelnd.
„Rafael“, brachte er plötzlich ein.
„Rafael ist ein toller Name, wie kommst du auf den Namen?“, fragte Keme.
„Das war der Name meines leiblichen Vaters, er starb, als ich sehr jung war“, erklärte Donnelly.
„Ach Don‘, es wäre mir eine Ehre ihn nach deinem Vater zu benennen. Es gibt so viel über dich, was ich noch nicht weiß, bitte versprich‘ mir, dass wir erst heiraten, wenn ich dich in und auswendig kenne“, bat sie.
„Alles was du willst, meine kleine Squaw. Gehen wir jetzt zu deiner Mutter und sagen es ihr?“, fragte Donnelly und umarmte sie.
„Du bittest sie erst mal um meine Hand und dann machst du mir heut‘ Abend offiziell beim Abendessen einen Antrag“, entschied Keme.
„Das meinst du nicht ernst, oder?“, fragte er hoffend.
„Viel Spaß“, erkannte Keme und gab ihm den Ring zurück.
„Die killt mich mit Haut und Haaren“, wurde Donnelly nervös.
„Ich hab‘ nur einen Tipp für dich, wenn du ein metallisches Klicken hörst, renn‘“, witzelte Tokori und er wurde weiß.
„Du hast mich geschwängert, sie wird glücklich sein, dass du zu mir gekommen bist um das Richtige zu tun“, bemerkte Keme cool.
„Das klingt fast so, als hätte ich dich in Schwierigkeiten gebracht“, erwiderte er etwas verwundert.
„Hallo, ich bin hier irgendwo im nirgendwo und hab alles zurückgelassen, man kann schon sagen, dass du mich in Schwierigkeiten gebracht hast“, erkannte Keme.
„Tschuldige!“
„Bin ich ja auch Schuld dran, aber ich freu‘ mich inzwischen richtig auf meinen Sohn, ich hatte schon befürchtet, die Linie des weißen Wolfes würde aussterben, na ja, bis ich dich traf“, erklärte sie zufrieden.
„Wie konntest du auch einen Moment denken, dass du allein bleiben würdest?“, fragte er kopfschüttelnd.
„Komm‘ schon, vor einem halben Jahr war ich eine Nutte mit mehr Krankheiten als ein Mensch in seinem Leben bekommen kann, meine Zukunftsaussichten waren nicht so rosig“, erwiderte sie und löste sich von ihm.
„Dafür sind sie es jetzt, du siehst so gesund aus, die Schwangerschaft steht dir so gut“, entgegnete er und griff sie an der Hüfte.
„Du hältst mich auch für fett, wie meine Mutter“, bemerkte sie grummelnd.
„Das wird jetzt die ganze Schwangerschaft über so gehen, oder?“, fragte er skeptisch.
„Bis zum Ende eures Lebens, mein Süßer. Jetzt geh‘ zu Shania, du kannst das nicht länger aufschieben“, mischte sich Tokori ein.
„Ja, da hast du Recht, gut, dass ich einen Anzug dabei habe“, erwiderte er und ging ins Zimmer um sich umzuziehen.
„Tante Shania erschießt ihn noch vor der Türschwelle, wenn er mit einem Anzug da auftaucht, sollen wir ihm das sagen?“, fragte Tokori cool.
„Nein, das wäre doch nur halb so lustig, schade dass es draußen schneit, das hätte ich gern von der Terrasse aus beobachtet“, bemerkte Keme.
„Ich bin eifersüchtig auf dein Glück, tut mir leid“, erkannte Tokori plötzlich.
„Du darfst eifersüchtig sein, du findest auch noch dein Glück, du bist noch so jung“, erwiderte Keme.
„Ich habe mein Glück gefunden, es dauerte nur kurz an, aber ich bin glücklich so“, sagte Tokori wie so oft.
„Ich hab‘ mir das jetzt genug angehört, du wirst wieder ausgehen, dich wieder verlieben und mir verdammt noch mal nicht so viele Sorgen bereiten, hast du verstanden?“, fragte sie ernst.
„Zu Befehl, Boss“, schmunzelte Tokori.
„Das mein‘ ich ernst, du willst doch nicht so werden wie Shania, oder?“, fragte Keme.
„Deine Mutter hat eine wichtige Aufgabe in ihrem Leben“, entschied Tokori.
„Aber glücklich ist sie damit auch nicht“, konterte Keme.
„Doch, ist sie, ich will keine Beziehung in nächster Zeit, kannst du es dabei belassen?“, fragte Tokori.
„Ja, klar, wenn du das willst. Ich zieh‘ mich dann mal an, Mum kommt sicher gleich rüber mit Dons Skalp unter dem Arm“, erwiderte Keme grinsend und ging zurück ins Schlafzimmer.
Sie zog ihr Grateful Dead T-Shirt und eine weitere Hose an. Sie passte auch fast nicht mehr.
„Uh Rafael, das wirst du später mal so büßen müssen, dass Mami bald mit Umstandsmode rumlaufen muss“, redete sie mit ihrem ungeborenen Sohn und ging zurück ins Wohnzimmer.
Dort saß Alo falsch herum auf einem Stuhl, mit seiner Schrotflinte gegen Donnelly gerichtet, der auf dem Sofa saß. Tokori war weg, vermutlich war sie zur Arbeit gegangen, oder holte Lebensmittel.
„Was geht denn hier?“, fragte sie leicht verärgert.
„Wann wolltest du mir sagen, dass du unser Costanoblut mit einem Kanadier gekreuzt hast?“, fragte Alo und sah sie an.
„Er ist erst gestern zu mir zurückgekommen, Grandpa, hörst du bitte auf meinen Verlobten zu bedrohen, du hast zittrige Hände, das könnte schief gehen“, entgegnete Keme kopfschüttelnd und nahm ihm mit einem beherzten Griff die Schrotflinte ab.
„Verlobten?“, fragte Alo kritisch.
„Er hat mich gestern gefragt“, bemerkte sie.
„Wo ist dein Ring?“, fragte Alo und Donnelly öffnete seine zitternde Hand in dem der Ring war.
„Oh man, was hast du mit ihm gemacht?“, fragte Keme, legte die Schrotflinte weg und setzte sich neben ihren zitternden Verlobten.
„Gar nichts“, behauptete Alo etwas eingeschüchtert über die Coolness seiner Enkelin.
„Ja, so siehst du aus. Ganz ruhig, er ist halt so“, beruhigte Keme ihn.
„Er hat mich bedroht“, stotterte er nur.
„Das musste mein Dad auch durchstehen, als er angefangen hat, Shania zu daten, er wollte nur damit ausdrücken „Willkommen in der Familie“, erklärte sie beruhigend.
„Ich hätte mich über eine Flasche Scotch mehr gefreut“, bemerkte Donnelly und sah Alo böse an.
„Scotch? Das wäre ja noch schöner. Warum trägt sie den Ring nicht?“, fragte Alo skeptisch.
„Ich wollte erst Shania um ihre Erlaubnis bitten“, erkannte Donnelly.
„Du hast sie geschwängert, du heiratest sie auch, sieh das als Erlaubnis von mir“, bemerkte Alo cool.
„Du bist nicht meine Mutter, Grandpa. Darf er jetzt losgehen und sie fragen, bitte?“, fragte Keme schroff.
„Was auch immer!“
„Ich geh‘ jetzt sicher nicht mehr zu deiner Mutter, ich bin dafür dass wir ihr das erst nach unserem 10. Hochzeitstag sagen“, entschied Donnelly.
„Danke, Grandpa“, murrte Keme.
„Was denn? Er muss was vertragen können, wenn er in eine Kopfgeldjägerfamilie rein heiratet“, bemerkte Alo.
„Wir sind keine Kopfgeldjägerfamilie mehr, wir sind nur noch die Beltrans und die Quakadis, ist das klar?“, fragte sie verärgert.
