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Erstes Kapitel


Die Sonne senkte sich gen Abend in San Jose, Smogwolken des Feierabendverkehrs mischten sich mit dem aufgewirbelten Staubes, der aus der Wüste angeweht worden war. Die Innenstadt war ungewöhnlich voll und hupende Autos standen an jedem Eck. Mit einem dumpfen Schlag landete der junge Polizist Harvey auf der Trainingsmatte des Trainingsstudios des Reviers in San Jose.
„Au“, grummelte er und setzte seine Brille wieder richtig auf die Nase, von der sie runter gerutscht war.
„Kontaktlinsen sind ne gute Erfindung, müsste sogar schon bei dir angekommen sein“, kritisierte sein Kollege Tristan ihn, weil er sich wieder wie eine Mimose benahm und stieg von seinem Brustkorb herunter.
„Du wiegst 200 Pfund, mir kommt da der Vergleich mit dem Elefanten und der Maus in den Sinn“, keuchte er und wurde von ihm hochgezogen.
„Wenn du etwas mit den Gewichten trainieren würdest, wie ich es dir ständig sage, könntest du mich auch eines Tages besiegen. Du kleiner Schwächling. Jetzt geh’ dich duschen, wir haben gleich eine Einsatzbesprechung“, klopfte er den Talg an seinen Händen an seiner blauen Trainingshose ab und verließ die Trainingshalle.
Der 21-jährige Hispano-Nativamerikaner war ein schlaksiger groß gewachsener junger Mann. Sein Vater war der Top-Journalist des Mercury News und seine Mutter war die attraktivste Polizistin der Stadt. Sie arbeitete nur noch halbtags in einem Polizeirevier in der Nähe und er hatte öfters als ihm lieb war mit ihr zu tun. Er war zu schmächtig für den Außendienst, zumindest redete er sich das ein. Er litt unter Panikattacken, er hatte ständig irgendwelche Allergien, die er mit starken Medikamenten behandeln ließ und war auch sonst nicht so viel Mann wie er sich das wünschte.
„Harvey, deine Mutter ist dran“, kam eine Kollegin mit einem Handy in der Hand zu ihm in die Trainingshalle.
„Schon wieder? Ihr muss echt langweilig sein“, entgegnete er, klopfte sich auch den Talg von den Händen und nahm das Telefon.
„Mum, hey, ist dir schon wieder was für die Einkaufsliste eingefallen?“, fragte Harvey und setzte sich auf einen Gymnastikball.
„Ich weiß, ich nerv dich damit, aber Mai und ihr Verlobter kommen jetzt doch noch. Ich brauch noch zwei Brote und nen Salat“, erkannte Meg und Harvey rollte mit den Augen.
„Hab’ ich notiert, ich werde noch duschen, dann werde ich einkaufen fahren und in einer halben Stunde bin ich zu Hause“, versprach er und drückte sie ohne weitere Worte weg.
„Mamasöhnchen, du hast die Dienstbesprechung vergessen, die halbe Stunde wird wohl nicht reichen“, kam Tristan nur in Shorts bekleidet zurück zu ihm.
„Oh man, zieh dir was an, ich hab’ schon genug Komplexe wegen meines Körpers. Ich werde nicht hingehen, meine Schwestern sind nur ein Mal im Jahr zu Hause, dann will ich die Zeit lieber mit ihnen verbringen. Ich hoffe, du hast nicht schon wieder das ganze heiße Wasser verbraucht“, zog er sein Hemd aus und ging in die Dusche.
 
„Freust du dich auf deine Schwestern?“, fragte Larry seinen Partner als sie beim Einkaufen waren. Larry war der Sohn der Partnerin seiner Mutter.
„Nicht so sehr, wie du dich auf meine Schwester freust. Wäre echt mal gut, wenn du zugeben würdest, dass du sie magst“, zog Harvey ihn auf.
„Was macht das jetzt noch, sie wird in drei Wochen diesen Börsenmakler heiraten“, fuhr Larry durch seine Haare und band seine langen Haare wieder zusammen. Larry und Harvey waren die einzigen Polizisten in ihrem Revier die lange Haare hatten. Sie durften so rumlaufen, wofür sie viele ihrer Kollegen beneideten. Sie waren amerikanische Ureinwohner, bei ihnen sah es wenigstens nicht lächerlich aus.
„Ich Meg den Knilch so wenig wie du, aber sie Meg ihn. Aus diesem Grund hab’ ich dich heut Abend nicht eingeladen, du würdest sicher Dinge tun, die du morgen bereust“, schmunzelte Harvey und beugte sich in die Kühltheke um die Salate raus zu holen.
„Ihn abknallen und so?“, fragte Larry keck.
„Ja, so in etwa. Nimm mal“, drückte er ihm noch in der Kühltheke hängend die Salate in die Hand.
„Wofür brauchst du fünf Salate, habt ihr Schildkröten zu Hause?“, fragte Larry, als er immer mehr beladen wurde.
„Gut, du hast es schon gesagt, dann muss ich nicht fragen, wie viele du hast. Hier sind noch zwei und zwei Salatherzen. Das müsste reichen. 8 Frauen werden heut Abend kochen, aber ich muss einkaufen gehen. Manchmal hasse ich es, der Dienstbote der Familie zu sein“, kam er wieder aus der Kühltheke hervor.
„Das ist wirklich nett, meine Schwestern und meine Mutter sind da, sogar mein Vater wird kommen, wenn er den Auftrag in Frisco noch fertig kriegt, aber nein, ich muss mir eine Tiefkühlpizza aufbacken und mir die zigste Wiederholung von Law & Order Detroit reinziehen“, entgegnete Larry schroff.
„Darf ich dich an letztes Jahr erinnern. Da hast du ihm seinen Wagen zerkratzt“, konterte Harvey und nahm ihm die Salate ab um sie in den Einkaufswagen zu werfen.
„Man hat den Kratzer nicht mal gesehen“, verteidigte sich Larry und schlug auf dem Display an der Kühltheke herum, der flimmerte.
„Du solltest deine Wutausbrüche echt mal therapieren lassen, bevor es der Lieutenant von dir verlangt“, hielt er seine Hand fest, dass er das Ding nicht noch mehr beschädigte.
„Ich hab’ mich im Griff, alles cool“, behauptete Larry und grinste schelmisch.
„Du lässt deine Waffe zu Hause?
„Darf ich dann kommen?“
„Wenn du ihn auch nur schief angrinst, schmeiß ich dich raus“, versprach Harvey.
„Gut Harv, ich werde brav sein!“
„Acht Uhr und bring Wein mit“, gab er nach.
„Werde pünktlich sein. Also was brauchen wir noch?“, war Larry sofort besser gelaunt und spazierte voran.

Zweites Kapitel


Die Beltrans wohnten in einem Haus außerhalb. Die erste Regel im Haus war, dass Waffen vor der Tür ausgezogen werden mussten.
„Larry, Waffe“, ermahnte Harvey seinen Partner.
„Ich versteh diese Regel echt nicht, deine Mutter ist doch auch Polizistin“, löste Larry seinen Waffengürtel.
„Hope soll nicht mit Waffen konfrontiert werden, das regt sie zu sehr auf. Das weißt du doch, es ist wirklich nicht einfach eine geistig behinderte kleine Schwester zu haben. Gib her“, nahm er ihm den Gürtel ab und verstaute ihn zusammen mit seinem in einer Metallbox hinter einem großen Blumenkübel.
„Ich hab’ gehört, dass sie nach Washington reisen darf mit ihrer Klasse, stimmt das?“, fragte Larry, als sie rein gingen.
„Ja, sie ist schon ganz aufgeregt, sie darf sogar ein paar Worte sagen. Ich bin so stolz auf sie. Man, was steht hier alles rum, Mum, was ist hier los?“, rief Harvey in den Raum, weil er über einige Koffer stolperte.
„Harv“, kam seine fünfzehnjährige Schwester auf ihn zugestürmt und umarmte ihn herzlich.
„Hi Hope. Wie geht’s dir, mein Schatz?“, begrüßte er seine Schwester liebevoll.
„Mama hat schon alles gepackt für Washington“, quiekte Hope gut gelaunt.
„Schätzchen, du fährst erst in sechs Wochen“, erwiderte Harvey amüsiert.
„Ihr Gepäck fährt aber schon heut Abend, ich lasse es vorschicken, dann ist sie freier. Du bist spät dran“, kam Meg in einem schönen roten Kleid mit einer Schürze um die Hüfte aus der Küche und gab ihm ein Küsschen auf die Backe.
„Es war viel los an der Kasse. Ich hab’ Larry mitgebracht, er tat mir einfach leid“, entgegnete Harvey und stieg über noch einen Koffer.
„Larry, du weißt, ich liebe dich wie einen Sohn, aber wenn du nur ein Wort sagst, dann pust ich dir den Schädel weg“, entgegnete Meg und umarmte Larry.
„Mami“, hüpfte Hope nervös auf und ab.
„Entschuldige, mein Schatz, das wollt ich nicht sagen. Bringst du die Koffer schon mal ins Auto, mein Schatz, dann haben wir hier wieder Platz“, bemerkte Meg und ging mit den Männern in die Küche.
„Was machst du hier?“, fragte Dena ihren Sohn und seine Schwestern straften ihn synchron mit einem bösen Blick.
„Da kommt man doch gern nach Hause, bei so viel Liebe. Ich werde die Klappe halten, versprochen“, küsste Larry den Kopf seiner Mutter.
„Das werde ich dir auch geraten haben. Haben wir überhaupt genug zu essen? Ich meine du hast ihn gar nicht eingeplant“, beriet sich Dena mit Meg.
„Mum, ihr kocht für den halben Bundesstaat, da wird wohl ein Teller für den Mann dabei sein, der mir tagtäglich zur Seite steht. Oh man, schwuler hätt’ ich das jetzt echt nicht sagen können. Ich freu mich schon auf die Strippbar am Wochenende“, entgegnete Harvey gespielt cool.
„Ihr habt doch nicht immer noch vor in diese Salmonellenklause zu gehen“, kritisierte Wauna, Larrys zwei Jahre ältere Schwester ihr Vorhaben.
„Ich werde nur ein mal dreißig und Junior ist endlich 21 und kann mit rein. Ihr könnt ja auch mitkommen“, bemerkte Larry cool.
„Nein danke. Wasch dir die Hände, du kannst den Salat schneiden“, entschied Natane, die Älteste von Denas Kindern.
„Kann ich machen. Wie geht es eigentlich deinem Freund?“
„Welchen meinst du?“, mischte sich Wauna in das Gespräch mit ein.
„Naty du bist 33, du kriegst noch einen Herzkasper bei so vielen Männern“, schmunzelte Harvey neckisch.
„Du kriegst gleich einen hinter die Löffel, Meg wie hast du deinen Sohn erzogen, der hat kein Respekt vor dem Alter“, mischte sich Dena ein.
„Das ist Vetos Schuld, einigen wir uns darauf. Ich werde mal sehen, ob Hope Hilfe braucht, kannst du nach der Suppe gucken, Sohn?“, bat Meg und ging aus der Verandatür nach draußen. „Was für eine große Aufgabe, ich fühl mich geehrt“, grummelte Harvey und sah zu, wie seine Mutter zusammen mit seiner Schwester den Kofferraum füllte. Er musste lächeln.
„Also Mamasöhnchen, wie sieht es jetzt aus mit dem Wochenende?“, fragte Larry, als die beiden Männer später etwas abwärts auf Campingstühlen saßen und Bier tranken.
„Du fühlst dich wohl ziemlich sicher so entfernt von meiner Waffe. Nenn mich nie wieder Muttersöhnchen“, nahm er einen großen Schluck aus seiner Bierflasche.
„Du wirst mir deine 10 Punkte mehr beim Schießtraining bis an mein Lebensende unter die Nase reiben, oder?“, nahm Larry auch einen großen Schluck.
„Du schießt seit zehn Jahren, ich erst sechs Monate, ich darf doch ein bisschen darauf stolz sein, oder?“, fragte Harvey und schlug sich stolz auf die Brust.
„Au, das hat weh getan“, erwiderte er.
„Sag ich doch, Muttersöhnchen“, zog Larry ihn weiter auf.
„Okay, das reicht, ich hol meine Waffe“, sprang er auf.
Er torkelte über den Rasen.
„Bruder, du hast einen im Tee“, gackste Larry auch betrunken und stützte seinen Kumpel, als sie zu den andren gingen.
„Es gibt nichts erbärmlicheres als zwei Nativ-Amerikaner die berauscht sind von dem Feuerwasser der Weißen“, kam Wauna zu ihnen, breit grinsend.
„Doch, eine Frau des 21. Jahrhunderts die zu einem anständigen Bier immer noch Feuerwasser sagt“, erklärte Larry und lud Harvey auf einen Stuhl.
„Ich wollt langsam fahren, soll ich dich mitnehmen?“, fragte Natane die sich zu ihnen gesellte.
„Nein, nein ich bin mit dem Streifenwagen da, ich werde heimfahren“, bemerkte Larry cool.
„So cool bist du nicht, dass du das deinen Kollegen erklären kannst in deinem Zustand. Ich nehm dich mit. Schlaf gut, Kleiner, kotz‘ deiner Mutter bloß nicht den Flur voll, sie hat noch genug zum Aufräumen morgen“, küsste Natane Harveys Backe und ging mit ihrem Bruder über den hoch gewachsenen Rasen zu ihrem Wagen.
 
„Ich bin stolz auf dich“, lobte Veto seinen Sohn, als sie zur späten Stunde nur als engste Familie auf dem Rasen lagen.
„Ich bin zu betrunken um dahinter zu steigen, was du damit bezwecken willst“, lallte Harvey betrunken.
„Er meint, weil du Mais Verlobten in Ruhe gelassen hast. Ich bin auch stolz auf dich“, bemerkte Meg neben ihm.
„Es gibt einen Grund, warum ich so betrunken bin. Ich musste jedes Mal, wenn ich was sagen wollte, was trinken“, gackste er und grinste breit.
„Sie lieben sich, da kann man nichts dagegen machen“, bemerkte Veto.
„Du magst ihn auch nicht?“, stützte sich Harvey auf.
„Er ist ein fremdenfeindlicher Liberaler, aber wir müssen ihn akzeptieren, um sie nicht zu verlieren“, entschied Meg und Harvey übergab sich auf dem Rasen.
„Zumindest hast du das nicht im Haus gemacht. Alles in Ordnung bei dir, Junge?“, fragte Meg konternd.
„Diese furchtbaren Liberalen und ihr Feuerwasser. Ich werde einen Eimer voll Wasser holen und das weg spülen, bevor Homer da ran geht“, versuchte er aufzustehen.
„Geh’ duschen, Junge, ich werde das machen. Obwohl ich kaum glaube, das ein Schäferhund Kotze auffressen würde“, erkannte Veto und half ihm hoch.
„Es tut mir leid, wie ich mich heut aufgeführt hab’“, entschuldigte sich Harvey.
„Du warst der perfekte Sohn, wie du es immer bist. Larry hat ein schlechten Einfluss auf dich. Aber er ist dein einziger Freund und wie ein Sohn für mich, also vergiss was ich gesagt habe“, entgegnete Veto und stützte ihn auf dem Weg nach drinnen.
„Ich hab’ Morgen eh schon alles von heut vergessen. Ich glaub, ich bin der langweiligste Mann in der ganzen Stadt“, ließ er sich auf die bunte Familiencouch fallen.
„So aufregend ist mein Leben auch nicht“, bemerkte Veto und zog seinem Sohn die Schuhe aus.
„Du hast letzten Monat den Gouverneur von Kalifornien interviewt“, kuschelte er sich in ein Kissen.
„2 Stunden bla bla, nicht wirklich aufregend. Du kannst Leute erschießen“, erkannte Veto und deckte ihn zu.
„Ich bin zurzeit nur am Schreibtisch, dank Mum. Aber ich brauche keine Aufregung in meinem Leben, ich hab’ viel zu viel Schiss vor einem Abenteuer. Aber was kann man hier auch aufregendes erleben“, döste er langsam ein.
Als er eingeschlafen war, kam Meg zu ihrem Mann und kuschelte sich an ihn.
„Wenn der wüsste, was vor zwanzig Jahren hier los war, würde er das hier mehr genießen. Bist du sicher, dass er es nicht erfahren soll?“, fragte Veto nachdenkend.
„Ich hab’ das Jagen aufgegeben, um eine Familie zu gründen, das war schon richtig so. Ich bin glücklich“, entschied Meg und strich ihrem schlafenden Sohn über das Gesicht.
 
Das laute Tönen des Staubsaugers bohrte sich in Harveys Schädel. Er zog das Kissen auf seinen Kopf, was aber nicht wirklich viel brachte.
„Mum, musst du das hier und jetzt machen?“, grummelte er mürrisch.
„Mum hat gesagt, ich soll das Wohnzimmer saugen“, hörte er die verängstigte Stimme seiner Schwester.
„Ja, Süße. Natürlich, entschuldige, mir geht es nicht so gut“, setzte er sich auf.
„Bist du krank?“, fragte Hope vorsichtig.
„Es wird mir bald wieder besser gehen. Mach ruhig weiter“, entschied er und seine Schwester saugte weiter.
Erledigt schleppte er sich in die Küche, wo seine Mutter breit grinsend saß.
„Du bist so eine Rabenmutter, ich hab’ meine arme kleine Schwester angeschnauzt, weil du sie auf so dumme Ideen bringst“, griff er nach dem Kaffee auf dem Tisch.
„Haben wir etwa einen dicken Kopf?“, kam Veto in die Küche und nahm im die Kaffeekanne aus der Hand.
„Hey, den wollt ich gerade. Warum bin ich eigentlich auf dem Sofa aufgewacht?“, fragte Harvey übernächtigt.
„Du hast dich da hingelegt, glaubst du, ich trage meinen 21-jährigen Sohn ins Bett?“, schenkte sich Veto Kaffee ein.
„Hab’ ich gestern was peinliches gesagt?“, fragte Harvey vorsichtig.
„Nichts was wir nicht schon wüssten. Wo kriegst du eigentlich die Strapse her, die du so gern trägst?“, schmunzelte Meg.
„Nicht witzig, wirklich nicht witzig. Dad, du hast den Kaffee leer gemacht!“, versuchte er einen Tropfen Kaffee aus der leeren Kanne zu bekommen.
„Hab’ ich gemerkt. Ich hab’ dir bei gebracht, wie man Kaffee macht, mach dir neuen“, erklärte Veto schadenfroh.
„Okay, was hab’ ich gestern gemacht, ich hab’ Kaiser gekillt, oder?“, fragte Harvey und vergrub das Gesicht in den Händen.
„Mais Verlobtem ist nichts passiert, leider. Sie kommen übrigens heut Mittag noch Mal, wegen der Hochzeitsvorbereitung. Sprich dann wenigstens etwas mit deiner Schwester, du hast ja gestern gar nicht mit ihr gesprochen“, bat Veto und Harvey stand auf, um sich Kaffee zu machen.
„Sie hat ja auch nicht von diesem Trottel abgelassen, ich hatte ja keine Chance mit ihr allein zu sprechen“, erkannte er und biss in einen Bagel auf der Ablage.
„Dann kannst du das heute machen, ich wollt heute mal ein Mann zu Mann Gespräch mit Kaiser führen, dann kannst mit ihr reden. Hey, denkst du nicht, dass das ein bisschen viel Kaffee ist?“, fragte Veto, als er ihm zusah, wie er immer mehr Kaffee in den Kaffeefilter machte.
„Heute Morgen nicht. Ist meine Ersatzuniform gebügelt? Die andere ist dreckig“, erkannte er trotzig.
„Dir ist schon klar, dass du hier nicht mehr wohnst?“, fragte Meg nachfragend.
„Heißt das ja, oder nein?“, fragte Harvey skeptisch.
„Hängt am Bügel an der Treppe. Ich hab’ dir auch noch etwas von gestern für das Mittagessen eingepackt. Nimmst du den Streifenwagen mit, den Larry gestern hier stehen gelassen hat?“, bat Meg und er nickte.
 
„Du siehst scheiße aus, Mann“, bemerkte Larry, als er seinen Partner im Büro antraf.
„Hast du heut‘ schon mal in den Spiegel gesehen, bevor du so einen Spruch ablässt? Wo hast du geschlafen, auf dem Rasen?“, fragte Harvey und musterte Larry, der seine Uniform versuchte von Flecken zu befreien.
„Oh ich hasse die Köter meiner Eltern, die legen sich auch aufs Sofa, egal ob da jemand drauf liegt, oder nicht. In unserer Bude haben wir zwar Kakerlaken, aber keine dreckigen Hunde“, gab er es auf und zog sich eine Akte in Reichweite.
„Hast du die Miete schon überwiesen? Wir müssen sie bis morgen überwiesen haben“, wollte Harvey wissen.
„Schon letzte Woche, darüber haben wir doch gestern gesprochen. Man, du hast dir echt einen angesoffen, dass du das nicht mehr weißt. Und wo bist du aufgewacht?“, fragte Larry, der auch schadenfroh war.
„Auch auf dem Sofa. Ich bräuchte eigentlich gar keine Miete zahlen, so selten wie ich in meiner eigenen Wohnung bin. Nach Hause zu meinen Eltern ist es einfach näher zur Arbeit. Wir gehen doch trotzdem ins Wild Roses, trotz der Stänkerei der Mädels, oder?“, fragte Harvey nach.
„Sicher doch, jeder gute Bulle muss mal in einem Strippschuppen gewesen sein“, entschied Larry cool.
„Und für die coolen Bullen ist es Pflichtprogramm. Wann treffen wir uns Samstag?“, kam Tristan zu ihrem Platz.
„Hab’ ich was davon gesagt, dass du mitkommst, Tristan?“, fragte Larry etwas schroff.
„Larry, Alter, wenn ich nicht mitkomme, müssen die heißen Schnecken auf heiße Kerle ganz verzichten“, zog Tristan sie auf und spielte mit seinen Muskeln.
„Tristan, ich kann doch nachher nicht die Finger von dir lassen, wenn du mich jetzt so geil machst. Du hast noch ein paar Sachen zum unterschreiben“, kam Tristans Partnerin Lucy zu ihnen.
„Irgendwann werden sich unsere Körper in einer Ekstase der Leidenschaft vereinen“, fuhr Tristan über Lucys Arm.
„Wie sehr magst du deine Hand?“, fragte Lucy und drückte die Hand ihres Partners auf die Tischfläche um dann ihre Waffe daran zu drücken.
„Das petz‘ ich der Aggressionsbewältigungstherapeutin“, war Tristan kleinlaut und Lucy ließ wieder locker.
„Tu das, dann kannst du mal wieder deinen halbjährlichen Termin ausmachen, der ist dringend mal wieder fällig. Pack‘ mich bloß nicht mehr an, jetzt komm‘, ich muss noch zur Wäscherei“, erkannte Lucy und zog ihn weg.
„Die beiden treiben es“, erkannte Larry in seine Akte vergraben.
„Leg mal ne andere Platte auf Larry, das behauptest du jetzt schon seit Wochen“, war Harvey nicht davon überzeugt.
„Hast du diese sexuelle Energie nicht gespürt, da geht ganz sicher was“, hielt Larry an seinem Standpunkt fest.
„Wir könnten Tristan ja Samstag abfüllen, um das heraus zu finden“, überlegte Harvey laut.
„Ich glaube, wenn da was ginge, würde er uns das auch nüchtern sagen. Ich Meg den Kerl nicht“, gestand Harvey.
„Ich auch nicht“, nippte Larry an seinem Kaffee.
„Warum lädst du ihn dann zu deiner Party ein?“, wurde Harvey neugierig.
„Weil es jämmerlich aussehen würde, wenn nur wir beide auf meiner Party wären“, gestand er.
„Wir sind ganz schon jämmerliche Gestalten. Wir brauchen dringend Freundinnen“, stellte Harvey fest.
„Wer hat gesagt, dass ich keine Freundin habe?“, fragte Larry und wollte dabei cool wirken.
„Wir wohnen zusammen in einer 24m 2 Wohnung, da brauchst du nichts zu sagen. Gibst du mir langsam mal die Akte, oder willst du alles darin lesen?“, fragte Harvey und Larry senkte die Akte.

Drittes Kapitel


An diesem Abend stieß Harvey mit dem Knie die Tür ihrer WG auf. Stickige Luft kam ihm entgegen.
„Oh man, hier muss dringend mal gelüftet werden. Larry, wo bist du?“, rief er hinein.
„Du hättest dir ruhig mehr Zeit lassen können“, kam Larry spärlich bekleidet aus seinem Zimmer.
„Aber wenn ich dir sage, bring‘ mal den Müll raus, brauchst du eine Woche dafür. Wer ist die Kleine?“, fragte Harvey und stellte die Einkäufe ab.
„Niemand den du kennst“, stotterte er.
„Wer ist da gekommen, Süßer?“, fragte Lucy und kam aus dem Zimmer.
„Ich wusste es, du bist einfach zu viel auf dem Thema rum geritten. Nicht nur auf dem Thema, wie ich befürchte. Hi Lucy“, zog er ein Bier aus der Tür des Kühlschranks und öffnete es.
„Muss ich verstehen, was du da faselst, Jungspund?“, fragte Lucy und nahm ihm das Bier ab, bevor er es an seinen Mund setzen konnte.
„Tristan sucht dich sicher, seit ihr nicht zum Streifendienst eingeteilt?“, fragte Harvey cool.
„Er wartet am Donuts Laden um die Ecke auf mich, ich muss dann auch mal wieder los“, ging sie zurück ins Zimmer, um sich anzuziehen.
„Hast du den Verstand verloren? Tristan schlägt dich tot, wenn er das herausfindet“, bemerkte Harvey und zog Larry in die Küche.
„Harv, das war ein Witz, die beiden sind nicht zusammen“, war Larry amüsiert über die Naivität seines Kollegen.
„Ich wollt dir das eigentlich nicht sagen, aber hab’ die beiden letzte Woche in der Turnhalle beim Bodenturnen erwischt“, entgegnete er und schloss die Tür, dass das Lucy nicht mitbekam.
„Bitte sag‘ mir, dass du jetzt Witze machst“, bat Larry und wurde blass.
„Das werde ich dir nicht verraten, verabschiede dein Schätzchen, ich muss hier aufräumen, Mai und Kaiser kommen in einer halben Stunde vorbei, bevor sie heim fahren“, erklärte Harvey und grinste.
„Mai kommt vorbei? Verdammt, warum sagst du das nicht vorher, ich muss duschen“, erkannte Larry nervös.
„Ich hab’ dich verarscht“, bemerkte Harvey und öffnete die Tür wieder.
„Bei was hast du mich verarscht, weiß er es jetzt oder nicht?“, fragte Larry und lief seinem Kollegen hinterher.
„Ich weiß nicht, ob er es weiß, frag doch deine Freundin. Aber schaff sie hier weg, ich will hier wirklich aufräumen“, riss er die Fenster auf und der frische Wind kam durch die Wohnung gezogen.
„Er weiß es nicht und ich bitte darum, dass es so bleibt. Ich muss jetzt los, ich bin schon eine halbe Stunde weg, Tristan wird mir bald nicht mehr glauben, dass ich nur schnell zur Apotheke bin. War nett, aber warte nicht auf meinen Anruf. Bye“, ging Lucy wieder in Uniform aus der Tür.
 „Also, kommt sie jetzt, oder nicht?“, fragte Larry, ohne auf die Worte seiner Bettgefährtin zu reagieren.
 
Schweigend saßen sich die beiden Männer gegenüber. Mai hielt die Hand ihres Verlobten und brachte auch kein Wort heraus.
„Wollt ihr was trinken? Ich hab’ Bier da“, brach Harvey das Schweigen.
„Ich hätt‘ lieber ein Wasser, ich hab’ gestern etwas viel getrunken. Du auch, wie ich gehört habe“, bemerkte Mai. Die 24-jährige war genau so eine Schönheit, wie ihre Mutter und eine Strähne ihrer langen schwarzen Haare fiel nach vorne, als sie sich nach den Chips reckte.
„Alkohol ist die beste Heilung bei einem Kater. Ich hab’ Eistee im Kühlschrank, ich werde ihn holen gehen“, stand er auf und ging in die Küche.
„Krieg ich meine Waffe wieder?“, fragte Larry, der sich in der Küche verbarrikadiert hatte und dort Mad Magazine las, um sich abzulenken.
„So schlimm ist er nicht, er hat noch kein Wort gesagt“, öffnete Harvey schwungvoll die Kühlschranktür.
„Genau das geht mir so auf den Senkel bei ihm, er hält sich für etwas besseres“, biss er in einen Donut.
„Zumindest frisst er nicht wie ein Schwein, so wie du es tust. Könntest du mich da drin nicht etwas unterstützen?“, fragte Harvey und zog drei Gläser aus dem Schrank.
„Das ist echt keine gute Idee, ich sitz hier schon auf Kohlen. Ich werde ihn töten, wenn er ihr was tut, ich hab’ doch immer noch deinen Segen, ihn abzuknallen, wenn er sie grob behandelt, oder?“, fragte Larry und biss in einen zweiten Donut.
„Wenn du weiter so frisst, kommst du gar nicht mehr von dem Stuhl runter. Jetzt komm‘, ich brauch wirklich Unterstützung“, bat Harvey und Larry stand schwermütig auf.
„Seht mal, wen ich in der Küche gefunden habe“, kam Harvey mit Larry im Schlepptau wieder ins Wohnzimmer.
„Larry, hey, ich hab’ dich gestern gar nicht sprechen können, es war fast so, als hättest du dich vor mir versteckt“, konterte Mai und umarmte ihren alten Freund.
„War nicht so mein Tag gestern, ich wollte nicht die Stimmung runterziehen. Langsam wird es ernst, seit ihr schon aufgeregt?“, spielte er den coolen Freund und musste seine ganze Schauspielkunst dafür aufbringen.
„Ich weiß nach Lakewood ist es weit, aber es wäre wirklich schön, wenn du kommen könntest. Du kannst ja deine kleine Freundin mitbringen, die du zu verstecken versuchst“, erkannte Mai und setzte sich wieder hin.
„Ich hab’ keine Freundin“, behauptete Larry entrüstet.
„Du riechst noch nach deiner nicht existierenden Freundin. Es ist zwecklos die Tochter eines Privatdetektivs und einer Polizistin anzulügen, du glühst ja noch von ihr“, konterte Mai dogmatisch.
„Dein Vater ist doch Reporter, oder?“, fragte Kaiser verwundert und Harvey schreckte fast zusammen, dass sein zukünftiger Schwager endlich einen Ton raus brachte.
„Nein Honey, das hab’ ich dir doch erklärt, Veto ist mein Stiefvater, er hat meine Mutter geheiratet, als sie mit Harvey schwanger wurde. Ace ist doch mein Vater, A.C. Enero“, erklärte Mai.
„Der A.C. Enero, der beste Privatdetektiv der Westküste? Er hat in den letzten zwei Jahren über 200 Fälle gelöst“, war Kaiser angenehm überrascht.
„Du hast ihr von Lucy erzählt?“, flüsterte Larry, Harvey entgegen.
„Nein, hab’ ich nicht, ich sag doch sie verschwendet ihre Gabe, wenn sie nicht für das Gesetz arbeitet“, flüsterte Harvey zurück.
„Jungs, ich kann euch hören und ich arbeite gern als Erzieherin“, bemerkte Mai.
„Hab’ ich auch nichts dagegen, ich sag nur du verschwendest dein Potential. Wann geht euer Flug?“, fragte Harvey drucksend.
„Willst du uns loswerden, kleine Bruder?“, fragte Mai schmunzelnd.
„Nein, natürlich nicht, ich wollte es nur wissen!“
„In zwei Stunden. Hast du eigentlich eine Freundin, Brüderchen?“, fragte Mai keck.
„Momentan nicht, nein. Ich werde zu deiner Hochzeit nicht kommen können, ich muss arbeiten“, erkannte Harvey etwas schroff.
„Du spinnst wohl, natürlich kommst du“, entschied sie standhaft.
„Wenn du jemanden heiratest, den du nicht nur heiratest um Mum und Dad zu ärgern, komm ich gern“, entschied er und stand auf.
„Wo willst du hin?“, fragte Larry.
„Ich muss hier raus, hier ist es mir langsam zu eng“, erkannte er, schnappte sich seine Jacke und seine Mütze und verschwand.
„Eins muss man ihm lassen, er hat es länger ausgehalten, als ich dachte. Ihr entschuldigt mich“, konterte Larry und ging hinter Harvey her.
„Man, wie die mich angeguckt hat, diesen Blick vergess’ ich nie mehr“, lehnte sich Harvey an die Wand des Flures.
„Du willst irgendwas kaputt hauen, oder?“, fragte Larry fürsorglich.
„Nein, eigentlich nicht“, entgegnete Harvey und Larry kickte den Hundenapf der Nachbarin in die Ecke, der vor der Tür stand.
„Ich schon, Kaisers Schädel, wäre ein wunderbares Objekt“, entgegnete er schnaubend.
„Es tut mir leid, dass ich sie hier her gebracht habe, aber ich wollte eigentlich schon heut‘ Mittag mit ihnen sprechen, aber ich hab’ es dann doch nicht nach Hause geschafft.  Kannst du mir einen Gefallen tun und Kaiser etwas beschäftigen, während ich mich mal in Ruhe mit meiner Schwester unterhalte?“, fragte er.
„Aber wenn ich ihn aus Versehen aus dem Fenster stoße, gehst du dafür in den Knast“, bemerkte er grinsend.
„Abgemacht. Nur 15 Minuten, länger brauch ich nicht. Danke“, erkannte Harvey und Larry schickte Mai zu ihm raus.
„Erklärst du mir, warum du dich wie ein Vollhonk benimmst?“, fragte Mai und kam auf ihn zu.
„Er ist nicht der Richtige für dich“, erwiderte Harvey herumdrucksend.
„Harv, ich bin jetzt seit zweieinhalb Jahren mit ihm zusammen, ich weiß was ich tue“, bestritt das Mai.
„Wir mögen ihn alle nicht, Hope hat sogar Angst vor ihm“, erwiderte Harvey.
„Hope hat Angst vor jedem, so wie du auch, eigentlich. Was schluckst du eigentlich für Pillen, die dich plötzlich zum Beschützer machen?“, fragte sie und war bei ihm angekommen.
„Ich spreche nur für unsere ganze Familie, Mum und Dad haben nur zu viel Anstand um das zu sagen. Er ist deiner nicht würdig“, entschied Harvey stur.
„So etwas hätte ich von Mum erwartet, aber nicht von dir. Es ist besser, wenn wir jetzt gehen“, sah sie ihrem Bruder wieder mit einem dieser Blicke an und ging zurück in die Wohnung um dann wortlos an ihrem Bruder mit ihrem Verlobten an der Hand vorbei zu gehen.
„Danke für deine Hilfe, du hast mich gut davon abgehalten, mich zum Volldeppen zu machen“, erwiderte Harvey schroff zu Larry und ging in sein Zimmer.
 
„Du kannst doch kaum sauer auf mich sein, wegen was, was du getan hast. Harv, du bist jetzt schon drei Stunden da drin, komm raus, bitte“, bat Larry, als er eine ganze Weile nichts mehr von seinem Kollegen gehört hatte.
„Was?“, kam Harvey nur in Shorts und wilder Mähne aus seinem Zimmer.
„Hast du geschlafen?“, fragte Larry verwundert.
„Es ist elf Uhr und ich hab’ einen ziemlichen Kater, du hast mich wirklich geweckt wegen dieser Frage?“, fragte Harvey gereizt.
„Du kannst schlafen, wenn du sauer auf jemanden bist?“, war Larry entrüstet.
„Ja, ich bin doch keine Tussi. Du benimmst dich aber wie eine. Geh’ schlafen“, murrte er und knallte die Tür wieder vor ihm zu.
 
Harvey ging aufgeregt auf und ab. Sein Handy klebte an seinem Ohr.
„Mum, nein so hab’ ich das nicht gesagt. Ja, das hab’ ich gesagt. Mum, könntest du aufhören, in einem Costano-Dialekt mit mir zu streiten und mich in meiner Sprache anbrüllen, ich bin nicht so gewandt in der Sprache deiner Ahnen“, bat Harvey Haare raufend.
„Ja, ich weiß, dass das auch meine Ahnen sind. Warte, das Wort hab’ ich jetzt verstanden, und hey“, wurde er laut.
„Harv, es ist halb neun, wir müssen los“, rief Larry aus dem Wohnzimmer.
„Mum, ich muss zum Dienst, wir telefonieren später noch mal, ja, ich pass‘ auf mich auf, bye“, klappte er das Handy mit einer Hand zu und ging ins Wohnzimmer.
„Sie hat es also erfahren. Alles klar bei dir?“, fragte Larry mitfühlend.
„Ja, Tussi, alles klar bei mir. Hat Lucy deine Hosen mitgenommen, oder warum schwulst du hier so rum?“, motzte Harvey und schnallte seinen Waffengürtel um.
„Nenn mich noch mal schwul und ich knall‘ dich ab“, donnerte Larry und fuchtelte mit der Waffe herum.
„Da bist du ja wieder, man ich hab’ mir schon Sorgen gemacht. Jetzt bist du bereit für den Dienst“, klopfte Harvey ihm auf die Schulter und ging voran aus der Tür.

Viertes Kapitel


Laute Musik tönte aus dem Stripclub, in der die drei Männer an diesem Samstagabend gingen.
„Okay klären wir die drei Regeln noch mal, bevor wir da rein gehen“, erkannte Larry, als sie am Eingang standen.
„Nicht anfassen, niemals mehr als 5 Dollar und keiner geht mit einer Stripperin nach Hause“, bemerkten Tristan und Harvey gelangweilt im Chor.
„Ich hab’ wohl schon zu oft danach gefragt. Okay, meine Herren, auf geht’s ins Getümmel“, erwiderte Larry und ging voran.
 
„Man, wo sind die Leute, ist wohl durchgedrungen, dass die Polizei kommt“, sah Larry sich um.
„Jetzt wissen sie es sicher. Hältst du mal die Klappe“, zischte Tristan und ging in die nicht gerade gut besuchte Bar.
„Es ist doch egal, wie viele Leute da sind, wenn die Mädels heiß sind“, entschied Tristan und pflanzte sich auf einen Stuhl.
„Da hat er Recht, dann sehen wir wenigstens gut. Ich werde mal was Alkoholisches besorgen, geht Bier klar?“, fragte Harvey und ging zur Bar als die anderen zustimmten.
„Nettes Hemd, Wal-Mart?“, musterte Tristan seinen Kollegen.
„Zumindest kauf ich meine Hemden nicht aus dem Katalog, der modernen Sadomaso-Gemeinde. Leder ist so was von out“, entschied Larry cool.
„Leder ist heiß, du hast ja keine Ahnung. Die Mädels stehen darauf“, zwinkerte er einer freizügig bekleideten Bedienung zu.
„Deine Partnerin steht lieber auf den Holzfällerlook. Hey, da ist Harv ja wieder“, sprach er das Thema nebenbei an.
„Na Jungs, echt heiße Bräute hier, oder?“, kam Harvey mit ner Kanne Bier und drei Gläsern zurück.
Wütend schenkte Tristan sich Bier ein und behielt Larry dabei im Auge.
„Hab’ ich was verpasst?“, fragte Harvey verwundert.
„Nein, alles bestens. Nächstes Mal verlang‘, dass sie die Gläser noch mal auswaschen, bei uns Polizisten sind sie etwas schlampig mit den Gläsern“, bemerkte er etwas abwesend und sah auf die Bühne, wo eine Frau in roter Unterwäsche tanzte.
„Nächstes Mal sag mir das vorher. Ich hol mir ein sauberes Glas“, meckerte Harvey und ging mit seinem Glas wieder an die Bar.
„Hans wird ihn auf die Liste setzen, du bist ganz schön fies“, schmunzelte Larry und sah zu seinem jungen Kollegen, der an der Bar von dem 2m großen Barkeeper bös angeguckt wurde.
„Die Lektion muss er lernen, die mussten wir alle lernen. Es hat mir nichts bedeutet, wenn es dich beruhigt“, ging er wieder auf das Thema ein.
„Luce hat immer schon einen schlechten Geschmack bei Männern gehabt, das wird nicht bei dir enden. Ist sie so heiß im Bett, wie ich vermute?“, fragte Tristan kumpelhaft.
„Du hast also nicht?“, fragte Larry verwundert.
„Nein, sie will nicht, sonst könnten wir nicht mehr zusammen arbeiten. Ich respektiere das“, erkannte Tristan ungewohnt rational.
„Tut mir leid für dich, sie ist echt gut im Bett“, zog Larry ihn auf und schenkte sich auch Bier ein.
„Das war jetzt wirklich nicht nötig“, erwiderte Tristan und Larry grinste.
„So Jungs, alles besprochen“, kam Harvey zurück und hatte tatsächlich ein sauberes Glas in der Hand.
„Hey, wie hast du das hinbekommen?“, war Larry überrascht.
„Was hinbekommen?“, fragte Harvey cool.
„Du hast ein frisches Glas!“
„Ja, natürlich hab’ ich das, dafür bin ich doch aufgestanden“, erwiderte er und schenkte sich Bier ein.
„Was hast du gemacht?“, fragte Larry besorgt.
„Ich hab’ mit dem G-Wort angefangen“, bemerkte er und winkte Hans zu, der mit grummeligem Gesicht den Tresen putzte.
„Nein, du hast nicht das G-Wort benutzt, sag mir bitte nicht, dass du das getan hast“, schüttelte Larry den Kopf.
„Klärt mich jemand auf?“, fragte Tristan mit fragenden Augen.
„Du kannst doch keinen Barkeeper einer Strippbar auf das Gesundheitsamt aufmerksam machen“, entschied Larry entrüstet.
„Na prima, jetzt muss ich mir ne neue Stammbar suchen. Ich setz’ mich an die Bühne“, stand Tristan auf und ging näher ran.
„Entschuldige, ich hab’ nicht nachgedacht“, entschuldigte sich Harvey.
„Eigentlich wollten wir dich nur ärgern, hätt’ nicht gedacht, dass du so mutig bist. Aber dreh‘ dich nicht um, wenn du hier raus gehst, Hans hat ein Messer im Stiefel und er ist ein ehemaliger Messerwerfer“, lobte Larry seinen Kumpel.
„Gut zu wissen. Du hast mit Tristan über die Lucy-Sache gesprochen?“, fragte Harvey neugierig.
„Ja und er war seltsamerweise damit einverstanden“, bemerkte er und sah zu Tristan.
„Sie lässt ihn nicht ran, oder?“, fragte Harvey erkennend.
„Nein, kein bisschen. Armer Kerl“, schmunzelte Larry und sah zur Bühne.
Harveys Blick schweifte zur Bar. Dort stand nun eine hübsche junge Frau in hohen Stiefeln, kurzem Rock und kurzen lockigen blonden Haaren.
„Gute Wahl, mein Alter, wird wohl Zeit für deinen ersten Lapdance. Hey Lockenkopf, mein Kumpel hier will einen privaten Tanz“, rief Larry zu der Frau hin und Harvey war davon peinlich berührt.
„Larry, das geht doch nicht, das ist mir peinlich“, bat Harvey und rutschte auf dem Stuhl hinunter.
„Du weißt also schon wie es geht. Nenn mich Curley Sue“, bemerkte die hübsche junge Frau und stieg auf seinen Schoß.
„Ich danke dir, Curley Sue, aber ich weiß nicht recht“, erkannte er und sie begann einfach zu tanzen. Als sie gerade dabei war, sich ihres Büstenhalters zu entledigen, stürmte ein Nativ-Amerikaner mit einer Schrotflinte in die Bar.
„Oh verdammt, er hat mich gefunden“, fluchte Curley Sue und stieg von ihm runter.
„Lass uns verschwinden, schnell“, bat Larry, doch Harvey war wie erstarrt.
Der Kerl stürmte auf ihn zu und presste die Schrotflinte an seine Brust.
„Haben deine Drecksfinger meine Tochter berührt?“, brüllte der Mann außer sich.
„Nein, Sir“, stotterte er verdutzt.
„Das will ich dir auch geraten haben, Junge. Wie ist dein Name, Kleiner?“, bemerkte der Kerl etwas ruhiger.
„Harvey Beltran, Sir“, bemerkte er kleinlaut.
„Du siehst gar nicht wie ein Amigo aus, eher wie einer aus unserer Fraktion“, erklärte der Mann.
„Halb Costano, halb Hispano, die Mischung macht’s“, entgegnete er wieder etwas lässiger.
„Schämst du dich eigentlich gar nicht? Meine Tochter ist erst 19 Jahre alt“, donnerte der Mann weiter.
„Das war meine Idee Sir, mein Freund hier ist gerade erst 21 geworden, ich wollte ihm was bieten“, mischte sich Larry ein.
„Dad, jetzt komm‘, er ist nicht hier, wir können weiter ziehen“, bemerkte Curley Sue plötzlich und zog ihre Bluse wieder an.
„Verdammt, diese Informanten sind auch nicht das, was sie mal waren. Ich hab’ dich eigentlich ins Team geholt, dass du nicht mehr strippen musst, also was ist deine Entschuldigung-?“, schulterte der Mann seine Waffe.
„Er ist süß, ich wollte ihm was bieten. Wir sollten Mum anrufen, dass sie die Überweisung für diesen Lügner nicht macht. Entschuldigt die Störung, Jungs, aber wir machen nur unseren Job“, entschied Curley Sue und legte ihnen eine Visitenkarte auf den Tisch.
„Shania Quakadi, Kopfgeldjägerin. Eine strippende Kopfgeldjägerin, das ist echt heiß. Das war nicht so gemeint, Sir“, erklärte Larry stotternd, aber die beiden Kopfgeldjäger waren schon wieder Richtung Ausgang gehuscht.
„Ich muss ins Badezimmer“, konterte Harvey verdattert und ging zu den Toiletten.
„Na, ist dir einer abgegangen? Ist mir beim ersten Mal auch passiert“, lehnte sich Larry an die Toilettentür, in dem sein junger Kollege schon eine ganze Weile war.
„Nein, noch schlimmer, ich hab’ mir in die Hosen gemacht, ich bin ein Polizist, also geschult für so was und ich mach mir in die Hose“, erkannte Harvey weinerlich.
„Das ist nicht peinlich, das du jetzt rumflennst wie ein Mädchen schon eher. Ich hab’ im Auto meine Trainingshose, ich werde sie dir bringen“, entgegnete Larry und ging hinaus.
 
