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Erstes Kapitel


Callie Emery saß auf dem Sofa der kleinen zwei Zimmerwohnung die sie vor kurzem mit ihrem frischangetrauten Ehemann Melvin bezogen hatte. Sie hatte ihr Gesicht in ihre Hände vergraben, weil sie grade eine Nachricht verdauen musste, die ihr Mann ihr mitgeteilt hatte und ihr ganzes Leben verändern könnte.
„Bahamas? Du willst wirklich, dass wir da hinziehen?“, kommentierte Callie die Pläne ihres Mannes Melvin. Die junge Frau kratzte sich am Hinterkopf. Du weißt schon, dass das eine Insel ist, oder?“, vergewisserte sie sich und Melvin bejahte dies deutlich.
„Für die Midlife-Crisis bist du eindeutig ein bisschen früh dran. Du hast doch von dem Job gewusst als wir vor 6 Monaten geheiratet haben, hab ich recht? Warum hast du nichts gesagt? Du weißt doch, dass ich hier nicht weg kann. Die Leute brauchen mich hier. Die Wirtschaftslage ist mies, das weißt du selbst. Die brauchen jeden Sozialarbeiter den sie kriegen können. Hast du mal da ran gedacht?“, suchte sie nach dem Grund warum ihr 28-jähriger Mustergatte plötzlich aus Fort Lauderdale weg wollte.
„Ich hab schon mit einer Frau in Williams Town gesprochen. Caleigh so und so. Sie brauchen auch dringend Sozialarbeiter. Versteh’ doch, Liebling so eine Chance krieg ich nie wieder. Und ich will nicht jedes Wochenende mit dem Schiff zu dir nach Hause kommen. Bitte sag ja“, wedelte er mit einer Broschüre vor ihrem Gesicht herum.
„Ich werd’s mir überlegen“, versprach sie und blieb mit der Broschüre in der Hand auf dem Sofa sitzen, während er zur Arbeit ging. Doch er war keine Minute weg, als sie aus dem Haus rannte und ihn an seinem Auto abpasste.
„Ich werde diese Frau aber erst anrufen, wenn sie mir wirklich einen Job hat, mach ich es“, gab sie nach. Melvin lächelte und umarmte sie.
„Das bedeutet mir viel, ich liebe dich“, freute er sich, küsste sie und stieg in den Wagen ein.
„Ich bin heute Abend wieder da und dann feiern wir. Kauf dir schon mal Sonnencreme“, rief er während er mit seinem Wagen davonfuhr.
Melvin Emery arbeitete in einer Bank. Ein stinknormaler und stinklangweiliger Job. Callie konnte nicht verstehen, warum die Bank ihn auf die Bahamas versetzte. Trotzdem war sie so verliebt dass sie seine Aussagen nicht anzweifelte. Wenn er sagte, dass er versetzt wurde, war es so. Nachdenklich ging sie mit der Broschüre in der Hand wieder ins Haus. Vielleicht war es ja das Abenteuer dass sie sich immer gewünscht hatte. Zurück im Haus rief sie sofort ihre Eltern an um ihnen die Neuigkeiten zu erzählen.
 
6 Monate später flogen sie mit nichts als zwei Koffern und einem Handgepäck von Fort Lauderdale ab.
„Wo werden wir wohnen, Liebling?“, fragte Callie als sie in 10 km Höhe flogen.
„Ich hab ein ganz schnuckeliges Haus gekauft ganz nah bei deiner Arbeit. Voll möbliert. Mach dir keinen Kopf, Sweetie und genieß den Flug“, schnallte sich Melvin ab um zur Toilette zu gehen.
„Irgendwas stinkt hier gewaltig“, redete sie mit sich selbst und der Passagier neben ihr sah sie verunsichert an.
„Nicht Sie, Sir“, entschuldigte sie sich und sah in eine andere Richtung.
Der Flug dauerte nicht lange. Zu Callies Glück denn sie hasste das Fliegen. Ihr Vater, ein pensionierter Kampfflieger konnte das nicht verstehen.
 
Das Wetter war nicht viel anders wie in Fort Lauderdale. Es war trotzdem eine ganz andere Welt. Die Straßen waren schlecht geteert und der Wagen der über diese bretterte, gab Callie den Rest. Fast ruckartig hielten sie vor einem kleinen Haus mit einer schönen Terrasse.
„Baby, ist das nicht schön?“, bemerkte Melvin strahlend aber Callie hatte gerade andere Gedanken.
 
„Wo ist die Toilette?“, fragte sie den Kerl, der sie her gefahren hatte.
„Erste Tür, links“, bemerkte der Typ und Calle eilte hektisch zu der genannten Tür.
„Na, na ist da schon ein Baby unterwegs?“, kommentierte ihr Fahrer und naserümpfend ging Melvin zu seiner Frau.
„Wie findest du die Kacheln, Babe?“, rief er in die Toilette.
„Ich find sie klasse Schatz, vor allem die auf dem Boden. Hat’s hier auch Handtücher die nicht mit Feinwaschmittel gewaschen sind und auch tatsächlich das Gesicht trocknen?“, kam sie mit mattem Blick und nassem Gesicht wieder heraus.
„Armes Baby. Setz dich erst mal“, wischte Melvin mit seinem Hemd ihr Gesicht trocken und führte sie zu einem schicken Ledersessel.
„Einen Butler haben wir nicht zufällig, oder?“, schien das Callie alles wie ein seltsamer Traum.
„Dir gefällt es nicht. Kein Problem, ein paar Decken, ein paar Kissen und du wirst dich wie zu Hause fühlen. Danke Jorgè, das wär dann alles“, bedankte er sich bei ihrem Fahrer, der stellte die Koffer ab und ging.
„Was für ein Job ist das denn im Besonderen?“ wollte Carrie nicht locker lassen.
„Ein sehr guter. Mehr musst du nicht wissen, ich koch uns mal was Schönes, ja?“, lenkte er ab und ging in die Küche.
Das Haus war riesig. Er hatte nichts Falsches versprochen es war wunderschön. Nachdenklich ging sie die große Holztreppe hoch. Das Schlafzimmer bedeckte fast das ganze obere Stockwerk. Obwohl sie der ganzen Sache nicht traute und müde vom Flug war ließ sie ihn in dieser Nacht ran. Er durfte nichts von ihren Zweifeln erfahren. Niemals!

Zweites Kapitel


Früh am nächsten Tag fuhr sie mit dem Bus zu ihrer Arbeitsstelle. Sie hatte vorher mit Madame Caleigh Fleur gesprochen, einer Französin die gut Englisch sprach.
Die Sozialstation war nicht viel anders als die anderen Häuser in der Stadt. Aber es war ein Metalldetektor an der Tür. Beim Durchgehen piepste sie.
„Einen Moment, Miss“, hielt sie ein Mann fest.
„Entschuldigen Sie, meine Schlüssel“, zog sie ihren Schlüsselbund aus der Tasche und ging noch einmal durch.
Diesmal klappte es.
„Schon besser. Sind Sie neu hier? Ich hab Sie noch nie gesehen“, musterte sie der Kerl unangenehm.
„Sie müssen Aries entschuldigen, er ist immer etwas zu vorsichtig. Sie müssen sicher Misses Emery sein Ihr Mann schwärmt in den Besten Tönen von Ihnen. Willkommen am Höllenschlund“, stieß eine junge Frau mit langen schwarzen Haaren zu ihnen.
„Madame Fleur?“ fragte sie verwundert.
„Sie dachten ich wäre älter, richtig? Wegen dem Madame und so. Klingt nur seriöser. Als Leiterin muss man respektiert werden. Vor allem bei den Kids. Sie brauchen eine starke Schutzhülle hier, keine Sorge die kriegen Sie nach ner Weile. Ich zeig Ihnen mal Ihr Büro“, plapperte Caleigh und zog sie mit.
Es war ein kleines Büro. Vielleicht die Hälfte ihrer Küche zu Hause. Ein alter Holzschreibtisch, ein Stuhl, ein Schrank und ein Telefon, mehr gab es nicht in ihrem Büro.
„Es sieht nach nichts aus, aber wenn sie erst mal ihre Sachen drin haben ist es genau so voll gestopft wie meins. Das ist übrigens den Gang runter. Der Schlüssel liegt in der Schublade, da ist auch noch einer für den Schreibtisch und den kleinen Safe drin, der im Schrank ist. Hier ist Ihr Ausweis, ihr Schild ist in der Mache. Ich lass Sie jetzt mal alleine sich einleben. Wenn Sie soweit sind, sagen Sie es, dann kriegen sie nen Fall. Noch irgendwelche Fragen?“, brabbelte sie munter weiter und Callie ließ sich in ihren Stuhl fallen.
„Das heißt dann wohl nein. Ach ja, ich hab Ihnen auch einen kleinen Wasserkocher in den Schrank gestellt, falls Sie Kaffee machen wollen. Bis später“, war sie auch schon weg.
„Ich hab gar keine Sachen“, murmelte sie und drehte sich zum Fenster. Es war schon wunderschön auf den Bahamas. Wollte sie aber wirklich ihr ganzes Leben dort wohnen?
„Arbeiten Sie hier?“, sprach sie plötzlich jemand von hinten an und sie kippte fast mit dem Stuhl um.
„Jesses, ja seit 5 Minuten. Hat man Ihnen nicht beigebracht anzuklopfen?“, fluchte sie und rappelte sich auf. Vor ihr stand ein Kerl in Bermudashorts und offenem Hemd.
„Entschuldigen Sie, mein Neffe hat von so einer blöden Kuh den Tipp bekommen von seinem Chef eine Gehalterhöhung zu verlangen. Er ist geflogen im hohen Bogen. Sind Sie das?“, fragte der Typ cool.
„Wohl kaum. Könnte ich Ihren Namen erfahren?“
„Austin Crawford, aber der tut nichts zur Sache. Also mein Neffe Chuckie hat diesen Job in einem Burger King Laden gehabt. Jetzt ist er raus und er hat noch jede Menge Schulden bei mir. Also?“, erklärte Austin und Callie legte ihre Füße hoch.
„Warum erzählen Sie mir das?“
„Sie sind doch Sozialarbeiterin, oder?“
„Aber nicht seine. Wenn Sie den Gang lang gehen finden Sie das Büro meiner Chefin. Die können Sie fragen. Schönen Tag noch“, wimmelte sie den unfreundlichen Kerl ab und er ging grummelnd davon.
 
„Crawford ist ein sehr unangenehmer Zeitgenosse und das muss was heißen ich bin einige Franzosen gewöhnt. Entschuldigen Sie, kommt nicht wieder vor“, entschuldigte sich Madame Fleur als der stürmische junge Mann wieder gegangen war.
„Kein Problem. Können Sie mir nen Laden empfehlen wo ich Schreibmaterial und so kaufen kann?“, kramte Callie in ihren leeren Schreibtischschubladen herum.
„Sicher, gleich um die Ecke. Sagen Sie dass sie von mir kommen, dann kriegen sie Rabatt“, entgegnete Madame Fleur und ging wieder.
Callie kaufte einige Blöcke, zwei Schachteln Bleistifte und ein Kuli- und Füllerset. In einem Souvenirladen sah sie ein schönes Plakat vom Meer und so kam sie voll bepackt wieder zurück ins Büro.
 
Nachdem sie es eingeräumt hatte und das Poster an der Wand hing, fühlte sie sich ein bisschen wohler im Büro. Wie sie es gewohnt war fing sie an ihre Bleistifte und den Füller zu markieren.
„Was machen Sie da?“, beobachtete Caleigh sie und grinste.
„Entschuldigen Sie meine alten Kollegen haben geklaut wie die Raben. Eine schlechte Angewohnheit tut mir leid. Das machen Sie sicher nicht“, erklärte sie.
„Oh doch, das kennen wir gut. Hier ist eine Rolle. Sie kriegen Pink, ich hoffe das geht in Ordnung. Damit können Sie alles umkleben was in Ihrem Büro bleiben soll. Wenn Sie am Monatsende nichts mehr haben, dann kleben Sie einfach einen Streifen davon auf die Metaplanwand am Eingang. Dann bringt einer der Kollegen der dran ist Ihnen was mit. Meistens ist das Pike, unser Laufbursche. Netter Kerl, etwas wortkarg, aber in Ordnung. Sie bekommen ein Sternchen an Ihren Plan auf der Metaplanwand wenn Sie dran sind. Also immer schön drauf gucken. Das klingt etwas Kindergarten mäßig ich weiß, da hab ich mal gearbeitet, aber Sie werden sich daran gewöhnen. Bye“, warf sie ihr eine rosa Klebebandrolle zu und ging in ihr Büro.
 