„Glasklar. Ich geh‘ jetzt zurück in die Hütte an der Ende der Straße, da wartet Cindy auf mich. Willkommen in der Familie, Junge“, bemerkte Alo, klopfte Kemes Verlobten auf die Schulter und ging wieder.
„Man, mit meinem Großvater hab‘ ich jetzt nicht gerechtet, tut mir leid“, erwiderte Keme und zog den Ring wieder an.
„Ich hab‘ mir in die Hosen gemacht“, bemerkte Donnelly nur.
„Ich besorg‘ dir andere Klamotten, du bist ja ohne Ersatzkleidung losgezogen, was sehr romantisch war, aber auch furchtbar dämlich. Er hätte nie auf dich geschossen, keine Sorge“, bemerkte Keme und stand auf.
„Ich bin echt froh, dass du keine Kopfgeldjägerin mehr sein willst, diese ganzen Waffen und so weiter machen mir Angst“, erkannte er.
„Ja, hab‘ ich gemerkt, bleib‘ einfach hier sitzen, mein Süßer“, erwiderte sie schmunzelnd und während Donnelly seine nasse Stelle mit einem Kissen verdeckte ging Keme hinter ihrem Großvater her. Sie drückte ihren Großvater gegen eine Wand und ihren Arm auf seinen Hals.
„Wenn du noch einmal meinen Verlobten bedrohst, töte ich dich, hast du verstanden?“, drohte sie ihm.
„Ja, ich hab‘ verstanden“, erwiderte er keuchend und sie ließ ihn los.
„Gut, schön dich wiederzusehen, Grandpa“, bemerkte sie und küsste seine Backe.
„Du bist echt die Reinkarnation deiner Großmutter Meg“, war Alo so stolz auf seine Enkelin.
„Gran Mag starb nach meiner Geburt, keine Reinkarnation, sorry, nur das gleiche Temperament. Das ist echt seltsam, dass dein Urenkel mir nicht deine Reise hierher angekündigt hat“, dachte sie laut nach.
„Dein Sohn ist noch nicht geboren, Kleines!“
„Dein Urenkel ist ein Sehender, das hat dir wohl deine Quelle nicht erzählt“, erklärte Keme.
„Ein Sehender? Wahnsinn, dein Urgroßvater war ein Sehender, hast du nicht vielleicht einfach eine Vision gehabt, die haben alle irgendwann in deiner Familie“, erkannte er.
„Ich hatte schon mehrere, also wenn ich nicht die Sehende bin, kann es nur er sein“, entgegnete sie.
„Das sehen wir, wenn er geboren wird und es bei dir aufhört. Auch wenn ich harsch wirke, ich freu‘ mich für euch, vor allem, dass er zu dir zurückgekehrt ist. Übrigens, Gordon hat es mir gesagt, er rief mich gestern an und hat angekündigt, dass er zu dir kommen würde. Ich hab‘ dich angerufen, du warst aber nicht da“, erklärte er.
„Ich war bei Tante Hope, du wirst nicht glauben, was ich da erlebt habe“, begann sie zu erzählen, während sie zu dem Kleiderlager liefen.
 
Laut schimpfend kam Keme etwas später in ihre Hütte zurück.
„Was gibt’s zu schimpfen, Süße?“, fragte Tokori, die auf die Tür starrte, hinter der Donnelly verschwunden war, als sie aufgetaucht war.
„Diese Hexe von der Kleidungsaufgabe behauptet, ich bräuchte Umstandskleidung“, murrte Keme.
Tokori deutete mit ihren Augen auf Kemes wachsenden Bauch, der sich unter ihrem T­-Shirt wölbte.
„Oh verdammt, ich hätte sie annehmen sollen“, sah sie ein.
„Geh‘ zurück und hol welche, auch für mich bitte, ich trag‘ zwar weitere Kleidung als du, aber langsam brauch‘ ich auch neue. Warum versteckt sich dein Freund eigentlich vor mir, als ich hier reingekommen bin, ist er ins Zimmer verschwunden“, erklärte Tokori.
„Ich frag‘ ihn mal, könntest du die Sachen holen, bitte?“, fragte Keme.
„Klar, kann ich machen, braucht ihr sonst noch was?“, fragte Tokori freundlich.
„Nur eins, wenn du mir irgendwas in rosa oder himmelblau anschleppst, steck‘ ich dich als Brautjungfer in die gleichen Farben“, entschied Keme und lächelte sie an.
„Das ist fair, bring‘ ich dir nicht mit, versprochen“, erkannte Tokori und ging wieder aus der Tür.
Donnelly saß mit dem Bettlaken über dem Schoß auf dem Bett und wartete auf sie.
„Sie kam schneller nach Hause als ich dachte, tut mir leid. Du trägst Größe 6 in Unterhosen, richtig?“, fragte Keme, warf ihm eine verpackte Tüte Unterhosen hin und legte einen Stapel Kleidung für ihn auf die Kommode neben dem Bett.
„Ja, zumindest weißt du dass schon von mir“, bemerkte Donnelly mit seltsamen Stimmton.
„Mein Großvater ist ein aggressiver Typ, aber hat das Herz am rechten Fleck“, erkannte Keme, was ihn beunruhigte.
„Ich wusste wer du bist, aber mir ist jetzt erst klar geworden, was das bedeutet“, bemerkte er, schlang das Laken um seine Hüfte, nahm sich die Unterhosentüte und ging ins Badezimmer.
„Was meinst du damit?“, fragte Keme als sie ihm hinterherging.
„So viel Gewalt, so viele Muskeln, ich fühl‘ mich eben ausgeschlossen, ihr seid eine Familie von Kopfgeldjägern, ihr habt sicher eine eigene Sprache, die ich nicht spreche“, erwiderte er, zog sich einen Schlüpfer an und ging zur Kommode um eine Jeans anzuziehen.
„Siehst du das? Ich trage jetzt deinen Ring, ich hab‘ mein altes Leben hinter mir gelassen. Ich hab‘ mir meinen Großvater vorgeknöpft, das tut der dir nie wieder an, versprochen“, erklärte sie mit ernster Stimme, während sie ihren Verlobungsring an ihrer Hand vorzeigte.
„Du bist mir körperlich überlegen“, bemerkte er kleinlaut.
„Auch nicht mehr lange, meine Muskeln werden langsam zu dieser breiigen „Ich kriege ein Kind also muss ich weich sein“-Masse“, bemerkte sie schmunzelnd und fuhr über ihre Hüften.
„Ich find‘ das echt sexy“, erwiderte er schmollend.
„Na, Gott sei Dank, sonst hätte ich längst ein Problem. Das Gespräch mit Shania steht übrigens immer noch aus“, erkannte sie.
„Das ist das 21. Jahrhundert, wir gehen jetzt einfach zu ihr und sagen ihr, was Sache ist“, bemerkte er bestimmt.
„Das sag‘ ich doch auch. Man, du siehst echt so sexy aus in den Jeans, die könnte ich dir fast vom Leib reißen“, erkannte sie und spielte an seinem Hosenbund herum.
„Wenn du mit unserem Sexleben so weitermachen willst, muss ich anfangen zu trainieren“, schmunzelte er versöhnlicher und begann sie zu küssen.
„Ja, das solltest du, aber nicht heute. Gehen wir zu meiner Mutter, sie wird stinkig, wenn sie es von jemand anderem erfährt, bevor wir es ihr gesagt haben“, erkannte Keme und zog ihn nach draußen. Tokori war inzwischen mit der Umstandsmode für sich und Keme zurückgekommen.
„Hi Schisshase, alles klar bei dir? Du bist ja gerannt wie ein Wiesel“, frotzelte sie gegen Donnelly.
„Ja, alles bestens. Wir gehen jetzt zu Shania“, bemerkte Donnelly und Keme ließ seine Hand los um sich die Sachen anzusehen, die Tokori mitgebracht hatte.