Ein paar Minuten später saßen sie alle drei wieder an ihrem Tisch.
„Diesen Lapdance den du da hattest, der war echt scharf, jung und sexy, das Glück hatte ich noch nicht. Meine Mädels sind immer so verbrauchte Frauen ohne Seele. Wer war der Kerl eigentlich, der sie weg geschleppt hat, ihr Zuhälter?“, fragte Tristan cool und nippte an seinem Bier.
„Ihr Vater, die beiden waren Kopfgeldjäger. Ich muss sie wieder sehen“, dachte Harvey laut nach, während er die Karte betrachtete.
„Für eine Frau, bei der dir nicht mal einer abgegangen ist, lohnt es sich nicht. Vor allem nicht bei einer Frau mit Waffe, das sag‘ ich dir“, entschied Tristan, aber sein junger Kollege hörte gar nicht zu.
„Jetzt verknallt sich der Junior ausgerechnet in eine Stripperin, wir hätten ihn nicht hier hin mitnehmen sollen“, erkannte Tristan missmutig.
„Wer sagt was von verknallen? Ich find‘ sie nur heiß“, bemerkte Harvey nachdenklich.
„Such dir nen schüchternes Mäuschen, die ist ein bisschen zu hoch für dich“, klopfte Larry ihm auf die Schulter.
„Das weiß ich doch, mehr als die Kleine aus der Buchhaltung ist bei mir nicht drin“, sah Harvey den Tatsachen ins Auge.
„Lorraine? Die willst du nicht haben, die ist im Bett genau so eine Schnarchtasse“, bemerkte Tristan.
„Ihr geht nicht oft aus, oder? Es gibt auch noch Frauen außerhalb des Büros“, bemerkte Harvey amüsiert.
„Das sagt der Kerl, der noch keine Frau aus dem Büro hatte und sich in Stripperinnen verknallt“, konterte Larry.
„Ich bin nicht verknallt. Wir sind schon drei traurige Gestalten“, bemerkte er und die drei schwiegen über ihren Bieren hängend.

Fünftes Kapitel


Montags drauf ging Harvey vor dem Büro noch mal nach Hause, um sich zu entschuldigen.
„Ich würde ja sagen, dass es immer schön ist, dich zu sehen, aber heute ist nicht so ein Tag“, bemerkte seine Mutter etwas mürrisch. Sie trug so wie er auch ihre Uniform
„Kann ich trotzdem reinkommen?“, fragte Harvey nervös und zog seinen leeren Waffengürtel zu Recht, der ihm im Wagen beim Sitzen verrutscht war.
„Sicher, das ist immer noch dein zu Hause. Du siehst müde aus, schläfst du schlecht?“, fragte seine Mutter und ließ ihn rein.
„Nicht besonders gut, sieht man wohl. Danke. Wie geht’s dir?“, trat er ein.
„Meine Tochter weiß, dass ich ihren Verlobten nicht ausstehen kann, sie hat mich gebeten nicht zur Hochzeit zu kommen und meine älteste Tochter muss jetzt extra Urlaub nehmen um zu ihr zu fliegen und um zwischen uns zu vermitteln. Sonst geht es mir gut“, erkannte Meg und ging voran in die Küche.
„Nein, Elena muss extra hinfliegen? Das wollt ich nicht. Ist sie schon weg?“, fragte Harvey beschämt.
„Gestern Abend ist sie weg geflogen. Zuzela ist bei mir so lang“, entgegnete sie und setzte sich an den Tisch.
„Zu ist hier? Mein Gott, ich hab’ meine Nichte seit 2 Jahren nicht mehr gesehen. Schläft sie noch?“, fragte Harvey erfreut.
„Ja, sie schläft auf einer Matratze in Hopes Zimmer. Also, was willst du?“, fragte ihre Mutter und Harvey setzte sich neben sie.
„Ich wollte mich entschuldigen, ich hab’ wirklich nicht nachgedacht“, entgegnete er vorsichtig.
„Nein, hast du nicht. Fehler passieren, kann man nichts mehr daran ändern. Sonst noch was?“, fragte ihre Mutter nicht sehr gefühlvoll.
„Nein, ich wollt‘ mich nur entschuldigen“, stand er auf.
„Ach ja, du kriegst das Geld fürs Einkaufen noch für die Party letzte Woche, das hatte ich ganz vergessen“, stand sie auf und ging zu der Dose mit dem Einkaufsgeld.
„Ja, stimmt, Moment, ich hab’ die Quittung irgendwo hier“, wühlte er in seinem Geldbeutel herum. Dabei fiel eine Visitenkarte heraus.
„Was ist das?“, hob Meg die Karte auf.
„Ach, die hab’ ich am Wochenende bekommen“, bemerkte er cool.
„Shania Quakadi, Kopfgeldjägerin. Was hast du mit Kopfgeldjägern zu tun?“, fragte Meg und versuchte dabei entrüstet zu klingen.
„Gar nichts, ich hab’ die Frau nur am Wochenende kennen gelernt, das ist alles. Hast du was gegen Kopfgeldjäger?“, fragte Harvey verwundert.
„Der Kopfgeldjäger ist der natürliche Feind des Polizisten, das weißt du doch“, erwiderte seine Mutter und gab ihm die Karte zurück.
„Ja, nach dem Vorfall am Wochenende weiß ich das jetzt auch. Drückt der Kerl mir einfach eine Schrotflinte an die Brust, ich hatte solche Angst, ich sollte als Polizist keine Angst vor so was haben“, erkannte Harvey und nahm das Geld entgegen.
„Du wurdest bedroht. Warum sagst du das nicht?“, fragte seine Mutter plötzlich fürsorglicher und sie gingen ins Wohnzimmer.
„Ich renn‘ doch nicht sofort zu meiner Mutter, wenn ich bedroht werde. Es ist ja nichts passiert“, erwiderte er und setzte sich aufs Sofa.
In dem Moment knatschte die Treppe und Veto kam mit seiner Enkelin auf der Brust, die Treppe hinunter.
Die sechsjährige Zu war Mamas ganzer Stolz. Ihr Vater war Cherokee-Indianer, so schloss sich der Kreis der Nativ-Amerikaner-Mexikaner-Familie wieder. Elena lebte gerade in Trennung von ihrem Mann, sie hatten keinen Streit gehabt, es gab keinen Ehebruch, sie sahen sich einfach nur viel zu selten, denn Elena war eine erfolgreiche Architektin in San Fransisco, ihr Ehemann Mika war Sprecher für seinen Stamm bei der Native American Group einer Gruppe, die sich um die Belange der Nativ-Amerikaner in Amerika kümmerte, und war meistens in Utah unterwegs.
„Hey, dieser schwarze Wuschelkopf lag auf deiner Bettseite friedlich schlafend“, bemerkte Veto und legte seine Enkeltochter vorsichtig auf das Sofa um sie zuzudecken.
„Sie ist wohl ins Bett gekrochen, als ich aufgestanden bin. Haben wir dich geweckt“, bemerkte Meg flüsternd.
„Nein, ich muss auch aufstehen. Was machst du hier, Sohn?“, fragte Veto und sie gingen weiter ins Esszimmer um die Kleine nicht zu wecken.
„Ich wollt‘ mich nur entschuldigen, ich bin schon weg. Gebt der Kleinen einen Kuss von mir, ich hätte echt nur anrufen sollen“, erwiderte er und ging zur Tür.
„Warte, ich werde dir noch was fürs Mittagessen einpacken“, bemerkte Meg fürsorglich.
„Danke Mum, aber ich werde mit Larry was Essen gehen heut Mittag. Bye“, ging er aus der Tür.
„Wir haben ein Problem“, bemerkte Meg und sah zu, wie ihr Sohn ins Auto stieg und weg fuhr.
„Ja, ich hab’ mit Elena gesprochen, Mai will nicht nachgeben, es bleibt bei dem Hochzeitsverbot“, erwiderte Veto.
„Das ist gerade unser geringstes Problem. Harvey hat Kontakt zu Alo und Cindys Tochter bekommen und so zur Kopfgeldjagd“, erkannte Meg prophetisch.
„Mal nicht gleich den Teufel an die Wand, er wird nicht gleich Lederhosen kaufen und ein Motorrad fahren. Ist Shania nicht eine Stripperin? Das lüftet das Geheimnis, wo die Jungs am Samstag waren. Wir wollten doch immer das Beste für unsere Kinder, was ist denn passiert? Unsere Älteste zieht lieber Wolkenkratzer hoch, als weitere Kinder zu bekommen, unsere mittlere Tochter heiratet aus Trotz einen Kerl, der nichts für sie ist und mein einziger Sohn versauert in einem Bürojob und sucht das Abenteuer an der falschen Stelle. Langsam glaube ich, dass wir den falschen Weg gewählt haben“, ließ Veto seinen ganzen Sorgen freien Lauf.
„Das wird alles seine Bahnen gehen, du wirst sehen“, versprach Meg und umarmte ihren Mann.
 
„Emilio, jetzt komm, wir sind schon spät dran“, rief Cindy durch die Räume des gerade renovierten Büros von Bail me out.
„Cin’, wir sind nicht mehr verheiratet, du kannst mich nicht mehr so rum kommandieren“, kam Emilio aus dem Nebenzimmer und zog den Klettverschluss seiner schusssicheren Weste fest.
„Und ich danke Gott jeden Tag dafür, aber wenn wir in 15 Minuten nicht im Scissors Diners sind, kriegt Alo wieder einer seiner Anfälle“, zog auch Cindy ihre Weste an. Cindy Quakadi war immer noch die heiße Blondine, die sie 20 Jahre zuvor gewesen war. Wie ihre frühere Chefin hatte es die Natur gut mit ihr gemeint. Sie hatte 20 Jahre zuvor in Anflug einer Leidenschaft ihren damaligen Freund Emilio geheiratet, ihre Tochter Shania war aus dieser Beziehung ensprungen. Sie waren 5 Jahre zuvor geschieden worden und nun war sie mit Alo verheiratet und glücklich. Nur Emilio war nicht begeistert von dieser Verbindung. Vor allem, weil sich Alo immer mehr als Vater von Shania aufspielte. Emilio war immer lockerer damit umgegangen, was seine Tochter so trieb, Alo wollte sie immer auf die richtige Seite ziehen, wie er es nannte.
„Dein Mann kriegt in letzter Zeit ständig seine Anfälle, der kriegt noch einen Herzinfarkt. Wo ist Shania?“, fragte Emilio und steckte sein Messer in den Stiefel.
„In ihrem Kurs, du weißt doch, dass sie sich zur Kopfgeldjägerin ausbilden lässt, auch wenn du nicht begeistert davon bist“, entschied Cindy und band ihren Zopf neu.
„Ich find‘ sie zu jung dafür“, erkannte Emilio rechthaberisch und sie gingen Richtung Tür.
„Aber dass sie sich in der Öffentlichkeit nackt auszieht, dafür ist sie nicht zu jung oder was?“, fragte Cindy wütend.
„Wir haben darüber geredet, dass wir sie das tun lassen, damit wir sie nicht verlieren. Jetzt will sie ihrem Stiefvater folgen und Kopfgeldjägerin werden. Sie hat das Potential bei zwei Jägern als Eltern. Ich werde sie dabei unterstützen, egal was du sagst. Wir müssen jetzt wirklich los, auf der 15 ist sicher wieder Stau“, zog sie ihn ruppig aus der Tür.
„Hey, gut ihr seid da“, stand Meg plötzlich vor ihnen.
„Meg, mit dir hab’ ich jetzt gar nicht gerechnet“, umarmte Cindy sie verblüfft.

Sechstes Kapitel


Meg saß in der Mitte einer Kopfgeldjägerversammlung im Diner. Sie fühlte sich nicht wohl.
„Ich komme mir vor wie bei einem Verhör, mir ist langsam klar wie unangenehm das ist. Als ich wollte, dass wir uns unterhalten, wollte ich das eigentlich nicht in einem Meeting besprechen“, wendete sie sich an Alo.
„Ja, richtig, lass uns raus gehen“, bemerkte Alo und sie rutschte von der Bank um mit ihm raus zu gehen.
„Du hast Cindy ganz schön geschockt, dass du plötzlich aufgetaucht bist. Wir haben dich seit der Hochzeit nicht mehr gesehen, das ist auch schon zwei Jahre her. Wie geht es deinen Kindern?“, fragte Alo und setzte sich auf ein Geländer.
„Irgendwie scheint alles nicht mehr so zu laufen, wie ich mir das vor zwanzig Jahren vorgestellt habe. Elena lässt sich gerade scheiden, Mai heiratet diesen Kerl, der nicht gut für sie ist und Harvey gleitet mir aus den Händen, jetzt wo er erwachsen ist. Vor allem, weil er deine Tochter getroffen hat. Seit wann ist sie Kopfgeldjägerin?“, fragte Meg den Tränen nahe.
„Hey, Süße, ich dachte immer, dein Leben wäre jetzt etwas ruhiger. Ich bilde meine Stieftochter gerade in der Kopfgeldjagd aus, dass sie aus dem ganzen Milieu rauskommt, du verstehst. Emilio ist ja nicht erwachsen genug, um das zu regeln. Hier“, reichte er ihr ein Taschentuch.
„Danke, das ist wirklich erbärmlich, jetzt flenn ich hier rum, in meiner Polizeiuniform, welche Polizistin mit Anstand macht das. Es ist nur gerade etwas viel. Und dann erzählt mir mein Sohn heut‘ Morgen, dass er bedroht wurde und er hatte so eine Angst in seinen Augen als er mir das erzählt hat, dass ich ihn am liebsten geschnappt hätte und nicht mehr loslassen wollte“, schniefte sie und setzte sich neben ihn.
„Mir tut das echt leid, ich krieg‘ echt nen Rappel, wenn sie immer wieder in alte Verhaltensmuster zurück fällt. Ich denke nur, bei ihr könnte ich noch was machen, jetzt wo ich meine Kinder nicht mehr seh‘“, erwiderte Alo und Meg sah ihn mit großen Augen an.
„Du warst das? Du hast ihn bedroht?“
„Es tut mir echt leid, ich werde mich auch noch bei ihm entschuldigen. Ich hätte mir ein schöneres erstes Treffen mit meinem Patenkind gewünscht als dieses. Er weiß also immer noch nichts von mir?“, bemerkte Alo und sprang vom Geländer.
„Noch nicht, aber jetzt wo sich zwischen deiner Tochter und meinem Sohn was anbahnt, wird es höchste Zeit“, schmunzelte Meg geheimnisvoll.
„Dein kleiner Schwächling und mein Wildfang, das wird nie passieren, das kannst du dir abschminken. Er pinkelt sich voll, wenn er mit einer Waffe bedroht wird, das würde nicht gut gehen, denn meine Tochter spielt gern mit einer Waffe herum, ganz die Mutter eben. Ich denk‘ gerade an die Rede, die du an unserer Hochzeit gehalten, sie war so wunderbar und hat Emilio wunderbar auf die Palme gebracht, das war das Beste daran. Veto und du haben auf unserer Schlafcouch übernachtet, nur eine Meile entfernt von deinen Kindern. Wie geht es eigentlich Hope?“, fragte Alo.
„Gut, mein kleiner Sonnenschein darf nach Washington und dort hält sie eine kleine Rede, sie ist schon ganz aufgeregt. Sie ist mein Ausweichplan, meine große Hoffnung. Hast du meinen Sohn gerade einen Schwächling genannt?“, fragte sie nach.
„Wenn ich ihm etwas hätte beibringen können, als Patenonkel, dann wie man einen Mann entwaffnet, der so etwas abzieht wie das, was ich getan habe. Wenn du ihn nicht hinter dem Schreibtisch versauern lassen würdest, wäre er schon weiter in seiner Ausbildung. Hast du schon mal seine Schießübungen angesehen, er ist ein Klasse Schütze“, erwiderte er und grinste.
„Das wusste ich nicht, mich wundert es, dass du Bescheid darüber weißt“, bemerkte sie skeptisch.
„Dass ich keinen Kontakt zu ihm habe, heißt nicht, dass ich nicht über sein Leben Bescheid weiß. Dass ich ihn in einem Stripclub antreffe, hab’ ich echt nicht erwartet“, erkannte Alo.
„War Larrys Idee, man den Satz wollte ich eigentlich nie wieder sagen, die haben als Teenager echt einen Scheiß angestellt. Was für Ergebnisse hat mein Sohn denn?“, wurde sie neugierig.
„Sagen wir es mal so, die Kopie seines letzten Schießtrainings hab’ ich in meinem Büro hängen. Als Anreiz für meine Tochter. Wenn er bei mir arbeiten würde, fände ich das klasse“, entschied er.
„Ich wusste echt nicht, dass er so ein guter Schütze ist. Von wem weißt du es?“
„Ich spiele mit einem seiner Kollegen jeden Sonntag zusammen Bowling. Irgendwo her muss man ja seine Informationen kriegen. Musst du nicht zurück ins Büro?“, fragte er und tippte auf das Schild von Megs Cap, das zu ihrer Unform gehörte.
„Wenn ich ein paar Minuten später komme, wäre Dena nicht gerade überrascht“, konterte Meg schmunzelnd.
„Wenn du endlich mal erwachsen werden würdest, wärst du längst Sergeant“, erkannte Alo.
„Alles bleibt beim Alten, wie mir scheint. Nur wir werden alt. Wir könnten ja einen Deal aushandeln, ich bring deinem Sohn etwas von meinem Jägertalent bei und du zeigst meiner Tochter alles, was sie für eine gute Kopfgeldjägerin braucht“, handelte Alo.
„Auch wenn ich mich geehrt fühle, aber mein Sohn wird kein Kopfgeldjäger, deshalb machen wir ja hier das ganze Theater. Danke für das Gespräch, aber ich muss jetzt echt los“, wurde sie plötzlich hektisch.
„Vielleicht überlegst du es dir noch anders. Hier ist meine Karte, dein Sohn soll mich anrufen, dass wir ein Treffen vereinbaren können. Ich will mich gern persönlich bei ihm entschuldigen“, gab er ihr seine Karte.
„Mal sehen. Sag‘ den anderen einen schönen Gruß von mir und tut mir leid, dass ich euer Meeting gesprengt hab“, bemerkte Meg nachdenklich und ging zu ihrem Wagen zurück.
 
„Lass mich raten, deine Gedanken sind bei einem blonden Wuschelkopf mit Namen Shania?“, riss Larry seinen Kollegen aus den Gedanken, als sie an diesem Nachmittag wie ihre Mütter über Polizeiakten brüteten und Harvey in Gedanken immer wieder abschweifte.
„Lass das endlich, ich mach‘ mir Gedanken um was ganz anderes. Meine große Schwester muss jetzt den Mist ausbügeln, den ich verzapft habe, ich müsste doch eigentlich auf meine Schwestern achten, nicht umgekehrt“, bemerkte er nachdenklich.
„Du bist halt ein Trottel, kann man nicht ändern. Ist das alles?“, fragte Larry hinter einer Akte.
„Danke für deinen Beistand, was täte ich nur ohne dich“, bemerkte Harvey sarkastisch.
„Na, ihr zwei, Lust auf ein Bier nach Feierabend?“, fragte Tristan, der zu ihnen kam.
„Wenn du bezahlst, immer gern“, sagte Larry zu.
„Er ist immer so großzügig“, freute sich Harvey über die Einladung.
„Hab’ ich euch grad’ eingeladen?“, fragte Tristan verwirrt.
„Um sechs Uhr haben wir Schluss, schöne Fahrt noch“, bemerkte Harvey und Tristan zog kopfschüttelnd ab.
„Mir geht es gleich viel besser. Es geht doch nichts über ein fieses Kollegenmobbing. Hey Baby“, erwiderte Larry und winkte seiner Bettfreundin zu, die vorbei lief.
Sie ging wortlos an ihm vorbei.
„Man, musst du mies im Bett gewesen sein, wenn sie nicht mal mehr mit dir redet“, zog Harvey seinen Partner auf und bekam einen bösen Blick zugeworfen.
„Hey, besser als so eine anhängliche Klette, oder?“, fragte Harvey aufmunternd.
„Was für ne Hure, sie hat nicht mal mehr angerufen“, grummelte Larry in seinen Kaffeebecher.
„Sie wollte sicher nur Tristan Ärgern, seit wann stört dich das so?“, entschied Harvey unbekümmert.
„Man, ich brauch eine Zigarette“, stand Harvey genervt auf.
„Du rauchst nicht mehr“, konterte Harvey.
„Verdammt, ich wusste doch, dass ich das eines Tages bereue. Verdammtes erhöhtes Lungenkrebsrisiko. Sind noch Donuts da?“, fragte er grummelnd und sah in die leere Donuts-Schachtel.
„Was? Ich bin sexuell frustriert, ich hab’ das auch nötig. Du hast wenigstens Sex“, entschied Harvey.
„Das sind genau die Worte, die man von seinem Sohn hören will. Hallo Sohn“, begrüßte Meg ihren Sohn, die plötzlich hinter ihm stand.
„Müssen wir die Regeln schon wieder durchgehen?“, fragte Harvey peinlich berührt.
„Schießstand, jetzt sofort“, bemerkte sie nur und ihr Sohn ging hinter ihr her.
„Ich hab’ gehört, dass du ein toller Schütze bist. Heute trittst du gegen mich an“, forderte sie ihn heraus.
„Ist das so eine Art Rache dafür, für das was ich getan habe?“, war er verwundert.
„Nein, ich will das nur mit eigenen Augen sehen“, drückte sie ihm eine Waffe in die Hand.
„Ich bin zwar etwas verwirrt, aber okay“, legte er die Waffe an und Meg setzte sich einen Ohrschützer auf.
Er schoss seine üblichen Schussübungen.
„Sehen wir mal“, drückte sie den Knopf und der Zettel schoss zu ihr hin.
„Er hatte Recht“, murmelte sie.
„Was hast du gesagt?“, fragte Harvey, der das nicht verstanden hatte.
„Ich bin nur erstaunt, du schießt echt einwandfrei für einen Bürohengst. Du bist wohl oft hier drin, oder?“, fragte Meg verdattert.
„Ist ja sonst nichts zu tun hier, oder? Ist dieser merkwürdige Test jetzt beendet? Ich wollt heut‘  Abend noch weg und mein Schreibtisch ist noch nicht leer“, zog Harvey die Ohrschützer von seinem Hals.
„Sicher, arbeite schön weiter. Kommst du morgen zum Mittagessen?“, fragte Meg liebevoll.
„Ja, okay, wenn dir das Recht ist“, sah Harvey seine Mutter skeptisch an.
„Sonst hätte ich ja nicht gefragt, Dummerchen. Dann bis morgen“, kniff sie ihm in die Backe und ging wieder.

Siebtes Kapitel


„Ich hab’ grad’ was ganz merkwürdiges erlebt“, kam Harvey wieder zurück und setzte sich hin.
„Wenn der Boss dir einen Po-Klatscher verpasst, meint er das nur anspornend, er ist nicht schwul“, murmelte Larry hinter seinem Laptop.
„Von was redest du bitte?“, fragte Harvey und zog die Augenbraue hoch.
„Von was redest du? Was war so merkwürdig?“, druckste Larry herum.
„Meine Mutter hat grad’ echt was Schräges abgezogen“, klappte er seinen PC auf.
„Bist du gerade in die Kunst unseres Volkes eingeweiht worden? Meine Mutter hat das mit mir auch schon abgezogen, echt etwas gewöhnungsbedürftig“, erkannte Larry tippend.
„So schlimm ist das nicht, das stand bei mir auch schon auf dem Stundenplan. Nein, meine Mutter wollte sehen wie ich schieße. Sie hätte sich doch einfach nur meine Unterlagen ansehen müssen“, erwiderte Harvey.
„Na ja, vielleicht sieht sie jetzt ein, dass du nicht hinter einem Schreibtisch versauern solltest. Das wäre klasse, dann könnte ich auch endlich wieder Streife fahren. Versteh‘ das nicht falsch, wir sind Freunde und alles, aber seit du hier arbeitest, bin ich an diesen Schreibtisch hier gefesselt. Ich bin früher gern Streife gefahren, ist zwar auch nicht viel passiert, aber man kam halt mal raus“, erkannte Larry und nippte an seinem Kaffee.
„Das wäre wirklich gut, echt mal was anderes“, bemerkte er und sie arbeiteten weiter.
 
„Hier sind zwar keine nackten Frauen, aber ein kühles Blondes ist oft befriedigender als ein heißes rothaariges“, bemerkte Larry cool, als sie an diesem Abend zusammen in einer Bar saßen.
„Wie lange hast du heute an diesem Spruch gesessen? Lang wird das wohl nicht gewesen sein“, erwiderte Lucy, die Tristan mitgebracht hatte.
„Warum hast du sie mitgebracht?“, grummelte Larry und nippte an seinem Bier.
„Sie ist meine Partnerin und da du mit ihr ins Bett gehst, dachte ich, du hättest sie gern hier“, erkannte Tristan cool.
„Warum rufst du nicht an? Ihr Weiber telefoniert doch so gern“, entgegnete Larry grummelig zu Lucy.
„Ich dachte, als ich dir sagte, dass ich nichts von dir will, hättest du verstanden, dass ich nichts von dir will“, konterte Lucy.
„Hab’ ich schon verstanden, alles cool“, tat er auf cool und lehnte sich zurück.
„Dann ist ja gut. Man, ich hasse Bier, aber was anderes haben die hier ja nicht“, versuchte Lucy das Thema zu ändern.
„Ist halt auch keine Frauenkneipe. Gibt es eigentlich Frauenkneipen?“, fragte Harvey und alle sahen ihn fragend an.
„Was denn? Denkt ihr eure Gesprächsthemen sind tiefgründiger?“, fragte er und grinste.
„Harv, mach jetzt keine hektischen Bewegungen, aber da kommt grad’ dieser Kerl von letzten Samstag wieder zur Tür rein“, erwiderte Tristan und Harvey zog seine Waffe aus seinem Schultergurt ohne sich umzudrehen.
„Warum bringst du eine Waffe mit?“, war Larry erstaunt.
„Genau aus diesem Grund. Warum verfolgt mich dieser Kerl?“, wollte er aufstehen.
„Warte erst mal, vielleicht ist es ja nur Zufall“, drückte Larry seinen jungen Partner zurück auf den Stuhl.
„Sieht nicht so aus, er kommt auf uns zu“, bemerkte Tristan amüsiert.
„Er ist zwar riesig und bullig, aber wir sind vier Polizisten, helft ihr mir, ihn unauffällig zu den Toiletten zu schleppen? Ich will ihm eine verpassen“, bemerkte Harvey.
„Wenn du deine Waffe stecken lässt“, erkannte Tristan.
„Gut, dann los“, entgegnete Harvey und sie schwärmten aus. Wortlos zogen sie den bulligen Nativ-Amerikaner ums Eck zu den Toiletten.
„Hey, was soll das, stör‘ ich euch bei irgendeiner verdeckten Ermittlung? Das müsst ihr mir nur sagen, Leute“, war Alo verwirrt.
„Haltet ihn fest“, erkannte Harvey und Tristan und Larry drückte ihn an die Wand.
„Harvey, warte, wir müssen reden“, bat Alo und sah ihn an.
„Okay, rede“, lockerte Harvey seine Hand wieder, die er geballt hatte.
„Ich wollte mich entschuldigen, ich wollte nicht, dass du deinen Patenonkel so kennen lernst“, erwiderte er und Harvey sah ihn erstaunt an.
„Patenonkel? Du bist mein Patenonkel?“, fragte Harvey verwirrt.
„Ja, ich bin ein alter Freund deiner Mutter Magena“, erkannte er und Harvey lehnte sich an die gegenüber gelegene Wand.
„Lasst ihn los und lasst uns allein, bitte“, bat Harvey und die anderen gingen.
„Ich versteh‘ schon, dass du dich nur noch mit der Kavallerie an mich ran traust. Deine Mutter wird mich umbringen, wenn sie herausfindet, dass ich zu dir gegangen bin. Also, du hast sicher einige Fragen“, erkannte Alo und Harvey nickte.
„Okay, bevor du geboren wurdest, hat deine Mutter noch ein anderes Leben geführt. Sie war Kopfgeldjägerin und hat in dem Kopfgeldbüro gearbeitet, das ich leite. Aber für ihre Kinder und vor allem für dich hat sie das aufgegeben, um ein normales Leben zu führen. Sie hat beschlossen, dir das zu verschweigen, weil sie nicht wollte, dass du diesen Weg einschlägst, weiß Gott warum. Aber du hast echtes Talent, du schießt wie der Teufel“, bemerkte Alo lobend.
„Will ich wissen, woher du das weißt?“, fragte Harvey kritisch.
„Sagen wir, ich hab’ Kontakte. Ich will dir einen Job anbieten“, gab Alo ihm seine Karte.
„Danke, aber ich hab’ nen Job“, lehnte Harvey ab.
„Du versauerst hinter einem Schreibtisch, juckt es dich nicht in den Fingern?“, neckte Alo ihn.
„War schön dich kennen gelernt zu haben, Patenonkel, aber ich steh lieber auf der richtigen Seite des Gesetzes. Ich muss jetzt zurück, meine Kollegen warten“, gab Harvey ihm die Karte zurück und ging wieder zu den anderen.
„Ist er tot?“, fragte Tristan sarkastisch, als sich Harvey wieder zu ihnen setzte.
„Ihr glaubt nicht, was mir der Kerl für einen Mist erzählt hat, um mich anzuwerben“, entgegnete Harvey und nahm einen Schluck aus seinem Bier.
„Wer war der Kerl denn?“, fragte Lucy neugierig.
„Alo Quakadi von Bail me out“, bemerkte Harvey nebenbei.
„Der Alo Quakadi? Es ist fast unmöglich bei ihm einen Termin zu bekommen, er ist der beste Kopfgeldjäger der Westküste. Du könntest ihn mir vorstellen“, war Lucy begeistert.
„Klar, könnt ich machen, ich werde ihn mal anrufen. Oder ich werde meine Mutter morgen beim Essen darum bitten, wie es aussieht, sind die beiden ja ganz Dicke miteinander“, hielt das Harvey alles für einen Witz.
„Er hat dir einen Job angeboten? Dir kleinem Schwächling? Ich glaube, der kennt deine Mutter wirklich, aus welchem anderen Grund würde er dir sonst den coolsten Job der Welt anbieten?“, erwiderte Lucy schwärmerisch.
„Erstens, au das tat echt weh und zweitens ich könnte ein Kopfgeldjäger sein, eher als du“, war Harvey entrüstet.
„Du pinkelst dir in die Hose, wenn dich jemand bedroht, das glaub ich nicht, Kleiner“, schmunzelte Larry und Harvey sah ihn verunsichert an.
„Tut mir leid, das wollt ich nicht sagen“, entschuldigte sich Larry.
„Du hast dich voll gepinkelt?“, fragte Tristan prustend.
„Wunderbar, als wäre die Tatsache, dass ich das getan habe, nicht schon peinlich genug, jetzt weiß es die halbe Belegschaft“, grummelte Harvey peinlich berührt.
 
Ein paar Biere später waren alle etwas lockerer.
„Ich hab’ mich fast übergeben, der Kerl stank wie eine ganze Brauerei. Ich hatte so Schiss, ich hab’ so gezittert, dass ich ihn fast erschossen hätte“, erzählte Tristan angetrunken seine erste Bedrohungssituation.
„Ich hab’ mich übergeben, aber nur weil ich ihn davor erschossen hatte. War etwas viel Blut für meinen Geschmack“, gestand auch Lucy.
„Ihr seid solche Weicheier“, lallte Larry, der schon ganz schön getankt hatte.
„Sag bloß, du bist noch nie bedroht worden. Das glaub ich dir nicht“, erkannte Harvey amüsiert.
„Ist aber so, ich bin eben gut“, prahlte Larry und breitete seine Arme aus. Dabei verlor er das Gleichgewicht und fiel vom Barhocker.
„Ich glaub, mein Kumpel hier hatte genug, wir sollten verschwinden“, hüpfte Harvey vom Barhocker und zog seinen Kumpel auf die Beine.
„Wie kommt ihr jetzt heim?“, fragte Tristan besorgt.
„Wir laufen, sind nur ein paar Blocks. Wir sehen uns dann morgen“, bemerkte Harvey und stützte Larry auf seine Schulter.
„Ja, bis morgen, bring die Schnapsdrossel ins Bett. Sei unbesorgt Kleiner, dein kleines Geheimnis verlässt diese Bar nicht“, versprach Lucy.
„So sicher wie, ich schweige wie ein Grab, oder so sicher wie es steht morgen auf der Damentoilette?“, wollte Harvey wissen.
„Kommt darauf an, was heut Nacht noch passiert und wie sehr ich meinen Kollegen abfüllen kann“, schmunzelte Lucy und fuhr über die Brust ihres Partners.
„Ich dachte, du wolltest keine Beziehungen zu Kollegen?“, fragte Harvey verwundert.
„Ich will ihn ja nicht heiraten, ich brauch nur mal wieder einen echten Mann im Bett, nichts für ungut, mein Süßer“, tätschelte aie den Kopf von Larry.
„Dann noch viel Erfolg. Bis morgen“, ging Harvey mit Larry im Schlepptau aus der Bar.
 
„Du musst sie nicht so ernst nehmen, sie will nur ein bisschen Spielchen spielen“, beruhigte Harvey seinen Kumpel, als sie die Straße lang torkelten.
„Ich bin jetzt 30 Jahre alt, ich werde zu alt für diese Spielchen. Ich will eine Familie gründen, mit einer netten, anständigen Frau, die nicht mal daran denkt, Spielchen zu spielen“, erwiderte Larry lallend.
„So jemanden wie meine Schwester?“, fragte Harvey mitfühlend.
„Am Ende diesen Monats wird sie verheiratet sein“, lallte Larry und Harvey lud ihn an einer Häuserecke ab, weil er ihm zu schwer wurde.
„Nicht, wenn es sich vermeiden lässt. Ich hab’ hoffentlich schon einen Grundstein dafür gelegt, mit meiner Aktion. Musst du dich übergeben?“, fragte Harvey und drückte ihn an die Wand.
„Keine Ahnung, mir ist nur schwindelig“, fasste sich Larry an den Kopf.
„Das hat Alkohol so an sich. Mach dich bemerkbar, bevor du mir die Uniform voll reiherst“, entschied er und lud ihn wieder auf.
 
„Hey ihr zwei Schwuchtel, her mit eurem Geld“, fuhr plötzlich eine Stimme durch die Nacht und ließ Harvey aufschrecken.
„Wie bescheuert muss man sein, zwei uniformierte Polizisten zu überfallen?“, murmelte Harvey etwas irritiert.
„Was faselst du da? Die überfallen doch nicht uns“, erwiderte Larry und sah auf.
Larry hatte Recht. Am Ende der Straße wurde ein schwules Pärchen von einem bewaffneten Mann bedroht.
„Wir müssen ihnen helfen“, zog Harvey seine Waffe.
„Hey, du bist betrunken, lass das“, hielt Larry ihn davon ab.
„Wir sind in Uniform, wir sind Polizisten, wir müssen helfen“, ging Harvey weiter und Larry fiel auf den Boden.
„Harv, du verlierst deinen Waffenschein, Harv“, rief Larry ihm hinterher.
„Hey, Polizei, Waffe weg“, rief Harvey und ging auf den Gangster zu. Dabei hatte er Probleme aufrecht zu gehen, weil er auch nicht gerade wenig getrunken hatte.
„Guck dich doch an Jungchen, du kannst ja nicht mal gerade stehen, willst du mich verhaften, oder vollkotzen?“, amüsierte sich der Gangster.
„Lass die Männer in Ruhe, und schmeiß die Waffe weg“, versuchte sich Harvey zusammen zu reißen und legte seine Waffe an.
„Hey Kleiner, lass die Waffe stecken, du verletzt dich noch selbst“, erkannte der Gangster, den das weiter amüsierte. Plötzlich tat es einen Schlag und der Gangster landete auf dem Asphalt.
„Hast du den Verstand verloren, in deinem Zustand einen Überfall zu verhindern? Er hätte dich erschießen können“, kam Alo aus dem Schatten getreten. Er hatte mit seiner Schrotflinte zugeschlagen und schulterte sie jetzt.
„Das kann ich dich auch fragen, ich hab’ hier grad’ eine Verhaftung vorgenommen“, erkannte Harvey grummelig.
„Ja, das hab’ ich gesehen. Meine Herren, gehen Sie am besten nach Hause und Sie sollten so spät nicht in dieser Gegend rumlaufen“, erwiderte Alo und nachdem die beiden Männern ihm die Hand geschüttelt hatten, gingen sie etwas verwirrt weg.
„Hey, die muss ich noch befragen“, murmelte Harvey auf wackeligen Beinen und Alo nahm ihm die Waffe ab.
„Erst mal musst du ne Runde schlafen“, lud Alo den bewusstlosen Kerl in einer Häuserecke ab, wo ihn niemand sah.
„Wo ist überhaupt Larry?“, sah Harvey sich um.
„Da hinten liegt er. Em', bring ihn ins Auto, wir bringen ihn ins Büro“, bat Alo und Emilio, der ihn begleitet hatte, lud Larry auf seine Schulter.
Sie fuhren die betrunkenen Männer ins Büro und luden sie auf dem Sofa ab. Beide waren inzwischen eingeschlafen.

Achtes Kapitel


Das erste Gesicht, was Harvey an diesem Morgen sah, war das von Shania. Der blonde Lockenschopf saß ihm gegenüber in einer Eingangshalle und zog ihre Lederstiefel an.
„Morgen, es gibt nichts widerlicheres als ein besoffenen Mann der sabbert“, bemerkte Shania und band eine Schleife.
„Was mache ich hier?“, fragte Harvey und hielt sich seinen Matschkopf.
„Mein Vater hat euch beide Pappnasen auf der Straße aufgelesen, ihr habt ganz schön Mist gebaut, Gott sei Dank hat euch niemand gesehen“, stand sie auf.
„Was haben wir gemacht?“, bemerkte Harvey peinlich berührt.
„Du wolltest volltrunken eine Verhaftung vornehmen, echt selten dämlich. Sei froh, dass meine Väter in der Nähe waren“, erkannte sie und strubbelte durch Harveys Haare.
„Wo ist Larry?“, setzte er sich erledigt auf.
„Umarmt den Porzellanthron. Wie geht’s dir?“, fragte sie liebevoll.
„Ich hatte einen seltsamen Traum. Ich hab’ geträumt, mir hätte jemand gesagt, meine Mutter wäre eine Kopfgeldjägerin“, band er seine Haare neu.
„Gut, du weißt das noch, ich dachte schon, du hättest das vergessen. Willst du nen Kaffee?“, kam Alo an ihm vorbeigelaufen.
„Aspirin wär‘ mir lieber. Wie bin ich hier hingekommen?“, fragte Harvey verwirrt.
„Ich hab’ dich hier rein getragen, du bist ja schon im Auto eingepennt. Ich hab’ übrigens deine Kollegen angerufen und ihnen alles erklärt. Euch hab’ ich natürlich aus der Geschichte raus gehalten. Larry, wie sieht es bei dir aus mit einem Kaffee?“, klopfte er an die Toilette am Ende des Ganges.
„Mir geht’s gar nicht gut“, kam Larry mit krausem Haar und verschwitzter Stirn aus der Tür.
„Das seh’  ich. Wenn ihr im Büro anrufen wollt, ihr könnt das Telefon in meinem Büro benutzen“, erkannte Alo hilfsbereit.
„Ich werde mal telefonieren gehen, ruh‘ du dich aus“, erwiderte Harvey und folgte Alo in sein Büro.
„Ich werde mal sehen, ob wir hier Aspirin haben, du musst den Stern drücken, um raus zu telefonieren“, bemerkte Alo und ging aus seinem Büro, nachdem er sein Patenkind  dorthin gebracht hatte.
„Ja Captain, wir brauchen heut Vormittag frei, wir werden nach der Mittagspause wieder ins Büro kommen. Das kann ich jetzt nicht erklären, ich hoffe Sie verstehen das“, erwiderte Harvey und lehnte sich an den schweren Holztisch. So sah er auf das Schießergebnis, was Alo hinter der Tür hängen hatte.
„Sagen wir, es ist ein Problem in der Familie aufgetreten. Wir sehen uns später“, erwiderte er nachdenklich und legte wieder auf.
„Man, er hat also nicht gelogen“, ging er auf das Bild zu.
„Alles klar bei dir da drin?“, klopfte Larry gegen die Tür und ließ ihn aufschrecken.
„Ja, alles bestens, ich hab’ gesagt, dass wir heut‘ Nachmittag zur Arbeit kommen“, erkannte Harvey, als er aus der Tür kam.
„Gut, ich muss dringend unter die Dusche, kommst du?“, fragte Larry und Harvey lief hinter ihm her. Plötzlich blieb er stehen.
„Ich glaub, ich bleib noch ein bisschen, ich muss noch was klären“, sah er zu der Gruppe Kopfgeldjäger hin, die sich in dem Konferenzraum versammelten.
„Deine Süße ist aber grad’ aus der Tür“, neckte Larry ihn.
„Ha ha, dewegen will ich nicht hier bleiben. Soll ich jemanden suchen, der dich heimbringt?“, sah er etwas in Gedanken zu der Gruppe.
„Nein, ich nehme mir ein Taxi. Hab’ ich gestern irgendwas Dummes gemacht?“, fragte Larry neugierig.
„Meinst du außer dem Striptease auf dem Tresen?“, fragte Harvey neckend.
„Wirklich nicht witzig. Wir sehen uns dann zu Hause. Kommst du klar hier?“, fragte er und ging Richtung Tür.
„Ja, alles bestens, fahr‘ du nur nach Hause. Wirklich, ist alles in Ordnung. Und du hast nichts gemacht, nichts Peinliches zumindest. Wir sehen uns nachher“, verabschiedete er seinen Partner und schloss die Tür hinter ihm.
„So, lass uns reden“, setzte sich Harvey dreist auf einen Stuhl am Ende des Tisches.
Plötzlich war es totenstill im vorher belebten Raum und alle Kopfgeldjäger sahen ihn an.
„Das ist ganz schön gruselig, ganz schön gruselig“, musterte Emilio, Harvey.
„Ich weiß, ich seh’  nicht grad’ aus wie der junge Morgen, aber das ist fies“, grummelte Harvey irritiert, weil die anderen nicht den Blick von ihm ließen.
„Warum hast du dich dahin gesetzt?“, fragte Cindy und nun war Harvey total verwirrt.
„Hab’ ich irgendein Grundgesetz verletzt, oder was? Könntet ihr mal aufhören, mich so anzustarren, ist peinlich genug hier zu sitzen“, entgegnete Harvey nervös.
„Sieh dir den Schriftzug an, der dort am Tischrand an deinem Stuhl steht“, erwiderte Alo und Harvey rollte mit dem Drehstuhl nach hinten.
„Reserviert für Magena Kenza“, stand dort eingraviert.
„Das ist der Platz meiner Mutter, es stimmt also“, war Harvey sprachlos.
„Seit sie vor 20 Jahren diesen Platz geräumt hat, hat niemand  mehr hier Platz genommen. Bis jetzt. Das ist ganz schön seltsam. Vor allem, weil du ihr so ähnlich siehst“, konterte Emilio und er sprang auf.
„Dann hab’ ich wohl ein Heiligtum entweiht“, bemerkte er etwas sarkastisch.
„Und deshalb springst du auf wie als würdest du auf heißen Kohlen sitzen? Du bist der rechtmäßige Besitzer dieses Stuhls, wenn du willst, gehört er dir“, erkannte Alo und er ging rückwärts aus dem Besprechungsraum.
„Ich muss nach Hause mich umziehen, ich muss zurück ins Büro“, entgegnete er verwirrt und ging zur Tür.
„Du willst doch nicht in einem Büro versauern, so wie es deine Mutter tut, oder?“, fragte Alo, aber Harvey ging die Straße entlang, seine Schritte wurden immer schneller, am Ende rannte er. Schweißgebadet kam er an seiner Wohnung an.
Zittrig versuchte er aufzuschließen, ihm fiel aber der Schlüssel runter. Die Tür sprang auf und Larry stand dort nur in ein Handtuch gewickelt.
„Sie hat mich angelogen, all die Jahre hat sie mich angelogen“, fiel er ihm weinend um den Hals.
„Hey, Kumpel, jetzt komm‘ erst mal rein, vor allem weil es eine peinliche Situation ist, dass ich hier halbnackt meinen Mitbewohner umarme“, zog er ihn rein und schlug die Tür zu.
 