Es war schon dunkel, als sie endlich wieder zu ihrer Wohnung kam. Als sie rein kam, standen drei Männer im Halbkreis mit Melvin und redeten.
„Gute Abend meine Herren“, begrüßte sie sie höflich und der Kreis löste sich auf.
„Schatz, da bist du ja endlich. Darf ich dir meine neuen Kollegen vorstellen?“, trat Melvin vor und legte den Arm um sie.
„Sehr erfreut“, gab sie jedem einzelnen die Hand.
„Dann werden wir Sie und Ihre Frau mal wieder verlassen. Wir sehen uns dann morgen in der Bank“, sagte einer der Männer der einen langen Trenchcoat trug, was seltsam war für die heißen Temperaturen.
„Natürlich, bis morgen“, schien Melvin nervös zu sein und die Männer gingen fast schleichend von dannen.
„Hast du Hunger, Liebling?“, fragte sie etwas irritiert und sah den Männern hinterher wie sie in den schwarzen Wagen stiegen.
„Nein, ich war mit ihnen essen. Ich hab dir was mitgebracht, steht im Kühlschrank. Wie war dein Tag, Cupcake?“, sprach er sie mit ihrem Spitznamen an. Das machte er nicht oft, meistens nur um sie zu besänftigen.
„Die Arbeit scheint ganz okay zu sein. Und bei dir?“, ließ sie sich nicht beirren.
„Viele Zahlensachen, langweiliges Zeug. Ich geh’ mal duschen“, hatte er nicht die Absicht ihr viel zu erzählen, was sie noch viel misstrauischer machte.
Als sie am nächsten Morgen aufwachte, lag ein Zettel an dem ein Schlüssel klebte auf Melvins Kopfkissen.
 
Hi Cupcake
 
Das ist der Schlüssel zu deinem neuen Wagen. Ich dachte, der wäre praktischer als der Bus. Wir sehen uns heute Abend.
 
Melvin
 
„Meinen Wagen? Seit wann können wir uns zwei Wagen leisten? Wie auch immer“, war es für sie viel zu früh am Morgen um sich darüber den Kopf zu zerbrechen und das Bus fahren war ja sowieso nur lästig.
 
Aber was sie sah verschlug ihr die Sprache. Die Schlüssel gehörten zu einem 68er Thunderbird. Das war fast derselbe Wagen den sie am College hatte und der leider bei einem Unfall kaputt ging.
„Okay, jetzt bin ich gleichzeitig verwirrt und erregt. Wo hat er den Wagen her?“, dachte sie laut und stieg ein. Auf dem Beifahrersitz lag noch ein Zettel.
 
Ich hab nicht genau die gleiche Farbe bekommen wie dein geliebter Birdy war, aber er wird für den Anfang reichen.

PS: Ich hab nicht im Lotto gewonnen.

 
Melvin
 
Sie senkte den Zettel und lächelte.
„Du bist so ein Spinner“, murmelte sie und ließ den Wagen an. Er schnurrte wie eine Eins.
 
Wie ein Blitz, im Gegensatz zu der Bummelfahrt mit dem Bus, kam sie bei der Arbeit an.
„Brav Birdy, ganz brav“, tätschelte sie aus Gewohnheit das Autodach als sie ausstieg.
„Man sollte Ihre Birdy mal mit meinem Wagen verkuppeln. Er heißt Herbie, aber im Moment hat er nur den Spitznamen „lahme alte Schrottkiste“ sprach sie plötzlich jemand von hinten an und sie erschreckte sie furchtbar.
„Das ist eine echt schlechte Angewohnheit von Ihnen keine Geräusche von sich zu geben“, keuchte Callie die sich aus Schreck an Tür und Dach festgeklammert hatte und ihn jetzt vorwurfsvoll anstarrte.
„Hab ich Sie erschreckt? Entschuldigen Sie“, erkannte sie den Mann, der sie gestern im Büro schon so überfallen hatte.
„Das haben Sie wohl. Ich bin immer noch nicht für Ihren Neffen zuständig, Mr. Crawford“, ermahnte sie ihn und er war überrascht.
„Sie wissen noch, wie ich heiße?“
„So viele Leute waren noch nicht in meinem Büro, das ist keine Hexerei. Was wollen Sie?“ lief sie Richtung Sozialstation.
„Sie sollen meinen Neffen übernehmen. Ich trau dem Kerl nicht der betreut“, erkannte er und sie gingen durch den Metalldetektor.
„Ich bin erst seit zwei Tagen hier, der Typ ist sicher besser der kennt schon alles und so. Ich selbst kenn ihn leider noch nicht. Hören Sie, ich red mit ihm, nehmen Sie doch kurz in meinem Büro Platz, ja?“, schloss sie ihr Büro auf und führte ihn rein.
„Dr. Immendorf“, klopfte sie vorsichtig an die Nebentür.
„Miss Emery zeigen Sie sich auch mal“, sprach Dr. Immendorf mit einem seltsamen Dialekt als sie herein trat.
„Ja, entschuldigen Sie es war etwas viel für mich gestern. Sie betreuen doch Charles Crawford, oder?“, war sie etwas forsch.
„Chuckie, ja sicher. Ein guter Kerl, auch wenn er beim Onkel lebt der, sie haben ihn ja kennen gelernt, wirklich anstrengend sein kann. Was wollen Sie mit dem Fall?“
„Der Onkel sitzt gerade in meinem Büro und will dass ich seinen Neffen betreue“, erklärte sie vorsichtig.
„Gut, hier“, legte er ohne zu fragen die Akte vor ihr auf den Tisch.
„Einfach so?“
„Wollen Sie jetzt, oder nicht?“
„Ja, sicher. Danke. Kann ich Sie noch was fragen?“, fragte sie im Gehen.
„Südafrika. Viel Glück“, sagte er kurz und sie ging zurück ins Büro.
„Sie haben Recht er ist wirklich nicht der netteste Kerl der Welt. Also was haben wir hier. Charles Crawford, 17 Jahre alt, Highschool Abschluss ein sehr guter sogar. Hat er mal daran gedacht aufs College zu gehen?“, studierte sie die Akte.
„Haben Sie ein College auf der Insel gesehen?“ fragte er zynisch.
„Ich hab eigentlich noch nicht viel von der Insel gesehen. Nur die Innenstadt. Gibt es hier kein College?“, war sie etwas verwundert.
„Nein, nur auf den Bahamas aber das wär eine Ewigkeit mit der Fähre dorthin. Ich muss es wissen ich hab das hinter mir. Gucken Xie mich nicht so an, ja ich hab einen College Abschluss in Soziologie. Ist zwar keine Mikrobiologie aber wenigstens etwas. Ich hab jetzt ne Bar am Strand. Sie können ja mal vorbeikommen. Ist nen nettes Fleckchen. Also noch irgendwelche Ideen?“
„Nicht spontan, aber ich klemm mich dahinter. Also haben Sie noch was, was Sie mich fragen wollen?“ bemerkte sie.
„Wie wär’s mit einem Essen?“ flirtete er.
„Mal sehen, diese Woche ist ganz schlecht da muss ich jeden Abend meinen Mann bekochen“, tat sie als würde sie in ihrem Planer suchen.
„Sie sind verheiratet?“, schien er enttäuscht.
„Ja, mein Mann hat seinen Traumjob hier bekommen. Also mein Traum war’s sicher nicht. Ich komme aus Fort Lauderdale“, erzählte sie.
„Dar war ich auch mal in den Frühlingsferien. Ihr habt einfach die besten Partys gemacht. Da kann ich Ihnen Geschichten erzählen. Sie können ja trotzdem mal in meiner Bar vorbeisehen. Also ich muss dann wieder, meine Aushilfe rotiert sicher schon. Ist Ferienzeit. Also dann“, stand er auf.
„Ja, ich meld mich, wenn ich was finde“, verabschiedete sie ihn und sah ihm nach.
„Verdammt, wenn ich nicht verheiratet wäre, wäre er perfekt“, murmelte sie und schloss die Akte.
 
Die Wellen peitschten an den Strand und die Sonne ging gerade unter. Obwohl bei Callie alle Alarmglocken läuteten ging sie zum Strand. Sie redete sich ganz fest ein, wenn Melvin die Nacht in der Bank verbringen wollte, hätte sie das Recht dazu.
„Warum überrascht es mich nicht, dass Ihre Bar die größte Leuchtreklame auf dem Dach hat“, begrüßte Callie, Austin der gerade Gläser putzte.
„Zu meiner Verteidigung ich helfe den Schiffen damit sicher in den Hafen zu kommen“, schmunzelte er und stellte das Glas ab.
„Eine sehr gute Verteidigung. Nette Bar, so ganz Open Air. Also was können Sie mir empfehlen, Barkeeper?“, witzelte sie.
„Bloody Mary auf Eis?“, schlug er vor.
„Hey, woher wissen Sie?“, war sie überrascht, dass er ihr Lieblingsgetränk kannte.
„Langjährige Erfahrung und ich dachte bei Ihrem Job brauchen Sie abends etwas blutiges“, erkannte er und mixte den Drink.
„Da haben Sie wirklich Recht. Nur einen Eiswürfel bitte, ich muss noch fahren“, entgegnete sie scherzhaft und er gab ihr den Drink.
„Das hab ich auch gewusst, sonst ist das Glas so voll. Sie brauchen Perfektion im Glas. Was ist, wo ist denn Ihr Begleiter?“, war er erfreut, dass sie ganz allein dort war.
„Weiß Gott wo, bei der Arbeit vermutlich“, bemerkte sie leicht gereizt und stellte ihr Glas wieder ab.
„Läuft es nicht so gut bei Ihnen?“, hoffte er.
„Nein, es läuft alles klasse. Es ist nur alles hier. Es ist so viel Neues. Ich konnte nicht mal irgendein Möbelstück von mir mitnehmen. Diese Wohnung ist so verdammt kühl. Aber dieser Drink ist echt heiß. Passen Sie auf, ich vertrage nicht so viel“, wedelte sie mit dem Bierdeckel um sich Luft zu machen.
„Das werde ich, versprochen. Sie wollen sicher Chuckie mal kennen lernen. Er ist surfen, müsste aber jede Minute heim kommen“, versprach er und ein paar Sekunden später krachte ein Surfboard auf die Holzlatten der Bar.
„Onkel A. das sind Wellen da draußen du solltest morgen unbedingt mitkommen. Du hast ja ausnahmsweise mal eine Kundin wie erfreulich. Ich will ein Bier“, sah ein junger, gut gebauter Teenie in Boxershorts vom Boden auf und setzte sich auf einen Stuhl.
„Chuckie, das ist Misses Emery von der Sozialstation, sie wird dich übernehmen“, erkannte Austin mit forschem Blick und Chuckie rieb sich seine Hand am Handtuch trocken um sie Callie entgegenzustrecken.
„Sehr erfreut, Madam. Hatte Sie mir anders vorgestellt“, war er angenehm überrascht.
„200 Pfund und mit einer Brille die an einem Goldkettchen baumelt? In 20 Jahren vielleicht. Er darf Alkohol trinken?“, wunderte sie sich, als Chuckie sich ein Bier genehmigte.
„Ja, ist alt genug. Ach ja richtig, Amerikanerin. Hier auf den Bahamas ist jeder frei im Geist und frei mit einem Kasten Bier genau das anzustellen, was er will“, erklärte Austin um dann gleichzeitig „aber ich pass schon auf“ zu erwähnen.
„Sehr beruhigend, wirklich“, meinte sie sarkastisch und er lächelte.
„Nur so als Frage der Rauswurf von Chuckie hat nicht zufällig was mit Alkohol zu tun?“, fragte sie vorsichtig.
„Nein, das lag alles nur an Ihrem saudummen Kollegen“, wurde Chuckie wütend.
„Hol du mal neues Eis, ja?“, schickte Austin seinen Neffen weg.
„Er hat Recht, so zu reagieren entschuldigen Sie. Ich seh’ immer nur das Negative in Allem eine meiner vielen schlechten Angewohnheiten. Ich glaub, ich muss langsam los“, stand sie auf und hielt sich am Tresen fest.
„Man, ich weiß zwar nicht was sie da in ihren Bloody Mary rein machen, aber es ist heftig“, pustete sie und setzte sich wieder.
„Das ist ein spezieller russischer Wodka, entschuldigen Sie ich hätte Sie vorwarnen müssen. Kommen Sie, ich fahr Sie heim“, schlug er vor.
„Was wird mit meinem Wagen?“
„Ich fahr Sie mit Ihrem Wagen heim, was haben Sie gedacht. Meine Schrottkarre ist sowieso abgesackt und ich muss in die Stadt zurück. Sonst hätte Chuckie mich mit dem Lieferwagen heimgebracht. Kommen Sie“, erklärte er und führte sie zum Wagen.
 