„Hast du das nicht schon vorhin gemacht?“, fragte Tokori verwundert.
„Kam was dazwischen, das machen wir jetzt“, bemerkte Keme.
„Schiss gekriegt, was?“, frotzelte Tokori weiter.
„Alo war hier“, bemerkte Keme nur.
„Was wollte er hier?“, fragte Tokori verwundert.
„Fürs erste meinen Verlobten zu Tode zu erschrecken mit ner Schrotflinte“, entgegnete Keme.
„Er hat dich in der Familie willkommen geheißen, wie toll“, bemerkte Tokori erfreut.
„Bitte sag‘ mir, dass das dein Verlobter auch durchmachen musste“, bemerkte Donnelly zu Tokori.
„Ja, musste er auch, aber er war Soldat, er hat das ziemlich gut weggesteckt. Du nicht, wie mir scheint, deine Hände zittern noch“, bemerkte Tokori besorgt.
„Ja, ich würde ja was trinken, aber ich tret‘ deiner Tante nicht gern mit ner Fahne entgegen“, erklärte Donnelly und rieb seine zitternden Hände.
„Hier gibt es eh keinen Alkohol, auch wenn Keme es leugnet, sie ist Alkoholikerin“, entschied Tokori.
„Ernsthaft?“, fragte Keme und hielt ein Hängerchen mit Blümchenmuster hoch.
„Sie hatten leider keine Ultra-Coole Schwangerschaftsmode, das sind alles Spenden die wir tragen, Boss“, erklärte Tokori.
„Na ja, sind ja nur sechs Monate höchstens“, bemerkte Keme und legte sich ein paar Sachen raus.
„Können wir jetzt gehen, bevor mich der Mut verlässt?“, fragte er bittend.
„Klar, Schatz, gehen wir“, bemerkte Keme, nahm wieder seine Hand und ging mit ihm zu Shanias Hütte.
„Sie wird mich aber nicht mit einer Waffe bedrohen, oder?“, fragte er nervös.
„Nein, sicher nicht“, versprach sie und klopfte.
Alo öffnete ihnen die Tür.
„Hi Leute“, begrüßte er sie grinsend.
„Was machst du hier?“, fragte Keme etwas schroff.
„Das ist das Haus meiner Stieftochter, Engel, ich besuche sie“, entschied er.
„Hast du es ihr gesagt?“, fragte sie vorwurfvoll.
„Nein, das macht ihr schön selber. Soll ich euch dafür allein lassen?“, fragte Alo.
„Nein, bleib‘ ruhig hier. Ich hoffe, du bist jetzt unbewaffnet“, hoffte sie.
„Nur das Messer in meinem Stiefel, aber das hol‘ ich nicht raus, versprochen. Entschuldige noch mal, Junge, ich wollte dich nicht so erschrecken“, entschuldigte sich Alo beim etwas verwirrt rein blickenden Donnelly.
„Hast du nicht“, log er ziemlich schlecht.
„Gut, bist härter als ich dachte. Shania ist grade im Badezimmer, ich geh‘ grad‘ paar Unterlagen durch, worum sie mich gebeten hat. Man, du trägst ja mein altes T-Shirt, dass es das noch gibt, das ist schon fast eine Antiquität“, erwiderte Alo lächelnd und ging in Shanias Schlafzimmer was auch ihr Arbeitszimmer war.
„Hätte denken können, dass er hier ist, ich hoff‘ echt so, dass er es ihr nicht gesagt hat“, bemerkte Keme.
„Mir was nicht gesagt?“, fragte Shania, die aus der Küche kam.
„Ach, du bist in der Küche gewesen“, erkannte Keme ertappt.
„Mir was nicht gesagt, spuck’s aus, Kind“, erkannte Shania ernst.
„Don‘ ist zu mir zurückgekehrt“, bemerkte Keme herumdrucksend.
„Das hab‘ ich schon gehört, freut mich für euch, aber das ist nicht alles“, hinterfragte Shania ihre Aussage.
„Ich werde ihn heiraten, Mum“, gestand Keme.
„Ihr kennt euch doch noch gar nicht richtig“, erwiderte Shania skeptisch.
„Ich bin schwanger mit seinem Kind“, bemerkte Keme etwas irritiert.
„Das macht euch noch nicht zu Seelenverwandten“, erkannte sie.
„Er ist nicht mein Seelenverwandter, das ist Tokori!“
„Siehst du!“
„Aber er ist die Liebe meines Lebens und er wird hierbleiben“, entschied sie standhaft.
„Ihr wollt aber nicht ganz schnell heiraten, oder?“
„Nein, wir wollen uns erst mal in und auswendig kennenlernen“, erklärte Keme.
„Das macht man sonst eigentlich bei mehreren Dates, aber eure Situation ist ja eine andere. Hey, versteht mich nicht falsch, ich find’s toll, ich will dich glücklich sehen“, erklärte Shania und umarmte ihre Tochter.
„Das bin ich, das bin ich wirklich. Aber mir macht Tokori ein bisschen Sorgen, sie möchte allein bleiben“, erkannte Keme.
„Sie trauert und braucht ihre Zeit, das habe ich auch gebraucht und brauche es immer noch. Lass‘ sie einfach in Frieden“, bat Tokori.
„Ja, mach‘ ich, ich kann mir doch trotzdem Sorgen machen, oder?“, fragte Keme.
„Ja, aber stillschweigend. Ist Alo im Arbeitszimmer?“, fragte Shania.
„Ja, ist er. Gordon hat ihn angerufen, dass Don zu mir kommt. Ziemliche Quatschbase der Doc. Du solltest ihn anrufen, Don“, bemerkte Keme.
„Ich hab mit ihm gesprochen, während der Fahrt hierher, auch einige Male mit meinen Eltern, sie haben mir komischerweise gut zugeredet, dass ich das hier durchziehe. Sie wollten dich übrigens so schnell wie möglich kennenlernen, Shania“, erkannte er.
„So schnell ist das wohl nicht möglich, aber ich würde mich auch freuen. Wie sieht es bei euch aus, bleibt ihr zum Mittagessen?“, fragte Shania.
„Liebend gern, ich sag‘ auch kurz Tokori Bescheid. Unterhaltet euch solang mal schön“, erkannte Keme und ging zurück zu Tokori.
„Wir kennen uns noch gar nicht richtig, na ja, ich hab dich nackt gesehen, aber eigentlich weiß ich gar nichts von dir. Du bist Krankenpfleger, wie ich gehört habe, hast du schon mal jemand umgebracht?“, fragte Shania keck, als sie sich an den Tisch gesetzt hatten.
„Nein, du?“, fragte er cool zurück.
„Nein, noch nicht“, entgegnete sie grinsend.
„Ich liebe deine Tochter“, sagte er nur.
„Sie liebt dich auch, manchmal ist dass das einzige, was zählt. Ich hab gedacht, ich habe mein ganzes Leben mit meinem Mann, doch dann kam er in einer Box aus Mexiko zurück. Lebe jeden Tag, als wär er dein letzter“, erkannte Shania.
„Was war das dann vorher mit dem Seelenverwandten-Gequatsche“, bemerkte er kritisch.
„Ich wollte nur feststellen, ob sie mit ihrem ganzen Herzen dabei ist, das ist sie“, entschied sie.
„Ja, das weiß ich, wir sind nur kurz zusammen, aber es fühlt sich richtig an“, erkannte er mit starker Stimme.
„Ich hab‘ nichts gegen eure Beziehung, hab‘ ich doch gesagt“, entschied sie.
„Ich verstehe, gut“, bemerkte er nur.
„Was kochst du heute?“
„Kartoffeln und Fisch!“
„Klingt gut!“
„Ich red‘ morgen mit Dr. Shamrock, sie wird sicher Arbeit für dich hier haben“, bemerkte sie.
„Danke, das wäre nett!“
„Du redest nicht gern, oder?“
„Eigentlich schon, aber dein Vater hat mich etwas eingeschüchtert“, gestand er.