Nach einer 20-minütigen Dusche und einem starken Kaffee, saß Harvey auf dem Balkon der Mietwohnung und starrte ins Leere.
„Hey, so schlimm ist das nicht, sie hat ja keinen umgebracht oder so“, versuchte Larry ihn zu beruhigen, der sich neben ihn gesetzt hatte.
„Das ist fast so als hätte man seine Eltern beim Sex erwischt. Man weiß, dass Eltern auch Geheimnisse haben, aber man will sie eigentlich nicht wissen. Weißt du es, weißt du, ob sie niemanden getötet hat?“, fragte Harvey ins Leere starrend.
„Kopfgeldjäger haben zwar manchmal ihre eigenen Methoden, aber sie stehen auf unserer Seite. Oh Gott, mir kommt grad’ in den Sinn, dass meine Mutter auch so gewesen sein kann“, spann Larry in seinen Gedanken.
„Sei mir nicht böse, aber deine Mutter ist wirklich nicht der Typ dafür“, schmunzelte Harvey und sah ihn an.
„Deine Mutter aber auch nicht, aber du hast Recht, nein meine Mutter wirklich nicht. Übrigens willkommen zurück, ich hab’ mir schon Sorgen gemacht“, erkannte Larry.
„Ich hab’ nur nachgedacht. Wie spät ist es?“, fragte Harvey und drehte Larrys Arm herum, dass er seine Uhr sehen konnte.
„Verdammt, ich muss los, ich muss zum Mittagessen bei meinen Eltern. Wir sehen uns im Büro“, sprang er auf.
„Willst du ihr sagen, was du weißt?“, fragte Larry neugierig und Harvey zog seine Jacke an.
„Das überleg ich mir noch bis dahin. Wünsch‘ mir Glück. Soll ich dich nach dem Mittagessen hier abholen, oder kommst du irgendwie ins Büro?“, fragte Harvey und nahm die Autoschlüssel.
„Ich ruf Luce an, dass sie mich mitnimmt, ich hoffe sie tut das nach gestern noch. Du kommst doch nachher wieder ins Büro, oder?“, fragte Larry.
„Klar, ich muss ja im Büro auftauchen, nach allem was ich gestern getan habe. Würde jetzt zu lange dauern, das zu erklären. Wir sehen uns da“, entschied Harvey und ging Richtung Ausgang.
„Was ist denn gestern passiert, sag‘ mal?“, lief Larry hinter ihm her.
„Sagen wir mal so, wenn ich morgen noch einen Job hab, bin ich echt froh. Ich muss jetzt wirklich los, also bis dann“, knallte er die Tür hinter sich zu.
 
„Du bist spät“, erkannte Veto, als er an diesem Mittag seinem Sohn die Tür öffnete.
„Entschuldige, ich hab’ nen Kater, da braucht alles seine Zeit“, erkannte Harvey und kam hinein. Seine Mutter, seine Schwester und seine Nichte saßen schon am reichlich gedeckten Tisch.
„Du trinkst viel in letzter Zeit“, bemerkte Veto tonlos.
„Was heißt das jetzt schon wieder?“, fragte Harvey etwas grummelig.
„Gar nichts, das ist mir nur aufgefallen. Wir haben Taccos gemacht“, führte Veto seinen Sohn zum Tisch.
„Was ist hier los?“, fragte Harvey skeptisch, dass seine Mutter seine Leibspeise gekocht hatte.
„Gar nichts, ich wollte dir nur mal was Leckeres kochen, das ist alles“, entschied Meg und er setzte sich.
„Dann ist ja gut, lasst uns Essen, entschuldigt das ihr warten musstet“, begann er zu essen.
Als sie fertig mit dem Essen waren, wurde es plötzlich still am Tisch.
„Hope, Süße könntest du bitte mit Zu nach oben gehen und ihr dein neues Videospiel zeigen, wir müssen kurz mal über Erwachsenen-Dinge reden“, bat Meg seine Tochter und die nahm ihre Nichte an die Hand und ging brav nach oben.
„Ich wusste doch, dass hier was faul ist. Ihr habt also von dem Vorfall gestern gehört?“, erkannte Harvey und lehnte sich zurück.
„Was ist denn gestern passiert?“, fragte Meg neugierig.
„Nichts, gar nichts. Also über was wolltet ihr mit mir reden“, bemerkte er nervös.
„Es wird Zeit mit dir über ein Thema zu reden, über das wir eigentlich nicht sprechen wollten“, begann Veto und nahm die Hand seiner Frau.
„Hat das mit dem Büro in der Cook-Street zu tun?“, fragte Harvey und verschränkte seine Arme vor der Brust.
„Wie lange weißt du es schon?“, fragte Meg und es klang fast so, als wäre sie erleichtert.
„Heute Morgen, ich bin in deinem früheren Büro aufgewacht. Das hängt mit dem Vorfall von gestern zusammen, auf den ich jetzt nicht näher eingehen will. Fakt ist, ich weiß dass du eine große Nummer dort warst und dass du einen Gedenkstuhl hast, den keiner benutzen darf. Warum dieses Geheimnis, was ist so schlimm daran?“, wollte Harvey endlich Antworten von seiner Mutter haben.
„Ich wollte auf keinen Fall, dass du auch Kopfgeldjäger wirst, das kann ich jetzt wohl vergessen“, entschied Meg und nahm einen Schluck aus ihrem Wasserglas.
„Wer hat das gesagt? Verdammt, ich pinkel’ mir bei gefährlichen Situationen in die Hose, ich will sicher kein Kopfgeldjäger werden“, wurde Harvey laut.
„Du hast dich voll gepinkelt?“, prustete Meg in die angespannte Situation.
Plötzlich lachten alle am Tisch.
„Das ist nicht witzig, das ist wirklich nicht witzig“, versuchte Harvey Ernst zu bleiben.
„Du hast also Alo kennen gelernt und die ganze Gang?“, wurde Meg wieder ernster.
„Na ja, nicht so richtig, ich bin von ihnen weg gelaufen. Welcher Polizist tut so was? Welcher Polizist versucht volltrunken eine Verhaftung durchzuführen? Ich bin kein Polizist, ich bin ein Bürohengst mit einer Waffe, der zwar gut schießen kann, aber nie die Möglichkeit dazu bekommt. Aber morgen ist das ja eh egal, morgen bin ich eh draußen“, schüttete er seinen Eltern sein Herz aus und legte seinen Kopf auf den Tisch.
„Was ist denn morgen, willst du kündigen?“, fragte Veto besorgt.
„Hast du mir grad’ nicht zugehört, ich hab’ gestern versucht voll bis zum Rand eine Verhaftung vorzunehmen, das ist nicht meine Aufgabe, ich bin raus“, erkannte Harvey sicher.
„Das glaub ich nicht, ich hab’ grad’ eben noch mit Eddie telefoniert, er weiß nichts von dem Vorfall, zumindest hat er es nicht erwähnt. Er wollte nur wissen, ob es dir gut ginge, du hättest am Telefon so verstört geklungen und dass du das erste Mal seit einem Jahr krank bist, hat ihn auch irritiert. Was auch immer du gemacht hast, es ist unbemerkt geblieben“, erwiderte Meg beruhigend.
„Ich bin nicht glücklich darüber, dass du meinen Captain so gut kennst“, entschied Harvey nachdenklich.
„Hey, der alte Grabscher wollte vor zwanzig Jahren was von mir, das hat sich bis jetzt nicht geändert, er ist nur etwas weniger aufdringlicher, seit ich deinen Vater geheiratet habe. Apropos, es ist halb vier, der alte Grabscher will dich sicher langsam wieder im Büro sehen“, zeigte Meg auf die Uhr.
„Richtig, sonst feuert er mich wirklich noch. Ich will kein Kopfgeldjäger werden, ist dir das jetzt klar geworden?“, fragte Harvey und sprang auf.
„Ja, ich glaub schon. Und denk daran, wenn du jetzt wieder an die Arbeit gehst, wir Polizisten im Innendienst leisten genauso produktive Arbeit wie die im Außendienst, aber wir werden nicht erschossen, das ist der größte Vorteil. Ich muss mir keine Sorgen um dich machen, das ist wunderbar. Ich bestrafe dich damit nicht, ich beschütze dich nur. Ihr Kinder seid mein Leben, ich hoffe das weißt du“, entschied seine Mutter, umarmte ihren Sohn und sah zu wie er nachdenklich zurück zu seinem alten grünen Chevy ging um weg zu fahren.
„Du hasst deinen Job, Meg“, erwiderte Veto und Meg lächelte.
„Das muss er ja nicht wissen. Wie wär’s Süßer, sollen wir hochgehen und ich zieh meine Lederhose an und wir spielen Kopfgeldjägerin und böser Reporter?“, säuselte Mag.
„Die Kinder spielen oben“, erkannte Veto.
„Dann erst heute Nacht, ich werde vermutlich eh so lang brauchen, um in meine Lederhose in Größe 38 zu kommen“, entschied Meg lächelnd und küsste ihren Mann.
 
Gut gelaunt kam Harvey ins Büro zurück. Er setzte sich grinsend an seinen Schreibtisch.
„Wer sind Sie und was haben Sie aus dem Häufchen Elend von heut Morgen gemacht?“, fragte Larry verwundert.
„Meine Mutter hat mir gerade gesagt, dass wir Polizisten im Innendienst einen wichtigen Anteil an der Polizeiarbeiten leisten, und ich glaub‘ daran“, erkannte Harvey und machte den Bildschirm seines Laptops an.
„Okay, ich weiß zwar nicht, was du geraucht hast, aber ich hoffe du gibst mir nach Feierabend was ab. Aber alles besser als deine Stasis von heut Morgen. Wir müssen noch viel tun, also halt‘ dich ran“, wendete er sich wieder seiner Arbeit zu.
Doch weit kamen sie nicht. Harvey war erst eine halbe Stunde an seinem Schreibtisch als zwei bekannte Bikerboots mit zugehörigem scharfem Fahrgestell durch die Tür des Reviers stolzierten.
„Harv, deine Freundin kommt grad’ rein stolziert“, bemerkte Larry überrascht.
„Erstens sie ist nicht meine Freundin zum letzten Mal und zweitens … verdammt sieht die heut‘ heiß aus“, klappte Harvey die Kinnlade runter.
„Die Frau die nicht deine Freundin ist, kommt grad’ auf dich zu“, erwiderte Larry und eh sich Harvey versah, saß Shania breitbeinig auf seinem Schoß und küsste ihn wild ab.
„Ich konnte mich gar nicht für gestern Nacht bedanken“, bemerkte sie und stieg wieder von ihm runter.
„Nein, daran könnte ich mich sicher erinnern“, stotterte Harvey.
„Ganz sicher, mein Süßer. Wollt nur wissen, wie es dir so geht, du bist heut‘ Morgen so schnell verschwunden. Hey, Harveys Kollege, der nach seinem Porzellanwalzer nicht sauber gemacht hat und ich das machen musste“, begrüßte Shania auch Larry.
„Entschuldige meine Herrin“, witzelte Larry über Shanias Domina Auftritt.
„Hey, das sind Biker Boots, ich kann ja kaum mit Turnschuhen auf die Maschine steigen. Wie ist dein Name noch mal?“, fragte Shania keck.
„Larry, aber du kannst mich nennen, wie du willst“, entgegnete Larry cool.
„Larry müsste für den Anfang reichen. Ich wollte persönlich vorbeikommen, mein Sklaventreiber von Stiefvater möchte dich zu einem unverbindlichen Vorstellungsgespräch einladen“, bemerkte Shania und setzte sich frech auf Harveys Schreibtisch.
„Auch wenn ich noch keine so heiße Vermittlerin getroffen habe, lehne ich dankend ab. Aber wenn wir uns mal privat treffen würden hätte ich da nichts dagegen“, schmunzelte Harvey.
„Versteh‘ das nicht falsch, Süßer, aber ich treffe mich nur mit Kerlen, nicht mit Bürohengsten. Schade, wärst echt eine Bereicherung für unser Team. Schönen Tag noch“, stolzierte sie ohne ein weiteres Wort wieder aus dem Büro.
„Genau aus diesem Grund will ich Kopfgeldjägerin werden, als Polizistin dürfte ich mir so was nicht erlauben“, kam Lucy mit einer Kaffeetasse in der Hand zu ihrem Platz.
„Du könntest es ja mal versuchen“, klopfte Larry sich cool auf die Oberschenkel und setzte sich breitbeinig hin.
„Ich hab’ mich getäuscht, das will ich doch nicht machen. Warum hat dich diese heiße Tussi abgeknutscht?“, fragte Lucy neugierig.
„Sie ist meine Freundin“, behauptete Harvey cool.
„Nein, im Ernst, wer ist sie?“, glaubte Lucy ihm nicht.
„Alo Quakadis Tochter, sie wollen mich unbedingt einstellen. Aber ich will nicht“, wendete er sich wieder an seine Arbeit.
„Aber du kannst mir doch einen Termin bei ihnen besorgen, oder?“, fragte Lucy plötzlich ungewohnt nett.
„Ich werde sie mal anrufen und versuchen dich da rein zu bringen. Du solltest vorher aber noch mit meiner Mutter sprechen, ob du das wirklich willst“, erkannte Harvey und sah auf.
„Warum soll ich mit deiner Mutter sprechen?“, war Lucy verwundert.
„Ich hab’ heut festgestellt, dass ich der Spross einer Kopfgeldjägerin bin. Ja, du hast richtig gehört, ich bin der Sohn einer Kopfgeldjägerin. Der Loser aus dem Büro hat eine wilde Seite“, gestand Harvey seiner Kollegin.
„Eine wilde Seite würde ich das nicht nennen, eher einseitiges Potential. Das wäre ganz lieb, wenn du mit ihnen über mich sprechen könntest“, erkannte Lucy und ging weiter.
„Und wieder mal sind wir beide abgeblitzt, ein ganz normaler Tag in unserem Leben“, bemerkte Larry und arbeitete weiter.
 
Shania stieg zur gleichen Zeit frustriert auf ihr Motorrad. Noch nie hatte ein Mann sie abgewiesen, sie musste sich wohl langsam daran gewöhnen, jetzt wo sie immer mit so vielen Klamotten rum rennen musste. Sie wünschte sich so gern Polizistin zu werden, sie mochte die Jagd nicht. Das ständige Schießtraining und die vielen Übungen. Ihre Eltern waren Kopfgeldjäger, sie war damit aufgewachsen, aber sie mochte es nicht. Deshalb ihr Ausbruch in die Striptease-Szene. Aber jetzt wurde sie bald 20, es wurde Zeit erwachsen zu werden. Sie kickte den Motor an und düste davon.
 
„Er hat dich abblitzen lassen? Ich wusste doch, dass der Kleine schwul ist“, kommentierte Emilio die Ermittlungsarbeit seiner Tochter.
„Oh nein, wie der küsst ist der ganz eindeutig Hetero. Der hat wirklich keine Lust hier mit zu machen“, erwiderte Shania und schwang ihre Beine auf den Konferenztisch.
„Hey, wir wissen alle, dass du tolle Beine hast, Tochter, aber das ist ein Konferenztisch, also setz‘ dich richtig hin“, bemerkte Cindy und schob die Beine ihrer Tochter vom Tisch.
„Da wir hier gerade so zusammensitzen, ich werde mich morgen bei der Polizeischule anmelden“, platzte Shania mit der Neuigkeit in die Runde. Emilio spuckte den Inhalt den er gerade getrunken hatte, prustend aus.
„Mach nie wieder so einen Scherz, wenn ich trinke“, bemerkte er und wischte seinen nassen Mund ab.
„Ich mein das ernst, ich will keine Kopfgeldjägerin werden“, bekräftigte sie noch einmal ihre Aussage.
„Du bist schuld daran, du hast sie als Kind immer diese Polizeiserien gucken lassen“, maulte Emilio seine Ex-Frau an.
„Entschuldige mal, wer von uns hat die Polizisten in der Familie?“, motzte Cindy zurück.
„Sicher hat Onkel Morty dich umgestimmt? Wir hätten dich bei Tante Ednas Beerdigung nicht so lang bei ihm sitzen lassen sollen“, versuchte Emilio zu verstehen, warum seine einzige Tochter ihm das antat.
„Macht doch nicht so ein Drama, es ist doch die selbe Seite, für die wir kämpfen, oder nicht?“, verstand Shania den Trouble nicht.
„Zumindest ist sie angezogen bei diesem Job“, mischte sich auch Alo ein.
„Das ist kein gutes Argument, Alo, sie trägt eine Uniform, den Knebel des Staates“, war Emilio nicht davon überzeugt.
„Meg hat sich dafür entschieden und sie ist glücklich“, argumentierte Shania und plötzlich wurde es still.
„So glücklich ist sie nicht, ihr kleines, zurechtgelegtes Leben zerbröckelt langsam“, erkannte Alo entgegensetzend.
„Darüber haben sie gesprochen, du und dein blödes Lippenlesen, du hast gesagt, sie reden über die Arbeit“, entgegnete Cindy zu Emilio.
„Ich hab’ gesagt, ich kann Lippenlesen, ich hab’ nicht gesagt dass ich das gut kann. Ich mach das erst ein paar Wochen. Also, was ist mit ihr los?“, wendete sich Emilio an Alo.
„Das wär ja noch schöner, wenn ich dir das erzähle, das kannst du vergessen. Könnten wir jetzt mal mit der Besprechung anfangen, wir haben schon genug Zeit vertrödelt“, begann Alo die tägliche Besprechung.

Neuntes Kapitel


An diesem Abend saß Harvey auf dem Balkon und las ein Buch. Nach einer Weile bemerkte er, dass Larry ihn ständig anstarrte. Er wollte der Sache nachgehen und ging zu ihm rein.
„Wenn du mich noch länger anstarrst, bestell ich dir einen Callboy“, entschied Harvey missmutig.
„Was hast du gestern gemacht?“, wollte Larry endlich wissen.
„Nichts, gar nichts“, bemerkte Harvey nervös.
„Verbrecher stammeln auch so, wenn sie nichts getan haben“, neckte Larry ihn.
„Es ist mir zu peinlich, es zu erklären“, entschied Harvey und setzte sich neben ihn.
„Dein ganzes Leben ist peinlich, also spuck’s schon aus“, versuchte Larry seinen Kollegen zu verhören.
„Also nachdem wir die Bar verlassen haben und du mich vor den anderen bloßgestellt hast, weil du meine peinliche Aktion im Stripclub rumerzählt hast, haben wir gesehen, wie, na ja eigentlich hab’ nur ich gesehen, du hast ja friedlich gepennt, wie ein schwules Pärchen belästigt wurde. Ich also auf sie zu und wollte den Dieb verhaften, doch ich konnte kaum noch laufen. Dann kam Alo und hat ihn niedergeschlagen und uns zu ihm gebracht. Ich hab’ leider nicht genug getrunken, um mich nicht daran zu erinnern. Aber wenn jemand fragt, ich weiß nichts mehr“, erklärte Harvey stockend.
„Das hätte echt ins Auge gehen können, was auch immer Alo gemacht hat, es hat funktioniert. Das darf nicht mehr passieren“, entschied Larry.
„Da rennst du bei mir offene Türen ein, das darf echt nicht mehr passieren. Ich werde in nächster Zeit die Finger vom Alkohol lassen“, entschied Harvey.
„Ja, ist cool, wenn du das willst. Und wenn wir mal was trinken gehen, ziehen mir uns vorher um, okay?“, entschied Larry auch.
Sie wollten grad’ Schlafen gehen, als es klingelte. Da Harvey im Bad war, ging Larry hin.
„Harv, da steht ne heiße Frau vor unserer Tür“, rief Larry ins Badezimmer.
Harvey, in voller Erwartung Shania zu sehen, eilte in Unterwäsche zur Tür.
„Hey, warum hast du es so eilig Bruder, er sagte Frau, nicht Plastiksexpuppe“, zog Elena ihn auf. Seine älteste Schwester stand dort mit einem Koffer in der Hand in der Tür.
„Das darfst nur du dir erlauben. Hallo Schwester“, umarmte er seine Schwester.
„Von wegen hey Schwester, du bist ein Idiot“, schupste sie ihn sanft in den Raum.
„Diesen Satz hör ich in letzter Zeit zu häufig. Warum muss alles meine Schuld sein?“, setzte er sich aufs Sofa.
„Hast du Kaiser gesagt, dass er nichts für deine Schwester ist, oder nicht?“, fragte seine Schwester und setzte sich neben ihn.
„Ja, aber?“
„Nichts aber, du bist schuld, basta. Ich hab’ jetzt zwei Tage meine von meiner Trennung gebeutelte Tochter allein gelassen, um meine kleine Schwester zu beruhigen. Mum und Dad dürfen übrigens wieder zu Hochzeit kommen, falls es dich interessiert. Du bist übrigens verbannt worden“, erkannte Elena rechthaberisch.
„Hatte eh nicht vor, hinzugehen. Danke, dass du das für Mum gemacht hast. Haben dich Mum und Dad rausgeschmissen, oder warum schleppst du einen Koffer mit dir rum?“, fragte Harvey und Elena stellte ihren Koffer zwischen ihre Beine.
„Ich komm grad’ vom Flughafen, ich schnapp‘ mir jetzt meine Tochter und fahr‘ noch ein paar Stunden nach Hause. In mein kaltes leeres Haus, weil mein Mann mich ja verlassen hat“, lehnte sie sich nach hinten. Harvey griff nach dem Koffer und brachte ihn wortlos in sein Zimmer.
„Hey, was machst du?“, rief sie zu ihrem Bruder.
„Du schläfst heut Nacht in meinem Bett und ich auf dem Sofa. Ich werde Mum anrufen und Bescheid sagen. Du siehst müde aus“, bemerkte Harvey und zog sie auf sein Bett.
„Aber ich muss nach Hause“, entschied sie und Harvey bückte sich zu ihr runter.
„Morgen, meine Süße, morgen“, zog er ihr ihre hochhakigen Schuhe aus, und sie krabbelte auf das Bett.
„Mais Verlobter ist ein Arsch“, murmelte sie schläfrig und er deckte sie zu.
„Das scheint langsam die ganze Familie erkannt zu haben, aber solang Mai das nicht erkennt, können wir diese Hochzeit nicht verhindern. Roll‘ mal zur Seite, ich brauch nen Kissen“, nahm er ein Kissen aus seinem Bett und löschte das Licht, als er aus dem Zimmer ging.
„Diese Familie macht mich noch krank. Die macht mich … toll ich führe Selbstgespräche“, kam er in ein leeres Wohnzimmer.
„Hast du was gesagt?“, streckte Larry den Kopf aus der Badezimmertür.
„Ely schläft heute Nacht hier“, erkannte er kurz und pflanzte sich aufs Sofa.
„Ach so, dachte ich mir schon. Gute Nacht“, schloss er die Tür wieder.
Harvey lehnte sich zurück und rief zu Hause an.
„Hey Mum, hab’ ich dich geweckt?“, fragte Harvey, als er zu Hause anrief.
„Äh, nein“, erwiderte Meg schnaufend.
„Warum bist du so außer Atem, nein warte, ich will’s nicht wissen. Ich wollt nur Bescheid sagen, dass Elena heut Nacht bei mir schläft, sie ist zu müde um noch heimzufahren. Ihr kommt doch klar mit Zu, oder?“, fragte Harvey.
„Ja, sicher. Gute Nacht“, war Meg kurz angebunden und legte wieder auf.
Harvey schüttelte sich vor Ekel und ging zum Kühlschrank um sich ein Bier zu holen.
Von dem Klirren der Kühlschranktür wurde Larry hellhörig und er kam mit seiner Zahnbürste im Mund zu ihm.
„Ich dachte du willst abstinent leben für ne Weile“, kommentierte Larry was er da sah und spuckte in die Küchenspüle das Wasser aus dem Mund aus.
„Weißt du noch, wie ich heut Morgen sagte, ein Geheimnis über die Eltern zu erfahren ist wie die Eltern beim Sex zu erwischen. Ich hatte Unrecht, das ist wesentlich ekliger“, umschrieb er sein Telefonat.
„Wenn man so lange verheiratet ist, wie meine Eltern ist das berechenbar. Weihnachten, Neujahr, Saint Patricks Day, Thanksgiving. Da weiß man genau, wann man nicht stören sollte. Aber bei deiner Mutter, hey die ist echt scharf für ihr Alter, sie könnte gut als deine große Schwester durchgehen“, bemerkte Larry cool und Harvey nahm einen großen Schluck aus der Flasche.
„Ich sag’s nur. Und wenn ich mir vorstelle, früher in engen Lederhosen …“, begann Larry zu schwärmen und Harvey strafte ihn mit dem bösen Blick.
„Bin schon im Bett, da kann ich auch viel besser von deiner Mutter träumen. Wie würde Mai wohl in Lederhosen aussehen?“, steigerte sich Larry in ein Gespräch, was er nicht gewinnen konnte.
Blitzschnell packte Harvey seinen Kumpel im Genick und verabreichte ihm eine Dusche in der Spüle und ließ ihn wieder los.
„Das hab’ ich verdient. Gute Nacht“, schlurfte er wie ein begossener Pudel in sein Zimmer.
Harvey setzte sich aufs Sofa und griff wieder zum Telefon. Er zog die Visitenkarte von Shania heraus.
„Shania, hey, ich bin’s Harvey. Schade, dass nur der Anrufbeantworter dran geht, ich hatte gehofft deine süße Stimme zu hören. Wie auch immer, dein Sklaventreiber von Stiefvater soll mich mal anrufen, dass wir einen Termin für ein Gespräch ausmachen können. Also gute Nacht“, sprach er auf die Mailbox ihres Handys und legte wieder auf. Er stellte die fast leere Bierflasche auf den Tisch, kuschelte sich ins Sofa und schlief ein.
 
Lautes Fluchen weckte Harvey am nächsten Morgen. Es war noch dunkel draußen, nur ein Sonnenstreifen am Horizont kündigte den nächsten Morgen an.
Müde setzte er sich auf.
„Mist, jetzt hab’ ich dich geweckt“, fluchte Elena die sich den Fuß hielt.
„Du hast einen ganz schönen Wortschatz, junge Dame. Noch alles dran?“, fragte er schlaftrunken.
„Ich bin gegen irgendwas hartes getreten, man tut das weh“, erwiderte Elena und humpelte zu ihm.
„Muss eine Hantel von Larry sein, die rollen ab und zu mal unterm Sofa hervor. Bin ich auch schon dagegen getreten. Zeig mal her“, nahm er den zarten Fuß seiner Schwester in die Hand.
„Wie kannst du nur mit so einem Dreckschwein zusammenwohnen, das ist echt widerlich“, erwiderte Elena und lehnte sich zurück.
„Man gewöhnt sich daran. Scheint nichts gebrochen zu sein, ich bring dir einen Eisbeutel. Du hättest ruhig das Licht anmachen können“, stand er auf und ging zum Eisfach.
„Ich wollt dich echt nicht wecken, es ist erst halb sechs“, erkannte sie und zog ihre Socke aus.
„Schon okay. Dann werde ich mal endlich joggen gehen, das wollt ich schon lang machen. Schwillt es an?“, fragte Harvey und füllte Eiswürfel in den Beutel.
„Nein, ich hoffe das tut er auch nicht, ich muss mich in meinen eh zu engen Schuh ja schon rein quetschen. Was ist eigentlich mit Larry? Mai hat gesagt, er hätte da was am Laufen“, wollte Elena neugierig wissen.
„Nicht wirklich, er hatte was Kurzfristiges mit einer Kollegin, aber mehr als ein One-Night-Stand war das anscheinend nicht. Du warst doch schon etwas älter, als ich geboren wurde, oder?“, fragte Harvey plötzlich.
„Ich war sieben, was bezweckst du mit dieser Frage?“, wunderte sich Elena.
„Weißt du, dass Mum Kopfgeldjägerin war?“, fragte er und kam zurück zu ihr.
„Ja, haben sie es dir auch endlich gesagt? Ich will nicht weiter darüber sprechen“, entgegnete Elena abweisend.
„Aber mit irgendjemand muss ich darüber reden“, bat Harvey.
„Das ist mir wirklich sehr unangenehm darüber zu sprechen, vor allem, weil in dem Jahr auch meine Mutter gestorben ist“, entschied Elena kurz angebunden.
„Ja, sicher, tut mir Leid, daran hatte ich nicht gedacht. Vergiss es, hat mich nur verwirrt, das ist alles. Du warst gestern echt mies drauf, geht’s dir besser?“, fragte Harvey und legte den Eisbeutel auf den Fuß seiner Schwester.
„Zumindest hab’ ich gut geschlafen, dein Bett ist echt bequem, für einen Polizisten kannst du echt gut zimmern. Nur schade, dass ich die erste Frau bin, die dort drin übernachtet hat“, neckte sie ihn und stellte ihren Fuß auf den Boden.
„Geht schon wieder, ich muss jetzt echt los, ich muss heut Mittag um drei in einem Meeting sitzen, ich hab’ schon zu viel Zeit vertrödelt. Wo sind eigentlich meine Schuhe?“, fragte sie und sah unter das Sofa. Dabei entdeckte sie eine andere Hantel und zog sie hervor.
„Die legen wir ihm jetzt mal vor die Tür, dass er sich auch weh tut“, bemerkte Elena rachsüchtig und tat dies.
„Hör auf damit, reicht es nicht, wenn unsere Schwester ihm schon so weh tut?“, fragte Harvey nachdenklich.
„Immer noch? Er muss doch mal kapiert haben, dass sie für ihn gestorben ist. Tja, manche Männer lernen es halt nie. Hast du meine Schuhe gefunden?“, fragte Elena und ging in Harveys Schlafzimmer, in das er gegangen war.
„Hier liegen sie. Wirklich grausig, da schleicht eine hübsche Frau aus meinem Zimmer nach einer Nacht in meinem Bett und dann ist es meine Schwester“, schmunzelte Harvey und hob ihren Koffer vom Boden auf.
„Wirklich schade. Ich werde dich auf Mais Hochzeit vermissen“, entgegnete sie und nahm ihren Koffer entgegen.
„Mai wird das sicher auch tun, aber nicht zugeben. Ist das nicht komisch auf eine Hochzeit zu gehen, wenn man gerade mitten in der Scheidung steckt?“, fragte Harvey, während sie bis zum Hauptausgang durch das Treppenhaus liefen.
„Nein, ist eine gute Ablenkung. Danke für dein Asyl“, öffnete sie die Tür und umarmte ihn mit ihren Schuhen in der einen und mit ihrem Koffer in der andren Hand.
„Immer wieder gern. Ruf an, wenn ihr angekommen seid und gib der Kleinen einen Kuss von mir, ich hab’ sie nur kurz gesehen und da hat sie geschlafen“, bat Harvey und Elena lief tänzelnd mit nackten Füßen über die Steinplatten des Mietshauses zu ihrem Auto.
 
Als sie Sonne aufging, band sich Harvey seine verstaubten Turnschuhe und ging joggen. Es war frisch an diesem Morgen und er setzte die Kapuze seiner Kapuzenjacke auf.
„Jetzt noch ein Baseballcap oben drauf und du siehst aus wie ein Marathonläufer“, kreuzte Shania seinen Weg.
„Man, mit dir hab’ ich jetzt echt nicht gerechnet“, stotterte er verwirrt.
„Das kann ich auch von dir sagen, ich lauf hier jeden Morgen, hab’ dich aber noch nie getroffen. Hast du noch ein bisschen überschüssige Energie nach deiner kleinen Freundin?“, neckte Shania ihn.
„Spionierst du mir nach?“, fragte Harvey gespielt beleidigt.
„Nein, ich bin nur gerade vorbeigejoggt. Du hast einen guten Geschmack, das muss man dir lassen“, erkannte Shania und joggte neben ihm her.
Du kommst an meinem Apartment gar nicht direkt vorbei, warum spionierst du mir nach?“, fragte Harvey und drehte sich joggend um, dass er sich besser mit ihr unterhalten konnte.
„Es tut mir leid, ich musste mir eine Person aussuchen die ich beobachten muss für diese Woche. Gehört zu meiner Ausbildung. Wenn ich gewusst hätte, dass du auf ältere Kaliber stehst, hätte ich dich nicht angemacht“, erkannte Shania neckisch.
„Du hast mich angemacht? Hab’ ich gar nicht mitbekommen“, schmunzelte er und drehte sich wieder um.
„Ich hab’ einige ältere Freundinnen, die könnt ich dir vorstellen“, entschied sie und überholte ihn.
„Nein danke, ich steh‘ nicht auf älteres Gemüse. Obwohl es dich nichts angeht, die Frau war meine Schwester“, erklärte er und sah auf sein Pulsmessgerät.
„Du schläfst mit deiner Schwester? Das ist widerlich“, bemerkte sie und verzog ihr Gesicht.
„Wäh, nein ich schlaf nicht mit meiner Schwester“, entgegnete er angewidert.
„Warum schläft sie dann in deinem Bett?“, fragte Shania rechthaberisch.
„Weil ich ein Gentleman der alten Schule bin und sie in meinem Bett schlafen lassen habe, während ich auf dem Sofa geschlafen habe. Du bist eifersüchtig“, realisierte er.
„Pah, du spinnst doch“, bemerkte sie beschämt.
„Wie du meinst. Kleines Wettrennen zu Dunkin Donuts? Ich muss Frühstück holen“, rannte er los und sie hinterher.
„Du siehst deiner Schwester gar nicht ähnlich, ist dir das schon aufgefallen?“, mampfte Shania einen Donut, als sie zusammen in Café saßen.
„Wir haben nicht die gleichen Eltern, kann vielleicht daran liegen“, bemerkte er und schlürfte an seinem Kaffee.
„Dann seit ihr rein biologisch keine Geschwister?“, schlussfolgerte Shania.
„Echt nette Schlussfolgerung. Elena ist die Tochter der verstorbenen Ex-Frau meines Vaters und meine Mutter hat sie nach ihrer Hochzeit mit ihm adoptiert. Aber sie ist meine Schwester“, erkannte er.
„Ich hätte auch gern Geschwister gehabt, aber dann haben sich meine Eltern ja getrennt“, entschied Shania und schlürfte an ihrer Cola.
„Du kannst welche von meinen haben, die machen mir gerade das Leben schwer. Wie spät ist es eigentlich?“, fragte er.
„Kurz vor acht. Man, wir sitzen hier schon zwei Stunden. Musst du nicht zur Arbeit?“, fragte Shania erkennend.
„Ja, verdammt in einer halben Stunde. Ich muss los, war schön sich mit dir zu unterhalten“, sprang er auf und eilte davon.
„Harvey warte, deine Donuts. Egal, freut sich mein Büro über das Frühstück“, rief sie hinterher und stand auch auf.
 
„Hi, wo warst du?“, fragte Larry, der hinter einer Zeitung am Tisch saß.
„Ich war joggen“, erwiderte Harvey kurz.
„Ah, du siehst gar nicht angestrengt aus für die zwei Stunden, die du weg warst“, schlussfolgerte Larry kritisch.
„Ich war noch was frühstücken, Officer“, war Harvey nicht begeistert über die Befragung seines Kollegen.
„Allein?“
„Nein, nicht allein. Du musst mal wieder Befragungen durchführen, du hast wohl schon Sehnsucht“, erkannte Harvey schroff.
„Ich reinige gerade meine Waffe, also nerv‘ mich nicht. Wie heißt sie?“, fragte Larry und senkte seine Zeitung. Darunter verbarg sich seine Waffe, die er gerade penibel reinigte.
„Warum hältst du die Zeitung davor? Oder will ich das gar nicht wissen“, erwiderte Harvey verwundert.
„Wir wohnen gegenüber einer Schule und haben immer noch keine Vorhänge, das sollten die Kinder wirklich nicht sehen. Also wer ist sie?“, fragte Harvey und ließ seine Waffe einrasten.
„Shania, wir haben uns beim Joggen getroffen“, erklärte Harvey.
„Shania? Die hat dich doch abblitzen lassen“, war Larry überrascht.
„Tja, mein Charme ist halt unübertrefflich. Ich muss mich noch duschen und umziehen, die Donuts die ich dir gekauft habe, hab’ ich leider vergessen, tut mir Leid“, eilte Harvey zum Badezimmer.
 
„Du hast mir Donuts gekauft?“, fragte Larry verwundert.
„Ja, eigentlich allen im Büro, wir können nachher ja noch mal vorbeifahren. Sie sieht übrigens extrem heiß aus in kurzen Shorts, den Anblick hast du echt verpasst“, rief er aus dem Badezimmer.
„Da braucht es keine große Fantasie, sie hat ja nie viel an“, bemerkte Larry cool und steckte seine Waffe in den Gürtel.
„Das hört sich fast so an, als würdest du dich darüber beschweren“, erwiderte Harvey und stellte die Dusche an.
„Oh nein, ganz sicher nicht, vor allem weil wir in unserem Beruf nicht gerade viel nackte Haut sehen. Apropos nackte Haut, wie wär’s wenn wir noch mal in den Club gehen?“, schlug Larry vor.
„Nein danke“, rief er und stieg unter die Dusche.
„Komm schon, auch wenn dein erstes Erlebnis mies war, musst du das nicht gleich aufgeben“, bat Harvey.
„Larry, du bist 30, such dir ne Ehefrau“, rief Harvey etwas lauter.
„Würde ich gern, aber die Frau die meine werden soll, wird die eines anderen“, rief Larry und wurde dann still.
„Larry, such dir eine andere Frau, meine Schwester wird heiraten“, öffnete Harvey die Tür wieder mit einem Handtuch um.
„Und wie wäre es mit Elena? Ich meine jetzt wo sie sich scheiden lässt“, schlug Larry vor.
„Such mal in einem weiteren Radius als in meiner Familie, das wär nett“, bat Harvey und ging zum Waschbecken um sich die Zähne zu putzen.
„Hab’ ich ja versucht, aber du hast ja gesehen, wozu das geführt hat“, erkannte Larry und kam ins Badezimmer.
„Auch außerhalb vom Büro, ich kann das zwar auch auf den Tod nicht ausstehen, aber wir könnten uns ja mal schick machen und in eine dieser In-Kneipen in der Stadt gehen“, erwiderte Harvey und spuckte aus.
„Was heißt schick machen? Ich besitze nicht mal einen Anzug“, erkannte Larry trotzig.
„Dann wird es höchste Zeit, du brauchst ja auch einen für Mais Hochzeit, oder?“, fragte Harvey und Larry klappte den Klodeckel hoch.
„Warum sollte ich zu Mais Hochzeit gehen?“, fragte Larry cool.
„Weil du es ihr versprochen hast und sie eine langjährige Freundin ist“, bemerkte Harvey und griff zu seinem Rasierer.
„Du willst doch nur dass ich die Hochzeit sprenge und dein Werk vollende“, entschied Harvey und verteilte Rasierschaum in seinem Gesicht.
„Wenn du wirklich mein bester Freund wärst, würdest du das für mich tun. Das Urban Outfitters hat gute Klamotten“, erwiderte Harvey und begann sich zu rasieren.
„Genau weil ich dein bester Freund bin, werde ich das gerade nicht tun, aus Protest, dass du nicht kommen darfst. Haben die ihm Urban Outfitters nicht nur Ghetto-Klamotten?“, fragte Larry und wusch sich die Hände.
„Man, du solltest echt aufhören deine Klamotten ihm Kaufhaus zu kaufen. Wir werden heut Abend dahin fahren und uns neu einkleiden, ich brauch auch ne neue Hose“, schlug Harvey vor.
„Ich will dir ja nicht zu nahe treten mein Freund, aber du klingst wie meine Schwestern. Ich werde nicht auf diese Hochzeit gehen“, bemerkte Larry und ging wieder nach draußen.
„Dann ist es umso wichtiger, dass du gut aussiehst und ne andere abkriegst. Nimm dir ein zweites Outfit mit, wir fahren da gleich nach der Arbeit hin“, entschied Harvey und so war es abgemacht.

Zehntes Kapitel


„Nein“, bemerkte Harvey, als er an diesem Abend vor dem Resultat von Larrys Umkleideaktion stand. Larry trug Flip Flops, eine Strandhose und ein quietschbuntes T‑Shirt.
„Das ist doch cool, oder?“, fragte Larry.
„Ja, für Hawaii, wir wollen aber in einen Club. Man sollte deine Zehen und deine Unterarme nicht sehen. Geh’ weiter suchen“, bat Harvey genervt.
„Ich hab’ vier Frauen in der Familie, aber du bist der einzige der mich beim Einkaufen in den Wahnsinn treibt, das muss was heißen“, entgegnete Larry und ging wieder durch den Laden um sich was anderes zu suchen.
„Eine lange Hose, Larry“, rief Harvey, als Larry wieder die Shorts ansteuerte.
„Ja“, rief Larry genervt und schwenkte um.
Zwei Stunden später hatten sie endlich ein anständiges Outfit für Larry gefunden.
„Man, du kannst ja gut aussehen, wenn du willst“, lobte Harvey seinen Kumpel, der jetzt eine schicke Hose, Lederschuhe und ein gestreiftes Hemd trug.
„Ich fühl mich wie ein Clown“, war Larry nicht so sicher.
„Aber ein sehr gut angezogener Clown. Hi Jungs, ich hab’ euch nicht für Shopping Freaks gehalten, aber ihr seid schon ewig hier“, kam Shania mit ein paar Sachen in der Hand zu ihnen.
„Du verfolgst mich also immer noch?“, fragte Harvey nicht sehr überrascht.
„Nein, diesmal nicht, ich hab’ auch ein paar Sachen gebraucht, ich hab’ endlich ein bisschen Zeit dafür. Warum so schick Larry, geht’s auf ne Hochzeit?“, musterte Shania, Larry.
„Ja, ne Freundin von mir heiratet. Du hast ein Kleid an“, stotterte Larry und musterte auch Shania.
„Ich bin ne Frau, Frauen tragen Kleider“, erkannte Shania und strich ihr Sommerkleid glatt.
„Du siehst gut aus“, mischte sich Harvey ein.
„Danke Süßer, du siehst aus wie ein Bauarbeiter, neben dem schicken Kerl hier. Wer heiratet denn?“, fragte Shania neugierig.
„Meine Schwester“, bemerkte Harvey grummelig.
„Du hast deinen Anzug schon?“, fragte Shania neugierig.
„Er ist nicht eingeladen“, erwiderte Larry und boxte seinem Kumpel in die Seite.
„Wie hast du denn das geschafft?“, fragte Shania schmunzelnd.
„Könnte sein, dass ich ihrem Verlobten zu verstehen gegeben habe, dass ich ihn nicht ausstehen kann“, bemerkte Harvey herumdrucksend.
„Wie hast du denn das gemacht?“, fragte Shania.
„Ich hab’ ihm gesagt, dass sie ihn nur heiratet um meine Eltern zu ärgern!“
„Du hast deine Eltern damit rein gezogen? Mies, wirklich mies“, entschied Shania.
„Sie mögen ihn doch auch nicht“, verteidigte sich Harvey.
„Aber das macht man nicht. Tja, dann hast du es verdient. Auf die Hochzeit würde ich gern gehen, da ist sicher eine klasse Stimmung“, war Shania schadenfroh.
„Ich hab’s mir anders überlegt, ich werde zu der Hochzeit gehen. Ich würde gern sehen, wie sich alle bemühen, nett und freundlich zu sein, obwohl sie alle dagegen sind“, stellte Larry fest.
„Brauchst du ne Begleitung?“, schlug Shania vor.
„Hast du Samstag in zwei Wochen Zeit?“, fragte er gegen.
„Könnt ich mir frei nehmen, wo ist die Hochzeit denn?“, fragte Shania neugierig.
„Lakewood!“
„Klasse, ich hab’ Verwandte dort“, bemerkte Shania.
„Lakewood, Colorado“, verbesserte Harvey die Aussage seines Freundes.
„Colorado, da müssten wir ja hinfliegen“, war Shania überrascht.
„Hast du Flugangst?“, fragte Harvey neckisch.
„Nein, sicher nicht, aber hab’ noch nie den Staat verlassen, kam ich bis jetzt nicht dazu“, erkannte sie nachdenklich.
„Dann wird es Zeit, also was sagst du?“, wollte Larry wissen.
„Sicher, ich könnt mir frei nehmen, du kannst mir ja mailen, wann du fliegen willst, dann kann ich dir zusagen“, entschied Shania.
„Klasse, warte ich schreib mir grad’ mal deine E-Mail-Adresse auf“, freute sich Larry und Shania schrieb sie ihm auf, bevor sie Hüften schwingend weiter zog.
„Was war das eben? Sag‘ mir das mal“, entgegnete Larry schroff.
„Ich geh’ auf ne Hochzeit und jetzt habe ich eine echt heiße Begleitung, deine Schwester wird grün vor Neid, wenn sie uns zusammen sieht“, war Larry Stolz wie Oskar.
„Na wunderbar, zieh dich um, wir sollten heim“, grummelte Harvey und ging mit seiner Hose zur Kasse.
 
„Du bist sauer“, erkannte Larry, als die beiden zwei Tage später zusammen in der Turnhalle der Polizei trainierten.
„Nein!“, grummelte Harvey und schlug auf den Sandsack ein.
„Warum trainierst du dann so pedantisch?“, fragte Larry und hielt ihm den Sandsack fest, der schon schwer schwankte.
„Tristan hat gesagt, ich soll mehr trainieren, das mach ich hiermit. Kämpfst du gegen mich, ich bin’s leid das Lederding zu missbrauchen“, bat Harvey und ging ein paar Schritte zurück.
„Klar, Moment ich zieh mir schnell Handschuhe an“, konterte Larry.
Der Klettverschluss von Harveys Handschuhen ratschte und die Handschuhe fielen auf den Boden.
„So ist es einfacher“, bemerkte er kurz.
„Du willst mit den Fäusten kämpfen?“, fragte Larry amüsiert und Harvey schlug ihm auf die Nase.
„Man, das hat mir jetzt gut getan, das wollt‘ ich schon zwei Tage lang machen. Hab’ ich dir die Nase gebrochen?“, fragte Harvey, als Larrys Nase anfing zu bluten.
„Ja“, grummelte Larry und hielt sich die Nase.
„Ich werde Frannie bitten, dich zu verarzten, ich werde jetzt heimgehen, ich hab’ noch einen Termin“, ließ Harvey seinen Kumpel einfach so da liegen und ging nach draußen.
 