Als sie beim Haus ankamen, stand Melvin schon vor der Tür.
„Hey, hi Schatz, schon zu Hause?“, war Callie sichtlich nervös.
„Wo warst du?“, fragte er schroff.
„Ich war bei einem Kunden und der hat mich nach Hause gefahren, weil ich was getrunken habe. Melvin das ist Mr. Crawford, Mr. Crawford das ist mein immer fürsorglicher Ehemann Melvin“, stellte Callie die beiden gegenseitig vor und schlüpfte in Melvins Arm.
„Warum trinkst du bei einem Kunden Alkohol? Das hast du noch nie gemacht“, war Melvin misstrauisch.
„Ich hab ne Bar am Strand. Sie hatte nur eine Bloody Mary. Ich hielt es trotzdem für angebracht sie zu fahren. Also ich geh’ dann mal, ich wohn nur ein Block weiter“, erklärte Austin.
„Eine Bar, wie praktisch. Ich gebe Ihnen einen guten Tipp, Beachboy, Pfoten weg von meiner Frau klar“, sprach Melvin Klartext.
„Ist angekommen. Schönen Abend noch“, wich Austin zurück. Irgendetwas machte ihm an dem jungen Mann mit den blaugrauen Augen Angst.
„Vielen Dank, Mr. Crawford fürs Nach Hause Bringen. Wegen Chuckie ruf ich Sie an“, verabschiedete Callie ihn höflich und er ging von der Einfahrt und verschwand im Dunkeln.
„Wenn du mir jetzt vorhältst ich hätte eine Affäre mit ihm, dann raste ich aus. Wir sind erst zwei Tage hier“, verteidigte sich Callie und ging Richtung Haus.
„Das werde ich nicht, ich find es nur unpassend dass meine Ehefrau so spät abends mit einem fremden Mann im Auto mitfährt“, konterte er und lief ihr nach.
„Erstens war das mein Wagen und zweitens war das rein geschäftlich und ich hoffe du warst auch nur rein geschäftlich so spät in der Nacht unterwegs. Jetzt geh’ rein, bevor uns die Nachbarn hören“, bat sie und zog ihn rein.

Drittes Kapitel


Melvin musste am nächsten Morgen ziemlich früh weg. Es sollte wieder spät werden, aber das kannte sie schon. Es war komisch wie schnell man sich in einem total neuen Umfeld zurechtfinden konnte. Schon fast routiniert ging sie durch die Metalldetektoren, ihren Schlüssel legte sie immer an dieselbe Stelle und die Kollegen wussten schon wie sie ihren Kaffee mochte.
„Fühlen Sie sich bereit ein paar Fälle zu bearbeiten?“, kam Caleigh ins Büro als sie gerade ihren Kaffee trank.
„Kommt auf die Definition von „einige“ an“, erwiderte sie lässig.
„So 2, 3 nichts Schweres. Ich hab gehört Sie bearbeiten schon den Crawford-Fall“, redete Caleigh mal wieder ohne Punkt und Komma.
„Ja, Mr. Crawford hat mich darum gebeten. Er ist eigentlich gar nicht so ein übler Kerl, wenn man ihn mal richtig kennt“, erklärte sie und nahm die Akten an.
„Sagen Sie bloß, Sie fallen auch auf diese „Sunnyboy-Tour“ von diesem Kerl rein. Bitte nicht, ich hab schon eine Kollegin deswegen verloren. Der Kerl ist Feuer und Sie sicher nicht das Wasser“, bemerkte sie und grinste breit.
„Was denken Sie, ich bin eine verheiratete Frau. Ich geh’ nur alles Mal positiv an, das wollt ich nur sagen. Also wirklich“, protestierte sie und jetzt grinste sie umso mehr.
„Sie wären nicht die erste, Eleonore war auch verheiratet. Jetzt ist sie es nicht mehr“, konterte Caleigh und mit dieser Aussage in der Luft ließ sie, sie wieder allein.
Callie ertappte sich dabei zu denken „dann bin ich nicht die einzige“ aber das schien ihr so absurd, dass sie verwirrt den Kopf schüttelte. Trotz aller guten Ratschläge kaufte sie ein paar Muffins und ging zu Austin.
Austin sah nicht gut aus, als er die Tür öffnete. Irgendwie müde und leicht verwirrt.
„Hat aber lang gedauert“, murmelte er und ließ sie rein.
„Das hätten Sie wohl gern, ich wollt mich nur in der Nachbarschaft vorstellen und ein paar Muffins verteilen, mehr nicht“, entschied sie und stellte ihren Korb ab.
„Und da fangen Sie bei mir an, wie nett“, fischte er sich einen Muffin aus dem Korb und begann ihn zu essen.
„Okay Sie haben mich erwischt, ich wollt mich eigentlich entschuldigen, dass mein Mann Sie gestern so angefahren hatte. Ich fand es ganz lieb, dass Sie mich heimgebracht haben“, erkannte sie und lächelte.
„War doch Ehrensache, Missy“, schien Austin so ganz anders zu sein, wie am Abend zuvor.
„Missy? Ich heiß Callie“, wunderte sich Callie und Austin watschelte zum Kühlschrank um Milch aus der Tüte zu trinken.
„Entschuldigen Sie ich hab mir irgendwas mit y gemerkt!“
„Schreibt man zwar mit ie aber ich lass die Ausrede mal durchgehen. War gestern noch spät was?“, sah sie sich um und entdeckte ein paar leere Bierflaschen.
„Hatte keinen Besuch erwartet. Vor allem keinen vom Sozialamt. Chuckie hat nicht mitgetrunken, er hat heut Nacht bei seiner Freundin übernachtet. Oder bei einem Kumpel, ich weiß nicht genau. Aber ich denk, Sie sind nicht im Dienst, also geht Sie das eigentlich nichts an. Danke für die Muffins“, war er leicht grummelig.
Callie sah Austin zu, wie er Milch trank und sich dabei am Hintern kratzte.
„Was?“ fühlte er sich beobachtet.
„Nichts, ich bin nur froh, dass ich nen Kerl geheiratet habe, der Hosen anhat, wenn er das Schlafzimmer verlässt. Schönen Tag noch“, war sie gekränkt über seine ruppige Art und ging wieder.
 
Es war schon spät am Abend als es bei Callie klingelte. Erst dachte sie Melvin hätte seinen Schlüssel vergessen. Aber auf der Terrasse stand Austin.
„Sie haben Nerven hier mitten in der Nacht aufzutauchen“, zog sie ihn mit herrischem Ton hinein.
„Ihr Mann ist nicht da, so dumm bin ich nicht. Ich wollt mich wegen meinem Verhalten vorhin entschuldigen“, erklärte er und sie zog die Vorhänge zu.
„Sie können nur hoffen, dass die Nachbarn Sie nicht gesehen haben“, löschte sie das Licht.
„Im Dunkeln ist schön munkeln. Haben Sie Angst, dass die Nachbarn reden?“
„Sie sind ja ein ganz schneller. Ja, die hab ich. Woher kann ich wissen, dass hier keine Plappermäuler wohnen“, erwiderte sie.
„Nein!“
„Nein was?“
„Nein, hier wohnen keine Plappermäuler. Könnten Sie jetzt mal wieder das Licht anmachen? Ich seh’ im Dunkeln schlecht“, beantwortete er ihre Frage und sie griff Richtung Lichtschalter und berührte dabei seinen Arm.
Das erschreckte sie so sehr das sie rückwärts stolperte.
„So haarig bin ich auch wieder nicht“, witzelte Austin und machte mit einem Handgriff das Licht an.
„Ich glaub Sie gehen jetzt besser“, rappelte sie sich auf sie ging zur Tür. In dem Moment bog Melvin in die Einfahrt ein. Blitzschnell machte er die Tür wieder zu.
„Ihr Mann ist grad gekommen“, sagte er trocken.
„Verdammt, er darf Sie hier nicht sehen. Gibt es hier in diesem verdammten Haus einen Hinterausgang oder so?“, wurde sie hektisch und schob ihn hinter die Tür.
„Schatz, hi du bist noch wach?“, begrüßte er sie und sie stellte sich an die Tür.
„Liebling, hey ja ich bin noch wach. Wie war die Arbeit?“, schien sie sichtlich nervös.
„Alles in Ordnung?“
„Ja, alles bestens. Geh’ schon mal in die Küche, ich werde dir was zu essen machen“, bat sie und nach dem dritten „jetzt geh’ schon“ ging er.
„Hey, alles klar da hinten?“, flüsterte sie Austin zu, während sie lächelnd zusah wie ihr Mann davonging.
„Die Luft wird etwas knapp hier“, keuchte er und sie befreite ihn als Melvin außer Sichtweite war.
„Jetzt verschwinden Sie, ich ruf Sie an“, zischte sie und er huschte davon.
„Haben wir keine Majonäse mehr?“, kam Melvin zurück als sie gerade die Tür schloss.
„Nein, schreib es auf. Komm, ich mach dir dein Sandwich ruh dich ein bisschen aus“, drückte sie ihn auf einen Sessel.
„Warum bist du so nervös?“
„Ich bin nicht nervös!“
„Ja, das sieht man dir auch an. Wie war deine Arbeit?“
„Stressig!“
„Komm her“, zog er sie auf den Sessel.
„Warum musst du so viel arbeiten?“, lehnte sie sich an ihn.
„Es ist halt ein neuer Job, wenn ich etwas länger da arbeite, werde ich später etwas Freizeit haben. Bitte versteh’ das doch“, bat er und strich ihr übers Gesicht.
„Das verstehe ich, aber ich vermiss dich“, entgegnete sie.
„Das tu ich auch. Ich denk ständig in der Bank an dich. Was hältst du davon, wir gehen am Sonntag ein bisschen die Gegend erkunden, wie klingt das?“, schlug er vor.
„Wirklich?“
„Wirklich!“ versprach er und küsste sie.
 