„Mein Mann hat sich vor Angst in die Hosen gemacht beim ersten Treffen mit Alo“, erwiderte Shania.
„Ja, hat Keme mir schon erzählt“, entgegnete er.
„Hilfst du mir beim Kartoffelschälen?“, fragte Shania.
„Klar, kann ich machen“, bemerkte er und folgte ihr in die Küche.

Zwanzigstes Kapitel


Zwei Tage später hatte Keme einen Ultraschalltermin und Donnelly kam mit zu der Ärztin, auch um seine Hilfe anzubieten.
„Ich konnte es kaum glauben, als Shania es mir erzählt hat, er hat dich gesucht und gefunden, das ist ja so romantisch“, bemerkte die Ärztin, als Keme in den Untersuchungsraum kam.
„Ja, er hat mir einen Antrag gemacht und ich hab Ja gesagt, aber das weißt du sicher auch schon“, erwiderte Keme.
„Es gibt nicht besonders viele Frauen hier, die über 40 sind, wir reden halt öfters“, erwiderte Dr. Shamrock erklärend.
„Hab‘ ja nichts dagegen, ist nur etwas seltsam. Dr. Shamrock, das ist mein Verlobter Don, Don, das ist meine Ärztin Dr. Shamrock“, erwiderte Keme vorstellend.
„Nicht nur deine Ärztin, wir sind nur drei Ärztinnen für über 500 Frauen, aber danke dass du mich so in dein Herz geschlossen hast“, erwiderte die Ärztin und Keme setzte sich auf den Untersuchungstisch.
„Wie viele Pfleger habt ihr hier?“, fragte Don neugierig.
„Pfleger, so wie in Krankenpfleger? Ich glaub so ein Dutzend, zumindest viel zu wenige, wir müssen ja mindestens 3 Kinder pro Woche zur Welt bringen“, erkannte die Ärztin.
„Ich bin ein Krankenpfleger mit fast 10 Jahren Berufserfahrung“, erklärte Donnelly.
„Das macht dich zu einem Experten, unsere Pfleger sind nur von uns Ärztinnen ausgebildet worden, wann kannst du anfangen?“, fragte Dr. Shamrock erfreut.
„Sofort, wenn Sie wollen“, bemerkte Donnelly.
„Arbeitskleidung liegt da hinten im Schrank“, erkannte die Ärztin nur.
„Sie meinen jetzt sofort?“, fragte Donnelly verwundert.
„Du hast doch gesagt du kannst sofort“, schmunzelte Keme.
„Darf ich davor noch ein Ultraschallbild von meinem Sohn sehen?“, fragte er hoffend.
„Klar, natürlich, dann machen wir das, leg‘ dich bitte hin“, erkannte die Ärztin und Keme legte sich auf den Rücken.
„So, dann schauen wir mal. Dir ist nicht mehr übel?“, fragte Dr. Shamrock und Keme nickte.
„Gut, gut, das wäre in dem Stadium auch ziemlich unüblich. Dann sehen wir mal“, entschied die Ärztin und legte das Ultraschallgerät auf.
„So, da ist ja dein kleiner Racker, ein gesunder Junge“, bemerkte Dr. Shamrock und Donnelly kullerte eine Träne über die Backe.
„Er ist so wunderschön“, schniefte er.
„Er ist die Frau in eurer Beziehung wie ich sehe“, schmunzelte die Ärztin.
„Ich bin eine männliche Krankenschwester, glauben Sie wirklich, dass diese Witze in meiner Gegenwart angebracht sind?“, grummelte er.
„Ja, entschuldigen Sie, ich hab nicht so viele Männer um mich herum gehabt in letzter Zeit. Okay, jetzt messen wir mal euer Baby, rein optisch sieht er sehr gut aus. Können Sie ihrer Verlobten Blut abnehmen?“, fragte die Ärztin.
„Klar, kann ich machen“, erkannte er und zog sich Handschuhe an.
„Das macht ihn irgendwie an, Nadeln in mich rein zu stecken“, erkannte Keme frotzelnd.
„Hey, ohne meine Erstversorgung wärst du jetzt nicht mehr am Leben“, konterte er.
„Ja, ich werde dir auch mein ganzes Leben dafür dankbar sein, Schatz“, bemerkte sie und ergriff seine Hand.
„Ich werde dir auch mein ganzes Leben dankbar sein, dass du mir einen Sohn gebierst“, erwiderte er und küsste ihre Hand.
„Ich bin so froh, dass du zu mir und unserem Baby stehst“, entschied sie plötzlich.
„Ich würde immer wieder so entscheiden. Ich bin meiner Sache jetzt sicherer, jetzt wo ich ihn gesehen habe. Er ist so wunderschön und perfekt“, entgegnete er.
„Die Doktorin hat Recht, du bist die Frau in unserer Beziehung“, frotzelte Keme.
„Es sind wenig Männer im Camp sagten Sie?“, fragte Donnelly noch mal nach.
„Jup, nur die Ehemänner der schwangeren Frauen, aber in unserer Crew gibt es kaum Männer, das wollte ich damit sagen. Wir haben eine Vätergruppe jeden Freitagabend, wenn Sie wollen kann ich Sie da eintragen“, schlug die Ärztin vor.
„Warten wir erst mal ab, bis ich Vater bin, danke. Also, hat mein Sohn die richtige Größe?“, fragte er.
„Ja, alles bestens, könnt‘ nicht besser sein. Ich geb mal die Daten in meine Unterlagen ein und du kannst dich wieder aufsetzen, Keme“, erkannte Dr. Shamrock und Keme setzte sich auf.
„Ist es normal, dass ich so zunehme?“, fragte Keme.
„Stell dich mal auf die Waage, dann kontrollier ich mal dein Gewicht“, bat die Ärztin. Keme zog sich bis zur Unterwäsche aus und stellte sich auf eine Fläche im Boden.
„Das sind nur 9 kg, das ist alles im Rahmen, es ist verständlich, dass dich das belastet, aber du bist immer noch eine sehr schlanke Frau, jedes Kilo wird die Geburt nur vereinfachen“, versprach Dr. Shamrock und Keme zog sich wieder an.
„Ich hab‘ ihr schon gesagt, dass sie sehr sexy aussieht“, erkannte Donnelly.
„Sie sieht auch sexy aus, das können Sie ihr ruhig dauernd sagen. So, Keme, ich untersuche jetzt dein Blut, das werde ich jetzt ein paar Mal während deiner Schwangerschaft machen auf Grund deiner früheren Heb B, ich will nur sicher gehen, dass du gesund bist und deinen Sohn nicht ansteckst“, bemerkte die Ärztin.
„Kann ich wieder krank werden?“, fragte Keme erschreckt.
„Mit großer Wahrscheinlichkeit nicht, Süße, ich will nur sicher gehen, dass es euch beiden gut geht. So, Pfleger Don, jetzt bereit etwas zu arbeiten?“, fragte die Ärztin und sah Donnelly an.
„Klar, immer doch, ich bring‘ nur schnell meine Verlobte heim“, erwiderte Donnelly.
„Ich komm schon allein heim, Schatz, fang‘ du ruhig an zu arbeiten“, entschied sie und stand auf.
„Wir sehen uns zu Hause. Man, ich liebe den Klang davon, zu Hause, ich bin erst kurz hier, aber ich fühle mich so wohl hier“, erwiderte er zufrieden und ging in den Nebenraum um sich für seinen Dienst vorzubereiten.
„Man, du musst ihn im Bett echt klasse befriedigen, dass er es so toll hier findet“, bemerkte Dr. Shamrock witzelnd.
„Seit ich schwanger bin hab‘ ich den besten Sex meines Lebens, vermutlich ist die Spannung weg, dass man schwanger werden kann“, erkannte sie lächelnd.
