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Erstes Kapitel


Danera Eagle starrte an die Decke und sah dem Ventilator beim Rotieren zu. Es war drei Uhr morgens im Frauen-Gesundheitszentrum in Columbus. Die Hitze des Indian Summers hatte sich auch in Ohio festgesetzt, obwohl der Herbstwind schon längst für Erfrischung hätte sorgen müssen. Sie war verdammt müde, was auch verständlich war, denn sie hatte soeben bei einer 12 Stunden Geburt assistiert. Sie war Hebamme, 25 Jahre alt und arbeitete seit 3 Jahren in dieser Klinik.
Sie öffnete ihre Haare und ließ sie im Fön wehen. Sie wollte eigentlich noch duschen, bevor sie heimging, aber sie war eine halbe Stunde zuvor in dem Stuhl gelandet und bis dato nicht mehr daraus aufgestanden.
 
„Eagle, da steckst du, ich hab dich schon in der Dusche gesucht. Schläfst du?“, kam ihre Kollegin Lea auf sie zu und sie beugte ihren Kopf wieder geradeaus.
„Fast. Danke, dass du das Werkzeug noch gemacht hast“, bedankte sie sich höflich und strich ihren blutigen Kittel ab, um ihn wegzuwerfen.
„Nächstes Mal bist du aber wieder dran. Man, ein 10 Pfund Baby, es sollte Diabetikerinnen einfach verboten werden, Kinder in die Welt zu setzen“, war auch Lea mit den Kräften am Ende.
„Ganz meiner Meinung. Meine Kleine war auch nicht grad ein Leichtgewicht, aber 10 Pfund ist wirklich der Hammer. Ich glaub, wir haben heut gewonnen, hast du es auf der Liste eingetragen?“, bemerkte Danera und Lea nickte erledigt.
Die Hebammen auf ihrer Station hatten einen kleinen Wettstreit am Laufen, wer wohl das größte und schwerste Baby auf die Welt holen würde. Mit ihrem 10 Pfund Baby lagen sie ganz weit vorn.
„Wie geht’s denn Gia, deinem kleinen Sonnenschein?“, fragte Lea und Danera, die von ihren Kollegen Eagle genannt wurde, drehte ihren Kopf zu ihr.
„Ich denk mal gut, hat Derrick zumindest gesagt. Ich seh’ sehe sie in letzter Zeit immer Seltener. Kannst du das glauben, dass sie jetzt schon fast ein Jahr von hier weg sind? Ich müsste doch eigentlich sauer auf sie sein, aber ich bin froh, dass sie so ein tolles Leben drüben in Cleveland hat. Sie wollen ihr zum 5. Geburtstag sogar einen Hund schenken. Ich vermisse sie schon sehr, schließlich ist sie meine Tochter, aber bei Derrick und Lucille hat sie Leute um sich, die sich um sie kümmern können. Das könnte ich nicht. Sie haben mir ein neues Bild geschickt, es hängt im Spint. Ist es falsch, zufrieden zu sein?“, fragte Danera und Lea schüttelte den Kopf.
„Du hast ihr eine wunderbare Familie gesucht, ist halt schade, dass Derrick den neuen Job nur so weit weg bekommen hat. Du hast doch Urlaub übrig, geh’ sie doch besuchen“, schlug Lea vor und Danera raffte sich endlich auf aufzustehen.
„Geht leider nicht, ich hab schon was vor. Du kennst doch Kiah noch, meine Freundin, die ich in Sydney kennen gelernt hab, die auch Hebamme ist“, erwiderte Danera und Lea stand auch auf.
„Verschwommen erinnere ich mich noch. Willst du dir ein paar schöne Tage in Sydney machen?“
„Fast, ich besuche sie zu Hause in Alice Springs. Sie hat ihren Geburtstermin, wenn ich komme, eine echte Aboriginie-Geburt, die will ich mir doch nicht entgehen lassen. Was ist?“, fragte sie und schmiss ihren Kittel weg.
„Du bist ein Workaholic, nicht mal in deinem Urlaub kannst du entspannen“, entschied Lea und stieß die Tür zum Umkleideraum auf.
„Wer hat gesagt, dass ich die Geburt übernehme, ich wollt nur schon immer mal eine richtige traditionelle Geburt miterleben, mit Zeremonie und allem drum und dran. Ich werde nicht Hand anlegen“, bestimmte sie und zog sich um. Zum Duschen war sie jetzt wirklich zu müde.
„Klingt wirklich gut. Der passende Urlaub für dich. Ich bevorzuge da lieber ein paar entspannende Tage in Fort Lauderdale. Also, wann fliegst du?“
„In zwei Wochen! Ich hab den Urlaub echt bitter nötig. Hier, ist sie nicht wirklich wunderschön?“, zeigte sie auf das Bild ihrer Tochter, das neben ihrem Kalender hing.
„Das ist sie. Also bis morgen, schlaf dich mal aus, du siehst aus wie die Nachgeburt“, scherzte Lea und Danera klappte ihren Spint wieder zu.
„Danke, wie nett von dir. Gib deinen Kindern einen Kuss von mir, ja?“, verabschiedete sie ihre Kollegin und sie lächelte.
„Sicher, mach ich, bis dann“, huschte die Hebamme Mitte 30 aus dem kleinen Umkleideraum. 

Zweites Kapitel


„Zehn Pfund, das ist wirklich nicht schlecht, aber ich hab eine 300 Pfund Frau für einen Kaiserschnitt am Freitag, könnte knapp werden, Mädels“, begutachtete die Stationsleiterin Audrey die Liste, als Lea und Danera am Nachmittag drauf im Schwesternzimmer die Ruhe vor dem Sturm genossen.
„Das werden wir erst mal sehen, ich hab schon mal einen Winzling aus so einer Frau rausgeholt, das heißt gar nichts. Wie sieht es auf dem Ultraschall aus?“, diskutierte Lea mit ihrer Chefin, während Danera auf ihren Kaffee starrte.
„Mindestens sieben Pfund!“, entgegnete Audrey und sah auf Daneras Kaffeetasse.
„Eagle, alles klar?“, wedelte sie mit der Hand vor ihrem Gesicht.
„Hervorragend. Ich hab den Ultraschall gesehen, das sind nie 7 Pfund“, sah Danera auf und lächelte verschmitzt.
„Um was wetten wir, dass ich ganz eng an euch dran komme?“, fragte Audrey wettbegeistert.
„Um meine nächsten zwei Nachtschichten. Ich hab da ein Auge für“, schlug Danera vor.
„Adleraugen, ich verstehe. Okay, einverstanden, wenn du aber verlierst, wischt du eine Woche lang den Aufenthaltsraum“, gab sie als Gegenangebot.
„Abgemacht. Ich freu mich schon auf meine freien Abende“, war sich Eagle siegessicher.
 
„War ne gute Idee Kleines, aber Audrey macht das seit 20 Jahren, du hast keine Chance“, klopfte Lea ihr auf die Schulter, als Audrey gegangen war.
„Wir werden sehen. Es ist schon fast 5 Uhr, heut ist mal wieder gar nichts los, wie mir scheint“, sah Danera auf die Uhr.
„Sei nicht so ungeduldig, es ist ja nicht mal dunkel. Die kommen schon“, konterte Lea und goss sich noch einmal Kaffee nach.
Vier Stunden und drei Kaffees später saßen sie immer noch im Stationsraum und spielten Karten.
„Für was bin ich bitte schön aufgestanden“, legte Danera den Kopf auf den Tisch.
„Die Schicht geht noch vier Stunden, warte es ab“, spielte Lea ihre Karte aus.
Es sollten keine Geburten an diesem Tag stattfinden.
 
Die Woche verging wie im Flug, trotzdem war es eine ruhige Woche. Obwohl Danera schon Feierabend hatte, wartete sie auf das Resultat des Kaiserschnitts.
Neben ihr saß der Ehemann, ein schmächtiger Kerl, der sehr nervös schien.
„Das klingt jetzt blöd, aber wie schwer waren Sie bei Ihrer Geburt?“, fragte sie den Kerl plötzlich.
„Sie haben Recht, das klingt blöd. Ich weiß nicht genau, so um die 4 Pfund, ich war etwas früh dran“, erkannte der junge Mann etwas verwirrt über die Frage.
Sie grinste.
„Was ist?“
„Gar nichts“, versuchte sie das Grinsen zu unterdrücken.
Als Audrey im Stationszimmer vorbei sah, ging sie zu ihr.
„5 ½ Pfund, das war echt nicht schlecht geraten. Also verschwinde, ich will dich Montag pünktlich um 12 Uhr zur Mittagsschicht sehen“, gab sie grummelnd die Daten und Danera ging beflügelt nach Hause.
 
„Weißt du eigentlich wie erbärmlich es ist, am jeden Freitagabend bei mir Abend zu essen?“, fragte Lea, als Danera ganz selbstverständlich punkt sieben Uhr zum Abendessen kam.
„Fast so erbärmlich wie die Wäsche zu machen. Nettes Outfit, Gucci?“, ließ Danera sich nicht beirren und kritisierte Leas Schlabberlook.
„Ich darf so aussehen, ich hab zwei Kinder und keinen Mann. Kannst du schnell aufs Essen aufpassen? Ich mach schnell die Wäsche“, bat Lea und schon war sie mit einem Korb unter dem Arm aus der Tür verschwunden.
Danera sah sich um. In der Ecke saß die 7-jährige Joy und las ein Buch, auf dem Boden spielte der 5-jährige Jasper mit seinem Gameboy.
„Hey, Kinder, habt ihr schon Hunger?“, fragte sie und setzte sich neben Jasper.
„Es gibt Thunfisch, Tante Dani, ich mag keinen Thunfisch“, erklärte Jasper und sah sie mit seinen großen braunen Augen an.
„Ich mag auch keinen Thunfisch. Aber wir tun deiner Mutter einen Gefallen und essen es trotzdem, ja?“, schmunzelte sie und der Kleine nickte.
„Bist ein braver. Joy, Mäuschen, geht euch waschen, wir essen gleich“, bat Danera und Joy nahm ihren Bruder an die Hand um ins Badezimmer zu gehen.
 
„Du hast tolle Kinder“, bewunderte Danera ihre Kollegin, als sie nach dem Essen gemütlich auf dem Sofa saßen.
„Ja, das hab ich, trotz ihres Vaters. Es ist schon komisch, an manchen Abenden vermisse ich den alten Haudegen“, sprach Lea über ihren Ex-Mann.
„Hat er dir schon wieder auf dem Parkplatz aufgelauert?“, war Danera besorgt.
„Nein, in letzter Zeit war alles ruhig. Es ist nur, ich war fast 10 Jahre mit ihm verheiratet, man vergisst seinen Ehemann nicht so einfach“, erklärte Lea und sah zu ihren Kindern, die auf dem Boden zwischen einem Haufen Kissen dösten.
„Ich denk an Greg auch ab und zu. Was für ein Hirni. Also ich will keinen Mann mehr, der seinen Selbstfindungstrip in meinem Bett auslebt“, erkannte sie und zog ihre Beine an sich.
„Ganz meiner Meinung. Ich wünsch dir einen netten Mann, mit dem du dir vorstellen kannst, eine Familie zu gründen. So wie Vance früher. Er war wirklich nett, du hast ihn nicht mehr so kennen gelernt. Ich werde Jasper davon abhalten, so zu werden und wenn es das letzte ist, was ich tue. Er wird nie eine Frau schlagen, niemals“, kamen Lea die Tränen.
„Das wird er nicht, keine Sorge, wir werden ihn so erziehen, dass das nie passiert. Und wenn, dann prügeln wir ihm das aus“, versuchte Danera sie aufzumuntern.
„Du brauchst dringend eine eigene Familie, wenn du schon davon redest, mit mir zusammen meine Kinder aufzuziehen“, schniefte Lea und Danera grinste.
„Oh ja, dringend. Komm, lass uns die Kinder ins Bett bringen, ich sollte langsam heim“, schlug Danera vor.
„Danera, du schläfst bei uns, wie jeden Freitag. Du könntest morgen auf die Kinder aufpassen, während ich beim Frauenarzt bin. Da du eh’ frei hast“, schlug Lea nicht ganz eigennützig vor.
„Danke, mach ich gern. Ja, wirklich, wir werden meinen Großvater im Heim besuchen gehen“, erkannte Danera.
„Du wirst meinen armen Sohn nicht wieder als Mädchen verkleiden“, protestierte Lea.
„Er ist senil und könnte es nicht ertragen, dass seine Urenkelin nicht mehr hier ist. Okay, ich mach es nicht, dein Sohn sieht in Gias Kleidchen auch erbärmlich aus“, maulte sie.
„Braves Kind. Ihr werdet in den Park gehen, ein Eis essen, die Enten füttern und wieder heimkommen und mein Sohn hat dann kein Kleid an, haben wir uns verstanden?“, wurde Lea streng.
„Ich hab es kapiert. Wie wär’s mit ein bisschen Schminke?“, handelte sie und lud Jasper auf ihren Arm.
„Danera!“
„Ein Scherz. Deine Kinder sind noch süßer wenn sie schlafen, weißt du das eigentlich?“, strich sie dem schlafenden Jasper über die Backe.
„Ich weiß, sind auch meine Kinder. Sie sind aber nicht mehr süß, wenn ich sie zum Baden schicke, da machen sie mich fast wahnsinnig“, erklärte Lea und legte ihre Tochter in ihr Bett.
„Das sind die kleinen Freuden des Elterndaseins. Jetzt geh’ schlafen, ich mach im Wohnzimmer alles sauber“, bat Danera und Lea legte ihr dankbar die Hand auf die Schulter.

Drittes Kapitel


Lea war schon spät dran, als sie sich kurz vor 10 Uhr an diesem Samstagmorgen aufmachten aus dem Haus zu gehen, trotzdem nahm sie sich die Zeit ihren Sohn zu überprüfen.
„Kein Make-up, keine Schleifchen, kein Kleidchen. Gut, braves Kind. Wo ist Joy?“, fragte Lea und sah sich um.
„Hier bin ich Mum“, kam Joy im süßen Kleidchen aus dem Bad.
„Du glaubst doch nicht wirklich, dass meine 7-jährige Tochter als deine 5-jährige Tochter durchgeht“, schüttelte Lea den Kopf.
„Ich wollt nur mal sehen, wie deine Tochter in einem Kleid aussieht, sonst nichts“, behauptete Danera und Lea sah sie böse an.
„Es ist viel zu spät, das jetzt noch zu ändern, sei froh. Jetzt kommt“, grummelte Lea und zog sie aus der Tür um abschließen zu können.
 
Zwei Stunden und vier Kugeln Eis später, lieferte Danera die Kinder wieder ab. Sie hatten ihren Großvater nicht besucht. Sie wusste gar nicht, was sie mit ihrer ganzen Freizeit anstellen sollte. Sie räumte ihre Wohnung auf und fand dabei Kiahs Handynummer. Sie setzte sich ans Fenster und wählte sie.
„Hey Kiah, ich bin’s Danera. Ich hab grad deine Handynummer gefunden. Ich wollt grad mal wissen, ob wegen nächster Woche alles klar geht!“, meldete sich Danera.
„Danera, hi schön dass du anrufst, es ist aber schon ziemlich spät. Es ist 10 Uhr bei uns“, murmelte Kiah schlaftrunken.
„Tut mir Leid, hatte ich vergessen. Aber ich denk mal, du hast noch nicht geschlafen. Was isst du gerade?“, schmunzelte sie.
„Gurken mit Bohnen. Lecker!“
„Geht ja noch. Wie geht’s Rabatin?“
„Der schnarcht friedlich. Er muss morgen wieder auf Tour mit japanischen Touristen, ich weiß gar nicht, ob ihr euch sehen werdet. Ich hoffe schon. Jetzt muss ich aber Schluss machen, er wird im Bett neben mir schon unruhig. Du kommst doch um fünf Uhr mit dem Zug an, oder?“, fragte Kiah mampfend.
„Ja, dein Bruder nimmt mich in die Stadt mit?“
„Ich hoffe es, sonst meldest du dich noch mal, ja? Also ich muss jetzt, er boxt mich schon mit dem Fuß“, erklärte sie.
„Schlaf schön!“
Danera zog ihre Turnschuhe an, schnappte ihre Jacke und lief in die Stadt um shoppen zu gehen. Sie kam an einem Babyausstatter vorbei und kaufte kurzerhand einen grünen Strampler. Es wurde langsam dunkel, als sie wieder nach Hause kam. Sie packte den Strampler in die Tageszeitung und verstaute ihn im schon gepackten Koffer.
 
Pünktlich kam sie am Montag wieder zur Arbeit. Sie ging wie immer zum Kaffeeautomaten und dann zur Pinnwand. Es waren keine neuen schweren Geburten am Wochenende passiert.
„Wir könnten gewinnen“, erwiderte Lea, die in der Sitzecke saß.
„Man, du kannst einen erschrecken. Seit wann sitzt du da schon?“, fragte sie und kam zu ihr an den Tisch.
„Lang genug um dich bei deiner täglichen Routine zu beobachten. Wird das nicht langweilig?“, sah sie von ihrer Zeitung auf.
„Das gibt mir Stabilität. Was steht heute an?“, fragte sie und Lea zuckte mit den Schultern.
„Keine Ahnung, ich bin auch grad gekommen. Du kannst ja auf dem Plan gucken, wenn du da grad stehst“, beschloss Lea und Danera tat dies.
„Wir sind zusammen eingeteilt für einen Kaiserschnitt. Man gibt es keine richtigen Geburten mehr?“, murrte Danera.
„Die sind wenigstens schnell vorbei. Dann trink nicht so viel Kaffee, du brauchst ruhige Hände“, bat Lea und Danera kippte ihren Kaffee in den Ausguss.
„Ja, Mum!“
„Ich sag’s nur. Ich werde schon mal die Sachen vorbereiten, du ziehst dich um“, erkannte Lea bestimmend und Danera tat so wie ihr geheißen.
 
Eine Stunde nach dem Kaiserschnitt saßen sie auf der Eckbank im Schwesternzimmer.
„Wir vergessen manchmal, dass ein hohes Geburtsgewicht die Überlebenschancen verdoppelt. Das darfst du nie vergessen“, erkannte Lea abwesend und starrte in ihren Kaffee.
„Das war mein erstes Mal, wird es später leichter?“, fragte Danera abwesend und biss in ihren Apfel.
„Natürlich, aber es ist nie einfach“, erwiderte Lea und nahm ihre Hand.
„Hey Mädels, alles klar bei euch?“, kam Audrey zu ihnen und setzte sich neben sie.
„Das hat die Kleine sehr mitgenommen“, erklärte Lea ihrer Chefin.
„Sicher, du hast aber nichts falsch gemacht, Kleines. Das werde ich in meinem Bericht schreiben“, entschied Audrey und nahm ihren Stift.
„Ich seh’ den armen kleinen Wurm immer noch da liegen“, bemerkte Danera völlig aufgelöst.
„Geh’ nach Hause, Kleines, ich übernehme den Rest von deiner Schicht. Geh’ ins Kino oder ins Theater, lenk dich davon etwas ab. Das ist ein Befehl“, bat Audrey und stand mit Lea auf um wieder an die Arbeit zu gehen.
„Nein, das geht schon“, versprach sie und stand auf.
„Das war ein Befehl, bleib sitzen“, entschied Audrey.
„Ich will nicht allein sein“, entgegnete sie.
„Ich werde jemanden herschicken, komm Lea“, gingen sie aus der Tür.
„Zuckerstück, hier bist du“, kam Jones, die einzige männliche Hebamme auf der Station zu ihr.
„Einen Mann, die schicken mir einen Mann?“, lag Danera mit ihrem Kopf auf dem Tisch.
„Ich bin mehr Frau als die meisten hier, Schätzchen. Geht’s dir gut?“, setzte sich Jones neben sie.
„Ja, völlig. Sei mir nicht böse Jones, aber ich will jetzt echt allein sein“, konterte Danera müde.
„Nein, willst du nicht, sonst wär ich jetzt nicht hier. Komm her“, nahm er sie in den Arm und sie fing an zu weinen.
Als Lea nach Hause kam, saß Danera vor ihrer Tür.
„Wir sollten zusammen ziehen, das ist nicht so ne Fahrerei“, witzelte Lea und half ihr auf.
„Ich kann heut nicht mehr allein sein!“ schniefte Danera.
„Dann komm rein, die Kinder freuen sich sicher“, schmunzelte Lea und führte sie rein.
 
Die Woche war noch vollkommen durchgeplant. Am Mittwoch ging sie zu ihrer unangenehmsten Aufgabe. Sie musste ihren Ex-Freund Greg besuchen. Greg hatte jetzt endlich eine Job als Taxifahrer und hatte ihr Geld geliehen. Er war jetzt verheiratet und wurde wieder Vater. Er hatte so etwas wie ein anständiges Leben. Deshalb wunderte es Danera, als sie einen Streit in seiner Wohnung mitbekam.
„Du hast mir Geld geklaut. 500 Dollar. Ich schufte den ganzen Tag und du gibst es aus. Jetzt reicht es mir, raus!“ brüllte Greg, die Tür sprang auf und eine hübsche blonde Frau, die Danera ähnlich sah, wurde herausgeschupst.
Sie eilte zu der Frau, als sie auf dem Boden lag.
„Greg, du Wichser komm sofort raus“, half sie der Frau auf.
„Eagle? Was willst du hier?“, fragte Greg gereizt.
„Eigentlich wollte ich dir deine 500 $ zurückgeben, die ich dir schulde, aber jetzt nehme ich deine Frau mit und lass sie untersuchen. Mach deinen Ego-Trip wo anders, Arschloch“, drückte sie ihm den Scheck in die Hand und führte die blonde Frau zum Fahrstuhl.
„Danera, du kannst mir nicht einfach meine Frau wegnehmen“, tönte Greg.
„Ich könnte dich auch wegen Körperverletzung anzeigen, das ist wirklich einfacher“, war sie stinksauer und er ging zurück in die Wohnung.
„Jasmine, richtig?“, fragte Danera während hinter den beiden sich der Fahrstuhl schloss.
„Ja, ich danke dir. Er ist sonst nicht so!“, war die junge Frau, die sie so auf zwanzig einschätzte, dankbar.
„Doch, das ist er. Glaub mir. Tut dir was weh?“, fuhren sie runter.
„Nein, ich hab meine Hand auf den Bauch gelegt. Du bist Hebamme, richtig?“
„Ja, ich bring dich zu meiner Arbeit, wir wollen mal sehen, ob es deinem Baby gut geht. Willst du ihn anzeigen?“
„Nein, ich werde ihn verlassen, das ist Strafe genug. Wollt ich eh’ schon früher machen, aber dann wurde ich schwanger. Könntest du meine Sachen irgendwann holen?“, fragte Jasmine.
„Natürlich, ich bin zwar in letzter Zeit ein bisschen ausgebucht, aber ich kann gut verstehen, dass du da nicht mehr hin willst. Ich fliege Freitag in den Urlaub, du kannst in meiner Wohnung bleiben. Wenn er kommt, wirst du nicht aufmachen, dann haben wir keine Probleme. Ich kann echt nicht glauben, dass er noch ein schlimmerer Mistkerl ist, als früher. So, hier ist mein Auto, warte ich helfe dir einsteigen“, waren sie am Auto angekommen. Sie schwiegen die ganze Fahrt zum Krankenhaus, obwohl sie eigentlich viel gemeinsam hatten.
Danera hatte eigentlich erst in zwei Stunden Schichtanfang, doch sie konnte ja mal gucken, wie es den anderen erging. Lea musste eigentlich schon Feierabend haben.
Als sie mit Jasmine im Schlepptau auf den Parkplatz kam, sah sie Lea mit einem Mann reden, den sie nicht erkannte. Als der Mann Lea am Arm packte, wurden ihre Schritte schneller.
„Hey, Pfoten weg!“, schrie sie als sie auf sie zu gerannt kam. Da stand sie plötzlich neben diesem Zwei-Meter Mann und war atemlos.
„Vance, man du lernst es auch nicht, oder?“, tönte sie großspurig und sah provozierend zu Leas Ex.
„Uh, eine Hebamme droht mir, ich hab Angst“, zeigte Vance keine Einsicht.
„Eagle, das ist nicht dein Problem, geh’ einfach weiter“, bat Lea trocken.
„Du bist meine beste Freundin, das geht mich schon was an. Also was willst du, Vance?“, sah sie zu dem Hünen auf.
„Verzieh’ dich, Schielauge“, beleidigte Vance sie.
„Jasmine, Kleines geh’ schon mal in den zweiten Stock und sag, dass du von mir kommst, Danera Eagle. Jetzt geh“, schickte sie Jasmine vor.
„Das muss sie jetzt nicht unbedingt hören. Also Wichser, ich hab heut schon meinen Ex getroffen, da bist du kein Problem. Du lässt jetzt Leas Arm los, sonst setzt es was!“
„Du sagst mir gar nichts, Schlampe“, packte er sie und zog sie an sich.
Er war verdammt stark. Langsam bekam sie Angst.
Plötzlich hörte sie ein „Hey“ von hinten.
„Duck dich“, rief Lea und sie tat dies. Als sie die Augen wieder öffnete, lag Vance neben ihr auf dem Boden.
„Die Betrunkenen sind mir wirklich am Liebsten“, stand Jones breit grinsend hinter ihr.
„Man, das war ein Seiten-Kick, voll Van-Dame mäßig“, stotterte Lea verdattert.
„Ich denk den bring ich dir mal bei. Alles in Ordnung bei euch?“, half Jones, Danera auf.
„Ja, alles Bestens. Das war echt klasse. Ich werde mal meinen Anwalt anrufen, der müsste noch eine Verfügung veranlassen, die die Arbeit mit einschließt. Wer war das eigentlich grade?“, zog Lea ihr Handy raus und die drei gingen Richtung Krankenhaus.
„Jasmine, Gregs Frau. Noch eine arme Seele mit einem Kind in Erwartung. Komm doch noch mal mit rein, bevor er aufwacht. Wir sollten die Polizei rufen, eine Nacht in der Ausnüchterungszelle würde ihm mal gut tun“, erklärte Danera und sie gingen in die Lobby.
„Der wird sich in den Hintern beißen, dass er von einer schwulen Hebamme k.o. geschlagen wurde. Das glaubt man gar nicht, dass du so ne Kraft hast, Jones. Kommst du gerade, oder gehst du?“
„Ich komme, ich hab mit dir Schicht. Dir geht’s besser?“
„Ja, war ne harte Nacht, aber dann ging’s. Kannst du bei ihr bleiben? Ich muss mich noch um Jasmine kümmern“, bat Danera und zeigte zu Lea die mit ihrem Anwalt in der Lobby telefonierte.
„Klar, wenn du schon mal Kaffee kochst!“
„Geht klar, dann bis gleich!“
Als sie zur Station kam, kam ihr schon Audrey entgegen.
„Eagle, du bist verdammt früh dran. Die junge Frau, die grad hier war, sagte sie komme von dir. Sammelst du jetzt schon Schwangere auf der Straße auf?“, wunderte sich Audrey.
„Fast, das ist Jasmine Livingston, die Frau meines Ex-Freundes. Geht es ihr gut?“
„Ein verknackstes Handgelenk, durch den Sturz, dem Baby geht es gut. Sie ist nicht gefallen, oder?“
„Weißt du noch, was ich gebrüllt habe, als ich meine Tochter zur Welt gebracht habe?“
„Wage. Okay, sie bleibt bei dir oder soll ich das Frauenhaus anrufen?“
„Du weißt doch, wie überfüllt das ist, nein sie kommt zu mir. Ich werde sie am besten noch schnell heimfahren, keine Sorge ich werde pünktlich kommen“, stellte sie den Kaffee ein.
„Deshalb bin ich nicht besorgt, ich frag mich nur was du noch mit Greg zu schaffen hast“, erkannte Audrey.
„Er hatte mir Geld geliehen, für meinen Urlaub, weil ich grad nicht flüssig war, als ich das Flugticket kaufen musste. Keine Sorge, ich fang nichts mit ihm an!“
„Du wirst mich nächstes Mal darum bitten, das hätte ich schon geklärt, aber du gehst nicht mehr zu ihm, klar?“, sorgte sich Audrey um sie.
„Nach morgen nicht mehr versprochen. Also, bis gleich“, versprach sie.
„Was willst du morgen bei ihm?“
„Jasmine braucht ihre Sachen!“
„Nein, du wirst nicht gehen, ich schick Julian“, plante Audrey. Julian war eigentlich der Chef der Sicherheitsabteilung des Krankenhauses, aber als Audrey das Kind seiner Geliebten entbunden hatte und das alles vertuscht hatte, war er ihr so dankbar gewesen, dass er fast alles für sie tat.
„Ich bräuchte auch einen Julian. Vor allem beim Tragen meines Gepäcks für meine Reise!“
„Jetzt geh, ich will dich in einer Stunde fünfunddreißig Minuten wieder hier sehen“, bat Audrey und Danera ging zu Jasmine. 

Viertes Kapitel


Nachdem sie Lea und Jasmine sicher wusste, konnte sie am Freitagmorgen endlich starten. Sie war saumüde, weil sie eigentlich gerade aus der Nachtschicht gekommen war. Es war heiß dafür, dass es 5 Uhr morgens war. Sie hatte kurze Shorts und ein weißes T-Shirt an. Wie eine typische Touristin. Jones hatte sie zum Flughafen gebracht, hatte irgendwas von „guten Flug“ in seine Sturmfrisur gemurmelt und war wieder abgezogen.
Sie hatte einen Rucksack auf ihren Schultern und eine Tasche in ihrer Hand. Sie wollte ja nur zwei Wochen bleiben und wenn möglich die Klamotten waschen. Sie wusste nicht, wie es bei Kiah zu Hause war, sie hatte irgendwas von altmodisch gemurmelt, als sie sie gefragt hatte.
 
Da es in Columbus in den letzten Tagen schon heiß gewesen war, dachte sie, sie hätte schon das schlimmste hinter sich, aber der Frühling in Darwin hatte es auch in sich. Es war dunkel, als sie ankam, sie wusste nicht wie spät es war, der Hitze nach zu urteilen, musste bald die Sonne aufgehen. Sie lud ihren schweren Rucksack auf ihre müden Schultern und klemmte ihre Tasche an ihre Brust, als sie zum Schalter ging, um eine Fahrkarte nach Alice Springs zu kaufen.
„Morgen Lady, willkommen in Darwin. Fragen sie mich nicht über die darwinsche Theorie aus, davon hab ich keine Ahnung“, begrüßte sie der Typ am Ticketschalter.
„Hab auch keine Ahnung was Columbus so gemacht hat, wie auch immer, wie viel kostet eine einfache Fahrkarte nach Alice Springs, das können sie mir sagen, oder?“, versuchte sie genau so clever zu antworten.
„12 australische Dollar, Schätzchen, aber weil Sie es sind, 10 für Sie“, flirtete der Typ unverschämt und Danera knallte ihm 12 Dollar hin.
„Ich bin zu müde, für Ihre plumpen Anmachversuche. Machen Sie schon, meine Sachen sind nicht gerade leicht“, lugte sie hinter dem Schalter in seine Augen.
„Hier, bitte. Ich bin seit 12 Stunden hier, ich wollt nur etwas Spaß haben“, nörgelte der Mann und händigte ihr das Ticket aus. In dem Moment merkte sie, dass ihr Rucksack leichter wurde. Sie drehte sich ruckartig um und sah einen jungen Mann mit einem gepflegten rotblonden Bart und verwaschener Wildnis-Kleidung, der ihren Rucksack nahm.
„Jarrah wird Ihren Rucksack tragen, keine Sorge, er arbeitet hier. Sieht zwar nicht so aus, ist aber so. Nächstes Mal stellst du dich vorher vor, Jarrah“, erklärte der Typ am Schalter und Danera gab dem Mann skeptisch ihren Rucksack. Der trottete aber brav hinter ihr her, als sie zum Bahnsteig ging.
„Wie spät ist es?“, fragte sie, als sie das Gleis gefunden hatte. Der junge Mann zeigte auf die Bahnhofsuhr die 3 Uhr morgens anzeigte.
„Sie reden nicht viel, oder?“, versuchte sie die Situation zu lockern.
„Nicht wenn es sich verhindern lässt!“, antwortete Jarrah mit tiefer melancholischer Stimme.
„Jarrah, ein netter Name, was bedeutet er?“, redete sie weiter.
„Eukalyptusbaum“, brummelte er in seinen Bart hinein.
„Tja, besser als Katzenpisse, was?“, boxte sie ihm in die Seite.
„Ich mag euch Amis nicht, ihr seid so furchtbar gut gelaunt“, lud er den Rucksack auf dem Bahnsteig ab.
„Nicht wirklich, bin nur saumüde, ich will hier nicht einschlafen, darum rede ich so viel. Sie arbeiten nicht wirklich hier, oder?“
„Manchmal, ich bin eigentlich Gärtner. Aber der Winter war sehr mager!“
„Glaub ich, bei uns war der Winter auch sehr kalt. Wir kriegen wieder einen kalten Winter, denk ich, will gar nicht dran denken. Ich lass sie jetzt in Ruhe, vielen Dank!“, bedankte sie sich höflich.
„Keine Sorge!“, erkannte er und gab ihr den Rucksack, um in der Dunkelheit zu verschwinden.
„Keine Sorge?“
20 Minuten später rauschte der Zug an. Danera hatte ihre Uhr umgestellt und stellte ein Signal ein, wann sie aufwachen wollte. Sie musste noch einige Stunden mit dem Zug fahren.
Während der Zug schnaufend über die wunderschöne Landschaft von Australien ratterte, ging die Sonne auf. Die Sonnenstrahlen kitzelten ihre Nasenspitze und sie rümpfte die Nase, als sie aufwachte.
„Sie sind süß, wenn Sie schlafen“, saß Jarrah den Hut in das Gesicht gezogen am Fenster und sah sie an.
„Sagen Sie, verfolgen Sie mich?“
„Ich fahr nach Alice Springs, genauso wie Sie. Das hat nichts mit Verfolgen zu tun. Wir sind bald da!“, erklärte er und sah raus.
„Wenn Sie meinen. Ich hoffe für Sie, dass ich noch all meine Wertsachen hab“, setzte sie sich auf.
„Ich bin ein Verfolger und ein Dieb, kein Wunder dass ihr so viele Waffen habt, ihr Amis, wenn ihr so misstrauisch seid. Ich bin ein ehrlicher Mann. Ich züchte Orchideen, da brauch ich kein Geld klauen. Was führt Sie hier her? Ich rate mal die Rituale der Aborignies“, erkannte er plötzlich vorlaut.
„Ha, Sie haben sich verraten, Sie haben meine Taschen durchwühlt“, erkannt sie rechthaberisch.
„Nein Kleines, alle Amis suchen hier das spirituelle, das ganz Besondere. Für mich ist das ganz normal, ich bin bei den Aboriginies aufgewachsen. Ist halb so spannend, wie es sich anhört. Jarrah ist nicht mein richtiger Name, meine Pflegemutter hat mich nur so genannt. Ich muss noch meine Kontakte pflegen, man sieht sich“, nahm er seine alte abgewetzte Ledertasche und verließ das Abteil.
 