Melvin hielt sein Versprechen. Am darauf folgenden Sonntag fuhren sie zur Küste runter. Es war furchtbar romantisch. Sie liebten sich am Strand und lagen auf einer Decke, bis es dunkel wurde. Callie konnte ihn in der Stimmung sogar überreden zu Austins Strandbar zu fahren um sich bei ihm zu entschuldigen.
„Die Emerys was für eine erfreuliche Überraschung. Also was kann ich euch beiden Turteltäubchen bringen“, begrüßte Austin die beiden mit seiner gewohnten Lässigkeit, aber sie sah den Schmerz in seinen Augen den er dabei hatte, die beiden so glücklich zu sehen.
„Zwei Bier, bitte“, beobachtete Melvin misstrauisch wie sie ihn ansah.
„Kommt sofort“, stellte er Erdnüsse hin und ging zum Kühlschrank.
„Also wie war Ihre erste Woche auf der Insel?“, war Austin neugierig.
„Ich hab nicht viel gesehen, war viel beschäftigt. aber was ich bis jetzt gesehen hab, gefällt mir wirklich gut. Sie sind also ein echter Inselbewohner?“, fragte Melvin aber nicht ohne einen Hauch Hochmut in der Stimme.
„So sieht’s aus, Yankee. Geboren und aufgewachsen. Und stolz drauf. Wollen Sie Eiswürfel?“, störte das Austin wenig und als Melvin mit dem Kopf nickte, ließ er den Eiswürfel von der Zange ins Glas fallen.
„Ist das nicht etwas einsam auf so ner Insel“, provozierte er ihn weiter.
„Eigentlich nicht, man hat viel Zeit für sich allein. Und das Wetter ist das ganze Jahr gut. Also sie sind Banker, das muss doch etwas langweilig sein“, schlug er ihn mit seinen eigenen Waffen.
„Es ist halt mein Job. Ist das Guinness?“, lenkte Melvin ab.
„Was sonst! Ich bräuchte ein bisschen Geld, könnt ich in den nächsten Tagen wegen eines Kredits bei Ihnen vorbeikommen?“, konnte es Austin nicht sein lassen.
„Wie viele Kredite haben Sie denn schon auf diese Hütte aufgenommen?“
„Das wär dann der vierte!“
„Vergessen Sie’s“, erwiderte Melvin mit Schadenfreude.
„Danke, zu gnädig. Also Misses Emery wie wär’s mal zur Abwechslung mit ner Bloody Mary?“, ignorierte er ihn plötzlich und wendete sich an Callie.
„Ich dachte schon Sie fragen nie“, leerte sie ihr Bier in den Sand neben ihr.
„Was soll das denn jetzt, ich dachte du liebst Bier?“
„Nein, du liebst Bier, ich kann es nicht ausstehen. Mit extra viel Tomatensaft diesmal“, bestellte sie und Austin drehte sich zu den Alkoholflaschen.
„Seit wann trinkst du denn so harte Sachen?“, war Melvin erstaunt.
„Seit ich mit dir verheiratet bin“, schmunzelte sie.
„Autsch, das hat gesessen“, murmelte Austin.
„Werd nicht frech, junge Lady!“
„Junge Lady? Ich glaub diese Angelausflüge mit meinem Vater waren wohl doch nicht so gut, wie ich dachte!“
„Okay, eine Bloody Mary für die Dame und einen echten irischen Whiskey für den Anzugträger“, präsentierte Austin die Getränke.
„Ich beobachte Sie, Crawford“, raunzte er und kippte seinen Whiskey.
„Und ich beobachte Ihre liebreizende Frau“, ließ Austin nicht ab und setzte noch einen drauf.
„Ich geh’ schon mal ins Auto“, grummelte Melvin und stampfte durch den Sand zum Auto.
„Entschuldigen Sie, er ist eigentlich nicht so“, legte Callie das Geld hin, zog die Bloody Mary in einem Zug runter und lächelte.
„Wow, nicht schlecht für ne Anfängerin!“
„Anfängerin? Ich hab schon mit einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus gelegen, da war ich noch keine 17. Einige Dinge muss der Ehemann nicht wissen. Wir sehen uns“, ging sie von dannen.
„Ich weiß nicht, aber ich hab irgendwie keine Entschuldigung aus deinem Mund gehört“, sprach sie ihn darauf an, als sie nach Hause kamen.
„Man, dieser Kerl ist wirklich etwas krank im Kopf. Du wirst ihn nicht mehr dort besuchen!“, bat Melvin ernst.
„Na sicher, ich geh’ duschen, bin voller Sand“, nahm sie das nicht Ernst und ging ins Badezimmer.
„Hey, das meinte ich eigentlich ernst“, hämmerte er gegen die verschlossene Tür.
„Ich weiß Schatz, schwimm ein paar Runden im Pool um dich abzukühlen“, rief sie ihm zu und machte die Dusche an. Grummelnd zog er ab.
 
Melvin sprach das Thema nicht mehr an. Er stank nach Chlor als er ins Bett kam. Er hatte sich nicht mal die Mühe gemacht zu duschen. Callie bereute es ihn zu Austin mitgeschleppt zu haben. Obwohl dieser Kerl war einfach heiß. Während ihr Ehemann schnarchend neben ihr schlief dachte sie an Austin. Langsam beschämte sie es nicht mehr an ihn zu denken. Sie hatte das Recht dazu. Melvin dachte sicher auch nicht 24 Stunden am Tag an sie. Und wenn war das krank. Nein, er träumte nicht von ihr. Er schmatzte. Vermutlich aß er im Traum wieder seine Leibspeise Bouritos. Ja, das war der Mann den sie geheiratet hatte. Er war nur eifersüchtig weil er sie über alles liebte. Zufrieden kuschelte sie sich an ihn und schlief ein.

Viertes Kapitel


„Na, wieder alles in Butter mit Ihrem Ehemann?“, lugte Austin ein paar Tage später wieder in Callies Büro.
„Sie sind den ganzen weiten Weg hier her gekommen um mich das zu fragen?“
„Ja, und ich wollte Ihnen die Stempelkarte von Chuckie vorbeibringen, Sie hatten das mir doch auf dem Anrufbeantworter mitteilen wollen, oder?“
„Ja, richtig, hat ich fast wieder vergessen. Ist viel los in letzter Zeit. Also geben Sie her“, bemerkte sie und er reichte ihr die bräunliche Karte.
„Wie lange sagten Sie hat er dort gearbeitet?“
„2 Jahre, hey er ist eben nicht so ein sorgfältiger Kerl. Aber man kann sie noch lesen“, verteidigte er den Zustand der schon ziemlich mitgenommenen Stempelkarte.
„Ich hab nichts gesagt, bei uns in den Staaten arbeiten wir halt mit Plastikarten, deshalb die Verwirrung. Kann ich Ihnen was anbieten? Kaffee?“, versuchte sie sich herauszureden.
„Ach so. Nein, ich brauch nichts. Ist noch was?“
„Nein, danke fürs Herkommen. Wir sehen uns dann irgendwann“, tat sie beschäftigt. Sie mied es ihn anzusehen. Diese sexuelle Anziehungskraft die von ihm ausging machte sie wahnsinnig.
„Er soll Sie ja gut behandeln“, murmelte er, während er ging.
„Das tut er, Blödmann“, grummelte sie in den Kaffee hinein.
 
Doch sie log sich etwas in der Tasche. Dass sie diese schönen Stunden am Strand verbracht hatten sollte eine Ausnahme bleiben. Die nächsten Wochen war er wie vom Erdboden verschluckt. Er fuhr zur Arbeit wenn sie noch schlief und kam heim wenn sie wieder schlief. Callie in ihrer Naivität dachte, er würde sich über kleine Notizen auf dem Kopfkissen freuen, aber sie fand sie immer irgendwie in der Bettritze eingeklemmt.
Zumindest die Arbeit in der Sozialstation füllte sie einigermaßen aus. Sie arbeitete sich gut ein und bekam immer mehr Fälle. 4 Monate nach ihrer Ankunft wurde es Winter auf der Insel. Aber so wie zu Hause merkte man davon nicht viel. Die Männer trugen vielleicht längere Hosen und auch die Frauen nicht mehr so kurze Röcke aber sonst war alles beim Alten. Fast alles.
 
„Das ist schon das dritte Mal in dieser Woche, ich mach mir langsam Sorgen um dich“, begrüßte sie Austin auf ihrem Strandhocker den sie in letzter Zeit öfters benutzte. Sie duzten sich sogar schon, aber Melvin durfte davon natürlich nichts erfahren.
„Kannst du ruhig, es ist was passiert!“ klemmte sie sich hinter die Bar.
„Hast du ihn endlich umgebracht?“, scherzte er.
„Fast, ich bin schwanger“, platzte es aus ihr heraus.
„Das ist ja toll, das ist nicht toll, warum freuen wir uns nicht darüber?“, lächelte er erst, aber als er ihren finsteren Gesichtsausdruck sah schloss er den Mund wieder.
„Du kannst Fragen stellen, mein Mann ist permanent abwesend und ich bin jetzt in der Wintersaison voll bepackt mit Arbeit. Das ist eine Tragödie“, wurde sie laut.
„Meine Ex ist auch berufstätig und hat drei Kinder und ich bin vollständig abwesend“, konterte er.
„Du hast drei Kinder?“
„Nein, nur eins ist von mir, Nummer 2 und 3 sind von ihrem Neuen - Erol. Das ist ein Name, nicht? aber er ist in Ordnung. Meine Tochter wird nächsten Herbst 10“, erklärte er stolz und zeigte ein Foto.
„Wie alt bist du denn, wenn ich dich fragen darf?“
„37!“
„Man, ich hätt dich jünger geschätzt, viel jünger. Okay, zurück zu meinem Problem, wieso grinst du jetzt so blöd?“, musterte sie ihn und er grinste plötzlich.
„Ich bin nur froh, dass wir nicht miteinander geschlafen haben an dem Abend, als du so betrunken warst“, schmunzelte er.
„Und ich wäre froh wenn du das nie wieder erwähnen könntest. Könnte ich endlich meine Mary haben oder soll ich hier verdursten?“, erkannte sie und vergrub ihr Gesicht auf dem Tisch zwischen ihren Armen.
„Du solltest nicht trinken wenn du schwanger bist!“
„Was willst du den für ein Freund sein? Ich sollte gar nicht schwanger sein. Und jetzt gib endlich her“, bat sie erneut.
„Meinetwegen“, murrte er und mixte ihr die Bloody Mary.
 
Ein paar Stunden und mehrere Drinks später lag sie auf dem Tresen und klagte Austin ihr Leid.
„… und ich hab doch grad einen neuen Job und wir sind in einer neuen Stadt und mein Ehemann, der mir nicht mal vor einem Jahr ewige Treue und Liebe geschworen hat ist seit Tagen unauffindbar. Wo soll das bitte gerecht sein“, gackste sie und tätschelte sein Gesicht.
„Warte erst Mal bis er herausfindet, dass es nicht sein Baby ist“, murmelte Austin, weil er dachte Callie würde sowieso nichts mehr mitkriegen.
„Was hast du da grad gesagt?“ fragte sie und sah auf.
„Es ist auch sein Baby, red mit ihm darüber“, schlug er vor.
„Nein, das hast du nicht gesagt“, packte sie ihn am Kragen.
„Ich glaub du hattest genug, Baby“, bemerkte er und löste ihren Griff von seinem Kragen.
„Baby, das ist dein Baby ich wusste es. Du bist einfach weg gegangen. Bestimmt ist Melvin aufgetaucht. Du weißt schon, dass du mich vergewaltigt hast“, wurde sie plötzlich ernst.
„Von wegen du hast mich verführt. Du warst wie eine Raubkatze. Ich kam kaum mit. Du hast es echt gebraucht“, wurde er vulgär.
„Dafür komm ich sicher in die Hölle“, stand sie auf und schlurfte zum Auto.
„Warte, ich fahr dich“, bat er und ging ihr hinterher.
„Ich kann das schon allein, danke“, erkannte sie und schubste ihn in den Sand.
Bevor er sich aufrappeln konnte, war sie schon weggefahren.
 
Sie war so wütend. Sie hatte ihm vertraut. Sie hatte sich selbst vertraut. Er hatte sein wahres Gesicht gezeigt. Tränen liefen ihr über das Gesicht. Das versperrte ihr die Sicht. Sie kam auf die linke Spur. Sie merkte erst in letzter Sekunde, dass ihr ein Wagen entgegen kam. Sie schrie und lenkte nach rechts. Bevor sie bewusstlos wurde, sah sie noch einen Baum auf sich zukommen.