„Ich werde dir ein Verhütungsimplantat einsetzen, wenn du deinen Kleinen geboren hast, wenn dir das recht ist, außer du willst Kinder kriegen wie ein Kaninchen“, schmunzelte ihre Ärztin.
„Ein Implantat klingt nach einem Plan, jetzt will ich erst mal meinen Sohn bekommen, danach sehen wir weiter. Übrigens danke, dass du ihm einen Job gibst“, bedankte sich Keme und nahm ihre Tasche.
„Wir können hier jede Hilfe gebrauchen, es ist mir eine Ehre, wenn er hier arbeiten möchte. Er weiß aber schon, dass ich ihm nur ein Taschengeld bezahlen kann, oder?“, fragte die Ärztin.
„Ja, das ist eine wohltätige Organisation, mir geht es nicht um Geld, ich muss nur eine Familie versorgen können“, erkannte er, als er zurück zu den Frauen kam.
„Unser Leben wird einfach sein, aber es wird unser Leben sein. Du siehst sexy aus in Arbeitskleidung, weißt du das eigentlich?“, fragte Keme und küsste ihn.
„Das haben mir schon viele Frauen gesagt, aber du bist die einzige, der ich das ohne Grenzen glaube“, konterte er.
„Komm‘ schnell zurück zu mir, dass ich dir das Zeug vom Leib reißen kann“, säuselte sie, fuhr über seine Brust und verschwand aus der Untersuchungshütte.
„Man, wenn sie weiter so scharf auf mich ist, brauch‘ ich noch ein Potenzmittel“, bemerkte er etwas irritiert.
„Das wird sich in den nächsten Monaten verändern, bald werden Sie um Sex betteln“, versprach die Ärztin.
„Ich bin übrigens Don für dich, wir werden eng zusammenarbeiten, wir sollten Freunde werden“, schlug Don vor.
„Camille, aber während ich Patienten untersuche bin ich Doktor Shamrock für dich“, bat Camille und er nickte. Während Don sich mit seinem neuen Arbeitsplatz vertraut machte, ging seine Verlobte zur Hütte zurück. Als sie durch die Tür kam, stieß sie auf Tokori, die Kisten schleppte.
„Tokori, du darfst nicht schwer heben“, bemerkte Keme.
„Das sind nur leichte Sachen, keine Sorge“, erwiderte Tokori und stellte die Kiste ab. Überall in der Küche standen Kisten.
„Was machst du hier?“, fragte Keme verwundert.
„Ich zieh‘ um“, entschied Tokori.
„Du musst nicht ausziehen, wir sind leiser, versprochen“, erwiderte Keme verwundert.
„Nein, ihr werdet heiraten, das ist jetzt eure Hütte, ich werde mit einer anderen alleinstehenden Frau zusammenziehen, sie ist lesbisch und schwanger und ihre Lebensgefährtin starb auf der Reise hierhin, ich denke wir haben uns viel zu erzählen“, erklärte Tokori.
„Das musst du echt nicht machen“, entschied Keme besorgt.
„Ich möchte aber, es wird so besser sein. Ich bin ja nicht weit weg“, versprach Tokori.
„Okay, aber wenn irgendwas schief geht, dann kommst du zurück, okay?“, bat Keme.
„Ja, das hoffe ich schwer, ich möchte nicht wieder auf meinem Motorrad leben, das würde sich zusammen mit meinem Sohn auch etwas schwierig gestalten“, entschied sie.
„Mein Sohn wächst so wie es sein soll“, erklärte Keme.
„Das ist toll, ich hab‘ morgen einen Termin beim Doc. Wo hast du Mr. Hurricane eigentlich gelassen?“, fragte Tokori und setzte sich auf einen Barhocker am Tresen.
„Er hat bei der Arbeit nach einem Job gefragt und wurde gleich eingespannt“, erkannte sie grienend.
„Das ist klasse und so, aber ich will nicht dass er meine Privatzone sieht, das wäre schon etwas schräg“, erwiderte Tokori etwas unsicher.
„Ich glaube, er hat genug von denen gesehen um da professionell zu bleiben“, versprach Keme und Tokori sah sie schräg an.
„Ich werde Camille darum bitten, dass er nicht arbeitet, wenn du entbindest“, versprach Keme.
„Danke, das wäre mir echt recht. Es kommen gleich zwei Männer und bringen meine Sachen rüber, teilen wir die Klamotten auf oder wie machen wir es?“, fragte Tokori planend.
„Ja, so können wir es machen, wir haben früher schon Klamotten getauscht, bevor du so viele Muskeln bekommen hast“, schwelgte Keme in alten Erinnerungen.
„Ja, die gute alte Zeit. Ich hab‘ heut Morgen wieder mit meiner Mutter telefoniert, sie wird Weihnachten hierherkommen, alle werden kommen, ich dachte daran auch Hope und ihren Sohn einzuladen“, entschied Tokori.
„Alle werden kommen? Hältst du das für eine gute Idee?“, fragte Keme kritisch.
„Für die Beste überhaupt, die müssen sehen, dass es uns gut geht und wir nicht irgendwo in Alaska in einem Zelt erfrieren“, erkannte Tokori.
„Unsere Tante und Onkel kommen auch aus Mexiko?“, fragte Keme hoffend.
„Nein, leider nicht, sie sind jetzt Mexikaner, es wird zu schwer für sie sein in die Staaten einzureisen. Aber sobald es uns möglich ist, werden wir sie besuchen gehen“, versprach Tokori.
„Das wäre toll, sie müssen unsere Söhne kennenlernen, dass sie wissen, dass unser Stamm unter allen Umständen weiterlebt. Man, ich muss schon wieder flennen, dieser Hormonüberschuss ist echt ätzend“, schniefte sie plötzlich.
„Wem sagst du das, ich hab‘ unsere ganze schwere Zeit nicht so viel geflennt wie in den letzten drei Monaten. Ist es komisch wenn ich mir einrede, dass das Kind von Kai ist?“, fragte Tokori plötzlich.
„Nein, überhaupt nicht, wenn dich das glücklich macht. Darf ich dich fragen, wie der Kerl aussah, dessen Kind du jetzt austrägst?“, fragte Keme vorsichtig.
„Ungern, na ja, er war rothaarig denk‘ ich zumindest, vermutlich irischer Herkunft, in den 30ern, nicht der hässlichste Freier den ich je hatte, Gott sein Dank“, begann sie zu erklären.
„Der Vater deines Kindes ist ein Ire?“, fragte Keme prustend.
„Was ist daran so witzig?“, verstand Tokori nicht.
„Du hast Nativ-Amerikanische und Italienische Wurzeln und bekommst ein Kind mit irischen Wurzeln?“, fragte Keme frotzelnd.
„Du bist mexikanisch-nativ-amerikanisch und bekommst ein Kind von einem Weißen, ich würde nicht so laut tönen“, entschied Tokori.
„Zumindest wird mein Kind nicht rothaarig“, witzelte sie.
„Du bist schwarzhaarig, Don blond, das kann passieren“, erkannte Tokori zurück.
„Du machst Witze, oder? Der Auserwählte kann nicht rothaarig rumlaufen“, bemerkte Keme entsetzt.
„Keine Sorge, dafür wurde Henna entwickelt. Ich werde meinem Sohn alles über unseren Glauben und unserer Kultur beibringen, wenn schon von seinen Genen nicht viel übrig bleibt muss er es von uns lernen. Hast du eigentlich mal wieder ne Vision gehabt?“, fragte Tokori.
„Nein, in letzter Zeit nicht, vielleicht hört das ja auf“, entschied Keme.
Sie sollte nicht Recht behalten.

Einundzwanzigstes Kapitel


Donnelly Damascus wurde in dieser Nacht im Frühling darauf brutal geweckt, als Keme ihn beherzt in den Weichteilen packte.
„Autsch, was soll das?“, murmelte er schlaftrunken.
„Meine Fruchtblase ist grad geplatzt“, erkannte Keme keuchend.