Es wurde schon Mittag, als sie endlich ihre lange Reise in Alice Springs beendete. Sie hoffte Kiahs Bruder war nicht auch so ein Dummschwätzer wie der Kerl. Er war wirklich unerträglich.
„Also, können wir jetzt?“, kam Jarrah zu ihr und nahm Ihre Tasche.
„Wohin den bitte?“
„Zu Kiah, oder wollen Sie durch die Stadt laufen“, erkannte er gewitzt.
„Oh bitte nicht!“, stöhnte sie.
„Sie können echt laufen, hab ich nichts dagegen, wirklich. Spart Sprit!“
„Ich dachte Sie wären ein Aboriginie!“
„Und ich dachte, Sie sähen aus wie Angelina Jolie, nicht jeder kriegt was er will. Also, kommen Sie jetzt?“, ging er vor und sie ging kopfschüttelnd hinterher.
 
„Seit wann wissen Sie, wer ich bin?“
„Seit ich Ihre Tasche durchwühlt habe. Keine Sorge, ist noch alles drinnen, wollt nur wissen ob Sie die sind, für die ich Sie halte. Danera Marie Eagle. Übrigens, nettes Bild auf dem Führerschein. Haben Sie Hunger? Ich hab noch ein Sandwich hier irgendwo in meiner Tasche“, grinste er, als sie ihre Tasche durchsuchte.
„Wenn Sie nicht der Bruder von Kiah wären, hätt ich Ihnen schon längst eine geknallt!“
„Gut, dass das jetzt geklärt ist. Ich glaub, das Sandwich ist alt“, entgegnete er, packte das Sandwich aus der Packung und warf es in den Kofferraum. Plötzlich rumorte es im Kofferraum.
„Was ist das?“
„Wally!“
„Ihr Hund?“
„Nein, Wallaby, Derby Wallaby besser gesagt. Mein kleiner Schatz. Der frisst so gut wie alles“, erklärte er trocken.
„Bei Ihnen ist nichts normal, oder?“
„Mein Wagen ist eine alte amerikanische Schrottkiste. Das ist doch normal, oder?“
„Ja, 1973 war das ein normales Vehikel, mein Vater hatte so einen, als ich klein war. Hier kommt mir alles echt Hippie-mäßig vor. Wie ne Zeitreise. Pott ist nicht legal bei euch, oder?“
„Leider nicht. Okay, wir sind da“, bremste er vor einem schönen Haus aus Holz.
„Nett, wirklich nett. Wohnen Sie auch hier drin?“
„Sehen Sie das kleine Haus da drüben?“
„Das Gartenhaus da?“
„Ist gemütlicher als es aussieht. Schaffen Sie es, ihre Sachen allein zu tragen? Ich muss noch ausladen“, fragte er etwas freundlicher.
„Sicher, kann ich was helfen?“
„Geht schon“, wog er es ab und pfiff. Drei junge Aboriginie-Männer kamen angerannt und trugen die Säcke aus dem Kofferraum hinter das Haus.
„Sie halten sich Haussklaven?“, wunderte sich Danera.
„Fast, das sind meine kleinen Brüder. Komm Sweetie“, legte er das Wallaby in seine Jacke.
„Irgendwie niedlich. Sind die eigentlich nicht größer?“
„Kängurus sind größer. Er wird eigentlich nicht mehr wachsen. Er liebt es, wenn ich ihn so trage. Geben Sie Ihre Tasche her“, nahm er ihre die Tasche ab.
„Danke. Wie viele Leute wohnen hier drin?“, ging sie Richtung Haus.
„Meine Pflegemutter lebt im Hinterzimmer, dann noch meine drei Brüder, Rabatin und Kiah. Ich bin gern für mich allein, deshalb wohn ich außerhalb“, zählte er auf und legte Wally in einen Korb vor der Haustür.
„Ich bin nicht gern allein. Aber ich bin es meistens!“
„Dann wird das eine Umstellung, hier ist nie Ruhe. Vor allem wenn das Baby erst mal da ist. Das erste Enkelkind für meine Mutter. Wo steckt sie überhaupt?“, machte er die Tür auf und sah sich in dem Haus voller Holzmöbel und 70er Jahre Kitsch um.
„Das seid ihr ja endlich. Hallo Schätzchen“, umarmte die kugelrunde Kiah ihre gerade angekommene Freundin.
„Man, bist du dick. Was wird es denn?“, fasste Danera den Bauch auf.
„Ich weiß es nicht, unsere Religion verbietet es, es vorher zu wissen, weil die Seele sich dann noch ändern könnte. Frag nicht. Ich wüsste es schon gerne. Wie auch immer, es ist bald soweit. Lass dich mal ansehen, meine Güte, du wirst langsam alt, wie geht es deiner Kleinen?“, setzte sie sich mühsam hin.
„Gut, sehr gut, sie wird auch langsam groß. Dein Bruder hat meine Tasche durchsucht!“, petzte Danera, um von dem Thema abzulenken.
„Miles!“, tönte Kiah.
„Ich wollte nur wissen wie sie heißt. Ich hab nichts geklaut, ehrlich nicht. Das mach ich nicht mehr!“, versprach er hoch und heilig.
„Hört, hört mein Bruder wird ehrlich auf die alten Tage. Hi, ich bin Cico, Kiahs wie man sieht kleinerer Bruder. Leider hat mir Kiah kein bisschen von Ihnen erzählt. Aber wir haben ja Zeit, uns kennen zu lernen“, erklärte einer von Kiahs Brüdern höflich und reichte ihr die schwitzende Hand.
„Ein höflicher junger Mann, also von Ihnen hat er das ganz sicher nicht, Miles!“ war Danera erfreut und sah Jarrah an, der schräg grinste.
„Höflichkeit wird in unserer Familie groß geschrieben, das vergisst mein Sohn aber viel zu oft. Ich bin Arana“, kam auch Kiahs Mutter zu der kleinen Truppe.
„Sehr erfreut. Miles war der Gentlemen in Person, ehrlich, mir fehlen nur meine Kaugummis“, wühlte sie noch einmal in ihren Taschen herum, weil sie befürchtete Mundgeruch zu haben. Sie wollte das mit Kaugummi überdecken. Wortlos streckte er ihr die Kaugummis hin.
„Ich hatte Hunger und das war das einzige essbare was in Ihrer Tasche war“, sagte er kleinlaut.
„Hunger, richtig, du musst halb verhungert sein. Ich werde Frühstück machen“, versuchte Kiah aufzustehen, was ihr aber sichtlich schwer fiel.
„Bleib sitzen, Kind, du solltest nicht mehr so viel im Haushalt machen, es könnte jeden Tag so weit sein. Dein Bruder wird das Frühstück machen, als Strafe“, erkannte Arana und ohne Widerworte ging Jarrah zur Küchenzeile.
„Sie haben die Jungs gut im Griff, wie es aussieht“, bewunderte Danera, Arana.
„Muss ich ja, mit vier Männern im Haus. Es war alles viel einfacher, als mein Mann noch gelebt hat. Ich hab in meinen Träumen gesehen, dass er jetzt seinen Frieden gefunden hat. Er ist von Wilderern erschossen worden, auf einem Ausflug. Da war Cico erst 6 Monate alt. Er wird dieses Jahr fünfzehn, also ist es fast so lang her. Darryl war ein echter Held“, zeigte Arana ihr das Bild von ihrem Mann. Er war auch weiß.
„Er ist ja weiß!“, wunderte sich Danera.
„Ja, hab ich dir das nicht erzählt. Ich bin ein Mischlingskind, wir alle sind es, natürlich. Nur Miles nicht!“, erkannte Kiah und Danera sah das Bild, dann Miles und dann wieder das Bild an.
„Sie sehen sich ähnlich“, war sie sich sicher.
„Jetzt wo du es sagst, ja, sie haben eine gewisse Ähnlichkeit. Seltsam!“
„Er war sein Vater, belassen wir es dabei“, wurde Arana einsilbig und ging um Jarrah zu helfen.

Fünftes Kapitel


„Es ist wunderbar hier, so still. Ich wohn neben einer Feuerwehrstation, ich hör ständig mitten in der Nacht Sirenen. Hier hör ich gar nichts“, saßen die beiden Frauen noch nach dem Abendessen zusammen.
„Das gefällt mir auch am Meisten. Es ist fast zu leise, manchmal. Vor allem, wenn Rabatin nicht da ist. Er spielt abends immer auf dem Klavier. Das ist wirklich schön. Warum musste er jetzt wegfahren? Es kann jeden Tag so weit sein. Ich bin so froh, dass du jetzt da bist“, lehnte sich Kiah zurück und legte eine Decke auf ihre Beine.
„Ich werde da sein, versprochen. Ich weiß wie es ist, schwanger und allein zu sein. Ist nicht witzig. Kann ich noch was trinken?“
„Sicher, im Kühlschrank muss noch was sein. Bring mir bitte einen Apfel mit“, erkannte Kiah und Danera stand auf.
Am Kühlschrank hing ein Zettel aus Endlospapier.
„Was ist das? 12. Whyalla, 13. Kyancutta?“, las sie es vor.
„Rabatins Reiseplan. Wenn alles klappt, ist er in einer Woche wieder zu Hause. Wir haben in unseren Träumen gesehen, dass er in Ordnung ist. Es müsste eigentlich nichts passieren und wenn, dann haben wir mindestens 10.000 Fotos davon, von den Touristen, die ihn begleiten. Ich weiß was du denkst, das ist kein richtiger Job, aber es bringt das Geld nach Hause“, legte sie sich zum Schlafen hin.
„Er hat ja wirklich jeden einzelnen Streckenpunkt mit Adresse und Telefonnummer notiert, das ist ja fast neurotisch. Aber es gibt dir Sicherheit. Hey, ich wollt doch auf dem Sofa schlafen“, erwiderte sie und kam zurück.
„Ich lieg echt bequem, geh’ du ruhig in mein Bett“, bemerkte Kiah.
„Was ist jetzt mit deinem Apfel?“
„Leg ihn da hin, der ist nur dafür, wenn ich wieder Heißhunger bekomme. Jetzt schlaf, ich will dir morgen meine Stadt zeigen“, murmelte sie und Danera legte den Apfel vor ihr auf den Couchtisch, bevor sie durch die Türvorhang in das gemütliche Schlafzimmer des Ehepaares ging. Sie putzte ihre Zähne, bevor sie es sich unter der Batikdecke und auf den Kissen gemütlich machte.
 
Sie war gerade eingedöst, als sie etwas hörte, was wie das Weinen eines Babys klang. Sie schrak auf. Sie hörte nichts mehr, sie musste geträumt haben. Sie legte sich wieder hin und schloss die Augen. Als sie wieder das Gleiche hörte, öffnete sie ihre Augen. Sie zog ihre Strickjacke an und ging durch die Gartentür nach draußen.
Jarrah saß in einem Gartenstuhl auf der Terrasse seiner kleinen Hütte und starrte in die Dunkelheit.
„Das sind die Dingos!“, erklärte er abwesend.
„Wie meinen?“, kam sie auf ihn zu.
„Die Schreie, sie können die Schreie der Menschenbabys nachmachen, niemand weiß wieso, das ist irgendwie unheimlich, oder?“, sah er sie an.
„Ja, wirklich. Sie können nicht schlafen?“
„Ich bin meistens nachts wach, die kommen manchmal gefährlich nah“, rollte er mit seinem Fuß seine Schrotflinte auf dem Boden.
„Und das soll mich jetzt beruhigen?“
„Nein, ich wollt es nur sagen. Wie gefällt es Ihnen hier?“, stand er auf.
„Es ist wunderschön hier, ganz anders als in Sydney. Als wäre die Welt stehen geblieben. Sie sollten schlafen gehen, Sie begleiten uns morgen in aller früh durch die Stadt“, bemerkte sie und lächelte.
„Ich freu mich schon“, erwiderte er und Wally lugte aus Jarrahs Jacke heraus.
„Gute Nacht Süßer“, kraulte sie Wally an den Ohren und ging zurück ins Haus.
 
„Du stehst auf ihn“, weckte Kiah sie am nächsten Morgen, als sie neben ihr auf dem Bett lag.
„Morgen, du liegst in meinem Bett“, murrte sie schläfrig.
„Nein, du liegst in meinem Bett. Du warst gestern noch bei ihm!“, war Kiah aufgedreht.
„Von was redest du bitte?“
„Tu doch nicht so, ich hab euch doch gesehen, wie ihr euch angeregt unterhalten habt. Das gefällt mir!“, schmunzelte sie.
„Wolltest du nicht schlafen?“
„Ich musste auf die Toilette, da hab ich euch gesehen. Er ist mein Bruder und du bist eine gute Freundin. Ich würd mich freuen“, war Kiah hellauf begeistert.
„Du musst dich verguckt haben, da läuft gar nichts. Wann gibt’s Frühstück?“, lenkte sie ab.
„Cico macht das Frühstück, er ist ein echt guter Koch, aber auch Jarrah ist ein guter Koch“, ließ Kiah nicht locker.
„Geh’ dich anziehen, wir wollen nachher los!“
„Ihr könnt auch allein gehen“, schlussfolgerte Kiah, bevor sie aufstand.
„Nein, du lässt mich nicht mit ihm allein. Versteh’ mich nicht falsch, er ist nett und so, aber nein“, protestierte Danera und ging mit der Decke um ihren Körper gewickelt zum Fenster um die Hütte zu beobachten.
„Ja klar, kein Interesse. Ihr könnt ja so ganz interesselos eure Interessen austauschen, wenn du ihn zum Frühstück holst. Du solltest dir vorher aber was anziehen. Bis gleich“, ging Kiah lächelnd Richtung Küche.
Danera zog ein leichtes Sommerkleid und Sandalen an, band ihre Haare in einen leichten Zopf und ging in Richtung Hütte.
Sie blieb auf der Türschwelle stehen und sah zu, wie sich Jarrah zufrieden über den Bart fuhr und dann ein Jagdmesser an seine Backe ansetzte.
„Es muss toll sein der Größte zu sein, oder?“, begrüßte sie ihn und vor lauter Schreck, rutschte er mit dem Messer aus.
„Verflucht, man Sie können mich doch nicht erschrecken, wenn ich grad ein Messer an meine Kehle halte“, fluchte er und wischte das Blut von seiner Wunde.
„Entschuldigen Sie. Kommen Sie her, ich hab einen Sanitätskurs gemacht, ich versorg das. Wo ist Ihr Erste-Hilfe-Koffer?“, kam sie auf ihn zu und sah sich um.
„In meiner imaginären Sanitätsstation“, murrte er und sie sah ihn schräg an.
„Klar, ich muss hier umdenken. Einen Whiskey, irgendwas Hochprozentiges?“, suchte sie herum.
„Sie fangen ja früh an“, konterte er und sie fand eine offene Flasche Whiskey.
„Und Sie hören wohl spät auf. Kommen Sie her“, tat sie etwas Whiskey auf ein Tuch und tupfte liebevoll seine Wunde ab.
„Ich gönn mir in lauen Nächten einen, oder zwei. Was ist schon dabei? Das hilft nicht wirklich, das wird eher schlimmer“, verzog er das Gesicht.
„Sie rasieren sich mit einem Schlachtmesser, können aber keine Schmerzen ertragen? Memme!“
„Das ist kein Schlachtmesser, das ist ein echtes australisches Buschmesser“, protestierte er und wischte das Messer ab.
„Entschuldigen Sie. Es ist vor ungefähr 100 Jahren eine großartige Erfindung gemacht worden. Die nennt sich Rasierapparat“, erkannte sie großspurig.
„Danke, für diese aufschlussreiche Information, aber ich bin etwas eigen mit meinen Sachen. Ich mach es lieber auf die altmodische Art“, erklärte er und legte das Messer neben einen Ledergurt.
„Wenn Sie meinen. Frühstück ist fertig, wollt ich nur sagen“, war sie etwas verwirrt über den bodenständigen jungen Mann, der ihr gegenüberstand, und verließ die Hütte wieder.

Sechstes Kapitel

 
„Dein Bruder rasiert sich mit einem Messer“, erkannte Danera etwas absent, als sie zu Kiah ins Schlafzimmer kam, die gerade ihre Tunika überzog und zuband.
„Ich weiß, Cico findet das klasse, Mum versucht es ihm auszureden, es später auch so zu tun. Aber er vergöttert Miles, sollte schwer werden. Dafür, dass du kein Interesse an ihm hast, bist du ziemlich aufgekratzt. Kannst du mal bitte?“, zog sie eine Kette an und bat Danera die Kette zu schließen.
„Ja, sicher. Hat mich nur gewundert. Das riecht klasse, was kocht Cico da?“
„Eier und Speck, nichts Besonderes. Er kann nichts anderes. Das Essen ist fertig“, kam Jarrah zu den beiden jungen Frauen.
„Sie kochen auch?“
„Ja, nicht sehr gut, aber ja, ich koche. Jetzt kommt“, drängte er sie zum Frühstück.
„Was hast du mit deinem Hals gemacht?“, fragte Cico am Frühstückstisch Jarrah und mampfte seine Spiegeleier.
„Ich bin einer wild gewordenen Bestie so nah gekommen, dass sie mich verletzt hat“, log Jarrah.
„Oh!“, glaubte Cico seinem großen Bruder gerade so.
 
Sie aßen schnell, denn sie wollten schnell ins Einkaufszentrum aufbrechen. Kiah wollte ihren Gast mit einem tollen Abendessen überraschen, denn sie kochte für ihr Leben gern.
 
„Sie lügen gern, oder?“, fragte Danera als Jarrah und sie auf dem Rücksitz des Pick-Ups saßen, den Kiahs einundzwanzigjähriger Bruder Rajiv steuerte.
„Wie meinen?“
„Die Sache mit Cico!“
„Der glaubt mir fast alles, Veda auch, dabei ist er fast 18. Ich bin so was wie ein weißer Held für sie, fragen Sie nicht. Stimmt es nicht Rajiv?“, klopfte er zufrieden seinem kleinen Bruder auf die Schulter.
„Wir glauben dir nicht, wir wissen dass du nur absoluten Blödsinn von dir gibst. Wir sind nur höflich“, erklärte Rajiv mit seiner ruhigen, tiefen Stimme. Danera kicherte.
„Endlich sag dir das mal einer, ich dachte das hört nie auf“, freute sich Kiah und grinste.
„Wirklich nett, ehrlich. Ihr habt mir also die ganze Zeit nicht geglaubt?“, wurde Jarrah grantig.
„Nein, am wenigsten diese Geschichte von dieser schönen jungen Frau aus Darwin, die von wilden Tieren gefressen wurde“, entgegnete Cico der auf der Ladefläche des Pick-Ups saß und mit Wally spielte. Plötzlich wurde Jarrah leichenblass und sagte keinen Ton mehr.
„Hey Bruderherz, was ist?“, knuffte Cico ihn.
Jarrah zeigte keine Reaktion.
„Du solltest vorsichtig mit deinen Worten umgehen, kleiner Bruder“, zischte er fast gespenstisch und Cico zog seine Hand erschreckt zurück.
Danera wollte erst fragen, aber als sie in sein versteinertes Gesicht sah, wusste sie, dass sie schweigen musste.
 
Den ganzen Vormittag über rollte Jarrah wortlos den Wagen hinter den Frauen her.
„Ist das mit der Frau wirklich passiert?“, tuschelte Danera Kiah zu.
„Ich weiß es nicht, er kam eines Tages heim, total verstört und erzählte diese Geschichte. Er ist ein notorischer Lügner, ich kann seine Lügen nicht mehr von der Wahrheit unterscheiden“, flüsterte sie zurück und sah nach hinten.
„Ich werde noch Streichhölzer kaufen gehen“, stellte Jarrah den Wagen neben sie und verschwand im nächsten Laden.
„Ihm geht das sehr nah, ich denk schon, dass die Geschichte einen wahren Kern hat. Das wäre wirklich furchtbar und erklärt, warum er so scharf aufpasst in der Nacht. Wie ein Wachhund“, bemerkte Kiah.
„Das hast du mir nie erzählt“, setzten sie sich auf eine Bank.
„Ich hielt es für eine erfundene Geschichte, bis jetzt. Mein Gott, der Arme“, fiel es Kiah wie Schuppen von den Augen.
„Du konntest es ja nicht wissen. Wir werden ihn nicht darüber ausfragen, es ist vermutlich eine wirklich verzwickte Situation. Er wird es erzählen, wenn er bereit dazu ist“, schlug Danera vor.
„Ich werde es nicht erzählen, hier ich hab auch noch Kerzen, falls das Licht wieder ausfällt. Ihr habt mir nicht geglaubt. Können wir jetzt? Ich will noch meine Saat pflanzen, bevor es dunkel wird“, kam Jarrah zu den Frauen und nahm den Wagen wieder.
Jarrah benahm sich wie ein kleines Kind. Kopfschüttelnd sah Danera an diesem späten Nachmittag zu, wie er schweigend die Saat auf sein Feld verteilte.
„Na, hat er was gesagt?“, kam Kiah zu ihr und ließ sich schnaufend neben sie auf den Gartenstuhl fallen.
„Er spielt das große Schweigen schon die ganze Zeit. Ah klasse, Zitronenlimonade, ich verdurste“, nahm sie ein großes Glas von der frisch gepressten Zitronenlimonade.
„Entweder setzt er wieder sein Pokerface auf, oder er meint es diesmal wirklich ernst. Wir essen in 10 Minuten“, sah Kiah seinem Bruder zu.
„Es riecht schon wunderbar. Hat er eigentlich grad jemanden?“, fragte Danera so beiläufig.
„Aha!“
„Aha was?“
„Ich wusste es. Nein er hat niemanden, er steht auf dich, das merk ich“, freute sich Kiah.
„Er ist wirklich attraktiv, aber ich bin nur 2 Wochen hier, das würde nichts werden“, überlegte Danera laut.
„Ich hab ja nicht gesagt, dass du ihn gleich heiraten sollst. Ich dachte nur, du bräuchtest grad jemanden. Wann hattest du deinen letzten?“, fragte Kiah ihre Freundin aus.
„Das kann ich nicht machen. Ich bin nicht so eine“, wurde sie leicht rot im Gesicht.
„Hattest du nach Greg jemanden?“
„Nein, nicht richtig!“
„Dann wird das dringend nötig. Du hast meine Genehmigung, er braucht auch mal wieder jemanden, sonst tritt er noch dem Kloster bei. Das wäre schade, für zukünftige Nichten und Neffen meinerseits. Schnapp ihn dir“, erklärte Kiah.
„Wieso eigentlich nicht“, entschied sie und stand auf um zu Jarrah zu laufen.
Sie sah ihm etwa eine Minute zu, dann griff sie in die Saattasche, die er an seiner Brust trug und half ihm die Saat zu verteilen.
„Ich werde nichts sagen“, murmelte Jarrah in seinen Bart.
„Ich werde nichts fragen“, konterte sie und lief neben ihm her.
 
Arana kam zu ihrer Tochter und wischte ihre nassen Hände an ihrer Schürze ab.
„Schau, du hast eine kleine Freundin für deinen Bruder gefunden“, erwiderte sie zu ihrer Tochter und setzte sich dorthin, wo Danera zuvor gesessen hatte.
„Mutter!“
„Was? Stimmt doch. Er ist ganz vernarrt in die Hebamme aus Amerika. Sie wird ihm das Herz brechen. Da wäre sie nicht die Erste. Er ist manchmal so naiv“, sah das ihre Mutter nicht so locker.
„Ich hab sie dazu gebracht, sie brauchen es beide gerade, diese sexuelle Spannung zwischen den beiden ist unglaublich. Ich bin schwanger, mein Ehemann weg  und im Fernsehen kommt nur Mist, ich brauch grad was Interessantes“, erklärte Kiah und sah wieder zu den beiden.
„Wenn dir so langweilig ist, dann kannst du mir ja helfen den Tisch zu decken“, erkannte ihre Mutter und half ihr auf.

Siebtes Kapitel


Kiah hatte Recht, sie brauchte dringend einen Mann. Nach der Geburt von Gia hatte sie sich nie mehr so sexy gefühlt, um einen Mann zu verführen. Sie hatte Dates gehabt, die meisten waren zwar von ihren Bekannten eingefädelt worden, aber es war nicht das wahre. Was hatte sie zu verlieren? Sie hatte 2 Wochen, die wollte sie genießen. Deshalb ging sie, als alle schliefen wieder zu Jarrah. Der saß auf der Veranda, wo auch sonst, in der einen Hand die Whiskeyflasche, in der anderen die Schrotflinte.
„Oh, das ist wirklich das Traumbild jeder Frau. Was tun Sie noch hier?“, fragte Danera liebevoll und tat einen Schritt auf die Veranda.
Jarrah richtete die Schrotflinte mit einer Hand auf sie. Er konnte sie kaum halten.
„Sehr nett, wirklich. Geben Sie her, Sie können sie ja kaum noch halten. Reden Sie mit mir darüber, statt es zu ertränken, ich sag es auch nicht weiter“, nahm sie ihm die Waffe aus der Hand und stellte sie in den Eingang der Hütte.
„Sie sind eine mutige Frau“, lallte er und zeigte mit dem Finger auf sie, verfehlte sie aber ein großes Stück.
„Hat mir noch nie jemand gesagt, aber so ist es. Geben Sie her“, nahm sie die Whiskeyflasche, trank einen Schluck und stellte sie auf den Tisch.
„Sie sind anders, als die Frauen, die Kiah sonst so anschleppt“, konterte er und legte seinen Kopf in den Nacken um die Sterne zu betrachten.
„Ich denk mal, das sollte ein Kompliment werden. Also, sagen Sie es mir“, begann sie.
„Ihr Name war Jenny Ward, sie war süße siebzehn, ich war zwanzig. Ich hab sie auf dem Markt getroffen, sie hatte die schönsten Melonen und ihre Früchte erst“, kicherte er und Danera grinste.
„Und was war dann?“
„Ich war ein kleiner Dieb, wollte grad wissen wer ich war, schlug mich so durch. Sie versorgte ihren Großvater, sie hatte auch keine Eltern, so wie ich. Wir verstanden uns auf Anhieb. Sie wollte in diesen Wald hinter ihrem Haus gehen, ich sagte es wäre zu gefährlich, wegen den wilden Tieren. Sie rannte in den Wald, ich hinterher. Ich hab sie nie wieder gesehen, ich weiß nicht was passiert ist“, erzählte Jarrah und Tränen liefen ihm über das Gesicht.
„Das tut mir so leid für Sie, ehrlich. Ich glaub Ihnen“, versprach sie und griff nach der Flasche. Er tat dasselbe und ihre Hände berührten sich um die Flasche herum.
„Ist nur noch ein Schluck drin“, bemerkte sie.
„Nehmen Sie’s“, ließ er los.
„Danke. Soll ich Sie noch ins Bett bringen?“, stand sie auf. Doch Jarrah schlief laut schnarchend mit dem Kopf nach hinten auf dem klapprigen Campingstuhl.
„Klar, jetzt wo’s spannend wird“, erwiderte sie, nahm die Flinte, legte sie in die Hütte, holte eine Decke und deckte ihn zu. Sie zog die Tür zu und ging zurück ins Bett.
 