Fünftes Kapitel


„Misses Emery hallo, hey da sind Sie ja wieder. Sie haben uns echt einen Schreck eingejagt. Sehen Sie dem Licht nach“, bemerkte eine beruhigende, weibliche Stimme und ein Licht blendete in ihre Augen.
„Okay, das sieht schon mal gut aus. Sie haben eine Halskrause an, deshalb drückt Ihr Hals so. Ich werde sie Ihnen jetzt abnehmen, also nicht erschrecken“, erwiderte die Stimme weiter und eine Hand griff nach ihren Kopf und nahm ihr die Krause ab.
„So, jetzt können Sie besser atmen. Ich dreh’ Ihren Kopf, sagen Sie wenn’s wehtut“, entschied sie und drehte den Kopf. Er tat nicht weh.
„Prima, keine Halswirbelbrüche. Das ist ein gutes Zeichen. Können Sie sprechen?“
„Wüsste nicht was ich zu erzählen habe“, murmelte sie müde.
„Sie haben ein bisschen getankt. Sie können von Glück reden, dass Sie keinen anderen Wagen gerammt haben. Ihr Mann hat das mit der Polizei schon geregelt, das geht in Ordnung. Sie sollten trotzdem nicht Fahren, wenn Sie getrunken haben. Also, ich glaub außer ein paar Platzwunden und ein paar Prellungen scheinen Sie nichts abgekriegt zu haben“, erklärte die Ärztin die Callie endlich scharf sah und lächelte sie an.
„Ist echt ein Wunder, so wie dein Wagen aussieht. Da ist ja mein Engel wieder. Schön wie immer. Ich hab dich vernachlässigt. Das war mein Fehler. Komm her“, trat Melvin ein. Er trug immer noch seinen grauen Anzug, nur die Krawatte war gelockert.
„Wo warst du?“, fragte Callie tonlos.
„Arbeiten, weißt du doch. Warum betrinkst du dich? Ich kenn dich gar nicht so. Ich werde jetzt öfter für dich da sein versprochen. Jetzt schlaf ein bisschen, ich werde dich morgen wieder nach Hause holen. Du armes Ding. Bis morgen“, küsste er sie, strich ihr übers Haar und verließ das Krankenzimmer wieder.
„Sie haben da einen wirklich tollen Mann. Hören Sie auf ihn, schlafen Sie Ihren Rausch aus. Ich komm morgen wieder vorbei. Ich bin übrigens Dr. Backman. Schlafen Sie schön“, verabschiedete sich die Ärztin und schon war auch sie verschwunden.
 
Es war hell und ihr Gesicht brannte als sie erneut aufwachte. Sie sah sich um.
„Na ausgeschlafen, Baby? Das war ja schon ein gewaltiger Rumms. Gott sei Dank lebst du noch. Ich hab dich gefunden. Du hast mich in den Sand geschmissen“, entgegnete Austin der an ihrem Bett saß.
„Verpiss dich“, raunzte sie
„Gern geschehen. Wo ist denn dein Mustergatte?“
„Er wird bald da sein, du solltest gehen“, erwiderte sie schlecht gelaunt.
„Wir müssen darüber reden“, bat er.
„Nein, müssen wir nicht. Verschwinde!“
„Irgendwann wird er es erfahren!“
„Das braucht er nicht, es ist kein Kind mehr da. Das wollten Sie doch damit bezwecken. Callie richtig?“, kam Dr. Brackman zu ihnen.
„Nein, das wollt ich nicht damit bezwecken. Aber es ist gut so, dann muss ich diesen Mistkerl zumindest nicht wieder sehen. Könnten Sie es veranlassen das er raus geschmissen wird?“, redete sie mit der Ärztin und sie nickte.
„Das muss nicht so ausgehen“, war Austin traurig.
„Nein, ich könnte dich auch anzeigen. Ich denk nicht, dass das gut für dich wäre. Jetzt geh“, sagte sie mit fester Stimme und mit traurigem Hundeblick verkroch sich Austin.
 
Ein paar Stunden später konnte sie nach Hause gehen. Als sie zu Hause ankamen, stand vor ihrer Haustür ein Strauß Blumen mit einer Karte.
„Wie nett, dass deine Kollegen an dich gedacht haben“, bemerkte Melvin, als sie die Karte las. Die Blumen waren von Austin.
„Ja, sehr nett. Komm lass uns reingehen, die Blumen brauchen Wasser“, sagte sie nachdenklich und nahm die Blumen auf.
„Was ist los Schatz, du bist schon die ganze Woche so. Muss ich mir Sorgen machen?“ hielt er ihr eine Vase hin.
„Nein, der Unfall hat mich nur etwas aus der Bahn geworfen, sonst nichts“, log sie sehr schlecht.
„Die Ärztin hat mir erzählt, dass du schwanger warst als du den Unfall hattest. Wusstest du davon?“
„Ja“, sagte sie kleinlaut.
„Wolltest du unser Baby töten?“
„Nein, ich war zwar nicht glücklich darüber, aber töten wollte ich es nicht. Ehrlich!“, wurde sie laut.
„Als du betrunken Auto gefahren bist, hast du dem Kind nicht gerade geholfen. Du bist keine Trinkerin und hier betrinkst du dich. Irgendwas fehlt dir doch!“
„Ja, es fehlen mir meine Freunde, meine Mutter alle Gottverdammten Leute um mich. Vor allem du. Ich weiß, du hast mir gesagt, dass du in nächster Zeit nicht oft da sein wirst, aber du bist gar nicht mehr da. Weißt du wie lang es her ist, dass wir miteinander geschlafen haben?“, verriet sie sich.
„7 Wochen, Moment du warst erst im 1. Monat schwanger. Du vögelst diesen Strandheini?“, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.
Da brach sie in Tränen aus. In dem Moment sagte er etwas, was sie total verblüffte.
„Es ist okay, wenn ich es dir nicht geben kann, meinetwegen. Aber er wird der einzige sein, klar!“ sagte er mit herrschen Ton.
„Er hat mich vergewaltigt, der Bastard und du findest das okay? Wie krank bist du eigentlich in deinem Hirn?“, wurde sie wütend.
„Ich wusste es, ich hab mich schon gewundert warum dein „guter Freund“ nicht mehr im Krankenhaus aufgetaucht ist. Du hast ihn hoffentlich angezeigt!“
„Nein!“
„Was bedeutete nein?“
„Das Gegenteil von ja!“
„Du musst es tun!“
„Und meinen Ruf versauen, von wegen. Ich werde ihn nie wieder sehen, das reicht mir. Ich hab Hunger, wir sollten was essen“, lenkte sie ab.
„Das war’s, einfach so? Du lässt ihn so davonkommen?“
„Wir waren beide dicht, er ist keine Gefahr. Magst du Rührei?“
„Nein, so einfach mach ich’s dem Kerl nicht. Den werde ich mir vorknöpfen“, tobte er.
„Später, jetzt essen wir erst mal. Komm!“
 
Der Abend war noch seltsam. Dieser Vorfall hatte alles irgendwie verändert. Sie konnte ihm nicht mehr in die Augen sehen. Sie wusste zwar nicht mehr viel von dem Abend, aber eins war sicher, vergewaltigt hatte er sie nicht.
 
Ein paar Tage später, sie war grad unter einem Haufen Akten vergraben, die sich noch abschließen musste, trat ein junger Mann ein. Er sah gut aus, war etwa 30 Jahre alt, gut gebaut und für die Hitze etwas zu dunkel angezogen.
„Sind Sie Misses Emery?“
„Lassen Sie mich raten, Sie sind Anwalt und gefeuert worden, richtig?“, sah sie auf.
„Fast, ich bin ein Kollege Ihres Mannes. Condan Powell steht’s zu Ihren Diensten“, stellte er sich höflich vor.
„Netter Name, und was wollen Sie, meine Steuererklärung machen?“, war sie amüsiert.
„Nein, Sie beschützen. Die ist wenn ich mal nicht da bin“, knallte er ihr eine Waffe auf den Tisch.
„Sind sie des Wahnsinns, hier einfach mit ner Waffe aufzutauchen. Wie sind Sie eigentlich damit durch die Absperrung gekommen?“, sprang sie erschreckt auf und schloss ihre Tür erschrect.
„Berufsgeheimnis. Sie kennen sich damit aus, hab ich gehört. 6 Schuss, muss halt gereinigt werden. Hier laden, entsichern, sichern. Der Rest kommt von ganz allein. Noch Fragen?“
„Ich werde die nicht behalten. Sie wissen wo die Tür ist“, war sie empört. Sie wusste als Tochter eines Soldaten gut genug was so eine Waffe anrichten konnte. Ihr Vater hatte immer noch eine Kugel im Knie stecken von seinem Einsatz im Kosovo.
„Sie brauchen Schutz, Callie, das das nie wieder passiert“, versuchte er sie zu überzeugen.
„Und Sie wollen mich jetzt rund um die Uhr bewachen?“, war sie nicht sehr angetan von der Idee.
„So in etwa. Zumindest in Ihrer Arbeitszeit und Ihren Außeneinsetzen. Sie haben doch einen Tresor, legen Sie, Sie da rein, Sie wissen nie wann Sie, sie mal brauchen. Fassen Sie mal an, es ist ein tolles Gefühl“, schien er wie besessen von dem silbernen Mordgerät.
„Meinetwegen. Wenn Sie sich zu Tode langweilen wollen. Wollen Sie nen Kaffee?“, legte sie die Waffe in den Tresor und ging zurück zum Schreibtisch.
„Nein, ich trink keinen Kaffee danke. Muss ich was Sicherheitstechnisches über dieses Gebäude wissen?“, sah er sich um.
„Wir haben einen Metalldetektor an der Tür, den sie wie es aussieht ohne Probleme überwunden haben, was mich nicht gerade beruhigt und Gitter an den Kellerfenstern. Was meinen Sie eigentlich damit, Sie sind ein Kollege? Mein Mann arbeitet in einer Bank“, setzte sie sich wieder hin.
„Wenn Sie das sagen. Man, wird langsam heiß hier. Wie viele Kollegen haben Sie denn?“
„Sieben oder acht, glaub ich. Da wäre Caleigh meine Chefin sie ist in Ordnung, diesen südafrikanischen Freak, den hab ich nur ein Mal gesehen, man ich bin sehr beschäftigt am besten befragen Sie meine Chefin. Da hätt ich Zeit hier weiter zu arbeiten. Am besten gleich“, wollte sie ihn wieder loswerden.
„Gut, Sie schreien aber, wenn was ist“, verließ er den Raum wieder.
„Oh man, das wird immer besser“, grummelte sie und beugte sich wieder über ihre Akten.
Es vergingen nicht ein Mal zwei Minuten da stürmte jemand mit wild verstrubbeltem Haar in ihr Büro.
„Für wenn hältst du dich eigentlich, sag mal?“, tobte Chuckie. Er schien grad vom Surfen gekommen zu sein.
„Das gleiche könnte ich dich auch fragen, ich kann mich nicht erinnern dir das „du“ angeboten zu haben. Also ganz in Ruhe setz dich, bitte“, sagte sie mit herrischem Ton.
„Ich will mich nicht setzen. Mein Onkel ist ein wirklich feiner Kerl. Er hat Sie ganz bestimmt nicht vergewaltigt. Wussten Sie dass er vergewaltigt wurde als kleiner Junge? Wehe sie zeigen Ihn auf irgendeine Weise an, ich werde irgendwas Schmutziges über Sie ausgraben und wenn es das letzte ist was ich tue“, war er außer sich.
„Ich werde ihn nicht anzeigen, er hat mich auch nicht vergewaltigt. Ich war nur so wütend auf das Baby, auf mich und alles. Ich hab eine Ausrede für meinen Mann gebraucht. Oh Gott, ich hatte ja keine Ahnung. Wie geht’s ihm?“, war sie besorgt.
„Klasse, ich hab ihn seit Tagen nicht gesehen. Sie müssen mitkommen und ihn aus dem Keller raus holen. Bitte“, bat er erst sarkastisch und dann flehend.
„Ich werd es versuchen, ich bin nur grad sehr beschäftigt. Sag ihm, dass es mir Leid tut. Wie läuft es eigentlich in Buds Taverne?“, wollte sie noch kurz geschäftliches besprechen.
„Gut, die Erfahrungen in der Strand-Bar haben mir echt geholfen. Man, wie schaffen Sie es in ein paar Worten einen wieder auf den Boden der Tatsachen zurück zu bringen“, war er überrascht, dass er sich wieder beruhigt hatte.
„Das sind meine Erfahrungen und ich bin Tochter eines Soldaten ich kann jeden Mann zum Schweigen bringen. Also ich muss jetzt weiter arbeiten, ich werd vorbeikommen wenn ich etwas Freiraum habe versprochen“, erkannte sie und lächelte.
„Gut, dann sehen wir uns. Bis dann“, ging er nachdenklich Richtung Ausgang. Plötzlich aus dem Nichts eilte ihr Beschützer in schwarz herbei und drückte Chuckie auf den Boden.
„Was zum Teufel soll das?“, fragte Callie genervt und zog ihre Lesebrille ab.
„Wer ist der Kerl?“, wollte Condan wissen.
„Ein Schützling von mir, Sie Trottel. Sieht er auf irgendeine Weise gefährlich aus, Mr. Bodyguard?“, entgegnete sie kopfschüttelnd.
Condan zog Chuckies Kopf hoch und sah ihm in die Augen.
„Nein, eher nicht!“
„Dann nehmen Sie gefälligst das Knie von seinem Rücken, bitte“, nörgelte sie und er ließ Chuckie wieder aufstehen.
„Sie haben einen Bodyguard?“, rieb sich Chuckie den Nacken.
„Gezwungenermaßen, ja. Lange Geschichte. Es tut mir Leid wegen der Sache gerade. Wir sehen uns“, verabschiedete sich Callie von ihrem Schützling und er ging kopfschüttelnd aus dem Raum.
„Hier, das sind meine Akten, dass Sie die Guten von den Bösen unterscheiden können. Dass das nicht mehr passiert. Ich hol mir einen Kaffee“, meinte sie gereizt, drückte ihm die Akten hin und ging Chuckie hinterher.
„Chuck warte mal. Bist du mit dem Wagen deines Onkels da?“
„Ja, wieso?“
„Kannst du mich mitnehmen ich will den Bully abhängen“, bat sie.
„Sicher, was hat es mit dem Man in Black auf sich?“
„Mein Mann hat ihn angeheuert, er soll auf mich aufpassen. Was? Ich hab ihm halt die Geschichte mit der Vergewaltigung aufgetischt. Ich musste was sagen um meinen Ehebruch zu vertuschen. Dass es auf Kosten von Austin passiert, tut mir wirklich leid.
Ich war nie ein Mädchen von Traurigkeit, dass weiß er nur nicht. Und es soll so bleiben. Nur der Bully nervt echt. Also lass uns fahren“, erklärte sie und er führte sie zu seinem Wagen.