„Danke, dass du es dir anders überlegt hast“, begrüßte Alo, Harvey an diesem Abend, als er zu seinem ausgemachten Termin im Kopfgeldjägerbüro auftauchte.
„Ich bin noch unschlüssig, aber ich hör mir dein Angebot mal an. Ist der Stuhl immer noch für mich?“, fragte Harvey und setzte sich auf Megs Stuhl.
„Klar, auch ohne eine Zusage. Das ist dein Erbrecht. Willst du nen Bier?“, fragte Alo und Harvey nickte.
„Importiertes oder inländisches?“
„Ihr habt importiertes hier? Ist doch schweineteuer, Alkohol zu importieren, nach dem Importabkommen von 2018“, erkannte Harvey und Alo ging zu der Minibar.
„Emilio lässt es sich aus Deutschland importieren, er hat deutsche Vorfahren und heißt eigentlich Emil Manheim, er hat gute Kontakte nach drüben. Wenn er erfährt, dass ich dir das erzählt habe, wird er mir eine reinhauen. Wem hast du eine reingehauen?“, fragte Alo und öffnete eine Bierflasche und schob sie zu Harvey rüber.
„Deine Mutter mochte kein Importiertes, deshalb geh’ ich schwer davon aus, dass du auch keins möchtest“, schlussfolgerte Alo und Harvey nahm einen großen Schluck.
„Meine Mutter hat nichts anderes zu Hause und in der Bar ist das billiger. Das war keine Schwierigkeit das raus zu finden. Aber ich weiß nicht woher du weißt dass ich mich geprügelt habe. Ich bin doch unverletzt“, erwiderte Harvey und Alo grinste.
„Ball‘ deine Hand“, schmunzelte er und Harvey sah ihn verwundert an.
„Lieber nicht!“
„Wieso nicht?“
„Weil ich nicht will!“
Alo nahm Harveys Hand und ballte sie.
„Au, das tut höllisch weh“, entschied Harvey mit schmerzverzerrtem Gesicht.
„Ich weiß, deshalb versuchst du krampfhaft die Hand nicht zu ballen, du hast dich verletzt, bist aber zu stolz, um es zuzugeben. Kenn ich von mir auch. Da bekommt das Sprichwort „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“ eine ganz andere Bedeutung. Ich hab’ alle möglichen Verletzungsalben hier, mir passiert das ständig“, ging er zu einem Schrank und holte eine Salbe heraus.
„Das glaub ich kaum, du hast mehr Kraft, als ich“, konterte Harvey ungläubig.
„Aber auch ich bin nur ein Mensch und verletze mich. Auch das muss unser Geheimnis bleiben. Also, willst du einsteigen oder nicht?“, fragte Alo und setzte sich zu ihm, um Harveys Hand einzucremen und zu verbinden.
„Meine Mutter würde mich killen, das weißt du“, war Harvey unschlüssig.
„Wie alt bist du?“
„21!“
„Also volljährig, du kannst selbst entscheiden was du willst, oder?“, fragte Alo erkennend und beendete seine Verarztungs-Aktion.
„Du hast Recht, ich mach mit. Du bildest mich aus und solange werde ich noch als Polizist arbeiten“, nahm Harvey das Angebot an.
„Müsste kein Problem sein, deine Mutter ist damals auch zweigleisig gefahren, das war aber damals aus anderen Gründen. Wir beginnen nächsten Montag mit dem Training, du könntest mir aber einen Gefallen tun. Meine Tochter hat sich in den Kopf gesetzt, Polizistin zu werden, sie hat sich in der Polizeischule eingeschrieben. Du hast doch grad’ deine Ausbildung beendet, du könntest ihr ja ein bisschen zur Seite stehen. Vor allem, weil sie sich sicher von dir diese Idee abgeguckt hat“, erklärte Alo und grinste rechthaberisch.
„Ganz sicher nicht, ich könnte sie mit meiner Einstellung zu meinem Beruf nur verschreckt haben. Ich bin kein Polizist aus Leidenschaft“, entgegnete er und trank sein Bier leer.
„Dann wird es höchste Zeit, zu uns zu kommen. Also, ist das abgemacht?“
„Sicher, warum nicht. Sie soll meinem Kollegen eine E-Mail schreiben, wenn sie Hilfe braucht, die beiden fahren ja zusammen zur Hochzeit meiner Schwester nach Colorado“, erkannte er und stand auf.
„Ich hoffe seine Nase hat richtig schön geblutet, das war wirklich fies“, bemerkte Alo und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter.
„Du weißt also, dass deine Tochter und ich, ich meine, dass ich auf sie stehe?“, fragte Harvey verwundert.
„Ist nicht zu übersehen. Ich versteh‘ das völlig, ich schlaf mit ihrer Mutter, das sind zwei heiße Frauen“, bemerkte Alo cool.
„Seine Nase hat zwar geblutet, aber ich glaube ich hab’ mir mehr wehgetan, als ihm. Du willst doch nicht zulassen, dass deine 19-jährige Tochter mit meinem 30‑jährigen Kollegen nach Colorado reist?“, fragte Harvey plötzlich.
„Ist ihr Urlaub, sie kann machen was sie will“, behauptete Alo.
„Du hast mich fast gekillt, als sie auf meinen Schoß geklettert ist, doch ihn lässt du mit ihr wegfliegen?“, fragte Harvey verwirrt.
„Bei ihm bin ich mir sicher, dass nichts passiert, bei dir nicht“, erkannte Alo.
„Er ist nicht schwul, das weißt du hoffentlich!“
„Ist mir schon klar, aber er weiß, dass du sie magst und so wird nichts passieren. Wir Costanos sind treu gegenüber unseren Freunden“, erkannte Alo versichernd.
„Ich hab’ ihm auf die Nase gehauen, das machen Freunde nicht“, erwiderte Harvey nachdenklich.
„Hat es dir gut getan?“
„Oh Gott, ja!“
„Dann war es richtig. Jetzt geh’ schlafen, ich werde dir schreiben. Ich hab’ noch einen anderen Termin“, bat Alo und führte ihn zur Tür.
Vor der Tür standen zwei Polizisten.
„Tristan, Loco, hey, was macht ihr hier?“, war Harvey überrascht, seine Kollegen zu sehen.
„Wir haben etwas mit Mr. Quakadi zu besprechen, was machst du hier?“, fragte Tristan auch erstaunt.
„Er ist mein Patenonkel, wir haben zusammen ein Bier getrunken. Ich muss jetzt los, ich muss mit Larry noch was klären“, ging er weiter und sah an sein Auto gelehnt zu wie sein Patenonkel die Polizisten rein bat und dann die Tür hinter sich schloss.
„Er muss sich jetzt dafür verantworten, was er getan hat, um dich zu schützen. Also, kannst du mich ersetzen?“, kam Shania gerade zum Büro.
„Alles was ich in letzter Zeit mache, geht schief. Ich hab’ unsere Familie zerstört, beinahe meine Karriere und ich würde so gern mit dir zusammen kommen, aber Larry war schneller“, erkannte Harvey und Shania blieb vor ihm stehen.
„Samstag, du holst mich um acht Uhr an dieser Adresse ab. Zieh dir was Schickes an, ich will mich nicht mit dir blamieren“, schrieb sie ihm eine Adresse auf seine Hand und grinste.
„Ist das ein Date?“, war Harvey verwundert.
„Das sehen wir dann Samstag. Sag‘ das nicht Larry weiter, aber er ist wirklich zu alt für mich. Bis dann“, drehte sie sich auf ihren Boots und verschwand im Kopfgeldjägerbüro.
Grinsend stieg Harvey ein und fuhr nach Hause.
 
Das Flackern des Fernsehers, der ständig das Programm änderte, war das einzige, was das Apartment der zwei Polizisten beleuchtete.
„Na, nichts Gutes im Fernsehen dran?“, fragte Harvey vorsichtig und kam zum Sofa, in dem Larry lag. Aber er war nicht allein, Lucy schlief auf seiner Brust.
„Sie ist etwa vor ner Stunde dort eingeschlafen, ich krieg sie nicht von mir runter“, erkannte Larry tonlos und zappte weiter.
„Warte, ich trage sie in mein Bett, die kriegt einen Herzinfarkt, wenn sie morgen in meinem Bett aufwacht“, erwiderte Harvey, zog sie auf seine Arme und trug sie in sein Bett.
„Ist deine Nase gebrochen?“, fragte Harvey, als er die Tür zu seinem Zimmer schloss.
„Hättest du wohl gern, nur angeknackst. Aber ich hab’s verdient, das seh’ ich ein. Und ich konnte den armen verletzten Hundewelpen spielen, den Lucy versorgen wollte. Was grinst du so, warte wo warst du?“, fragte Larry und setzte sich auf.
„Ich hatte nen Termin, nichts weiter. Und ich hab’ am Samstag ein Date mit Shania. Gute Nacht“, ging er zu seinem Zimmer.
„Warte mal, Stopp, du hast ein Date mit Shania?“, fragte Larry verwundert.
„Ja, hab’ ich. Die Hundewelpennummer wirkt nicht nur, wenn du sie anwendest. Wenn du mich jetzt entschuldigst, ich werde jetzt mit deinem Frauchen in einem Bett schlafen“, schmunzelte Harvey und ging in sein Zimmer.
 

Elftes Kapitel


„Larry, ich brauch Hilfe, kommst du mal bitte“, rief Harvey am nächsten Morgen durch die ganze Wohnung.
„Hast du dir wieder dein bestes Stück im Reißverschluss eingeklemmt?“, rief Larry zurück, der gerade seine Uniform bügelte.
„Nicht direkt. Kommst du bitte“, bat Harvey jetzt lauter und Larry stellte das Bügeleisen ab um seinem Kumpel zur Hilfe zu eilen.
„Was ist? Ich hab’ noch ein Frisörtermin vor der Arbeit, oh man“, kam er in Harveys Zimmer, wo Lucy, Harvey im Polizeigriff festhielt und ihm ihre Waffe an seinem besten Stück drückte.
„Wie zur Hölle bin ich in sein Bett gekommen?“, fragte Lucy genervt.
„Dein kleiner Scherz ist wohl etwas in die Hose gegangen, wortwörtlich“, war Larry amüsiert und nahm seiner Freundin die Waffe ab.
„Das ist nicht witzig, ich bin schon als Schlampe verschrien in unserem Revier“, ließ Lucy ihn frei.
„Man, ich wusste nicht, wie weh das tut, ich hab’ jetzt echt mehr Respekt davor“, rieb sich Harvey die Schulter.
„Weichei, ich konnte dich echt einfach überwältigen“, schnaubte Lucy und riss ihrem Freund die Waffe aus der Hand um sie in ihr Halfter zu stecken.
„Ich hab’ geschlafen, ich konnte ja nicht wissen, dass du in voller Polizeimontur hier her gekommen bist. Das erklärt auch, warum ich gestern nur Tristan und Loco getroffen habe“, erwiderte er schlussfolgernd.
„Ja, ich hab’ mir frei genommen, dass ich Larry heimfahren konnte. Was hast du eigentlich mit deiner Hand gemacht?“, fragte Lucy und band ihre blonden Haare wieder zusammen, die aus dem Haargummi gefallen waren.
„Ich hab’ mir an Larrys Rüssel die Hand verbogen. Könntet ihr mich jetzt allein lassen? Ich will mich anziehen, denn ich steh hier nur in Boxershorts und mir wird langsam frisch“, bat Harvey und scheuchte sie aus dem Zimmer.
„Du hast dir also weh getan, wirklich schwach“, erkannte Larry, als die drei zusammen beim Frühstück saßen.
„Ja, reite ruhig darauf herum, nicht mal in meiner größten Wut kann ich dir wirklich wehtun. Genau aus diesem Grund werde ich jetzt mit den Kopfgeldjägern trainieren, dass ich stärker werde. Ich werde ganz sicher nicht Kopfgeldjäger, ich will nur ein gutes Training, dass ich eines Tages auf Streife gehen kann. Ich fange Montag an, dann werde ich mit meinem Patenonkel auch über dich sprechen, Luce“, erklärte Harvey und trank seinen Kaffee.
„Das wäre nett, danke. Larry hat schon einen harten Schädel, es ist schwer ihm weh zu tun“, bemerkte Lucy unterstützend.
„Wenn du mir wehtun willst, Baby, immer gern“, schmunzelte Larry hinter seiner Zeitung.
„Ein anderes Mal vielleicht. Ich muss jetzt los, ich will noch Bagels holen für Tristan, ich hab’ ihm versprochen, dass ich ihm welche mitbringe, weil ich mir frei genommen hab‘“, erkannte Lucy, stand auf und ging aus der Tür.
„Was ist das mit euch, habt ihr jetzt eine Beziehung, oder so?“, fragte Harvey neugierig, als Harvey und Larry zur Arbeit fuhren.
„Ich denke nicht, sie schläft mit Tristan, außer wir haben eine dieser offenen Beziehungen“, erkannte er und hielt vor dem Revier an.
„Sie hat es dir also gesagt?“, bemerkte Harvey erkennend.
„Sie tut es also. Ich wollte es nur mal wissen, da ihr beiden ja plötzlich die besten Freunde seid“, stellte er fest.
„Wessen Kronjuwelen hat sie denn heute Morgen fast weg geschossen? Wir sind ganz sicher keine Freunde“, erwiderte Harvey.
„Du hast es ja herausgefordert, du weißt, dass sie schneller zieht als Billy the Kid. Sag bloß, dass dir das nicht gefallen hat“, bemerkte Larry und stieg aus.
„Deine sexuellen Fantasien muss mal einer verstehen. Wir sind keine Freunde, sie ist nur nett zu mir, um so schnell wie möglich an Bail me out heranzukommen. Ich hab’ kein Problem damit, nur ihr solltet mal abklären, wohin das mit euch führen soll“, erkannte Harvey und stieg auch aus.
„Mir gefällt es gerade so, wie es ist. Was auch immer das ist. Du hast also wirklich ein Date mit der scharfen Stripperin?“, sprach Larry das Thema des vergangenen Tages an.
„Sie ist keine Stripperin mehr und ja, ich hab’ ein Date mit ihr. Du wirst doch nicht tatsächlich mit ihr nach Colorado fliegen, oder?“, fragte Harvey nachdenklich.
„Ich will dich nicht damit ärgern, nur deine Schwester. Ich werde immer im Hinterkopf behalten, dass sie für dich reserviert ist, versprochen“, versprach Harvey und öffnete die Tür des Reviers.
„Dann werde ich mit Lucy hinfliegen, auch nicht um dich zu ärgern“, entgegnete Harvey und ging hinein.
„Du bist aber nicht eingeladen, mein Freund“, entschied Larry rechthaberisch.
„Kein Grund, nicht hinzugehen, oder?“, fragte Harvey cool.
„Du willst also die Hochzeit deiner Schwester sprengen, nur um mich zu ärgern?“, fragte Larry nachfragend.
„Nein, du wirst sie sprengen, ich werde nur genüsslich zusehen“, bemerkte Harvey und legte seine Waffe in die Schale neben dem Metalldetektor um durchgehen zu können.
„Vergiss es, ich werde gar nichts tun“, behauptete Larry.
„Du wirst also einfach so dastehen und zusehen, wie sie ihn heiratet“, glaubte Harvey ihm nicht.
„Genau!“, versuchte Larry selbstsicher zu wirken.
„Nur wegen diesem Versuch muss ich unbedingt dabei sein“, entschied Harvey und ging durch den Metalldetektor.
„Ich mach Fotos, du wirst da nicht auftauchen“, bemerkte Larry entscheidend.
„Versuch‘ mich davon abzuhalten“, erwiderte Harvey und ließ Larry am Eingang stehen.
 
„Ich glaub deine Mutter wird dich schon davon abhalten. Danke übrigens fürs Warten“, setzte sich Larry an den Schreibtisch.
„Gern geschehen. Meine Mutter kann nicht verhindern, dass ich dahin fliege, ich bin schließlich ein erwachsener Mann“, entschied Harvey.
„Deine Schwester will nicht, dass du kommst, also kommst du auch nicht. Respektiere das bitte“, bat Larry und klappte seinen Laptop auf.
„Sie wird ihr Leben versauen“, erwiderte Harvey standhaft.
„Sie ist auch wie du erwachsen und weiß was sie tut“, erkannte Larry und Harvey sah auf.
„Okay, was hast du vor?“, fragte Harvey skeptisch.
„Nichts, ich freu mich für sie“, behauptete Larry und begann zu Arbeiten.
„Ja, du hast einen Plan, ich wusste, dass du irgendwas planst. Kann ich dir dabei irgendwie helfen?“, freute sich Harvey.
„Ja, fall mir nicht auf den Wecker, das wäre mir eine große Hilfe. Ich werde wie ein Erwachsener dahin gehen, ihr gratulieren, mit ihr feiern und dann wieder nach Hause fliegen“, erkannte Larry und tippte etwas ein.
„Ich weiß zwar nicht, was du vorhast, aber ich glaub dir das jetzt mal. Solang‘ dein Plan beinhaltet, Kaiser den schlimmsten Tag seines Lebens zu bescheren, bin ich damit einverstanden“, erkannte Harvey und begann auch zu arbeiten.
„Du wirst ihn im Umkleideraum einsperren und dann selbst als Bräutigam zum Altar schreiten“, versuchte Harvey an diesem Abend heraus zu finden, was Larry vorhatte.
„Nein, aber gute Idee“, verneinte Larry auch diesen Rateversuch.
„Du überfährst ihn mit dem Auto!“
„Das ist nicht sehr einfallsreich und ich denke nicht, dass Mai warten würde, bis ich aus dem Knast kommen würde“, war Larry amüsiert über seine Versuche.
„Sie würde, und die Welt hätte einen Depp weniger. Man, ich sollte das Trinken lassen ich will meinen zukünftigen Schwager erst einsperren und dann überfahren, ich bin ein furchtbarer Mensch“, erkannte Harvey trocken.
„Dann wärst du ein biologisches Wunder, von Root Bier wird man nämlich nicht betrunken“, kippte Larry, die leere Dose um, die Harvey schon leer gemacht hatte.
„Warum zum Henker trink ich Malzbier?“, fragte Harvey erkennend.
„Weil ich schon den ganzen Abend deine Bierdosen austausche. Tut mir leid, Kumpel, Anweisungen deiner Mutter, du trinkst zu viel“, bemerkte Larry nebenbei.
„Na wunderbar, du hast schon wieder mit meiner Mutter telefoniert“, erkannte Harvey trotzig.
„Eigentlich hat deine Mutter, meine Mutter angerufen und die mich“, bemerkte Larry erklärend.
„Na toll, wann ist die Invention mit den Freunden und Verwandten die mir raten wollen eine Entzugsklinik aufzusuchen?“, fragte Harvey trotzig.
„Benimm dich endlich mal wie ein Erwachsener“, bat Larry genervt.
„Wenn ihr mich endlich mal wie ein Erwachsener behandeln würdet, würde ich mich wohl auch so benehmen. Ich hab’ kein Alkoholproblem, ich darf ja erst seit einem halben Jahr legal Alkohol trinken“, bemerkte Harvey schroff.
„Ja und das tust du, jeden Tag mindestens ein Bier. Willst du das die nächsten fünfzig Jahre machen?“, fragte Larry schlussfolgernd.
„Ich hab’ gerade eine sexuelle Durststrecke, Bier hilft mir das durchzustehen. Seit Fabiene hatte ich keine Frau mehr im Bett und wir sind jetzt schon fast 2 Jahre getrennt“, bemerkte Harvey und stand auf.
„Ich weiß, ich wohn‘ mit dir zusammen. Aber jetzt hast du ja die heiße Stripperin am Start“, versicherte Larry.
„Am Start? Ja, Opa. Sie will Polizistin werden, hab’ ich dir das schon erzählt?“, fragte Harvey.
„Nein, ist doch eine Schande, diesen heißen Körper in einer Uniform zu verstecken“, bemerkte Larry.
„Stimmt, vor allem, weil ich ihr bei ihrer Ausbildung helfen soll. Wie soll ich das tun, wenn ich nicht hinter meinem Beruf stehe?“, erwiderte Harvey nachdenklich.
„Ich werde dir helfen, ich schieß zwar nicht so gut, aber ich hab’ einige Erfahrung“, schlug Larry vor.
„Danke, das wäre nett. Ich hab’ kein Alkoholproblem, immer wenn ich was getrunken habe, hast du auch was getrunken. Und wer war neulich so rotzevoll, das er nicht mal laufen konnte?“, beschuldigte er auch Larry.
„Wir sollten in nächster Zeit echt auf Alkohol verzichten, wir beide“, bemerkte Larry.
„Das wäre schön, was bist du so nett, nimmst du irgendwas?“, fragte Harvey verwundert.
„Die Bierdosen, die du aufgemacht hast, mussten ja irgendwo hin. Man, mir ist schlecht“, konterte er und stand auf.
„Ich muss erst mal den Alkohol aus meinem Körper kriegen, danach sammeln wir den Alkohol zu Hause zusammen, ich bring den dann morgen zu meiner Mutter“, entschied Larry und übergab sich in der Toilette.
„Geht’s dir besser?“, fragte Harvey besorgt, als Larry etwas später bleich auf dem Sofa lag.
„Wir sollten es doch besser wissen, wir haben in unserer Ausbildung jeden Tag gesehen, was Alkohol aus einem Menschen machen kann. Du hast Recht, ich würde gern die Hochzeit sprengen, weil ich Mai liebe, seit sie mich in der fünften Klasse geküsst hat, weil ich ihr ein Valentinsherz geschenkt habe. Kaiser ist nicht wirklich so ein schlimmer Kerl, wir mögen ihn alle nur nicht, weil wir wissen, dass Mai und ich zusammengehören“, philosophierte Larry und Harvey lächelte schwach.
„Ist schon was Wahres dran. Du willst das also wirklich durchziehen, ich meine, dass du auf die Hochzeit gehst?“, bemerkte Harvey.
„Mit so einer heißen Begleitung fällt es mir wirklich leichter. Ist doch okay, wenn ich mit ihr gehe? Es wird wirklich nichts passieren“, versprach Larry.
„Ist schon okay, Alo hat mir gesagt, dass wir Costanos treu gegenüber unseren Freunden sind“, erwiderte Harvey freundschaftlich.
„Ja, das sind wir, aber erst mal draufschlagen, man, tut mir meine Nase weh“, jammerte Larry.
„Wer ist jetzt das Weichei? Die Nase ist ja nicht mal geschwollen“, tastete Harvey, Larrys Nase ab.
„Au, was machst du da?“, fragte Larry und kniff die Augen zusammen.
„Ich will wissen, ob die Nase wirklich nicht gebrochen ist, du gehst ja nie zum Arzt, sonst kriegst du ne krumme Nase“, erkannte er und ließ los.
„Ist wirklich nicht gebrochen, Frannie weiß wohl was sie tut“, erkannte Harvey und setzte sich wieder auf den Sessel neben Larry.
„Das wird Fran gern hören, dass sie ihre Sanitäterausbildung nicht umsonst gemacht hat. Du hast das grad’ nur getan, um mir weh zu tun, oder?“, grummelte Larry.
„Nein, ich wollt nur sehen, ob sie nicht gebrochen ist, das ist alles. Du denkst wirklich, ich will dir mit Absicht wehtue … schon wieder?“, schmunzelte Harvey.
„Nein, natürlich nicht“, entgegnete Larry und schlief langsam ein.
 
Viel zu schnell wurde es Samstag und der Tag des Dates kam.
„Was zieh‘ ich an? Larry, hilf mir, was zieh‘ ich an?“, kam Harvey in Larrys Zimmer gerauscht.
„Jesus, du bist ein Mann, du besitzt nur einen Anzug, die Auswahl kann doch wohl kaum so groß sein“, erkannte Larry, der gerade am PC ein Ballerspiel spielte.
„Ist mir schon klar, aber welches Hemd“, zeigte Harvey zwei Hemden zur Auswahl.
„Das schwarze, das blaue hat dir Fabiene geschenkt“, bemerkte Larry gereizt.
„Das steht mir aber besser. Warum kann ich das von Fabiene nicht tragen?“, fragte Harvey und Larry drückte auf Pause und stand auf.
„Darf ich dich an mein Taylor-Monica Debakel erinnern. Ich hab’ seit dem Monica nicht mehr gesehen. Zieh das schwarze an und dazu die schwarze Brille, die sieht gut an dir aus“, erkannte Larry und warf das blaue Hemd ins Eck.
„Danke, denke ich. Und du, keine Verabredung mit Lucy heute?“, fragte Harvey und zog das Hemd an.
„Nein, sie hat heut Nachtschicht mit Tristan“, setzte sich Larry wieder an den PC.
„Das tut mir leid“, erkannte Harvey mitfühlend.
„Nein, das war kein Code für das Fremdgehen meiner Freundin, sie fahren heut‘ Nacht auf Streife“, bemerkte Larry und ballerte wieder los.
„Ich versteh schon, böser Bulle, ganz böser Bulle“, schmunzelte Harvey und knöpfte sein Hemd zu.
„Du musst auch immer an Sex denken“, grummelte Larry.
„Ich hoffe, ich muss bald nicht nur daran denken. Ich freu mich schon, wie ich gehört habe, spielt sie gern mit scharfen Gegenständen wenn es zur Sache geht“, rieb sich Harvey die Hände.
„Ich glaub, ich nehm‘ meine Aussage von neulich zurück, ich wollt schon immer mal ne Frau mit scharfen Angewohnheiten haben“, drehte sich Larry auf dem Stuhl.
Harvey sah ihn kritisch an.
„Kleiner Scherz, mein Freund, ich bin genug versorgt. Ja, die schwarze Brille passt wirklich dazu. Jetzt geh, viel Spaß“, beruhigte Larry ihn und Harvey ging in sein Zimmer zurück.
Gerade als Harvey gehen wollte, kam Larry in den Flur und zog seine Jacke an.
„Was? Ich geh’ joggen, hier allein in der Wohnung komm ich noch auf die dumme Idee, zu glauben, was du da angedeutet hast“, erkannte er und rannte vor ihm aus dem Haus.
 
Nervös kam Harvey an der genannten Adresse an. Er klingelte an der Tür und hörte ein Hundebellen.
„Wer ist da?“, rief eine grummelig Männerstimme.
„Entschuldigen Sie, ich wollt zu Shania Quakadi“, bemerkte Harvey etwas nervös.
„Die wohnt hier nicht“, rief der Mann.
„Dann entschuldigen Sie“, war Harvey abgeschreckt und ging weiter.
„Warte Harvey, ich wohn‘ hier, mein Vater spielt nur gern menschliches Sicherheitssystem“, kam Shania auf einem Bein hüpfend aus der Tür, einen Stiefel in der Hand.
„Gut, ich dachte schon, ich hätte die Zahl falsch gelesen. Habt ihr einen Hund?“, fragte Harvey und kam zurück zu ihr.
„Ja, einen deutschen Schäferhund. Aber du musst keine Angst vor ihm haben, er ist mindestens 100 Jahre alt“, lehnte sie sich an die Wand und zog ihren schwarzen Stiefel an.
„Du wohnst bei deinem Vater?“, fragte Harvey.
„Zurzeit schon, weil ich grad’ kein Geld für eine eigene Wohnung habe. Er hat einen schlechten Tag, er ist sonst echt cool mit allem. Schön, dass du gekommen bist“, erkannte Shania und lächelte ihn an.
„Ich hab’ jetzt nichts geplant für heut Abend, tut mir leid“, erkannte Harvey und gab ihr die Rose, die er noch schnell gekauft hatte.
„Wir hatten doch darüber gesprochen, dass wir das heute ganz spontan entscheiden. Mit der Rose hast du schon einen Schritt in die richtige Richtung gemacht“, fühlte sich Shania geschmeichelt.
„Ich war noch unschlüssig, ob du lieber eine Rose, oder ein Buschmesser haben wolltest“, witzelte er und sie hakte sich bei ihm ein.
„Das werden wir heute Abend noch herausfinden. Ich kenn da ein nettes Lokal um die Ecke, da können wir was Essen gehen und uns unterhalten“, schlug Shania vor und ging mit ihm zum Fahrstuhl.
 
„Ich hab’ echt nicht gedacht, dass es hier in der Gegend so ein schickes Restaurant gibt“, saßen die beiden eine Stunde später in einem netten italienischen Restaurant und aßen Spagetti.
„Es gehörte unserer Familie, bis mein Großvater starb. Da meine Mutter lieber Kopfgeldjägerin werden wollte, hat sie es verkauft. Es tut mir leid, dass ich gesagt habe, dass ich nicht mit Weicheiern ausgehe, du bist wirklich nett“, entschied Shania lächelnd und tätschelte seine Hand.
„Das klingt, als wolltest du immer Sonntags mit mir zum Bowling gehen“, war Harvey von dieser Aussage nicht überzeugt.
„Wenn wir danach in der Umkleide wild rumknutschen können, gern“, erwiderte Shania und beugte sich vor um ihn zu küssen.
„Bist du sicher?“, fragte er, bevor er begann sie zu küssen.
„Wenn es auch nur deswegen ist, um meinen Vater zu ärgern“, begann sie ihn zart zu küssen.
„Meinst du jetzt Alo oder Emilio?“, fragte er neugierig.
„Beide, denke ich. Ich würde jetzt unheimlich gern mit meiner Maschine an den Strand fahren und die Füße ins Wasser strecken“, säuselte Shania und grinste.
„Du fährst ein Motorrad?“, fragte er und errötete.
„Ja, ein großes heißes Ding“, machte sie ihn heiß.
„Ich geh’ zahlen“, stand er eilig auf und ging zahlen.
Mit seinen Schuhen in der Hand kam Harvey spät an diesem Abend zurück in seine Wohnung. Er hatte ein breites Grinsen auf dem Gesicht und seine Kleidung war nass und voller Sand.
„Larry, wach auf, ich hab’ mein Leben zurück, der Harv-Man ist wieder aktiv“, hämmerte Harvey gegen die Tür um Larry zu wecken.
Larry antwortete nicht.
„Komm schon Lar’, ich muss mir auch immer deine Geschichten anhören“, ging er ins Zimmer. Das Bett war unberührt, der PC lief immer noch auf der Pause-Taste.
Er sah auf die Uhr. Es war 2:30 Uhr.
„Wo ist er?“, fragte Harvey sich selbst und wählte seine Kurzwahltaste.
„Harv, bist du das?“, ging Wauna an Larrys Telefon.
„Wauna, was machst du an Larrys Telefon?“, fragte Harvey verwundert.
„Kannst du bitte ins O’Connor Krankenhaus kommen, es ist was passiert“, bemerkte sie unter Tränen.
„Was ist passiert, ist was mit Larry?“, wurde er hellwach.
„Es gab einen Unfall, bitte komm her“, erwiderte Wauna und legte auf. 

Zwölftes Kapitel


„Larry Stanton, wo liegt bitte Larry Stanton?”, kam Harvey keuchend im Krankenhaus an.
„Sind Sie ein Verwandter?“, fragte die Frau an der Rezeption freundlich.
„Er ist mein Partner“, erkannte er.
„Auch wenn ich für die Gleichberechtigung von homosexuellen Paaren bin, Sie gehören aber nicht zur Familie“, konterte die Frau.
„Harvey, du bist da. Gut“, kam auch Natene auf ihn zu und umarmte ihn. Sie hatte geweint.
„Was ist passiert, sag mir bitte, was passiert ist?“, wurde Harvey nervös.
„Larry war joggen, er muss nicht aufgepasst haben. Er hat schwere Kopfverletzungen. Er liegt im Koma“, kam Wauna zu ihnen und Harvey ging auf die Knie.
„Ich bin doch sein Partner, ich muss doch auf ihn aufpassen“, stammelte Harvey fassungslos.
„Wo warst du überhaupt die halbe Nacht, ich hab’ ständig versucht dich zu erreichen“, machte Natene ihm Vorwürfe.
„Ich hatte ein Date, ich bin grad’ erst heimgekommen. Wird er wieder aufwachen?“, fragte Harvey völlig benebelt.
„Das wissen sie noch nicht. Sie haben ihm den Kopf rasiert. Seine schönen Haare, er hat sich noch nie die Haare geschnitten“, stammelte Wauna genauso fertig.
„Sie werden wieder wachsen, Haare wachsen wieder“, erwiderte Natene tröstend zu ihrer Schwester und führte sie in Larrys Krankenzimmer.
Larry sah wirklich erschreckend aus. Sein Kopf war in eine dicke Mullbinde gewickelt, sein Gesicht war voller Kratzer und sein Arm war in einer Schlinge.
„Mann, du Depp, du hattest ein Problem, warum bist du nicht zu mir gekommen?“, redete Harvey mit seinem Kumpel und setzte sich zu ihm.
„Warum hast du nasse Sachen an?“, schniefte Wauna plötzlich.
„Das ist jetzt nicht wichtig. Habt ihr Dena schon erreicht?“, fragte Harvey benebelt.
„Nein, noch nicht, sie ist mit Dad in Reno, sie wollten ein romantisches Wochenende verbringen. Sie hatten den Urlaub so nötig gehabt. Dad war so viel unterwegs gewesen in letzter Zeit“, bemerkte Natene gefasst und drückte ihre Schwester in den Stuhl am Fenster des Raums.
„Ich bin die ganze Zeit bei ihm gewesen, dann hab’ ich ein verdammtes Date und dann passiert das“, war Harvey sauer auf sich selbst.
„Wenn ihr auf jemanden sauer sein solltet, dann auf mich. Wegen mir hat er nicht aufgepasst, er hat was gesehen, was er nicht sehen sollte“, kam Lucy in Uniform ins Krankenzimmer und man sah deutlich, das auch sie geweint hatte.
„Hat er Tristan und dich bei eurer „Nachtschicht“ gesehen? Ich wusste, dass er euch hinterher spionieren würde, aber ich habe ihn nicht darauf angesprochen. Verdammt Mädchen, du kannst doch nicht zwei Männer gleichzeitig glücklich machen, er mag dich wirklich“, ließ Harvey seinen ganzen Frust an Lucy aus.
„Nein, tut er nicht, seine Gedanken sind immer bei Mai und das weißt du auch. Aber Tristan liebt mich wirklich, er zeigt mir das, körperlich und mental. Ich wollte morgen mit ihm Schluss machen“, begann Lucy wieder zu weinen, weil Harvey ziemlich harsch mit ihr umsprang.
„In dem Augenblick waren seine Gedanken aber bei dir, sonst hätte er den Wagen gesehen, oder?“, fragte Harvey schlussfolgernd.
„Es tut mir leid Harv, es tut mir leid“, flennte sie schuldig.
„Komm‘ her“, bemerkte Harv versöhnlich und stand auf um sie zu umarmen.
„Auch wenn ich eigentlich nicht hier wegwill, aber ich hab’ in vier Stunden ein der wichtigsten Meetings meines Lebens und ich muss noch schlafen“, bemerkte Natene, während Harvey seine Kollegin umarmte.
„Naty, es ist Sonntag, welches Meeting ist an einem Sonntag“, entschied Harvey tonlos.
„Ich kann das hier einfach nicht“, verbarg Natene ihr Gesicht und rannte raus.
„Sie kann das nicht in der Öffentlichkeit, hast du in letzter Zeit eigentlich mit Tansy gesprochen? Ich hab’ ihre aktuelle Nummer nicht“, sprach Wauna ihn auf ihre jüngste Schwester Tansy an, die mit 18 Jahren ihre Sachen gepackt hatte und seitdem nicht mehr zu Hause gewesen war. Jetzt war sie 25 und so hatte sie im Alter noch am Meisten mit Harvey gemeinsam.
„Nein, aber das letzte Mal, als ich sie gesprochen habe, war sie in Los Angeles. Redete irgendwas von einem Model-Job, aber ihre Nummer ist nicht mehr gültig“, bemerkte er nachdenklich.
„Hatte ich auch nicht gedacht. Wir sind Polizisten, wir müssten sie doch eigentlich finden können“, erkannte Wauna.
„Du bist Politesse, du schreibst Strafzettel“, neckte Harvey sie.
„Du sitzt am Schreibtisch und prüfst ob diese Strafzettel auch gezahlt werden. Das ist auch nicht besser. Es ist komisch, ich dachte immer, ich werde mal hier im Krankenhaus sitzen und meinen Bruder betrauern, der im Dienst getötet wurde und jetzt muss ich mit ansehen, wie mein Bruder dahin vegetiert und vermutlich gar nicht mehr aufwacht“, stand Wauna auf und legte ihren Kopf sanft auf den heilen Arm ihres Bruders.
„Mein Dad ist hier drin gestorben, glaub mir, es ist besser, wenn man sich noch mal von einem Körper verabschieden kann, der nicht zwölf Kugeln intus hat“, versuchte Lucy ihn aufzumuntern.
„Was machst du eigentlich noch hier? Flittchen!“, zischte Wauna unwirsch und jetzt rannte auch Lucy weinend heraus.
„Als hätte ich nicht schon genug Probleme mit meiner eigenen Familie, jetzt muss ich auch noch großer Bruder für meine besten Freundinnen spielen“, grummelte Harvey.
„Dann verschwinde doch, geh’ zurück zu deiner Freundin in der Sanddüne. Wir kommen auch gut genug ohne dich klar“, zischte Wauna verletzt und Harvey stand auf.
„Ich werde zu Natene gehen und sie heimfahren, sie ist sicher dankbar für meine Hilfe“, bemerkte er still und ging nach draußen.
Er fand Natene in einer Ecke stehend, ihr Handy am Ohr.
„Ja, das O’Connor Krankenhaus, Zimmer 12. Ich werde nicht weggehen, bis ihr da seid. Ja, mir geht es gut“, spielte Natene die gefasste, obwohl sie am ganzen Körper zitterte.
Harvey nahm ihr das Handy ab.
„Dena, hey, ich bringe deine Tochter jetzt heim, sie bricht mir hier gleich zusammen. Wauna ist bei ihm und wird heute Nacht bei ihm wachen“, sprach Harvey seelenruhig in den Hörer und klappte das Handy zu.
„Aber ich muss hier bleiben“, stotterte Natene konfus.
„Die Ärzte kümmern sich um ihn, er wird gut versorgt. Du gehörst in ein Bett, dieses Meeting am Montag ist sicher wichtig für deine Karriere. Schlaf dich aus, bereite dich vor, Larry wird sicher nicht wollen, dass du für ihn im Dämmerzustand diesen Deal mit den Japanern in den Sand setzt. Ich hab’ gehört, dein japanisch ist noch Verbesserungsfähig“, redete er beruhigend auf sie ein und brachte sie zu seinem Wagen.
 
Die Sonne stieg aus dem Nebel hervor und stach in den Morgen, als Harvey in Trainingsklamotten wieder im Krankenzimmer seines Freundes saß und in den Sonnenaufgang starrte.
„Harvey, Junge, schön dass du hier bist“, kam Dena langsam auf ihn zu und er stand auf und umarmte sie.
„Gut, dass ihr endlich da seid, Wie war die Fahrt?“, bemerkte Harvey trocken.
„Ich bin wie ein Henker gefahren, ich bin froh, dass meine Frau Polizistin ist, dann kann sie das mit den Strafzetteln klären“, kam Brant hinter seiner Frau her.
„Oh mein Gott“, sah Dena ihren Sohn dort liegen, er sah so schwach und machtlos aus, so kannte sie ihn gar nicht.
„Er hat keine Gehirnblutungen mehr, aber die Ärzte wissen nicht, ob er das überleben wird, solang er nicht aufwacht“, erkannte Harvey und Dena fing an zu weinen.
„Was können wir tun, dass er aufwacht?“, bemerkte Grant gefasst.
„Mit ihm reden, seine Lieblingsmusik vorspielen, mehr können wir nicht machen“, erkannte Wauna die mit zwei Kaffee in der Hand zu ihnen kam.
„Wauna, du sollst doch dein Meeting vorbereiten, ich hab’ dir extra einen freien Raum gesucht“, bemerkte Harvey und nahm seinen Kaffee entgegen.
„Ich hab’s versucht, ich kann mich aber nicht konzentrieren. Ich wollte mir einen Kaffee holen und dir auch einen bringen“, erwiderte Wauna mit abwesendem Blick.
„Danke. Sieh her, deine Eltern sind da“, war auch Harvey nicht weniger durcheinander.
„Mum“, fiel Wauna weinend in die Arme ihrer Mutter.
 
„Ich muss jetzt los, meine Eltern wissen es noch nicht“, ging Harvey einfach weg ohne die anderen anzusehen.
„Harv, warte“, kam Dena zu ihm und umarmte ihn.
„Danke, dass du für ihn da warst, für uns alle. Sag‘ deiner Mutter, dass ich in den nächsten Tagen nicht zur Arbeit komme, ja?“, bedankte sich Dena und Harvey ging emotionslos weiter und zu seinem Wagen.
 
„Hey, du bist früh dran, wir essen erst in ein paar Stunden“, begrüßte Veto seinen Sohn gut gelaunt.
„Ich weiß, es ist was passiert“, erwiderte Harvey und erst jetzt brach er weinend in den Armen seines Vaters zusammen.
„Er ist nicht tot, mein Sohn, er ist nicht tot“, beruhigte Meg ihren Sohn, der etwas später wie betäubt auf dem Sofa saß, die Beine an seinen Körper gepresst.
„Aber er lebt auch nicht, er redet nicht, nur weil ich dieses saudoofe Date hatte, ich hätte bei ihm sein sollen, seit ich Alo getroffen hab, läuft alles in meinem Leben schief. Meine missglückte Verhaftungsaktion, dass ich Larry die Nase breche, dass er jetzt da um sein Leben kämpft. Nein, mein Leben war mir ja zu langweilig, ich brauchte Abenteuer. Ich wusste, wenn ich mich auf Shania einlasse, würde das Ärger geben, aber nein, ich spiele verknallter Teenager und hör‘ auf meine Gefühle. Das schlimmste daran ist, dass ich sie mag, wirklich mag und jetzt kann ich sie nicht wieder sehen, weil ich immer daran denke, dass ich ihn wegen ihr im Stich gelassen habe. Dass ich sie ihm vorgezogen habe, dem Mann, den ich schon kenne, seit ich denken kann“, schluchzte Harvey.
„Harvey, red‘ nicht so, er war nicht im Dienst, du hättest ihn vor nichts bewahren können. Es war ein Unfall. Ich kenne Shania zwar nicht, aber ich kenne ihre Mutter und ihr verdank‘ ich sehr viel. Ich würde sie gern kennen lernen, schieb sie nicht von dir weg, du brauchst sie jetzt, mehr als du denkst“, bat Meg und wischte ihm die Tränen aus dem Gesicht.
 
„Ich muss raus aus der Stadt, für ein paar Tage, ich bin nicht zu erreichen. Ich weiß nicht, wann ich wieder komme“, zog er sein Handy von seinem Gürtel und stand auf.
„Du kannst Larry doch nicht allein lassen“, war Veto entrüstet.
„Ich kann nicht mehr im Krankenhaus bleiben, aber ich kann auch nicht nach Hause und wenn ich hier bleibe werde ich wahnsinnig. Ich werde irgendwo campen gehen oder so. Ich kann doch das alte Zelt haben, das wir von Großvater haben, oder?“, plante er.
„Ja, unten im Keller. Du kannst doch nicht einfach abhauen, dass bist du nicht“, mischte sich auch Meg ein.
„Heute bin ich nicht ich, ich weiß nicht, ob ich das jemals wieder werde. Danke“, ging er die Holztreppe hinunter in den Keller.
„Ruf wenigstens Shania an, das sie nicht denkt, dass du sie abblitzen lässt“, bemerkte Meg, als sie am Auto stand und zusah wie ihr Sohn die Sachen einlud.
„Ich werde sie mitnehmen, ich will nicht allein sein. Ich werde sie jetzt packen und in den Cherokee Park verschleppen und sie so lange bumsen, bis es mein Hirn ausschaltet“, bemerkte Harvey und Meg klappte die Kinnladen herunter.
„Sag deinem Lover, ich komm in nächster Zeit nicht ins Büro, er kann mich auch feuern, ist mir egal. Hab’ dich lieb“, küsste er ihre Stirn und fuhr in die Hitze des Mittagsverkehrs.

Dreizehntes Kapitel

Harvey fuhr zu Shanias Wohnung und klopfte wild an die Tür.
„Mann, es ist Sonntag, ich kaufe nichts“, raunzte Emilio durch die Tür.
„Shania, ich bin es, komm raus“, erkannte Harvey bestimmt und die Tür sprang auf.
„So nicht Junge, so nicht“, kam Emilio an die Tür und stemmte sich mit seinen Armen bedrohlich an die Tür.
„Bitte, ich muss mit ihr reden“, bat Harvey leise.
„Geht doch, Shania, dein Freund ist da“, ließ Emilio den Freund seiner Tochter in die Wohnung. Die Wohnung war etwa so groß wie seine, aber in dieser Wohnung war der weibliche Touch stark ausgebreitet. Es standen Kerzen auf einer großen Fensterbank und bestickte Kissen lagen auf dem Sofa.
„Als meine Tochter hier eingezogen ist, hatte ich noch meine rebellische 15-jährige Tochter im Kopf, die gern schwarze Klamotten und Dreadlocks trägt, jetzt hab’ ich plötzlich ne Frau zu Hause. Shay, bilde ich mir das ein oder werden diese Mädchenkissen immer mehr“, murrte Emilio und setzte sich breitbeinig auf das Sofa.
„Dad, fang jetzt nicht schon wieder damit an. Hi“, kam Shania aus ihrem Zimmer. Sie sah auch in ihren Jeans und T-Shirt umwerfend aus.
„Hi, kann ich dich kurz draußen sprechen?“, fragte Harvey etwas abwesend.
„Sicher, ich koche gleich was, deck‘ schon mal den Tisch“, ging Shania mit ihm raus.
„Hey, kannst wohl nicht genug von mir kriegen, oder?“, begann Shania ihn zu küssen, als sie durch die Tür und allein waren.
„Ich würde gern letzte Nacht ausbauen, ein paar Tage wir zwei im Park, nur ein Zelt, eine Luftmatratze und sonst nichts“, säuselte Harvey und begann ihren Nacken zu küssen.
„Sonst gern, aber ich hab’ meinen Urlaub schon für deinen süßen besten Freund eingeplant, aber bis Morgen Mittag hätte ich Zeit“, erkannte Shania und Harvey ließ sie plötzlich los.
„Tut mir leid, das wollt ich nicht sagen“, entgegnete sie, weil sie dachte, dass ihn das abtörnen würde.
„Lass uns fahren, jetzt, ich hab’ alles im Auto, du kannst deinem Vater ja was Tiefgefrorenes in den Ofen schieben und dann zischen wir los“, schlug Harvey vor.
„Okay, warte kurz auf mich“, stellte sie keine Fragen und ging einfach mit.
 