Als der Morgen graute, wachte sie mit einem pelzigen Geschmack auf der Zunge auf. Sie ging Richtung Badezimmer, aus dem sie ein sehr vertrautes Geräusch hörte. Jarrah übergab sich.
„Morgen“, rief sie rein.
„Besetzt“, rief er zurück.
„Das merk ich. Lassen Sie mich rein, ich helfe Ihnen“, erklärte sie.
Er schloss auf.
„Ich bin fertig, glaub ich“, lehnte er an der Wand, die Haare im Gesicht.
„Schade um den schönen Whiskey, aber zumindest zeigt das, dass sie kein Alkoholiker sind. Kommen Sie her“, nahm sie einen nassen Waschlappen und wusch sein Gesicht.
„Können wir das mit dem Sie nicht lassen, du hast mich weinen und kotzen gesehen, das verbindet“, bat Jarrah und Danera wusch auch noch seine Haare.
„Klar, ich bin Eagle“, stellte sich Danera mit ihrem Spitznamen vor.
„Miles bitte, ich mag Jarrah nicht besonders. Jarrah ist ein Dieb und ein Lügner“, entgegnete er und sie lächelte ihn an.
„Geht klar, Miles“, nahm sie an und half ihm auf.
„Warum Eagle?“
„Ich hab gute Augen, wie ein Adler und klar ist auch mein Nachname. Meine Kolleginnen haben mir den Spitznamen verpasst. Mir gefällt er. Ich werde nichts sagen, ich hab es versprochen“, gab sie ihm ein Glas Wasser.
„Danke, für alles. Mir geht es besser, jetzt wo ich es erzählt habe. Man, ich sollte nicht mehr auf Stühlen schlafen, das geht echt ins Genick. Wo sind die anderen?“, gingen sie aus dem Badezimmer.
„Keine Ahnung, bin auch grad aufgewacht. Setz dich hin, ich massier dir den Nacken“, erklärte sie und er ließ es sich nicht zwei Mal sagen.
„Bin ich gut, oder bin ich gut?“, freute sich Kiah als sie ins Wohnzimmer kam und die beiden in so einer Vertrautheit sah.
„Sag du es mir, du kannst hier weitermachen, ich geh’ duschen“, ließ sich Danera nicht beirren und ging Richtung Badezimmer zurück.
„Wir haben die Dusche draußen auf der Veranda des Sommerhauses“, erklärte Kiah grinsend.
„Draußen, so richtig draußen?“
„Ja so richtig draußen, keine Sorge, es gibt einen Vorhang“, entgegnete Kiah sichtlich amüsiert.
„Nein, ich dusch nicht draußen. Ich werde eure Nachbarn fragen, ob ich bei ihnen duschen kann“, war das Danera gar nicht Recht.
„Unser Nachbar ist ein verurteilter Sexualstraftäter, aber tu dir keinen Zwang an“, erklärte Jarrah.
„Wo sind Handtücher?“, murrte Danera.
„In der untersten Schublade im Schlafzimmer. Das Handtuch kannst du hinter dem Haus aufhängen. Viel Spaß“, erklärte Kiah und Danera trottete davon.
Als sich Danera gerade ausgezogen hatte, sah sie einen Schatten von draußen.
„Kommt nichts im Fernsehen?“, fragte sie leicht genervt.
„Nichts interessantes um diese Uhrzeit“, erkannte Jarrah von draußen und setzte sich neben sie auf die Terrasse in einen Gartenstuhl.
„Du musst mir dabei nicht wirklich zusehen!“, war sie irritiert.
„Jetzt hab dich nicht so, die einzige junge Frau im Haus ist hochschwanger, ich brauch etwas“, murrte er und las in der Zeitung.
„Ja, einen Playboy. Lass mich allein“, befahl sie und er lächelte.
„Du stehst doch darauf, gib es zu“, erkannte er und Danera schwieg.
„Dein Schweigen sagt alles“, war Jarrah erfreut.
Danera duschte und zog nur eine lange Tunika an.
„Weißt du auf was ich noch stehe?“, stieg sie auf seinen Schoß.
„Was?“ hauchte er erregt.
„Privatsphäre. Kleine, enge Privatsphäre“, hauchte sie in sein Ohr.
„Und jetzt geh’ Zähneputzen, du stinkst aus dem Mund“, stand sie wieder auf und ging ins Haus.
„Hat er dich bedrängt?“, nahm Kiah sie zur Seite.
„Nur harmlos, keine Sorge. Also, was machen wir heute?“, band sie ihre Shorts zu.
„Ich hab einen Arzttermin, willst du mitkommen?“
„Klar, ich fahre. Lasst uns frühstücken“, war sie froh mal etwas Abstand von Jarrah zu bekommen.
Nach einem langen Frühstück gingen sie ins Krankenhaus, wo Kiah das letzte Mal vor ihrem Geburtstermin untersucht wurde.
„Hey Kiah, schön dich zu sehen. Du hast ne Freundin mitgebracht, ist mal was anderes als ständig nur deine Brüder mitzuschleppen“, begrüßte die Ärztin sie beide und Kiah setzte sich erschöpft auf den Untersuchungstisch.
„Das ist Danera Eagle, eine Kollegin und gute Freundin. Sie wird dir heute mal über die Schulter schauen und mir nicht verraten was es wird, sonst kann sie gleich heimfahren“, ließ Kiah ihre Schlappen auf den Boden rutschen.
„Sehr erfreut. Haben Sie auch schon Bekanntschaft mit Miles gemacht?“, strich die Ärztin die Haare aus ihrem Sommersprossengesicht.
„Leider ja, ist er immer schon so charmant gewesen?“, fragte Danera grinsend.
„Oh ja, ich hab in den letzten Monaten des Öfteren seinen Avancen standgehalten. Ich bin froh, dass sie dabei sind, sonst wäre er sicher wieder dabei. Die ersten paar Mal hab ich ihn für den Vater gehalten. Aber er sorgt gut für sie, das kann ich nicht bestreiten. Okay, fangen wir mal an, 6 Tage, bist du aufgeregt?“, redete sie erst mit Danera und widmete sich dann ihrer Patientin.
„Ja, sehr, ich hoffe mein Mann kommt pünktlich heim. Aber ich hab ja eine Hebamme zu Hause, falls es losgeht. Du bist still“, erkannte sie und machte ihren Bauch frei.
„Ich bin still, versprochen“, erklärte Danera und setzte sich auf den Stuhl neben ihr.
„Dann sehen wir mal“, entschied die Ärztin und begann mit dem Ultraschall.
„Ja, das Kind liegt gut, sehr gut. Finden Sie nicht auch?“, sah die Ärztin zu Danera.
„Einwandfrei!“, grinste Danera.
„Was?“
„Ich weiß es!“
„Gut, behalt es für dich!“, grummelte Kiah.
„Tu ich ja. Sieht gut aus. Ich hol mir mal was zu trinken“, ging sie nach draußen.
„Bist du sauer?“, fragte Kiah als sie nach der Untersuchung zum Auto gingen.
„Nein, gar nicht. Rabatin ist nicht oft da, oder?“
„Nicht so oft wie er sollte. Ich hab ihn darum gebeten, dass er in einem Reisebüro arbeitet, in der Stadt, aber er ist ein Abenteurer, das wusste ich schon, als ich ihn kennen lernte. War übrigens gleich hier, an diesem Baum. Ich weiß es noch genau, ich war gerade mal 18, es war Frühling, so wie heute, ich hatte grad erst mit der Ausbildung angefangen. Er hatte sich hier übergeben, er hatte eine hochschwangere Touristin hier ins Krankenhaus gebracht, die ihr Kind in seiner Anwesenheit bekommen hat. Hat er nicht so vertragen. Ich bin ihm hinterher gegangen. Es war nicht der romantischste Moment bei uns, aber es hat gefunkt. Wir führen seit zehn Jahren eine Fernbeziehung, denk ich mal. Ich weiß nicht wie es weitergehen soll“, kamen Kiah plötzlich die Tränen.
„Hey Kleines, das wird schon. Du hast vier Männer zu Hause, die dir helfen können. Ich kann mit ihm reden, wenn du willst“, erwiderte Danera und legte die Hand auf Kiahs Schulter.
„Nein, misch dich da nicht ein, wir haben schon fiel zu oft darüber geredet. Ich hoffe das ändert sich, wenn das Kind da ist. Ich werde ne Weile nicht arbeiten gehen können. Wir brauchen das Geld, da kann ich ihn gerade nicht davon abhalten, diese Fahrten zu machen. Trotzdem ist es gefährlich. Komm, lass uns heimfahren, ich bin müde“, schniefte sie kurz und ging zum Auto.
Als sie grad im Auto saßen, klingelte Daneras Handy.
„Wer zum Henker ist das?“, kramte Danera in ihrer Tasche nach ihrem Mobiltelefon.
„Ja!“, meldete sich Danera etwas fragend.
„Seid ihr endlich fertig?“, fragte eine bekannte Stimme.
„Wer ist da bitte?“
„Miles, also seid ihr?“, schien Jarrah genervt.
„Woher hast du diese Nummer?“
„Sie pinnt am Kühlschrank. Also?“
„Wir kommen gleich. Schlechte Laune?“
„Nein, kommt nur schnell heim“, legte Jarrah wieder auf.
„Ist er stinkig, dass er nicht mit durfte?“, fragte Kiah.
„Scheint so. Wir sollen so schnell wie möglich heim kommen. Er ist echt genervt“, packte sie das Telefon wieder weg.

Achtes Kapitel


Als sie heimfuhren, stand Jarrah schon in der Einfahrt.
„Was ist los?“, sprang Danera aus dem Wagen.
„Komm lass uns reingehen“, bat Jarrah und legte die Hand auf ihre Schulter. Seine ruhige Stimmlage irritierte sie.
„Was ist, jetzt sag schon. Ist was mit Rabatin?“, sah sie aus dem Fenster. Kiah saß noch im Auto.
„Warum kommt sie nicht rein?“
„Unwichtig, jetzt sag schon“, zog sie den Vorhang wieder zu.
„Gerade habe ich von meinem Kontakt aus Welbourn Hills erfahren, dass Rabatin dort nicht angekommen ist. 15 Japaner und Rabatin sind wie vom Erdboden verschluckt“, erzählte er stockend.
„Nein, nicht jetzt. Sie bekommt das Kind, sie müssen so viel klären. Wir müssen das logisch sehen, sie verspäten sich. Ja, sie verspäten sich nur, sie werden bald anrufen“, versuchte Danera Logik in die Situation zu bringen.
„16 Stunden? Das glaub ich eher nicht. Vor allem bei Rabatins Terminkoller. Du kennst ja seine Liste. Er ist penetrant was Termine angeht. Er ruft ständig mit seinem Handy an. Sein Handy? Klar, ich ruf sein Handy an!“
„Natürlich, sein Handy, wenn alles nicht mehr geht, wird sicher das Handy funktionieren“, konterte sie sarkastisch.
„Ich ignorier dich jetzt einfach“, murrte er und wählte die Nummer.
„Der Teilnehmer ist außer Reichweite“, sprach die Bandansage.
„Warum müsst ihr Frauen immer Recht haben?“, knallte Jarrah den Hörer auf die Anlage.
„Weil wir immer Recht haben. Soll ich sie reinholen?“
„Nein, sie spürt es. Sie weiß es. Sie will mitkommen“, erkannte Jarrah und ging zum Fenster.
„Du bist nachts auch in der Traumzeit, oder?“
„Schon eine Weile. Kiah hat dir viel von ihrem Glauben erzählt, oder?“
„Genug. Ich werde sie jetzt reinholen“, erkannte Danera und Jarrah hielt ihren Arm fest.
„Warte, du weißt es, richtig?“
„Ja, schon seit gestern. Was spielt ihr hier für ein Theater?“, bemerkte sie und er setzte sich auf einen Barhocker neben dem Tresen.
„Ihr ist das furchtbar peinlich. Uns allen. Er ist eine Schande. Rabatin ist vor einer ganzen Weile in der Nacht verschwunden. Er ist wirklich so penibel, deshalb passt es echt nicht zu ihm. Die Jungs wissen nichts davon, also erwähn es bitte nicht vor ihnen. Sie denken, dass er auf Tour ist“, erklärte Jarrah stockend.
„Warum sitzt sie immer noch im Auto? Warte, ich sollte es von dir erfahren. Meine Güte, mein Freund hat mich knapp nach der Zeugung meiner Tochter verlassen, ist es ihr so peinlich? Der hatte wenigstens den Anstand sie noch zu heiraten, bevor er verschwunden ist. Hey, was ist? So ist das Leben“, nahm das Danera leicht hin.
„Man, du nimmst das echt leicht auf, ich dachte ihr Amerikaner seit so auf Familie aus und so“, war Jarrah erstaunt.
„Kiah weiß, dass ich allein wohne, meine Tochter weg gegeben und keinen Mann habe. Was soll das alles. Von wegen du hast „die Traumzeit“, du bist ein Weißer verdammt noch mal, du kannst so etwas nicht träumen. Jetzt hol sofort deine Schwester rein“, bat Danera und schüttelte genervt den Kopf.
Das Mittagessen verlief schweigend, was angesichts der vollen Tafel fast beängstigend war.
„Ist was?“, brach Rajiv das Schweigen.
„Es war ein harter Tag, wir sind müde. Iss deine Bohnen“, murrte Kiah und nahm eine gefüllte Gabel in den Mund.
 
In dieser Nacht bekam Kiah Wehen. Danera fuhr allein mit ihr zum Krankenhaus.
Es war fast vier in der früh, als Danera zu Kiah ins Krankenzimmer kam.
„Falscher Alarm, waren wohl nur die Bohnen. Sie wollen mich noch heut Nacht hier behalten, nur zur Vorsicht. Hast du mit Jarrah gesprochen?“
„Nein, schlafen wohl alle tief und fest. Man, die haben das viel zu eng gemacht, Anfänger“, kam sie zu ihr rein und machte den Wehenschreiber lockerer, den sie Kiah fest um den Bauch gebunden hatten.
„Danke, die haben wirklich keine Ahnung. Aber ich weiß jetzt, was es wird. Sie haben mich nicht mal gefragt, ob ich es wissen will, oder nicht!“, konterte Kiah und Danera nahm ihre Hand.
„Ich dachte unser Krankenhauspersonal wäre am schlimmsten. Bei Gias Geburt hab ich zwei Stunden erfolglos nach Eiswürfeln gefragt. Ich hab dir gleich welche mitgebracht, zum Lutschen. Deine Frauenärztin hab ich leider nicht erreicht, ist ja auch mitten in der Nacht. Jetzt schlaf ein bisschen, du brauchst die Kraft. Die letzten Tage sind die härtesten“, konterte Danera und stellte einen Kaffeebecher mit Eiswürfeln neben Kiah auf den Tisch.
„Danke, für alles. Es tut mir leid, dass ich dich so angelogen habe. Ich lüge schon so lange, dass ich dachte, ich könnte dich auch damit täuschen. Weißt du was ich gedacht habe, als das heute Nacht losging?“
„Man sollte alle Männer kastrieren?“
„Nein, ich dachte, Gott sei Dank ist sie da“, sagte Kiah lächelnd.
„Ja, ich bin bei dir. Das mit den Männern hab ich damals gedacht. Jetzt schlaf ein bisschen“, lehnte sich Danera im Stuhl zurück und war kurz danach im Land der Träume.
Durch ein lautes Rascheln wurde sie tags drauf unsanft geweckt. Sie setzte sich wieder richtig auf und sah in die Richtung des Geräusches. Da saß Jarrah und mampfte in aller Ruhe eine Packung Chips.
„Morgen“, begrüßte er sie mampfend.
„Morgen. Wie bist du hier rein gekommen?“
„Ich hab den erzählt, dass ich ihr Mann bin. Glaubt ja sowieso jeder. Ihr hättet wenigstens einen Zettel hinterlassen können“, kam er in gebückter Haltung auf sie zu.
„Entschuldige, wir wollten die anderen nicht aufwecken. Es waren nur Blähungen, wir können sie wieder mitnehmen“, erklärte sie und sie gingen zum Fenster.
„Das hat sie gestern ein bisschen zu sehr aufgeregt, denk ich. Wir sollen sie in den nächsten Tagen nicht mehr aus dem Bett lassen. Kannst du dich darum kümmern, auf mich hört sie nicht“, bat Jarrah und sah zu seiner schlafenden Schwester.
„Sicher, was isst du da eigentlich?“, lugte sie in die Tüte, die er in der Hand hielt.
„Chips. Sind lecker, willst du auch?“, streckte er ihr die Tüte hin.
„Nicht so früh am Morgen, danke. Wie kannst du so was am frühen Morgen essen?“, ekelte sie sich schon vor dem Geruch.
„Mein Bruder isst alles, was ihm in die Finger kommt, egal wie spät es ist. Ich werde das Bett nicht hüten, ich hab einen Haushalt zu führen“, nuschelte Kiah und setzte sich auf.
„Hey, ich bin hier der Einzige der Lauschen darf. Wie geht es dir, große Schwester?“, kam Jarrah zum Krankenbett seiner Schwester.
„Von wegen. Mir geht es ganz gut, wie sehe die Herztöne aus, Danera?“, erwiderte Kiah und Danera ging mit einem Stift durch den Ausdruck am Herzschlagzähler der immer noch an Kiahs Bauch hing.
„Wie es aussieht gut, sie sind regelmäßig. Darf ich mal?“, legte sie ihren Kopf auf Kiahs kugelrunden Bauch.
„Es schläft, es ist ganz ruhig. Gut so, dann hast du erst mal Ruhe“, entschied sie. Just in diesem Moment sprang die Tür auf und eine Ärztin kam zu ihnen.
„Mrs. Seyer, ich wusste doch, ich hab Stimmen gehört. Sie sind also wach, wie schön. Lassen Sie uns mal sehen. Welcher Arzt hat das schon kontrolliert?“, ging die Ärztin gleich auf das Gerät zu. Danera hob beschämt die Hand.
„Sie können da nicht einfach drauf rumkritzeln, das sind Untersuchungen“, nörgelte die Ärztin.
„Ich bin Hebamme, ich weiß was ich tue“, war Danera erbost.
„Hebamme, aber keine Ärztin. Lassen Sie dass, das nächste Mal die Experten machen“, bat die Frau forsch und verschwand wieder aus dem Raum.
„Nimm es nicht so ernst, das tun sie mit mir auch, wenn ich auf der anderen Seite stehe. Sie haben nur grad Mitleid mit mir, weil ich gestern als ich eingeliefert worden bin, die ganze Zeit gejammert habe, dass mich mein Mann verlassen hat und so. Es wird noch eine ganze Zeit vergehen, bis uns die Ärzte akzeptiert haben. Vor allem uns Schwarze. Jetzt will ich aber endlich von diesem Gerät weg, könntest du bitte die Ärztin ganz höflich fragen, ob sie es mir entfernt?“, fragte Kiah und Danera ging nach draußen.
„Du wirst sie heut noch fragen, ob sie mit dir ausgeht“, zischte Kiah ihrem Bruder entgegen.
„Ja, wollt ich eh’ machen, du alte Kupplerin. Willst du was trinken?“, wollte Jarrah wissen und ging los, um seiner Schwester etwas zu holen. Auf dem Gang lief er Danera in die Arme.
„Hey, wo willst du hin?“
„Zum Automaten. Willst du ein Mineralwasser, oder so?“, erkundigte er sich höflich.
„Sicher, klingt toll. Bis gleich“, ging sie weiter und drehte sich nochmals um, als er den Gang hinunterging. In dem halboffenen Hemd und den Bermudas sah er echt heiß aus.
„Wie hast du es eigentlich geschafft, hier her zu kommen, das ist Linksverkehr“, war Jarrah neugierig, als er die beiden Frauen nach Hause fuhr.
„Es war mitten in der Nacht, ich bin einfach ganz normal gefahren“, lehnte sich Danera entspannt zurück.
„Was?“
„Kleiner Scherz, ich kann auf der linken Straßenseite fahren. Ich hatte in Australien eine Bekanntschaft, die es mir beigebracht hat“, erklärte Danera und sah in die Mittagsonne.
„Du hattest schon mal was mit einem Aussie?“, erwiderte Jarrah neugierig.
„Ja, er war ein echt heißer Kerl. Braungebrannt, Surfer, echt heiß“, bemerkte sie und setzte ihre Sonnenbrille galant auf.
„Ach, wirklich. Surfen wird echt überschätzt“, reagierte er eifersüchtig.
„Wie du meinst“, genoss sie seine Eifersucht und sah aus dem Fenster.
 
Während Jarrah Einkäufe ins Haus brachte, saßen die Frauen auf der Bank vor dem Haus und unterhielten sich.
„War dieser mysteriöse Surfer zufällig Janice, unsere Mentorin in Sydney?“ fragte Kiah.
„Hey, ein bisschen Flunkern ist überall erlaubt. Er war doch eifersüchtig, oder wie siehst du das?“
„Er ist grün angelaufen wie eine noch nicht reife Tomate. Er steht auf dich, das merk ich doch. Wie wäre es, ich ruf gleich im Bojangles Saloon an und reserviere einen Tisch für zwei für euch. Es ist wirklich klasse dort und da dich Jarrah heut Abend sowieso einlädt, habt ihr schon einen Tisch“, flüsterte Kiah ihr zu.
„Ich weiß nicht, ob ihm das so gefällt“, war sie sich nicht sicher.
„Er wird es in letzter Minute probieren und keinen Tisch mehr bekommen. Ich kenn ihn und diesen Laden. Das wird wunderbar. Ich freu mich so für euch“, war Kiah begeistert und huschte ins Haus, was auf Grund ihres Umfangs wunderlich aussah.
 
Danera zog gerade ihren zweiten Ohrring an, als Jarrah ins Schlafzimmer kam. Er trug ein schickes marineblaues Hemd, eine saubere Hose und geputzte Schuhe.
„Man, da musstest du aber tief graben um das zu finden“, scherzte sie. Er kam zu ihr an den Spiegel.
„Sei bloß nett zu mir, ich hab einen ganz tollen Tisch in einem angesagten Restaurant reserviert“, prahlte er und half ihr ihre Kette zuzumachen.
„Ich weiß, hat mir deine Schwester schon erzählt. Und wie seh’ ich aus?“, stand sie auf und sie stand sehr nah an ihm, so nah, dass sie seinen Atem auf ihren Stirn fühlen konnte.
„Ich bin zwar kurzsichtig, aber so kurzsichtig auch nicht“, hauchte er ihr entgegen.
„Ja, richtig. Und nun?“, ging sie ein paar Schritte zu Tür.
„Sehr nett, wirklich. Steht dir. Sollen wir?“, schmeichelte er ihr und sie lächelte.
„Ich dachte, wir nehmen Kiahs Wagen, dann bleiben die Klamotten sauber“, öffnete Jarrah für sie die Beifahrertür.
„Gute Idee. Kannst mit du mit Gangschaltung überhaupt umgehen“, stieg sie ein.
„Sicher, ich kann so einiges“, entgegnete er und schwang sich in den Wagen.
Sie fuhren los. Jarrah würgte die Gänge nur so rein.
„Warum könnt ihr Männer eigentlich nie was zugeben, das versteh’ ich nicht“, schüttelte sie den Kopf und griff nach der Schaltung. Mit sanfter Hand führte sie seine Hand in den dritten Gang. Seine Hände waren angenehm warm und sanft, was sie von Männern vorher noch nicht kannte.
„Danke“, gab er nach und sie fuhren weiter.
 
Im Restaurant angekommen, legte er sanft seine Hand auf ihre Hüfte. Das gefiel ihr und so ließ sie ihn machen.
Das Essen war wirklich nicht schlecht. Sie sah ihn lang an und merkte sich seine Gesichtszüge. Sie waren hart, aber gleichzeitig weich. Während des Nachtischs fuhr sie ihm mit den Fingern durch das Gesicht.
Er errötete.
„Du hast eine tolle Haut. Miles, du lässt mich für einen Moment vergessen, wie viel Ärger ich mit Männern vorher hatte“, wurde sie romantisch und kam näher zu ihm.
„Hey Dudes, der Tanzraum wird gleich aufgemacht, das wird ungemütlich“, kam ein Kerl im Surferoutfit zu ihnen und störte sie.
„Willst du noch tanzen gehen?“, konterte Jarrah und Danera sah den Typ in hellgrünen Shorts an.
„Solang ich nicht so rumlaufen muss“, schmunzelte sie.
„Nein, ganz sicher nicht. Geh’ schon mal rein, ich zahl noch schnell“, schickte er sie vor.
 
Es war schon weit über Mitternacht, als sie aus dem Lokal kamen. Sie waren vom Tanzen nass geschwitzt und in bester Laune.
„Man, ich hatte seit Ewigkeiten nicht mehr so einen Spaß. Ich danke dir“, nahm sie seine Hand.
„Das hast du schon. Gehen wir heim, bevor Mum Kiah wahnsinnig macht!“, entschied er und führte sie zum Auto.
„Ich würde das gern wiederholen“, erkannte Danera, als sie in die Einfahrt des Hauses einfuhren.
„Sicher, gern. Sollen wir uns einen Spaß mit Kiah erlauben?“ schlug Jarrah vor.
„Ja, was stellst du dir da vor?“
„Wart es ab“, entgegnete er und stieg aus.
„Was denkst du eigentlich wer ich bin, dein Hiwi, dein Depp vom Dienst?“, brüllte er plötzlich los und Danera zuckte zusammen.
Er machte eine Handbewegung, dass sie weiter machen sollte.
„Tja, du Depp, so ist es eben. Bei mir ist das halt so. Kann man nicht ändern“, spielte sie mit.
„Wusste ich’s doch. Ich hab dich ganz richtig eingeschätzt. Zimtzicke“, tönte er weiter.
„Macho!“
„Das hör ich mir nicht länger an. Gute Nacht!“
„Gute Nacht!“, zischte sie und ging Richtung Badezimmer.
Sie drückte sich gegen die Wand. Er zog seine Schuhe aus und kam zu ihr.
„Wir haben das ganze Haus aufgeweckt, glaub ich. Es war echt schön“, lehnte er sich an sie.
„Find ich auch“, küsste sie ihn trunken.
„Schlaf schön“, ließ er von ihr ab und ging in seine Hütte. Daneras Haut glühte. So ein Gefühl hatte sie noch nie gehabt.
„Nicht verlieben Eagle, nicht verlieben“, sagte sie sich die ganze Zeit vor und kroch zu Kiah ins Bett.

Neuntes Kapitel


Daneras Körper klebte am Laken, als sie an diesem Tag aufwachte. Es war warm und sie schwitzte. Sie hatte immer noch ihr Abendkleid an. Jarrah saß auf seiner Veranda im Campingstuhl und grinste. Er sah glücklich aus. Sie zog ihr ihr Kleid aus und verträumt wickelte sie sich die Decke um und ging auf die Terrasse.
„Hi du“, ging sie auf ihn zu.
„Hi du. Wie hast du geschlafen?“
„Himmlisch. Man, ist das schon heiß, oder bilde ich mir das nur ein?“, schlurfte sie die Decke über den Boden ziehend zu ihm.
„Das ist mein heißes Karma“, schmunzelte er.
„Eingebildet bist du gar nicht“, stieg sie auf seinen Schoß.
„Nein!“, begann er sie zu küssen.
„Wo sind die anderen?“
„Keine Ahnung. Ist das wichtig?“
„Nein, eigentlich nicht“, bemerkte sie und küsste ihn weiter.
„Jarrah, was zum Henker machst du da?“, kam Kiah zu ihnen raus.
„Hör auf damit, er lernt es wohl nie. Ich wollt nur duschen“, stieg sie von ihm runter und stieg unter die Dusche.
„Hör auf meine Freundin zu belästigen, ja?“, schimpfte Kiah und nahm die Decke vom Boden.
„Warum ist die Decke so dreckig?“
„Sorry, ich werde sie waschen. Geh’ zurück auf dein Sofa“, streckte sie den Kopf aus der Dusche heraus.
„Schon gut, ich wollt sowieso waschen. Wir frühstücken gleich“, ging sie zurück ins Haus.
„Willst du es geheim halten?“, fragte sie ihn.
„Nein, ich werde es ihr sagen, war nur nicht der passende Moment“, versprach er und  sie duschte sich.
 
„Ich hab ne kleine Frage“, mampfte Kiah ihr Frühstücksbrot und sah Danera an.
„Dann frag schon!“
„Warum tut ihr immer noch so, als würdet ihr beide euch nicht ausstehen können?“
„Wie bitte?“
„Ich weiß was bei euch gelaufen ist“, gab Kiah zu und nahm ihr Milchglas in die Hand.
„Du hast uns nachspioniert?“, wurde Danera nervös.
„Nein, ich hab spionieren lassen. Für was hat man kleine Brüder!“, erwiderte sie und nahm einen großen Schluck Milch.
„Und was hast du raus gefunden?“
„Das ihr ziemlich heiß getanzt haben sollt“, konterte sie und stellte ihr Glas wieder ab.
„Kam wohl nichts im Fernsehen, oder?“ fragte Jarrah peinlich berührt.
„Wie ihr den Lambada getanzt habt, besser als Kiah und Rabatin in ihren besten Zeiten“, erklärte Cico und Kiah sah ihren jüngsten Bruder an.
„Was? Jeder Junge hat sich schon mal heimlich in das Lokael geschlichen, ich halt etwas öfters. Bei denen hat die Tanzfläche gebrannt, so wie bei euch. Wenn Rabatin zurückkommt, müsst ihr mal gegen einander antreten“, entschied Cico und seine Brüder sahen ihn an.
„Okay, ich mach es nie wieder, zumindest bis ich volljährig bin. Dann hoffentlich mit einer eigenen Partnerin. Kiah, was ist los? Du wirst so bleich“, sah er seine Schwester an, die sich den Bauch hielt.
„Ich hab wohl zu schnell gegessen, ich leg mich lieber wieder hin“, murmelte sie und ging ins Schlafzimmer zurück.
„Hab ich was Falsches gesagt?“
„Nein, mach dir keine Sorgen“, ging Jarrah zu seiner Schwester.
„Ich muss es ihnen sagen. Sie müssen es verstehen“, brach Kiah in Tränen aus und ihr Bruder setzte sich links von ihr aufs Bett.
„Ich werde es tun. Du solltest dich schonen“, setzte sich Danera auf die andere Seite des Bettes.
„Ich freu mich so, dass ihr beide zusammen seid. So wie ihr euch gestritten habt, muss es ja nachher ziemlich zur Sache gegangen sein“, lenkte Kiah ab.
„Kiah, wir kennen uns erst ein paar Tage!“
„Das war für mich und Rabatin auch kein Hindernis. Kann man eigentlich aufhören, jemanden zu lieben?“
„Ich weiß es nicht, ich hab noch keine wahre Liebe für jemanden empfunden“, gestand Danera.
„Sie wird schwächer, wenn man jemandem neuen begegnet, fort ist sie nie ganz“, sah Jarrah, Danera an.
„Ich will niemanden anderes, deshalb hab ich Rabatin geheiratet“, fing Kiah wieder an zu weinen.
„Kiah, Kleines, ich hab eine wunderbare Idee. Ich wollte sowieso etwas ins Outback fahren, wie wäre es, wenn mich Danera begleitet und wir suchen deinen Mann“, schlug Jarrah vor.
„Sex auf der Ladefläche eines Pick-Ups? Das geht echt ins Kreuz, das kann ich euch sagen!“
„Hast du mir zugehört, ich werde deinen Mann suchen gehen!“
„Du wirst ihn nicht finden, wenn er nicht gefunden werden will. Er ist im Outback aufgewachsen“, fand das Kiah nicht so gut.
„Ich werde ihn finden und ihn persönlich an seinen Ohren hierher zerren. Denn ich kann nicht mit ansehen, dass du dich länger quälst. Bist du damit einverstanden, Danera?“
„Outback, klingt klasse. Ich werde meine Sachen packen“, freute sich Danera und ging zum Schrank.
„Ihr wollt das wirklich machen?“, war Kiah jetzt etwas verwirrt.
„Ja, schon. Keine Sorge, Mum wird dir alles bringen, was du willst, die Jungs werden einkaufen gehen und so weiter. In ein paar Tagen sind wir wieder da“, ging er aus dem Zimmer um zu packen.
„Vor der Geburt natürlich, ich bin ja extra deswegen gekommen.“, packte Danera zusammen.
„Ihr werdet ihn nicht finden“, wiederholte Kiah ihre Aussage.
„Gut, dann haben wir vier Tage Sex in einem Pick-Up. Nicht das schlimmste Sex-Erlebnis, das ich hatte, diese alten Buicks sind nicht so stabil, wie sie angepriesen werden. Ich brauch noch Sonnenmilch“, ging sie ins Badezimmer um ihre Sonnenmilch zu holen.
„Auf einer Klippe“, kam Jarrah zu ihr ins Badezimmer.
„Wie meinen?“
„Mein schlimmstes Sex-Erlebnis. Das einzige was da steif wird, ist dein Nacken. Nicht zur Nachahmung empfohlen. Ich hab Vorräte eingepackt, die werden wir brauchen. Hast du Wanderstiefel dabei?“
„Nein, ich besitz so was leider nicht“, schmunzelte sie über seine Geschichte.
„Turnschuhe, irgendwelche Schuhe mit dem du Rennen kannst?“
„Es beunruhigt mich etwas. Vor was müssen wir denn wegrennen?“, nahm sie ihre Zahnbürste.
„Vor Raubtieren, Kängurus, oder mir?“, witzelte er und zog sie an sich.
„Das glaub ich. So wie du aussiehst. Willst du dich nicht noch rasieren, wir werden ein paar Tage vermutlich nicht viel dazu kommen, uns zu waschen. Gut, dass ich immer feuchte Tücher dabei hab. Wir werden noch welche kaufen und Turnschuhe. Sollen wir sie wirklich allein lassen?“, fragte sie und sah zu Kiah.
„Die anderen sind ja da. Ich werde noch meiner Mutter sagen, was wir vorhaben, dann fahren wir in die Stadt und besorgen noch ein paar Sachen. Man, ihr Amis habt es echt mit eurer Reinlichkeit. Stimmt das wirklich, chlort ihr euer Trinkwasser?“, wollte er wissen, als er aus der Tür ging.
„Ja, ihr nicht?“
„Ja, wenn es verseucht ist. Aber ich trink seit fast 30 Jahren aus einer Regenrinne mein Wasser. Warum tut ihr das?“
„Ich hab keinen blassen Schimmer, wegen Keimen oder so. Wir werden Wasser kaufen gehen, am besten Kanister. Ich werd ne Liste machen, was wir mitnehmen“, schlug sie vor.
„Wir müssen im Pick-Up auch schlafen, also nicht zu viel. Wir brauchen noch Schlafsäcke und Iso-Matten. Die müssen in der Holzkiste im Wohnzimmer liegen“, rief er ihr entgegen und sie ging, um die Sachen zu holen. Danera zog die Decke von einer alten Holztruhe und öffnete sie. Sie quietschte furchtbar.
Sie zog zwei Iso-Matten und die Schlafsäcke aus der Kiste. Dabei fiel ihr ein Foto entgegen. Erst dachte sie, dass wäre Jarrah auf dem Bild, der selbe Bart, dieselben Augen. Aber es war nicht Jarrah.
„Wer ist das da auf dem Bild?“, kam sie mit dem Bild zu Kiah ins Zimmer.
„Das ist Rabatin, verdammt ich dachte, ich hab alle Bilder verbrannt, das tut mir leid, Kiah“, schnappte Jarrah das Bild, der bei Kiah im Zimmer war, bevor Kiah es in die Hand bekam.
„Er sieht aus wie du, ist dir das schon aufgefallen?“, fragte Danera und hielt das Bild neben sein Gesicht.
„Erst mein Vater, dann mein Mann, du bist echt verknallt in ihn, wenn du in jedem Mann Jarrah siehst“, konterte Kiah und Jarrah grinste zufrieden.
„Ich wusste gar nicht, dass er weiß ist“, erklärte Danera.
„Für eine weiße, hast du eine seltsame Einstellung, was weiße Menschen angeht“, erwiderte Jarrah und Kiah nahm ihm das Bild ab.
„Das Bild konnt ich vor dir retten, was fällt dir ein meine wenigen Bilder die ich von meinem Mann hab zu verbrennen?“, zeterte Kiah und legte das Bild auf ihren Nachttisch.
„Oh Gott, du denkst doch nicht, dass du schwarz bist, so wie dieser Eminem-Typ von MTV?“, witzelte Danera.
„Jetzt spinn nicht rum!“
„Hast du mit deiner Mutter gesprochen?“, fragte sie Jarrah und der nickte.
„Du wirst im Bett bleiben, du hast genug Leute, die dir was bringen können, ja?“, bat Jarrah, als die beiden aufbrachen.
„Versprochen. Ihr lasst euch nicht töten, okay?“, nahm sie Jarrah in die Arme.
„Wir werden es versuchen!“
„Wo wollt ihr eigentlich anfangen zu suchen?“
„Zerbrech dir nicht den Kopf darüber, wir werden jede hundert Meilen Meldung geben. Kann ich das Bild haben? Ich verspreche ich verbrenn das nicht, das nehm ich mit zum Fragen, ob ihn jemand gesehen hat. Du kriegst es wieder heil zurück. Bist du bereit, Danera?“, fragte Jarrah und sie drückte ihre Freundin zum Abschied und gab dabei ihrem Bruder das Bild zurück.
„Lass uns fahren, bevor ich noch zu viel Angst davor krieg“, entgegnete sie und nahm ihre Tasche.