Sechstes Kapitel


Der Abend zeigte sich in den schönen Farben eines Sonnenuntergangs als sie bei Austins Wohnung ankamen.
„Ich werd allein rein gehen, du solltest langsam zur Arbeit gehen“, schlug sie vor und er fuhr weiter, nachdem sie ausgestiegen war. Sie hatte von ihm den Haustürschlüssel bekommen weil sie kaum glaubte von Austin hereingelassen zu werden.
„Ich komm jetzt rein“, sagte sie vorsichtig und sah sich in der Wohnung um.
„Austin, ich bin’s Callie. Komm raus bitte, wir müssen reden“, rief sie und fand eine Treppe die nach unten führte.
Sie hörte ein Quietschen und eine Metalltür ging auf.
„Du bist verdammt spät dran“, murmelte Austin, der in der Ecke saß mit leeren Bierflaschen um sich herum verteilt. Er sah wirklich mies aus, vor allem der Dreck und der Bart ließen ihn auf den ersten Blick wie einen Penner aussehen.
„Ich weiß, es tut mir alles so leid. Komm hoch“, entschuldigte sie sich und zog ihn hoch.
„Das will ich auch schwer hoffen. Ich dachte wir wären Freunde!“
„Das sind wir auch, Freunde! Diese Nacht ist passiert, ist auch nicht zu ändern, aber sie wird die einzige bleiben. Ja, guck mich nicht so an, ich erinnere mich daran. Sehr verschwommen, aber ich erinnere mich. Wenn das Vergewaltigung war dann höchstens von mir. Oh tut mir leid, das wollte ich nicht sagen“, versuchte sie ihn aufzumuntern, führte ihn ins Bad und zuckte dann zusammen.
„Chuckie konnte also seine Klappe nicht halten. Ja, es stimmt. Es war eine Putzfrau bei uns zu Hause ich war 6 Jahre alt. Ich versuch es so gut wie es geht zu verdrängen. Das bleibt aber unter uns, klaro?“, erwiderte er und zog seinen Pulli aus.
„Ist Ehrensache. Jetzt dusch du stinkst wie ein Iltis. Ich warte im Wohnzimmer“, bemerkte sie und ging zurück dorthin.
Frisch geduscht und rasiert sah er schon gleich viel besser aus.
„Also, ist alles klar zwischen uns?“ fragte sie besorgt.
„Ja, alles in Ordnung. Musst du wieder weg?“, wunderte er sich als sie sich auf die Tür zu bewegte.
„Ja, leider ich muss wieder zurück zur Arbeit. Verdammt jetzt hab ich kein Auto. Ich werd nach Hause gehen, Melvin irgendwas davon erzählen dass ich scharf auf ihn bin, ihn abspeisen und dann seinen Wagen nehmen. Halt mir für ca. 22 Uhr einen Platz in der Bar frei, ja?“, verabschiedete sie sich und nach einer Umarmung ging sie.
„Aber das du ja nur an mich dabei denkst“, rief er ihr hinterher.
„Klar, mach ich doch immer“, rief sie zurück und schon war sie um die Ecke gebogen.
 
„Schatz, ich bin zu Hause ich will dich“, säuselte sie, als sie nach Hause kam.
„Schatz, wo steckst du?“, suchte sie ihn in der Wohnung.
„Ich bin nicht so ein Experte, weil ich keinen Kaffee trinke, aber als Sie sagten, dass Sie einen Kaffee trinken wollten, dachte ich eigentlich, Sie tun das im Büro, nicht zu Hause“, tauchte ihr Beschützer in Schwarz aus dem Dunkeln auf.
„Verdammt, wie kommen Sie hier rein?“, zuckte sie zusammen.
„Durch die Haustür. Als Ihr Sicherheitsmann brauch ich wohl einen Schlüssel, oder? Sie suchen Ihren Mann, hoffe ich mal, der ist nicht hier“, bemerkte er kurz.
„Das seh’ ich auch. Wo ist er?“
„Geschäfte machen. Zurück ins Büro?“, machte er nicht viele Worte.
„Sieht so aus. Was heißt Geschäfte machen?“
„Sie sind eine neugierige junge Frau. Ich werd Ihnen nicht erzählen was er macht, wenn er es Ihnen bis jetzt nicht erzählt hat. Sie müssen das auch gar nicht wissen. Also gehen wir“, speiste er sie ab und führte sie nach draußen. Inzwischen war es dunkel geworden.
„Er tut was illegales, richtig?“, entgegnete sie als sie fast da waren.
„Und penetrant dazu, gefällt mir irgendwie. Ich werde es Ihnen nicht sagen“, ließ Condan nicht mit sich reden.
„Das ist so fies echt. Ich will doch wissen wenn in meinem Haus illegale Geschäfte ablaufen. Wenigstens einen Tipp“, handelte sie.
„Okay, in einem Waschsalon wäscht er nicht seine Wäsche, okay?“
„Versteh’ ich jetzt nicht!“
„Pech, mehr sag ich nicht“, entschied er.
„Kommen Sie noch einen kleinen Tipp!“
„Wir sind hier doch nicht bei Jeopardy!“
In dem Moment fuhren sie in die Straße der Station ein.
„Gut wir sind da. Halten Sie dort an“, bat er und sie bremste.
„Hey, ich glaub ich hab’s jetzt“, erkannte sie und machte den Motor aus.
„Gratulation der Kandidat erhält 100 Punkte. Steigen Sie aus“, grummelte Condan und sie grinste.
„Jetzt weiß ich, dass sie schon mal kein Auftragskiller sind“, entschied sie und machte die Tür auf.
„Warum? Könnt ich doch sein!“
„Könnten Sie schon, aber wenn Sie es wären, wäre ich dann nicht schon längst ich weiß nicht … tot?“, behielt sie ihre Coolness obwohl es ihr schon seltsam vorkam.
„Das ist nicht gesagt. Ich bin einer schon seit Jahren. Wenn Sie uns in die Quere kommen spucken Sie nicht mehr so große Töne“, erkannte er und ihr Lächeln versiegte.
„Ich will nichts gesagt haben“, belächelte sie die Situation nervös.
„Das ist auch besser so“, schnaubte er und zeigte seine Waffe an der Sicherheitsschranke vor.
„Warum haben Sie das gemacht?“, wunderte sich Callie.
„Ich hab mit Ihrem Sicherheitsmann die Sache geklärt. Er kommt mir jetzt eher entgegen. Wollen Sie sich jetzt einen Kaffee holen, bevor Sie gleich wieder weg sind?“, bemerkte er sarkastisch und Augen rollend ging sie zum Kaffeeautomaten.
 
Die Uhr in ihrem Büro zeigte schon fast Mitternacht und nur die Lampe des Schreibtisches spendete ihr noch Licht. Die Ziffern tanzten schon, aber sie konnte nicht nach Hause. Nicht nach Hause zu dem Mann der nur log. Vielleicht war er gar nicht zu Hause. Warum tat er das? Warum setzte er ihren Ruf damit aufs Spiel. Wenn das raus käme, bekam sie keine Schützlinge mehr. Sie hätten viel zu viel Angst. So viel Angst wie sie gerade hatte. Sie hatte die Waffe aus dem Tresor genommen und sie lag jetzt griffbereit in ihrer Schublade.
Condan war eingeschlafen. Was für ein lausiger Bewacher.
Als sie Schritte hörte zog sie die Waffe und legte sie neben sich auf den Tisch.
„Wow, ganz sachte ich will keine Kugel abkriegen. Seit wann bist du so schreckhaft?“, begrüßte sie Austin aus dem Dunkeln heraus und sie legte die Waffe weg.
„Austin, was machst du so spät noch hier? Ich dachte du schläfst längst deinen Rausch aus“, bemerkte sie und er sah Condan an.
„Wer ist er?“ fragte Austin und sie lächelte.
„Mein Wachmann. Mein Mann dachte ich bräuchte ihn, aber er ist nicht sehr wachsam so wie er da liegt und schläft. Also was führt dich her?“
„Ich war auf dem Heimweg aus der Bar, du wolltest doch noch vorbeischauen. Da ist man mal zwei Wochen nicht da und die Buchhaltung ist eine einzige Katastrophe. Warum denkt dein Mann du brauchst einen Wachmann? Kriegst du auch Drohanrufe?“, war er verwundert.
„Nein, warte mal, was heißt auch? Kriegst du sie?“
„Ja, seit ein paar Wochen ruft ständig so ein Kerl an, der droht mir oder Chuckie was anzutun, wenn ich nicht aufpasse. Ich halt ihn für einen Spinner!“, erklärte er in aller Ruhe.
„Mein Gott, das tut mir leid. Ich meine für dich. Hey, wie geht’s Chuckie?“, druckste sie herum.
„Okay, ich kenn dich langsam gut genug um zu wissen, dass hier etwas nicht stimmt. Was ist los, hast du einen psychotischen Stalker der nicht los lassen will, oder was?“, wurde er laut und Condan bewegte sich grummelnd.
„Sei leise, sonst legt dich Condan noch auf die Matte. Nein, ich kann es dir nicht sagen, das ist zu blöd“, erwiderte sie und führte ihn mit Handzeichen raus, dass sie Condan nicht weckten.
„Ich dachte wir sind Freunde, du kannst mir alles sagen“, entgegnete er.
„Nein, gerade weil wir Freunde sind, werd ich es dir nicht sagen. Jetzt geh’ heim, du solltest bei Chuckie sein“, redete sie mit ernster Stimme auf ihn ein.
„Was ist los, jetzt rede endlich“, packte er sie an den Armen.
„Condan“, rief sie und schneller als Austin reagieren konnte, lag er schon mit dem Kinn zuerst auf dem Boden.
„Alles in Ordnung?“, keuchte Condan und drückte sein Knie auf sein Genick.
„Alles bestens, danke. Bringen Sie ihn raus“, bat sie, während sie ihre Oberarme abwechselnd rieb.
„Nichts lieber als das. Kommen Sie“, zog er ihn weg.
„Callie was ist los? Sag es endlich“, rief Austin und sie hörte ihn noch draußen schreien. Als er nicht mehr zu hören war atmetet sie tief durch.
„Lassen Sie ihn nicht mehr in meine Nähe verstanden“, befahl Callie, sie wusste auch nicht warum.
„Natürlich, Misses Emery, das kommt nicht wieder vor. Ich sollte Sie nach Hause bringen“, schlug er vor und sie nickte leicht unter Schock. Aber das war doch gut, oder? Wenn er nicht mehr in ihrer Nähe war, war er nicht in Gefahr. Sie musste Chuckies Fall abgeben. Als sie Heim fuhren, stand Austin immer noch da auf dem Parkplatz. Die Verwirrung war ihm ins Gesicht geschrieben.
Erst als sie die Haustür aufmachte, merkte sie wie müde sie eigentlich war.
Melvin war zu Hause. Er schlief. Sie war ganz froh darüber. Sie konnte jetzt nicht mit ihm reden. Sie wusste gar nicht ob sie es am nächsten Tag konnte.
Sie weinte sich in den Schlaf.
 