„Wirklich?“
„Ja, wirklich“, schnaufte Keme.
„Ich hol den Rollstuhl“, erkannte Donnelly, löste den Griff seiner Verlobten und stand auf. Tokori hatte zwei Wochen zuvor mitten in ihrem Wohnzimmer in einer Sturzgeburt einen gesunden Sohn geboren und der Rollstuhl, den Donnelly für den Notfall bereitgestellt hatte, war unberührt geblieben.
„Ich will das Kind nicht hier im Haus zur Welt bringen“, bemerkte Keme weinerlich.
„Wie stark sind denn deine Wehen?“, fragte Donnelly und fasste ihr professionell auf den Bauch.
„Noch nicht so stark“, erwiderte sie.
„Dann werden wir es noch rechtzeitig in die Klinik schaffen. Ich hol‘ den Rollstuhl“, versprach er mit ruhiger Stimme.
„Ich hab‘ Angst“, erkannte sie weinerlich.
„Es wird alles gut, versprochen“, beruhigte er sie und holte eilig den Rollstuhl.
Sanft nahm er sie hoch und setzte sie hinein.
„Das tut so scheißeweh“, fluchte sie.
„Ich weiß, Süße, das wird noch schmerzhafter“, erkannte Donnelly.
„Das beruhigt mich jetzt gar nicht“, murrte sie.
„Keine Sorge, ich werde dir was spritzen dass du dich fühlst als würdest du auf Wolken schweben“, versprach er.
„Krieg‘ ich das gleich?“, fragte sie hoffend.
„Du bist ganz schön wehleidig für ne Frau die am ganzen Körper Narben hat“, schmunzelte er und rollte sie zum Ausgang.
Als er seine Verlobte mit einem leichten Beruhigungsmittel ruhig gestellt auf ein Krankenbett gelegt und an einen Wehenschreiber gehängt hatte rief er seine Chefin an.
„Es ist soweit“, bemerkte er nur durch sein Head-Set.
„Es ist 4:30 in der Früh, du musst schon etwas spezifischer werden“, murmelte Camille schlaftrunken.
„Ich hab‘ eine hochschwangere Freundin, was denkst du wohl was ich damit meine“, erkannte er.
„Wie sind die Abstände?“, fragte Camille etwas wacher.
„Alle sechs Minuten, ihr hab‘ ihr was zur Beruhigung gegeben“, erkannte er.
„Du bist kein Arzt, Don‘, du hast den kleinen Kai zur Welt gebracht, das macht dich aber nicht zu einem Geburtshelfer und schon gar nicht zu einem Arzt. Ich bin in zehn Minuten da, spritz‘ ihr bitte nichts mehr, bis ich komme, ja?“, bat Camille und er versprach es.
„Kommt sie?“, fragte Keme mit ruhiger Stimme.
„Klar kommt sie, Schatz, sie muss ja unseren kleinen Racker zur Welt bringen. Soll ich deine Mutter anrufen?“, fragte er mit ruhiger Stimme.
„Nein, lass‘ sie schlafen, ich musste lang genug ohne sie klarkommen, dann schaff‘ ich das auch allein“, entschied sie.
„Du bist nicht allein, du hast mich, für immer“, versprach er.
„Ich werde heute deinen Sohn zur Welt bringen, das hoff‘ ich mal schwer“, murmelte sie.
„Ich wollte gerade romantisch sein“, grummelte er.
„Ich krieg‘ grad ein Kind, ich bin grad‘ nicht so romantisch drauf“, erkannte sie.
„Klar, sorry. Was kann ich dir bringen?“, fragte er hilfsbereit.
„Ich hab Durst“, erwiderte sie.
„Klar, liegt auch an dem Mittel was ich dir gegeben habe, ich werde dir was zum Trinken holen, nicht weggehen“, erkannte er und eilte in einen Nebenraum.
„Nicht weggehen, dein Daddy ist ein kleiner Witzbold“, redete Keme mit ihrem ungeborenen Sohn.
„Ich hab‘ nur Eiswürfel, die kannst du lutschen. Camille kommt sicher gleich. Soll ich vielleicht Tokori anrufen?“, fragte Donnelly.
„Wage es ja nicht, sie hat ein 2 Wochen altes Baby zu Hause, wenn sie mal schlafen kann dürfen wir sie auf keinen Fall wecken“, bat Keme.
„Ja, da hast du auch Recht. Hier“, erwiderte er und gab ihr einen Eiswürfel in den Mund.
 
Wie versprochen kam Camille 10 Minuten später. Zuerst verlief die Geburt ohne Komplikationen aber plötzlich stieg Kemes Blutdruck und sie wurde wieder heiß.
„Keme, bleib‘ bei mir, Keme“, bat Camille, aber Keme verdrehte die Augen und wurde bewusstlos.
„Was ist los mit ihr?“, fragte Donnelly nervös.
„Ich weiß es auch nicht, sie glüht wie verrückt, sie ist grade in der Endphase, ich muss einen Dammschnitt machen, wenn ich das Kind holen will“, erwiderte Camille hektisch.
„Was muss ich machen?“, fragte Donnelly, der versuchte sich zusammen zu reißen.
„Okay, komm‘ hierher“, bat Camille. Donnelly legte die Hand seiner Freundin vorsichtig hin und kam zu der Ärztin.
Mit ein paar professionellen Handgriffen wurde Rafael Beltran geboren. Keme war die ganze Zeit bewusstlos und murmelte etwas im Costano-Dialekt. Während Donnelly seinen neugeborenen Sohn Erstversorgte, nähte Camille Keme wieder. Camille spritze ihr noch ein leichtes Schlafmittel, dass sie sich erholen konnte. Wie gebannt sah Donnelly begeistert seinen Sohn an.
„Er ist so süß“, erkannte er mit Tränen in den Augen.
„Ja, er hat viel Ähnlichkeit mit Kai jr., die beiden Jungs werden später mal den Mädels hier heftig den Kopf verdrehen. Das war das Abgefahrenste was hier jetzt passiert ist, ich hab‘ keine Ahnung was das war“, erkannte Camille etwas benommen.
„Das war eine Vision, die hatte sie in den letzten Wochen fast täglich, immer zu den unpassendsten Zeitpunkten, das kann ich dir sagen. Ist sie über den Berg?“, fragte er und nahm seinen Sohn liebevoll an seine Brust, nachdem er ihn gebadet und angezogen hatte.
„Körperlich ist sie in Ordnung, das kann ich dir schon sagen, aber all die anderen Sachen haben mir echt eine Wahnsinnsangst gemacht“, entschied sie.
„Willkommen in meinem Leben mit einer Costano, ich hoffe dieser kleine Spatz hier wird davon verschont. Er hat keine roten Haare so wie Kai, Gott sei Dank“, schmunzelte er und fuhr mit seiner Hand liebevoll über die dünnen, schwarzen Haare seines Sohnes.
„Ja, das sieht bei Kai jr. echt schräg aus. So, mein Engel, ich vertraue deinem Vater zwar sehr, dass er dich richtig untersucht hat, aber den ABGAR-Test mach ich mit dir trotzdem noch mal. Gib ihn mir mal bitte“, bat Camille und etwas zögerlich gab Donnelly seinen Sohn weiter.
„Sieh nur, die Sonne geht auf“, erkannte er plötzlich und sah aus dem Fenster in einen wunderschönen Sonnenaufgang.
„Ja, dein Sohn hatte es eilig, den noch mitzukriegen. Ruh‘ dich aus, Don‘, du siehst fertig aus“, bat Camille.
„Ich hab‘ grad bei einer Dammschnittoperation meiner Freundin assistiert, es wird ne Weile dauern bis ich wieder mit ihr schlafen kann“, murmelte er erschöpft und folgte Camille in einen Nebenraum, auf dessen Untersuchungstisch Camille den Auserwählten der Costanos noch mal gründlich untersuchte.