Zehntes Kapitel


Sie kauften alles was sie brauchten, vielleicht etwas mehr und fuhren Richtung Adelaide, weil Rabatin aus der Richtung kam und vielleicht dorthin zurückgekehrt war.
„Willst du Musik hören?“, fragte er und klappte die Sonnenblende hinunter.
„Sicher“, entschied sie und lehnte sich im Sitz zurück.
Es erklang ein Song von Barry White. Sie rutschte unruhig im Sitz herum.
„Was ist, ich dachte du magst Barry White?“, wunderte er sich und zog seine Stirn in Falten.
„Ein bisschen zu viel!“
„Wie meinst du das?“
„Du zwingst mich nicht wirklich, das zu sagen!“
„Jetzt sag schon!“
Sie machte die Kassette ruckartig aus.
„Ich werd immer scharf, wenn ich Barry White höre, wirklich scharf“, schnaufte sie.
„Wirklich?“, fragte er mit einem amüsierten Unterton.
„Ja, wirklich!“
„Gut zu wissen“, erwiderte er mit einem breiten Grinsen.
„Das ist nicht witzig. So ist Gia entstanden“, murrte sie und er machte das Radio an.
„So gut also. Bei mir ist es Jasmin!“
„Wirklich, du stehst auf Jasmin?“
„Nicht absichtlich, aber kein Wort zu den anderen!“
„Das ist witzig, meine Mitbewohnerin heißt Jasmine. Das muss ich ihr erzählen“, griente sie.
„Kein Wort, zu niemanden!“
„Okay, kein Wort!“
Sie fuhren ein paar Minuten schweigend weiter. Sie hörten das Wasser in den Wasserkanistern im Kofferraum herumplatschen.
„Ich glaub, wir haben zu viel Wasser gekauft“, entgegnete Danera und Jarrah grinste sie an.
„Das glaub ich auch, aber wenn wir erst mal im Outback sind, sind wir sicher froh, Wasser zu haben. Ich denke nicht, dass wir ihn finden“, erstarb plötzlich sein Lächeln.
„Sie wird auch nicht daran glauben, aber wir können es versuchen. Hey, ich hab ne Idee. Weißt du ob hier in der Nähe ein Copy-Shop ist?“
„Ein was?“
„Ein Copy-Shop, da wo man Kopien machen kann“, konterte sie.
„Ich weiß was ein Copy-Shop ist, ich war nur verwirrt, warum dir das jetzt plötzlich einfällt“, erwiderte er und sah sie böse an.
„Entschuldige. Wir haben doch sein Bild, wir schreiben einfach eine Vermisstenanzeige und hängen sie in jeder Stadt an den Bahnhof. Irgendwo hier muss er doch mal gewesen sein“, schlug sie vor.
„Besser als gar nichts. Wir werden in die nächste Stadt rein fahren, das müsste Finke sein, nein Kulgera, man ich bin etwas von der Route abgekommen. Wie auch immer irgendwas zum Kopieren werden die da haben. Was ist?“, bemerkte er und sie sah ihn an.
„Du bist der erste Mann, den ich kennen gelernt hab, der zugibt, sich verfahren zu haben“, belächelte sie die Situation.
„Ich hab mich nicht direkt verfahren, nur verfranzt!“
„Verfranzt, ach so, dass ist was anderes. Gut, fahren wir nach Kulgera. Ich muss sowieso mal auf Toilette“, schmunzelte sie und sie fuhren von der Schnellstraße.
Als sie im Copy-Shop waren, ging Jarrah in einen Nebenraum um zu kopieren, Danera setzte sich auf eine Bank neben ein Touristenpärchen, die eine Karte lasen.
„Verfahren, was?“, fragte sie etwas unverschämt.
„Nein, wir planen nur unsere nächste Route. Hey, eine Landsmännin, die erste, die wir bis jetzt treffen. Urlaub oder Aussteigerin?“, fragte der Mann neben ihr.
„Urlaub. Mein Freund und ich suchen jemanden!“, erzählte sie.
„Sie sind im Urlaub und suchen jemanden?“
„Lange Geschichte. Miles, gibst du mir mal das Foto?“, rief sie hinter den Vorhang und sein behaarter Arm streckte das Foto heraus.
„Das ist er, ist er Ihnen schon mal begegnet?“, zeigte Danera dem Pärchen das Bild.
„Nein, leider nicht. Hat ein bisschen was irisches. Viel Glück!“
„Ich hab mal zwanzig gemacht, reicht das?“, zeigte Jarrah seiner Freundin die Kopien.
„Denk schon. Hey, das ist meine Handy-Nummer“, sah sie die Kopien an.
„Wo sollen sie sonst anrufen, zu Hause? Komm lass uns gehen, es ist heiß hier drin“, wischte er sich den Schweiß vom Gesicht, der in seinem Bart hängen blieb.
„Ist das Ihr Bruder?“, fragte die Frau Jarrah und zeigte auf die Kopie.
„Nein, mein Schwager. Was ist, ich schwitze echt“, schien Jarrah die Hitze nicht so gut zu tun.
„Er sieht Ihnen aber sehr ähnlich“, ließ sich die Frau aber nicht von ihrem Gedanken abbringen.
„Süße, bist du auf dieser Bank fest geschmolzen?“, war das Jarrah unangenehm.
„Hier, nehmen Sie das, wenn Sie jemanden sehen der so aussieht, oder jemand jemanden kennt der so aussieht, rufen Sie die Nummer an. Sie sollten sich Sydney angucken, tolle Stadt. Ich komm ja schon, was bist du so unhöflich?“, stand sie auf.
„Schönen Tag noch“, rief die Frau ihr hinterher, als sie von Jarrah herausgezogen wurde.
„Amis, so was von aufdringlich“, murrte Jarrah vor sich hin.
„Hey, ich hab sie angesprochen. Was ist mit dir los?“, fragte sie genervt.
„Mir wird ständig gesagt, dass ich so aussehe wie er, dass kotzt mich an“, erkannte er und band sich sein Halstuch um den Kopf.
„Jetzt siehst du aus wie Rambo. Ich werd noch eins am Bahnhof aufhängen, dann können wir los. Ist wirklich alles in Ordnung mit dir?“
„Alles bestens, es ist nur die Hitze. Ich werde schnell mal Kiah anrufen“, ging er zu einer Telefonzelle.
 
Sie lag auf der heißen Kühlerhaube und bräunte sich, als er zurückkam. Sie hatte ihr T-Shirt bis zum Busen hochgezogen und die warmen Strahlen kitzelten ihren Bauch.
„Hey, genießt du deinen Urlaub? Ich hab nur Cico erreicht, sie schläft gerade ein bisschen. Wie du so da liegst, brauch ich kein Jasmin um in die Gänge zu kommen. Hast du irgendwelche sexuellen Vorlieben?“, stellte er sich breitbeinig vor sie und küsste ihren nackten Bauch. Der Bart kribbelte angenehm auf ihrem Bauch, so wie vorher die Sonne.
„Das kommt schon sehr nah ran an das was ich vorziehe. Wir sollten besser etwas raus aus der Stadt, die Leute starren schon“, zog sie sanft an seiner Mähne und er sah sie nun über ihren Bauch hinweg an.
„Na und, mir gefällt es. Jetzt kennst du einer meiner sexuellen Vorlieben. Wir sollten wirklich weiter fahren“, gab er ihr einen letzten Kuss auf den Bauch und ließ sie frei.
„Erst heiß machen und dann das. Dann bleibt aber das Autoradio aus!“, murrte sie verspielt und rutschte herunter vom Blech.
„Ich bin froh, dass wir endlich einmal allein sind“, liebkoste er sie und sie lächelte dabei.
„Ganz meiner Meinung. Ich glaub ich muss mir noch ein Eis kaufen, mir ist so heiß“, stöhnte sie gespielt und lief die Straße entlang zu einem kleinen Supermarkt.
Jarrah tackerte eines seiner Plakate an einen Pfosten an der Straße. Die Leute sahen auf das Bild und dann auf ihn und schüttelten den Kopf.
 
„Kann ich dich mal was fragen?“, wollte Jarrah wissen, als sie im Auto saßen und die veraltete Klimaanlage warm laufen ließen. Danera lutschte genüsslich an ihrem Wasser-Eis und nahm es zum Antworten aus dem Mund.
„Sicher, solang es nichts mit meinen Ex-Partnern zu tun hat!“, grinste sie durch ihre klebrigen rosa Lippen.
„Seh’ ich ihm wirklich so ähnlich?“ ließ ihn das Thema nicht los.
„Sieh’ es dir an!“, entschied sie und klemmte ein Vermisstenplakat an den Rückspiegel. Jarrah sah das Bild an und verglich es mit seinen Konturen.
„Vielleicht sind wir ja Brüder, ich meine ich weiß nicht wo ich her komme, geschweige denn wo er herkommt. Ich meine ich bin ganz eindeutig der hübschere von uns beiden. Ich kann mich auch irren, ich hab so viele Aborigines in letzter Zeit gesehen, dass ich Probleme von Gesichtszügen von Weißen habe. Ich weiß nicht recht!“, überlegte er laut.
„Das ist irgendwie gruselig, grob gesehen wären dann Rabatin und Kiah Geschwister. Nein, ich will diesen Gedanken nicht weiterdenken, das wäre makaber. Keine leiblichen Geschwister, du weißt schon was ich meine“, redete sie auch mit.
„Ich find das eher grusliger dass ich mit ihm verwandt sein könnte. Ich meine im Moment bin ich nicht gerade gut auf ihn zu sprechen. Nein, ich stell mir das nicht vor. Man, warum bringst du mich auf solche Gedanken?“, konterte er und riss das Plakat wieder vom Rückspiegel ab.

Elftes Kapitel


Zwei Städte später suchten sie sich ein Motelzimmer, weil Jarrah seiner Freundin eine Nacht im Freien doch nicht zumuten wollte, zumindest nicht die erste Nacht des Trips.
„Das ist das schäbigste Motel das ich je gesehen habe“, schmiss sie ihren Rucksack auf das Bett.
„Du kannst auch auf der Ladefläche des Pick-Ups schlafen, wenn dir das nicht passt“, schien Jarrah nicht in bester Laune zu sein.
„Wenn du so weiter machst, machst du das“, sah sie in das Badezimmer das nicht wirklich sauber war.
„Entschuldige, die Hitze macht mich fertig“, log er nicht gerade gut.
„Dir geht es sehr nah, dass die ihn alle für deinen Bruder halten, richtig?“
„Sagen wir es mal so, ich bin nicht grad glücklich darüber. Hast du Hunger?“, öffnete er das Fenster des Motelzimmers und lehnte sich aus dem Fenster um die Abendluft zu genießen.
„Nicht besonders, du?“
„Ich werde ein paar Eiswürfel und was zu trinken Einkaufen fahren“, schlug Jarrah vor.
„Dann bring was zum Verhüten mit, ich weiß nicht wie der Tag endet wenn ich was getrunken habe“, schmunzelte sie und kam langsam auf ihn zu.
„Schön würde ich sagen. Ich beeil mich“, küsste er sie kurz aber heftig und verschwand aus der Tür.
„Man, warum hab ich das gesagt? Ich will das nicht, nicht jetzt, nicht so früh“, redete sie mit sich selbst und nahm ihr Handy in die Hand.
„Hi Lea, stör ich dich?“, meldete sie sich bei ihrer Freundin.
„Du rufst aber spät an, ich dachte du meldest dich gleich nach der Landung. Wie geht’s dir?“
„Wunderbar, ich werde gleich mit einem Mann schlafen“, erklärte sie nervös.
„Und du rufst mich an um mich daran zu erinnern, dass mein Bananen-Schokoladen Muffin den ich grad in der Hand halte meine Befriedigung für diesen Tag bleibt?“, konterte sie keck.
„Nein, ich brauch deinen Rat!“
„Ich geb dir einen Rat, werd nicht wieder schwanger. Noch einen Rat?“, begann Lea zu essen.
„Ich kenn den Kerl gar nicht“, bemängelte Danera und hörte nur schmatzen am anderen Ende der Leitung.
„Glückwunsch, ein Problem weniger. Wie ist das Wetter bei euch?“
„Hast du mir überhaupt zugehört?“
„Ja, hab ich. Ich hab Probleme mit einem Kerl den ich zu gut kenne, weil er ständig in meiner Nähe ist, freu dich, vielleicht siehst du ihn nie wieder“, hatte sie fertig gegessen und sie hörte Straßenlärm im Hintergrund des Telefonats.
„Ist Vance wieder aufgetaucht?“
„Ja, keine Sorge er ist nicht in meine Nähe gekommen. Ich hab ihn nur in der Stadt gesehen, als ich mit den Kindern Klamotten fürs nächste Schuljahr gekauft habe. Er hat mich nur erschreckt, nichts weiter. Ich bin grad auf dem Weg zur Arbeit, weißt du eigentlich das Jones für dich Doppelschichten schiebt?“
„Nein, der Arme. Gib ihm einen dicken Kuss von mir. Wirklich alles in Ordnung bei dir?“, war Danera besorgt.
„Ja, Jones zeigt mir ein paar Griffe zur Selbstverteidigung und die Kinder werden von meiner Schwester betreut, wenn ich lang arbeiten muss. Genieß deinen Urlaub mit Mr. Unbekannt. Ich will morgen Details wissen. Also ich muss jetzt“, legte sie wieder auf.
Lea hatte Recht, sie war jung, er war heiß, was sprach dagegen. Dass sie sich ernsthaft verlieben könnte vielleicht?
 
Um ihn zu überraschen zog sie sich schon mal bis zur Unterwäsche aus und legte sich unter die Bettdecke bis er zurückkam.
„Hi“, begrüßte sie ihn verspielt und er stellte den Bourbone auf den Tisch.
„Hi, Vorspiel magst du wohl nicht so oder?“ war er überrascht.
„Es ist heiß“, erklärte sie und warf mit einem Schwung die Bettdecke zur Seite.
„Es wird noch viel heißer“, zog er sein verschwitztes T-Shirt aus und krabbelte zu ihr aufs Bett.
„Hast du was dabei?“, war sie vorsichtig.
„Klar, hab ich doch versprochen, aber keine mit Erdbeergeschmack“, erklärte er grinsend und begann ihren Bauch zu küssen.
„Woher weißt du, dass ich auf Erdbeeren stehe?“
„Erdbeerkaugummi, Erdbeerlipgloss, da muss man kein Spezialist sein, um darauf zu kommen“, schmunzelte er und sie begann seine Hose zu öffnen.
„Du solltest aufhören fremde Frauentaschen zu durchwühlen“, erklärte sie.
„Geht klar. Man, da wart ich jetzt schon den ganzen Tag drauf“, begann er sie im Nacken zu küssen.
 
Ein leichter Windstoss strich über ihre nackten Beine als sie in dieser Nacht nur mit der Überdecke um ihren Körper geschwungen am Fenster saß und nachdachte.
Jarrah schlief mit dem Kopf fest ins Kissen gedrückt, als würde er es liebkosen. Sie hatte vergessen wie sehr sie das vermisst hatte. Es war wunderschön gewesen. Endlich fühlte sie sich nicht mehr so altbacken.
„Morgen“, weckte er sie ganz sanft am nächsten Tag. Sie lag mit dem Kopf auf seinem Rücken, an den sie sich in dieser Nacht gelehnt hatte.
„Morgen, du bist noch da“, freute sie sich.
„Vor allem weil du auf mir drauf liegst“, witzelte er.
„Nur deswegen?“
„Teilweise und weil meine Beine taub sind“, konterte er und sie rollte sich herunter.
„Bereust du was?“, fragte sie vorsichtig.
„Ja!“
„Wirklich?“
„Ja, ich hätte dich gleich in diesem Zug nehmen sollen, ich wusste gar nicht was ihr Amerikanerinnen so alles drauf habt“, erklärte er und nahm sie in den Arm.
„Eingebildet bist du gar nicht“, war sie erleichtert und er küsste sie.
„Ein bisschen eingebildet darf man immer sein. Du darfst dir darauf auch was einbilden, wenn du willst. Wir sollten langsam weiter“, entschied er, küsste sie ein letztes Mal auf die Nase und ging ins Bad um noch mal zu duschen.

Zwölftes Kapitel


Als Danera nach ihrem Frühstück an der Tankstelle nebenan zurückkam, hatte Jarrah Barry White voll aufgedreht.
„Du bist so fies, ich erzähl dir nie mehr was“, erkannte sie mampfend und setzte sich auf den Beifahrersitz.
„Wir könnten doch noch etwas hier bleiben, im Bett, du hast doch Urlaub“, schlug er säuselnd vor und fuhr über ihr Bein.
„Wir wollten deinen Schwager finden, schon vergessen?“, hatte sie auf gegessen und drehte das Radio aus.
„Spielverderberin, ich denke vielleicht ist sie ohne ihn besser dran. Sie hat selbst gesagt, sie weiß nicht mal, ob sie ihn noch liebt“, verteidigte sie sich.
„Das muss sie sagen, dass es nicht so wehtut. Wir werden ihn finden und ihn an seinen Eiern zurück zu seiner Frau schleppen. Auch wenn ich meinen Urlaub dafür opfern muss“, war sie zielstrebig.
„Autsch, das tut sicher weh“, erklärte er trocken.
„Oh, ja da kannst du Gift drauf nehmen. Jetzt fahr los“, lächelte sie ihn an und er ließ den Motor vibrieren.
„Wo sind wir jetzt?“, fragte Jarrah, Danera die mit einer Karte auf dem Schoß einen Schokoriegel mampfte.
„Kurz vor Port Lincoln. Arg weiter kommen wir nur mit dem Auto wohl nicht“, bemerkte sie schmatzend und hielt ihm den Riegel hin, dass er abbeißen konnte.
„Wir sind ganz schön weit gekommen. Wir sollten am Hafen rumfragen, könnte ja sein, dass er ein Boot genommen hat. Das wäre mir ganz recht, dann wäre unsere Suche hier zu Ende. Langsam geht mir das hier auf den Senkel“, mampfte er.
„Dein Enthusiasmus ist wirklich umwerfend, aber du hast Recht, das wäre wirklich das Ende der Reise“, erkannte sie und packte die Karte weg.
 
Drückende Hitze erwarteten sie in Port Lincoln. Es war ein geschäftiges Treiben in der Nähe des Hafens. Sie parkten den Wagen etwas versteckt und um ihn vor Autodieben zu schützen legten sie alte Pappkartons auf den Wagen.
Hand in Hand gingen sie durch die Menschtraube am Hafen. Es war Mittagszeit und ein Markt präsentierte sich ihnen in aller Pracht. Da gab es die Fischhändler die fast so grausig stanken wie ihre Waren, die Aborigines die Schmuck anboten und sie wanderten mittendurch.
„Gut, viele Menschen, vielleicht hat ihn jemand gesehen“, freute sich Danera.
„Ich hasse Menschenmengen“, grummelte er und schob ein Tuch von einem Stand zur Seite durch das er ging.
„Ich mag sie auch nicht besonders, aber umso mehr Menschen, umso mehr Augenzeugen. Ich werde ein paar Flugblätter aufhängen, befrag du ein paar Menschen, am besten die Männer, Fischer oder Jäger, irgendjemand, der viel unterwegs war“, plante sie und schon hatte sie seine Hand losgelassen und war in der Menschenmenge verschwunden.
„Weibsbild, so ein Dickkopf“, drehte er sich um und sah sich um.
„Okay, wen nehmen wir denn“, pickte er sich jemanden heraus. Ein alter Fischer mit weißem Bart war sein Opfer.
„Hey Seemann, ich such jemanden, kannst du mir helfen?“, fragte er den alten Fischer.
„Kommt darauf an, wen du suchst“, sprach der alte Mann mit einem schroffen australischen Akzent.
„Einen Mann, meinen Schwager. Er hat meine Schwester hochschwanger sitzen lassen, der Halunke. Ich hol ihn zurück wo er hingehört“, erklärte Jarrah deutlich und zeigte ihm das Bild.
„Pack, mit denen will ich nichts zu tun haben“, sagte der Mann abweisend.
„Sie kennen ihn?“, freute sich Jarrah.
„Nicht persönlich, ist mir auch ganz Recht. Lumpenpack, Barbaren, leg dich nicht mit denen an, Junge, das kostet dich dein Leben“, riet der alte Fischer ihm und verwirrte Jarrah damit.
„Danke für den Rat, geben Sie wenigstens einen Tipp wo ich ihn finden könnte“, bat er.
„Verschwinden Sie, nehmen Sie Ihre kleine Freundin und machen Sie die Biege. Keine Fragen mehr“, flüsterte er ihm entgegen und ängstigte ihn damit.
„Okay!“, ging er ein paar Schritte zurück und atmete tief durch.
„Was ist?“, stieß er auf Danera die zurückgekommen war.
„Das war jetzt grad gruselig, ich glaub Rabatin gehört irgendeiner Sekte oder so was an. Dem Typen den ich grad befragt hab, ist ganz schön die Muffe gegangen. Wir sollten hier verschwinden“, hatte Jarrah Angst in den Augen.
„Von wegen, das ist eine heiße Spur, wir sollten dem nachgehen“, schlug sie vor.
„Das ist zu gefährlich, du willst doch nicht in einer Kiste heim fliegen, oder?“
„Sei nicht so Melodramatisch, bis jetzt kennen sie uns noch nicht, wir werden erst mal sehen was wir machen können“, tat sie das ab.
„Gut, dann hol ich erst mal was aus dem Auto“, gab er nach und nahm sie an die Hand.
„Was willst du holen?“ war sie neugierig, als er stur zum Auto lief.
„Sicher nicht meinen Schlafsack“, erklärte er und band eine Seite der Ladefläche des Pick-Ups auf um seine Flinte herauszuholen.
„Du kannst doch nicht durch die ganze Stadt mit einer Schrotflinte laufen“, erklärte sie und er schulterte die Flinte.
„Das ist eine Stadt voller Wilderer, da fall ich gar nicht auf. Da wissen sie wenigstens das sie mich nicht unterschätzen können“, erkannte er und zog seinen Hut in die Stirn.
„Du weißt schon, dass du nicht Crocodile Dundee bist, oder?“, schmunzelte sie und er ging an die Vorderseite des Pick-ups um etwas aus dem Handschuhfach zu holen.
„Nein, Crocodile Dundee hatte nicht so coole Waffen“, legte er ihr eine Smith & Wessen in die Hand.
„Ich werde keine Waffe bei mir tragen“, war Danera verwirrt.
„Doch, das wirst du. Wenn ich da rein gerate, wirst du mir meinen süßen Hintern retten“, erklärte er und steckte die Waffe in ihren Rucksack.
„Ich werde dir eher in deinen süßen Hintern schießen. Ich hab so was noch nie in der Hand gehabt“, konterte sie.
„Dann bringst du wenigstens niemanden um. Komm jetzt“, machte er ihren Rucksack zu und zog sie etwas unsanft wieder auf die Straße zurück.
Als sie zurück zum Hafen liefen, tippte Danera auf ihrem Handy herum.
„Was zum Henker machst du da?“, blieb er stehen.
„Ich ruf meine Familie an, weil ich nicht die Hoffnung hab hier noch mal lebend raus zukommen“, erklärte sie, während sie am Telefon wartete.
„Glaubst du nicht, du reagierst jetzt etwas melodramatisch?“, kritisierte er und sie legte ihren Zeigefinger auf seinen Mund als sie Lea erreichte.
„Hey, ich hoff ich hab dich oder die Kinder nicht geweckt, ich wollt euch nur sagen, wie lieb ich euch hab und das ihr mir immer eine Familie wart. Ihr sagt doch meiner Tochter eines Tages dass ich ihre Mutter bin, wie ich es vorhatte“, redete sie mit Lea.
„Nein, mir geht’s gut, ich hab nur grad eine Waffe in meiner Tasche. Nein, so schlecht war er nicht, dass ich mir das Leben nehmen will. Obwohl hier gibt es auch schöne Brücken, ja er steht neben mir. Ja, ich hab einen schönen Urlaub, ich hab euch nur länger nicht mehr gesagt, wie lieb ich euch hab. Ja, du musst zur Arbeit, ich verstehe. Bis dann“, legte sie wieder auf.
„Das war nicht deine Familie richtig?“
„Nicht meine Blutsverwandten, doch aber meine Familie. Meine beste Freundin Lea mit ihren Kindern. Ich sollte meinen Großvater noch anrufen“, erkannte sie und wählte erneut.
„Süße, wir werden das überleben, ganz sicher. Jetzt komm her, ich will nicht sterben ohne das noch einmal gemacht zu haben“, zog er sie an sich und küsste sie lange und intensiv.
„Man, das Gefühl muss ich mir beibehalten, bis zu dem Moment wenn wir wie räudige Hunde abgeschossen werden“, sagte sie mit geschlossenen Augen.
„Ich dachte immer, dass das Gerücht, dass ihr Amerikaner so paranoid seid nur ein Gerücht ist“, belächelte er sie die Situation.
„Du magst uns Amis nicht besonders, richtig?“
„Ich mag nur euren Präsidenten nicht besonders, er ist wie eine Marionette. Seit ihr sicher, dass er nicht damals bei diesem Brezelunfall draufgegangen ist und durch einen Cyborg ersetzt wurde?“
„Und wir sind die paranoiden, ja klar. Also wo sollen wir anfangen?“, sah sie sich um.
„Ich rede noch mal mit diesem Fischer und du siehst dich um“, plante er und ging wieder von dannen.
 
Zwanzig Minuten später trafen sie sich wieder.
„Okay, außer dass ich jetzt noch mehr Schiss habe, hab ich nicht besonders viel herausgefunden“, setzte sich Jarrah neben sie auf die Bank am Hafen.
„Du hast Schiss?“
„Okay, nicht direkt Schiss, ich bin nur etwas beunruhigt“, versuchte er sich zu verteidigen.
„So du kleiner Schisshase, ich hab aber was raus gefunden. Das Boot mit dem die Huntsman Patrol, so wie sich die Gruppe nennt, unterwegs ist, ist die Bloody Mary. Sie legen jeden Abend um halb sieben am Pier 5 an“, las sie von ihrem Zettel vor.
„Wie hast du?“
„Ich hab mit jedem Fischer geschlafen, den ich getroffen habe“, witzelte sie.
„Du willst es mir nicht sagen?“
„Nein, meinen Informanten geb ich nicht preis. Also, wir haben jetzt fast halb vier, genug Zeit einen Plan auszutüfteln, also was machen wir?“, legte sie ihre Beine auf seinen Schoß.
„Es gibt wichtigere Sachen als sich einen Plan auszudenken“, fuhr er langsam mit der Hand ihr Bein hoch.
„Wir brauchen ein Hotel“, säuselte sie und rutschte mit ihrem Hintern näher an ihn heran um auf seinen Schoß zu sitzen.
„Aber Miss Eagle“, spielte er bieder.
„Nenn mich ruhig Danera“, begann sie ihn zu küssen, während sie ihr Bein zur Seite schwang.
„Hotel, aber dringend“, keuchte er und sie stieg ab.
„Ich brauch ne Dusche, ich fühl mich so schmutzig“, säuselte sie und nahm ihren Rucksack.
„Süße, deine antörnende Stimme hilft mir grad gar nicht“, atmete er tief durch.
„Kennst du Roseanne Barr?“, fragte sie.
„Ja, wieso?“
„Stell sie dir vor“, schlug sie vor.
„Hey, das hilft“, freute er sich.
„Ich stell mir immer ihren Ex Tom Arnold vor, das klappt bei mir immer. Jetzt komm, bevor die ganze Stimmung flöten geht“, erwiderte sie und zog ihn hoch.
Die Sonne ging schon langsam unter als sie auf seiner Brust eindöste.
„Wir müssen ihn nicht suchen, wir können auch den ganzen Tag im Bett bleiben“, murmelte er erschöpft.
„Sieh’ nach draußen, der Tag ist fast vorbei. Vermaledeit es ist fast sechs Uhr, wir müssen los, sonst verpassen wir ihn noch“, zog sie die Decke an sich und ging Richtung Badezimmer.
„Hey, jetzt ist mir kalt“, murrte er.
„Ja, das seh’ ich. Komm schon, zieh’ dich an“, verschwand sie im Badezimmer.
„Werd nicht frech, kleine Lady. Soll ich mich als Tourist verkleiden?“, rief er zu ihr.
„Keine schlechte Idee, da fallen wir nicht so auf. Du solltest die Flinte auch weglassen, ich glaub die Waffe reicht“, stellte sie fest und kam wieder aus dem Badezimmer.
„Wenn du meinst, aber jammere nicht wenn wir in der Patsche sitzen“, entschied er und stellte die Waffe neben die Tür.
„Hab doch etwas vertrauen in mich, das klappt schon“, erklärte sie und er zog ein T-Shirt an.
„Ich vertrau dir, ich vertrau dir sogar so viel, dass ich dir meine Waffe lasse. Im Notfall kannst du sicher besser schießen mit deinen guten Augen. Ich bin nämlich ziemlich kurzsichtig“, erklärte er und wurde am Ende des Satzes leise.
„Kannst du den letzten Teil bitte wiederholen“, zog sie ihn auf.
„Ich bin kurzsichtig, ich seh’ in die Ferne wirklich nicht arg weit. So, das ist mein großes dunkles Geheimnis“, war es ihm peinlich und er vergrub sein Gesicht in seinen Händen.
„Du hast uns grade durchs halbe Land gefahren, nett dass ich das auch mal erfahre“, erwiderte sie.
„Ich dachte du warnst mich rechtzeitig, wenn was ist“, verteidigte er sich.
„Hast du eine Brille?“
„Äh, nein!“
„Wie könnt ihr Männer nur so eitel sein?“, schüttelte sie verständnislos den Kopf.
„Sagte die Frau die sich grad Make-up aufs Gesicht klatscht“, umarmte er die am Spiegel stehende Danera.
„Hey, ich hab die letzten zwei Tage nicht so viel geschlafen, ich hab Augenränder das es kracht“, tupfte sie ihre Augen ab.
„Daran bin ich wohl nicht ganz unschuldig, was?“
„Wenn du dir den Schuh anziehen willst. Man, hier ist es so schön, ich wünschte ich könnte für immer hier bleiben“, ging sie mit ihm im Schlepptau ans Fenster wo sie den Strand sehen konnten.
„Dann lass uns hier bleiben“, schlug er vor.
„Du bist so ein Schisshase!“
„Nein, so mein ich das nicht. Lass uns hier wohnen, nur wir beide. Ich werde uns ein Haus bauen mit einem Garten wo unsere Kinder spielen können“, plante er und sie löste sich aus seiner Umarmung.
„Das sind immer noch die Hormone die aus dir sprechen. Ich find dich wirklich sehr lieb, aber wir kennen uns nicht mal vierzehn Tage. Man jetzt ist es höchste Zeit, dass wir losgehen, sonst legt die Bloody Mary ohne uns an“, nahm sie ihren Rucksack.
„Du findest mich lieb? Was bin ich dein kleiner Bruder? Hey, ich hab dir einen inoffiziellen Heiratsantrag gemacht und du behandelst mich wie deinen ekligen Cousin Morty der dich begrabschen will“, zog er seine Schuhe an.
„Heiraten? Das wird ja immer besser, hör zu, wir hatten Sex aber ich werde in einer Woche wieder um die halbe Welt nach Hause fliegen und dich dann irgendwann zu Sylvester total betrunken anrufen um dir zu erzählen wie leer mein Leben ohne dich ist“, stellte sie klar und setzte ihre Sonnenbrille auf.
„Uh, ich glaub es ist ganz gut, dass du die Waffe grad hast“, murrte er und stürmte vor ihr aus dem Zimmer heraus.
„Jarrah, warte, komm schon, Jarrah“, lief sie dem aufgebrachten jungen Mann hinterher.
„Nenn mich Miles, verdammt ich hab dir doch gesagt ich hasse diesen Namen“, drehte er sich unten um und sie rannte unsanft in ihn hinein.
„Können wir darüber reden, wenn wir das hinter uns gebracht haben?“
„Mir ist mein Schwager so was von stink egal, mach doch was du willst, ich geh was trinken“, ging er wütend von dannen.
Da sie in der Nähe des Strandes ein Hotel hatten und es noch fast fünfzehn Minuten waren, bis die Bloody Mary anlegte, zog sie allein los. Sie schaffte es gerade pünktlich da zu sein. Die Bloody Mary hatte etwas Beängstigtes im immer dunkler werdenden Hafen von Port Lincoln. Sie setzte sich ganz unauffällig auf die Bank neben dem Pier. Männer, alle mit dem gleichen hellen Bart wie Jarrah und Rabatin sprangen vom Boot und tauten es fest.
Sie konnte in der aufkeimenden Dunkelheit kaum was erkennen. Sie atmete tief und gleichmäßig, weil ihr schon etwas mulmig wurde. Dann stand sie auf, klopfte ihre Hose sauber und lief Richtung Boot. Als sie auf dem halben Weg war, wurde sie plötzlich von hinten gepackt.