„Ich dachte echt nicht, dass du so spontan bist“, war Shania erfreut über die Spontaneität ihres Freundes.
„Ich wusste nicht, dass du einen zweiten Spitznamen hast. Kann ich dich Shay nennen?“, fragte Harvey neckend und fuhr in den Parkparkplatz ein.
„Wenn du keinen Sex mehr haben willst, schon, mein Vater nennt mich so, aber ich hasse diesen Spitznamen. Curly Sue wär mir wesentlich lieber, denn meine Freunde nennen mich so. Die meisten sind zwar Stripperinnen und kennen meinen echten Namen nicht, aber ich hab’ mich an diesen Namen so gewöhnt“, erkannte sie und schnallte sich ab, als sie hielten.
„Klar, Curley Sue ist klasse. Warst du schon mal campen?“, fragte er und stieg aus.
„Ja, als Kind mit Alo. Ist schon ne Weile her. Du warst hoffentlich schon campen“, bemerkte sie und stieg auch aus.
„Ich hab’ mein halbes Leben im Wald verbracht, meine Mutter hat mich fast pedantisch auf die Wildnis vorbereitet, ich hatte schon befürchtet, sie will mich eines Tages im Wald aussetzen“, witzelte er und lud seinen Rucksack auf den Rücken.
„Dann bist du er, der Auserwählte, der nächste Führer des Costano Stammes. Alo hat mir immer wenn wir in den Wäldern waren davon erzählt, dass eines Tages ein starker Krieger alles verändern wird“, erzählte Shania mit Hochachtung.
„Dieser Krieger bin ich ganz sicher nicht. Meine Mutter wollte sicher nur mein Costano-Erbe stärken. Verdammt, jetzt hab’ ich ganz die Schrotflinte vergessen, wird schwer sein, zurück zum Auto zu kommen, wenn uns Wölfe umzingeln“, erkannte Harvey nachdenklich.
„Deshalb hast du mich, mein Süßer. Mein Vater kriegt einen Rappel, wenn er raus findet, dass ich seine Lieblingsschrotflinte mitgenommen habe“, zog sie eine Schrotflinte vom Rücksitz hervor.
„Du hast ne Schrotflinte mitgenommen? Das hab’ ich gar nicht gemerkt“, erstarb Harveys Lächeln plötzlich.
„Süßer, ich weiß, du stehst nicht auf die großen Kaliber nach der Sache mit Alo, aber deine Dienstwaffe schreckt keinen Wolf ab“, erwiderte Shania aufmunternd.
„Ja, du hast Recht, ich war nur überrascht. Ich kenn einen guten Platz, wo wir übernachten können“, riss er sich zusammen und trug mit ihr die Sachen zu einem mit Sand aufgeschütteten Platz, wo sie das Zelt aufstellten.
 
Die Sonne ging wieder unter und Harvey starrte in das Lagerfeuer das er gemacht hatte.
„Süßer, hier sind nur wir zwei, ich bin eigentlich nicht hier um die Landschaft zu genießen“, kam Shania zu ihm und wickelte ihren Freund in eine Decke.
„Er wird sterben und ich kann nichts dagegen tun“, bemerkte er und starrte in die Glut.
„Wer wird sterben, Süßer?“, fragte Shania einfühlsam.
„Larry, er hatte gestern einen Unfall, er ist angefahren worden, jetzt liegt er im Koma“, gestand Harvey endlich seine Absichten.
„Oh mein Gott, warum sagst du mir das nicht?“, war sie entsetzt.
„Weil ich es nicht wahr haben will, ich dachte, wenn ich aus der Stadt verschwinde ist es nicht passiert, dann komm ich nach Hause und Larry sitzt auf dem Sofa und beschwert sich, dass ich mal wieder nicht einkaufen war“, brach er wieder in Tränen aus.
„Komm her, du musst mir so etwas sagen, wir sind jetzt zusammen, wir trauern zusammen und lachen zusammen. Was ist mit ihm, hat er ein Organ verloren?“, fragte Shania verständnisvoll.
„Er hat Hirnblutungen, er muss aufwachen, dass sie sagen können, wie es mit ihm weitergeht“, schniefte er und sie drückte sich an ihn und deckte sich mit der Decke zu.
„Wir werden morgen früh zusammen ins Krankenhaus gehen und überlegen, wie wir ihn aufwecken. Ich bring die meisten Männer dazu alles zu tun, was ich will“, versuchte Shania ihn aufzumuntern.
„Ich bin froh dich gefunden zu haben“, bedankte sich Harvey und hielt sie einfach nur so fest. Als das Feuer ausgegangen war, gingen sie ins Zelt und schliefen. Harvey war vollkommen erschöpft, er hatte über 24 Stunden nichts gegessen oder geschlafen. Er wollte nur noch seine Sorgen in Alkohol ertränken, aber er hatte ihm versprochen, dass er nicht mehr trinken wollte, also wollte er seinen Wunsch respektieren.
Das Heulen eines Wolfes weckte Harvey mitten in der Nacht. Shania schlief noch in seinem Arm. Er schob sie sanft zur Seite. Er tastete nach der Schrotflinte und robbte aus dem Zelt.
Was er dort sah, war wie in einem Traum. Dort stand ein Wolf vor ihm, Larry eng an ihn gepresst.
„Du bist bereit für dein Erbe, aber es muss Verluste geben, um dich daran zu erinnern, was unser Volk durchgemacht hat. Der Wolf wird dir den Weg weisen“, sprach die Larry-Erscheinung in Rätseln.
„Welche Verluste? Sprich klarer, muss ich dich verlieren, bitte sag es?“, rief er und die Erscheinung verschwand.
„Schätzchen, ist alles in Ordnung?“, murmelte Shania, die von seiner Lautstärke wach wurde.
„Schlaf weiter, ich dachte, ich hab’ einen Wolf gesehen, war aber ein Fehlalarm. Ich komm gleich wieder ins Zelt“, log Harvey und stellte die Waffe auf den Boden, die er ergriffen hatte.
„Dann ist ja gut“, schlummerte sie wieder ein.
 
Als die Sonne an diesem Montagmorgen aufging, saß Harvey wieder am an der kalten Feuerstelle. Er war schwach vor Hunger und hatte nicht mehr geschlafen, nach der Eingebung die er in der Nacht zuvor gehabt hatte.
„Hey, du siehst nicht gut aus, ich werde fahren. Ich hab’ alles im Auto verstaut“, bemerkte Shania und zog ihn hoch.
 
„Die letzte Nacht war schön“, bemerkte Shania, als sie fast am Krankenhaus waren.
„Hab’ ich was verpasst?“, fragte Harvey verwundert.
„Nein, ich meine, es war einfach schön, jemanden neben sich atmen zu hören, das hatte ich lang nicht mehr“, erkannte sie und fuhr mit ihrer freien Hand über seinen Oberschenkel.
„Für mich auch, es hat mir sehr geholfen. Danke, dass du nicht sauer bist, dass ich dich mit falschen Vorstellungen weggelockt habe“, bedankte er sich und sie löste ihre Hand wieder.
„Ich hatte keine Lust auf Sex, das war schon schön so. Du hättest dich eh nicht auf mich konzentrieren können. Du siehst nicht gut aus, wann hast du das letzte Mal was gegessen?“, sah sie ihn besorgt an.
„Ich hab’ keinen Hunger“, bemerkte Harvey nachdenklich.
„Du siehst echt nicht gut aus, hier, die hab’ ich immer dabei, Vitamintabletten, nimm eine davon“, kramte sie während der Fahrt mit ihrer freien Hand in ihrer Tasche herum, zog eine große weiße Medikamentendose heraus und warf sie auf seinen Schoß.
„Für was brauchst du Vitamine?“, fragte Harvey und öffnete den Deckel.
„Vitamine sind immer gut. Nimm, Wasser hab’ ich auch in der Tasche“, bat sie und er schluckte zwei Tabletten.
„Na ja, schaden kann es nicht. Da hinten ist ein Parkplatz“, erkannte er und Shania hielt vor dem Krankenhaus.
 
„Du hast kalte Hände“, stellte Shania fest, als sie Hand in Hand zu Larrys Krankenbett gingen.
„Ja, kann schon sein“, lief Harvey fast apathisch den Gang entlang.
„Ich bin bei dir, keine Sorge“, beruhigte sie ihn und er bog in ein Krankenzimmer ein, und zerrte sie dabei fast.
„Verdammt Harv, wo warst du, wir hätten dich letzte Nacht gut gebrauchen können. Larry hatte einen Herzstillstand, sie haben ihn grad’ so wiederbeleben können“, zeterte Wauna, die die Hand von Larry hielt und allein im Krankenzimmer saß.
„Ich bin ausgeklinkt für eine Sekunde. Entschuldige, jetzt bin ich wieder da. Übrigens, das ist Shania, meine Freundin“, bemerkte Harvey und ließ Shanias Hand los.
„Du gehst auf ein Schäferstündchen mit deiner Freundin, während dein bester Freund hier fast stirbt?“, wurde Natene wütend, die auch ins Zimmer kam.
Larrys Schwestern ließen den ganzen Frust an Harvey aus. Erschöpft brach er ohnmächtig zusammen.
 
„Er muss Larry auch alles nachmachen“, war das erste was Harvey hörte, als er langsam wieder aufwachte.
„Das ist gar nicht wahr“, murmelte er erschöpft.
„Da bist du ja wieder, du hast ganz schön lange geschlafen“, beugte sich Shania zu ihm rüber.
„War eben müde. Wie spät ist es?“, fragte Harvey und versuchte sich aufzusetzen.
„Fast Mitternacht. Tut mir leid, dass wir dich so angeschrien haben, wir wussten nicht wie fertig du warst. Du hast weder gegessen, getrunken oder geschlafen. Willst du dich auch noch umbringen?“, fragte Natene, die in einem Eck saß.
„Ist mir egal. Mein Leben ist nicht wichtig“, war er am Ende seiner Kräfte.
„Hör auf so zu reden, es tut mir leid, was wir zu dir gesagt haben, wir waren verärgert“, kam auch Wauna ins Krankenzimmer.
„Warum seid ihr alle hier? Larry braucht euch jetzt eher“, meckerte Harvey.
„Larrys Zustand ist unverändert, der Arzt hat mir einen Pieper gegeben, wenn sich was ändert“, deutete Wauna auf ihren Pieper an ihrem Gürtel.
„Ich hab’ ihn gesehen, letzte Nacht, in einer Vision. Er hat mir gesagt, dass ich mein Erbe antreten kann, aber ich muss Verluste erleiden. Ich hab’ das Gefühl, dass dieser Verlust Larry sein muss“, erzählte er ihnen von seiner Vision.
„Seit wann hörst du auf Visionen? Dir ist dein Costano-Erbe doch zu wider“, entschied Natene und stand auf.
„Ja, vielleicht hatte ich auch nur Halluzinationen. Es war auch noch ein Wolf dabei“, erwiderte er und ein voller Kaffeebecher rollte über den Krankenhausboden und Kaffee spritzte im hohen Bogen herum.
„Sagtest du Wolf?“, fragte eine Stimme entsetzt und seine Mutter kam ins Zimmer.
„Ja, denk‘ ich zumindest, die Vision war nicht sehr klar, obwohl ich nicht weiß, ob sie jemals deutlicher sind“, konterte Harvey und seine Mutter kam an sein Bett.
„Ich hatte die Vision eines Wolfes, als ich hochschwanger war mit dir. Es war die Vision von dir als Kind, du hattest auch den Wolf an deiner Seite. Du hast mir prophezeit, dass mein Vater sterben würde, einen Tag später war er tot“, erwiderte Meg und strich über sein Gesicht.
„Der Wolf bedeutet also den Tod?“, fragte Harvey interessiert.
„Nicht immer, der Wolf ist in unserer Familie der Botschafter. Wir gehören zu den Wölfen, du und ich“, zog Meg ihr Hemd hoch. Auf ihrer Hüfte war das Bild eines Wolfkopfes eingebrannt.
„Ich hab’ das bei meiner Taufe bekommen, an meinem 18. Geburtstag. Deine Großmutter wollte das eigentlich auch bei dir machen, aber ich hab’ gesagt, dass du noch nicht bereit bist“, bemerkte Meg und Harvey fuhr nachdenklich über die Tätowierung.
„Hat ein bisschen gelitten die Tätowierung nach drei Geburten, aber es ist auch eingebrannt in meine Seele. Hat er noch was anderes gesagt, in deiner Vision?“, bedeckte sie ihre Hüfte wieder.
„Nur, das mir der Wolf den Weg weisen wird. Man fantasiert echt einen Mist, wenn man schwach ist, oder?“, fragte Harvey etwas besser gelaunt.
„Oh mein Gott, ich hab’ so lang darauf gewartet, das ist wundervoll“, umarmte sie ihren verwirrten Sohn.
„Muss ich das jetzt verstehen?“, fragte Harvey verwundert.
„Du bist auf dem Pfad angekommen, du kannst jetzt die Reise als der Auserwählte antreten“, erkannte sie stolz.
„Der Auserwählte, ich bin es also doch“, bemerkte er trocken.

Vierzehntes Kapitel


„Du weißt es also, du kennst dein Erbe?“, war Meg erleichtert.
„Ja, Shania hat es mir erzählt, Alo hat ihr die Geschichten von dem starken Krieger erzählt. Die Götter hatten mich wohl anders vorausgesehen“, bemerkte Harvey etwas sarkastisch.
„Der Krieger muss nicht körperlich stark sein, er muss stark sein in seiner Seele. Du bist schon der Richtige. Ich war auch eine schmächtige junge Frau, als ich getauft wurde, ich wurde erst kräftiger, als ich mit dem Jagen angefangen habe“, erklärte sie und setzte sich neben ihn aufs Bett.
„Auch wenn ich dich nicht allein lassen will, aber ich muss morgen früh zur Anmeldung in die Polizeischule und muss noch etwas schlafen“, erkannte Shania plötzlich.
„Sicher, ich komm morgen sicher wieder raus, dann komm ich dich besuchen“, bemerkte Harvey.
„Nein, ruh‘ dich aus, du wirst hier gebraucht, ich versteh‘ das, du rufst mich einfach an, wenn du mich brauchst“, war Shania verständnisvoll, ging zu ihm hin und küsste ihn.
„Ich ruf dich morgen an, versprochen. Danke, dass du geblieben bist“, bedankte sich Harvey.
„Natürlich, ist doch selbstverständlich. Oh man, ich hab’ kein Auto und jetzt krieg‘ ich sicher kein Taxi mehr“, stellte sie fest.
„Nimm meinen Wagen, ich komm sicher irgendwie heim. Du hast sicher auch noch meinen Autoschlüssel“, erkannte er und sie grinste.
„Stimmt, hatte ich ganz vergessen. Danke, ich werde ihn auch voll tanken, ich hab’ gesehen, dass er nicht mehr wahnsinnig voll ist“, entschied sie und nahm ihre Tasche.
„Ach ja, sag‘ deinem Vater, es tut mir leid, dass ich den Termin nicht einhalten konnte, ich werde ihn anrufen“, bat er und sah ihr nach, wie sie ging.
„Du hast dir echt eine heiße Frau geangelt, die arme Frau ist wohl blind“, schmunzelte Natene und Harvey sah sie böse an.
„Kleiner Scherz, sie scheint wirklich nett, tut mir leid, dass ich gedacht habe, dass du nur Party machen wolltest“, entschied Natene und auch Wauna nickte versöhnlich.
„Geht zurück zu Larry oder nach Hause, ihr müsst nicht hier sein. Wie war eigentlich dein Meeting Natene?“, fragte Harvey.
„Na ja, hätte besser laufen können, ich war nicht ganz bei der Sache. Vor allem, weil ich Schuldgefühle wegen dir hatte. Harvey, du musst auf dich aufpassen, wenn nicht für dich dann nur für uns, wir schaffen das nicht ohne dich“, bat Natene, küsste seine Stirn und verließ mit ihrer Schwester das Krankenzimmer.
„Ich bin so stolz auf dich, ich kann es kaum erwarten, deiner Großmutter zu sagen, dass du soweit bist“, erkannte Meg voller Stolz.
„Aber ich kann nicht der Auserwählte werden und als Opfer Larry auf der Strecke lassen. Ich schaff das nicht ohne ihn“, wurde Harvey wieder traurig.
„Wir werden jede Minute für sein Genesen beten, aber wenn er stirbt, ist es von den Göttern so gewollt, dann musst du dieses Opfer annehmen“, sprach ihre Mutter prophetisch.
„Ich schaff‘ das aber nicht ohne ihn“, wollte er es nicht wahr haben.
„Du wirst, wenn es die Götter von dir verlangen. Jetzt schlaf‘ wieder ein, ich komme morgen und hol‘ dich ab“, stand sie auf und ließ ihn allein.
 
Harvey war nicht müde also schlurfte er barfuß zu Larrys Zimmer.
„Hey, ich hatte ein paar Schwierigkeiten, jetzt bin ich wieder bei dir“, kam Harvey in sein Zimmer.
„Oh man, bedeck‘ dich, ich seh mehr von deinem Hintern, als ich jemand sehen wollte“, bemerkte eine Stimme aus der Ecke des Raumes.
„Luce, was machst du hier?“, fragte Harvey erschreckt und zog seinen Krankenhauskittel am Hintern fest zusammen.
„Meine Nachtschicht ist vorbei, aber ich kann nicht schlafen“, erwiderte sie und legte ihr Buch weg.
„Bist du nicht mehr ausgelastet, mit nur einem Lover?“, frotzelte Harvey und setzte sich neben Larry.
„Das sagt der Mann, der so lange seine Freundin vögelt, bis er fast tot zusammenbricht“, war auch Lucy mit Sprüchen bewaffnet.
„Wo ist denn dein Lover, das Bett für dich aufwärmen vielleicht?“, fragte Harvey bissig.
„Ich bin nicht mit Tristan zusammen, ich hab’ ihm gestern zu verstehen gegeben, dass das nicht funktionieren kann, wenn ich vorher nicht mit Larry geredet und ihm alles erklärt habe“, entschied sie.
„Da kannst du lange warten, er wird nicht wieder aufwachen“, sah Harvey das realistisch.
„Wie kannst du so was sagen?“, fragte Lucy erschüttert.
„Sieh ihn dir an, er hatte einen Herzstillstand, was soll danach kommen, das Wunder der Auferstehung von den Toten?“, sah er Larry an, der immer noch da lag, wie er ihn einen Tag zuvor verlassen hatte.
„Lass seine Wunden erst einmal heilen, er schläft erst zwei Tage. Er muss sich ausruhen, lass ihm die Zeit, bevor du ihn abschreibst. Was machst du eigentlich hier, du gehörst ins Bett“, bemerkte Lucy mit beruhigender Stimme.
„Ich kann auch nicht schlafen. Kann daran liegen, dass ich den ganzen Tag schon geschlafen habe. Tut mir leid, dass ich dir die Schuld gegeben hab, du bist genauso wenig Schuld, wie ich. Was ist eigentlich mit dem Autofahrer, der ihn angefahren hat?“, kamen sie ins Gespräch.
„Er ist sauber, er hat richtig gehandelt, er hat seine Aussage gemacht und konnte heim. Dem können wir leider auch nicht die Schuld geben“, erkannte sie und lehnte sich zurück.
„Geh’ nach Hause, Lucy, du siehst müde aus. Du kannst morgen nicht guter Bulle spielen, wenn du müde bist“, erwiderte Harvey und lächelte schwach.
„Wer hat gesagt, dass ich der gute Bulle bin?“, schmunzelte sie.
„Weil Tristan schon der böse Bulle ist und zwei böse Bullen in einem Team ist nicht gerade effizient. Und ich erkenne einen guten Bullen wie mich, wenn ich einen seh’. Du kannst auch in Larrys Bett schlafen, wenn du willst, der Ersatzschlüssel liegt in dem Blumenkasten an der Tür“, schlug Harvey vor und sie nahm dankend an.
 
Am nächsten Tag wurde Harvey entlassen und da er immer noch nicht nach Hause wollte, ging er gleich zur Arbeit. In der Umkleide traf er auf Tristan, der sich gerade zum Feierabend umzog.
„Du bist also wieder draußen. Wie geht’s dir?“, fragte Tristan und zog seine Jeans an.
„Gut“, bemerkte Harvey kurz.
„Glaub ich nicht, nicht viele Leute machen Ferien im Krankenhaus“, konterte Tristan und zog sein Hemd über den Kopf.
„Bist du plötzlich Arzt geworden?“, fragte Harvey schroff.
„Ich mach mir nur Sorgen um dich, das ist alles“, entschied Tristan und Harvey drehte sich zu ihm.
„Du solltest dich doch lieber um dich selbst sorgen. Larry wird dich tot prügeln, wenn er wieder aufwacht“, knallte Harvey seine Spind-Tür zu und ging ins Büro.
„Heißt das, Larry geht es besser?“, kam Tristan hinter ihm her.
„Nein, ihm geht es nicht gut, er hatte vor zwei Tagen einen Herzinfarkt verdammt. Kannst du mich bitte damit in Frieden lassen“, bemerkte Harvey wütend und setzte sich an seinen Schreibtisch.
„Entschuldige, du hast sicher grad’ keine Lust darüber zu reden. Das mit Lucy ist vorbei“, erkannte Tristan erklärend.
„Ich weiß, ich hab’ sie gestern getroffen. Hast du keinen Feierabend?“, wollte Harvey ihn loswerden.
„Weißt du, wo Lucy ist? Ich hab’ sie gestern zu Hause nicht erreicht“, wollte Tristan wissen.
„Ich hab’ ihr angeboten bei uns zu übernachten, das ist näher am Krankenhaus. Lass sie in Ruhe, sie braucht jetzt Abstand von dir“, erkannte Harvey bittend.
„Hab’ ich schon gemerkt, ich fahr in nächster Zeit mit Loco Streife, ich wollt‘ nur wissen, ob du was weißt“, brummelte er.
„Ihr geht es nicht gut, lass sie wirklich in Ruhe, eines Tages wird sie dich vermutlich wieder anrufen, aber jetzt braucht sie Zeit für sich“, bat Harvey und ging an die Arbeit.
„Sie ist den ganzen Tag bei ihm, richtig?“, fragte Tristan eifersüchtig.
„Das musst du mit ihr klären, ich bin kein Puffer zwischen euch. Ich hab’ ziemlich viel Arbeit, also könntest du mich in Ruhe lassen?“, fragte Harvey gereizt.
„Sicher, ich geh’ nachher was trinken, willst du mitkommen?“, fragte Tristan versöhnlich.
„Ich lass das mit dem Alkohol in nächster Zeit, bringt nur Ärger. Solltest du auch mal versuchen, dann passiert dir dieser Mist nicht wieder. Gute Nacht“, erwiderte er und Tristan zog bedröppelt ab.
„Danke, meine Mailbox ist schon voll von seinen Anrufen. Da du Hilfe brauchst, hat mich der Captain an den Schreibtisch beordert. Ist zwar nicht meine Lieblingsbeschäftigung, aber ich hab’ grad’ eh keinen Partner. Also, wo sind wir?“, kam Lucy zu ihm und rollte einen Schreibtischstuhl neben ihn, auf dem sie Platz nahm.
„Du kannst ruhig an Larrys Schreibtisch sitzen, heute kommt er sicher nicht mehr rein“, bemerkte Harvey während dem Arbeiten.
„Dir geht es also besser?“, fragte Lucy erfreut.
„Ich hab’ geschlafen und gegessen, alles andere sehen wir dann“, erkannte er arbeitend und sie rollte mit dem Stuhl an Larrys Tisch.
„Das ist gut, hör ich gern. Habt ihr irgendeinen Ablauf, wie ihr eine Akte angeht, oder so?“, fragte Lucy und sie begannen zu arbeiten.

Fünfzehntes Kapitel


„Lucy hilft mir im Büro aus im Moment, sie ist zwar eine wesentlich attraktivere Arbeitshilfe, aber an deine gute Arbeit kommt sie natürlich nicht heran“, redete Harvey ein paar Tage später mit Larry, als er wie fast jeden Abend bei Larry seine Zeit verbrachte.
„Ich hab’ das auch seit Jahren nicht mehr gemacht, aber so schlecht bin ich jetzt auch wieder nicht“, kam Lucy mit zwei Kaffees aus der Cafeteria zurück. Sie war auch meistens dabei, wenn er abends zu Larry fuhr.
„Nein, sie hilft mir wirklich sehr. Keine Sorge, bei uns läuft nichts, ich hab’ ne Freundin, Shania, du kennst sie doch, sie ist wirklich wunderbar. Wir müssen mal zu viert ausgehen, wenn es dir besser geht“, erwiderte er.
„Ja, das können wir machen, hört sich gut an. Ich muss langsam los, ich wollt noch ins Kino, in die Nachtvorstellung mit einer Freundin. Kommst du klar hier?“, fragte Lucy und gab ihm seinen Kaffee.
„Sicher, viel Spaß“, erkannte er und sie ging wieder.
 
Eine Woche später war Harvey bei seinen Eltern zum Essen eingeladen und er wollte seiner Mutter endlich sagen, dass er jetzt bei den Kopfgeldjägern trainieren wollte.
Hope war inzwischen in Washington auf ihrem Ausflug und so saßen sie nur zu dritt am Tisch.
„Ich hoffe es schmeckt dir, die Suppe ist ziemlich scharf, ein Rezept von Vetos Großmutter“, stellte Meg das Essen auf den Tisch.
„Ich bin Halb-Mexikaner, das muss ich schon vertragen können. Gut, dass wir heute nur zu dritt sind, ich möchte mit euch über was reden“, bemerkte Harvey und Veto verzog schon das Gesicht.
„Das klingt ernst“, bemerkte Meg nur.
„Nein, so ernst ist es nicht“, bereitete Harvey sie vorsichtig darauf vor.
„Aber ernst, du hast dich doch nicht schon wieder von dem Mädchen getrennt, ich brauch‘ wenigstens eins meiner Kinder in einer vernünftigen Beziehung, sonst werde ich noch wahnsinnig“, schlussfolgerte Mag.
„Nein, Mum, das mit Shania läuft gerade sehr gut. Aber indirekt mit Shania hat es schon zu tun. Ich will bei Bail me out arbeiten, neben meiner Arbeit“, platzte er gleich damit raus.
„Nein!“
„Du hast nicht mal darüber nachgedacht“, nörgelte er, weil seine Mutter so schnell reagiert hatte.
„Die Antwort ist nein, ich hab’ dass nicht alles aufgegeben, dass du jetzt wieder damit anfängst“, war Meg gar nicht damit einverstanden.
„Ich werde mich dort ausbilden lassen, es ist nicht sicher, ob ich wirklich dann später mal jagen werde. Aber da du das auch gemacht hast, kannst du mir helfen. Ich muss endlich mutiger werden, stärker werden, wenn ich jetzt mit Shania zusammen überfallen werden würde, müsste sie mich da raus boxen. So will ich nicht leben“, erwiderte er und erhoffte sich Einverständnis.
„Du wirst aber erst als Wolf getauft, dann fühl ich mich einfach sicherer“, gab Meg plötzlich nach.
„Ja, okay, aber ich muss doch kein Schweineblut trinken oder sonst was ähnliches“, war Harvey skeptisch.
„Oh Gott, nein, dann wär‘ ich sicher kein Wolf. Du bekommst dein Zeichen und dann musst du drei Tage im stillen Gebet deinen inneren Wolf finden. Das nächste Wochenende wär nicht schlecht, da sind wir ja bei Mais Hochzeit und du könntest bei deiner Großmutter das Ritual durchziehen. Du hast sie eh schon lang nicht mehr gesehen. Wieso unbedingt das Jagen, willst du nicht mal mit dem Streifendienst anfangen?“, war Meg nicht begeistert.
„Vielleicht kann ich danach endlich mal auf die Straße, Streife fahren. Also, was muss ich für die Taufe tun?“, fragte Harvey erleichtert, dass sie seinen Vorschlag annahm.
„Reinige dich, keinen Alkohol, keinen Sex, keinen Kaffee. Trink viel Wasser und kein Fleisch“, bemerkte Meg trocken.
„Nicht dein Ernst“, war Harvey verwirrt.
„Nein, nur ein Scherz, könnt dir aber nicht schaden. Das mit dem Wasser vor allem, deine Haut ist total vertrocknet. Ich könnt dir ne Kräutercreme zusammenmixen, ich leb zwar jetzt fast wie eine Mexikanerin, aber ich habe meine Talente in Kräuterkunde nicht verlernt“, bemerkte Meg nicht wenig stolz.
„Aber sie riecht nicht nach Rosenblüten, oder so?“, fragte Harvey skeptisch.
„Nur herbe Kräuter, ich hab’ dich als Baby ständig damit eingecremt. Ich mix sie dir nach dem Essen schnell zusammen“, bemerkte sie.
„Das wäre lieb, danke. Die Suppe sieht gut aus, lasst uns essen“, erkannte er und sie begannen zu essen.
 
An diesem Abend stiegen die Düfte der Kräuter durch die Küche des Hauses und Harvey saß am Küchentisch.
„Man, mir fällt gerade auf, das ich das lang nicht mehr gemacht habe, das vermisse ich irgendwie. Meine Mutter ist eigentlich die Kräuterfrau in der Familie, sie hat mir das alles beigebracht. Als Teenager fand ich das alles ziemlich langweilig, aber nachdem ich tolle Cremes für euch Kinder zusammenbrauen konnte, hab’ ich meine Leidenschaft darin gefunden. Ach ja, bevor ich es vergesse, Hope und ich haben was für Larry gemacht, ein Armband mit unserem Segen. Wir haben ihn geweiht, er soll ihm die Kraft der Krieger geben, das durchzustehen“, zog sie ein Lederband mit einer Feder daran aus einer Küchenschublade.
„Danke, das ist nett. Warum bist du eigentlich ein Wolf und dein Bruder nicht?“, wollte Harvey wissen.
„Der Wolf ist immer abwechselnd erst ein Mann und dann eine Frau aus der Familie und da mein Dad ein männlicher Wolf war, bin ich der nächste in der Linie gewesen. Nach dem Tod meines Vaters sollte ich eigentlich auch den Posten des Häuptling des Stammes aufnehmen, aber den Posten hab ich meinem Bruder übertragen, den er jetzt schon zwanzig Jahre erfolgreich ausführt. Du kannst dich nach seinem Tod auch entscheiden, ob du der Häuptling sein willst“, erklärte sie.
„Man, ich hab mich nie als Anführer gesehen und schon gar nicht als Auserwählter, das ist alles so ungewohnt für mich“, erklärte er.
„Ich bin stolz auf dich, egal was du machen wirst, ich hoffe das weißt du“, entschied Meg.
„Ich weiß, aber ich höre es immer wieder gern. Es tut mir leid, dass ich letzte Woche so ausgetickt bin“, bemerkte er plötzlich.
„Du hast als Jugendlicher so selten rebelliert, das war mal fällig und du warst nicht gut drauf. Aber solche Worte will ich bitte nicht mehr von dir hören, behalt sie für dich“, war Meg nicht mehr sauer.
„Ist gebongt. Ist es naiv zu glauben, dass Larry wieder aufwachen wird?“, fragte Harvey plötzlich.
„Nein, das hört sich gut an. Das wird dich stärken. Halt immer daran fest. Gib mal deinen Arm her“, bemerkte sie und schüttete den Topf in ein Gefäß.
Sie strich mit einem Schaber die Creme auf seinen Arm auf.
„Ja, sie ist fest genug“, erkannte sie und er verrieb die Creme.
„Noch etwas warm, aber fühlt sich gut an. Du hast das wirklich drauf. Hast du auch irgendwas, was einen einschlafen lässt? Ich schlaf‘ nicht gut in letzter Zeit“, war Harvey von den Talenten seiner Mutter begeistert.
„Ja, da hab’ ich noch was da. Ist einsam so alleine in der Wohnung, oder?“, fragte Meg fürsorglich.
„Eigentlich bin ich nicht einsam, ich hab’ zwei hübsche Damen zu Hause. Shania ist fast jede Nacht bei mir und Lucy ist auch ab und zu über Nacht bei uns. In Larrys Bett natürlich“, erkannte Harvey so nebenbei.
„Aha, dann ist ja gut. Du bist es ja gewöhnt mit Frauen zusammenzuwohnen. Wenn du willst, kann ich Mai noch mal anrufen und sie darum bitten, dass du mit zur Hochzeit kommen darfst“, erwiderte sie plötzlich.
„Nein, sie will nicht, dass ich komme, das verstehe ich und akzeptiere ich. Es ist ganz gut, dass ich zu dem Zeitpunkt bei meiner Weihe bin, dann bin ich abgelenkt. Kann ich Shania mitnehmen? Sie wurde von Alo über dieses Ritual und den Auserwählten aufgeklärt, sie wäre sicher gerne dabei“, konterte Harvey.
„Als Zuschauer schon, sie darf dir aber nicht helfen, oder mit dir sprechen“, gab Meg ihre Zustimmung.
„Ja, daran wird sie sich halten. Schade, dass du nicht dabei sein kannst“, erkannte er.
„Ich darf auch gar nicht dabei sein, meine Seele würde die Geister verwirren, mein Vater durfte bei meiner Taufe auch nicht dabei sein. Keine schon genannten Seelen dürfen diese Zeremonie stören. Deine Großmutter wird dir das noch alles erklären. Deine Großmutter wird dabei sein, sie wird nicht begeistert sein, dass Shania dabei ist, aber du kannst ihr ja einfach erzählen, sie wäre Alos leibliche Tochter also halb Costano, dann lässt sie sie dabei sein. Sie sollte sich nur etwas bräunen lassen, ein paar Tage am Strand wären nicht schlecht. Du musst sie sehr gern haben, wenn du sie dabei haben willst“, schlussfolgerte Meg.
„Es ist seltsam, aber mir kommt es vor als würde ich sie schon mein halbes Leben kennen, das ist doch seltsam, oder?“, fragte Harvey.
„Nein, das ist Seelenverwandtschaft. Ich hatte das gleiche Gefühl mit Alo, das heißt aber nicht, dass ich in ihn verliebt bin oder war, wir haben nur verwandte Seelen. Sag‘ das bloß nicht deinem Vater, der würde das nicht verstehen. Vielleicht hast du Glück und hast in deinem Seelenverwandten auch die Frau deines Lebens gefunden“, entschied sie.
„Jetzt mal langsam, wir sind erst kurz zusammen, sprechen wir erst mal nicht über Hochzeit. Aber ich mag sie wirklich sehr, also sprich sie nicht darauf an, bitte“, erwiderte Harvey und stand auf.
„Werde ich nicht, versprochen. Alo würde gern, das ich sie trainiere wenn du dich ja von Alo trainieren lässt, ist es dann in Ordnung, wenn ich das auch mit Shania tue?“, fragte Meg.
„Sicher, sie will ja auch eine gute Polizistin werden“, war Harvey etwas überrascht das zu hören.
„Polizistin? Ich dachte, ich soll sie zur Kopfgeldjägerin ausbilden“, wunderte sich Meg.
„Scheint, als wollte sie die Seiten wechseln. Man, ich sag das immer wieder, tut mir leid, ich meine sie will vermutlich nur Polizistin werden“, druckste er herum.
„Dabei kann ich ihr auch helfen, sie soll mich mal anrufen. Die Welt steht irgendwie Kopf. Die Tochter, des Mannes, der unbedingt Kopfgeldjäger werden wollte, egal was es kostet, will jetzt Uniform tragen und mein Sohn, mein einziger Sohn, den ich von allem fern halten wollte, will jetzt diesen gefährlichen Job ausführen“, bemerkte Meg nachdenklich.
„Mum, Schuldgefühle krieg‘ ich auch nicht, wenn du vor mir auf die Knie fällst, du hast zugesagt“, erwiderte Harvey keck.
„Das wollt‘ ich auch nicht damit bezwecken, ist nur irgendwie komisch“, behauptete sie.
„Dann ist ja gut. Ich muss jetzt los, Shania wollt noch kommen“, verabschiedete er sich und ging.

Sechzehntes Kapitel


„Hey, da bist du ja, hab’ dich schon früher erwartet“, begrüßte Shania ihn, als er die Tür aufschloss.
„Ja, entschuldige, ich musste mit meiner Mutter noch was klären. Ist Luce auch da?“, fragte er und sah sich um.
„Wieso, bin ich dir nicht genug?“, schmunzelte sie und umarmte ihn.
„Manchmal braucht ein Mann mehr, nein im Ernst, ich muss mit ihr was besprechen“, küsste er sie und sie ließ ihn wieder los.
„Sie schläft mal wieder zu Hause, das heißt wir haben die ganze Wohnung für uns“, säuselte sie und zog langsam ihre Bluse aus, während sie rückwärts Richtung Schlafzimmer ging.
„Wurde auch mal Zeit, komm‘ her“, erkannte er und sie rannte zu ihm und klammerte sich mit ihren Beinen um seine Hüften.
 
„Ich hab’ ne Überraschung für dich“, küsste er ihren Nacken, als sie nachher zufrieden aneinander gekuschelt dalagen.
„Oh nein, nicht schon wieder, so scharf kann ich doch nicht aussehen“, bemerkte sie erschöpft.
„Ich bin doch kein Zuchtbulle, ich muss morgen noch laufen können. Nein, meine Mutter will, das ich mich weihen lasse, wenn du willst, kannst du bei dem Ritual dabei sein“, verkündete er die gute Nachricht.
„Das wäre toll, aber dürfen da nicht nur Costanos teilnehmen?“, fragte sie misstrauisch.
„Du bist eine Costano, zumindest für den Zeitpunkt, wenn wir meine Großmutter davon überzeugen, werden es die anderen auch glauben. Du bist ja auch eine von uns, irgendwie. Du müsstest nur mal ein bisschen in die Sonne gehen und dir ne schwarze Perücke besorgen, sie sieht eh schlecht, das wird nicht schwer, ihr das weiß zu machen“, erkannte er.
„Dann würde ich gern mitkommen. Ich hab’ auch eine kleinere Überraschung für dich. Die haben mich heut Morgen angerufen, ich hab’ ne gute Chance, Bulle zu werden“, bemerkte sie erfreut.
„Das freut mich für dich, dann kann ich dir alles beibringen. Du kannst deinem Vater übrigens sagen, dass ich ihn anrufe wegen eines neuen Trainingstermins. Sie hat zugestimmt“, erwiderte er.
„Du holst dir die Zustimmung deiner Mutter?“, frotzelte sie.
„Ja, irgendwie schon, ist albern, nicht?“, fragte er unsicher.
„Nein, ist süß, solang du sie nicht in Sex-Fragen zu Rate ziehst“, entschied sie.
„Oh Gott, nein, es ist ja schon peinlich, zu wissen, dass meine Eltern Sex haben. Deine Eltern sind ja frisch verheiratet, du weißt was ich meine“, bemerkte Harvey lächelnd.
„Rat mal, wieso ich bei meinem Vater wohne, meine Güte, Alo geht auf die sechzig zu, also wenn du in dem Alter noch so kannst, will ich lang mit dir zusammen bleiben“, deutete sie etwas an.
„Klingt gut, wenn du so sexy bleibst, wie deine Mutter“, erkannte er und Shania boxte ihn in die Seite.
„Was? Bei den Genen ist es wohl nicht schwer. Stört es dich, wenn ich morgen mit Luce was Essen gehe, in der Mittagspause?“, fragte er plötzlich.
„Nein, Lucy ist in Ordnung. Sie macht ne schwere Zeit durch, ich wüsste nicht, was ich machen würde, wenn du im Koma liegen würdest“, war sie einverstanden.
„Du weißt schon, dass sie nur ständig bei ihm ist, um die Schuldgefühle los zu werden, die sie verfolgen“, schlussfolgerte er.
„Sie soll ruhig etwas leiden, wird ihr nicht schaden“, bemerkte sie erkennend.
„Wir denken gleich, das gefällt mir“, erkannte Harvey und drückte sie an sich.
„Ja, mir auch. Denke ich wie ein Mann, oder du wie eine Frau?“, schmunzelte sie und er begann sie zu küssen.
Als sie gerade wild am knutschen waren, ging der Schlüssel im Schloss.
„Zu früh gefreut“, ließ er von ihr ab und zog eine Shorts an.
„Wolltest du nicht endlich mal zu Hause schlafen, wir haben doch darüber gesprochen, dass ich auch mal Zeit für mich … oh man, wusste gar nicht, das du einen Schlüssel hast“, stand er plötzlich nur in Shorts vor Larrys Mutter.
„Entschuldige, ich hätte vorher anklopfen sollen“, war Dena genauso überrascht, ihn so zu sehen.
„Vor fünf Minuten wär‘ das noch viel peinlicher geworden, Shania ist bei mir. In meinem Bett. Was machst du hier?“, stotterte er.
„Ich wollt ein paar persönliche Sachen für Larry holen, dass er es schöner hat im Krankenhaus. Aber ich kann auch morgen wieder kommen“, erwiderte Dena.
„Nein, hol was du brauchst, willst du einen Kaffee?“, entgegnete er und ging zur Küchenzeile.
„Nein, so spät nicht mehr, danke. Weiß deine Mutter eigentlich, was du hier treibst?“, war Dena irritiert, das er nur in Shorts rum rannte.
„Oh Gott, ich hoffe nicht. Schätzchen, Larrys Mutter ist da, zieh‘ dir was an wenn du raus kommst“, rief er in sein Zimmer.
„Natürlich, ich zieh mich immer an, wenn ich das Schlafzimmer verlasse. Solltest du auch mal versuchen“, kam sie angezogen heraus und warf ihm ein T-Shirt zu.
„Gute Idee. Kann ich dir was helfen, oder weißt du wo alles steht?“, bemerkte Harvey, als Dena zu Larrys Zimmer ging.
„Man, was ist das für eine stickige Luft. Warst du in letzter Zeit mal hier drin?“, fragte Dena und hob den Kaffeebecher hoch, der immer noch an Larrys Schreibtisch stand. Der PC rannte immer noch mit Bildschirmschoner.
„Das ist nicht mein Zimmer, das gehört sich nicht“, erwiderte Harvey plötzlich unruhig.
„Ist schon okay, für mich ist es auch nicht einfach, hier her zu kommen. Weißt du, ob Larry ein Lieblingskissen hat oder Decke oder sonst was?“, ging Dena in das stickige Zimmer ihres Sohnes.
„Ich hab’ keine Ahnung. Tut mir leid, ich kann nicht reinkommen“, blieb er vor der Tür stehen.
„Musst du nicht. Ich werde hier lüften und das Bett neu beziehen, wenn es dir Recht ist, er soll in ein sauberes zu Hause kommen, wenn er heim kommt“, riss sie die Fenster auf und die frische Luft strömte hinein.
„Lucy schläft hier ab und zu, deshalb ist das Bett nicht gemacht. Sie hat glaub‘ ich auch ein paar Sachen hier, also wundere dich nicht, wenn hier Frauensachen rum liegen. Den PC hab’ ich auch angelassen, er wird sein Spiel zu Ende spielen wollen, wenn er heimkommt“, erwiderte er und zog sein T-Shirt an.
„Schätzchen, wir wissen nicht, ob Larry wieder sprechen werden kann, er wird sicher nicht sein Spiel zu Ende spielen wollen, mach‘ den PC aus“, erwiderte Dena fürsorglich und ging zum PC um ihn auszumachen.
„Ich glaube, es ist gut, dass Mai nicht weiß, was Larry für sie empfindet. Sie wird heiraten und ihr Leben weiterführen ohne Schuldgefühle zu haben, jemanden zurückgelassen zu haben“, philosophierte Harvey und Dena sah zu ihm auf.
„Larry hat zugegeben, dass er in Mai verknallt ist? Nach all der Zeit? Ich hab’ echt nicht gedacht, dass das jemals passiert. Warum so spät? Sie hat diesen Schnösel doch erst vor kurzem kennen gelernt, davor war sie nie in einer ernsten Beziehung. Warum sagt er das jetzt, jetzt wo sie bald eine verheiratete Frau ist?“, begann Dena plötzlich zu weinen und Harvey ging schweren Herzens doch ins Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
„Ich weiß es schon sehr lange, viel zu lange. Aber ich hab’ ihm geschworen es nie weiter zu erzählen. Vor allem nicht Mai. Warte mal, Schnösel, heißt dass ihr Stantons mögt ihn auch nicht?“, fragte Harvey und bot ihr einen Stuhl an, auf den sie sich setzte.
„Natürlich nicht, er ist ein neureicher Snob ohne Rückgrat. Aber wir haben alle Angst, Mai zu verlieren, wenn wir was sagen, so wie wir Tansy verloren haben, weil wir ihren Freund als grauenhaften Teufelsanbeter beschimpft haben“, erkannte Dena und hörte auf zu weinen.
„Dieser Zombie war auch ein grauenhafter Teufelsanbeter, das hatte ich damals mit meinen fünfzehn Jahren schon begriffen. Warte mal, war das jetzt grad’ ein geschauspielerter Heulanfall, das ich Mitleid kriege?“, fragte Harvey skeptisch.
„Nein, ich war nur gerade überwältigt von der Tatsache, dass die Familienzuführung die ich mir so lang gewünscht habe, hätte stattfinden können“, erkannte sie und bekam ein Taschentuch gereicht.
 