„Ja, dein Sohn hat alles gut überstanden, ich binde dir deinen Sohn mit einem Tuch an die Brust, dein Herzschlag wird ihn beruhigen, ich hoff‘ mal dass Keme bald aufwacht“, bemerkte Camille und band Rafael sanft an die Brust seines Vaters.
„Ist sie in Gefahr?“, fragte er besorgt.
„Ich denk‘ eher weniger, aber jetzt lassen wir sie erst mal ausruhen. Zeig‘ deinem Sohn mal die große weite Welt, ich mach‘ hier alles fertig“, erkannte Camille beruhigend. Donnelly legte eine Decke über Rafael und ging nach draußen.
 
Sechs Stunden später kam Keme endlich wieder zu Bewusstsein.
„Camille, sie ist wieder da“, rief Donnelly und fuhr sanft über ihr Gesicht, als Keme wieder zur Besinnung kam.
„Was ist passiert?“, fragte sie benommen.
„Du bist uns einfach weggesackt, meine Süße, du hattest ne Vision während der Geburt“, erkannte Donnelly.
„Man, kann ich diese Visionen irgendwo zurückgeben? Wie geht es meinem Baby?“, fragte Keme und fasste sich an den Bauch.
„Wo ist mein Sohn?“, fragte sie panisch.
„Hey Rafael, sag‘ mal hallo zu deiner Mummy“, erkannte Donnelly und drehte sich zur Seite. Er hatte sich den Kleinen auf den Rücken geschnallt.
„Ist er gesund?“, fragte sie hoffend.
„Wie ein Pferd, er hat das alles besser überstanden als seine Mutter. Willst du ihn halten?“, fragte er lächelnd und sie nickte. Camille nahm ihm Rafael ab und legte ihn sanft auf die Brust seiner Mutter.
„Gott sei Dank, er hat keine roten Haare“, bemerkte sie schluchzend.
„Ja, hab‘ ich auch schon gesagt, das dürfen wir aber nicht in Tokoris Gegenwart sagen, sie ist noch ein bisschen empfindlich bei dem Thema, dass ihr Sohn rumläuft wie ein Feuermelder“, schmunzelte er.
„Mein Sohn ist kein Feuermelder, klar? Warum habt ihr mich nicht angerufen?“, fragte Tokori, die ohne ihren Sohn zu ihnen kam.
„Das war alles etwas hektisch hier und wir wollten dich schlafen lassen. Wo ist Kai?“, fragte Donnelly, als er bemerkte, dass sie allein war.
„Bei meiner Mitbewohnerin, er hat geschlafen, da hab‘ ich ihn liegen lassen. Da ist er also, unser Auserwählter, es ist mir eine Ehre“, erkannte Tokori und kniete sich ehrfürchtig auf den Boden.
„Stehst du bitte vom Boden auf, das musst du nicht tun“, bemerkte Keme kopfschüttelnd und Tokori rappelte sich wieder auf.
„Er wird unseren Stamm in eine neue Zeit anführen, etwas Respekt ist da schon geboten“, entschied Tokori.
„Ja, sicher, aber kriech‘ nicht mehr auf dem Boden rum für ihn, mein Sohn kriegt sonst ein Riesgenego. Apropos Riesenego, hast du es meiner Mutter schon gesagt, Don‘?“, fragte Keme ihren Verlobten.
„Äh, wupps“, bemerkte Donnelly beschämt.
„Ich ruf‘ sie an“, erklärte Camille und setzte ihr Head-Set auf.
Keine fünf Minuten später kam Shania zu ihrer Tochter und ihrem Enkel. Mit bösem Blick sah sie Donnelly an.
„Sorry“, murmelte Donnelly verlegen.
„Sechs Stunden? Mein Enkelsohn ist schon sechs Stunden alt und du meldest dich jetzt erst bei mir?“, fragte Shania kopfschüttelnd.
„Wir hatten etwas Stress hier, lass‘ ihn in Frieden“, bat Keme erschöpft.
„Darf ich ihn mal halten?“, fragte Shania sanfter und Donnelly gab ihr ihren Enkelsohn weiter.
„Er ist eine Schönheit, diese schönen dunklen Haare“, erwiderte Shania begeistert.
„Ja, ich hab’s kapiert, mein Sohn sieht aus wie ein Kobold“, raunzte Tokori.
„Dein Sohn ist auch eine Augenweide, keine Angst, nur halt na ja, rothaarig, aber das wird sich sicher noch verändern. Du siehst übrigens furchtbar aus, Tochter“, erkannte Shania und sah zu Keme.
„Ich hatte einen Dammschnitt und eine Vision während der Geburt, danach sieht man halt nicht mehr aus wie der junge Morgen“, murmelte Keme.
„Du hattest eine Vision? Was hast du gesehen?“, fragte Shania neugierig.
„Keine Ahnung, ich war damit beschäftigt nicht abzunippeln“, entschied Keme.
„Ich hab‘ dein Costano-Gequatsche mit meinem Handy aufgenommen, dachte du brauchst es vielleicht später mal“, erkannte Donnelly.
„Das ist lieb von dir, danke, aber nenn meine Gabe niemals mehr „Costano-Gequatsche“, bat Keme ernst.
„Klar, sorry, kannst es dir ja mal anhören wenn es dir besser geht. Ich bring‘ dich jetzt auf die Krankenstation wo du dich erholen kannst“, bemerkte er, zog sie auf seine Arme und trug sie in ein richtiges Krankenbett zwei Hütten weiter. Tokori und Shania kümmerten sich zur gleichen Zeit liebevoll um den neuen Erdenbürger.
 
Eine Woche später konnte Keme wieder nach Hause. Klein Rafael war schon zwei Tage zuvor nach Hause gekommen und Shania hatte die Nächte bei ihrem zukünftigen Schwiegersohn verbracht, um ihm zu helfen.
„Ich hab‘ euer Bett neu bezogen und Nahrungsmittel besorgt, du kannst mich auch immer anrufen, solang es nicht mitten in der Nacht ist. Rafael schläft in seinem Bettchen“, erklärte Shania, als sie Keme abholten.
„Ich freue mich so, meinen Süßen wiederzusehen, ich hab‘ ihn so vermisst“, erwiderte Keme und Donnelly schloss die Tür auf.
„Er ist ein Engel, er schläft die ganze Zeit durch, ich hab‘ gar nicht helfen müssen. Tokori ist grad mit Kai bei ihm. Tokori, wir sind da“, rief Shania in den Raum.
„Don‘, komm mal schnell“, rief Tokori und Don eilte zu ihr. Rafael glühte und wand sich in seinem kleinen Bettchen.
„Was hat er?“, fragte Shania entsetzt. Behutsam nahm Keme ihren Sohn auf ihre Arme.
„Ihr Geister, ich weiß, ich rede sonst nicht mit euch, aber lasst meinen Sohn in Ruhe, er ist erst eine Woche alt, er versteht eure Visionen noch nicht“, bat Keme mit kraftvoller Stimme und plötzlich wurde Rafael ruhig und sein Fieber senkte sich.
„Das war unglaublich, wusste gar nicht, das du das kannst“, bemerkte Tokori verblüfft.
„Hallo! Ich bin die Auserwählte, ich kann so einiges. Lasst uns gefälligst in Ruhe, wir sind eure Sprecher auf Erden, wir werden nicht mehr sprechen, wenn ihr meinem armen kleinen Sohn schadet“, sprach Keme mit den Geistern ihrer Vorfahren.
„Man, ich hab‘ dich noch nie so stark gesehen, dass macht dich nur noch sexier“, erkannte Donnelly stolz und legte die Hand auf die Schulter seiner Freundin.
„Bring‘ deinen Sohn bitte zu Camille, die soll ihn sich mal ansehen, aber ich glaube, wir haben jetzt Ruhe“, erwiderte Keme weiter mit ernster Stimme und Donnelly ging mit seinem Sohn aus der Hütte.