Dreizehntes Kapitel


„Bitte, nein, nein“, schrie sie aus vollem Hals.
„Sei still, sie hören dich sonst“, zischte Jarrah, der sie fest an der Hüfte gepackt hatte.
„Lass mich los, ich muss dahin“, zeterte sie.
„Die sind bis auf die Zähne bewaffnet, wie hast du dir das vorgestellt“, drückte er ihr einen Kuss auf und zog sie weg, dass es vom Boot aus aussah, als wären sie nur ein verliebtes Touristenpärchen.
„Jarrah, wir müssen zurück“, sah sie nach hinten.
„Sie gehen ins Waterline, gleich da hinten. Ich war im Supermarkt Bier kaufen und da hat mich der Verkäufer gefragt, ob das Waterline heut dicht hat. Bringt schon was, dass man aussieht wie die. Ich hab noch eine Wegwerfkamera gekauft, wir sind Touristen. Betrunkene Touristen übrigens“, schüttelte er das Bier und goss es über sein T-Shirt und dann über ihre Bluse.
„Genial, dann können wir nah an sie ran ohne dass es auffällt“, fand sie den Plan gut und so zogen sie los.
„Honey, guck dir das an, echte Jäger. Mit echtem Pelz. Mach Fotos, das glauben die uns zu Hause in Chicago nie“, lallte Danera in ihrem tiefsten amerikanischen Dialekt und setzte sich dreist auf den Schoß einer der Männer.
„Ey wir sind hier keine Touristenattraktion“, murrte einer der Männer und schubste sie brutal herunter.
„Man, das sind echt Spielverderber. Da ist es schon der letzte Abend und da sind die so bockig“, rappelte sie sich auf und stützte sich auf dem Tisch ab.
„Verschwindet ihr Amis ihr seid lästig“, murrte ein anderer.
„Man, ihr seid echt ausländerfeindlich, gut ein gesitteter Amerikaner weiß wann er zu gehen hat“, torkelte sie zurück zu Jarrah und sie torkelten wieder heraus.
 
„Ich hatte mir das eigentlich etwas weniger offensiv vorgestellt“, setzte sich Jarrah in dem Photosladen auf den Tresen.
„Hat doch funktioniert. Ich war doch gut, oder?“
„Du warst großartig, Schauspielunterricht?“
„Ich hab die Gertrude in Hamlet gespielt“, erklärte sie und setzte sich neben ihn.
„Highschool-Theater?“
„Hast du jemals irgendwas auswendig gelernt?“
„Das Schild beim Augenarzt!“
„Du schwindelst deinen Arzt an?“
„Du setzt dich auf einen Schoß eines Mannes mit einer Waffe?“, erkannte er und sie grinste.
„Hättest nicht gedacht, dass ich mich das traue. Er hätte meine Fahne sonst nicht gemerkt. Hey, die brauchen ja ewig mit den Bildern, eine Stunde heißt bei uns auch eine Stunde“, sprang sie vom Tresen runter. In dem Moment kamen ihre Abzüge durch eine Schiene zu ihnen.
„Da sind sie ja“, erkannte er und nahm die Bilder heraus um sie auf die leere Fläche neben ihm auszubreiten.
„Verrätst du mir jetzt warum du Fotos gemacht hast?“
„Mist, er ist nicht dabei“, sah er die Bilder durch.
„Wer ist nicht dabei?“
„Der Känguru-Mann wer denn sonst?“
„Du wolltest nicht so genau hinsehen um nicht aufzufallen, das ist gut. Man, die sehen ja alle aus wie du, werdet ihr irgendwo geklont wie in diesem Ken Follet Buch?“
„Ich fürchte ich gehöre zu dieser Familie“, wurde er plötzlich ruhig.
„Wir werden morgen in aller früh zur Bloody Mary fahren und ihn abfangen wenn er das Boot besteigt“, schlug sie vor.
„Oder wir lassen uns ganz langsam von einem fünf Meter langen Alligator verspeisen“, konterte er sarkastisch.
„Warum sind immer nur deine Ideen so grandios?“, klagte sie und er legte die Bilder wieder zusammen.
„Gut, machen wir das was du gesagt hast, ich muss nur erwähnen das Rabatin und ich nicht im Guten auseinander gegangen sind. Da sind ziemlich die Fetzen geflogen. Würd mich nicht wundern wenn er mich auf der Stelle abknallen würde“, gestand er.
„Was hast du ihm gesagt?“ vergrub sie ihr Gesicht in ihrer Hand.
„Ich kann mich nur schemenhaft daran erinnern. Irgendwas mit dass er nie ein guter Vater sein würde, dass er als Touristenführer keine Familie ernähren könnte, so was in etwa“, erklärte er.
„Den Tag drauf war er dann weg?“
„Ich hab ihn verscheucht“, fiel ihm auf und setzte sich wieder auf den Tresen.
„Ja, hast du, das heißt aber nicht dass ich ihn ihr nicht zurückhole. Wenn du dabei auf der Strecke bleibst ist es auch nicht weiter tragisch“, erklärte sie und grinste.
„Sehr witzig. Okay, wir können es versuchen, ich sag nur das kann gefährlich sein“, erwiderte er und sie drückte seine Beine auseinander um sich dazwischen zu quetschen.
„Dann müssen wir unsere letzten Stunden auf Erden genießen“, begann sie seinen Hals zu küssen.
„Du kriegst wohl nie genug“, schmunzelte er.
„Du hast doch gesagt, ich soll meinen Urlaub genießen“, entschied sie und er begann sie zu küssen.
„Komm, gehen wir zurück ins Hotel, die legen sicher morgen vor Sonnenaufgang ab und da müssen wir dabei sein“, entschied er und zog sie zum Wagen.
 
Fest aneinander gekuschelt sahen sie der Sonne zu, wie sie aufging. Danera konnte sich nicht entsinnen, wann sie das das letzte Mal gemacht hatte, vermutlich hatte sie es noch nie gemacht. Sie redeten über Gott und die Welt.
„Du willst das wirklich machen?“, wollte sich Jarrah noch mal davon überzeugen, als sie auf dem Parkplatz am Hafen standen.
„Jetzt umzudrehen ist feige“, bemerkte sie und richtete ihre Haare.
„Feige zu sein, hat auch was für sich“, war er sich jetzt gar nicht mehr sicher.
„Du rasierst dich mit einem Buschmesser, hast aber Angst vor deinem Schwager?“
„Vor diesem Pupser hab ich keine Angst, aber vor seinen lieben Verwandten mit den hübschen Waffen“, erklärte er.
„Die vielleicht auch deine Verwandten sein könnten“, fügte sie hinzu und zupfte an ihrem Ausschnitt herum.
 
„Du siehst so heiß aus“, erwiderte er und küsste ihren Nacken.
„Wenn wir nicht damit aufhören, bekommen wir gar nichts mehr gebacken“, schmunzelte sie.
„Okay, bringen wir das schnell hinter uns, dann können wir uns wieder ganz uns widmen“, entschied er, zog seinen Hut in die Stirn und stieg aus.
„Kannst du mir verraten, warum ich unbedingt einen Minirock tragen muss“, zupfte sie an sich herum.
„Du hast tolle Beine, tolle Hüften und alle dummen Blondchen die ich bis jetzt kennen gelernt habe, haben sie getragen und ich bin drauf reingefallen. Warum trägst du keine hohen Schuhe?“, fragte er und musterte sie.
„Weil ich nicht ins Wasser fallen will, ich hab die Dinger noch nie gemocht. Wo hast du dein Zeug her aus dem Crocodile Dundee Souvenirshop?“
„Das sind meine Klamotten, ich lauf so rum!“
„Oh!“
„Oh was?“
„Wenn das vorbei ist, gehen wir einkaufen“, erwiderte sie und setzte ihre Sonnenbrille auf.
Seine Flinte geschultert ging Jarrah mit Danera an der Hand zur Bloody Mary.
„Hey Jungs, da find ich euch endlich, man ich bin durch das halbe Land gefahren um euch zu finden. Jetzt sagt bloß ihr kennt mich nicht mehr, ich bin’s Miles, Cousin Miles. Was guckt ihr so blöd? Ich hab den ganzen Weg nicht umsonst gemacht. Meine Flinte ist geladen, ich will was erlegen“, konterte er gelassen und Danera klammerte sich an ihn.
„Meine Süße hier will nen Pelz den hab ich ihr versprochen“, begrabschte er ihren Hintern.
Einer der Männer sah Jarrah genau an.
„Du bist spät dran, wir wollen in einer viertel Stunde ablegen. Spring auf“, erklärte der Typ und half ihm aufs Boot.
„Uh, das ist gar nicht gut“, schwankte Jarrah, als er hinter ihnen her lief.
„Was ist Cousin? Sag bloß du verträgst das ganze Schwanken nicht“, sagte einer der Kerle und Jarrah stellte sich an die Reling.
„Jetzt weiß ich, wer du bist. Du bist der Sohn von Onkel Miles. Ja richtig, ist ja auch dein Name. Man, der hat auch immer so über die Reling gekotzt. Jetzt muss er ja nicht mehr zur See fahren so stinkreich wie der ist. Warum gibt dir dein Alter eigentlich nichts ab?“, fragte der Kerl ihn aus, während er sich übergab.
„Ihr seid wohl schon so lang nicht mehr an Land gewesen. Mein Alter hat was gegen meine Heirat mit meiner Süßen hier. Ihr wisst doch, wie er auf die Amis schimpft“, spielte er mit, während Danera ihm den Mund abwischte.
„Er hat ihn total enterbt, deshalb muss er jetzt mit diesen schäbigen Klamotten rumlaufen“, machte Danera mit.
„Tut mir leid für dich, Dude, lass uns rüber fahren, vielleicht machst du da den großen Fang“, war der Kerl mitfühlend und klopfte ihm auf den Rücken, was ihn wieder zum Kotzen brachte.
„Macht schon mal das Schiff klar, wir kommen gleich, ja?“, bat Danera und die Typen verzogen sich.
„Hättest du mal mit einem Wort erwähnen können, dass du das große Kotzen bekommst, wenn du ein Boot betrittst?“, lehnte sie sich mit dem Rücken an die Reling.
„Ich hab’s nicht gewusst, ich war noch nie in meinem Leben auf einem Boot“, drehte er sich auch erschöpft um.
„Das könnt ein Problem werden, was ist, wenn du beim tauen oder so mithelfen musst?“, wischte sie seinen Mund wieder sauber.
„Warum fallen dir diese genialen Ideen immer erst so spät ein“, zeterte er und zog das Taschentuch von seinem Mund weg.
„Jetzt fang bloß nicht so an, wer hatte denn diese verrückte Idee“, moserte sie.
„Du!“
„Okay, verhalt dich unauffällig. Ich glaub wir sind einen ganzschönen Schritt in unseren Untersuchungen weiter gekommen. Das sind deine Cousins und du bist der Sohn eines reichen Farmers. Das ist deine Familie. Du brauchst jetzt einen Whiskey, richtig?“
„Ja, einen richtig starken. Ich war nicht schlecht, oder?“, stieß er sich ab und lief weiter.
„Fast so gut wie ich, ja. Obwohl du musstest ja keine Rolle spielen. Das mit der amerikanischen Verlobten war eine gute Idee, dann muss ich nicht die ganze Fahrt die stumme Topfpflanze spielen. Dein Vater ist also ein reicher Farmer, ich glaub dass mit unserer Zukunft hab ich wohl etwas zu schnell abgesägt“, witzelte sie.
„Das ist meine Familie“, erkannte er ungläubig.
„Digby kommst du endlich? Das Segel taut sich nicht von allein“, rief der eine Kerl plötzlich von oben und der andere eilte hin.
„Casy ich war schiffen, was ist denn“, kam Digby an Deck.
„Das erledigt die Frage wie die Kerle heißen“, flüsterte sie ihm zu und er klammerte sich an sie.
„Das ist meine Familie“, wiederholte er.
„Ich werd sehen, ob ich einen Whiskey besorgen kann“, löste sie sich von ihm und ging unter Deck.
„Hey Junior komm hoch, hilf mir“, rief Casy von oben und Jarrah kletterte hoch.
„Ich muss dich warnen, ich fahr nicht so oft raus“, war Jarrah bei ihm angekommen.
„Du kannst an nem Tau ziehen?“
„Ja!“
„Bei mehr brauch ich dich auch nicht“, drückte er ihm ein Tau in die Hand.
Jarrah zog grad das Segel zur Seite, als Danera wieder raus kam.
„Hey Hon, ich hab nen Bier gefunden, tut’s das auch?“, rief sie hoch. Jarrah erschreckte sich so, dass er das Segel anzog und vom Boot fiel.
„Miles“, rief sie und eilte zur gegenüberliegenden Reling.

Vierzehntes Kapitel


„Nichts passiert, nichts passiert“, tauchte er wieder auf.
„Hey Dude, das war ein Sprung, ist nett kalt das Wasser, oder?“
„Das wäre meinem Vater ganz sicher nicht passiert, oder?“
„Nein, er wär nie hier hoch geklettert. Er hat ganz schlimme Hypsiphobie“, erklärte Casy und machte das Segel fest, bevor er zu ihm herunter sprang und ihn mit Hilfe von Danera wieder an Bord zog.
„Hypo was?“, fragte Jarrah und das Wasser aus seinen Haaren vermischte sich mit einer Wunde, die er sich zugezogen hatte, als er beim Sturz die Reling etwas geküsst hatte. Das verdünnte Blut tropfte auf sein Hemd.
„Höhenangst, Liebling, Abgebrochenes Medizinstudium, Casy?“ fragte Danera und reichte ihrem Freund ein Handtuch.
„Ich war Sanitäter bei der Royal Navy. Da hab ich ein paar medizinische Fachbegriffe aufgeschnappt, ist aber schon ein halbes Leben her. Man, du hast ne Platzwunde im Gesicht, wie hast du denn das geschafft? Zeig mal her“, sah sich Casy, Jarrahs Gesicht an und zog eine Whiskeyflasche aus einem weißen Schrank an der Tür der Kombüse.
„Ach du bewahrst den Whiskey im erste Hilfe Schrank auf, da kann ich ihn ja nicht finden“, erwiderte Danera und Jarrah nahm einen großen Schluck aus der Flasche.
„Schon besser. Laufen wir jetzt mal aus, oder was?“, erwiderte er cool, während seine Wunde im Gesicht blutete.
„Erst mal näh ich deine Wunde, wir werden in den nächsten Tagen keinen Arzt in der Nähe haben. Komm mit“, zog Casy seinen Cousin in die Kombüse.
„So, jetzt sind nur noch wir zwei übrig“, flirtete Digby.
„Vergiss es, Dude. Mach das Schiff klar, dass wir nachher los können“, entschied sie Augen rollend und folgte den anderen ins Innere.
„Saubere Naht, du kannst das ja richtig“, lobte Danera, Casy und fuhr über die Naht, die jetzt auf Jarrahs Stirn prangte.
„Was soll das jetzt schon wieder heißen? Ich hab das mit Müh und Not gelernt“, bemerkte Casy etwas ruppig.
„Komplimente kriegst du wohl nichts so häufig oder?“
„Tschuldige, war ne kurze Nacht. Cousin, geh’ dich lieber übergeben, bevor es auf meiner Hose landet“, half er Jarrah auf.
„Man, ich wollte eigentlich nur jagen, nicht die Reling küssen. Ich gehör einfach nicht auf ein Boot“, ging er Richtung Toilette.
„Da hast du wohl Recht. Warte, ich helfe dir“, erwiderte Danera und ging mit ihm ins Badezimmer. Das Boot war überraschend sauber und das Badezimmer ähnelte mit seiner Wandtäfelung an eine Sauna.
„Ist dir schon mal aufgefallen, dass immer wenn ich mit dir einen romantischen Moment erlebe, ich mich danach übergeben muss?“, fragte Jarrah plötzlich, als Danera ihm in dem kleinen Waschbecken die Haare wusch.
„Ja, das baut mich echt auf, vor allem weil du der erste seit langem bist“, erwiderte sie sarkastisch.
„Der erste nach Gias Geburt?“
„Ja, man ich war jetzt fünf Jahre abstinent, das darf man gar nicht laut sagen. Ich hatte halt nach Greg so eine Angst neu auf Männer zuzugehen. Er hat mich verprügelt, da war ich hochschwanger. Ich hab mein Kind vor dem Frauenhaus bewahren wollen, ich hab sie einfach wegegeben. Das bereu ich jetzt so, aber sie ist glücklich und das macht mich glücklich“, schrubbte sie seinen Kopf.
„Du warst im Frauenhaus?“
„Für eine kurze Zeit, bis ich eine Ausbildung als Hebamme angefangen hab. Greg denkt, mein Kind ist tot, er muss ja nicht wissen, wo mein kleiner Schatz ist. Ich hör jetzt auf davon zu erzählen, ich wollt ja extra weg von zu Hause um endgültig damit aufzuhören. So, deine Haare sind wieder sauber. Du hast tolle grüne Augen, hat dir das jemand schon mal gesagt?“ kam sie nah an ihn dran und kämmte seine Haare zurück.
„Bis jetzt noch nicht. Ich fühl mich immer besser, wenn ich in deiner Nähe bin, wenn dich das beruhigt“, bemerkte er und sie lächelte.
„Wir sollten wieder rausgehen, bevor die sonst was denken“, ging sie zur Tür.
„Die denken das sowieso. Komm her“, zog er sie an sich und begann sie zu küssen.
Nach zwanzig Minuten kamen sie wieder raus.
„Junge Liebe, wie muss das schön sein“, kommentierte Casy, der auf einer Hängematte saß.
„Eifersüchtig was? So Kapitän, wann sind wir endlich wieder an Land, ich hab Hunger“, erwiderte Jarrah angeberisch und grabschte Danera an den Hintern.
„Das dauert noch ne Weile, macht es euch gemütlich. Wie wär’s mit einem Bier?“
„Nein, danke, ich hab grad ein Six-Pack Two Dogs durch meine Nase übergeben, ich mach mal ne Pause. Kann ich mich irgendwo hinlegen?“, fuhr er durch seine nassen Haare.
„Sicher, hinten ist noch eine Hängematte frei. Wie sieht’s mit uns aus, Schnecke, mein Schoß wär auch noch frei“, machte Casy, Danera an.
„Ein kurzer Rock bedeutet nicht gleich, dass ich ne Nutte bin, Schwachkopf. Geh’ duschen“, erklärte sie schroff und ging mit Jarrah nach hinten.
„Ich hoff der Rest deiner Familie hat nicht so nen Dachschaden“, erkannte Danera, als sie zusammengekuschelt, auf der Hängematte lagen.
„Meine Familie, man hab echt nicht gedacht, dass ich meine Pflegefamilie mal so lieben könnte. Ich hab kein gutes Gefühl bei der Sache. Eigentlich hab ich schon die ganze Zeit ein mieses Gefühl. Seit ich Rabatin kenne. Das ist wahrscheinlich der Grund warum ich ihn von meiner Schwester fernhalten wollte. Das klingt egoistisch, oder?“
„Nein, man sollte häufiger auf seine Gefühle hören, diese Welt ist viel zu kopflastig geworden. Trotzdem hast du deiner schwangeren Schwester den Mann vergrault. Das war fies, du solltest dich entschuldigen, wenn du ihn siehst, wenn er dich nicht vorher abgeknallt hat“, legte sie ihren Kopf auf seine Brust.
„Das beruhigt mich gar nicht“, grummelte er.
„Für einen Mann mit einer Schrotflinte bist du ein ganz schöner Angsthase“, erkannte sie.
„Werde bloß nicht frech, Mäuschen. Oh man, diese Momente sollten ewig dauern“, umklammerte er sie ganz fest.
„Ja, das sollten sie“, war sie das erste Mal seit längerem glücklich.
Plötzlich wendete das Boot abrupt und sie fielen umschlungen aus der Hängematte.
„Das war ne Kursänderung keine Sorge. Man, könnt ihr das nicht mal für fünf Minuten lassen?“, kam Digby zu ihnen als sie aufeinander lagen.
„Danke für die frühzeitige Warnung. Wir sind aufeinander gefallen“, setzte sich Jarrah auf.
„Ja, das hab ich meiner Ex auch gesagt, als sie mich mit dieser Kleinen erwischt hat. Wir legen etwa in einer halben Stunde in Launceston vor Anker. Benehmt euch bis dahin“, ging er zurück an Deck.
„Der hält mich noch für ne Nutte“, rappelte sich Danera auf.
„Casy tut es ja schon. Du kannst dir glaub ich wieder eine Hose anziehen, ist beim Jagen wohl auch einfacher. Rufst du meine Schwester noch Mal an, wenn wir da sind? Ich hab so ein blödes Gefühl, das was nicht stimmt“, wiederholte er und sie nickte, bevor sie ins Badezimmer ging und sich umzog.
Mit einem gekonnten Manöver legten sie in Launceston an. Der Hafen war wirklich wunderschön, er hatte was Europäisches. Es erinnerte sie irgendwie an den Hafen in Newport News, an den ihr Großvater immer mit ihr gefahren war, nachdem ihre Eltern gestorben waren.
„Ist schön hier nicht? Lässt mich auch immer für einen Moment innehalten. So, los mit euch, wir müssen Townhill noch erreichen, bevor die Dämmerung einsetzt, sonst können wir das jagen heut vergessen“, trieb Digby sie weiter.

Fünfzehntes Kapitel


Townhill war ein alter Fischer und Jäger. Er hatte zerzauste Haare, einen wilden Bart und trug Gummistiefel, als er ihnen die Tür öffnete.
„Chip und Chapper beehren mich mal wieder, das heißt es ist mal wieder Jagdsaison. Ihr habt Touris mitgeschleppt, ist das Jagen nicht mehr profitabel genug?“, begrüßte Townhill sie mit einer angenehmen Art.
„Townhill das ist der Kleine von Miles, Miles jr. Er wird in die Fußstapfen seines alten Herren treten. Das ist seine Süße, man da sind wir uns so nah gekommen und ich kenn nicht mal deinen Namen“, stellte Casy sie vor und sah Danera anzüglich an.
„Davon träumt er nur. Hi, ich bin Eagle“, stellte Danera sich vor.
„Ich nenn dich jetzt Adlerauge, das passt zu dir. Sollen wir uns amüsieren, wenn die Jungs jagen sind?“, ließ Townhill sie rein.
„Man und ich dachte unsere Jungs wären Schweine“, nörgelte sie.
„Nein, ich meine eine Runde Poker, ich tu Frauen nichts, war wohl ne lange Reise mit diesen Kerlen, was? Du siehst hungrig aus, ich werde euch ein paar Eier in die Pfanne hauen. Setzt euch an den Tisch“, trottete er gelassen in die Küche.
„Nehmt euch ein Beispiel an ihm, das ist ein Gentlemen“, konterte Danera und sah die Jungs an.
„Wir müssen keine Gentlemen sein, wir sind Jäger, wir kriegen jede“, prahlte Casy.
„Nur mich nicht, Süßer. Ich werde mal sehen, was Townhill macht“, stand Danera auf und ging in die Küche.
„Kann ich was helfen?“, setzte sich Danera an den kleinen Campingtisch neben dem Herd.
„Du bist Touristin, oder?“
„Im Moment schon, ist ein schönes Land“, erkannte sie und sah ihm zu.
„Hau ab, bevor es noch geht“, sagte er plötzlich ohne sich umzudrehen.
„Wie meinen?“
„Dein Süßer hat dich eingelullt, wach auf“, erwiderte Townhill und drehte das Ei in der Pfanne.
„Er ist der Bruder einer Freundin, ich vertrau ihm“, bemerkte sie cool.
„Das sind gefährliche Menschen. Wilderer, die keine Gefangenen machen. Ich bin jetzt schon zwei Jahre Undercover, ich weiß von was ich rede“, flüsterte er ihr entgegen.
„Undercover? Von wem?“, kam sie zu ihm.
„Animal’s Angels, ich bin vom Tierschutz. Ich hab das Glück, das sie mir immer noch vertrauen, das Problem ist nur, dass wir ihnen nichts nachweisen können. Sie machen das klammheimlich, sie haben die Tiere schon aufs Schiff gebracht, bevor sie zu mir zurückkommen. Ich brauch Beweise, du bist perfekt, du könntest ohne Probleme Fotos machen. Hilfst du mir?“, fragte er und sie schnitt die Zwiebel die vor ihr lag.
„Du verulkst mich, das ist nen Test, richtig?“, fragte sie nervös.
„Zehn Fotos, mehr brauch ich nicht. Mach das für mich, dann kann ich endlich hier raus“, griff er nach ihrem Arm.
„Du meinst das Ernst. Ich bin Hebamme, nicht Spionin. Wie soll ich das erklären?“, zischte sie ihm entgegen.
„Das ist ja das Gute, du musst das nicht erklären. Du bist Touristin, lass sie sich präsentieren. Du verträgst doch Blut, oder?“
„Als Hebamme muss ich das wohl!“
„Wunderbar. In der Schublade liegt eine Kamera, wenn sie heut Nacht schlafen, steckst du sie ein. Danke, das bedeutet mir viel“, bedankte er sich.
„Man, das riecht gut. Lass meine Freundin los, du Ferkel“, kam Jarrah rein und Townhill löste sich von Daneras Arm.
„Ist schon gut, nichts passiert. Ich hau  noch Zwiebeln rein, das gibt einen tollen Geschmack. Was ist? Es ist alles in Ordnung“, erklärte Danera und Jarrah sah sie verwirrt an, weil sie verwirrt aussah.
„Dann ist ja gut. Wir brauchen was zu trinken, hast du was Hartes da?“, ging er skeptisch zum Kühlschrank.
„Nur nen Bourbone, ich hab keine Gäste erwartet. Bedien dich“, erklärte Townhill und Jarrah zog eine Flasche aus dem Kühlschrank.
 
Jarrah spielte, als ginge es ihm noch nicht besser, so saßen sie an diesem Abend auf dem Sofa und tranken den Bourbone. Danera trank das erste Mal seit ihrer Schwangerschaft wieder mehr. Umso mehr knallte es rein.
„Man, harter Stoff. Ist mir gar nicht aufgefallen, was ich alles seit langem nicht mehr getan hab. Ich hab ja vollkommen langweilig gelebt, also echt. Gut, dass wir jetzt hier sind“, entschied sie betrunken.
„Ja, ist es. Ich war immer nur für meine Familie da, ich hab mich auch ein Stück selbst verloren. Lass uns doch hier bleiben. Hier findet uns niemand“, träumte er.
„Fängst du schon wieder damit an? Ich bleib nicht hier“, löste sie seine Umarmung.
„Warum? Was hält dich zu Hause? Du sagst selbst, dass du wie eine Einsiedlerin gelebt hast. Deine Tochter ist gut versorgt, ist es dein Job? So einen Job kannst du hier auch finden. Bleib bei mir, bekomme meine Kinder. Hier wirst du immer jemand haben, der auf sie aufpasst. Stell dir vor, deine Kinder spielen mit Kiahs Kindern, wir Männer sitzen auf der Terrasse und sehen ihnen. Klingt das nicht wie das Paradies?“, fragte er und sie lächelte.
„Das klingt toll, wenn es nicht so furchtbar unrealistisch wäre, könnt ich mir das fast vorstellen. Finden wir erst mal Rabatin, dann sehen wir weiter“, lenkte sie ein und ließ sich wieder fallen.

Sechzehntes Kapitel


„Man, Bourbone wurde direkt in der Hölle hergestellt“, wachte Danera mit einem riesigen Brummschädel auf.
„Willkommen zurück im Leben. Hast du das gestern ernst gemeint?“, saß Jarrah verkehrt herum auf dem Stuhl neben ihr und mampfte Cornflakes.
„Du trinkst eindeutig zu viel, mein Lieber. Wie kannst du jetzt was essen?“, grummelte sie.
„Ich hab bei einem Kater immer Mordshunger. Auch was?“, streckte Jarrah ihr den Löffel mit den Flakes entgegen.
„Ich glaub ich muss mich übergeben“, rannte sie zur Toilette.
„Ihr seid echt ein Traumpaar, ihr kriegt sogar die Krankheit des anderen“, kam Digby mit Blutflecken auf dem Hemd ins Haus.
„Oh man, ich vertrag zwar Cornflakes, aber dein „Das Schweigen der Lämmer-Outfit“ ist echt die Härte“, kam es Jarrah auch hoch.
„Entschuldige, werde mich gleich waschen gehen. Hey Town, ich hab zwei Teufel geschossen, das gäbe doch tolle Stiefel, oder?“, ging Digby Richtung Küche.
„Oh man, ich hab meine Galle glaub ich in der Toilette runtergespült. War das Dig?“, kam Danera zurück und knallte sich wieder aufs Sofa.
„Ja, du hast meine Frage von vorhin nicht beantwortet!“, sah er sie an.
„Entschuldige, hatte grad andere Probleme. Um was ging’s?“, zog sie ihre Beine zum Schneidersitz und drehte sich zu ihm.
„Deine Aussage, dass du hier bleibst“, erkannte er und sie schloss die Augen.
„Man, ich wusste doch, warum ich nicht mehr trinke. Ich kann nicht hier bleiben“, redete sie sich wieder raus.
„Dachte ich mir schon. Wäre auch zu schön gewesen. Ich seh’ mal ob Town Hilfe in der Küche braucht“, stand er von dem Stuhl auf wie von einem Pferd.
„Man, da find ich mal einen Mann mit echten Gefühlen und der schnappt immer sofort ein. Männer“, ging sie ihm hinterher.
„Morgen Adlerauge, wusste gar nicht, was ihr amerikanischen Frauen so alles vertragt. Man, ich hab keine Milch mehr, könntest du schnell welche holen gehen, ich glaub im Kühlschrank in der Garage ist noch“, bat Townhill und Jarrah trottete weg.
„Hast du sie?“
„Ich mach das nicht!“
„Zwei Jahre, Eagle, zwei Jahre. Meine Enkeltochter ist inzwischen in der Schule, ich will hier weg“, bettelte Townhill.
„Zehn Bilder, keins mehr und deine Leute müssen mir versprechen mich rauszuholen, wenn was schief läuft“, handelte sie.
„Ich hab seit sechs Monaten keinen Kontakt mehr mit meinen Leuten“, erklärte er.
„Ich werde dich als Geist verfolgen, wenn das schief geht“, drohte sie und stimmte dann zu.
Danera war immer noch übel, als sie sich für die Jagd bereit machten.
„Kann ich dich was fragen?“, fragte Danera, als sie die Dusche anmachte.
„Natürlich!“
„Könntest du Wally erschießen?“
„Mäuschen, ich bin schon nervös genug, natürlich nicht!“
„Wollt ich nur wissen. Zieh’ dich aus“, bat sie.
„Jetzt nicht, Süße“, nörgelte er.
„Ich will mit dir unter der Dusche reden, mach schon“, bat sie und er tat es.
„Ich glaub nicht, dass wir da viel zum Reden kommen“, schmunzelte er und stieg auch unter die Dusche.
„Nachher, erst muss ich dir was sagen“, machte sie die Dusche an.
„Schieß los, was gibt’s?“
„Townhill ist vom Tierschutzbund“, flüsterte sie.
„Der war gut, noch was?“
„Ich mein dass Ernst, er ist Undercover. Wir sollen ihm helfen, Digby und die anderen aus dem Verkehr zu ziehen“, erklärte sie leise.
„Mäuschen, du musst nicht alles glauben, was die Menschen dir erzählen!“
„Ich glaub, das stimmt. Er will dass ich Fotos mache, um sie zu überführen. Du musst mir dabei helfen!“
„Diese Männer haben Waffen!“
„Memme!“
„Ich bin keine Memme, ich bin nur nicht lebensmüde“, erklärte er.
„Nur Fotos, du musst nicht in die Schusslinie springen oder so!“
„Ich hab kein gutes Gefühl dabei“, schruppte er sie ab.
„Ich auch nicht, aber er braucht unsere Hilfe. Okay, jetzt deine Belohnung“, begann sie ihn zu küssen.
 