„Man, die ganze Familie und der Freundeskreis ist gegen die Hochzeit, aber alle sind zu feige was zu sagen, oder versteh‘ ich das falsch. Und ich, der einzige, der was dagegen versucht hat, ist jetzt von der Hochzeit verbannt. Was seid ihr eigentlich für Polizisten, das ihr so was nicht verhindern könnt?“, ließ er seine Wut an der armen Dena aus.
„Zügle deine Zunge, junger Mann, man, du hast ganz schön Wut in dir, wenn wir das noch in Kampfkraft umwandeln können, wirst du unseren Stamm sicher führen können“, bemerkte sie.
„Du weißt es also, das ich der Auserwählte bin und so?“, war er nicht stolz auf diesen Ruf.
„Hey, du musst stolz auf dich sein, das ist eine große Ehre für unseren Stamm. Ich werde dich bei deiner Weihe begleiten, als Vertretung für deine Mutter. Ich bin ihre Begleiterin, die Wolfsführerin. Das hast du auch nicht gewusst, oder?“, fragte Dena und zeigte ihre Tätowierung einer Pfeilspitze an ihrer Hüfte.
„Larry hat auch so eine Tätowierung. Ist er auch ein Führer?“, schlussfolgerte er.
„Ja, er ist deiner. Er hat sich zu seinem 21. Geburtstag weihen lassen, so wie ich zu meiner Zeit. Hast du ihn nie darauf angesprochen?“, fragte Dena und packte ein paar Sachen aus dem Schrank in eine Tasche.
„Schon, er hat gesagt, es hat irgendeine indianische Bedeutung, was weiß ich. Du fährst also nicht zu der Hochzeit?“, fragte Harvey und sah aus dem Fenster.
„Nein, ich bleib bei Larry, wenn die anderen schon fahren, werde ich bei ihm bleiben. Ich bin eh nicht so scharf drauf, die Frau, die für mich wie eine Tochter ist bei einem großen Fehler zu beobachten. Okay, ich glaub, das ist erst mal alles, ich werde nächstes Mal anklopfen, wenn ich hier aufschließe. Gute Nacht“, schloss sie die Tasche und verließ die Wohnung.
„Es ist für euch alle nicht einfach, vor allem nicht für seine Mutter. Geht es dir gut?“, fragte Shania und kam zu ihm ins Zimmer.
„Was für ein Anführer werde ich wohl sein, wenn ich es nicht mal schaffe, in ein Zimmer zu gehen. Die haben doch wirklich den falschen, den völlig falschen“, ging Harvey kopfschüttelnd aus Larrys Zimmer und verkroch sich in sein Zimmer.
Ein Wolfgeheul weckte Harvey in dieser Nacht. Er schreckte auf. Shania schlief friedlich neben ihm, ihre blonden Locken in ein Kissen gedrückt.
„Larry“, hauchte er und schnappte sich ein Hemd, während er aus dem Zimmer rannte.

Siebzehntes Kapitel


„Hosen sind wohl nicht mehr in bei euch jungen Menschen heut zu Tage“, kritisierte Dena sein nächtliches Auftreten im Krankenhaus nur in Shorts und Hemd.
„Wie geht es ihm, geht es ihm gut?“, fragte Harvey aufgeregt und ging zu Larrys Bett.
„Ihm geht es gut, wenn man das so nennen kann. Alles klar bei dir, mein Süßer?“, kam sie zu Harvey, der völlig außer Atem war.
„Ich hab’ einen Wolf gehört, ich hab’ auch einen Wolf gesehen, als Larry den Herzstillstand hatte. Ich dachte …“, begann er zu erklären.
„Aber du hast keine Vision von Larry gehabt, oder?“, fragte Dena und kam zu ihm.
„Nein, aber der Wolf“, war er verwundert.
„Ich hab’ das Ritual vorbereitet und den Wolfsführer gerufen, ich wusste nicht, dass du ihn auch hören wirst. Er muss mir helfen, Larrys Seele mit mir zu verbinden, seine Seele muss bei dem Ritual dabei sein, ich mach das schon seit Stunden, ist nicht wirklich einfach, vor allem, weil ich das noch nie gemacht habe“, setzte sie sich auf eine Decke am Boden.
„Und das musst du um drei Uhr nachts machen?“, fragte er kritisch.
„Würdest du das zu den Hauptbesuchszeiten machen, dann würde ich unserem Volk nicht gerade helfen, ihre Gebräuche zu verteidigen. Wo ist deine Freundin?“, fragte sie.
„In meinem Bett. Brauchst du Hilfe?“, fragte Harvey.
„Geh’ zurück ins Bett, deine Freundin sucht dich sicher schon. Ich schaff‘ das hier schon. Tut mir leid, dass ich heute so schnell weg bin, ich hatte noch was zu erledigen“, bemerkte sie.
„Ist schon okay, ich werde zurück ins Bett gehen, ich muss ja morgen wieder arbeiten. Ruf‘ mich aber an, falls mit Larry irgendwas passiert“, bat Harvey und ging wieder.
 
„Wo zum Henker warst du?“, fragte Shania, die im Bett saß und auf ihn wartete.
„Im Krankenhaus, ich hatte da so ein Gefühl, das was mit Larry ist. Hab’ ich dich geweckt?“, fragte Harvey und ging wieder ins Bett.
„Und, irgendwas nicht in Ordnung mit ihm?“, fragte Shania besorgt.
„Nein, alles Bestens. Ich hatte nur so ein Gefühl. Schlaf weiter“, bat er.
„Du hast so gelbe Augen, ist was mit dir?“,  fragte Shania und setzte sich auf seinen Schoß. Seine sonst braunen Augen glitzerten gelb.
„Was redest du da, meinen Augen geht es gut“, bemerkte er und sie hielt ihm einen Spiegel vor.
„Man, was ist das, ich seh’  aus wie …“, überlegte er.
„Wie ein Wolf, das ist irgendwie gruselig, du wirst doch jetzt nicht zum Werwolf, wie in diesem Film?“, bemerkte Shania und zog seine Augenlider auseinander.
„Ich bin der große böse Wolf und beiß dich“, begann er ihren Hals zu küssen.
„Lass das, das ist mir unheimlich“, riss sie sich von ihm los.
„Mir geht’s gut, ist wahrscheinlich nur, weil Dena grad’ diesen Zauber probiert, der den Wolf ruft oder so. Wie auch immer, ich bin immer noch ich“, erwiderte Harvey und Shania stand auf, ohne den Blick von ihm zu wenden.
„Ich sollte nach Hause gehen, ich hab’ heut einen arbeitsreichen Tag. Ich hab’ dich lieb, aber ich kann grad’ nicht bei dir sein, tut mir leid“, schnappte sie verstört ihre Kapuzenjacke und verließ eilig die Wohnung.
 
„Du bist mir eine Entschuldigung schuldig“, stand Harvey am nächsten Morgen breitbeinig an Denas Büroschreibtisch.
„Dir auch einen schönen Morgen, Harv. Ja, ich hab’ gut geschlafen und du?“, bemerkte Dena ohne aufzusehen.
„Gar nicht, meine Freundin hat Angst vor mir und ist heute Nacht panisch aus meinem Bett verschwunden“, erkannte Harvey kritisch.
„Du hast dich doch nicht in einen Wolf verwandelt?“, fragte Dena besorgt.
„Ich hab’ gelbe Augen bekommen, wenn du das meinst“, erkannte Harvey und beugte sich zu ihr runter.
„Du hast meinen Sohn in einen Wolf verwandelt?“, mischte sich Meg in das Gespräch ein.
„Kurzfristig ja, tut mir leid, ich hab’ mich in meinem Spruch verlesen und hab’ schon mit dem Ritual angefangen, hab’ den Fehler aber schnell bemerkt. Tut mir leid, dass ich Shania erschreckt habe, jetzt hast du ja wieder braune Augen“, entgegnete Dena entschuldigend.
„Na toll, warte mal, heißt das, ich verwandle mich bei dem Ritual in einen Wolf?“, fragte Harvey entsetzt.
„Keine Ahnung, nur die Geister können das entscheiden. Keine Sorge, nur für ein paar Sekunden. Deine Mutter ist ja auch wieder normal“, beruhigte Dena ihn, versuchte aber das Grinsen zu unterdrücken.
„Du machst Scherze, oder?“, fragte Harvey.
„Ja, außer dass deine Augen gelb werden, wird nichts passieren, keine Sorge. Das ist nur der Wolf, der in dich fährt für eine Sekunde. Ich hab’ das Ritual bei Larry beenden können“, erklärte sie grinsend.
„Na toll, so was verschweigst du mir natürlich. Das macht mir Angst“, war er wütend auf seine Mutter.
„Du hättest davon nichts gemerkt, du bist dann in tiefer Trance. Wenn du willst, red‘ ich mit Shania und erklär ihr die Situation“, bemerkte Dena.
„Das wäre nett, danke. Vorher war ich nicht nervös, jetzt bin ich es ganz schön“, gestand er.
„Keine Sorge, ich leite dich dadurch bei jedem Schritt. Solltest du nicht im Büro sitzen?“, fragte Dena und er stand wieder auf.
„Ich hab’ Lucy gesagt, ich geh’ schnell Kaffee holen, sie hat sicher schon einen Such- Trupp rausgeschickt. Ich muss dann auch mal wieder, hier ich schreib dir ihre Nummer auf, ruf sie an und beruhig‘ sie, ich will sie nicht verlieren“, kritzelte er Shanias Nummer auf einen Notizzettel.
„Wirst du nicht, ich ruf‘ sie an. Jetzt geh‘, du hast schon genug Arbeit zum Aufholen“, entgegnete Dena und nahm den Zettel entgegen.
„Da sagst du was, ich hab’ wirklich viel zu tun, wenn ich Freitag früher aus dem Büro raus will“, ging er ohne viele weitere Worte weg.
„Der Kaffee muss mindestens von asterixs und mit doppelt Creme sein, wenn du 20 Minuten brauchst, um einen Kaffee aus dem Automaten zu holen“, erkannte Lucy und Harvey stellte ihr den besagten Kaffee hin.
„Noch mit Nussstreuseln oben drauf, ich hoffe du bist nicht allergisch gegen Nüsse“, bemerkte er grinsend.
„Danke, nein bin ich nicht. Du überrascht mich immer wieder, Kleiner. Ich könnte schwören, du warst schnell bei der blondlockigen Killerbarbie“, bemerkte Lucy überrascht.
„Killerbarbie und ich hatten gestern etwas Trouble, ich denke sie wird in nächster Zeit nicht in meiner Nähe sein wollen“, klärte Harvey sie auf ohne auf Details einzugehen.
„Das tut mir leid, ihr wart echt ein süßes Pärchen“, erwiderte sie und nahm einen Schluck aus ihrem Pappbecher.
„Wir sind noch zusammen, wir brauchen grad’ nur etwas Abstand. Denk ich zumindest. Lass uns arbeiten, ist viel zu tun“, bemerkte er nachdenklich und begann zu Arbeiten.
 
Als Harvey am Freitag gegen Mittag Feierabend hatte, ging er nach Hause um seine Sachen für das Wochenende zu holen. Vor der Tür stand seine Mutter.
„Hi Mum, solltest du nicht längst im Flieger sitzen?“, war er verwundert und umarmte sie.
„In einer halben Stunde geht der Flieger. Ich wollt‘ dir noch was geben“, zog sie etwas aus der Tasche.
„Ich bin nervös, kannst du nicht mitkommen?“, bat er nervös.
„Leider nicht, da musst du allein durch. Hier, das ist die Kette, die ich damals bei meinem Ritual getragen habe. Sie soll dir Kraft geben“, hängte sie ihm eine Kette mit einem Türkisstein um den Hals.
„Danke, das wird mir helfen. Gib meiner Schwester einen Kuss von mir, sie wird schon eine richtige Entscheidung treffen“, bedankte er sich.
„Oh Gott, das hoffe ich auch. Ich werde an dich denken. Ich muss jetzt los, dein Vater wartet im Auto. Ach ja hier ist noch die Liste der Kontaktadressen von Hope, ich hab’ ihnen dort auch deine Nummer gegeben, falls was ist. Warte, du hast ja die nächsten drei Tage keinen Kontakt zur Außenwelt, ich werde … warte, man all meine Bekannten sind auf dieser Hochzeit. Ja, ich weiß jemanden. Ich bin zwar nicht so ein großer Fan von Lucy, wegen Larry und allem, aber sie ist Polizistin und vertrauenswürdig“, schlug sie vor.
„Ich werde ihr die Nummer geben, sie ist wirklich vertrauenswürdig. Ein Flittchen, aber vertrauenswürdig. Sag ihr bloß nicht, dass ich das gesagt habe, dann bringt sie mich um und das meine ich wörtlich. Jetzt fahr los, bevor ihr noch den Flug verpasst“, erwiderte er matt lächelnd und umarmte sie noch mal.
„Sie hat sich immer noch nicht gemeldet, oder?“, erkannte seine Mutter seine Sorgen.
„Ich werde am Montag mal vorbei fahren und mit ihr reden. Mach dir keine Sorgen, wir kriegen das hin“, erkannte er und seine Mutter ging den Flur entlang und zum Wagen, mit dem sie dann weg fuhr.
 
Als Harvey seine Sachen gepackt hatte, ging er auch los.
„Hey, gut, du bist noch nicht weg“, kam Shania zu ihm geeilt. Sie hatte kurze schwarze Haare, was ihr gut stand.
„Entschuldigung, kennen wir uns?“, fragte Harvey skeptisch.
„Gefällt es dir, ich dachte, wen ich als Costano durchgehen will, brauche ich schwarze Haare. Gebräunt hab’ ich mich auch“, fuhr sie durch ihre frischgefärbten Haare.
„Ja, sieht heiß aus, wirklich heiß. Kommst du mit?“, fragte er erfreut.
„Ja, glaubst du, ich hab’ meine Traumlocken wegen einem Abend vor dem Fernseher aufgegeben? Ich bin Kopfgeldjägerin, ich hab’ vor gar nichts Angst“, nahm sie seine Hand in ihre.
„Gut, ich brauche jemanden, der keine Angst hat an meiner Seite, denn ich hab’ furchtbare“, gestand er.
„Du bist kein Angsthase, ich geh’ doch nicht mit einem Angsthasen“, machte Shania ihm Mut und er lächelte, während er zusah, wie seine Freundin in seinen Wagen stieg.
 
Shania drückte Harveys Hand fest, als sie zusammen auf dem alten Sofa von Harveys Großmutter saßen und die rüstige Lady ihnen gegenüber.
„Du bist also auch eine Costano, sprichst du dann auch unsere Sprache?“, fragte Mrs. Kenza die junge Frau ihr gegenüber aus.
„Nein, Madam, ich hab’ sie leider nie gelernt“, bemerkte Shania und lächelte sie freundlich an.
„Nicht verwunderlich bei dem Vater, kommt aus einer Familie voller Taugenichtse dein Vater“, hielt Mrs. Kenza ihr die Fehler ihres Vaters vor.
„Gran, beschäftigen wir uns nicht mit Themen der Vergangenheit, erzähl‘ mir, wie es dir so geht, wie geht es den anderen?“, wollte Harvey das Thema ändern.
„Mir geht es gut mein Junge, seit ich mit Yoga angefangen habe, fühle ich mich wie 25, wie alt bist du mein Kind? Du siehst so jung aus“, war Granny Kenza auf ihre Besucherin fixiert.
„Fast 20, Madam, ich seh’ jünger aus“, konterte Shania ohne ihr Lächeln abzustellen, das sie zwanghaft versuchte aufrecht zu erhalten.
„Ja, das tust du und du bist so ein dürres kleines Ding, wie willst du meine Urenkel gebären?“, entschied sie kritisch.
„Gran, wir sind wegen dem Ritual hier und nicht um die Essgewohnheiten meiner Freundin zu diskutieren“, mischte sich Harvey ein.
„Ja richtig, das Ritual. Es freut mich so, dass ich endlich das Ritual machen kann, ich hätte früher damit gerechnet. Also schön, gehen wir nach draußen“, war sie wieder bei der Sache und führte beide nach draußen, wo sich schon einige Leute des Stammes versammelt hatten.
„Wir ziehen jetzt zusammen in den Wald, dort ist ein Zelt, indem du in den nächsten drei Tagen zur Meditation wortlos verharrst. Das Ritual wird Sonntag um die Mittagszeit stattfinden, bis dahin musst du auf deinen inneren Wolf hören. Deine Freundin darf dabei sein, aber sie darf nicht sprechen und dich auch nicht ansehen. Wir haben ihr ein Zelt etwas außerhalb aufgebaut, wo sie schlafen kann. Noch irgendwelche Fragen?“, erklärte Mrs. Kenza alles.
„Nein, Mum hat es mir schon gut erklärt. Was wollen die Leute alle hier?“, fühlte sich Harvey umringt.
„Sie werden dich auf deinem Weg begleiten und die bösen Geister abhalten, die sich bis dorthin auf deine ungeschützte Seele legen wollen“, erwiderte Mrs. Kenza mystisch.
„Okay, alles klar, dann mal los“, bemerkte er skeptisch und bemerkte dann Dena neben sich.
„Entschuldige, bin etwas spät, kam nicht früher aus dem Büro raus. Ich hab’ vergessen Shania anzurufen, aber wie mir scheint, hat sich das Problem auch erledigt“, schnaufte Dena und sie gingen den Marsch bis zu dem Platz.
Als sie bei dem Platz angekommen waren, trennte sich die Gruppe und nur noch Dena, Mrs. Kenza und Shania blieben übrig.
„Okay, jetzt entkleide dich, bis zur Shorts“, bemerkte Mrs. Kenza kühl.
„Ich hab’ grad’ verstanden, dass ich mich ausziehen soll“, belächelte Harvey die Situation.
„Du hast schon richtig gehört, Hosen runter“, entgegnete Dena amüsiert.
„Na toll und heute musste ich ja unbedingt die kurzen anziehen“, zog er sein Hemd, Socken und Hose aus.
„Sexy und ich bin der einzige der das sagen darf. Muss ich schon gehen?“, fragte Shania und sah die anderen beiden Frauen an.
„Nein, du kannst uns helfen ihn zu bemalen. Du kennst sicher nicht dir rituellen Bemalungen, oder?“, fragte Mrs. Kenza.
„Doch, die kenn ich. Rot symbolisiert Blut, blau die Hoffnung und braun die Erde“, erklärte Shania sicher.
„Das ist richtig, dann fangen wir an“, bemerkte Mrs. Kenza verwundert und Shania grinste Harvey an, der zurückgrinste.
Harvey wurde am ganzen Körper bemalt. Dann wurde Shania gebeten weg zu gehen und Mrs. Kenza und Dena kochten an einer Feuerstelle einen Trank zusammen.
„Was wird das?“, fragte Harvey verwundert, aber seine Großmutter legte die Hand auf seinen Mund, dass er still sein sollte.
„Trink das“, bat Dena und hielt ihm einen Becher mit dem Gebräu hin.
„Was ist das?“, fragte Harvey.
„Kräuter, jetzt trink“, bat Dena und hielt ihm das vor den Mund.
Harvey nahm einen großen Schluck aus dem Becher und die Frauen standen wieder auf.
„Keine Sorge, das sind nur eine paar Kräuter die das Bewusstsein erweitern, also wenn er seltsame Sachen macht, ist das normal“, kam Dena erklärend zu Shania.
„Ihr habt ihn unter Drogen gesetzt?“, fragte Shania erschüttert.
„Unter Drogen ist so ein harter Begriff, sagen wir, wir haben sein Bewusstsein erweitert. Keine Sorge, das hat keine rechtlichen Konsequenzen, ich bin eine Polizistin, ich weiß, was ich da tue. Das Zelt hat alles, was du für das Wochenende brauchst, du darfst zu ihm gehen, aber du darfst ihn nicht ansprechen“, erkannte Dena.
„Ich werde hier bleiben, ich werde lieber nur als Beobachter fungieren. Hat er genug Essen da?“, sah sie besorgt zu ihrem Freund.
„Er wird in den nächsten drei Tagen fasten, seine Mutter hat ihn doch darauf vorbereitet, oder?“, fragte Dena skeptisch.
„Er wird drei Tage nichts Essen. Nein, das ist nicht gut, du weißt doch, was das letzte Mal passiert ist, als er das getan hat“, konterte Shania besorgt.
„Sein Trank hat alle wichtigen Vitamine, die er in seiner Fastenzeit braucht. Es ist wirklich wichtig, das er fastet, also gib ihm nichts zu Essen. Ich werde ihn beobachten, falls irgendwas auffällig ist, werde ich sofort zu ihm gehen. Du darfst dich nicht einmischen“, erkannte Dena mit Nachdruck.
„Das hab’ ich schon verstanden, ich werde ein braves Mädchen sein. Wo sind denn hier die Toiletten?“, fragte Shania und sah sich um.
„Das ist ein Wald, benutze deine Fantasie. Wasser kannst du aus der Quelle pumpen, die ist da hinten. Viel Spaß“, stand Dena aus der Hocke auf und ließ die beiden allein.
Harvey fühlte sich schwerelos. Sein Kopf dröhnte, seine Gliedmaßen wurden schwer. Er legte sich auf den Rücken. Er hatte noch nie ein Drogenerlebnis gehabt, es war irgendwie erhebend und gleichzeitig erschreckend. Er schwitzte und fror gleichzeitig, zitterte am ganzen Körper. Visionen von Tieren fuhren wie Lichtblitze durch seinen Kopf.
„Oh man, diese alten Hexen“, redete er in seinem Wahn mit sich selbst und klammerte sich an dem Rasen fest.
Als die Sonne unterging, schwebte er immer noch über sich. Doch dann spürte er, dass jemand bei ihm war.
„Shania?“, fragte er erschöpft.
Aber die Person antwortete nicht. Sie hob nur seinen Kopf und goss ihm langsam kühles Wasser in den Mund. Erst jetzt bemerkte er, wie ausgetrocknet er war.
„Weißt du eigentlich wie sehr ich dich liebe?“, fragte Harvey und tätschelte das Gesicht der Person.
Die Person antwortete nicht, sie nahm nur seine Hand und legte sie wieder auf seinen Bauch.
In dieser Nacht hatte Harvey einen echt merkwürdigen Traum. Er dachte zumindest, dass es ein Traum wäre. Er ging durch einen Gang mit weißen Bändern, die an Stühlen befestigt waren. Weiße Blumen waren auch dort und viele Leute. Ganz plötzlich sah er seine Schwester Mai, auch ganz in Weiß gekleidet, die ihn böse ansah.
„Was machst du hier?“, fragte seine Schwester. Ihre Stimme klang scheppernd und verzerrt.
„Kommt darauf an, wo ich bin“, sprach Harvey und auch seine Stimme klang seltsam.
„Du bist ein Scherzkeks, du bist auf meiner Hochzeit. Was hast du da an? Du siehst aus wie ein Krieger aus alter Zeit. Soll das witzig sein?“, fragte Mai und Kaiser eilte auf sie zu und es sah aus, als würde er in Zeitlupe rennen.
„Ich bin nicht wirklich hier“, versuchte Harvey alles zu erklären.
Dann lief der Wolf durch die Gänge des Raums, der dadurch fast steril wirkte. Er blieb vor Harvey stehen und brachte ihn dazu, ihm zu folgen.

Achtzehntes Kapitel


Harvey hatte kein Gefühl mehr in seinem Körper. Er hatte Schüttelfrost und sein Kopf glühte. Seine Hände taten weh, weil er sie immer noch in dem hohen Gras vergraben hatte.
Er hatte einen Krug mit frischem Wasser neben sich stehen. Er zog sich mühsam hoch und trank einen großen Schluck aus dem Krug.
Er wickelte sich in die Decke neben sich und lehnte sich an einen Baum. Er sah zur Seite, Shania saß etwas entfernt von ihm auf einer Decke und aß einen Apfel. Sie lächelte ihn an und er lächelte zurück.
Wie gern wollte er in diesem Moment zu ihr gehen, ihr seinen Traum erzählen. Oder einfach in ihren Armen wieder einschlafen. Er hatte einen furchtbaren Hunger, aber er musste dies so durchstehen. Um den Hunger zu bekämpfen nahm er noch einmal einen großen Schluck aus dem Gebräu und verfiel wieder in einen Rauschzustand. Das tat er solange, bis es Sonntag war. Voll gedröhnt saß er am Sonntagmorgen im Schneidersitz als eine Person sich ihm näherte.
„Wie die Mutter so der Sohn, kein einziger Schluck übrig. Hast du es mal mit echter Meditation versucht? Wie auch immer, deine Zeit ist um, bist du fähig aufzustehen?“, hörte er die ersten Worte seit drei Tagen. Sie kamen von Dena.
„Die Büffelherden ziehen vorbei, wenn die Sonne sich gen Abend neigt“, murmelte er im Rausch.
„Gut, noch völlig weggetreten, dann tut das Brandzeichen nicht so weh. Shania, kommst du, wir müssen ihn auf die Beine bringen“, rief sie Shania zu und die eilte zu ihr.
„Mein Gott, was ist los mit ihm?“, war Shania entsetzt über das Aussehen ihres Freundes.
„Leichte Tollkirsch-Überdosis, das wird wieder. Stütz‘ ihn unter dem Arm, er ist jetzt bereit für die Zeremonie“, bat Dena und sie lud ihn auf.
„Tollkirsche, ist das nicht giftig?“, fragte Shania besorgt.
„Ich gebe ihm etwas was ihn kotzen lässt, wenn das Ritual fertig ist. Keine Sorge, seine Mutter hat das auch überlebt und die sah wesentlich schlechter aus. Du hast das übrigens gut gemacht, Kleines, ich dachte wirklich, du gehst sofort zu ihm und hilfst ihm. Du könntest eine Costano sein mit deiner Willenskraft, echt schade, dass du es nicht bist. Hey, ihm geht’s echt gut, hoffe ich. Er liebt dich, weißt du das? Er hat es Freitagnacht zu mir gesagt, er dachte ich wäre du, hoffe ich zumindest, sonst würde das echt kompliziert mit uns“, entgegnete Dena beruhigend und sie schleppten ihn etwa 100m weiter, wo die Gruppe vom Freitag auf sie warteten. Mrs. Kenza stand dort, nun in einem traditionellen Gewand.
„Er ist noch ziemlich weg, Kanga, können wir das Ritual trotzdem durchführen?“, fragte Dena, Kanga, wie Mrs. Kenza hieß.
„Hat er auch alles getrunken? Ich hab’ wohl lauter Nichtmeditative in der Familie, wirklich eine Schande. Dann liegt meine ganze Hoffnung wohl in deiner Tochter, mein Kind“, sprach sie mit Shania.
„Ich hab’ keine Tochter“, war Shania verwirrt.
„Noch nicht, mein Kind, noch nicht. Na ja, eigentlich muss das Ritual stehend ausgeführt werden, aber er scheint sich nicht auf den Beinen halten zu können. Setzt ihn in den Kreis, wir beginnen“, bemerkte Kanga und die beiden brachten ihn in einen Kreis.
„Dena, du setzt dich dort hin und nimmst seine Hand. Wir können beginnen“, bemerkte Kanga und begann mit dem Ritual. Zum Ende der Zeremonie, kam ein stämmiger Nativ-Amerikaner im Alter von Kanga zu Harvey und in seiner Hand ein glühendes Eisen mit einem Wolf an der Spitze.
„Wartet mal, ihr wollt ihm ein Brandzeichen setzen? Das wird doch nicht mal mehr bei Tieren gemacht“, eilte Shania zur Hilfe.
„Die Wölfe unseres Stammes werden seit 500 Jahren auf diese Weise gezeichnet, ist noch keiner draufgegangen dabei“, erwiderte Dena, die amüsiert war über ihre Panik.
„Okay, ich nehm aber seine Hand“, entschied Shania standfest und hielt seine beiden Hände in ihrer Hand. Er schrie nicht auf, als ihm das Brandzeichen gesetzt wurde, er zuckte nur zusammen und grub seine Fingernägel in ihrer Hand.
„Begrüßt in unserer Reihe den Auserwählten, den neuen Wolf. Den Führer unseres Stammes. Er wird die nächste Generation in den Frieden führen. Hoch lebe der Wolf“, rief Kanga in die Menge und die Leute begannen zu tanzen. Harvey kippte zur Seite weg.
 
Ein starkes Brennen in der Seite weckte Harvey wieder. Er lag in einem Bett, war frisch eingekleidet und gebadet worden. Er fasste sich an die Hüfte, die mit einem riesigen Tape abgeklebt war.
„Hallo Sonnenschein, ich hab’ dich verarztet, deine Großmutter wird mich sicher rituell opfern dafür, aber ich hab’ mal in einem Tätowiershop ausgeholfen, ich weiß, dass das nötig ist. Bist du wieder bei uns?“, fragte Shania, die neben ihm lag und seinen Kopf streichelte.
„Teile von mir, ja. Wo bin ich?“, fragte Harvey vollkommen verwirrt.
„Best Western, ich hab’ dich in ein Hotel gebracht. Mir wurde es zu unheimlich nach der Weihe bei deiner Familie. Ich hab’ was zum Essen aufs Zimmer kommen lassen, du hast sicher Hunger, vor allem, wenn der Cold Turkey einsetzt“, erwiderte sie und er setzte sich mit Schmerzen auf.
„Ist es schon vorbei?“
„Ja, du warst drei Tage lang auf einem Trip. War nicht lustig mit anzusehen. Deine Familie hat dich unter Drogen gesetzt, die haben doch einen Schaden“, wetterte Shania.
„Das gehört zu unserer Kultur, das verstehst du nicht. Ich hab’ das ja selbst in der Hand gehabt. Warum tut das so höllisch weh?“, fasste er sich an die Seite.
„Brandzeichen mit einem echten Brandeisen, das gehört wohl auch zu eurer Kultur nehm‘ ich an. Ich hab’ es desinfiziert, dich gewaschen und dir andere Sachen angezogen, oder sagen wir allgemein Sachen angezogen. Das du nicht erfroren bist nur in Shorts ist echt ein Wunder“, erklärte sie.
„Noch so eine Kleinigkeit, die meine Mutter nicht erwähnt hat, man, ich hoffe bei dem Essen ist Fleisch dabei, ich hab’ furchtbaren Hunger auf Fleisch“, erkannte er und riss die Augen auf.
„Du bist jetzt ein Wolf, der hat immer Lust auf Fleisch. Ich hab’ Kaninchen im Speckmantel mit Kartoffeln bestellt, entspricht das deiner Vorstellung?“, fragte sie verschmitzt.
„Wunderbar, her damit. Meine Mutter hatte das wohl ernst gemeint, dass ich halblang machen soll mit dem Essen, dass sich mein Körper an den Mangel gewöhnt. Fleisch, jetzt sofort“, bat er und bekam das Essen gereicht.
Obwohl es bereits kalt war, schlang er es herunter, als hätte er seit einer Woche nichts mehr zu essen bekommen.
„Wie spät ist es?“, fragte Harvey, als er gesättigt mit seiner Freundin im Arm auf dem Bett saß.
„Fast halb sechs, wir sollten langsam heimfahren, wenn wir vor der Dunkelheit zu Hause sein wollen. Ich werde fahren“, erkannte sie und stieg aus dem Bett.
„Dann ist es also vorbei, meine Schwester ist eine verheiratete Frau“, stellte er fest.
„Sieht ganz danach aus. Wie kommst du jetzt auf deine Schwester?“, fragte sie und packte die Sachen zusammen.
„Ich hab’ in der ersten Nacht von ihr geträumt. Das war irgendwie seltsam. Ich war auf ihrer Hochzeit, aber ich war nicht wirklich da, nur mein Geist war dort. Ich hatte ein Indianerkostüm an, wie es in diesem Western die Indianer getragen haben. Mai hat mich ausgeschimpft, was ich dort mache und dann hat mich der Wolf zurückgeführt“, erzählte Harvey seinen Traum, während er aufstand.
„Der Traum ist fast schon zu real für einen Drogentraum. Egal, lass uns gehen“, schulterte sie seine Sachen und sie verließen das Hotelzimmer.
 
Es war inzwischen dunkel als die beiden an seiner Wohnung ankamen.
„Kommst du heute Nacht alleine klar, ich würde zwar unheimlich gern bei dir bleiben, aber ich muss noch im Büro und zu Hause vorbei, dann bleib ich da“, erwiderte Shania plötzlich und löste sich von seiner Hand vor der Haustür.
„Klar, richte Alo aus, das ich morgen vorbei komme. Sehen wir uns da?“, fragte Harvey und küsste sie.
„Mach ich!“
„Danke, das du für mich da warst“, erwiderte Harvey und schloss die Tür auf.
„Ich liebe dich, da macht man so was. Also sehen wir uns da?“, fragte sie und er lächelte.
„Ja, wir sehen uns da. Schlaf gut, mein Engel“, stieß er die Tür auf.
„Du auch mein kleines Wölflein“, säuselte sie und begann ihn wild zu küssen.
„Oh man, ihr könnt echt nicht von aneinander lassen, oder?“, fragte plötzlich eine weibliche Stimme und vor lauter Schreck fielen die beiden in die offene Tür hinein.
„Oh man Leute, sucht euch ein Zimmer“, erkannte die Stimme und sie rappelten sich auf.
„Mai, bist du das?“, fragte Harvey und suchte einen Lichtschalter.
„Natürlich bin ich das, du könntest dir doch denken, dass ich sofort zu dir gefahren bin, nach dem Vorfall“, saß sie dort in ihrem Brautkleid auf einem Küchenstuhl.
„Welcher Vorfall, machst du Flitterwochen zu Hause?“, fragte Harvey unwissend.
„Hör auf den Unschuldigen zu spielen, Brüderchen, ich hab’ mit deiner Erscheinung gesprochen, das war kein schlechter Trick. Kaiser hat einen Rappel gekriegt“, erkannte Mai amüsiert.
„Das ist also wirklich passiert, wusste nicht dass ich das kann. Kann auch an diesem Trank liegen, den sie mir gegeben haben“, war Harvey überrascht.
„Mum hat mir erzählt, dass deine Seele in diesem Augenblick an den Ort kommt, wo sie am liebsten sein will. Wusste gar nicht, wie sehr du dir wünscht bei meiner Hochzeit zu sein“, erkannte sie und er setzte sich neben sie.
„Ich wusste es auch nicht. Wo ist dein Ehemann?“, fragte Harvey und lehnte sich zurück.
„Wir haben nicht geheiratet, ich bin in einen Flieger gestiegen und hier her geflogen. Wusste nicht, dass du so spät heimkommst“, entgegnete sie und Shania setzte sich auf einen anderen Stuhl.
„Wirklich, das tut mir leid!“, fragte Harvey gespielt bedauernd.
„Das könnte ich dir ja fast glauben. Mum hat erzählt, dass du jetzt eine Freundin hast, hi ich bin Mai, Harveys immer noch unverheiratete große Schwester“, begrüßte Mai, Shania.
„Shania, hi. Der richtige Mann wird schon kommen“, bemerkte Shania freundlich.
„Es müsste so ein toller Mann sein, wie mein Bruder hier. Ihr habt es alle gewusst, aber ich wollte es nicht wahrhaben. Kaiser hat nicht mal ne Erklärung von mir bekommen. Wir wohnen zusammen, wo soll ich jetzt hin?“, erwiderte sie nachdenklich.
„Heute Nacht kannst du in Larrys Bett schlafen, morgen überlegen wir uns was“, schlug Harvey vor.
„Larry wird nicht begeistert sein, wenn ich zusammen mit ihm in einem Bett schlafe, denke ich“, schmunzelte Mai amüsiert.
„Du weißt es nicht? Larry liegt seit zwei Wochen im Koma. Er ist angefahren worden. Ich dachte, Mum hätte es dir gesagt“, erkannte Harvey nachdenklich.
„Was? Nein, sie hat nichts gesagt. Warum sagt mir das keiner?“, war Mai aufgebracht.
„Oh mein Gott, ich dachte du weißt das. Er liegt im O’Connor Krankenhaus. Die haben alle geschwiegen, die ganzen zwei Wochen, das passt doch gar nicht zu ihnen“, war Harvey entrüstet.
„Du hättest es mir sagen können, trotz unserer Streitigkeiten. Wie steht es um ihn?“, fragte Mai entrüstet.
„Ich hab’ dich mindestens 100mal angerufen, du hast dich immer verleugnen lassen. Also halt du mir nichts vor“, bemerkte Harvey schroff.
„Ich lass euch mal allein, ich muss echt noch ins Büro. Bis morgen, mein Schatz“, stand Shania auf, küsste ihren Freund und ging.
„Sie scheint nett zu sein, ich werde auf dem Sofa übernachten, glaube ich. Hast du mir ein Hemd oder so, in dem ich schlafen kann?“, fragte Mai müde und ging zum Sofa.
„Sicher, ich werde dir ein T-Shirt bringen und eine Decke. Wir werden morgen zusammen ins Krankenhaus gehen. Bei Larry müssen auch noch ein paar Sachen von seiner Freundin rum liegen, die müssten dir passen. Ich bin müde, ich muss ins Bett, kommst du allein klar?“, fragte er und sie nickte.
„Auch wenn du es vielleicht heute noch nicht hören willst, aber das war die richtige Entscheidung“, bemerkte Harvey, als er ihr Sachen zum Anziehen brachte.
„Du hast Recht, das will ich heute nicht hören. Gib her“, grummelte sie und riss ihm die Sachen aus der Hand.
„Vielleicht morgen. Schlaf‘ gut, mein Engel und ich bin froh, dass du zu mir gekommen bist“, bemerkte er und ging in sein Zimmer.
 
„Harv, du bist schon 20 Minuten hier drin, was machst du da drin? Moment, warte, ich will es gar nicht wissen. Ich will duschen, mach auf“, hämmerte Mai am nächsten Morgen an die Badezimmertür, in der sich ihr Bruder zu verschanzen schien.
„Gut, du bist wach, du kannst mir helfen“, öffnete er die Tür. Er hatte ein großes Pflaster in der Hand und versuchte seine Hüfte neu zu verbinden.
„Du machst einen Verband auf dein Brandzeichen?“, fragte Mai belächelnd.
„Sag das bloß nicht Mum, ich will nicht, dass es sich entzündet. Ich bin ein Weichei, ich weiß. Ist schwer das an der Seite zu befestigen. Kannst du es für mich machen?“, fragte er und hielt ihr das Pflaster hin.
„Sicher, Weichei. Euer Sofa ist nicht gerade bequem, ihr solltet ein neues kaufen, ein Schlafsofa wäre nicht schlecht. Larrys Freundin ist ganz schön kräftig, ich fall raus aus ihrer Bluse“, desinfizierte Mai, Harveys Wunde und klebte sie ab.
„Danke, Luce ist ein kleines Muskelpaket, sie trainiert gern und viel. Wir sollten los, wenn wir bevor ich ins Büro muss noch ins Krankenhaus wollen“, zog er sein Unterhemd darüber und seine kugelsichere Weste.
„Oh man, das tut weh“, fluchte er.
„Doofe Frage, aber warum trägst du eine kugelsichere Weste, du bist doch nur so ein Schreibtischheini wie Mum“, schlussfolgerte Mai und half ihm in sein Hemd.
„Wir Schreibtischheinis haben in den letzten Jahren viele Kollegen verloren, die von verirrten Kugeln getötet wurden. Seit zwei Jahren gehören die kugelsicheren Westen auch zu unserer Uniform. Leider Gottes. Man, das brennt vielleicht“, jammerte er und legte seinen Waffengürtel um.
„Wenn du weiter so rumjammerst, werde ich Mum alles erzählen. Jetzt los, ich will duschen“, grinste Mai und er ließ sie allein. Als er draußen auf sie wartete, klingelte das Telefon.
„Hey, wie geht’s dir?“, fragte Meg besorgt am Telefon.
„Gut, bin etwas geschafft, aber gut. Mai ist bei mir“, erkannte er.
„Dachte ich mir schon. Warum ausgerechnet ihre Hochzeit, hast du denn keine Fantasie bei Wahnvorstellungen?“, sprach sie ihn auf den Vorfall an.
„Das konnt’ ich nicht steuern, tut mir leid. Hab’ ich großen Trubel gemacht, seid ihr sauer?“, fragte Harvey besorgt.
„Nein, wie du gesagt hast, du konntest es nicht steuern. Dass dein Unterbewusstsein so stark ist, wusste ich echt nicht. Hört sie grad’ zu?“, fragte Mag.
„Sie ist unter der Dusche, wieso?“
„Gestern war einer der glücklichsten Tage meines Lebens. Weil meine Tochter einen großen Fehler eingesehen hat und mein Sohn sich endlich seinen Wurzeln zugewandt hat. Du hast das toll gemacht, hab’ ich gehört“, erkannte Meg stolz.
„Ich konnte mich kaum auf den Beinen halten bei der Weihe“, gestand er.
„Kenn‘ ich irgendwo her. Ich war auch nicht besser drauf. Ihr seid so schnell weg, hat meine Mutter gesagt“, bemerkte sie.
„Shania wollte mich da weghaben, sie war ganz schön verwirrt, denke ich. Wir waren im Hotel, ich hab’ meinen Rausch ausgeschlafen. Ich wollte Gran nicht verärgern, ich hoffe sie weiß das“, erwiderte er erklärend.
„Sie weiß es, sie hat es nur erwähnt. Wo bist du, bist du im Büro?“, fragte Mag.
„Nein, noch zu Hause, ich werde mit Mai ins Krankenhaus fahren. Warum hat keiner von euch Mai wegen Larry Bescheid gesagt?“, fragte Harvey plötzlich.
„Wir wollten sie nicht damit behelligen, so kurz vor der Hochzeit. Sie weiß es jetzt also?“, fragte Mag.
„Ja, ich hab’ es ihr gestern gesagt. Deshalb gehen wir jetzt ins Krankenhaus. Hätte ich das nicht tun sollen?“, fragte Harvey unsicher.
„Ist schon okay, jetzt kann sie es ja wissen. Schick sie danach zu mir, geb ihr deinen Wagen, ich hol dich heut im Büro ab und bring dich heim“, bat Meg und legte auf.
„Ja Madam, zu Befehl. Mai, beweg deinen Hintern aus dem Bad, wir müssen los“, rief Harvey.
„Ich bin erst 10 Minuten da drin, jetzt hetz‘ nicht so“, meckerte Mai und öffnete die Tür.
„Hast du mir einen Gürtel? Mir ist die Jeans zu weit“, bemerkte Mai und bekam einen Gürtel gereicht.
„Du bist ganz schön schmächtig für einen Mann, der Gürtel passt mir grad’. Ist Larry mit dieser Frau glücklich?“, fragte Mai neugierig.
„Eher nicht, sie hat ihn mit einem Kollegen betrogen am Tag des Unfalls. Sie haben sich nur noch nicht getrennt, weil sie noch nicht die Möglichkeit hatten. Warum?“, fragte er schmunzelnd.
„Nur so, ich seh’  echt verboten aus, die Frau hat echt keinen Modegeschmack. Aber zumindest besser als ein Hochzeitskleid. Ich muss mit Kaiser telefonieren, krieg ich dein Handy“, ging sie aus dem Badezimmer und band ihre Haare zusammen.
„Sicher, hier“, nahm er sein Handy vom Tisch und gab es ihr.
„Lass uns erst mal ins Krankenhaus fahren, du kannst da telefonieren“, bemerkte er und sie gingen zum Wagen.
 
„Ich kann es immer noch nicht fassen, dass ihr mir nichts gesagt habt, man ich hab’ schon mit ihm gespielt, als ich drei Jahre alt war. Er ist einer meiner ältesten Freunde. Mum war auch in diesem Krankenhaus, als Hope geboren wurde. Hat sich aber in den letzten fünfzehn Jahren groß verändert. Ist er irgendwie entstellt oder so? Ich will mich darauf vorbereiten“, bemerkte Mai, als sie zu Larry gingen.
„Nein, er hat immer noch die gleiche hässliche Visage wie früher. Er hat ein paar Schrammen im Gesicht und einen gebrochenen Arm und ja, sie haben ihm den Schädel rasiert, weil sie an seinem Kopf was machen mussten. Das wird ihm gar nicht gefallen, wenn er aufwacht“, entgegnete Harvey und bog in Larrys Krankenzimmer ein.
„Seine schönen Haare, er hatte wunderschöne Haare. Mein Gott, diese ganzen Schläuche, er sieht so wehrlos aus“, ging Mai ganz langsam zu Larry, der immer noch so dalag, wie immer.
„Ich weiß, unheimlich. Ich wünschte, er würde einfach aufwachen und sich darüber beschweren, dass er einen riesigen Kater hat, oder so“, erkannte Harvey Gedankenversunken.
„Ja, das würde eher zu ihm passen, als das. In meiner Ausbildung als Erzieherin hatte ich mal einen kleinen Jungen der nach einem Diabetes-Schock ins Koma gefallen ist, ich hab’ ihn oft besucht. Aber das ist was anderes. Warum braucht er das alles?“, fragte Mai und fuhr durch Larrys Haare.
„Ich weiß es nicht, das musst du den Arzt fragen. Kann ich dich hier allein lassen? Ich muss jetzt wirklich ins Büro, bei mir ist von Freitag noch viel Arbeit liegen geblieben“, konterte Harvey.
„Klar, ich komm hier allein klar, geh ruhig. Kannst du mir Sachen von zu Hause mitbringen, ich werde heut hier bleiben“, entschied Mai abgelenkt.
„Ich lass dir auch mein Handy da, dann kannst du Kaiser anrufen“, erkannte er und machte sein Handy von seinem Gürtel ab.
„Das ist jetzt nicht wichtig, nimm es mit, falls deine Freundin anruft“, war das Mai plötzlich nicht mehr wichtig.
„Okay, wie du meinst. Ach ja, du kriegst auch meinen Wagen, dann kannst du alles erledigen, was du zu erledigen hast. Ich rufe Lucy an, die soll mich hier abholen“, entgegnete Harvey und griff nach seinem Handy.
„Hat Mum dich darum gebeten? Ich komm‘ ganz gut allein klar“, entschied Mai genervt.
„Nimm ihn einfach, ich brauch ihn eh nicht. Wenn was ist, du weißt ja, wie du mich erreichen kannst“, bemerkte Harvey, während er Lucys Nummer wählte.
„Hey Luce, kannst du mich im Krankenhaus abholen? Ich hab’ Probleme mit dem Wagen“, telefonierte er mit Lucy.
„Ja, ich warte draußen, danke“, legte er wieder auf.
„Du bist genauso ein Starrkopf wie Dad“, grummelte Mai und setzte sich hin.
„Ja, gehört zu meinen guten Eigenschaften, ich weiß. Ich geh’ jetzt raus, ich werde dir Klamotten mitbringen“, entgegnete er und drückte ihr das Handy in die Hand.
„Wie du meinst, Starrkopf. Jetzt geh‘, sonst muss sie auf dich warten“, erwiderte sie und er ging Richtung Ausgang.