Sie verschlief ihren Wecker am nächsten Morgen. Es war fast Mittag, als sie aufwachte. Sie fühlte sich wie erschlagen. Sie meldete sich krank. Melvin war natürlich wieder bei der Arbeit. Oder auch nicht. Zumindest war er weg. Sie duschte sehr lange. Sie wollte irgendwie das alles wegwaschen. Ihre Haut brannte, als sie aus der Dusche kam.
„Misses Emery kommen Sie heut noch da raus?“, rief Condan von draußen.
„Guten Morgen, Condan“, rief sie gereizt zurück.
„Morgen? Misses Emery, es ist Mittag!“
„Danke für die Information Condan. Ich komm gleich“, zischte sie und sie hörte wie er sich entfernte.
„Klasse, warum konnte er nicht einfach einen Wachhund kaufen“, murmelte sie vor sich hin, während sie sich anzog.
Condan trug an diesem Tag einen blau-grauen Anzug. Adrett wie immer und wachsam.
„Sie werden Ihrem Mann doch nicht erzählen dass ich gestern eingenickt bin, oder?“ fragte er vorsichtig, als sie sich an den Küchentisch setzte.
„Nein, warum sollte ich? Ist nur menschlich. Ich arbeite oft lange, gewöhnen Sie sich besser dran. Toast?“ steckte sie Toastbrot in den Toaster.
„Nein, danke. Vielen Dank, Madam!“
„Gern geschehen. Sie können sich den Tag heut frei nehmen, ich werd nicht arbeiten“, war es ihr unangenehm ihn bei sich zu haben.
„Von wegen, Ihr Mann hat gesagt ich soll Ihnen 24 Stunden am Tag zur Seite stehen. Und das tu ich. Ich geh’ mal meditieren auf der Terrasse“, erwiderte er und ging dorthin.
„Hoffentlich meditierst du dich ganz weit weg. Oh ich werd dich umbringen, Melvin“, murmelte sie und bestrich ihren Toast mit Erdnussbutter.
Es musste so gegen 4 Uhr gewesen sein, als es klingelte. Condan saß immer noch auf der Terrasse und las die New York Times. Sie zögerte erst, doch dann ging sie an die Tür. Es war Austin.
 
„Du solltest nicht hier sein“, flüsterte sie und ging mit ihm nach draußen.
„Und du solltest wie Heidi Klum aussehen und Victoria Secret tragen. Wir kriegen nicht alle was wir wollen“, scherzte er und sie lächelte.
„Wirklich, du solltest nicht hier sein. Es ist gefährlich“, bat sie und schloss die Tür.
„Da kannst du Recht haben. Dein Bodyguard hat mir fast den Arm ausgekugelt, und wie ich erfahren hab auch Chuckie. Übrigens wenn er meinen Neffen noch einmal anfasst, kriegt er verdammt Ärger. Was wollt ich jetzt sagen? Ach ja, du sagst mir endlich was los ist, oder unsere Freundschaft ist damit beendet“, wurde er plötzlich sehr ernst.
„Gut, wenn du mir nicht einfach vertrauen kannst, ist es das wohl“, konterte sie trocken und verschränkte ihre Arme vor der Brust.
„Weißt du was, ich hasse Geheimnisse. Die fressen einen von innen auf. Ich wette du hast mit 30 ein riesiges Magengeschwür. Hab ein schönes Leben“, erwiderte er darauf und ging die Straße weiter entlang.
„War was?“, kam Condan zu ihr.
„Nein, gar nichts. Wie steht’s um die Börse?“, fragte sie und ging mit ihm wieder hinein.

Siebtes Kapitel


Es war alles so bescheuert. Melvin war wie immer viel zu beschäftigt, Austin, der einzige der sich gerade um sie zu kümmern schien, musste sie durch die Gefahr die ihr drohte verscheuchen und Chuckie dem sie diesen tollen Job verschafft hatte, konnte sie nicht mehr zusehen wie gut er sich machte. Oder doch?
 
3 Monate nachdem sie seinen Fall abgegeben hatte besuchte sie Buds Taverne. Erstens weil sie sich endlich eine andere Stammkneipe suchen musste, zweitens weil es sie schon irgendwie brennend interessierte was Chuckie machte und drittens war an diesem Tag Chuckies 18. Geburtstag und sie wollte ihn mit einer Torte überraschen.
Also ging sie, leider mit Condan in Begleitung den sie langsam akzeptierte, in Buds Taverne mit einer leckeren Schokoladentorte.
 
„Okay, ab hier kann ich allein gehen“, nahm sie ihm im Zwischeneingang die Torte ab.
„Misses Emery“, ermahnte er sie.
„Ich will einem Freund nur kurz gratulieren. Wenn was ist, schrei ich“, bat sie und er fingerte in ihrem hinteren Hosenbund herum.
„Hey, was soll das denn werden?“, nörgelte sie.
„Stecken Sie meine Waffe ein, nur zur Sicherheit. Jetzt gehen Sie, bevor ich es mir anders überlege“, gab er nach und sie ging in die Bar.
Schon von weitem sah sie Chuckie. Er sah gut aus, in seinem weißen Hemd und der Schürze. Seine Haare hatte er mit einem Haargummi zusammengebunden. Er bemerkte sie und lächelte. Sein Lächeln erinnerte sie schmerzhaft an Austin.
„Hey, erwachsen siehst du aus. Happy Birthday“, begrüßte sie ihn herzlich und stellte den Kuchen ab.
„Callie, was für ne Überraschung. Was machen Sie hier?“, war er erfreut und legte sein Geschirrtuch ab um ihr die Hand zu geben.
„Spionieren und dir zum Geburtstag gratulieren natürlich. Du kannst mich ruhig duzen jetzt wo ich dich nicht mehr betreue. Schokoladentorte für den tüchtigen Geschäftsmann. Läuft es gut?“
„Ja, sieht man doch. Ich bin pünktlich, fleißig und frag nach keiner Gehaltserhöhung. Hast du endlich deinen Man in Black abgeschafft?“, sah er sich um.
„Sitzt draußen, leider. Wollt mich noch entschuldigen wegen der Sache in meinem Büro letztens. Er übertreibt es manchmal. Nein, eigentlich übertreibt er es immer. Also dann geh’ ich mal wieder. Schönen Geburtstag noch“, machte sie sich auf den Weg nach draußen.
„Willst du mir nicht endlich sagen was los ist?“, entgegnete er, als sie zwei Schritte gegangen war.
„Ich werd es Austin nicht sagen und dir auch nicht. Lass es dir schmecken“, ging sie weiter.
„Hat es was damit zu tun, dass Austin jetzt eine Waffe hat?“, rief er ihr entgegen und es wurde still in der Bar.
„Wir sollten irgendwo hin gehen, wo es ruhiger ist“, erwiderte sie und zeigte auf den Nebenraum.
„Anse übernimmst du bitte mal“, bemerkte Chuckie zu seinem Kollegen und folgte ihr in den Nebenraum.
„Er hat eine Waffe? Hat er gesagt, wofür er die braucht?“, zog sie ihn in die Abstellkammer.
„Ich würd nicht fragen, wenn ich es wüsste. Er ist schon seit Tagen so schräg drauf. Er labert die Kunden mit irgendeinem Mist an, ich glaub er steht auf dich“, erklärte er und sie setzte sich auf einen Weinkarton.
„Ja, ich weiß das war ein dummer Fehler mit ihm zu schlafen. Man, ich hätte wirklich gern jemanden mit dem ich darüber reden könnte“, zog sie die Waffe aus dem Hosenbund.
„Callie, was willst du damit?“, schreckte er zurück.
„Tschuldige, ist nur zu meiner Sicherheit. Keine Sorge. Kann ich dir vertrauen?“
„Klar, schieß los!“
„Nein, ich kann nicht, du hast dein Leben noch vor dir“, erwiderte sie kritisch.
„Jetzt sag schon!“
„Okay, auf deine Verantwortung. Mein Mann ist da in nicht so legale Geschäfte verwickelt und macht sich jeden Tag neue Feinde“, gestand sie.
„Warum erzählst du mir das?“, fragte er aufgebracht.
„Du hast doch gesagt ich soll’s dir sagen!“
„Aber nicht so was. Verdammt, jetzt bin ich auch gefährdet, nicht wahr?“, entgegnete er unsicher und sie gab ihm die Waffe.
„Danke Mann, das war jetzt echt eine Erleichterung. Pass auf dich auf und behalt das für dich“, atmete sie auf und ging Richtung Tür.
„Was soll ich mit dem Ding?“, wurde er immer nervöser.
„Grüß deinen Onkel von mir“, bemerkte sie noch bevor sie aus der Bar verschwand.
„Schon wieder da? Hey, wo ist meine Waffe?“, war Condan überrascht und sah sie an.
„Ach, Sie wollten die wieder haben?“ fragte sie ungläubig.
„Sehr witzig. Wo ist Sie?“ murrte er.
„Bei meinem Bekannten. Viel Spaß dabei sie ihm wieder abzunehmen“, belächelte sie die Situation und ging aus der Tür.
„Das ging einfacher als gedacht“, murmelte sie vor sich hin und stieg in ihren Wagen. Sie hatte ein neues Auto bekommen, sie fragte nicht nach, das würde ihr nur Kopfschmerzen bereiten.
 