„Man, nur Kaninchen rammeln mehr als ihr. Kommt jetzt“, brummelte Digby, als sie aus dem Bad raus kamen.
„Sei bloß nicht eifersüchtig, Cousin. Lass uns gehen“, ging er cool mit ihm nach draußen.
„Danke, vielmals“, übergab Townhill Danera die Kamera.
„Wie heißt du eigentlich wirklich?“, wollte Danera wissen, bevor sie aus der Tür verschwand.
„Stephen Townhill und du?“
„Danera Eagle, wenn das hier schief geht, erschein ich dir wirklich bis zu deinem Lebensende als Geist“, drohte sie und verließ durch die Vordertür das  Haus.
„Da wir die besten schon durch eure Rumtrödlerei verpasst haben, werden wir vermutlich nur Kleintier schießen. Jetzt komm“, stieg Casy aus dem Wagen nachdem sie in die Wildnis gefahren waren.
 
„Gehört der Hirsch da hinten, zu der Gattung der Zwergkaninchen?“, witzelte Jarrah, als sie einen Hirsch im Gestrüpp entdeckten.
„Denkt nicht mal dran, der gehört mir“, verschwand Casy schon im Wald.
„Warte, wir kreisen ihn ein“, ging Digby hinterher.
„Wie die kleinen Kinder. Okay, du wirst dich aus dem Bild raushalten, nicht dass dich der Tierschutz auch noch hops nimmt. Wenn sie kommen, mach ich ein Foto. Man, ist das aufregend“, erklärte sie und zog die Kamera.
 
Zur gleichen Zeit in der Hütte bekam Townhill unerwarteten Besuch.
„Hey, komm raus du Feigling, ich weiß das du da bist“, hämmerte ein junger Mann Mitte zwanzig der Jarrah ziemlich ähnlich sah gegen das Gatter der Vordertür.
„Townhill, komm raus, ich bin ein Kollege, ich bin unbewaffnet“, rief er weiter und die Tür ging einen Spalt auf.
„Du bist ein Seyer, ich vertrau‘ dir nicht“, rief er raus.
„Kann ich dir nicht verübeln, bis vor kurzem hab ich mir selbst nicht getraut. Komm lass mich schon rein, bevor sie zurückkommen. Wir haben nicht ewig Zeit“, bat er mit durchdringender Stimme.
„Wie ist dein Name, Junge?“, war Townhill immer noch nicht überzeugt.
„Rabatin Seyer, die Angels schicken mich“, erwiderte er und Townhill öffnete die Tür.
„Lass deine Hände schön da, wo ich sie sehen kann“, ließ er ihn rein.
„Wie kannst du ein Seyer und ein Tierschützer in einem sein?“, war Townhill weiter skeptisch.
„Ich bin übergelaufen, schon vor einer langen Zeit. Man, wie siehst du denn aus? Wir haben echt nicht gedacht, dich jemals wieder zu finden“, musterte Rabatin seinen Kollegen.
„Ich hab seit sechs Monaten nichts mehr gehört, habt ihr mich einfach abgeschrieben?“
„Wir haben ne E-Mail geschrieben, dass ich jetzt übernehme. Hast du nichts bekommen?“
„Sieht es so aus, als hätte ich einen Internetanschluss hier? Man, ich hab vergessen wie engstirnig die Großstädter sind. Gut, du bist mein Nachfolger, dann kann ich ja jetzt endlich heim. Ich hab noch einen Auftrag laufen, du musst nur noch eine Kamera entgegen nehmen. Sag ihnen einen schönen Gruß von mir, bye“, packte er ein paar Sachen ein und ging aus der Tür.
„Warte, das ist alles? Um wen geht’s denn?“
„Digby und Casy Seyer, eine Touristin macht heimlich Fotos von ihnen. Mehr musst du nicht wissen, schönes Leben noch“, erkannte Townhill und stieg in seinen Wagen.
„Dig und Cas? Das sind meine Cousins“, erklärte er.
„Umso besser, dann vertrauen sie dir blind. Bye“, düste er von dannen.
 
„Hey, Cousin pack mal an, der ist schwer“, kamen die Jungs aus dem Wald zurück, auf dem Rücken der Hirsch.
„Bleibt so, das muss ich fotografieren“, knipste Danera drauf los.
„Miles, komm der wiegt ne Tonne“, rief Digby.
„Komm schon, komm schon“, lief er zu ihnen und half ihnen den Hirsch in den Wagen zu legen.
„Ich glaub das reicht für heute, ich bin fertig“, schnaufte Digby.
„Ich will doch keinen Hirschmantel“, erwiderte Danera.
„Dann hättet ihr euch heut Morgen beeilen sollen, die anderen Tiere sind schon weg. Kommt schon“, setzte sich Digby ans Steuer.
„Man, ihr seid ja früh zu Hause, ich konnte nicht mal was kochen. Kommt rein“, begrüßte Rabatin die zurückkommenden freundlich.
„Rab, was machst du hier?“
„Ich bin heut Morgen hier abgestiegen, Town ist für ein paar Tage auf Jagd und ich soll sein Haus hüten. Man, ihr seht aus, hattet ihr einen Unfall?“, ließ Rabatin sie rein.
„Wir waren nur jagen, der Hirsch hat ziemlich geblutet. Das ist ja ein richtiges Familienfest, dein Bruder und seine Kleine sind auch da“, erkannte Digby und Rabatin sah Jarrah an.
„Das ist eine Überraschung, hallo Bruder“, umarmte Rabatin seinen Bruder.
„Gleichfalls. Rab, das ist Eagle“, stellte Jarrah, Danera vor.
„Angenehm. Geht euch waschen, ich werde uns was Kleines kochen“, bat Rabatin und ging Richtung Küche.
„Irgendwas ist hier gar nicht koscher“, erklärte Jarrah skeptisch.
„Du solltest wirklich langsam damit aufhören, du nervst ziemlich“, grummelte Danera und die Jungs gingen Richtung Badezimmer.
„Rabatin, richtig? Könnt ich dich mal draußen sprechen, bitte?“, bat Danera, Rabatin nach draußen und der folgte artig.
„So, wir sind draußen, was gibt’s?“, fragte Rabatin gelassen und grinste sie an.
„Was fällt dir ein? Sie ist deine Frau“, schupste sie ihn gereizt mit den Händen nach hinten.
„Muss ich verstehen, was du da faselst, Süße?“, konterte er gelassen. Doch das machte sie nur saurer.
„Oh man und ich hielt dich für einen guten Kerl. Hab ich wohl falsch gedacht“, schupste sie ihn brutal auf den Boden.
„Eagle, warte um was geht es?“, war ihm nicht mehr zu lachen zumute.
„Es geht um deine hochschwangere Frau, du Depp, sie ist eine sehr gute Freundin von mir und wir wollten dich eigentlich zu ihr zurückbringen, aber jetzt weiß ich nicht, ob ich das noch will. Geh’ dich waschen, ich werde was kochen“, zog sie ihn wieder auf die Beine und ging zurück ins Haus.

Siebzehntes Kapitel


Während des ganzen Abendessens starrte Rabatin, Danera an, als wollte er ihr etwas sagen.
„Rab, entweder du stehst auf meine Nase oder du willst was sagen. Also spuck es aus“, bat sie genervt.
„Du kochst gut“, murmelte er in sein Essen.
„Danke, Eier Benedikt mit Brot ist ja auch kein Kunststück. Schmeckt es euch auch, Jungs?“, sah er in die Runde.
„Ja, wunderbar, Liebes. Will noch jemand Bier?“, fragte Jarrah und stand auf um in die Küche zu gehen.
„Ich glaub, ich fahr noch mal raus, vielleicht sind in der Dämmerung noch welche draußen“, stand Casy auf.
„Ich komm auch mit, du heimst sonst alles für dich allein ein“, stand auch Digby auf.
„Ich komm auch mit, Fotos machen“, kam Jarrah mit zwei Bier in der Hand aus der Küche.
„Ich glaub kaum, dass du Fotos machen kannst, es wird zu dunkel sein. Aber du kannst was schießen“, erkannte Casy.
„Dann los“, stellte er die Flaschen ab, küsste Daneras Stirn und ging aus der Tür.
 
„So, rede, bevor es peinlich wird“, wendete sich Danera wieder zu Rabatin.
„Du kennst Kiah?“
„Ich hab sie in Sydney kennen gelernt, vor ein paar Jahren. Wir waren beide auf einem Seminar für Geburtshilfe. Sie hat mir von dir erzählt, ich hab in Erinnerung dass sie dich in den höchsten Tönen gelobt hat, oder ich denk das nur, weil mein Freund zu der Zeit ein Schwein war. Sie bekommt jeden Tag ihr Kind, berührt dich das gar nicht?“, grummelte sie und öffnete ein Bier vor ihr.
„Natürlich, ich hätte sie ja schon angerufen, aber ich bin Undercover, ich konnte nicht“, erklärte er gefühlvoll.
„Oh nein, dann bist du auch einer von denen. Wunderbar, also bist du die Ablöse von Stephen?“
„Du weißt wer mich schickt? Wissen die anderen es auch?“, stand Rabatin auf und sah besorgt aus dem Fenster.
„Nein, ich meine doch, Jarrah weiß es. Ich musste es ja irgendjemand erzählen. Aber ihm kannst du ja vertrauen, er ist dein Schwager, oder dein Bruder was auch immer also ein Mitglied deiner Familie. Du spitzelst also in deiner eigenen Familie“, druckste sie herum.
„Wie kommen die auf die dämliche Idee, dass er mein Bruder ist?“
„Miles snr. Ist doch dein Vater, oder?“
„Ja, worauf ich nicht besonders stolz bin“, erklärte er.
„Dann bist du Jarrahs Bruder, so einfach ist das“, erklärte sie cool.
„Ich glaub mir wird schlecht“, setzte sich Rabatin geplättet zurück auf den Stuhl.
„Witzig, das hat dein Bruder auch gesagt, als er es erfahren hat. Du rufst sie an“, zog sie ihr Handy aus der Tasche.
„Ich bin Undercover, das geht nicht“, druckste er herum.
„Ihr seid auch die gleichen Skeptiker. Junge, das ist mein Handy, das zapft keiner an. Nimm“, erklärte sie und streckte ihm das Handy entgegen.
„Ich weiß nicht!“
„Ruf an, du weißt wie ich dich umnieten könnte“, drohte sie.
„Gib her“, grummelte er, nahm es entgegen und rief an.
„Kokkaburra, ich bin’s Rabatin. Wie geht es dir mein Schatz, es tut mir leid, wein nicht, ich werde nach Hause kommen, wenn ich kann mein Schatz, wenn ich kann. Ja, sie haben mich gefunden, sie sind ziemlich gut. Ich liebe dich auch, mein Schatz, tss komm hör auf zu weinen. Ja, ich pass auf mich auf, ich liebe dich so, Vögelchen“, telefonierte er unter Tränen.
Er klappte das Handy zu.
„Das war so süß“, sagte Danera verträumt und lächelte.
„Kokkaburra ist mein Spitzname für sie. Dieser kleine Vogel gibt Laute von sich, als würde er lachen. In ihm hör ich immer sie lachen. Ich will nach Hause, zu ihr“, schniefte er und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
„Wir werden morgen früh wieder nach Hause fahren, du wirst bei deiner Frau sein, wenn sie euer Kind auf die Welt bringt. Ich hab dich richtig eingeschätzt, du bist ein netter Kerl, ein wirklich netter Kerl. Es war gut, dass wir dich gesucht haben. Sie braucht dich. Komm, pack deine Sachen, wir werden ihnen sagen, dass du auf dem Festland was zu tun hast“, schlug sie vor.
„Wenn ich die Fotos habe, werde ich sie an die Tierschützer faxen. Die Polizei wird dann gleich am Hafen auf uns warten. Ich freu mich“, freute er sich und ging nach hinten, um seine Sachen zu packen.
 
„Sie kommen!“, rief Danera zu ihm, als er im Schlafzimmer war.
„Haben sie was geschossen?“
„Sie sehen aus, wie nach einem Krieg, sieht ganz so aus. Ich hoffe Jarrah hat gute Bilder gemacht“, ging sie zur Tür.
„Cousin, wir haben eine Überraschung für dich“, rief Casy ihnen entgegen.
„Ein Känguru?“, spielte Rabatin erfreut und trat hinaus.
„Nein, besser“, schupste er Jarrah auf die Knie. Er hatte die Arme hinter dem Rücken zusammengebunden.
„Tja, ich glaub jetzt ist Skepsis angebracht, oder?“, fragte Rabatin und Danera schloss erschöpft die Augen.
 
„Ich hätte auf deine Gefühle hören sollen. Tut mir Leid“, griff Danera, nach Jarrahs Hand, als sie Rücken an Rücken aneinander gefesselt in einem alten Militärtruck saßen und durch die Nacht fuhren.
„Ja, hättest du, was habt ihr da drin nur gemacht?“, fragte er gereizt und riss ihre Hand von ihm los.
„Unsere Familie ist kacke“, schimpfte Rabatin der an der anderen Seite gefesselt war.
„Nein, nicht meine Familie, nur deine Familie. Meine Familie sitzt zu Hause und wartet auf mich. Also halt die Klappe“, war Jarrah ziemlich angepisst.
„Du bist mein Bruder, gezwungenermaßen gehören sie auch zu deiner Familie. Freu dich, du wirst sie bald kennenlernen, aber erwarte keinen Tee und Kekse“, war auch Rabatin nicht in bester Laune.
„Hört auf euch zu streiten, wir müssen uns überlegen, wie wir hier wieder rauskommen“, schlug sie vor.
„Wir sollten eher gucken, wie wir nicht getötet werden, ich schlage vor, wir werden tun was sie sagen“, erklärte Rabatin wieder ruhiger.
„Von wegen, ich bin doch keine Marionette!“ tönte sie.
„Wärst du lieber tot?“, fragte er todernst.
„Hey, bei der Arbeit bin ich auch oft eine Marionette. Könnt schlimmer kommen, oder?“, änderte sie ihre Meinung.
„Sag das nicht so laut, die können uns hören. Sie haben so einige Methoden in petto, die gar nicht nett sind. Sei einfach still“, bat Rabatin und sie schwieg brav.
 
Danera war leicht eingedöst, als der Truck plötzlich hielt.
„Wir sind da“, erkannte Rabatin müde.
„Werden sie uns töten?“
„Ich hoffe nicht, sonst bringt mich meine Frau um“, erwiderte Rabatin etwas sarkastisch.
„Ich glaub, das ist grad eins deiner geringsten Probleme. Ruhig, sie kommen“, erklärte Jarrah und die Plane wurde aufgeschlagen.
„Willkommen auf der Seyer Ranch, ich bin Monty Seyer, Ihr Guide für heute Nacht. Aussteigen“, begrüßte ein Mann Anfang dreißig die Gefangenen.
„Ich weiß wie du heißt, Bruder. Hast du ne Idee, wie wir aussteigen sollen, wenn wir gefesselt sind wie Vieh?“, fragte Rabatin unverschämt.
„Immer noch eine große Klappe, kleiner Bruder. Wie ich sehe hast du auch den letzten unserer Familie gefunden, praktisch, dann müssen wir das nicht mehr tun. Nicht bewegen, sonst tu ich euch noch weh“, krabbelte er zu ihnen in den Truck und schnitt die Seile mit einem Buschmesser auseinander.
Jarrah riss das Messer an sich und hielt es Monty an die Kehle.
„Uh, ein echter Seyer, wie ich sehe. Leg das Messer weg, kleiner Bruder, da draußen sind Männer mit Waffen. Man, du bist ganz schön gut gelungen für einen Aussätzigen. Du hast das gleiche Feuer. Du musst stolz auf ihn sein, Rab“, erklärte Monty, nahm das Messer wieder an sich und schupste Jarrah nach draußen.
 
„Das ist also Monty, dein großer Bruder“, bemerkte Jarrah, als sie durch einen Gang gedrängt wurden.
„Du bist mein Bruder, er ist also genauso gut auch dein Bruder“, blieb Rabatin stehen und wurde weiter geschupst.
„Ich will einen Gen-Test“, forderte Jarrah.
„Ja, er ist schon seltsam, liegt wahrscheinlich an ihrer Mutter. Wir haben alle verschiedene Mütter“, erklärte Rabatin.
„Nein, ich mein bei uns beiden“, erkannte Rabatin und sie wurden in einen Raum geschupst.
„Guck dich im Spiegel an, wir könnten Zwillinge sein. Ist schon witzig, bei zwei Müttern“, überlegte Jarrah laut.
„Vielleicht sind wir doch von der gleichen Mutter. Wer weiß das schon. Er hat und hatte so viele Frauen seit seine erste Frau gestorben ist. Montys Mutter übrigens, traurig, scheint die einzige Frau gewesen zu sein, die er wirklich geliebt hat und dann dieser Sohn. Meine Mutter lebt noch, sie ist die Hausherrin hier, sie kümmert sich um die Küche und alles drum und dran. Eigentlich ist sie nur die Chefin der Putzfrauen, wenn man ehrlich ist. Sie hatte lang das sagen im Haus, aber jetzt sind die Jüngeren dran. Rafaellos Mutter ist gerade seine Bettgefährtin. Er ist eine richtige Rotznase. Er wird sechs im Herbst. Er ist nicht der Jüngste, wenn du das fragen willst. Ich glaub mehr willst du nicht wissen. Man, du siehst echt verwahrlost aus, dass du dir diese Amerikanerin geangelt hast, ist echt ein Wunder. Heiße Schnecke übrigens, hat ziemlich Feuer. Sag das nicht Kiah, sie killt mich. Man, sie killt mich oft in nächster Zeit, ich sollte das hier überleben, sonst wird sie enttäuscht sein. Seltsam, wir kennen uns jetzt fast zehn Jahre, mir ist nie aufgefallen, wie ähnlich wir uns sehen. Ich denke mal, mit den ganzen Aborigines um mich herum, hab ich nicht mehr auf Gesichter geachtet. Ich glaub, ich seh’ auch nicht grad aus wie George Clooney im Moment. Ich frag mich, was die mit Danera vorhaben, ob sie in den Küchendienst kommt? Ich hoffe nur das. Wie geht es Kiah?“, fragte er, während er sich im Spiegel betrachtete.
„Was heißt denn nur das? Was tut er mit ihr?“, erwiderte Jarrah und rappelte sich auf.
„Denk nicht darüber nach. Denk einfach nicht darüber nach. Jetzt schlaf, du brauchst deine Kraft morgen“, ließ er sich auf ein einfaches Feldbett fallen. Das Zimmer in dem sie waren, hatte große Glasfenster, Männer mit Waffen liefen vor ihnen auf und ab.
„Glaubst du ich kann jetzt schlafen? Was tun sie mit ihr? Sag’s mir“, lief er mit voller Wucht gegen die massige Holztür.
„Vorsicht, da ist Eisen …“, rief Rabatin und Jarrah donnerte gegen die Tür und schrie auf.
„ … in der Tür“, sprach er den Ratschlag zu Ende und kniff die Augen zusammen.
„Verdammt, das hättest du auch vorher sagen können. Ich glaub, ich hab mir den Arm gebrochen“, fluchte er mit schmerzverzerrtem Gesicht.
„Klasse, ganz klasse, du solltest das nächste Mal vorher nachdenken, bevor du was machst. Zero Seven“, rief er und die Tür ging auf.
„Ich weiß, ich steh’ grad nicht gut bei euch, könntet ihr euch aber bitte um ihn kümmern?“, bat Rabatin genervt und sie zogen Jarrah weg.
„Zero Seven? Ist das so was wie ein Geheimcode, bei euch?“, fragte Jarrah, als er ein paar Minuten später im Bett lag, den Arm in einer Schlinge.
„Ja, so in etwa. Schulter ausgekugelt?“
„Angebrochenes Schulterblatt. Hat der Arzt gesagt, hab keine Ahnung was das bedeutet nur dass es schweineweh’ tut. Ein Onkel von uns, richtig?“
„Nein, er ist ein Cousin von Dad, glaub ich zumindest. Unsere Familie ist so groß, ich kenn mich nicht mehr aus. Sehr clever sich zu verletzen, dann kannst du nicht bei den harten Arbeiten mithelfen. Sie werden dich vermutlich zum Ernten schicken, oder so. Jetzt schlaf, wir müssen morgen sicher früh raus“, bat Rabatin und löschte das Licht. 

Achtzehntes Kapitel


„Was hast du gemacht?“, fragte Danera, als sie mit Jarrah ein paar Minuten zusammen war tags drauf. Sie streuten Samen, auf einem großen Feld.
„Kleiner Wutausbruch, nicht wichtig. Wie behandeln sie dich“, strich er mit seiner Hand sanft über ihren Arm.
„Sagen wir es mal so, ich hab ein paar Punkte gesammelt die ich auf meine contra Hausfrau-Liste schreiben kann. Ich bin seit heut Morgen um fünf auf den Beinen. Ich hab Eier eingesammelt, Kühe gemolken, übrigens auch eine Erfahrung die ich sonst nie gemacht hätte, und Wäsche gewaschen. Du bist gegen die Tür gerannt, ich hab’s heut Morgen in der Küche gehört. Du dummer, dummer Junge“, bemerkte sie sarkastisch und fuhr über seine Schlinge.
„Aha, die Gerüchteküche. Du hast dich wohl sehr schnell hier eingelebt. Willst du hier bleiben?“, war er etwas gereizt und schupste ihre Hand von der Schlinge.
„Keine Aufregung, wir sollen alles tun, was sie sagen, das hat Rabatin gesagt. Streu weiter“, forderte sie und lief weiter.
„Du hast Angst, richtig?“, griff er nach ihr.
„Todesangst, tu es bitte“, bat sie mit einem Beben in der Stimme.
„Wir holen dich da raus, keine Angst“, sagte er mit ernster, aber fester Stimme.
„Das beruhigt mich jetzt gar nicht, du bist gehandicapt“, erkannte sie und riss sich los.
„Was ist mit dir los?“
„Was mit mir los ist? Vor zwei Wochen war meine größte Sorge, dass ich nicht so viel Kaffee vor einer Entbindung trinken sollte, jetzt fürchte ich, dass ich meine Tochter nie wieder sehe. Ich will nach Hause, zu meiner Familie“, begann sie zu weinen.
„Es tut mir leid, es tut mir alles so leid“, entgegnete er plötzlich sehr einfühlsam und zog sie an sich.
„Ist nicht dein Fehler, du wolltest ja nicht, dass wir weiter suchen. Es ist genauso mein Fehler. Du rennst also gegen Eisentüren?“, genoss sie die Nähe zu ihm, die sie in dieser Nacht so vermisst hatte.
„Wenn ich hier sterben sollte, bin ich zumindest mit dir gestorben, damit erfüllt sich mein Traum“, bemerkte er und sie begann ihn sanft zu küssen.
„Hey, keine Zärtlichkeit während der Arbeit. Macht weiter“, wurden sie von einer Frau mittleren Alters angeraunzt.
Sie ließen voneinander ab und arbeiteten weiter. Es vergingen ein paar Tage, bis sie an einen großen Holztisch geladen wurden. Geladen war das falsche Wort, sie waren an einer Kette an die Stühle gefesselt.
„Ich hab Plastikgeschirr, ich hab als einziger Plastikgeschirr“, beschwerte sich Jarrah und die anderen sahen ihn an.
„Du hast dem „Thronfolger“ ein Messer an die Kehle gehalten, die wissen schon was sie machen“, erklärte Rabatin müde.
„Ach richtig, schon vergessen. Was ist das hier, eine Familienfeier?“, fragte Jarrah gereizt.
„Du solltest dich geehrt fühlen, er lädt sonst nur Auserwählte an die Tafel. Die liegen meistens aber nicht in Ketten. Wir fallen wie es aussieht unangenehm auf, wie er es ausdrücken würde. Trinkt viel Wasser, ihr wart den ganzen Tag auf dem Feld“, forderte Rabatin und Jarrahs Kette rasselte, als er sich zum Wasser beugte.
„Ich würde mich geehrt fühlen, wenn ich nicht wie ein Hund angekettet wäre. Hat Vater Angst vor uns, oder was? Ich kann nur einen Arm benutzen, was soll ich schon machen?“, grummelte er und trank sein Glas leer. In dem Moment kam eine Frau in ihrem Alter, mit dunkler Hautfarbe durch eine große Tür die von beiden Seiten aufging und rollte den Servierwagen hinein.
„Wer ist das?“, fragte Jarrah.
„Sahara, auch ne Schwester denk ich mal, ich war zu jung um zu kapieren, wie viele Gespielinnen er sich hält und gehalten hat, ich will es auch nicht wissen“, flüsterte er ihm entgegen.
„Du weißt ziemlich wenig, dafür dass du hier aufgewachsen bist“, erkannte Jarrah mürrisch.
„Das ist eins von 12 Häusern auf diesem Land, glaubst du, ich weiß immer was wann passiert?“, entschied Rabatin und lehnte sich zurück.
„Sie ist nett, ich hab mich in der Küche etwas mit ihr unterhalten. Sie ist die Tochter von Shahill, die Tochter einer der ersten Gespielinnen die sich dein Vater hielt“, erklärte Danera.
„Shahills Tochter? Ich erinnere mich an Shahill, sie war nett, sie hat mir vorgelesen, wenn ich zu ihr kam. Meine Mutter war immer eifersüchtig auf sie, kein Wunder sie hat seine Töchter zur Welt gebracht. Sie wollte auch immer eine Tochter haben, hat sie aber nie bekommen“, erklärte Rabatin.
„Das du dich daran erinnerst ist verblüffend. Willkommen zurück mein Sohn, wir hatten schon Sorgen, dass du wieder weggelaufen bist“, erwiderte eine Frau mit einem Outfit, aus weißem Leinen die nach Sahara aus der Tür kam und sich auf einen Stuhl am Tischkopf setzte.
„Nein Mutter, ich war viel zu lange von euch getrennt“, tat Rabatin so, als würde es ihn freuen, da zu sein.
„Ich bin deine Mutter, lass den Mist, ich merke wenn du lügst. Trotz allem will ich dir einen großen Wunsch erfüllen, ich hoffe du freust dich“, machte sie eine Handbewegung und die Tür ging auf. Da stand Kiah, barfuss, ihres weißes Leinenkleid, was sie trug, spannte über ihren dicken Bauch.
„Was habt ihr gemacht, ich wollte zu meiner Frau, nicht dass sie herkommt. Sie bekommt jeden Tag das Kind. Macht mich los, ich will zu meiner Frau“, erwiderte er genervt und stand auf, als er losgemacht worden war.
„Jetzt seid ihr zusammen, sei zufrieden damit. Nimm Platz, mein Kind“, entschied seine Mutter nur und Rabatin half seiner Frau hinzusetzen.
Kiah sah ihren Mann an, als würde sie ihn gleich aufspießen wollen. Er wich ihren Blicken gekonnt aus.
„Keine Sorge, ihr seid keine Geschwister, deine Frau und du. Wäre ja noch schöner, wenn dein erstes Kind behindert zur Welt kommen würde. Aber Miles und du ihr seid Brüder, ist euch vielleicht schon aufgefallen. Ich bin nicht deine Mutter Miles, das ist Penelope, sie ist grad mit einigen Frauen einkaufen, du wirst sie noch kennen lernen, keine Sorge. Ich werde Miles senior holen, er wird sehr erfreut sein, euch zu sehen“, verschwand Rabatins Mutter in einem Nebenraum.
„Kiah, Schatz, ich wusste nichts davon“, versprach Rabatin.
„Das hoff ich mal schwer für dich. Sie haben mich entführt und meine Brüder niedergeschlagen. Ich weiß nicht einmal wie es ihnen geht und meine Mutter erlebt sicher grade die schlimmsten Stunden ihres Lebens. Nur, dass du deinen Willen bekommst“, zischte Kiah zu ihm.
„Ich wollte nach Hause zu dir, nicht dass du herkommst, hab ich doch gesagt. Es tut mir sehr leid“, entschuldigte er sich.
„Wir sitzen ziemlich in der Klemme, ich hoffe das wisst ihr“, entschied Danera, die die Situation beobachtet hatte.
„Ja, das ist uns aufgefallen, danke Süße“, grummelte Jarrah genervt.
„Du brauchst mich gar nicht so anmachen, das ist deine Schuld“, nörgelte sie.
„Immer dreht sich alles um dich, nur um dich“, murrte Kiah ihren Ehemann an. Bald konnte man nur Stimmengewirr vom Tisch vernehmen.
„Ruhe!“, brüllte eine Männerstimme und sie drehten sich fast synchron zur Seite, wo ein Mann in den Fünfzigern, Platz genommen hatte. Es wurde still am Tisch.
„Geht doch! Willkommen meine Kinder, auf der Farm der Seyers. Wunderbar, endlich sind auch meine Söhne wieder vollständig zurück. Miles, mein Sohn, wie schön, dass dich deine Reise wieder zurück zu uns gebracht hat. Es ist eine Schande, wie dich diese Frau entführt hat, was du alles verpasst hast. Aber lasst uns nicht der Vergangenheit nachtrauern, es ist die Zukunft die zählt. Wie ich sehe hast du uns eine weitere Frau ins Haus gebracht Rabatin, wie schön. Sie wird deiner zukünftigen Frau gut zur Seite stehen können, wenn die Kinder erst mal da sind. Blondschopf hier können wir auch irgendwie verwehrten, wir brauchen immer Leute die im Transport arbeiten. So, lasst es euch schmecken“, hielt der große Miles senior einer seiner großen Reden, doch keinem war noch zu Essen zu mute.
 
An diesem Abend hatten sie das Privileg ein paar Stunden zusammen zu verbringen.
„Ich weiß ich wiederhole mich mit meiner Paranoia, aber ich fürchte, das da eben war unsere Henkersmahlzeit“, entschied Jarrah und legte den Arm um seine Freundin.
„Alles besser als tote Tierkadaver von A nach B zu transportieren“, entschied Danera tonlos.
„Ist wohl doch nicht mehr so schön hier, was?“, brummelte er und Danera zog seinen Arm von ihrer Schulter.
„Nein, alles wunderbar. Mein Freund wird mit einer Debütantin verheiratet, meine Freundin muss als Dienstmädchen für deine zukünftige Schwägerin herhalten und ich transportiere tote Tiere bis ich sterbe. Mein Urlaub wird von Tag zu Tag besser“, konterte sie sarkastisch und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Wir müssen hier raus“, entschied Rabatin.
„Ist dein zu Hause, mach du einen Vorschlag wie wir das anstellen sollen“, konterte Kiah müde.
„Wir werden morgen getrennt werden, deshalb werden sie uns heut noch mal zusammen lassen. Wir müssen den Plan heut Nacht noch entwickeln“, erklärte Rabatin plötzlich.
„Dann spuck ne Idee aus, mir fällt nämlich nichts ein“, bemerkte Jarrah trocken.
„Tja“, gab Danera von sich und sie schwiegen sich an.

Neunzehntes Kapitel


Die wärmende Sonne weckte die vier ein paar Stunden später, die zusammengesackt immer noch auf den Ledersofas lagen.
„Leute, es ist Morgen“, weckte Danera die anderen.
„Dann hat das Schicksal gesprochen. Lasst uns gehen“, half Rabatin seiner Frau auf und sie gingen zusammen zurück ins Wohnzimmer.
„Guten Morgen, meine Kinder. Setzt euch, bitte“, erkannte Miles senior und bat sie an den Frühstückstisch.
„Sei uns nicht böse Vater, aber wir haben wirklich keinen Hunger“, entschied Jarrah und legte seine Hände auf die Stuhllehne.
„Wie ihr meint, dann kommt ihr Jungs mit mir und die Ladies gehen bitte mit meiner Frau mit, sie wird euch zu eurem Haus bringen. Es ist seltsam, ich hab mehr Gegenwehr erwartet. Also gut, gehen wir“, war ihr Vater überrascht und nach einem kurzen Blickkontakt wurden sie getrennt.
 
Zwei Tage vergingen und sie sahen sich in der Zeit keine Minute. Jarrahs Sehnsucht nach Danera war groß und nur grobe Feldarbeit konnte ihn davon abhalten durchzudrehen. Am Abend des dritten Tages sah er sie kurz, als sie am Pool vorbeilief. Sie war in Begleitung zweier Männer und alle trugen schwarze Kleidung und Baseballcaps.
„Meine Söhne, wie wir schon angekündigt haben, werden wir euch beiden eine Frau suchen und nach längerer Suche haben wir sie gefunden. Das hier sind Phoebe und Janet. Sie sind hoch angesehene Frauen der Gesellschaft, im besten Gebärens-Alter und Töchter von Geschäftspartnern. Wir werden euch am Sonntag in einer kleinen Zeremonie verheiraten. Bleibt bis dahin nüchtern und prügelt euch nicht, wir müssen unser Ansehen wahren. Wir werden euch jetzt allein lassen, dass ihr euch besser kennen lernen könnt. Gute Nacht“, kam Miles senior mit zwei blonden Frauen an den Pool geschlendert, stellte sie dort ab und ging wieder durch die Glastür nach drinnen.
„Dürfen wir uns aussuchen wer wen bekommt?“, fragte Jarrah ohne Regung und die Frauen zuckten mit den Schultern.
„Okay, wer von euch spricht französisch?“, fragte Rabatin und Jarrah sah ihn an.
„Was ist denn das für ein Auswahlkriterium?“, puffte er ihn in die Seite.
„Hey, wenn ich mir schon eine Frau aussuchen muss, dann muss sie schon weltgewandt sein“, erklärte Rabatin und als Phoebe die Hand hob, zog er sie weg.
 