Neunzehntes Kapitel


„Wie geht es jetzt weiter mit deiner Schwester und Larry, jetzt wo sie nicht heiraten wird?“, fragte Lucy neugierig, als sie beim Arbeiten waren.
„Wie meinst du das? Die beiden sind Freunde gewesen vorher und sind immer noch Freunde. Hast du gedacht, dass zwischen den beiden was gelaufen ist?“, fragte Harvey amüsiert.
„Er hat ständig von ihr geredet, könnte sein, dass ich so was gedacht habe“, erwiderte sie kleinlaut.
„Er liebt sie, so einfach ist das. Vielleicht wird sie das auch eines Tages erkennen. Werde bloß nicht eifersüchtig, du bist ja nur noch mit ihm zusammen, weil du noch nicht mit ihm Schluss machen konntest“, schlussfolgerte er und reichte ihr eine Akte.
„Was ist eigentlich mit deinem Auto kaputt, wenn ich fragen darf?“, lenkte sie vom aktuellen Thema ab.
„Meine Schwester hat es gebraucht, das ist daran kaputt. Ich Muttersöhnchen hab’ schon wieder auf meine Mutter gehört“, gestand er.
„Das hast du gesagt. Aber es stimmt, Muttersöhnchen. Was hast du eigentlich am Wochenende gemacht? Du siehst echt fertig aus“, musterte sie ihn.
„Ich hatte ein aufregendes Wochenende. Warst du auch mal aus, oder warst du wieder die ganze Zeit bei ihm?“
„Ich war Samstag mit Tristan Essen, zum Reden. Wir haben alles geklärt“, bemerkte sie erklärend.
„Das ist schön, wollt ihr es wieder miteinander versuchen?“, fragte Harvey.
„Ich weiß es nicht, wir lassen es langsam angehen. Erst werde ich die andere Sache beenden“, erkannte sie.
„Das klingt gut, aber wenn er nicht mehr aufwacht, musst du weiter machen, versprich mir das“, bat Harvey plötzlich.
„Nein, sag so was nicht, er wird aufwachen“, bat Lucy aufgewühlt.
„Versprich mir es einfach“, wiederholte er.
„Ich verspreche es. Weißt du was, was ich nicht weiß?“
„Nein, ich will nur, dass du dein Glück findest“, erwiderte er und lächelte.
„Ich würde mein Glück finden, wenn Larry endlich wieder aufwachen würde“, wurde sie sentimental und eine Träne kullerte über ihre Backe.
„Dann wäre mein Leben auch wieder besser“, presste er ihre Stirn gegen seine und sie blieben eine kurze Weile so, beide weinten leicht.
„Du lässt wohl nichts anbrennen, Kleiner, was?“, kam Tristan mit Loco ins Büro.
Harvey ließ Lucy los und sie wischte die Tränen von ihrem Gesicht.
„Was ist passiert, ist der tot?“, fragte Tristan etwas unwirsch.
„So unsensibel kann ein Mann doch nicht sein, oder? Nein, er ist nicht tot, wir haben beide Sorgen und haben die gerade besprochen. Schon Mittagspause?“, fragte Harvey und wischte seine Tränen ab.
„Nein, Cindy Lu, nur Kaffeepause. Was flennt ihr dann so rum?“, fragte Loco cool.
„Geh’ schon mal die Kaffeemaschine anmachen, Lo“, grummelte Tristan und Loco ging vor.
„Ihr seid echt wie für einander geschaffen, Schweine unter sich. Verzieh dich Tristan, ich muss arbeiten“, bemerkte Lucy und ging wieder an die Arbeit.
„Das kam jetzt blöder rüber, als ich das sagen wollte“, entschuldigte sich Tristan plötzlich ziemlich kleinlaut.
„Du weißt ganz genau, wie allergisch ich gerade darauf reagiere“, schniefte Lucy und tippte immer wieder mit ihrem Finger auf seine Brust.
„Komm her, ich wollte dir doch beistehen“, zog er sie in seine Arme in denen sie sich wohl fühlte.
Harvey sah erfreut zu, wie gut sich die beiden verstanden.
„Harv, was glotzt du so, hast du nichts zu tun?“, fragte Tristan peinlich berührt.
„Ja, ich muss eh ins Archiv für ne Weile. Lucy, bleibt es bei der Verabredung zum Mittagessen heute?“, fragte Harvey und stand auf.
„Könnten wir Tristan mitnehmen?“, fragte Lucy um Tristan geschlungen.
„Wir wollten doch geschäftliches besprechen, dachte ich“, lud Harvey die Akten auf, die er mitnehmen wollte.
„Er weiß davon, wir haben darüber gesprochen“, erkannte Lucy.
„Klar, wieso nicht, aber Loco bleibt hier“, befahl Harvey schmunzelnd.
„Geht klar, der geht mir eh schon den ganzen Vormittag auf die Eier. Wann bist du fertig?“, fragte Tristan und Harvey ging um den Tisch herum zu ihnen.
„Weiß ich nicht genau, geht doch schon mal vor ins Tonys, nein warte, ich hab’ keinen Wagen, könntest du schnell warten Luce? Ich mach‘ ganz schnell“, eilte er ins Archiv.
 
20 Minuten später saß er immer noch im Schneidersitz zwischen Akten und suchte etwas.
Ein klobiges Paar Stiefel trampelte die Metalltreppe herunter. Harvey erkannte gleich, dass das Lucys Stiefel waren.
„Ja, ich weiß Luce, du hast Hunger, aber mir ist da eine Ungereimtheit aufgefallen“, erwiderte Harvey ohne aufzusehen.
„Das ist ja ein Chaos hier drin, du bist kein Ermittler, das ist nicht deine Aufgabe“, ging sie den letzten Schritt der Treppe herunter.
„Du hast Recht, ich weiß auch nicht, was mich geritten hat. 20 Minuten bin ich schon hier unten? Ich hab’ wohl noch etwas von dem Trunk in meinem Blut, den sie mir gegeben haben. Wir können gehen“, erwiderte er und stand auf.
„Ich weiß zwar nicht, von was du faselst, aber du hast Recht, jetzt komm, ich verhungere gleich“, erkannte sie und zog in die Treppe hoch.
„Ich hab’ ihn gefunden, er wollte etwas Spurenermittler spielen. Jetzt kommt, bevor ich noch an die Donuts gehe“, bemerkte Lucy und ging voran zum Wagen.
„Ja okay, erinnere mich daran, dass ich dir dann meine Unterlagen mitgebe, meine Schießresultate und so“, besprach Lucy mit Harvey den Termin mit den Kopfgeldjägern.
„Ja, das wäre klasse, wenn du das alles zusammenstellen würdest. Aber du könntest auch gleich mitkommen, mit deiner Statur würden die dich vom Fleck weg einstellen“, bemerkte Harvey und Tristan sah ihn eifersüchtig an.
„Hey, das seh’ ich nur von der geschäftlichen Seite, ich meine, meine Schwester fällt raus aus deinen Klamotten, du hast mehr Muskeln als ich. Okay, das ist nicht schwer, ich meine ich steh nicht auf dich, nichts für ungut, aber meine Freundin ist wesentlich heißer“, erklärte er drucksend.
„Hüte deine Gedanken, Bohnenstange, du hast eine Freundin. Aber du hast Recht, sie hat heiße Muskeln, sie ist ne gute Kampfpartnerin“, legte Tristan den Arm um seine Freundin.
„Ihr trainiert also zusammen. Ich bin wohl kein würdiger Gegner mehr für dich“, erkannte Harvey gespielt trotzig.
„Das würde ja bedeuten, du warst es jemals“, frotzelte Tristan und Harvey grinste.
„In einem Jahr sehen wir uns hier wieder, dann mach ich dich fertig“, drohte Harvey ihm spielerisch.
„Wie viel wettest du darauf?“
„100 Dollar“, bemerkte Harvey siegessicher.
„Geht klar, abgemacht“, schlug Tristan ein.
„Spar‘ das Geld lieber“, war Lucy unschlüssig.
„Echt schade, ich dachte meine Freunde unterstützen mich in meiner Mission, meinen Stamm in eine neue Ära zu bringen“, erwiderte Harvey trotzig.
„Du hast Freunde? Lernen wir deine Freunde mal kennen?“, neckte Tristan ihn.
„Du redest schon wieder wirres Zeug. Du bist nicht der Retter der Menschheit, ich hoffe, du weißt das“, verstand Lucy seine Aussage nicht.
„Aber seit diesem Wochenende bin ich der große Macker in meinem Stamm, ein richtiger Mann“, erzählte Harvey stolz.
„Hat Lockenkopf dich endlich ran gelassen?“, fragte Tristan sarkastisch.
„Lockenkopf lässt mich schon seit zwei Wochen ran und wie. Ihr seid keine Costanos, ist völlig uninteressant für euch. Ihr müsst nur wissen, dass sich viel ändern wird“, erklärte er geheimnisvoll.
„Heißt das, dass dir Haare auf der Brust wachsen und du endlich ein Mann wirst?“, veralberte Tristan, Harvey.
„Oh nein, das hab’ ich hinter mir. Übrigens, das mit den Locken hat sie auch hinter sich, sie hat jetzt eine süße schwarze Kurzhaarfrisur“, erkannte er nebenbei.
„Sie will dich verlassen“, schlussfolgerte Lucy.
„Was? Hast du mit ihr geredet?“, fragte Harvey verwundert.
„Nein, aber wir Frauen machen so dramatische Sachen mit unseren Haaren nur, wenn irgendeine wichtige Sache in unserem Leben passiert ist, oder passieren wird“, erkannte sie.
„Sie hat sich die Haare für mich geschnitten, wir wollten meine Großmutter damit hinters Licht führen, dass sie sie für eine Costano hält, lange Geschichte. Sie wird mich sicher nicht verlassen, keine Sorge“, beruhigte Harvey seine Kollegin.
„Dann ist ja gut, ihr seid so ein schönes Pärchen. Warte mal, ihr seid doch erst zwei Wochen zusammen und schlaft schon die ganze Zeit miteinander?“, fragte sie zwischen.
„Ich wusste doch, dass sie eine Schl … schlaue Frau ist, da sie ja mit dir zusammen ist“, erwiderte Tristan sich verbessernd.
„Gut gerettet, Trottel. Man, schon halb drei, wir müssen echt zurück, ich hab’ noch so viel zu tun und den Keller muss ich auch noch von meinem Chaos befreien“, ging er zum Tresen, um zu bezahlen.
„Lädst du uns ein?“, rief Tristan ihm zu.
„Vergiss es, aber ich lad‘ euch in einem Jahr ein, wenn ich die 100 Dollar gewonnen habe“, versprach Harvey.
„Wir werden sehen, vielleicht bist du in einem Jahr auch nicht mehr so knauserig“, scherzte Tristan und sie gingen amüsiert aus der Pizzeria. Vor der Pizzeria stand Meg breitbeinig in Uniform.
„Hey, amüsierst du dich?“, fragte sie und man konnte aus ihrem Gesicht nicht ablesen, was sie dachte.
„Ich war Mittagessen. Ist was passiert?“, fragte Harvey verlegen.
„Nein, alles Bestens. Warum trägst du deinen Sender nicht?“, fragte sie kritisch.
„Meinen Sender? Bin ich ein freilaufendes Tier, oder was?“, fragte Harvey verwundert.
„Verdammter Idiot“, boxte seine Mutter ihm in die Brust.
„Au, das hat weh getan“, rieb sich Harvey die Brust.
„Ja, dir, nicht mir. Warum trägst du deine kugelsichere Weste nicht, dich könnte jemand anschießen und du landest da, wo Larry jetzt liegt und wird könnten dich nicht orten, weil der Sender in der Weste ist“, schimpfte seine Mutter.
„Mum, könnten wir das nicht vor meinen Kollegen diskutieren, bitte?“, war Harvey nicht begeistert.
„Warum trägst du deine kugelsichere Weste nicht“, ließ sie nicht locker.
„Du willst es wissen? Du willst es wirklich wissen? Weil deine Mutter und die Frau, die mir bei dem Ritual beistehen sollte, mich mit einem rostigen Ding verbrannt haben, was sich jetzt total entzündet“, zog er sein Hemd aus der Hose und zeigte sein schmerzendes Branding was schon Blutfäden an der Seite zog.
„Verdammt, sie sollten das doch nicht mit diesem alten Ding tun, das war das einzige, um was ich sie gebeten habe. Ich wollte eh ins Krankenhaus zu Larry, wir werden das untersuchen lassen, bevor du noch ne Blutvergiftung bekommst“, war Meg auf diese Tatsache nicht vorbereitet gewesen.
„Ich muss zurück ins Büro, ich hab’ noch viel zu tun“, zog er seine Jacke zusammen.
„Aber ich hab’ keine Lust viel Arbeit mit deiner Beerdigung zu haben. Komm‘ mit“, zog sie ihn am Arm weg.
„Keine Sorge Harv, ich schaff‘ die Arbeit, geh’ du zum Arzt. Wusstest du, das wir Sender in unseren Westen haben, das sie uns finden können?“, fragte Lucy, Tristan.
„Nicht wirklich, aber ich sollte das nächste Mal, wenn wir Sex im Büro haben die Weste lieber ausziehen“, entgegnete er und die beiden gingen zu ihrem Wagen.
 
„Ich muss das Pflaster jetzt abreißen, das kann weh tun“, bemerkte Chant Kakar, ein alter Freund von Harvey und Krankenpfleger im Krankenhaus.
„Chay, ich hab’ vermutlich eine Blutvergiftung, ich kann sicher keine größeren … au verdammte Hölle“, bekam Harvey das Pflaster abgerissen.
„Ich hab’ dich gewarnt, oh ja, das sieht heftig aus. Was hast du gemacht, hast du dich am Hafen tätowieren lassen?“, fragte Chant schadenfroh.
„Kannst du erst mal spritzen bitte, ich kann nur so viel dazu sagen, dass ich jetzt ein Mann bin“, bemerkte Harvey mit schmerzverzerrtem Gesicht.
„Ja und in zwei Stunden wärst du ein toter Mann gewesen, dann wäre nämlich die Vergiftung an deinem Herzen angekommen. Willst du Larry Gesellschaft leisten, oder was?“, konnte das Chant nicht verstehen.
„Pass auf was du sagst, Freundchen. Jetzt spritz‘ schon“, grummelte er und bekam eine Spritze in die Seite.
„Damit sollte die Vergiftung zurückgehen, aber ich hätte es gern, wenn du über Nacht hier bleibst“, bat Chant.
„Gut, dass du nicht fertig studiert hast, Chay, denn ich höre nur auf Ratschläge von echten Ärzten“, sprang Harvey vom Untersuchungstisch.
„Dann geh’ wenigstens nach Hause und ruh‘ dich aus. Und übrigens, ich hab’ einen IQ von fast 200, ich hab’ nur nich’ weiter studiert, weil meine Freundin schwanger wurde. Du hast ja nicht mal eine Freundin“, frotzelte Chant ihm entgegen und bekam seine Untersuchungsergebnisse gereicht.
„Ich hab’ ne Freundin Chay, ne ganz heiße obendrein. Und wie sehen meine Blutwerte aus?“, fragte Harvey und sah mit ihm zusammen in die Resultate.
„Ah, Tollkirsche, Salbei und irgendwas undefinierbares, aber was sicher rein geknallt hat. Ich war wohl schon zu lange nicht mehr aus, was zum Henker ist das den für eine Spaßmischung?“, schüttelte Chant ungläubig den Kopf.
„Das ist der Trank der Götter und wurde auf dem Gelände der Costanos genossen, also auf Freiheitsgebiet. Warum hast du das immer noch in deinem Blut, lass mich raten, du hast die ganze Kanne getrunken?“, kam Meg zurück, die bei Larry gewesen war.
„Wie die Mutter so der Sohn. Bringst du mich heim, ich fühl mich gar nicht mehr gut“, wurde Harvey schwindelig.
„Bei so was im Körper würde mir auch schwindelig werden. Magena, könnten Sie Ihrem Sohn erklären, dass er hier bleiben soll über Nacht, auf mich hört er nicht, weil ich ja kein Arzt bin“, bat Chant, Mag.
„Bei solchen Werten stecken sie ihn gleich ins Rehaprogramm, ich bring ihn heim und du könntest ein Schatz sein und diese Ergebnisse verschwinden lassen, denn Harveys alljährlicher Gesundheitscheck steht an und diese Resultate wären nicht gerade vorteilhaft“, bat Mag.
„Ist schon gut, ich komm damit klar, wenn jemand fragt, kannst du ihm alles sagen“, bezog Harvey Stellung.
„Hör nicht auf ihn, er ist nicht auf der Höhe“, bat Meg und wollte ihn weg ziehen.
„Ihr beide seit echt Spinner, keins dieser Inhaltsstoffe ist illegal, es gibt keinen Grund, das zu melden, dass müsstet ihr als Polizisten eigentlich wissen“, sah Chant amüsiert zu, wie sich seine Freunde um den Standpunkt stritten und legte seine Unterlagen weg.
„Gut, behalt es trotzdem für dich, muss ja nicht jeder wissen. Ich werde Harvey mit mir nach Hause nehmen und ihn keinen Moment aus den Augen lassen“, versprach Meg und Harvey sah sie entsetzt an.
„Habt ihr noch ein Zimmer frei?“, fragte Harvey und Chant brachte ihn grinsend zu einem Zimmer.
„Geht doch, es geht doch nichts über die Drohung einer Mutter. Wir sollten dir hier ein Zimmer mieten, jetzt wo du so oft da bist“, flachste Meg, als sie auf der Fensterbank in seinem Krankenzimmer den Abend verbrachte.
„Diesmal bist du schuld daran, oder deine Familie. Ich dachte nicht, dass die Weihe so primitiv von Statten geht“, bemerkte Harvey, als er langsam eindöste.
„Ich hätte dich besser darauf vorbereiten sollen, tut mir leid. Ich war so mit Mais Hochzeit beschäftigt. Wir waren echt alle freudig überrascht, als Mai zugegeben hat, dass sie einen Mann liebt, der nicht ihr Zukünftiger ist“, gestand Mag.
„Ich hatte so etwas befürchtet“, bemerkte Harvey schlaftrunken.
„Ja, ich auch, jetzt wird sie auf ihn warten wollen“, schlussfolgerte Meg und ging zu ihm, um ihm über den Kopf zu streichen.
„Dann sind es schon zwei Frauen, die auf seine Genesung warten und er hat immer gejammert, dass er keine Frau abbekommt. Wenn er es wüsste, wäre er längst wieder wach“, schlief Harvey langsam ein.
„Warum hast du ihm gesagt, was passiert ist? Das macht die Sache doch noch viel komplizierter“, kam Mai ins Krankenzimmer ihres Bruders.
„Der ist auf Drogen und Schmerzmitteln, der weiß morgen gar nichts mehr. Er ist ja eh der einzige, der das noch nicht weiß, wem soll er es erzählen?“, beruhigte Meg ihre Tochter.
„Larry vielleicht, es heißt doch immer, Leute im Koma können alles hören. Auch wenn er aufwacht und behindert sein sollte, ich werde bei ihm bleiben. Ich musste erst vor diesem Altar stehen, um das einzusehen. Ich wünschte, er würde genauso fühlen“, setzte sich Mai auf den Platz auf dem ihre Mutter vorher gesessen hatte.
„Er fühlt genauso, schon eine ganze Weile. Ich schlafe noch nicht, es ist erst sieben, ich hab’ die letzten drei Tage nur gedöst, ich bin eigentlich nicht müde, nur high“, murmelte Harvey mit geschlossenen Augen.
„Diese Worte wollt ich eigentlich nie aus deinem Mund hören, mein Junge. Du musst wirklich alles Larry nachmachen, oder?“, kam Veto auch zu dem kleinen Familientreffen.
„Dad, du musst doch noch dein superwichtiges Interview mit diesem Immobilien-Futzi vorbereiten, was machst du hier?“, fragte Mai und umarmte ihren Vater.
„Ich bin schon fertig und wollte Larry besuchen, da hieß es, mein Sohn wäre hier aufgenommen worden, schon wieder. Die Weihe war wohl anstrengender als geplant, was?“, ging er zu seinem dösenden Sohn, der seinen Rausch sichtlich genoss und die Arme in die Luft streckte und tanzen ließ.
„Ich hätte ihn nicht allein mit ihnen lassen sollen. Sie her, was sie gemacht haben, ich war damals auch so voll gedröhnt wie er jetzt, dass ich nicht mitbekommen habe, wie sie mir das verpasst haben. Meine Mutter hatte mir damals diese furchtbar stinkende Creme mitgegeben, die ich auf die Wunde getan habe. Ich bin fast von der Polizeischule geflogen, ich sah aus wie ne Leiche, als ich zur Schule zurückgegangen bin. Ich hab’ mir damals nicht viel dabei gedacht, ich dachte halt, ich hab’ den Trunk nicht vertragen. Aber das ist nicht passiert bei mir“, deckte sie ihren Sohn auf und zeigte ihrem Mann Harveys Wunde, deren Striemen langsam blasser wurden.
„Liegt wahrscheinlich an der Creme, Shania hat mich vor lauter Panik evakuiert, Gran wollte mich sicher auch so verpflegen, aber ich bin ja vorher abgerauscht. Gib ihnen keine Schuld, ich hab’ einen Fehler gemacht, nicht sie“, erkannte Harvey benebelt.
„Streng genommen hab’ ich den Fehler gemacht. Weißt du, wie schwer es ist, hier eine Information zu bekommen, wenn man keinen Ring am Finger hat“, kam Shania in Lederkluft und mit kurzem Pferdeschwanz zu ihnen.
„Entschuldige Shania, ich hab’ vergessen dich anzurufen. Du hast also wirklich deine Haare gefärbt, sieht gut aus“, musterte Meg die Freundin seines Sohnes.
„Erzählen Sie das meiner Mutter, ich musste grad’ eine zweistündige Standpauke wortlos über mich ergehen lassen. Ich wollte mich abregen, bevor ich ihr antworte und wollte Larry besuchen, da hat seine Schwester mir gesagt, dass er hier liegt. Was ist denn jetzt schon wieder?“, ging sie zu Harvey und sah die aufgedeckte Wunde.
 „Uh, sieht nicht gut aus, hat es sich entzündet?“, fragte Shania, die nicht das ganze Ausmaß der Wunde sah.
„Kann man wohl sagen, dein Freund ist mit einer Blutvergiftung rum gelaufen, nur weil ich Supermum gespielt habe und wissen wollte, warum er die kugelsichere Weste nicht trägt, hab’ ich es bemerkt. Wartet mal, mein Sohn ist keine Memme mehr“, war Meg plötzlich stolz auf ihren Sohn.
„Ich war niemals eine Memme, nur etwas zu vorsichtig. Warum seid ihr alle hier, verzieht euch, ich will mit meiner Freundin allein sein“, bemerkte Harvey benommen und zog seine Freundin mit seinem Arm an sich.
„Wir sind noch etwas bei Larry und dann zu Hause. Schaffst du es morgen allein heim? Ich lass den Wagen dann hier“, bemerkte Mai und Harvey streckte seine Hand aus, in die Mai den Autoschlüssel fallen ließ.
„Viel Spaß noch ihr zwei, schlaft gut“, ging Meg mit ihrem Mann an der Hand aus dem Krankenzimmer.
„Endlich, ich dachte schon, sie würde nie gehen. Es ist anstrengend, Stonie Stonehead zu spielen“, setzte sich Harvey plötzlich putzmunter auf.
„Warum spielst du deiner Mutter was vor?“, war Shania verwundert.
„Genau aus demselben Grund, warum du hier bist, um nicht mit meiner Mutter reden zu müssen. Ist schon schlimm genug, dass sie mich hier her geschleppt hat, mir geht es gut“, versuchte er aufzustehen, hatte aber Mühe, weil seine Seite ihm immer noch sehr weh tat.
„Ah, seh’ ich, wir hätten wohl nicht so schnell abhauen sollen, was?“, half sie ihm wieder ins Bett.
„Scheint so, man, hast du ein heißes Outfit an, warst du wieder im Auftrag von Bail me out unterwegs?“, fragte Harvey und Shania stieg auf ihn im Krankenhausbett.
„Nein, ich steh nur auf Lederhosen, ich weiß du auch. Es gibt was, was ich seit vier Tagen vermisse“, begann sie ihn zu küssen.
„Ich will euch ja nicht stören, aber ich hab’ meine Handtasche liegen lassen. Kleine technische Frage, wie viele Personen sind nötig um dich aus diesem Lederungetüm zu schneiden?“, kam Mai zurück und schnappte sich ihre Tasche vom Haken.
„Wenn ich Glück hab’ heute Nacht nur eine Person. Frag‘ deine Mutter mal, nach ihrer Lieblingshose, wir haben ein paar heiße Fotos in unserem Büro. Kannst auch mal vorbei kommen und dir die Bilder ansehen“, wollte Shania sie loswerden und sie ging auch schnell wieder.
„Na toll, jetzt weiß auch sie von Mums Vergangenheit“, grummelte Harvey und Shania stieg von ihm runter.
„Mai kennt ihr Geheimnis, sie war als Kind fast ständig in unserem Büro. Es hängen auch Bilder von Meg und ihr im Büro. Geheimnisse sind kacke, warum kann hier eigentlich keiner die Wahrheit sagen? Warum kann Alo nicht endlich zugeben, dass er mein Vater ist  und nicht Emilio? Warum kann meine Mutter nicht zugeben, dass sie sich die Haare färbt und warum kannst du nicht zugeben, dass du nicht wirklich in unser Team kommen willst?“, flippte sie plötzlich aus und lief aufgescheucht auf und ab.
„Das sind mehr Informationen, als ich haben wollte, aber ich bin froh, dass du mir so vertraust, um mir alles anzuvertrauen. War nen harter Tag, oder?“, fragte Harvey fürsorglich.
„Das kannst du laut sagen, wir werden jetzt jedem dem wir begegnen zu allem die Wahrheit sagen, egal um was es geht. Ich werde nämlich sonst noch wuhu, wenn du verstehst was ich meine“, erkannte Shania und drehte ihren Finger um ihre Stirn.
„Sind wohl nicht mehr so viele Geheimnisse übrig, müsste nicht schwer werden. Können wir jetzt da weiter machen, wo wir aufgehört haben?“, fragte Harvey und winkte sie wieder her.
„Sonst gern, aber ich muss los, der Kerl der nicht zugeben will, dass er mein Vater ist, wartet im Wagen auf mich. Ich muss noch einen bösen Buben schnappen, obwohl ich lieber einen bösen Buben vernaschen wollen würde“, küsste sie ihn leidenschaftlich und ging dann wieder.
 
Es vergingen wieder ein paar Tage und Mai blieb die ganze Zeit an Larrys Seite. Sie hatte eh noch freie Tage, weil sie ja in die Flitterwochen fahren wollte, es aber dann nicht getan hatte.
„Hast du ihn schon angerufen?“, fragte Harvey, der seine Mittagspause bei Larry verbrachte.
„Ich weiß nicht, was ich ihm sagen soll“, erwiderte sie, während sie Larrys Hand hielt.
„Die Wahrheit wäre nicht schlecht, das mit der Wahrheit ist nämlich eine gute Geschichte, Shania und ich wollen es jetzt damit versuchen“, erkannte Harvey und Mai beugte sich zu Larry. Er hatte jetzt keine Beatmungsmaschine mehr, weil seine Lunge wieder selbstständig arbeitete.
„Das klingt gut, wie gern würde ich einfach zu Larry gehen und ihn bitten, dass er meine Hand niemals mehr los lassen soll“, drückte sie seine Hand noch fester.
„Klingt gut, wenn wir nicht nur das machen“, murmelte plötzlich eine Stimme und Harvey fiel mit dem Stuhl um, auf dem er gewippt hatte.

Zwanzigstes Kapitel


„Larry, warst du das? Sag‘ noch mal was“, bat Mai und drückte seine Hand fest und er winkte sie näher zu sich.
„Du zerquetscht meine Hand“, erkannte er mit schwacher Stimme und sie ließ seine Hand los.
„Harvey, er ist wach“, rief Mai unnötig laut.
„Au, mein Kopf. Larry, hey Kumpel, da bist du ja wieder. Wie geht es dir?“, fragte Harvey ungewohnt gefasst und kam sich den Kopf reibend zu Larry.
„Als hätte mich ein Auto angefahren. Was machst du hier? Du hast doch ein Date“, erwiderte Larry verwirrt.
„Ja, vor drei Wochen, du hast dir einen ganz schönen Schönheitsschlaf gegönnt, mein Freund. Wie geht es mit deinem Gedächtnis, wer ist der aktuelle Präsident?“, fragte Harvey forschend.
„Präsidentin Chelsea Clinton, weißt du doch, du hast in der Polizeischule geschworen ihr zu dienen, egal was kommt. Ich hab’ drei Wochen geschlafen? Ich fühl mich nicht so. Ich bin so müde“, erkannte er gerädert.
„Bleib bitte so lang wach, bis ich deine Mutter hergeholt habe. Mai bleibt bei dir, ich bin gleich wieder da“, rannte er nach draußen um zu telefonieren.
„Mai, du bist hier? Wo ist dein Liebster?“, fragte Larry und sie küsste ihn sanft.
„Der liegt hier bei mir. Ich fühl mich geehrt, diejenige zu sein, bei dem du aufwachst, vor allem weil hier fast jeder Mensch den du kennst, mal vorbeigerauscht ist. Deine Schwestern sind stundenlang an deinem Bett gesessen, meine Schwestern sind stundenlang am Bett gesessen, du hattest mehr Frauen um dich gehabt als du in deinem ganzen Leben um dich haben wirst. Du hast ganz schön viele Freunde und Bekannte, die Leute mögen dich wohl“, entgegnete Mai und strich über seinen Kopf.
„Da musst du dich irren, ich hab’ nicht so viele Freunde“, erwiderte er müde.
„Hier hängt ein Plakat, auf dem jeder deiner Freunde etwas geschrieben hat, stehen ein paar tolle Sachen drauf. Deine Freundin war auch ständig hier“, bemerkte Mai und stand auf.
„Ich hab’ keine Freundin, dieses kleine Flittchen was sich meine Freundin geschimpft hat, kann mir gestohlen bleiben“, entschied Larry und drehte seinen Kopf zur Seite.
„Sprich mit ihr, sprecht euch aus, ja, sie hat deinen Kollegen gevögelt, aber hey, jeder macht Fehler. Ich hab’ fast einen Mann geheiratet, der in seinem Inneren heimlich ein narzisstisches Arschloch ist“, bemerkte Mai schmunzelnd und Harvey kam zurück.
„So tief in seinem inneren saß diese Abneigung nicht, wir haben es alle gewusst. Ich hab’ Dena nicht erreicht, aber der Doktor kommt gleich und sieht nach dir. Es ist ein Wunder, wir hatten die Hoffnung aufgegeben, dass du jemals wieder aufwachst“, lief Harvey zum Fenster, in dessen Richtung Larry noch sah.
„Dich allein lassen mit so vielen Frauen, das hättest du wohl gern. Sag mir dass ich nicht träume Mai, bist du wirklich hier bei mir?“, schien Larry glücklich.
„Ich bin da, wo ich hingehöre, wo ich immer schon hin gehört habe. Ich bin wegen Kaiser nach Colorado gezogen, ich mag Colorado nicht, ich bin ein kalifornisches Mädchen, ich gehöre hier her, zu meinen Freunden, zu den Menschen die ich liebe. Ich hab’ zugelassen, dass ich meinem Bruder nicht zu meiner Hochzeit kommt, ich hab’ mich selbst verloren. An meiner Hochzeit sollen alle Menschen bei mir sein, die mir was bedeuten, alle Menschen glücklich sein. Ja, das wünsch‘ ich mir“, kam Mai zu ihrem Bruder und er schlang den Arm um seine Schwester.
„Das ist genau das, was ich hören wollte. Es fügt sich alles zum Guten, ich hab’ jetzt solange darauf gewartet. Ich hab’ jemanden, den ich liebe, meine Familie hat ihren Frieden gefunden und meine Freunde tragen einiges dazu bei. Das klingt irgendwie nicht nach mir, oder?“, erkannte Harvey und Mai drückte sich an ihn.
„Aber es klingt gut. Es klingt richtig. Ich bin aus Kalifornien geflüchtet, ich wollte es Tansy nacheifern, wollte wie sie unabhängig werden. Tanse war nicht hier, oder?“, fragte Mai erkennend.
„Nein, wir haben sie nicht gefunden, sie will nicht gefunden werden, denke ich. Es wäre zwar schön, sie hier zu haben, aber wir müssen einsehen, dass sie nicht mehr zu uns gehört. Wartet, ich versuche es noch Mal in Mum und Denas Büro, es ist erst halb sechs, vielleicht arbeiten sie noch“, löste sich Harvey von seiner Schwester und ging wieder zum Telefonieren.
„Ruf‘ ihn an, ich werde mit Lucy reden, wenn wir das alles geklärt haben, können wir endlich zusammen sein, so wie es die Geister immer gewollt hatten“, erkannte Larry und sie nahm ihr Handy, nachdem sie ihre Situation besprochen hatten.
„Hey Kaiser, ich bin es Mai. Wir müssen uns unterhalten“, begann sie zu telefonieren.
 
„Ich wusste, dass mein Sohn wieder aufwacht, meine Kinder geben nicht so einfach auf“, sah Dena später an diesem Abend mit Meg und Harvey zu, wie sich Mai mit Larry unterhielt.
„Wir hätten auch gleich wissen müssen, dass die Frau die er liebt seinen Zustand ändern kann“, schlussfolgerte Meg, die einsehen musste, dass ihre Tochter ihren Weg gefunden hatte, was sie natürlich begrüßte.
„Ich bin auch gar nicht eifersüchtig, auch wenn ich ihm alles von Abba bis ZZTop vorgespielt habe und ihm sogar meine Brüste gezeigt hab, um ihn aufzuwecken, was ich eigentlich nicht erwähnen wollte, also streicht das aus der Abschrift“, kam Lucy in Uniform zu ihnen, weil sie gerade aus dem Büro kam.
„Hast du die Nachricht also doch bekommen, ich dachte schon, die wäre verloren gegangen. Tut mir leid, ich hab’ erst die Familie informiert“, erkannte Harvey und sie legte die Hand auf ihre Schulter.
„Ist schon okay, wer will schon die andere Frau informieren. Ich würde gern jetzt mit ihm reden und das beenden“, bat Lucy und ging mit Harvey zu Larry hin.
„Hey Mai, lass uns nen Kaffee holen, lassen wir die beiden kurz allein“, bemerkte Harvey und streckte Mai seine Hand hin.
„Ungern, aber ich könnte einen Kaffee gebrauchen. Sollten wir ihr die Waffe abnehmen? Ich kenn ihren Ruf als Revolverheldin“, ließ sich Mai nur ungern von ihm wegziehen und sah den beiden zu, wie sie begannen sich zu unterhalten.
„Sie ist in Ordnung, sie hat es zwar nicht so mit der Treue, aber man kann ihr Vertrauen. Ich weiß, das widerspricht sich, aber ich hab’ jetzt ein paar Wochen mit ihr zusammen gearbeitet, sie macht ihren Job schon richtig. Apropos Job, ich muss was erledigen. Könntest du mir den Gefallen tun und die restlichen Stantons noch anrufen?“, verabschiedete er sich kurzfristig.
„Mach‘ ich, verrätst du mir, wo du hin willst?“, fragte Mai neugierig.
„Nein, nicht wirklich. Danke, sehen wir uns morgen?“, umarmte er sie.
„Bevor ich nach Lakewood fliege, komme ich im Büro noch mal vorbei. Kann ich bei euch wohnen, bis ich hier selbst wieder alles habe, was ich brauche?“, wollte Mai wissen.
„Sprich das mit Larry ab, von mir aus schon. Hast du alles mit Kaiser geklärt?“, fragte Harvey und führte sie zum Kaffeeautomaten, den er schon zu oft besucht hatte.
 
Mit einem Kaffeebecher in der Hand stieg Harvey in seinen Wagen ein. Erst jetzt ließ er seinen Gefühlen freien Lauf und weinte Freudentränen.
 
Mit einer Sonnenbrille auf der Nase und in Uniform stolzierte Harvey Beltran an diesem Abend mit einem breiten Grinsen auf den Lippen in das Kopfgeldbüro.
Auf dem Flur kam ihm seine Freundin entgegen.
„Hey, mein Süßer, ich hab’ dich hier gar nicht erwartet“, war sie erfreut, ihn zu sehen.
„Ich bin immer für eine Überraschung gut. Ich hab’ dich einfach vermisst“, blieb er vor ihr stehen und küsste sie.
„Du warst erst heute Nacht bei mir, du bist ganz schön anhänglich“, schmunzelte sie und nahm ihm seine Sonnenbrille ab.
„Du siehst glücklich aus, was ist passiert?“, fragte sie und steckte die Sonnenbrille in seine Brusttasche.
„Genau vor einer Stunde hat Larry sein Schläfchen beendet und ihm geht es gut. Keine Gehirnschäden, keine Nervenschäden, er muss noch ein paar Wochen an Krücken laufen, aber dann ist er wieder ganz der Alte. Und meine Schwester und er haben endlich ihre Liebe füreinander entdeckt. Ich wollte diesen Tag mit dem Blick in das Gesicht der Frau die ich liebe beenden“, bemerkte er freudestrahlend.
„Oh mein Gott, oh mein Gott“, jubelte sie und wickelte ihre Beine wieder um seine Hüften.
„Auch, wenn mich das anmacht und ich nichts lieber hab’ als deine Schenkel um meine Hüfte zu fühlen, tut das echt weh“, bat er mit gequältem Blick und sie stieg wieder runter.
„Entschuldige, hatte ich vergessen. Bist du noch auf Antibiotika?“, fragte sie und tätschelte seine Hüften. „Ja, werde ich noch ne Weile sein . Was machst du da?“, wunderte er sich, was sie tat.
„Was hast du seit heute Morgen gegessen, du hast ganz schön Hüfte bekommen“, erkannte sie neckend.
„Gelpads, die polstern die kugelsichere Weste etwas. Was? Ich hab’ eine immer noch stark entzündete Wunde an der Seite, ich muss den ganzen Tag damit durchhalten“, bemerkte er peinlich berührt.
„Es wird echt Zeit, dass ich dich trainiere, Sohn, du verweichlichst jeden Tag. Ich rate mal, du willst nicht zu mir“, kam Alo zu den Frischverliebten.
„Da irrst du dich, ich wollt genau zu dir, Großvater“, erwiderte Harvey und legte seine Hand auf Shanias Bauch.
„Nein, nicht euer Ernst“, grummelte er säuerlich.
„Wieso nicht?“, fragte er neckisch.
„Tut mir leid, Söhnchen, jetzt muss ich dich leider töten“, drohte Alo ihm mit einer Waffe, die er aus seinem Stiefel gezogen hatte.
„Alo, ich hab’ einen Scherz gemacht, der hübsche Körper deiner Prinzessin bleibt so wie er ist. Du bedrohst mich schon wieder mit einer Waffe, falls es dir noch nicht aufgefallen ist“, blieb Harvey ruhig und Alo steckte seine Waffe wieder weg.
„Harv, du kannst mich doch nicht so erschrecken, ich geh’ auf die sechzig zu, ich krieg noch einen Herzkasper. Also kommt mit ins Büro, da ist es ruhig“, bemerkte Alo kopfschüttelnd und führte ihn dorthin.
„Hast du die Unterlagen bekommen, die ich dir geschickt habe?“, fragte Harvey und setzte sich auf Mags Sessel.
„Ja, beeindruckend die Kleine, hat ein besseres Schießergebnis als du“, hatte er die Akte noch auf dem Tisch liegen.
„Was? Das kann nicht sein“, war Harvey überrascht.
„Auch ich kann dich verarschen, aber sie kommt nah an deine Ergebnisse ran. Sie ist eine Rebellin, genau so jemanden brauchen wir hier. Ich hab’ grad’ mit ihr telefoniert, ich hab’ sie für morgen eingeladen. Aber es wäre auch schön, wenn du bei uns mit machen würdest“, erwiderte Alo.
„Genau aus dem Grund bin ich hier. Jetzt bin ich bereit dafür, bei dir zu arbeiten“, erkannte er und legte seine Beine auf den Tisch.
„Ich hab’ es schon gehört, ich freu mich für dich. Ich dachte schon, du hättest dich dagegen entschieden. Im Moment bist du noch verletzt, aber ich würde gern in einem Monat mit deinem Training beginnen, bist du damit einverstanden?“, fragte Alo und Harvey schwang seine Beine wieder auf den Boden.
„Einverstanden, ich werde dann zusammen mit Lucy mein Training beginnen“, handelte er und Alo schlug zu diesem Vorschlag ein.
 
„Ich bin so aufgekratzt, ich will gar nicht schlafen gehen“, erwiderte Harvey, als er mit Shania Hand in Hand in der Stadt spazieren ging.
„Wir müssen nicht schlafen gehen, lass uns ne Runde Pool-Billard spielen, das musst du drauf haben, wenn du im Büro anfängst, die Jungs sind süchtig danach“, zog sie ihn in eine Billardhalle.
„Ist es nicht komisch für dich, jetzt nicht mehr zu dem Team zu gehören?“, fragte Harvey etwas später und machte einen guten Stoß, der drei Kugeln in die Taschen rauschen ließ.
„Ich werde immer zu diesem Team gehören, das ist meine Familie, auch biologisch. Aber sie müssen einsehen, dass ich einen anderen Weg einschlagen will. Ich hab’ nie dran gedacht, zur Polizei zu gehen, aber dann kamst du und hast mich umgestimmt. Ihr Polizisten seid gar nicht solche Spießer, wie ich immer dachte. Du spielst genial Billard, eigentlich wollte ich dir hier ein paar Lektionen beibringen“, erklärte sie und stieß vier Kugeln rein.
„Die Polizeischule ist gleich hier um die Ecke, ich hab’ hier fast gewohnt. Du hast noch gar nichts dazu gesagt, dass ich keine Brille mehr trage“, erwiderte er plötzlich.
„Du hast dir die Augen lasern lassen, hab’ ich schon gesehen, warum würdest du sonst im Dunkeln eine Sonnenbrille tragen. Es ist unglaublich, was heut in der Technik möglich ist, man kann das einfach so in der Mittagspause machen lassen. Ich hab’ es vor einem Jahr auch machen lassen, ja ich hatte fast 2 Dioptrien auf jedem Auge, das hast du nicht gewusst, oder?“, fragte Shania cool.
„Du hast doch so geprahlt, dass bei euch überall Bilder hängen, im Büro von Alo hängt ein Bild von dir, als du klein warst, da hattest du eine Brille auf. Ich hab’ dich nur nie darauf angesprochen, ich dachte, das wäre dir peinlich“, erkannte Harvey und grinste.
„Ist es mir nicht, hat mich nur gestört beim Strippen, mir sind ständig die Kontaktlinsen raus gefallen. Das wolltest du jetzt nicht hören, oder?“, fragte sie unschlüssig.
„Nicht wirklich, aber es ist auch einfacher im Polizeidienst. Zumindest, wenn man im Außendienst ist. Mich hat meine Brille nie gestört. Aber jetzt, wo ich viel trainiere, ist sie eher hinderlich. Würdest du mich auch noch lieben, wenn ich mir meinen Schädel rasieren würde?“, erkannte er und fuhr durch seine Haare, die er geöffnet hatte.
„Willst du den Hari Krishna beitreten, oder warum?“, fragte Shania verwundert.
„Nein, ich wollte aus Solidarität zu Larry meinen Kopf rasieren, sie wachsen ja wieder nach. Du hast mich dazu inspiriert, mit deinem Frisurenwechsel. Ist doch okay, oder?“, bemerkte er erklärend.
„Ja, natürlich, das ist sehr nett, deine Mutter wird genauso ausflippen wie meine, da will ich unbedingt dabei sein. Soll ich es dir machen?“, fragte sie Hände reibend.
„Von wegen, du wirst klammheimlich nass rasieren und dann seh’  ich aus wie Kojak“, bemerkte Harvey und sie grinste.
„Du kennst mich langsam besser als mir lieb ist. Ich hab’ ne Idee. Warte den Moment ab, wenn Larry sich im Spiegel betrachtet und sich nachdenklich über die Glatze fährt, dann nimmst du den Rasierer und rasierst dir die Haare ab. So würde ich es zumindest machen, wenn ich du wäre“, schlug sie vor.
„Die Idee ist zu kitschig, der merkt doch sofort, dass die Idee nicht von mir ist“, erkannte Harvey unschlüssig.
„Okay, ich hab’ ne bessere Idee. Wenn Larry im Bad ist, fangen wir einen Streit an, wegen deiner Haare. Ich drohe dir mit „wenn du das tust, verlasse ich dich und so“ und du tust so, als würdest du nicht auf mich hören und rasierst dir die Haare ab“, hatte sie eine andere Idee.
„Das ist zwar weniger schnulzig, es hat aber nur einen Haken, du musst mich danach verlassen“, schmunzelte er und sie grinste.
„Auch wahr. Dann ohne Streit. Ohne viel Gedöns rasierst du dir einfach den Kopf. Aber 1 bis 2 mm lässt du dran, sonst sieht’s dämlich aus“, hatte sie eine Lösung gefunden.
„Also wieder wie Plan A. Na ja, ich muss ja dabei keine Musicalnummer singen ich mach es einfach kurz und schmerzlos. Kurz und schmerzlos ist gut, ich hab’ meine Haare mein ganzes Leben noch nicht geschnitten“, bemerkte Harvey und band seine Haare wieder zusammen.
„Wirklich? Noch nie? Wie schaffst du es dann, dass sie so toll aussehen?“, fragte Shania erstaunt.
„Ist ne spezielle Paste, die ich mir selbst zusammenrühre. Mai hat mir ein paar nützliche Sachen beigebracht und die hat sie von Mum. Erzähl bloß keinem, dass ich das mache“, erwiderte er und sie machte ihren Stoß.
„Gibst du mir die Paste? Ich meine, du brauchst sie in nächster Zeit ja nicht“, erwiderte Shania und wirbelte ihren Queue herum um zum letzten Stoß anzusetzen.
„Du willst doch nicht etwa das Spiel gewinnen, oder?“, fragte Harvey und Shania lochte die letzten Kugeln ein.
„Doch, genau das wollt‘ ich. Ich werde uns zwei was zu trinken holen, bau du es wieder auf“, bemerkte sie mit einem Siegerlächeln und ging zur Bar.
„Du lässt dich von einer Frau besiegen? Schwach, ganz schwach“, hörte er eine lallende Stimme aus dem Eck.
„Tristan, was machst du hier ganz alleine?“, ging Harvey mit dem Queue auf der Schulter zu seinem betrunkenen Kollegen.
„Sie antwortet nicht auf meine Anrufe, sie ist die ganze Zeit bei deinen gottverdammten Partner. Sie hat mir hoch und heilig versprochen, dass sie mit ihm fertig ist, warum ist sie dann immer noch bei ihm? Er schnarcht doch nur vor sich hin“, gackste Tristan und stand auf wackeligen Beinen auf.
„Du weißt es also noch nicht? Larry ist heut Nachmittag aufgewacht, Luce hat alles mit ihm geklärt, seltsam, dass sie danach nicht gleich zu dir ist“, stellte er den Queue wie einen Stock auf den Boden und lehnte sich darauf.
„Dann ist sie sicher mit ihm durchgebrannt“, schlussfolgerte er.
„Eher nicht, meine Schwester und er tauschen gerade heiße Liebesschwüre aus und Larry kann noch ein paar Wochen das Krankenhaus nicht verlassen. Hast du sie mal angerufen?“, fragte Harvey ungläubig.
„Ich bin ein Mann, ich ruf nicht an“, grummelte er unverständlich.
„Und wegen Männern wie dir, warten wir Frauen tagelang sehnsüchtig am Telefon. Ich hab’ uns Virgin Marys geholt, ich denke mal, du willst immer noch nichts trinken. Hi Tristan, allein auf Sauftour?“, kam Shania zurück.
„Was willst du noch mit unserem kleinen Jungen hier, willst du nicht einen richtigen Mann?“, fragte Tristan unverschämt.
„Lass uns schnell austrinken und ihn heimbringen, bevor er noch was macht, was er morgen bereut. Deine Wohnung ist von hier am nächsten, ich werde deinen Wagen holen und euch abholen, ist zumindest besser, als wenn ich hier allein mit ihm bleibe, sonst krieg‘ er eins auf die Nase. Krieg ich deinen Schlüssel?“, fragte Shania und bekam mit einem Kuss den Schlüssel überreicht.
„Warum kann meine Beziehung nicht so einfach sein wie eure?“, entgegnete Tristan eifersüchtig.
„Unsere Beziehung ist neu, das kommt noch. Aber ich werde nicht so blöd sein und sie nicht anrufen. Komm‘, lass uns hier hinsitzen, wir werden ein Wasser für dich bestellen“, erkannte Harvey und während seine Freundin aus der Bar ging, zog er seinen Kollegen auf einen Ecksitz.
 