„Ich hab‘ dich noch nie mit den Göttern sprechen sehen, nicht mal in Zeiten schlimmster Not“, bemerkte Tokori verwirrt.
„Bis jetzt hatte ich auch nie solche Angst, ich zittere immer noch“, erkannte Keme plötzlich und stützte sich am Babybett.
„Es strengt dich an, dass zu machen? Auch wenn das ätzend klingt, bin ich immer noch eifersüchtig“, erkannte Tokori.
„Ich weiß, ich bin mit dir aufgewachsen. Ich leg‘ mich hin, bin noch ziemlich fertig. Du kannst ruhig bleiben und weck‘ mich, wenn Don zurückkommt“, erkannte Keme und legte sich aufs Bett neben dem Babybett.
„Ich könnte auch etwas Schlaf gebrauchen, das Babybett ist groß genug für beide Jungs, darf ich Kai ins Babybett legen?“, fragte Tokori, die Kai auf ihrer Brust geschnallt hatte.
„Klar, mach‘ das, leg‘ dich neben mich, Don‘ muss eh in einer Stunde arbeiten“, bemerkte Keme und so machte es Tokori.
 
Kemes harsche Worte an die Geister schienen zu wirken, Rafael hatte keine Vision mehr bis zu seinem 21. Geburtstag.
„Ich kann kaum glauben, dass wir heute hier stehen, als du geboren wurdest, dachte ich niemals, dass wir hierher zurückkommen würden und hier die wichtigste Zeremonie in deinem Leben abhalten“, erkannte Keme und legte die Hand auf die Schulter ihres groß gewachsenen Sohn.
„Hier ist es zumindest wesentlich wärmer als in Alaska. Wo steckt Kai eigentlich? Er müsste doch schon zwei Stunden mit dem Dienst fertig sein“, erkannte Rafael und sah sich um. Kai war wie sein Großvater in San Jose zur Polizei gegangen und war gerade mit der Ausbildung fertig geworden. Rafael war, wie schon seine Vorfahren ein Kopfgeldjäger, was Keme einerseits besorgte, andererseits furchtbar stolz machte. Nun standen sie mitten im Indianerreservat von Kemes Ahnen und warteten auf Kai.
„Er hat nen festen Job, er kann nicht einfach so Feierabend machen“, erkannte Tokori, die die Farbe anrührte um ihn für die Zeremonie rituell zu bemalen.
„Ja, er ist der Gute von uns, hab‘ schon verstanden. Wo ist Sike? Die sind irgendwie alle nicht da für meinen wichtigen Tag“, nörgelte Rafael.
„Man Raf‘, manchmal bist du echt eine Diva“, entschied Sike, der in Motorradkluft zu ihnen gerannt kam. Der 40-jährige Sohn der Tante seiner Mutter hatte mit ihm 3 Jahre zuvor ein ganz neues, modernes Kopfgeldbüro eingerichtet.
„Besser eine Diva als ein Chaot wie du. Du bist verdammt spät“, entgegnete Rafael cool.
„Du hast dir drei Tage freigenommen, irgendjemand muss ja das Büro leiten. Pascal und Ivette hab‘ ich vorhin ins Wochenende geschickt und das Büro dicht gemacht. Wo ist der große Führer denn?“, fragte Sike.
„Wenn ich das nur wüsste, Mr. Polizist scheint noch in seinem ersten Jahr den Detektive drauflegen zu wollen, der kleine Streber“, schmunzelte Rafael. Auch wenn er seinen Kumpel immer aufzog, sie waren die besten Freunde und lebten auch zusammen wie ihre Großväter es getan hatten. Als er sich noch einmal umsah, sah er wie sein Kumpel, der etwas längere Haare zu einem Zopf gebunden und seine Polizeiuniform trug, lächelnd zu ihnen geschlendert kam. Rafael kam zu ihm gelaufen.
„Hey Red, hast du den Captain davon überzeugt bekommen, dass du seinen Job besser machen kannst?“, frotzelte Rafael, als er ihn erreicht hatte. Rafael nannte ihn Red auf Grund seiner immer noch feuerroten Haare. Er war aber der einzige, der ihn so nennen durfte.
„Es ist nie falsch, Ziele in seinem Leben zu haben, Bruder. Lexi kommt doch nicht, sie hat Ende der Woche Zwischenprüfungen und muss noch einiges tun“, entgegnete Kai. Lexi war Tokoris und Gordons gemeinsame 19-jährige Tochter. Auf der Hochzeit von Donnelly und Keme hatten Tokori und Gordon eine Sympathie füreinander entwickelt und hatten kurz vor Lexis Geburt geheiratet.
„Tja, sie ist halt ganz deine Schwester. Mach‘ dir nichts draus, meine Schwestern kommen auch nicht, Kabecka ist heut‘ Morgen zum Zelten gefahren und Magaska ist mit Dad bei Großvater und Großmutter“, erkannte Rafael.
„Dann sind wir wohl nur zu zweit, na ja außer unsere Mütter und Sike, was macht der eigentlich hier?“, fragte Kai und ging mit ihm zurück zu ihren Müttern.
„Er ist Familie, er gehört zu diesem Ritual dazu, er weiß mehr über unsere Kultur als jeder andere. So, zieh‘ dich bis zur Unterhose aus“, bat Rafael und begann sich auszuziehen.
„Man, ich muss mir den Schießen das Gehör beschädigt haben, ich hab‘ verstanden dass ich mich ausziehen soll“, bemerkte Kai.
„Hast du Schiss, Officer?“, fragte Rafael frotzelnd.
„Ich hab‘ vor nichts Angst“, entschied Kai und begann sich auszuziehen.
„Du blinkst, Mann“, entgegnete Rafael plötzlich. Kais kugelsichere Weste blinkte.
„Ja, die muss ich deaktivieren, bevor ich sie ausziehe, sonst meldet sie einen Alarm, ganz schön nervig, aber rettet mir im Notfall den Hintern. Ich kann nicht glauben, dass ich das hier mache“, bemerkte Kai schmunzelnd, während seine Mutter begann ihn zu bemalen.
„Du bist der Führer unseres Stammes, nimm das bitte etwas ernster“, bat seine Mutter.
„Ich nehm‘ das ernst, ich kann das doch trotzdem amüsant finden, oder?“, fragte Kai.
„Sieh das als Arbeit an, das nimmst du doch auch ernst, oder?“, fragte Rafael, der diese Prozedur mit ernstem Gesicht über sich ergehen ließ.
„Das kannst du gut sagen, du kriegst schließlich die Drogen nachher“, entschied Kai.
„Das sind keine Drogen, nur Kräuter, die dir helfen eine Vision zu bekommen. Die wirst du aber leicht bekommen, keine Sorge, du bist ein Seher, du hattest schon Visionen, da warst du noch keine Woche alt“, erklärte Keme.
„Muss ich wirklich drei Tage hungern?“, fragte Rafael.
„Ich hab‘ früher länger hungern müssen, dass wirst du überleben, mein Sohn“, entschied Keme und bemalte sein Gesicht.
10 Jahre zuvor war das Handelsverbot mit den vereinigten Staaten endlich aufgehoben worden und die amerikanische Wirtschaft erholte sich Stück für Stück. Keme war mit ihrer Familie dorthin zurückgekehrt, weil sie nirgendwo anders alt werden wollte. Während sie ehrfürchtig das Ritual vorbereitete, was ihren Sohn zum Auserwählten des Stammes machte, dachte sie an die Zeit zurück, als sie das Ritual durchleben musste. Sie hoffte der Geist ihres Vaters war in diesen schweren Stunden an der Seite seines Enkels und würde ihn mit starker Hand in eine neue, doch bessere Zukunft führen.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 18.08.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
The ground on which we stand is sacred ground. It is the blood of our ancestors. Chief Plenty Coups (Crow)

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