Gerade als Danera ihren Transporter erreichte, mit dem sie jetzt schon zwei Tage lang Ladungen transportierte, griff ein Arm nach ihr.
„Wer ist diese Frau da bei meinem Mann?“, schnaubte Kiah und zog sie zu sich.
„Seine zukünftige Frau, denk ich mal. Warum schnaufst du so?“, fragte Danera etwas überrumpelt.
„Jede 2 Minuten seit ungefähr 20 Minuten“, erklärte Kiah kurz.
„Das Baby kommt? Warum stehst du dann noch da? Komm, wir gehen rein. Jungs, ihr müsst heut Nacht ohne mich fahren. Muss der Boss nicht unbedingt erfahren, ich mach mit euch auch später alles was ihr wollt. Fahrt“, versprach sie und der Transporter fuhr los.
„Das schaff ich schon allein, das musst du nicht für mich tun“, erkannte Kiah schnaubend.
„Ich bin bei dir, macht dir über das keinen Kopf“, half sie ihr zurück ins Haus der Frauen.
„Okay, leg dich hin, ich werde zum Doc in die Praxis gehen, die hat sicher einen Wehenschreiber und Desinfektionsmittel da, wenn die hier so viele Kinder haben. Atme so, wie du es gelernt hast, ich bin sofort wieder da“, half sie ihr aufs Bett und eilte aus der Tür.
 
„Ich wusste es doch, die sind voll ausgestattet. Ich bin eingebrochen, das werden die sicher tolerieren. Hier sind Handtücher wie geht’s dir?“, stürmte sie zurück und baute ihre Gerätschaft bei ihr auf.
„Ich will meinen Mann, Rabatin, ich will Rabatin“, begann sie zu weinen.
„Schätzchen, heut Nacht sind nur wir zwei hier, konzentrier dich aufs Atmen“, befahl sie professionell.
„Wenn du mir nicht sofort meinen Ehemann von diesem weißen Arsch wegschleppst, atmest du bald nicht mehr“, schnaubte Kiah, nachdem sie ihre Freundin an sich gezerrt hatte.
„Kleines, könntest du bitte loslassen, ich werde ihn holen“, keuchte sie und Kiah ließ sie los.
„Beeil dich, ich will nicht allein sein“, war sie plötzlich wieder den Tränen nahe.
„Ich beeil mich, versprochen“, eilte sie wieder aus dem Raum. Sie rannte durch die Holzkorridore und stieß mit Jarrah zusammen, der mit einer jungen Frau durch die Gänge schlenderte. Sie mied den Blickkontakt und ging eilig weiter.
„Das heutige Personal, also wirklich. Wenn wir erst mal verheiratet sind, werde ich eine Agentur beschäftigen, die sich um unser Personal kümmert“, bemerkte Janet.
„Alles was du willst, meine Liebe“, erwiderte Jarrah tonlos und leerte hinter seinem Rücken Tröpfchenweise einen Whiskey den er aus der Bar gemopst hatte, auf dem Boden aus.
Danera eilte weiter. Tränen kullerten über ihre Backe. Wie schick er angezogen war, wie so ein Dandy. Nein, sie musste einen klaren Kopf bewahren, für Kiah. In dem Augenblick stoppte sie, rannte fast eine Statue um und kam neben ihr zum Stehen. Da saß Rabatin mit dem Gesicht zu ihr auch mit einer jungen Frau auf dem Sofa und unterhielt sich. Die Frau hatte sie nicht bemerkt, doch Rabatin schien sie gesehen zu haben. Danera hatte doch ein Handtuch in der Hand, mit dem sie sich jetzt langsam der Frau von hinten näherte. Rabatin fragte mit seinen Augen, was das sollte und Danera formte mit ihren Lippen die Worte „Wir brauchen dich“, während sie an sie heranschlich.
„Ist was nicht in Ordnung, Rabatin?“, fragte Phoebe verwundert, als Rabatin wild gestikulierte und drehte sich um.
„Miss, Ihr Bad ist jetzt eingelassen, hier ist Ihr Handtuch“, spielte Danera die Dienerin.
„Ich hatte kein Bad bestellt“, murrte Phoebe und stand auf.
„Ein Befehl von der Hausherrin, sie sollen gereinigt in Ihr Ehebett steigen“, log Danera, dass sich die Balken bogen.
„Wenn die Misses es so will, werde ich sie natürlich nicht enttäuschen. Wo muss ich lang?“, gab Phoebe nach und stöckelte Richtung Flur.
„Immer den Gang lang und dann rechts“, rief Danera ihr hinterher und als sie verschwunden war, kam sie zu Rabatin.
„Hast du vollkommen den Verstand verloren, was willst du hier?“, zischte Rabatin.
„Sie bekommt das Baby, jetzt. Komm!“
„Das Baby? Jetzt? Und wenn sie wiederkommt?“
„Deine Frau braucht dich jetzt, los“, befahl sie streng und Rabatin eilte hinter ihr her.
„Wo zum Teufel wart ihr?“, kam Kiah auf sie zu und schloss die Tür hinter ihnen.
„Was ist denn jetzt?“, fragte Danera genervt.
„Sie haben aufgehört, die Wehen sind weg“, entgegnete sie gelassen und setzte sich aufs Bett.
„Die ganze Aufregung wegen nichts? Bist du sicher?“
„Äh ja, das würde ich merken. War vermutlich wegen der Aufregung. Apropos wie kannst du mir das antun?“, erklärte Kiah während sie ihren Ehemann schlug.
„Au, hör auf mich zu hauen. Leg dich erst mal hin“, bat Rabatin und drückte sie aufs Bett.
„Ich werde nachsehen, nur zur Sicherheit“, drückte Danera Kiahs Beine auseinander.
„Die Fruchtblase ist noch intakt, ich hab selbst gefühlt, ich bin auch Hebamme schon vergessen“, moserte Kiah und verzog ihr Gesicht.
„Aber das ist nur eine Frage der Zeit, sie ist hauchdünn. Du wirst das Kind noch heut Nacht kriegen“, entschied Danera.
„Ich will das Kind nicht hier kriegen“, wimmerte Kiah.
„Wirst du wohl müssen“, entschied sie.
„Nicht unbedingt. Kann sie laufen?“, kam Jarrah reingestürmt.
„Was machst du denn jetzt hier? Wo ist Janet?“
„Besenkammer. Was? Mir ist in der Eile kein besseres Versteck für sie eingefallen. Wo ist Phoebe?“
„Badezimmer. Hast du sie umgebracht?“
„Ich hoff nicht, ich hab ihr die Whiskeyflasche über den Schädel geschlagen, die ist mir vielleicht auf den Geist gegangen. Ich hab mir einen Plan ausgedacht, hab gestern Nacht wach gelegen dafür. Ich hoffe er funktioniert. Wachablösung ist in ca. 5 Minuten am Westausgang, da müssen wir hinkommen“, plante Jarrah und Kiah stand wieder auf.
„Das ist ein riesiges Haus, wie willst du das machen?“, fragte Danera ungläubig.
„Stimmt, das könnte schwierig werden. Fenster, wir stürmen durchs Fenster“, fiel ihm spontan ein.
„Das mit der Tür hat auch nicht wirklich was gebracht“, schlussfolgerte Rabatin.
„Rab, deinen Pessimismus kannst du dir für später aufheben, denk nach“, bat Jarrah genervt.
„Wir gehen ins Bett, wir werden heut Nacht flüchten“, schlug Rabatin vor.
„Natürlich, wir gehen einfach ins Bett, warum ist mir das nicht gleich eingefallen“, grummelte Jarrah über die dumme Antwort.
„Nein, das ist gar keine schlechte Idee, heut Nacht ist es einfacher“, bemerkte Danera.
„Ich hab meine zukünftige Braut gerade in der Besenkammer verstaut, wie stellst du dir das vor?“, erkannte Jarrah.
„Sie ist blond, ich bin blond, mit der richtigen Inspiration spiele ich auch die feine australische Land-Dame. Gib mir zwei Minuten zum Umziehen“, entschied sie und ging zum Kleiderschrank.
„Und was mach ich?“, fragte Kiah.
„Nicht aufregen, atme ein paar Mal tief durch und leg dich Schlafen. Wir wecken dich wenn es losgeht. Rabatin, hier ist eine Betäubungsspritze, die sollte eigentlich für eine Spinalanästhesie sein, aber die erfüllt so auch ihren Zweck. Ramme sie Phoebe in die Hüfte, wenn sie eingeschlafen ist, sie wird sich nicht bewegen können. Knebel sie mit ein paar Socken und dann komm‘ zu uns und weck uns. Dann geht’s los“, plante Danera und zog sich dabei um.
„Okay, alle wieder auf ihre Plätze“, erwiderte sie und hakte sich bei Jarrah unter.
Gerade als Rabatin aus dem Bediensteten-Raum kam, kam Phoebe auf der Suche nach ihm zu ihm.
„Rabatin, was machst du hier drin?“, fragte sie und Rabatin tat so, als würde er seinen Reißverschluss wieder schließen.
„Ich hab der Süßen für ihre Hilfsbereitschaft gedankt. Hey, wenn wir erst mal verheiratet sind, musst du dich daran gewöhnen. Komm, Zeit für das Bett“, sagte er cool und zog sie Richtung Schlafzimmer.
Rabatins Herz pochte laut, als er auf der Bettdecke neben seiner zukünftigen Ehefrau wartete, bis sie eingeschlafen war. Als er ein Schnarchen vernahm, setzte er sich auf sie und spritzte ihr das Mittel. Sie wachte davon auf und wollte schreien, doch Rabatin steckte ihr die Socke in den Mund und hielt sie fest, bis sie sich nicht mehr bewegte.
„Exusomoi, mon cheri, aber ich steh’ nicht auf Milchkaffee“, stieg er von ihr runter, deckte sie zu und eilte aus dem Raum.
„Na endlich, du bist spät dran“, erwiderte Kiah am Fenster.
„Ihr Weiber müsst ja immer so viel reden. Das hat ewig gedauert, bis die weggeratzt ist. Wir haben nicht viel Zeit, wo bleiben die anderen?“, zog er sich einen Pullover über sein T-Shirt.
„Gehen wir zu ihnen“, befahl sie und sie schlichen ins zweite eheliche Schlafzimmer. Da lagen die beiden verliebten spärlich bekleidet im Bett unter der Decke und schliefen.
„Das ist nicht ihr Ernst, wir planen eine Flucht und die treiben’s vogelwild“, murrte Kiah.
„Sie werden sich bald trennen müssen, lass sie doch“, entschied er und ging neben Jarrah und hielt ihm den Mund zu. Kiah tat dasselbe bei Danera.
„Hey, ihr Karnickel, wir müssen“, flüsterte er seinem Bruder ins Ohr und er riss die Augen auf.
Sie schmissen ihnen ihre Klamotten hin und sie zogen sich hastig an.
„Okay, es ist Nacht, wie sieht dein Plan aus?“, flüsterte Kiah ihrem Bruder zu.
„Weißt du noch, wie Mum dir gezeigt hat, wie man Feuer macht?“, fragte Jarrah planend.
„Und weißt du, wie mies ich darin war?“
„Versuch es, meine Whiskeyspur geht bis hierhin, das wird ein tolles Feuer geben. In der Aufregung können wir fliehen“, plante Jarrah.
„Irgendwelche Alternativen?“
„Im Moment nicht. Mach“, bat Jarrah und Kiah setzte sich in den Schneidersitz, um ein Feuer anzumachen.
„Es geht nicht“, sagte sie nach einer Weile, als Danera gerade zusammenpackte, was sie für eine mögliche Geburt bei der Flucht brauchte.
„Nimm ein Teil von deinen Haaren, die brennen“, schlug Danera vor.
„Das hinterlässt Spuren“, entgegnete Jarrah.
„Wir brennen hier alles nieder, es werden keine Spuren übrig sein“, konterte Rabatin und schnitt seiner Frau eine Locke ab. Jetzt klappte es.
„Gut, tolles Feuer, Mum wäre stolz. Hier, brenn den Whiskey an, bevor sie aufwachen“, gab er ihr ein Stuhlbein, dass er unter der Decke abgeschlagen hatte und Kiah tat es.
Keine fünf Minuten später brannte der Flur lichterloh.
„Los jetzt“, rief Rabatin und sie stürmten zur Tür. Doch der Fluchtweg war verschlossen.
„Ganz toll Jarrah, du hast den ganzen Flur in Alkohol getränkt, wir werden hier krepieren“, fluchte Danera.
„Nicht unbedingt“, schlang er eine Decke um sich.
„Was machst du da?“
„Ich spring durch die Glastür, nach was sieht das sonst aus?“, stülpte er die Decke über seinen Kopf und ging zurück um Anlauf zu nehmen.
„Du bist gehandicapt, dass mach ich“, forderte Rabatin.
„Nein, du musst deine Frau tragen, das kann ich nicht mehr. Vor allem nicht, wenn ich nachher den Rücken voller Glassplitter hab. Danera, komm her“, zog er seine Freundin an sich, küsste sie kurz aber heftig und rannte dann los. Das Glas zerbarstete in tausend Stücke und Jarrah landete auf den harten Marmorplatten vor dem Zimmer.
„Jarrah“, rief Danera, die sah, dass er verletzt war.
„Später, nehmt eure Sachen“, rappelte sich Jarrah mit schmerzverzerrtem Gesicht auf und Rabatin schwang seine Frau auf den Arm.
„Man, das hast du seit unserer Hochzeit nicht mehr gemacht“, entgegnete Kiah überrascht.
„Sei mir nicht böse, aber damals warst du eindeutig leichter. Rennt, wartet nicht auf uns, wenn wir nicht so schnell sind, dreht euch nicht um“, erkannte Rabatin und Danera rannte mit ihrem Freund an der Hand über die große Wiese Richtung Wald. Sie mussten ungefähr eine Meile gerannt sein, als Jarrah auf die Knie fiel.
„Warte, ich kann nicht mehr“, keuchte er. Sein Rücken blutete.
„Du bist so ein Trottel, warum springst du auch durch Glas?“, nörgelte sie und zog ihn wieder auf die Beine. Die andren kamen bei ihnen an.
„Okay, wir sind weit genug weg, wie sieht dein weiterer Plan aus du großer Held“, erkannte Rabatin.
„Das war mein Plan, weiter war ich noch nicht“, entgegnete Jarrah erledigt.
„Wunderbar, wird sind hier irgendwo im nirgendwo. Du verblutest hier, meine Frau bekommt hier ihr Kind und wir sterben hier alle“, fluchte Rabatin und seine Frau sah ihn böse an.
„Na wunderbar“, fiel Jarrah wieder auf die Knie und die anderen legten sich erledigt auf die Wiese.
Gerade als sie aufgeben wollte, bremste ein Van neben ihnen. Eine Hand winkte sie hinein und sagte mit einer bekannten Stimme „Kommt, wir helfen euch“. Ohne weitere Worte stiegen sie hinten in den Van und der düste in die Nacht.

Zwanzigstes Kapitel


„Nettes Feuer, man sieht es bis Hobart. Alles klar bei euch?“, fragte der Fahrer und der Beifahrer drehte sich zu ihnen. Es war Digby.
„Dig, was machst du hier, seid ihr auch Abtrünnige?“
„Jetzt schon, wir haben es nicht mehr ausgehalten. Deine Kollegen haben uns erzählt, dass Kiah am kalben ist, da wussten wir, dass ihr was plant. Da haben wir unsere Chance kommen gesehen was Gutes zu tun. Dude, bist du durchs Fenster gesprungen?“, tastete Digby Jarrahs Rücken ab.
„Im Planen bin ich nicht so gut, wie im Rennen. Au, das tut weh“, verzog er das Gesicht.
„Du hast ne halbe Glasscheibe im Rücken, das ist kein Wunder“, verarztete Digby ihn während der Fahrt.
„Kurzschlussreaktion. Wie geht’s dir, Kiah?“, ließ er sich verarzten.
„Bestens“, schnaubte sie.
„Du hast wieder Wehen, oder?“, fragte Danera.
„Nein“, log sie schlecht.
„Okay, Rabatin, halt sie fest, wir werden jetzt hier dein Kind auf die Welt helfen“, entschied Danera und zog Kiah an sich.
„Hier, nein, nein, nein!“
„Oh doch hier, wir halten nicht an“, presste sie ihre Beine auseinander.
„Könntest du nicht so grob sein, ich hab Schiss“, bat Kiah.
„Entschuldige, ich bin jetzt vorsichtig. Hast du schon einen Abstand?“
„Nicht wirklich weit auseinander“, schnaubte sie.
„Geht’s etwas genauer?“
„Ich bin schon in der Austrittsphase“, gestand sie.
„Was? Seit wann?“
„Die Wehen haben vor 20 Minuten wieder angefangen. Entschuldigt, aber ich dachte, ihr würdet anhalten, wenn ihr davon wüsstet. Ich hab Angst“, sagte sie leise.
„Hab keine Angst, ich hab das gelernt, ich steh’ dir bei. Schätzchen, hältst du mich bitte mal fest“, bat Danera, Jarrah und der setzte sich hinter sie und umklammerte ihren Bauch.
„Danke, okay, du weißt wie es geht. Keine Angst, wir schaffen das“, begann Danera.
„Es kommt Danera, es kommt“, wimmerte sie.
„Man Kind, warum musst du unbedingt eine Sturzgeburt sein? Hey, keine Sorge, hab ich auch schon gemacht. Zwar niemals in einem fahrenden Auto, aber Hey es gibt immer ein erstes Mal. Man, du zitterst wie verrückt, beruhig dich“, half sie ihr bei der Geburt.
„Du bist witzig, man tut das weh“, fluchte Kiah.
„Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen, Rabatin hilf ihr beim Pressen. Wir haben es gleich geschafft“, handelte sie professionell und packte an.
„Okay, ich hab den Kopf, ich fühle Haare. Ich werde dir helfen, noch einmal pressen“, bat sie und Kiah presste mit einem Schrei.
„Gut Süße, ich hab den Kopf. Jetzt zieh’ ich den kleinen Racker raus. Noch einmal fest pressen“, forderte sie und zog das Baby heraus.
„Okay, gib mir das Handtuch“, drückte sie das kleine Bündel an sich.
„Warum schreit es nicht, Eagle warum schreit er nicht?“, fing Kiah an zu wimmern.
„Gib mir deine Schnürsenkel, ich muss die Nabelschnur  durchtrennen“, bat Danera zitternd und Rabatin zog hektisch seine Schnürsenkel ab.
„Binde die Nabelschnur an dem Ende ab, ich muss die Nabelschnur durchtrennen. Okay, gut so. Jarrah du die andere Seite. Kiah saug die Flüssigkeit aus dem Mund des Babys dann sollte es schreien“, koordinierte sie und nach einer Minute die Kiah wie eine Ewigkeit vorkam, schrie das Baby endlich.
„Es schreit, Rabatin unser Kind schreit“, schluchzte Kiah glücklich.
„Sie hat das gleiche Organ wie ihre Mutter!“ schlussfolgerte Rabatin mit Tränen in den Augen.
„Sie, ich dachte es wird ein Junge“, wunderte sich Danera und sah das Baby genau an.
„Hast wohl doch nicht so Adleraugen, wie du dachtest. Dig, wo ist das nächste Krankenhaus? Jarrah sieht nicht besonders gut aus“, rief Rabatin nach vorne, als er sah, dass sein Bruder sich erschöpft auf dem Rücken seiner Freundin abstützte.
„15 Minuten dann sind wir in Laucneston. Gratuliere ihr beiden. So, jetzt geht’s nach Hause“, entschied Dig und drückte auf die Tube.
 
Daneras Mund fühlte sich trocken an. Sie hob ihren Kopf. Ihr Nacken schmerzte. Sie saß auf einem braunen Ledersofa, die Morgensonne schien ins Zimmer.
„Morgen Süße“, hörte sie Jarrah, der auf dem Bauch in einem Krankenbett neben ihr lag.
„Du wolltest doch schon lang mal auf dem Bauch in einem Bett liegen“, witzelte sie und blinzelte in die Sonne.
„Wir haben es geschafft, wir sind draußen“, erkannte er und lächelte sie an.
„Das war vielleicht ein Trip, ich brauch jetzt Urlaub“, schmunzelte sie.
„Das glaub ich dir. Du hast heut Nacht ein Kind in einem Van zur Welt gebracht“, erwiderte er.
„Ja, das ist ne Geschichte, mit der ich zu Hause angeben kann. Wie geht’s dir?“, stand sie auf und ging zu ihm.
„Eine große Umarmung ist wohl in nächster Zeit nicht drin, sonst geht es mir gut. Die anderen schlafen im Nebenzimmer. Meine Nichte ist wunderschön“, entschied er und sie setzte sich neben ihn.
„Ich werde mir sie mal ansehen gehen. Die Jungs haben uns das Leben gerettet, wir sollten ihnen danken“, entgegnete sie.
„Das werden wir, sie werden uns morgen nach Hause bringen. Mich zumindest, wenn ich hier raus darf. Was du dann machst, bleibt dir überlassen“, erkannte er etwas melancholisch.
„Das mit dir war die schönste Zeit meines Lebens, das weißt du hoffentlich“, gestand sie.
„Sie muss nicht zu Ende sein, das weißt du hoffentlich“, entschied er plötzlich.
„Leider muss es das. Ich muss zurück in die Realität. Ich werde dich aber niemals vergessen, niemals“, versprach sie, ließ seine Hand los und ging ins andere Zimmer um dem jungen Elternpaar ihre Glückwünsche auszusprechen. Die schliefen aber friedlich.
„Hey, Schnuckelchen, du hast da zwei wunderbare Eltern und einen tollen Onkel, der wird dir das Jagen beibringen“, nahm Danera das Kind aus der Wiege und legte es auf ihre Brust. Das Kleine hatte einen leichtbraunen Teint und wunderbare schwarze Haare. Doch leider noch keinen Namen.
„Wie nennen wir dich mein Schatz, wie nennen wir dich nur?“, trug sie sie im Raum herum.
„Mir gefällt Abiona“, antwortete ihr eine Reinigungskraft, die gerade draußen den Boden wischte.
„Der klingt wunderschön, was bedeutet er?“, kam sie zu ihr nach draußen.
„Er ist aus meiner Heimat Afrika und bedeutet „Auf der Flucht geboren“. Passt doch irgendwie“, erklärte die ältere schwarze Frau.
„Ja, wirklich, wie angegossen. Wir sind hier wohl kleine Berühmtheiten oder?“
„Man spricht über Sie. Die mutigen Vier die sich gegen den Seyer-Clan gestellt haben. Doch keine Sorge, was sie getan haben bleibt auf ihrer Insel, zu Hause wird ihnen niemand Fragen stellen. Wir werden jetzt seit Jahrzehnten von dieser Familie bedroht, es wurde mal Zeit, dass ihnen mal einer einen Dämpfer verpasst. Das ist wirklich eine Schönheit. Sie wird die erste schwarze Seyer sein, die nie gezwungen wird, einen Putzlappen in die Hand zunehmen. Außer von ihrer Mutter vielleicht. Bringen Sie sie wohlbehalten nach Hause zurück“, erklärte die Frau und ging weiter.
Nachdenklich ging sie zu Jarrah ins Zimmer zurück.
„Sieh mal, kleine Abiona, da ist dein Onkel Jarrah. Er hat sich verletzt, er ist nämlich in eine Glastür gesprungen, weil er ein kleiner Trottel ist. Mach ihm das niemals nach, ja?“, setzte sie sich mit ihr aufs Sofa.
„Was erzählst du da meiner kleinen Nichte? Sie wird schon genug Mist von meinem Bruder über mich hören. Hey Prinzessin komm in meine Arme“, stand Jarrah etwas ungeschickt mit verbundenem Rücken auf. Er nahm ihr das Kind ab.
„Ihr seid solche Scherzkekse, entführt uns einfach unsere Tochter“, kamen die anderen zu ihnen und Jarrah hob seinen Kopf.
„Sie ist ein Geschenk der Götter, ich würde sie am liebsten gar nicht mehr loslassen“, war Jarrah glücklich.
„Von wegen, produzier selbst eine, das ist meine. Wie nennen wir sie jetzt?“, nahm Rabatin ihm seine Tochter ab.
„Du nanntest sie grad Abiona, richtig?“, fragte Jarrah Danera.
„Ja, eine afrikanische Putzfrau hat ihn mir grad vorgeschlagen, er bedeutet „auf der Flucht geboren““, schlug Danera vor.
„Meine Mutter wird zwar einen Rappel kriegen, wenn er nicht aboriginal ist, aber dieser Name ist wirklich perfekt. Wir nennen dich Abiona meine Tochter, in Gedenken an aller unterdrückten schwarzen Frauen in der Familie Seyer und überall in der Welt. Wir sollten uns bei der Frau bedanken, dass sie für uns sauber und uns dieses Geschenk gemacht hat“, schlug Kiah vor und nahm ihre Tochter aus den Armen ihres Mannes.
„Das sollten wir. Gehen wir“, verließen sie den Raum wieder.
„Seit wann ist deine Schwester die weibliche Martin Luther King?“, schmunzelte Danera und setzte sich neben ihn.
„Sie hat kurz erlebt, wie man sich als schwarze Sklavin fühlt, das hat sie verändert. Ich wünschte du könntest bleiben, diesen Traum dass unsere Kinder zusammen aufwachsen verwirklichen. Aber ich kann dich nicht zum Bleiben überreden, richtig?“, fragte er traurig.
„Nein, kannst du nicht, aber schöne Rede. Ich werde jetzt ein paar Anrufe tätigen, vielleicht krieg ich einen Flug von Hobart aus nach New York und fahr dann mit dem Bus weiter. Ich will nach Hause, das ist einfach alles zu viel für mich gewesen. Pass gut auf die beiden auf“, küsste sie ihn und verließ den Raum.
 
„Das ist wunderbar, ich danke Ihnen. Und Sie schicken mir meine Papiere nach Hobart ins Holiday Inn? Das ist perfekt. Nein, ich hab kein Gepäck bei mir, ja es ist gut, dass ich meine Wertgegenstände weggeschlossen hab, wer konnte ahnen, dass ich ausgeraubt wurde. Also übermorgen, fünfzehn Uhr Terminal 15. Das ist wirklich eine gute Nachricht. Vielen Dank. Auf wieder sehen“, telefonierte sie mit dem Flughafen in Hobart und legte wieder auf.
„Du hast also einen Flug nach Hause?“, fragte Jarrah und klang dabei unabsichtlich schnippisch.
„Sieht ganz so aus. Hör auf mich so anzusehen, ich hab nur noch die Kleidung die ich trag bei mir, ich will nur noch nach Hause“, entschied sie müde.
„Du willst dich nicht mal von meiner Familie verabschieden? Das nenn ich feige“, wurde er wütend.
„Ich werde anrufen, sobald ich zu Hause bin, du kannst doch hoffentlich verstehen, dass ich heim möchte. Ich hab Angst, Miles, furchtbare Angst. Das ist das erste Mal in meinem Leben, in dem ich die Staaten für ihre Sicherheit liebe. Dass solche Kerle, wie es dein Vater war keine Chance haben, Frauen wie Sklavinnen zu halten. Mein Bus nach Hobart geht in zwei Stunden, die Jungs fahren mich noch zur Busstation. Sie leihen mir das Geld, was dir niemals in den Sinn gekommen wäre. Kannst du nicht einfach aus meinem Leben verschwinden, wie eine Romanfigur aus einem Liebesroman, nachdem die letzte Seite gelesen ist?“, fragte sie fast poetisch und der leere Blick den er ihr zuwarf, war das letzte was sie von ihm sah.

Einundzwanzigstes Kapitel


Das Licht der Lampe flackerte als Danera im Gang des etwas schäbigen Hotels in Hobart saß. Ihr Gesicht zur Erde gebeugt, eine Flasche australischen Weines in ihre linke Hand geklammert und weinend. Das würde wieder einer dieser Entscheidungen sein. Sie hatte das gleiche falsche Gefühl in ihrem Magen, wie in der Nacht als sie ihre Tochter weggab. Sie trank einen Schluck und sah ins Licht. Moskitos summten an der Lampe, sie hatten keine Angst zu verbrennen. Sie stand auf und torkelte in ihr Zimmer. Der Fernseher lief.

…starben bei dem Brand auf der Farm der hoch angesehenen Familie Seyer 16 Menschen, sie wurden im Schlaf von dem Feuer überrascht. Wie es aussah, war Alkohol der Auslöser für das Feuer, was das Holzhaus in wenigen Minuten zu einer Flammenhölle machte. Wie der Alkohol auf die Gänge des Familienhauses kam, ist bis zu diesem Augenblick nicht geklärt. Nur eins ist sicher, dass dies eine Familientragödie ist, die nie ganz geklärt werden wird. Ironischerweise überlebten die Bediensteten der Familie, weil ein guter Geist sie rechtzeitig geweckt hatte, so eine Überlebende. Und nun zum Wetter, es wird langsam Sommer. Das war Sheppard Ensro ABC Spätnachrichten…


„Hoch angesehen von wegen“, murmelte Danera betrunken und legte sich aufs Bett. Mit lautem Schnarchen beendete sie diesen Tag, der in ihren Augen der letzte auf dieser Insel sein sollte.
 
Die Sonne brannte und bereitete ihr Kopfschmerzen, als Danera in der Lobby des Holiday Inns auscheckte.
„Hier, Miss Eagle Ihre Papiere, die sie angefordert hatten. Das macht dann 100 Dollar“, bemerkte der Typ an der Rezeption und Danera zog ihre Notfall American-Express aus ihren zurückbekommenen Sachen.
„Danke Miss, bitte beehren Sie uns bald wieder“, bedankte sich der Typ und gab ihr den Beleg.
„Verstehen Sie mich nicht falsch, Sir, aber ich hoffe ich komm hier nie wieder hin. Was kostet diese Sonnenbrille da?“, langte sie in den Ständer neben ihr.
„10 Dollar, Miss!“
„Hier, bitte, hier sind fünfzehn, behalten Sie den Rest. Schönen Tag noch“, zog sie die schwarze Sonnenbrille über ihre müden Augen und verließ das Hotel wieder.
Mit dem Taxi fuhr sie zum Flughafen. Der Flieger nach New York City sollte in drei Stunden starten. Sie wollte die Zeit nutzen um im Terminal noch etwas zu schlafen und checkte schon mal ein.
„Ein Ticket nach New York City, ich hatte es reservieren lassen auf den Namen Eagle“, ging sie zum Schalter.
„Einen Moment, für die fünfzehn Uhr Maschine, richtig? Sie sind die Lady mit dem Extra“, erklärte die Flugbegleiterin am Schalter erfreut.
„Mit was für einem Extra?“, wunderte sie sich und bekam eine kleine Kiste vor die Nase gehalten.
„Die soll ich Ihnen geben, Miss, keine Ahnung was die auf sich hat. Scheint ein Handwerk der Ureinwohner zu sein, eine schöne Kiste wirklich. Einen schönen Flug wünsch ich“, bemerkte die junge Frau strahlend und Danera ging verdutzt mit der Kiste zum Terminal. Sie schob den Deckel der Holzschachtel auf. Darin lag ein Brief.
Hey Sonnenschein!
Wir sind nicht sauer auf dich, dass du uns so schnell verlassen hast, wir wissen wie schlimm es für dich war. Aber wir wollen dir trotzdem aus Dankbarkeit, dass du da warst und uns unser Kind gesund zur Welt gebracht hast, diese Kiste schenken. Du findest noch einen Mini-Bumerang und ein paar Schnappschüsse von uns darin. Das du dich wenigstens an uns erinnerst. Abiona geht es prächtig, hat die Frau Doktor gesagt, sie sagte, du hättest das Zeug zur Frauenärztin. Ich muss jetzt Schluss machen, ich muss Abiona stillen, meinen kleinen Nimmersatt. Ich hoffe du hast auch ein paar schöne Erinnerungen an uns, ach ja, ich hab auch noch eine Disc beigelegt, darauf findest du einen kleinen Mitschnitt einer Aborigine-Geburtszeremonie. Schließlich bist du eigentlich dafür gekommen. Schau es dir mit deinen Kolleginnen an, ist sehr lehrreich, versprochen. Eigentlich müsste ich böse sein, dass du meinem Bruder das Herz gebrochen hast, aber ich verstehe, dass du wegmusst, nach Hause, zu deiner Familie. Ich hab jetzt endlich verstanden, wie wichtig die Familie ist. Hast du die Nachrichten gesehen? Sicher schon. Wir haben keine Schuldgefühle, dann solltest du das auch nicht haben. Wegen allem. Ich hab übrigens meinen Bruder nicht mehr gesehen, seit wir zu Hause sind, keine Ahnung was der ausheckt. Hey, jetzt mach ich dir doch Schuldgefühle. Sende mir bitte weiter Bilder von deiner Tochter, das tu ich auch. Grüße deine Familie von mir.
Kiah
 
Danera nahm die Bilder heraus. Darauf waren die drei auf dem Boot von Digby zu sehen. Jarrah hielt seine Nichte stolz in den Armen, er sah so toll aus. Das Nächste war Kiah mit ihren Brüdern und ihrer Mutter. Tränen stiegen in ihr auf, sie wischte sie aber weg, bevor sie über den unteren Brillenrand liefen.
Sie setzte sich auf eine Bank, und nickte leicht ein.
Der Ausruf ihres Fluges weckte sie und sie rappelte sich auf. Sie sah noch einmal aus dem Fenster in die Wildnis hinaus, ließ ihre Reise noch einmal Revue passieren und zog dann ihr Flugticket aus der Bluse um ins Flugzeug zu gehen.
„Einen schönen Flug, beehren Sie uns bald wieder“, sagte die Flugbegleiterin am Check in und wortlos ging sie den Hangar zum Flugzeug entlang.
 