„Kannst du mir verraten, warum ich ihn schleppen muss?“, nörgelte Shania, als sie Tristan zu Harveys Wohnung schleppte.
„Ich bin verletzt, wir sind ja jetzt da“, entschied er und schloss auf.
„Du bist so ein fauler Sack, Tristan, lass die Pfoten von meinem Busen“, lud sie den fast bewusstlosen Tristan gegen die Wand vor der Tür.
„Ja Flossen weg, Muskelmann. Komm her, perverser Grabscher“, schmunzelte er und zog ihn an den Armen in seine Wohnung.
„Was? Ich kann ihn nicht tragen. Hilfst du mir, ihn aufs Sofa zu legen?“, bat Harvey keuchend und sie taten es.
 
„Es ist schon halb vier, zu spät um noch ins Bett zu gehen“, erwiderte Harvey und Shania zog ihn in sein Zimmer. Nach ein paar Minuten jugendfreiem über der Decke kuscheln hörten sie Kotzgeräusche aus dem Wohnzimmer.
„Nein, nicht sein Ernst, der kotzt mir auf mein Bärenfell, das ist ein Erbstück“, murmelte Harvey in sein Kissen und ließ sie los.
„Lass‘ es doch, das können wir nachher noch wegmachen, bevor wir zur Arbeit gehen“, zog sie ihn wieder an sich.
„Nein, den Geruch krieg ich nie wieder aus dem Fell, du kannst ja schon mal duschen“, krabbelte er aus dem Bett.
„Ist dir dein Bärenfell wichtiger als ich?“, spielte sie die Schmollende.
„Im Moment schon, Honey, Handtücher sind unten im Schrank“, eilte er ins Wohnzimmer um Tristan einen Mülleimer unter den Mund zu halten und das Bärenfell einzuweichen.
 
Die Sonne flutete die Wohnung am nächsten Morgen, als Harvey nachdenklich mit einer Tasse Kaffee am Fenster stand und zusah, wie die Stadt ihr reges Treiben aufnahm.
„Bäh, hell böse“, murmelte Tristan vom Sofa auf, als er aufwachte.
„Ich dachte schon, dass ich gestern einen Höhlenmenschen eingesammelt habe, du bestätigst das nur. Ich hab’ einen Kleiebrei gekocht, der hilft dir deinen Magen zu füllen. Hast ja gestern nicht viel drin gelassen. Kaffee steht auch in der Küche“, wendete sich Harvey ihm zu.
„Oh man, ich bin in der Wohnung des Juniors, man, was stinkt hier so?“, fragte Tristan und rümpfte die Nase, als er sich aufsetzte.
„Teile deines Mageninhaltes ich wollt‘ nicht sauber machen, bis du wach bist. Jetzt geh’ in die Küche und iss, ich hab’ übrigens mit deiner Süßen telefoniert, sie hat mir erzählt, dass sie gestern bei ihrem Onkel war, ihm helfen seine Wohnung auszuräumen, das hatte sie dir auch gesagt“, erkannte Harvey und Tristan stand in die Sonne blinzelnd auf.
„Man, ich kann mich auch idiotisch anstellen. Ich hab’ wirklich Hunger“, schlurfte er in die Küchenzeile, in der Shania saß und Zeitung las.
„Wenn du mir noch mal an den Busen packst, verlierst du deine Finger“, murmelte sie hinter ihrer Zeitung.
„Entschuldige, war nicht meine hellste Stunde gestern. Die Eifersucht ist eine fiese Eigenschaft. Wann hat Harv denn Zeit gefunden, Kleiebrei zu kochen?“, schöpfte er Kleiebrei vom Topf in eine Schale.
„Wir waren erst gar nicht im Bett, man hat Morgens viel Zeit, wenn man nicht schläft“, kam Harvey zu ihnen.
„Man kommt echt auf dämliche Ideen, wenn man nicht schlafen kann, oder? Ging mir genauso, deshalb bin ich gestern auch in der Billardhalle gelandet. Kann ich bei euch duschen, ich will noch zu Luce vor der Arbeit und ich stinke wie ein Iltis“, bat Tristan und roch unter seinen Achseln.
„Nett, du bist echt ein Traummann. Ich hab’ keinen Hunger mehr“, stand sie auf.
„Ich hab’ nen Dreierpack Unterhosen gekauft, du kannst dir eine rausnehmen und ein Handtuch, liegt beides in meinem Schrank. Nimm dir auch ein T-Shirt, auf deinem sind Kotzflecken“, schlug Harvey vor und Tristan dankte ihm.
„Nett von dir, ich würde ihn nicht so rein lassen, wenn ich Lucy wäre. Ich muss jetzt los, ich schreib mich heut in der Schule ein“, erwiderte sie und stand auf.
„Du ziehst das also durch, das find‘ ich klasse“, freute sich Harvey für seine Freundin.
„Danke, ich wünschte, du könntest mitkommen“, erkannte sie.
„Ich würde auch gern mitkommen, aber ich muss immer noch viel aufarbeiten von dem Freitag, den ich frei genommen habe und dann noch das Zeug von letzter Woche, wo ich mal wieder im Krankenhaus war. Ich sollte echt mal wieder ranklotzten, vor allem jetzt wo ich die Zeit brauche, um zu trainieren. Aber sobald ich wieder aktiv werden kann, können wir uns wieder treffen. Vorher natürlich auch, aber ich meine damit, dass ich in nächster Zeit viel arbeiten muss“, druckste Harvey herum.
„Klar, ich muss auch viel tun, ich muss ja auch alles für euch vorbereiten“, bemerkte sie nachdenklich.
„Ich ruf‘ dich heut Abend an“, küsste er sie und sie verließ die Wohnung wieder.

Einundzwanzigstes Kapitel


„Er ist ein Idiot“, schlussfolgerte Lucy, als Harvey ihr die Story erzählte.
„Würde ich auch sagen. Du hättest ihn anrufen sollen“, bemerkte Harvey beschäftigt.
„Ja, war alles ziemlich stressig, ich musste noch zwei Stunden fahren um zu meinem Onkel zu kommen und gestern bin ich erst ziemlich spät heim gekommen. Du siehst auch müde aus, hast wohl auch nicht viel geschlafen“, bemerkte sie erklärend.
„Ich hab’ gar nicht geschlafen, ich hab’ mit Shania die Nacht durch gemacht“, bemerkte er und zog eine Akte an sich.
„Aha“, schmunzelte sie.
„Nein, ganz jugendfrei, ich bin doch immer noch auf Medikamenten“, erwiderte er und rieb sich seine Augen.
„Verstanden, man kommt nicht in Versuchung, wenn man nicht zusammen in einem Bett liegt. Ich konnte nicht viel mit Tristan reden heute Morgen, geht’s ihm gut?“, fragte sie.
„Er hat einen Kater und ist verwirrt, ihr solltet mal zusammen ausgehen, so als Paar. Einfach reden“, bemerkte Harvey und sie nickte.
Am Wochenende ging Harvey zu seinen Eltern. Mai war inzwischen auch wieder in San Jose gelandet und so saßen sie als Familie beim Abendessen.
„Wie geht’s deiner Wunde?“, begann Meg das Gespräch.
„Heilt langsam, hast du mit Gran telefoniert?“
„Ja, sie hat gesagt, dass sie das heilen gelassen hätte, bevor sie dich gehen lassen wollte. Aber ich mach Shania keinen Vorwurf, ich hätte an ihrer Stelle auch Panik bekommen. Ich würde gern eine kleine Feier machen, wenn Larry aus dem Krankenhaus entlassen wird, ist das okay?“, fragte Meg und tat das Essen auf.
„Das wäre schön, solange es nicht so groß wird, er muss sich noch erholen. Ich will dich übrigens darauf vorbereiten, dass ich mir die Haare schneide“, formulierte Harvey es vorsichtig.
„Wird auch mal Zeit, deine Frisur ist schon zu meinen Jugendtagen out gewesen“, sagte seine Mutter nur.
„Okay, danke dass mir das mal jemand sagt. Dann werde ich mir die Haare schneiden“, erkannte er erleichtert.
„Hast du noch andere essenzielle Probleme?“, verstand Mai seine Frage nicht.
„Nein, im Moment nicht. Hast du Kaiser in Lakewood getroffen?“, fragte Harvey, um das Thema zu wechseln.
„Ich hab’ die Sachen aus unserer Wohnung geholt, ja, ich hab’ ihn mal getroffen“, fing sie an zu essen.
„Und wie seid ihr verblieben?“, wollte Meg wissen.
„Ich hab’ seinen Skalp für mein Wohnzimmer mitgenommen“, sagte sie kauend.
„Was?“, hustete Veto, weil er sich verschluckt hatte.
„Ihr wollt also Freunde bleiben?“, erkannte Meg den Gag ihrer Tochter.
„Sieht ganz so aus, aber nicht die besten Freunde. Er hasst mich, aber damit kann ich leben. Ich bin jetzt ganz offiziell mit Larry zusammen, falls es jemanden interessiert“, erklärte Mai.
„Wir lang hab’ ich gewartet, um diesen Satz zu hören, ich freu mich so für dich“, bemerkte Meg glücklich.
„Ihr seid solche Idioten, warum sagt ihr mir nicht, dass wir beide zusammen gehören? Ich werde immer bei euch bleiben, egal was ihr zu mir sagt“, machte Mai ihrer Familie Vorwürfe.
„Was ist mit mir? Du hast mir verboten zu deiner Hochzeit zu kommen, wir mussten dich auf Knien anflehen, dass wenigstens Mum und Dad zu der Hochzeit kommen konnten“, erwiderte Harvey rechthaberisch.
„Entschuldige, bin etwas ausgetickt. Ich konnte nur nicht glauben, was dir schon klar war. Tut mir leid, ich will natürlich, dass du zu meiner Hochzeit kommst, egal wen ich heiraten werde“, erkannte Mai versöhnlich.
„Ich hoffe mal, du wirst Larry heiraten“, neckte er sie und sie grinste.
„Das werden wir sehen. Sollen wir es ihm jetzt geben?“, fragte Mai glücklich.
„Was geben, krieg‘ ich ein Geschenk?“, freute sich Harvey.
„Ja, kann man so sagen, weißt du noch, wie ich dich dazu gedrängt habe, Motorradfahren zu lernen?“, fragte Meg geheimnisvoll.
„Ihr habt mir ein Motorrad gekauft?“, fragte Harvey begeistert.
„Nicht direkt, ich will dir mein Baby zeigen“, sprach sie in Rätseln und stand auf.
„Du hast ein Baby, Mum, du gehst auf die fünfzig zu“, stand auch er auf.
„Werde nicht frech, mein Sohn, mein Baby ist kein Mensch. Wir müssen etwas fahren, stellst du das Essen noch Mal auf den Herd, Schatz, ich wollt das eigentlich erst nach dem Essen machen, aber deine Schwester ist mir zuvor gekommen. Zieh deine Jacke an“, nahm sie ihren Autoschlüssel.
„Wir sind in einer halben Stunde wieder da, ich ruf an, wenn es länger dauert“, öffnete sie die Tür.
„Wohin fahren wir?“, fragte Harvey skeptisch.
„Wart es ab, mein Kleiner, wart es ab. Hope, Schatz, iss deinen Brokkoli, hör auf darin rumzustochern. Jetzt komm, Harvey, bevor ich es mir anders überlege“, ging sie aus der Tür.
 
Meg fuhr mit ihrem Sohn zu einer Lagerhalle.
„Was ist es?“, hielt es Harvey vor Spannung kaum aus, als sie vor einer Lagerhalle bremste.
„Bist du still, sonst kehren wir wieder um“, stieg sie aus.
„Langsam werde ich nervös“, konterte er und sie zog ihn kopfschüttelnd zum Eingang der Lagerhalle.
„Hier, das ist dein Schlüssel, wird Zeit, dass du meine Schätze kennen lernst“, erwiderte sie und überreichte ihm eine Schlüsselkarte.
„Will ich wissen, was da drin ist?“, fragte Harvey und während Harvey die Karte noch in der Hand hielt, zog Meg die Karte über den Scanner und die Tür sprang auf.
„Es ist stickig hier drin“, ging er durch den Schlitz der Tür in die Dunkelheit.
„Das ist ein Container ohne Fenster, nicht das Ritz. Hinten im Eck ist der Sensor mit dem Lichtschalter“, ging sie auch hinein und in dem Moment ging das Licht an.
„Jede Menge Staub“, sah Harvey sich um.
„Ich war fast 20 Jahre hier nicht mehr drin, da kann es schon einstauben. Doch mein Baby putz‘ ich jeden Monat und so ist sie im Topzustand“, zog sie eine Decke von ihrer Harley Davidson.
„Das ist eine Harley Davidson. Die werden heut‘ zu Tage doch gar nicht mehr hergestellt, wegen den hohen Materialkosten. Die Maschine ist ein Vermögen wert“, bemerkte Harvey begeistert und fuhr über die glänzende Maschine.
„Darf ich dir Lucille vorstellen, meine erste große Liebe. Ace hat sie mir geschenkt, sie gehört jetzt dir. Sie wird dir nützlich sein auf der Jagd. Wenn du sie schrottest, muss ich dich leider töten, du bist zwar mein erstgeborener Sohn, aber darauf kann ich keine Rücksicht nehmen“, setzte sie sich auf die Maschine und drückte mit der Fernbedienung das Tor ganz auf.
„Bin gleich wieder da, ich bin sie seit Jahren nicht mehr gefahren, ich muss sehen, ob sie es noch bringt“, ließ sie den Motor an und düste davon.
„Meine Mutter auf einer Harley Davidson, das Bild krieg ich nie wieder aus meinem Kopf“, entschied Harvey kopfschüttelnd und Meg kam wieder zurückgefahren.
„Sie hat eine endlose Seele, sie schnurrt genauso wie vor 20 Jahren. Es tut mir zwar in der Seele weh, aber meine Zeit ist vorbei. Sie ist ziemlich schwer, du musst sie gut unter Kontrolle haben. Fahr erst mal alleine, bis du sie richtig kennen gelernt hast. Steig‘ auf“, erkannte Meg und er stieg hinter ihr auf.
„Jetzt greif‘ mit den Händen nach vorne, sie bricht leicht aus, du musst sie kontrollieren lernen“, erklärte Meg und half ihm ein Gefühl für ihre Maschine zu bekommen.
„Was hast du hier alles drin. Was ist das für ein Foto?“, sahen sie etwas später die Sachen in der Lagerhalle an und hielt ein Foto hoch.
„Mein Hochzeitsfoto, mein echtes Hochzeitsfoto. Das auf unserem Kamin ist ein gestelltes Bild, das haben wir deiner Großmutter zu Liebe machen lassen. Der Tag, an dem ich deinen Vater geheiratet habe ging alles drunter und drüber und ich musste am Ende in meinen Lederhosen heiraten. Aber es war trotzdem alles so romantisch. Ja, hier bist du“, deutete sie auf Klein-Harvey in ihren Armen.
„Du bist echt ein Unikat, du hattest so ein aufregendes Leben, das hast du alles für mich aufgegeben“, erkannte er und stellte das Foto wieder aufs Regal und nahm ein Paar Handschellen auf.
„Ich hab an diesem besagten Tag einiges erlebt, was mich dazu gebracht hat, die Kopfgeldjagd an den Nagel zu hängen. Doch ich hab die Sachen aufbewahrt, mit diesen Handschellen hier hab ich deinen Dad mal ans Bett gefesselt und…“, begann sie zu erzählen.
„Mehr Informationen, als ich haben wollte, danke“, entgegnete er angeekelt und legte die Handschellen wieder weg.
„Hier, ich hab’ dir zusammengepackt, was du für deinen Job brauchst, ich werde vermutlich nicht mehr so oft hier her kommen, jetzt wo Lucille nicht mehr hier ist“, drückte sie ihm eine Kiste mit Sachen in die Hand.
„Du vertraust mir also wirklich dein Motorrad an, dem du einen Namen gegeben hast?“, war Harvey überwältigt, für das Vertrauen, was sie ihm entgegen brachte.
„Den Namen hat Ace ihr gegeben, Lucille war der Name seiner Großmutter. Traust du dir zu, sie jetzt schon zu fahren?“, sah sie zu ihrer Maschine, die neben ihrem Auto stand.
„Sicher, ich fahr dir hinterher“, entschied er sicher.
„Hier, zieh‘ den auf, ich weiß, ein Helm ist nicht cool, aber solang du nicht genau weißt, wie du sie fährst, fahr bitte mit Helm“, erkannte sie und er fuhr ihr hinterher nach Hause.
Fünf Wochen später wurde Larry aus dem Krankenhaus entlassen. Harvey, Shania und Mai waren da, um ihn heim zu holen.
Sie waren überrascht, ihn ihm Rollstuhl in seinem Zimmer vor zu finden.
„Hey, wir sind da. Warum sitzt du im Rollstuhl? Ich dachte, du kannst an Krücken gehen“, erkannte Harvey und Larry deutete auf seinen Arm in der Schlinge.
„Der Kerl ist ein Scherzkeks, wie soll ich mich auf Krücken stützen, wenn ich einen gebrochenen Arm habe? Ihr müsst mir noch eine Weile helfen. Was, keine Blumen?“, erkannte er und Mai rollte ihn zum Ausgang.
 
4 Monate später konnte Larry endlich wieder gehen. Seine Haare waren durch die Wunden immer noch nicht richtig gewachsen und so wie es Shania vorausgesehen hatte, betrachtete er diese Entwicklung mit Besorgnis.
Harvey nahm ihm wortlos den Rasierer aus der Hand und rasierte sich den Schädel wie angekündigt. Jetzt waren sie nur etwas länger als Larrys.
„Warum hast du das gemacht?“, fragte Larry verdattert.
„Kopfläuse, die kleinen Biester kriegt man so schlecht weg“, schmunzelte Harvey und schnitt die restlichen Haare zurecht.
„Du musst mir echt alles nachmachen, aber ich danke dir“, bedankte er sich gerührt.
„Gern geschehen. Man, das ist echt erfrischend, das hätte ich schon früher machen sollen. Fertig für deinen ersten Arbeitstag?“, fragte Harvey und setzte die Kappe seiner Uniform über seine frisch geschnittenen und rasierten Haare.
„Es ist seltsam, ich werde nicht mehr in den Außendienst zurückkehren können, aber es macht mir nichts aus. Ich freu mich aufs Büro, auf die Donuts, auf unsere Zusammenarbeit“, bemerkte Larry und Harvey lächelte schwach. Er erzählte ihm noch nicht, dass er in sechs Monaten die Ausbildung zum Kopfgeldjäger abschloss und dann zu Bail me out wechselte.
 
„Fester zupacken Luce, er ist ein Verbrecher, nicht dein Liebhaber“, forderte Alo, als er mit Lucy und Harvey an diesem Abend trainierte. Harvey hatte schon etwas an Muskeln aufgebaut, ließ sich aber trotzdem noch von Lucy auf die Matte legen.
„Gut, ein toller Schulterwurf, alles klar bei dir, Harv?“, lehnte sich Alo zu seinem Patensohn auf den Boden.
„Ja, alles bestens“, log Harvey, der sich die Schulter ausgekugelt hatte.
„Komm hoch, wann heiratest du meine Tochter eigentlich endlich?“, bemerkte Alo und während Harvey von dieser Frage abgelenkt war, renkte er ihm seine Schulter wieder ein.
Harvey blieb mucksmäuschenstill dabei.
„Gut Junge, langsam wirst du schmerzresistent. Du machst gute Fortschritte, du auch Kleines, ich freu mich schon, mit euch auf Jagd zu gehen. Vor allem, weil du mir sicher mal Lucille ausleihst“, erkannte er und Harvey schüttelte verschmitzt den Kopf.
„War ein Versuch wert, deine Mutter hat das auch ungern gemacht. Geh’ dich duschen, wir fahren gleich zur Überwachungsübung“, ging er aus der Trainingshalle des Kopfgeldbüros.
Als Alo außer Sichtweite war, verzog Harvey unter Schmerzen das Gesicht.
„Hast du Schmerzen?“, fragte Lucy amüsiert.
„Nein“, log er schlecht und hielt sich seine Schulter.
„Ich habe dir einen Eisbeutel geholt. Du sollst schmerzresistent nicht schmerzfrei werden, du kannst schon zugeben, wenn du Schmerzen hast. Hier“, war Alo schon mit einem Eisbeutel in der Hand zurückgekehrt und er legte ihn auf Harveys Schulter.
„Ich hab’ keine Schmerzen, Frauen machen mir keine Schmerzen“, entgegnete Harvey beteuernd.
„Du bist unter Frauen aufgewachsen, da kann man diese Rebellion gut verstehen, aber das ist ganz schön sexistisch, das können wir hier nicht brauchen. Jetzt geh’ duschen, wir fahren in 15 Minuten“, erkannte Alo und schickte ihn duschen.
„Danke, es ist schwer, als Frau hier unter Männern. Auch wenn er noch grün hinter den Ohren ist“, erwiderte Lucy dankbar.
„Ja, stimmt, es könnten mehr Frauen im Team sein. Aber es gibt nicht so viele starke Frauen wie dich und meine Frau. Ich bin froh, dass ihr zu unserem Team gestoßen seid, wir werden nicht jünger im Team. Emilio ist der jüngste von uns Älteren und der ist auch schon Mitte Vierzig. Du hast nicht zufällig noch andere knallharte Kolleginnen oder Kollegen, die hier arbeiten könnten?“, wollte Alo wissen.
„Im Moment nicht, aber ich mach mal ein paar Anrufe. Ich wusste nicht, dass du ein ganz neues Team suchst, ihr scheint doch gut zu Recht zu kommen“, bemerkte Lucy und ging mit ihm Richtung Büro.
„Die Jagd ist körperlich sehr anstrengend, man kann das nicht sein ganzes Leben machen, ich hab’ ein kaputtes Knie und seh’  immer schlechter. Cindy hat Herzprobleme und ist eigentlich nicht mehr im Außendienst und Emilio ist der unzuverlässigste Jäger, den ich je kennen gelernt habe. Er ist nur noch im Team, weil ich Schuldgefühle habe, dass ich seine Ex-Frau geheiratet habe“, bemerkte Alo.
„Warum hast du Shania gehen lassen, sie war doch ideal“, bemerkte Harvey, der nur in Jeans und barfuß aus dem Badezimmer kam.
„Sie wird zurückkommen, sie wird die Polizeiausbildung machen und dann merken, dass sie das Abenteuer braucht“, war sich Alo sicher.
„Das werden wir sehen. Ich hab’ mir mein Hemd nass gemacht, hat mir jemand ein Hemd oder so?“, bemerkte Harvey und hängte sein nasses Hemd über die Sprossenwand.
„Wie hast du das schon wieder hinbekommen? Ich hab’ noch ein T-Shirt in meinem Büro“, ging er kurz ins Büro und gab ihm ein schwarzes T-Shirt mit einem Totenkopf drauf.
„Die Grateful Death? Man, bist du alt, Opa“, scherzte er und zog das T-Shirt an.
„Das kannst du dich nur trauen, weil ich unbewaffnet bin. Ich war noch ein Kind, als die Deaths berühmt waren, das Hemd hab’ ich aus dem Last Century Klamottenladen, das ist nicht so alt, wie es aussieht. Wo sind deine Schuhe?“, fragte Alo gereizt.
„Im Flur, wir können gehen. Entschuldige, ich wollt dich nicht beleidigen“, entschuldigte sich Harvey.
„Hast du nicht, ich bin alt. Willst du auch mitkommen, Luce?“, fragte Alo.
„Ja, sicher. Immer gern. Lasst uns gehen“, bemerkte Lucy und folgte den Männern.
 
Die nächste Zeit verlief es für die Beltrans wesentlich besser. Mai ging voll auf in ihrer Beziehung mit Larry, Harvey hatte nach hartem Training endlich sein Ziel im Leben gefunden und Shania unterstützte ihn mit ganzem Herzen und auch in Elenas Leben wurde es wieder ruhiger. Nachdem sie gesehen hatte, wie ihre Schwester die Liebe ihres Lebens gefunden hatte, gab sie ihren stressigen Job auf um es noch einmal mit ihrem Ehemann zu versuchen. Mit Hilfe ihrer Eltern und einem Therapeuten begannen sie ganz langsam wieder eine Familie zu werden, schon wegen Zu.
 
Sechs Monate später waren die beiden soweit, ihren Dienst als Vollzeitkraft anzutreten. Harvey hatte es immer noch nicht geschafft, Larry davon zu erzählen.
„Weißt du, ich hab’ grad’ was Witziges gehört, du lachst dich tot. Ich hab’ gehört, dass du gekündigt hast“, kam Larry an diesem Tag an ihren Tisch zurück. Er ging  noch an einer Krücke, weil seine Hüfte einen leichten Schaden zurückbehalten hatte.
„Ja, hab’ ich, ich werde morgen bei Bail me out anfangen. Tut mir leid, ich wollte es dir schon früher sagen, jetzt weißt du es ja“, erkannte Harvey und stellte seine Box auf den Tisch.
„Okay, das hab’ ich dir jetzt fast geglaubt, wirklich sehr witzig“, verstand es Larry nicht.
„Lar, ich bin hier weg, ich habe mich zum Kopfgeldjäger ausbilden lassen, ich werde nicht mehr am Schreibtisch sitzen bleiben“, versuchte Harvey zu erklären.
„Harvey, wir sind Partner, du hast dir den Schädel für mich rasiert, ich dachte, wir werden zusammen arbeiten, bis wir alt sind, so wie es unsere Mütter schon getan haben“, war Larry außer sich.
„Es tut mir leid, aber ich arbeite hier nicht mehr, die Geister haben etwas anderes für mich geplant. Du wirst immer mein bester Freund bleiben, mein Blutsbruder, mein geistiger Führer und mein Mitbewohner und der Freund meiner Schwester. Wir werden nur nicht mehr zusammen arbeiten“, erkannte er und packte seine letzten Sachen ein.
„Okay, du bist jung und gesund, Reisende soll man nicht aufhalten. Ich wünsch dir viel Erfolg“, bemerkte Larry tief bedrückt.
„Nein, fang‘ jetzt nicht so an, es fällt mir schwer genug, das zu tun. Ich werde die Stadt nicht verlassen, wir können immer noch zusammen Mittag essen und samstags Bowlen gehen, denn ich mag diese neue Alkohol Alternative. Wir sehen uns heut Abend zu Hause“, packte er seinen Laptop auf die anderen Sachen und wischte den leeren Schreibtisch mit der Hand ab.
„Dann bis heute Abend, bitte sei nicht böse“, nahm er seine Kiste in die Hand und ging zur Tür.
 
„Er hasst mich“, erwiderte Harvey, als er an diesem Abend mit Shania in seinen Arm gekuschelt auf dem Sofa saß.
„Nein, er hasst dich nicht, lass ihm Zeit, das zu verdauen“, beruhigte Shania ihn, aber in dem Moment kam Larry an ihm vorbei gehumpelt.
„Ich werde mir eine eigene Wohnung suchen“, bemerkte er nebenbei.
„Aber ich kann mich auch irren“, revidierte sie ihre Antwort.
„Du willst ausziehen? Komm‘ schon, benimm dich nicht wie ein Sechsjähriger“, bat Harvey genervt.
„Deswegen will ich nicht ausziehen, die Wohnung ist zu klein für uns vier, ich werde mit Mai in eine eigene Wohnung ziehen, das ist keine Kritik an dir Shay, dass du hier einziehen willst. Was ist?“, fragte er, als Harvey ihn besorgt ansah.
„Tut mir leid mein Freund, aber sie wird dich jetzt töten müssen. Keiner darf es wagen, sie so zu nennen“, schmunzelte Harvey.
„Larry darf das, er hat eine Genehmigung von mir“, erkannte sie und grinste.
„Du bist doch nur nett zu ihm, weil er grad’ niedergeschlagen ist“, behauptete Harvey.
„Und du solltest ihn nicht so herablassend behandeln, du hättest ihm auch ein bisschen früher deine Pläne unterbreiten können“, erwiderte sie und Larry dankte ihr.
„Ihr werdet echt klasse zusammenarbeiten, ihr verschwört euch ja schon gegen mich“, konterte Harvey angesäuert.
„Wir werden zusammen arbeiten?“, fragte Shania, die auch kurz vor dem Ende ihrer Ausbildung stand.
„Klar, meine Mutter ist doch die heimliche Liebe des Captains, ich hab’ meine guten Kontakte spielen lassen und die zwei wichtigsten Menschen in meinem Leben zusammengebracht“, erkannte Harvey stolz.
„Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll außer Nein, danke“, konterte Shania und grinste.
„Nein danke? Du lehnst das Angebot ab?“, war er überrascht.
„Ich werde im Kopfgeldbüro arbeiten, da meine Mutter jetzt nur noch ein paar Stunden arbeiten will, werde ich ihre Assistentin. Dann bin ich näher bei dir“, erkannte sie.
„Gut, das ist klasse, wenn du das willst. Ich dachte nur, dann wäre Larry nicht so allein“, war er überrascht.
„Ich bin nicht allein und wenn schon, ich kann gut allein auf mich aufpassen“, behauptete Larry.
„Das ist das traurigste was ich je gehört habe. Ich werde meine Mutter darum bitten, dir auch eine Stelle im Büro anzubieten, du kannst doch nicht als einziger zurückbleiben“, entschied Shania und so war es beschlossen.

Zweiundzwanzigstes Kapitel


Die warme Sonne des Sommertages wärmte Harveys Nacken, als er schick in einem Anzug raus geputzt aufstand und das Glas erhob.
„Es ist mir eine Ehre heute die Rede zu halten an diesem ereignisträchtigen Tag. 2 Jahre ist es her, dass ich solch‘ starke Gefühle gefühlt hatte, aber damals aus einem weniger wundervollen Grund. Vor zwei Jahren geriet mein Leben, das ich für glücklich gehalten hatte, mächtig ins Trudeln, als mein bester Freund ins Koma fiel. Genau an diesem Tag hatte ich die große Liebe meines Lebens in mein Leben gelassen und mein Glück schien perfekt, doch dann passierte dieser furchtbare Unfall. Für einen Moment wollt ich nicht mehr leben, obwohl ich diese wundervolle Frau an meiner Seite hatte. Ich war jung und verletzlich und ich bin froh, dass ich heute noch vor euch stehen kann, denn heute stoße ich auf die Hochzeit meines besten Freundes und meiner Schwester an. Zwei Familien, die eigentlich schon längst eine geworden sind, werden es heute rechtskräftig. Und es gibt noch etwas zu feiern. An diesem Wochenende öffnet das völlig neu restaurierte Büro meines Kopfgeldbüros seine Pforten. Mein Team und ich werden die neue Generation von Kopfgeldjägern bilden, die diese Stadt sicherer machen. Ich danke Alo Quakadi dafür, dass er dieses Büro an mich übergeben hat, denn nachdem er mir erlaubt hat, dass ich mich mit seiner Tochter treffe, ist das der zweite Vertrauensbeweis, den er mir entgegen gebracht hat. Das Büro werden mein Team und ich genau im gleichen Sinn weiterführen, wie es meine Mutter und ihr Team vor fast 30 Jahren im Sinn hatten, als sie das Büro eröffnet haben. Aber genug der Eigenwerbung, wir stoßen heute an, weil diese zwei Personen hier neben mir ihre Liebe rechtskräftig besiegelt haben und das wirklich ein Grund zum Feiern ist. Ich schenke euch den Segen der Götter, möge der Wind euch tragen, wo auch immer ihr hinwollt“, hielt Harvey seine kraftvolle Rede und stellte sein Glas wieder ab.
„Daran hast du heute Nacht also geschrieben, ich dachte schon, du schreibst einen Roman“, bemerkte Shania, als ihr Freund sich neben sie setzte.
„Tolle Rede, hat nur noch unsere E-Mail Adresse gefehlt“, frotzelte Larry und Harvey grinste.
„Sei bloß still, sonst kürze ich dir deinen Urlaub für die Flitterwochen auf eine Woche runter. Ihr habt wirklich alle Leute eingeladen, die ihr jemals getroffen habt, oder?“, sah Harvey sich um. Plötzlich sah er jemanden, den er überhaupt nicht erwartet hatte. Am Gartentor stand eine junge Frau in Mais Alter mit einem Geschenk im Arm.
„Warum steht sie da draußen, wer ist das?“, fragte Shania, die sie auch gesehen hatte.
„Mein Gott, das ist Tansy. Sie ist so erwachsen“, stotterte Harvey.
„Da ist sie ja, ich dachte schon, sie kommt gar nicht mehr“, freute sich Larry und stand auf um zu ihr zu gehen.
„Warte, du hast gewusst, wo Tanse ist, all die Jahre?“, fragte Harvey.
„Sicher, ich hab’ sie ja selbst nach Mexiko gebracht, ich werde sie jetzt reinholen, es gibt doch keine bessere Zeit für eine Familienzusammenführung als meine Hochzeit, oder?“, ging er zum Gartentor um seine kleine Schwester zu begrüßen.
„Sie war in Mexiko? Sie war all die Jahre nur schnell mal über die Grenze?“, konnte es Harvey nicht fassen.
„Ich weiß, ich weiß es auch erst seit kurzem, als er die Einladung geschrieben hat. Sie lebt mit Mann und ihrem Sohn in Ensenada, guck mich nicht so an, ich weiß es auch erst kurz, hab’ ich doch gesagt“, sahen sie zu, wie Larry zu seiner Schwester ging und sie zur Familie führte.
„Lass mich raten, der Grund für ihre Flucht über die Grenze ist ihr Sohn“, schlussfolgerte Shania.
„Nein, sie hat ihren Mann erst in Mexiko kennen gelernt, sie kümmert sich drüben um junge Frauen die misshandelt werden, du würdest echt nicht glauben, wie groß die Dunkelziffer von Frauen ist, die getötet werden, ohne das es jemand merkt. Aber das ist kein Thema für meine Hochzeit. Ich werde jetzt zu meinem Mann gehen, bevor ich im Ehebett schon Witwe bin, will ich ihm beistehen“, stand Mai in ihrem wunderschönen braunen Kleid mit Federn, die auf dem Boden schleiften, auf und ging zu Larry.
„Da kann ich sie ja lang suchen, ich hab’ damals Stunden am Telefon gehangen um sie zu finden. Du hast Recht, Geheimnisse sind echt scheiße“, nahm Harvey, Shanias Hand.
„Wie wahr, aber das Geheimnis, wer mein Vater ist, wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben. Keiner der Jungs will einen Vaterschaftstest machen lassen, weil das angeblich alles ändern würde“, erkannte sie und sah zu den alternden Kopfgeldjägern im Ruhestand die sich im Anzug über das Büfett her machten.
„Das ist nicht dein Ernst, oder? Man sieht doch gleich, dass du Emilios Tochter bist. Ihr habt die gleiche süße Nase, ich kann es nicht glauben, dass du mir nicht glaubst bei so einem ernsten Thema“, kam Cindy mit einem Teller in der Hand zu ihrer Tochter.
„Entschuldige Mum, aber du liebst beide Männer, da kann man doch durcheinander kommen“, suchte Shania nach einer Entschuldigung.
„Ja, vor allem, weil du mit deiner schneeweißen Haut ja hundertprozentig halb Nativ-Amerikanerin sein kannst“, bemerkte Cindy und Shania sah Harvey an. Er grinste.
„Das war mir auch klar, tut mir leid Schatz“, erwiderte er amüsiert.
„Wie auch immer, ich liebe beide wie meinen Vater, egal wer mein Vater ist“, erwiderte Shania und Cindy grinste.
„Es geht dich zwar nichts an, aber Alo hat sich sterilisieren lassen nach seinen Kindern, das war noch vor deiner Geburt“, entgegnete Cindy erklärend.
„Oh, du meinst schnipp, schnapp, das hättet ihr mir ruhig mal früher sagen können. Ist echt schade, dass ich seine Kinder nie kennen gelernt habe. Wie auch immer, jetzt weiß ich es ja, danke für die Information“, bemerkte Shania peinlich berührt und Harvey fing an zu lachen.
„Natürlich, das hast du auch schon gewusst, ihr seid so blöd“, erkannte Shania grummelig und auch Cindy lachte.
„Hey, Leute, was gibt es zu lachen? Ich stör zwar ungern, Boss, aber der Informant hat angerufen, er will sich in 15 Minuten mit euch treffen“, kam Tristan in Lederkluft zu ihnen.
„Komm‘ schon, nicht jetzt, das ist die ne Hochzeit“, erkannte Cindy genervt.
„Sie können ruhig bleiben Cindy, ich meine Harvey, entschuldigen Sie“, erkannte Tristan und Harvey wendete seinen Blick von Shania.
„Boss! Das klingt echt gut. Bei mir passt es aber genauso wenig, dass ist die Hochzeit meiner Schwester und meines besten Freundes“, erwiderte Harvey und trank aus seinem Glas.
„Ich muss mich erst mal daran gewöhnen, nicht mehr dort zu arbeiten. Ich bin nur froh, dass Ace mir einen Job angeboten hat, das wollt ich eigentlich erst nach der Hochzeit bekannt geben, aber Alo und ich ziehen nach Los Angeles um in Aces Büro zu arbeiten. Hat er Alo gestern bei dem Junggesellenabschied angeboten. Ich denke, ihr werdet hier allein klar kommen“, erkannte Cindy und Alo kam auch an ihren Tisch.
„Wir wollen euch aber nicht aus der Stadt vertreiben“, hatte Harvey Schuldgefühle.
„Nein, das ist ein neuer Anfang, nur Büroarbeit ist auch mal nett. Emilio ist ja noch da, er wird euch in Rat und Tat zur Seite stehen. Macht nicht so ein Gesicht, wie Harvey gesagt hat, es ist Zeit für die neue Generation. Uns wird es gut gehen“, erkannte sie und Alo stimmte ihr zu.
„Das stimmt, es wird trotzdem komisch sein, ich bin doch gerade erst erwachsen geworden“, dachte Shania laut nach.
„Wir sind ja nicht aus der Welt, ihr könnt uns immer besuchen kommen, wenn ihr in der Gegend seid. Wir sind so stolz auf dich, auf euch, ihr werdet das toll machen“, entgegnete Alo und sah das Pärchen an.
In dem Moment klingelte bei Tristan das Handy.
„Ja, ich werde es ihnen sagen, danke“, bemerkte er und legte wieder auf.
„Der Informant will die Stadt verlassen, er ist nur noch heute erreichbar“, erkannte Tristan.
„Man, die sind ja immer nur auf dem Sprung. Hilft wohl nichts, wir müssen los, ich hoffe Mai und Larry verstehen das“, stand Harvey auf und auch Shania stand auf um den unteren Teil ihres Kleides abzumachen.
„Was? Ich muss mir die Lederhose anziehen, sonst kann ich nicht auf dem Motorrad mitfahren“, erwiderte Shania und zog eine alte Lederhose aus ihrer Tasche und dann  über ihren String. Die anderen hatten sich langsam an ihren fehlenden Scham ihrer Nacktheit betreffend gewöhnt und starrten nicht einmal mehr.
„Warte, ist das nicht Mags Hose?“, fragte Alo erkennend.
„Ja, war in ihrem Lager, Harvey hat sie mir gegeben, Meg hat eingesehen, dass sie sie nicht mehr tragen kann, nach drei Kindern. Es stärkt irgendwie auch mein Selbstbewusstsein auf der Jagd, schließlich ist die Hose schon bei vielen Festnahmen dabei gewesen. Hast du deine Motorradstiefel dabei? Ich hab’ nur Stöckelschuhe dabei und damit kann ich kaum arbeiten“, plante Shania und band mit einem Haargummi ihre nun langen blonden Haare zusammen.
„Ja, hab’ ich, ich hab’ das ganze Zeug in der Tasche der Maschine. Immer vorbereitet, hab’ ich vom Meister gelernt“, erkannte Harvey und zog seine Jackett-Jacke aus um sie über den Stuhl zu hängen.
„Wenn Larry fragt, wir sind mal schnell verschwunden um Sex zu haben, wir sind in spätestens 2 Stunden wieder da“, zog er sein Hemd aus, unter dem ein schwarzes T-Shirt zum Vorschein kam.
„Larry ist dein Geschäftspartner, sollte er das nicht wissen?“, fragte Alo verwundert.
„Wird er früh genug erfahren, lass ihn erst mal Hochzeit feiern. Fertig?“, fragte Harvey und Shania nickte.
„Ich brauch‘ noch Geld um zu tanken, die Maschine säuft wie ein Loch“, erwiderte Harvey und Tristan drückte ihm Geld in die Hand.
„Das hat sie immer schon. Klappert der Tankdeckel immer noch?“, fragte Alo und dachte an früher.
„Nein, ich hab’ es reparieren lassen, hat mich ganz schön genervt. Verrate dass nicht Mum, sie hängt da irgendwie sentimental dran. Keine Ahnung, wieso. Wo treffen wir ihn?“, fragte Harvey und ging mit seinen Kollegen Tristan und Shania zu seiner Maschine.
„Wird das jetzt immer so sein?“, zog Harvey seine Motorradjacke an.
„Ich hoff mal nicht, zu unserer Hochzeit will ich Ruhe haben“, erkannte Shania und zog ihre Stöckelschuhe aus um in Larrys Boots zu steigen.
„Das verspreche ich, dann ist das Büro zu. Zieh den Helm auf“, bat Harvey und sie setzte sich hinter ihn aufs Motorrad.
„Ich hab’ heut drei Stunden beim Frisör gesessen für die Frisur“, meckerte sie.
„Helm auf, sonst nehm ich dich nicht mit“, bemerkte er und setzte seinen Helm auf.
„Ja, Boss! Warum kriegst du eigentlich ständig Geld von Tristan? Das hab’ ich mich schon länger gefragt“, entgegnete sie und setzte ihren Helm auf.
„Eine alte Wette, nichts wichtiges. Festhalten, ich fahr jetzt los“, schmunzelte er und klappte sein Visier runter, während sie sich fest an ihn schmiegte. Fern ab vom Trubel der Hochzeit düsten die beiden in den Nachmittagsverkehr von San Jóse.

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Tag der Veröffentlichung: 18.08.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
My face is a mask I order to say nothing About the fragile feelings hiding in my soul. -Glenn Lazore (Mohawk)

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