Sie schlief den ganzen Flug über, wachte erst wieder auf, als sie die Lichter von New York City von oben sah. Ihre Reise war hier noch lang nicht beendet, sie hatte noch eine Zug- und Busfahrt vor sich, bis sie wieder in Ohio war. 36 Stunden später stand sie endlich wieder vor ihrer Haustür. Alle Glieder in ihrem Körper schmerzten, es kam ihr vor, als wäre sie die ganze Strecke zu Fuß gelaufen. Sie schloss die Tür auf und fiel gleich auf ihrem Sofa in einen tiefen Schlaf.
Stimmengewirr weckte sie tags drauf. Erst dachte sie, sie säße immer noch in einem Fortbewegungsmittel, bis sie ihre grüne Vase auf dem Tisch sah.
„Können wir reinkommen?“ fragte eine dunkle Stimme und sie kniff die Augen zusammen.
„Natürlich Officer, kommen Sie rein. Miss Eagle ist noch nicht aus ihrem Urlaub zurück, ich hab hier nur Unterschlupf gefunden. Ich werde mir nur schnell was Richtiges anziehen, setzen Sie sich“, hörte sie Jasmines Stimme und sie hob ihren Kopf.
„Und dieses Kleiderbündel auf dem Sofa?“, fragte der Officer und deutete auf Danera.
„Danera, du bist wieder da? Ich hab dich gar nicht heimkommen hören. Man, du siehst furchtbar aus“, blieb Jasmine im Badezimmertürrahmen stehen und Danera setzte sich auf. Erst jetzt sah sie, dass sie zwei Uniformierte in ihrem Wohnzimmer stehen hatte.
„Jasmine, was macht die Polizei in meiner Wohnung?“, rieb sie sich ihre Augen.
„Sie haben Gregs Leiche vor zwei Tagen auf dem Parkplatz des Krankenhauses gefunden, sie wollen mir ein paar Fragen dazu stellen“, rief sie aus dem Badezimmer heraus, als würde sie ihr nur gerade die Einkaufsliste diktieren.
„Greg, unser Greg, er ist tot?“, war sie plötzlich hellwach.
„Ja, ironischerweise, sie haben den Schläger totgeschlagen gefunden. Ironie des Schicksals, oder? Mögen Sie Kaffee, meine Herren?“, schien Jasmine losgelöst und gut gelaunt.
„Nein, Mrs Livingston, vielen Dank“, erwiderte einer der Officer.
„Ich fürchte mich diese Frage zu stellen aber hast du das getan?“, fragte Danera skeptisch.
„Nein, natürlich nicht, dann wär ich wohl kaum noch hier. Vance war’s, echt ein brutaler Kerl. Ich hab auch noch Donuts da, meine Herren ich hab gehört, die mögen Sie so gern“, kam Jasmine in einem Umstandskleid und Socken an wieder heraus.
„Nein, wir wollen nichts. Wenn wir Sie jetzt antreffen, Miss Eagle, wir brauchen noch Zeugen, waren Sie in der Nähe?“, fragte der jüngere der Polizisten und Danera machte ihre Haare zurecht.
„Wohl kaum, ich war jetzt drei Tage unterwegs, ich kam erst vor zwei Tagen wieder in die Staaten, ich war in Australien im Urlaub. Was heißt Sie haben keine Zeugen? Auf dem Parkplatz wimmelt es abends vor Leuten. Ach ich verstehe die drei Affen“, schlussfolgerte sie.
„Wie meinen?“
„Nichts hören, nicht sehen, nichts sagen. Ich hab schon oft nach Hilfe geschrien da hat niemand was gesehen. Warum wissen Sie dann, das es Mr. Brody war?“, erkannte sie und der Polizist sah sie verwundert an.
„Sie kennen Mr. Brody?“
„Leider schon, ist der Ex-Mann meiner besten Freundin. Sie ist doch nicht verletzt, oder?“, fragte Danera besorgt.
„Nein, sie konnte sich nach drinnen flüchten, als der Kampf begann. Sie wird als Zeugin aussagen, sowie auch Jones Danson, den kennen Sie wohl auch, oder?“
„Ich arbeite mit ihm, er ist ein Bekannter. Ist er verletzt?“
„Er hat ihre Freundin da rausgeboxt, er hat ein paar Platzwunden und Prellungen, er ist noch im Krankenhaus. Also, wenn Sie nichts wissen, würden wir gern Mrs Livingston befragen“, entschied der andere Polizist.
„Hab ich nichts dagegen, ich hab seit vier Tagen kein Wasser gesehen, ich würde gerne duschen und mal wieder neue Kleidung anziehen. Einen schönen Tag noch, meine Herren“, ging sie Richtung Badezimmer.
Sie duschte fast eine Dreiviertelstunde. Sie schien einfach nie richtig sauber zu sein. Blut, Schweiß, Dreck und Tränen klebten an ihr. Sie machte sich Zöpfe, die sie geschickt zu einem Dutt am Kopf zusammenband und schminkte sich das erste Mal seit Wochen wieder. Sie war braun geworden, vermutlich von der vielen Zeit im Freien. Sie tupfte ihre Augenringe mit Make-up ab und zog sich an.
Als sie fertig war, waren die Jungs von der Polizei immer noch da.
„Ich werde ins Krankenhaus gehen, geht’s dir wirklich gut?“, vergewisserte sich Danera zu guter Letzt bei Jasmine.
„Ja, alles Bestens. Sag Lea einen Gruß, Jones natürlich auch. Es ist okay, geh“, bat Jasmine. Danera zog ihre alte Jeansjacke an und verließ den Raum.
Frische Kleidung die auch ihr gehörte, fühlte sich so gut an. Im Parkhaus stand ihr Wagen, noch so ein Privileg dass sie sich in ihrem Horrortrip nach Hause in Gedanken vorgestellt hatte. Sie steckte sich ein Bon-Bon in den Mund, die sie immer im Handschuhfach hatte und ließ den Motor an. Für eine Sekunde blieb sie mit laufendem Motor stehen und sah nachdenklich in den Rückspiegel. Dann fuhr sie los.

Zweiundzwanzigstes Kapitel


Danera hasste Krankenhäuser, wenn sie nicht darin arbeiten musste. Die schlechtesten Erlebnisse hatte sie in Krankenhäusern gehabt. Die vielen Male in der sie Greg „aus Versehen“ verletzt hatte, die Nacht in der Gia ihr neues zu Hause fand, die vielen Anrufe von Lea. Auch jetzt war es wieder einer dieser Besuche.
„Hi, ich möchte gern zu Jones Danson“, meldete sie sich an der Rezeption an.
„Den Gang entlang und dann die dritte Tür links“, erklärte die Frau am Tresen mit wenig Begeisterung.
„Danke, für Ihre Mühe“, grummelte sie genervt und ging zu dem gesagten Zimmer.
„Hi, wie geht’s?“, kam sie ganz schüchtern ins Zimmer. Jones lag auf dem Bett, sein Kopf war verbunden, sein Gesicht zierten ein paar Nähte von Platzwunden. Sie erkannte gleich die Handschrift ihres Ex.
„Sieh’ mal an, wer sich da mal her traut. Wir haben dich sicher zwölf Mal angerufen, wo warst du?“, fragte Lea gereizt, die in ihrer Arbeitskleidung auf einem Stuhl in der Nähe saß und ein Buch las.
„Ich hab mein Handy verloren, war ziemlich aufregend in Australien. Oh mein Gott, wie geht es ihm?“, beugte sie sich über Jones.
„Sie mussten den Druck in seinem Kopf verringern, jetzt schläft er fast den ganzen Tag. Wir hätten dich hier brauchen können“, hielt Lea ihrer Freundin eine Predigt.
„Entschuldige mal, der Vater meiner Tochter ist tot, ich bin gerade fast zwei Tage unterwegs gewesen, um wieder zurück zu euch zu kommen und hab dafür den Mann verlassen, der es hätte sein können“, brach Danera in Tränen aus und legte ihren Kopf schluchzend auf Jones‘ Brust.
„Eagle, Süße, entschuldige, hör auf zu weinen. Mich kotzt das alles so an. Jones liegt schwer verletzt in diesem Bett hier, wegen mir und meiner Nachsicht, ich muss meinen Eltern sagen, dass sie mit allem Recht hatten und das schlimmste ist, es nimmt mich mit, was mit Vance passiert ist. Nur weil ich diesen Kerl mal in irgendeinem Leben, das ich geführt hab, geliebt hab. Das ist so erbärmlich“, legte Lea ihren Kopf neben ihren und nun lagen beide mit dem Kopf  auf Jones Bauch und sahen sich in ihre verheulten Augen.
„Obwohl es sehr schön ist, dass ihr euch so um mich kümmert, ich hab zwei gebrochene Rippen und das tut höllisch weh“, stöhnte Jones mit geschlossenen Augen.
„Hey du“, küsste Danera seinen Bauch und sie hoben ihre Köpfe wieder.
„Unser Held ist zurück aus der Schlacht. Auch Jean Claude Van Damme hatte mal einen schlechten Tag, oder?“, schmunzelte Danera und wischte sich die Tränen ab.
„Ich bin nicht mehr sauer auf dich, wenn du mir auch mal ein paar Schichten abnimmst, ich hab nämlich viel zu lange gearbeitet. Ich brauch auch mal Urlaub, hat dein Traumtyp vielleicht einen Freund der sich verkuppeln ließe?“, witzelte Jones müde.
„Eher nicht, er ist eher so ein „ich spreche nicht ein Wort zu viel“- Typ“, erklärte sie lächelnd.
„Hey, wie kannst du in zwei Wochen „ihn“ finden, verrat mir das?“, fragte Lea neugierig.
„Es ist seltsam, aber mir kamen diese zwei Wochen wie ein halbes Leben vor. Ich bin so viel gewachsen, ich weiß jetzt, was ich will“, erklärte Danera stolz.
„Ich will nicht undankbar klingen, aber warum bist du dann hier?“, fragte Jones und Danera ging im Zimmer herum.
„Weil ich irgendwann aus Nimmerland aufgewacht bin und festgestellt hab, dass er verheiratet ist“, log sie.
„Ich dachte, du wolltest nur unbedingt zu uns nach Hause“, wunderte sich Lea.
„Danke, für deinen Trost“, konterte sie cool.
„Entschuldige, Männer sind Schweine. Wie auch immer, jetzt bist du wieder zu Hause und da du noch bis Montag Urlaub hast, hast du sicher nichts dagegen, meine Kinder um halb vier von der Schule abzuholen und sie mit irgendwas zu füttern“, schmunzelte Lea und Danera grinste.
„Natürlich, mach ich doch immer gern. Ich werde noch ein bisschen bei Jones bleiben, geh’ du zur Arbeit. Ich bin froh, wieder zu Hause zu sein“, überströmte Danera das erste Mal seit ihrer Ankunft Zu Hause ein Gefühl von Freude.
 
Danera konnte ihr Versprechen, Jones Stunden zu übernehmen gleich einlösen, denn bis Jones wiederkam, musste sie ein paar Schichten von ihm übernehmen.
Es war ein Herbsttag, Anfang November, als Danera völlig übermüdet auf der Sitzbank des Schwesternzimmers mit der Kaffeetasse in der Hand eingeschlafen war.
Schritte näherten sich ihr, ihr wurde die Tasse aus der Hand genommen und auf den Stuhl gestellt.
„Hey Prinzessin, Zeit für Feierabend“, lehnte sich Jones runter zu ihr.
„Wenn du nicht hier bist, um zu arbeiten, schleich dich“, erkannte sie mit geschlossenen Augen.
„Ich bin wieder da, keine Sorge. Hier, das sind Leas Schlüssel für den Minivan, Joy hat ein Projekt dabei, das passt nicht in deinen Kofferraum. Sie braucht dann aber deine Schlüssel“, schmunzelte Jones und Danera kramte müde in ihrer Tasche herum. Dabei fiel ihr Jarrahs Bild in die Hand.
„Hey, ist das Mr. Perfect?  Man, das ist ja echt ein Holzfäller-Typ, tja wer’s mag“, kommentierte Jones und nahm den Schlüssel entgegen.
„Viel Spaß beim Arbeiten“, stand sie auf und ging ohne einen Kommentar dazu abzugeben raus.
Danera sah sich im Spiegel an. Sie hatte ewig nicht mehr so viel gearbeitet. Das letzte Mal, als sie nach dem Aufenthalt im Krankenhaus nach Gias Geburt angefangen hatte, dort zu arbeiten.
Sie nahm ein Pflaster und klebte Jarrahs Bild unter das von Gia.
Sie war so müde, sie wollte nur noch schlafen. Sie zog einfach ihren Pullover und ihre Stiefel über ihre Arbeitskleidung, band sich ihren Schal um und schloss den Spind wieder.
 
Danera mochte den Van irgendwie. Er gab ihr irgendwie das Gefühl eine Hausfrau und Mutter zu sein. Erschöpft setzte sie sich auf den Fahrersitz. Ein Teddybär lag auf dem Beifahrersitz. Sie setzte den Bär richtig hin und fuhr los.
Die ersten Schneeflocken tanzten vor der Windschutzscheibe, als sie in die Straße einfuhr, in der die Grundschule war.
Sie hielt, lehnte sich an die Fahrertür und wartete auf die Kinder. Die Kinder kamen pünktlich halb vier aus der Schule gestürmt.
„Hey, da seid ihr ja. Und wie war die Schule?“, zog sie die Hintertür des Vans auf.
„Ich hab ne eins gekriegt“, erzählte Joy stolz und hielt ihr, ihr Projekt hin.
„Das ist toll, mein Schatz. Steigt ein, ich leg es in den Kofferraum“, bat sie und die Kinder sprangen auf den Rücksitz.
„Schnallt euch an“, rief sie noch, während sie zum Kofferraum lief.
„Es stimmt also doch“, hörte sie plötzlich eine bekannte Stimme und sie lud das Projekt in den Kofferraum.
„Was stimmt, dass Kinder unsere Zukunft sind?“, fragte sie ohne sich umzudrehen.
„Nein, Danera Eagle, Hausfrau und Mutter“, erwiderte Jarrah und Danera drehte sich um.
„Du weißt schon, dass manche Pillen die man schluckt Wahnvorstellungen auslösen können, oder?“, zog sie seine Aussage ins Lächerliche.
„Das ist so typisch, du wolltest keine Familie mit mir, weil du schon eine hattest. Wie konnte ich nur so blöd sein“, schlug er wütend mit der flachen Hand auf den Kofferraum.
„Könntest du das lassen? Das müssen die Kinder nicht unbedingt mitbekommen“, nörgelte sie und sah zu den Kindern, die nach hinten sahen.
„Ach nein, erzählen sie es sonst Daddy?“, fragte er wütend.
„Das wär schlecht, der sitzt nämlich grad im Bau, weil er jemanden Tod geprügelt hat“, entschied sie. Sie wusste nicht, was er von ihr wollte, aber ein Gefühl der Freude übermannte sie, dass er die lange Reise angetreten hatte, um sie zu sehen.
„Na wunderbar, jetzt muss ich auch noch Angst vor deinem Ehemann haben“, erkannte er.
„Ich bin nicht verheiratet“, tönte sie und machte ein Zeichen zu den Kindern, dass sie sich umdrehen sollten.
„Na gut, dann dein Freund eben. Ich habe diese lange Reise ganz umsonst hinter mich gebracht. Ich hab nicht geglaubt, was die Frau da am Telefon gesagt hat. Dummer Fehler, ganz dummer Fehler. Entschuldige, dass ich in dein perfektes Leben reingeplatzt bin, kommt nicht mehr vor“, grummelte er und ging ein paar Schritte rückwärts zurück.
„Miles Seyer, beweg sofort deinen Hintern wieder her, du machst dich so lächerlich“, konterte sie gereizt.
„Ja, das mach ich, total lächerlich. Man, ich bin zu alt für solche Gefühle“, drehte er sich um.
„Das sind nicht meine Kinder“, rief sie ihm entgegen.
„Ach nein, wissen sie das?“, rief er zurück.
„Man, du bist höchstens zu alt für diesen Teenager-Kram“, winkte sie Joy raus.
„Joy, Mäuschen, könntest du den netten Mann sagen, wie dein Name ist?“, bat sie Joy liebevoll.
„Der haut mich“, war Joy verängstigt.
„Nein, mein Schatz, der haut nicht. Er ist eigentlich ein lieber Kerl. Jetzt komm schon zurück, wenn du mich liebst, bitte“, rief sie Jarrah entgegen und missmutig bewegte er sich zu ihr zurück.
„Also, was hast du deiner Tochter andressiert? Zeig’s mir“, war er immer noch nicht überzeugt.
„Sag ihm deinen Namen Schätzchen, keine Sorge er ist sonst nicht so“, bat Danera erneut.
„Mein Name ist Joy Brody, Sir“, sagte Joy verschreckt.
„Toll, sie hat den Namen ihres Vaters, jetzt bin ich aber voll überzeugt“, war Jarrah ein sturer Bock.
„Danke Kleines, setz dich wieder ins Auto“, bat Danera schnaubend und ging zur Fahrertür. Sie klappte den Blendschutz runter und zog ein Foto heraus.
„Du hast wirklich schlecht geschlafen, du bist doch sonst nicht so schwer von kappe. Das ist Lea Brody, meine beste Freundin, das da drin sind ihre zwei Kinder, der Van gehört auch ihr, sie hat ihn mir geliehen um die Kinder von der Schule abzuholen weil ihre Tochter ein Projekt mit nach Hause genommen hat, was in meinen Kleinwagen nicht passt. Ihr Vater ist Vance Brody, er wurde vor ungefähr zwei Monaten wegen Mordes an meinem Ex-Freund verhaftet. Die Kinder sind nicht meine, verdammt sie sehen mir nicht mal ähnlich. Du bist so ein Trottel, wer erzählt dir so einen Mist, dass ich verheiratet bin?“, erklärte sie und wurde immer schneller in ihrer Redeweise.
„Du bist nicht verheiratet?“, fragte er.
„Weißt du was, vergiss es. Ich bring jetzt die Kinder nach Hause zu mir. Wenn du irgendwann kapiert hast, was ich dir versucht hab zu sagen, ich wohn in der Sunbury Road Apartment 14a. Wenn du mich jetzt entschuldigst, die Kinder haben Hunger“, lief sie zur Fahrertür und stieg ein.
„Tante Dany, wer war dieser Mann?“, fragte Jasper verängstigt.
„Ein Kerl, den ihr bei Mummy nie erwähnen dürft. Also ihr Racker, wie wär’s mit Fischstäbchen mit Pommes zum Mittagessen“, sah sie noch einmal in den Rückspiegel und düste davon.
 
Gerade als die Kinder in ihrem Schlafzimmer waren, um Hausaufgaben zu machen, klopfte es an der Tür.
„Na sie mal einer an, wer da klopft“, bemerkte sie schadenfroh und öffnet die Tür. Es war Jasmine mit ihrem wenige Tage alten Sohn auf dem Arm.
„Wenn du mir endlich einen Schlüssel für die Wohnung nachgemacht hättest, müsste ich das nicht. Meine Mutter kann Justin heut nicht nehmen, aber ich muss zur Arbeit. Du hast doch schon zwei hier, da geht doch auch noch ein Baby“, bat Jasmine müde.
„Entschuldige, ich hab jemand anderes erwartet. Natürlich, ich hab zwar seit drei Tagen nicht mehr geschlafen, aber du hast grad erst angefangen, jetzt verschwinde, bevor ich noch hier vor dir einschlafe“, nahm sie ihr Justin müde ab.
„Danke, du bist wirklich eine Freundin. Wen hast du denn erwartet?“
„Keine Ahnung, vielleicht meine Affäre, mit dem ich meinen Mann betrüge“, erkannte sie im Scherz.
„Er hat’s dir erzählt, nicht wahr?“, verzog Jasmine das Gesicht.
„Du kleine Hexe, warum erzählst du ihm so was?“, erkannte sie genervt.
„Er ist doch verheiratet und ich dachte so schüttle ich ihn ab“, erwiderte Jasmine schuldig.
„Netter Versuch, hat wohl nicht geklappt. Jetzt geh, du willst doch nicht zu spät kommen“, versuchte sie sie los zu werden und schob sie aus der Tür.
„Na, mein Süßer, wie kein dein Nichtsnutz von Vater nur so einen süßen kleinen Racker produzieren. Wie auch immer, wir bringen dich jetzt erst mal in dein Bettchen, bevor die liebe Tante Danera noch im Stehen einschläft“, sprach Danera mit dem Bündel auf ihrem Arm und brachte Justin in sein Zimmer, was vorher eigentlich eine Abstellkammer war, aber Jasmine und sie noch kurz vor der Geburt in ein Kinderzimmer verwandelt hatten. Als sie Justin grad abgelegt hatte, klopfte es erneut.
„Okay, auf zu Runde 2“, redete sie mit sich selbst. Als sie am Spiegel vorbeikam, bemerkte sie, dass sie immer noch ihre Uniform trug.
„Du bist früh dran“, riss sie die Tür auf.
„Ich weiß, ist nicht viel los heut Abend“, bemerkte Lea.
„Ach du!“ grummelte sie.
„Ich hätte mehr Freude erwartet, wenn du meine Kinder endlich los wirst“, witzelte Lea.
„Ja, entschuldige ich bin hundemüde und jetzt hab ich noch Justin da. Sie sind Hausaufgaben machen, in meinem Schlafzimmer“, erwiderte sie und öffnete die Tür zu ihrem Zimmer.
„Warum versteckst du sie, erwartest du jemanden?“, war Lea neugierig.
„Ich versteck sie nicht, ich dachte nur, da haben sie Ruhe“, log Danera.
„Ah, du sagst mir doch, wenn du jemanden mit rauf bringst, wenn meine Kinder da sind, oder?“, fragte sie keck.
„Lea, ich hab vor zwei Monaten meinen Freund verloren“, verteidigte sich Danera.
„Ah, den Kerl, den du auf den Tod nicht ausstehen konntest und ihn wie es aussieht in der Nacht seines Todes schon betrogen hast. Also, wer ist es?“, fragte Lea und Danera sah aus dem Fenster auf die Straße, auf der Jarrah herumirrte.
„Müssen deine Kinder nicht langsam ins Bett?“, fragte sie nervös.
„Du kleines Luder, du erwartest einen Kerl. Wer ist er?“, wurde Lea neugierig.
„Wenn du es wissen solltest, wüsstest du es. Also?“, war sie kurz angebunden.
„Joy, Jasper macht euch auf die Socken, wir müssen los“, rief sie ihre Kinder und sie eilten zu ihr.
„Aber zu eurer Hochzeit sind wir doch eingeladen, oder?“, fragte sie sarkastisch.
„Nicht, wenn du nicht aufhörst so blöde Fragen zu stellen. Gut Nacht ihr drei“, schob sie die Brodys aus der Tür.
Hastig zog sie Jeans und einen neuen Pullover an, band ihre Haare zurück, schnallte sich den schlafenden Justin an den Bauch und ging nach unten, bevor Jarrah wieder verschwand.
„Du hast es also tatsächlich hier her geschafft“, tippte sie ihm auf seine von Schneeflocken bedeckte Jacke und er drehte sich um.
„Eine bessere Beschreibung deines Hauses wäre sinnvoll gewesen. Entschuldige, dass ich dich so überfallen hab“, schmunzelte er.
„Du bist so ein Trottel“, war sie glücklich ihn zu sehen.
„Ich flieg gleich wieder zurück“, schmunzelte er und sie küsste ihn lang.
Jarrah bemerkte jetzt das Baby auf ihrer Brust.
„Nein!“ sagte sie nur.
„Nein was?“
„Nein, das ist auch nicht mein Kind. Das ist der Sohn meiner Mitbewohnerin, ich babysitte“, stellte sie klar.
„Hab kaum geglaubt, dass du ein Baby so lang allein lassen würdest“, erkannte er verlegen.
„Kommst du mit rauf? Der Kleine erkältet sich sonst“, bat Danera und er folgte ihr hoch.
„Das ist dann deine Wohnung“, kam er in die Wohnung.
„Hey, das war jetzt ein Volltreffer, du bist gut“, witzelte sie und ging Richtung Kinderzimmer.
„Tut mir wirklich leid wegen heut Mittag. Mein Gott, als ich gehört hab, dass du verheiratet bist, mein Herz lag in Tausend Scherben auf dem Boden“, setzte er sich aufs Sofa.
„Das war ganz allein mein Fehler. Ich hab meiner Mitbewohnerin erzählt, du wärst verheiratet, da ist sie auf die brillante Idee gekommen, das gleiche dir zu erzählen, nur umgekehrt. Was zum Henker machst du hier?“, fragte sie und zog ihre Schuhe aus.
„Ist das nicht offensichtlich, ich steh’ echt auf Schnee, ich musste unbedingt mal Schnee sehen“, erwiderte er und grinste.
„Ich hab gehört, ihr hattet letzten Winter Schnee in Brisbane“, konterte sie.
„Ja, das war merkwürdig. Fällt dir auf, dass wir grade über ein belangloses Thema reden?“,  stellte er fest.
„Du hast damit angefangen!“
„Richtig. Kannst du dir nicht denken, warum ich hier bin?“
„Fürchte schon!“
„Du fürchtest?“
„Du willst mich zurückholen, dass kannst du aber vergessen“, entschied sie.
„Ich hab wohl kaum Winterstiefel und eine Winterjacke gekauft, wenn ich nur Tourist wäre“, deutete er auf sich. Sie musterte ihn. Er trug einen weißen Wollpullover, eine Cord-Hose und braune Winterstiefel.
„Du bleibst hier?“, hoffte sie.
„Durch die Antarktis will ich wohl kaum laufen, obwohl der Verkäufer mir versichert hat, dass ich das mit den Stiefeln könnte. Ich wohne jetzt hier“, erklärte er trocken.
„Du wohnst jetzt hier, seit wann?“, wurde sie nervös.
„4 Wochen ungefähr. In der Nähe deiner Klinik“, erklärte er und sie sah ihn skeptisch an.
„Du bist verrückt, weißt du das eigentlich?“, schmunzelte sie und küsste ihn erneut.
„Warte erst mal, bis du das hörst, in einigen Wochen bin ich sogar Amerikaner, kann man das fassen“, erklärte er stolz.
„Wenn die von mir erfahren, wie du über uns Amis herziehst, bekommst du nie ne Green Card“, witzelte sie.
„Dann musst du mich heiraten, wäre auch nicht schlimm“, gab er Kontra.
„Ihr Aussis seit echt penetrant“, entschied sie.
„Hey, wie bist du eigentlich in mein Land gekommen mit so einer Einstellung?“, spielte er entsetzt.
„Ich soll dich also heiraten?“, fragte sie neugierig.
„Hey, das spart mir jede Menge Papierkram“, erkannte er trocken.
„Oh man, ein Antrag auf den jedes Mädchen wartet, was wäre die Alternative gewesen, wir würden Steuern sparen?“
„Hey, keine schlechte Idee, ein Bekannter von mir hat das gemacht, er ist jetzt fast dreißig Jahre glücklich verheiratet. Romantik ist nicht alles in einer Ehe“, erklärte er und grinste breit.
„Sex vielleicht?“
„Ist ne Basis, bei uns eine sehr gute Basis. Nein, im Ernst ich kann romantisch sein, total romantisch“, flirtete er mit tiefer Barry White Stimme.
„Hörst du auf damit, wenn ich dir eine Barry White CD an den Kopf knalle?“, frotzelte sie.
„Hast du eine da?“, fuhr er über ihren Bauch.
„Also wirklich, das kann doch nicht im Ernst die Basis für eine Ehe sein“, stellte sie klar.
„Meine Wohnung hat ein riesiges Badezimmer mit ausklappbarem Spiegel“, handelte er.
„Für was brauchst du denn einen Spiegel?“
„Sei bloß nicht so bös, ich hab mir sogar einen Rasierer angeschafft, sieh’ doch, glatt wie ein Babypopo“, erkannte er und fuhr über sein Kinn. Sein Bart war schick gestutzt.
„Du hast tatsächlich dein Messer in den Müll geworfen?“
„Hast du schon mal versucht mit einem Messer im Handgepäck in dieses Land einzureisen?“, fragte er und sie lächelte.
„Tja, Liebe heißt zurückzustecken“, erwiderte sie rechthaberisch.
„Gut, dass du das erwähnst, mein Messer steckt jetzt in einem Grenzbeamten“, konterte er stolz.
„Was?“
„Ja, klar, wäre ich dann hier?“
„Ich vergesse ständig, dass ihr Aussies keinen Humor habt“, erkannte sie und grinste.
„Hey, bald bin ich Amerikaner, früher oder später“, erkannte er.
„Wie kann ich dir diesen Papierkram aufbürden, das wäre doch Tierquälerei“, schmunzelte sie.
„Heißt das, du sagst ja?“, hoffte er.
„Hast du nen Ring?“, fragte sie.
„Noch nicht!“
„Dann mach ich es dir auch nicht so einfach“, griente sie und lehnte sich an ihn.
„Du willst mich also all diese Papiere ausfüllen lassen?“, fragte er gespielt betrübt.
„Ja, ganz richtig, willkommen in Amerika“, erwiderte sie und er stöhnte.
 
„Hat dir Kiah die neusten Bilder von Abiona geschickt? Ich bin so schnell weg, dass ich nicht mehr daran gedacht hab, welche mitzunehmen?“, erklärte er, als sie eine Weile aneinander gekuschelt auf dem Sofa gesessen hatten und sie griff in eine rote Box neben ihr auf einem Tisch.
„Dutzende, Rabatin hat Bilder gemacht, wie verrückt. Da ist sie bei ihrem ersten Bad und da sind sie zusammen einkaufen“, zog sie zwei Bilder hervor.
„Einen Moment bitte“, zog er eine schicke Brille mit schwarzem Rand hervor und zog sie auf.
„Was haben wir denn hier, du eitler Fatzke hast dich wirklich zum Optiker getraut?“, zog sie ihn auf.
„Ja, ich hab endlich eine gefunden die mir stand … und nachdem ich eines Morgens fast Cico mit meiner Schrotflinte erschossen hab, weil ich ihn für einen Einbrecher hielt, hat mich Mum so lang gehauen, bis ich zum Optiker gefahren bin. Cico passt jetzt übrigens auf Wally auf, er ist ganz stolz“, erzählte er und sie sah ihn an. Die Brille stand ihm wirklich wunderbar.
„Ich kann’s kaum glauben, aber du siehst so spießig aus“, frotzelte sie.
„Komm schon, zeig mir die Bilder“, grummelte er und sie lehnte sich wieder an seine Brust.
„Was ist jetzt eigentlich mit der Beziehung von Rabatin und Kiah, sind sie jetzt verwandt, oder wie?“, fragte sie plötzlich.
„Oh Gott, nein, Kiah’s Vater war nur Ire, er sah uns nur ähnlich wegen der Haarfarbe. Meine Pflegemutter hat mir alles erzählt. Sie hat mich entführt, als ich noch klein war, weil sie es nicht ertragen konnte, dass ich dort aufwachsen sollte, wo sie gearbeitet hat. Sie war meine Amme gewesen zu der Zeit. Ihr Mann musste sterben, weil sie nach einer Weile dahinter gekommen waren. Sie haben mich erst in ein Kinderheim gebracht, aber da die vollkommen überfüllt waren, haben sie mich nach einer Weile bei sich aufgenommen. In dieser Phase als ich weggerannt bin, wollte ich nur wissen, wer ich wirklich bin. Doch ich hatte mein zu Hause gefunden, das ist mir dann klar geworden, als ich wieder zu Hause war. Aber es ist Zeit für eine Veränderung. Deshalb bin ich hier, wird Zeit erwachsen zu werden“, erklärte er und sie kuschelte sich an ihn. Das Kerzenlicht flackerte in Jarrahs abgelegter Brille als die beiden müde eingeschlafen waren.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 25.07.2011

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Widmung:
The moon was shining On my aboriginal friend I laughed my head off And said Smile you black bastard Let me see your teeth Against the moon He broke down with laughter Then reflected You white men need me to smile You need to see my teeth Against the moon For you cannot contrast On a moonlit night Anything in white skin Without a Black Moon

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