Austin hatte irgendeinen Mist vor, das spürte sie ganz deutlich. Sie ging zu Austin um nachzusehen.
Und sie schien Recht zu behalten. Die Strand-Bar war zu und sie hörte Geräusche in der Abstellkammer.
In dem Moment verfluchte sie es, die Waffe nicht mitgenommen zu haben. Trotzdem ging sie rein.
„Loslassen, sofort“, brüllte sie und machte das Licht in der engen Kammer an.
Aber er war nicht in Gefahr. Vor lauter Schreck ließ er seine Partnerin auf das Weinregal plumpen und zog schnell seine Hose hoch.
„Was zum …?“, fluchte er und griff nach seiner Waffe.
„Austin, ich wusste es doch. Du Schweinehund vergnügst dich mit den Strandmädchen während ich mit Austin jr. allein zu Hause hocke. Schäm dich“, fiel ihr nichts besseres ein.
„Austy, wer ist das?“ fragte das dumme Blondchen, das gerade seine Kleider richtete.
„Seine Frau, wer den sonst. Jetzt zisch, du hast ausgedient“, verscheuchte sie die gefärbte Blondine und die huschte wie ein Häschen davon.
„Du weißt es also“, wendete sie sich wieder an ihn.
„Ja, du hast vollkommen den Verstand verloren, das weiß ich. Was sollte das jetzt?“, tobte er.
„Nein, das mein ich nicht. Ich mein das mit meinem Mann und der Geldwäscherei“, erklärte sie.
„Ja, aber nicht von dir. Nur durch Zufall. Ich wollt wissen was du so gefährliches vor mir zu verbergen hast und bin ihm zur Arbeit gefolgt. Und dann hier an den Strand wo er nett gewaschene Scheinchen dem Nikolaus überreicht hat. Sie haben mich zum Glück nicht gesehen, aber nach den Drohbriefen von letzter Woche wollte ich mich und meinen Neffen schützen. Das verstehst du doch, oder? Das nächste Mal rufst du vorher an okay. Oh verdammt jetzt hab ich vergessen wie die Tussi hieß. So ein Mist“, schaltete er das Licht in der Bar an.
„Kleiner Tipp mit einem y oder i am Ende liegst du nie falsch. Zurück zu deiner Waffe, weißt du eigentlich wie man so was benutzt?“
„Sonst hätt ich mir wohl kaum eine gekauft, oder? Was trinken?“
„Nein, ich trink nicht mehr seit dem Unfall, danke. Du bist in großer Gefahr, glaub ich. Ihr beide solltet wegfahren, irgendwohin wo es sicher ist. Die Bermudas sollen jetzt toll sein“, schlug sie vor.
„Du spinnst wohl, ich hab hier ein Geschäft zu führen und Chuckie hat endlich einen gescheiten Job. Ich pass schon genug auf uns auf. aber danke für deine Sorge um mich. Ist noch was?“, kippte er einen Brandy.
„Nein, das wäre alles. Ich hab dir wehgetan, nicht?“, wurde sie plötzlich mitfühlend.
„Ja, das hast du. Ich dachte wir wären Freunde. Gute Freunde“, wurde seine Stimme auch sanfter.
„Das sind wir. Deshalb wollte ich dich außerhalb der Gefahr wissen. Und Chuckie natürlich. Mir liegt viel an dem Jungen. So wie an dir“, wurde sie fast liebevoll.
„Sie flirten doch nicht etwa, Misses Emery“, kam er an sie heran.
„Sieht es so aus?“, kam er auch näher.
Ihre Lippen berührten sich fast, als eine Hand von hinten auf ihre Schulter klopfte.
„Sehr clever, Callie, wirklich clever. Ihr kleiner Freund schläft jetzt ne Weile. Ich bin verwirrt, sollte ich diese Visage nicht noch vor Monaten von Ihnen fernhalten?“, mischte sich Condan ein, der sich angeschlichen hatte.
„Sie fragen zu viel, Con’. Viel zu viel. Gehen wir heim“, riss sich Callie los und ging die Stufen zur Bar rückwärts herunter.
„Das war keine Antwort“, war Condan nicht befriedigt.
„Das war auch keine Frage. Ab jetzt sind die Crawfords Sperrgebiet für Sie. Hopp“, missbrauchte sie ihre Autorität in vollen Zügen.
„Ich höre nicht auf Befehle von Ihnen!“
„Sie schnarchen wenn Sie schlafen“, erpresste sie ihn weiter.
„Sie können das nicht mehr lange tun, und das wissen Sie“, tönte Condan.
„Aber solang es noch geht, genieß ich es in vollen Zügen. Nacht, Süßer. Kommen Sie jetzt, oder sind Sie da festgewachsen“, gab sie Austin demonstrativ einen Kuss auf die Backe und zog dann Condan weg.
Melvin war zu Hause. Sie konnte sich nicht darüber freuen, Ihr Mann war ihr verdammt fremd geworden. Sie kannte ihn jetzt zwei Jahre, dachte sie würde jede Faser seines Körpers kennen. Aber der Mann der schwer über ihr atmete war ein völlig Fremder. Er lächelte sie an. Sie fröstelte. Aber sie lächelte zurück. Das strengte sie fast mehr an, als ihren Orgasmus vorzutäuschen.
Er ließ ab und sie war erleichtert.
„Hey, wie war dein Tag?“, zog er sie an sich.
„Stressig, aber ich hatte einen Schützling der 18 Jahre alt wurde, ich hab ihm einen Kuchen gebracht“, erzählte sie und er strich ihr die Haare aus dem Gesicht.
„Du bist so lieb und nett. Wofür hab ich dich verdient“, bemerkte er liebevoll und sie lächelte.
„Das frag ich mich manchmal auch“, nuschelte sie vor sich hin.
„Was?“
„Lass uns schlafen“, erkannte sie und schloss die Augen.
 
Am nächsten Morgen vor der Arbeit kam sie wieder an der Strand-Bar vorbei. Austin lächelte sie schon von weitem an.
„Warum kommst du ständig hier her, wenn du nicht mehr trinkst?“, bemerkte er und sie klemmte sich auf einen Stuhl.
„Mir gefällt die Atmosphäre hier. So schön ruhig. Ich hab meinen Wachhund im Wagen gelassen. Ich hab ihn langsam gut unter Kontrolle, denk ich. Wie geht’s Chuckie?“, war sie besorgt um ihren Schützling.
„Da bist du ja endlich. Komm rein“, stürmte plötzlich Chuckie heraus und zog sie in den Hinterraum.
„Was auch immer du vorhast, mein Mann wär nicht begeistert darüber“, riss sie Witze über die seltsame Situation.
„Hast du dein Puder dabei, einen Abdeckstift, irgendwas?“, schien er es eilig zu haben.
Jetzt erst bemerkte sie sein Veilchen.
„Oh man, es tut mir leid Condan hat dir schon ein ziemliches Ding verpasst. Hast du ein kaltes Steak drauf getan?“
„Nein, natürlich nicht. Komm schon du musst doch irgendwas dabei haben, als Frau eines Gangsters“, schnitt er das sensible Thema an.
Sie stockte.
„Sorry, wollt ich nicht sagen!“
„Schon gut. Komm her, setz dich. Ich hab zwar keinen prügelnden Ehemann, aber ich hatte mal einen Footballspieler als Freund der gern wehrlose Frauen schlug. Ein bisschen Rouge hier, ein bisschen Puder da und voila du siehst aus wie…“, schminkte sie ihn.
„Ivana Trump?“, sah er sich im Spiegel an.
„Du hast Recht, ist ne Weile her bei mir. Ich mach was runter. Okay, jetzt geht’s. Wann musst du bei der Arbeit sein?“
„In einer halben Stunde. Austin wollt mich fahren, aber wenn du grad schon da bist“, schmunzelte er.
„Sicher, ich nehme dich mit. Aber Vorsicht Condan ist auch da. Keine Sorge er bellt diesmal nur. Ich hab einen Deal gemacht. Keine Sorge, komm“, war sie sichtlich amüsiert und sie gingen wieder nach draußen.
„Na, Kaffeekränzchen fertig?“ frotzelte Austin.
„Ich nehme ihn mit zur Arbeit, das liegt zwar nicht ganz auf meinem Weg, aber dann musst du nicht fahren“, erklärte Callie und er ließ ein leises „Danke“ verlauten.
Als sie fast an der Taverne waren, wurde Chuckie unruhig.
„Charles, alles klar?“, sprach sie ihn mit seinem wirklichen Namen an um die Ernsthaftigkeit in ihrer Stimme zu betonen.
„Kann Bello mal weghören?“, flüsterte er.
„Er hat nie zugehört, keine Sorge!“
„Okay, ich hab Muffensausen. Jetzt wo ich alles weiß und so. Bin ich in Gefahr?“
„Nein, natürlich nicht“, log sie sehr schlecht.
„Oh Gott, so übel. Ich will noch nicht sterben“, war er deutlich aufgekratzt.
„Du wirst nicht sterben. Das lass ich nicht zu …“
Sie bremste auf dem Parkplatz.
„… verstehst du mich, ich lasse das nicht zu“, packte sie ihn am Nacken und zog ihn an ihr Gesicht.
„Kann Condan nicht bei mir bleiben?“, schlug er vor und Callie drehte sich nach hinten.
„Vergessen Sie’s, ich spiel nicht Babysitter“, konterte Condan cool.
„Ich hab ne Waffe, und wenn ich in wirklicher Gefahr wäre, ruf ich die Polizei, okay?“, bat Callie.
„Ich wechsle keine Windeln, dass das klar ist“, stimmte er zu.
„Danke, das bleibt unter uns drei. Sie setzen sich einfach irgendwo in die Ecke und wenn sie denken er sei in Gefahr greifen Sie ein. Vielen Dank, Condan“, bedankte sie sich und die beiden Männer stiegen aus.
„Einen schönen Tag“, rief sie aus dem Autofenster, während sie wegfuhr.
 
Es war komisch. Obwohl er nervig war, vermisste sie Condan irgendwie. Seit sie es wusste, konnte sie sich nicht mehr richtig auf die Arbeit konzentrieren.
„… und dann hat er gesagt ich wäre zu langsam. Da hab ich gekündigt, ganz schnell“, erzählte ein Schützling und sie war gerade mit den Gedanken ganz wo anders.
Die junge Frau war klein, schmächtig und hatte ganz eindeutig asiatische Vorfahren.
„Misses Emery?“, fragte sie Callie und sie schreckte auf.
„Entschuldige, May, ich hab grad was überlegt. Okay, das hat wohl nicht so hingehauen. Kein Problem, da wird sich eine Lösung finden. Das war schon ein guter Schritt in die richtige Richtung May. Du hast deinen Mann verlassen, weil er dich unterdrückt hat, das war klasse, du hast deinen Boss verlassen weil er dich unterdrückt hat, das war auch großartig. Ich kann es kaum glauben dass du noch vor ein paar Monaten eine stille kleine Maus warst. Jetzt beginnt der Rest deines Lebens“, hielt sie eine große Rede.
„Wo von reden Sie da bitte, ich hatte keinen Mann, mein Chef war einfach nur ein Wichser und mein Leben ist schon lang hier. Geht es Ihnen gut?“
„Ich bin so ein Trottel, entschuldige. Ich hab grad ein paar Probleme im privaten Bereich. Also ich bin wieder voll da. Also was machen wir jetzt“, entschuldigte sie sich und lächelte. May lächelte konsterniert zurück.

Achtes Kapitel


Callies Lampe am Schreibtisch flackerte. Dann ging sie aus.
Sie fluchte leise und tastete sich am Schreibtisch entlang Richtung Tür. Sie suchte den Lichtschalter für die Deckenleuchten als sie etwas Weiches zu Fassen bekam. Vor lauter Schreck schrie sie auf.
„Jesses, Schatz, du hast vielleicht ein Organ. Warum arbeitest du im Dunkeln?“, sagte eine bekannte Stimme und machte den Lichtschalter an der Tür an. Es war Melvin.
„Schatz, du hier? Wie toll. Du machst ja auch keine Geräusche. Willst du dich nicht setzen?“, war sie ungewohnt nervös und bat ihm einen Stuhl an.
„Alles klar?“, sah er sie besorgt an.
„Ja, alles klar, du hast mich nur erschreckt. Willst du nen Kaffee?“
„Nein, danke. Wo ist Condan?“, sah er sich um.
„Ich hab ihn sozusagen verliehen. Jemand brauchte ihn eher. Also was führt dich hier her?“, nahm sie auf ihrem Stuhl Platz.
„Ich wollt dich nur sehen darf ich doch, oder? Was heißt verliehen, er ist nicht dein Freund für einen Tag, er soll dich beschützen. Du hast es schon immer geschafft die Männer zu bezircen dass sie tun was du willst. Ich hab gehört du triffst dich noch weiter mit deinem „Vergewaltiger“ Austin Crawford. Wofür bezahl ich dir dann eigentlich einen Bodyguard?“, bemerkte er mit einem seltsamen Unterton.
„Was fragst du mich das. Du weißt es doch. Was in unserem Haus ist nicht mit schmutzigem Geld bezahlt?“, sprach sie es endlich an. Es fühlte sich gut an.
„Oh man, ich werde Con’ umbringen“, murmelte er etwas verlegen.
„Was?“
„Natürlich nicht wirklich. Aber ich werd ihn wohl feuern müssen. Da du ihn nicht mehr brauchst. Dann geh’ ich wohl mal wieder“, stand er wieder auf.
„Du hast meine Frage nicht beantwortet!“
„Will ich auch nicht. Misch dich da am Besten nicht ein. Das ist nichts für eine Frau. Ich seh’ dich zu Hause“, lehnte er sich vor, küsste sie auf die Stirn und ging wieder.
„Ja, bis später“, murmelte sie und drehte die kaputte Birne heraus um sie weg zu schmeißen.
 
Sie blieb noch etwas dann fuhr sie eine Weile in der Gegend herum. Irgendwie landete sie wieder mal in der Strand-Bar.
„Also wenn ich dein Mann wäre, wäre ich verdammt eifersüchtig“, begrüßte Austin sie.
„Ich bin endlich frei, mein Mann hat eingesehen das Condan nicht nötig ist“, bemerkte sie.
„Na, Gott sei Dank, der hat mir Angst gemacht. Also was willst du?“
„Nur eine Cola, bitte. Er weiß jetzt, dass ich es weiß“, gestand sie.
„Das ist keine gute Nachricht oder?“, fragte er nervös.
„Schon, aber ist es nicht toll, dass es endlich raus ist?“, strahlte sie.
„Die werden uns umbringen das ist dir doch klar oder?“
„Ach quatsch, wir sind keine Gefahr!“
„Wach auf, er wird denken, dass du zur Polizei gehst. Das wird er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren können. Er wird mich töten, dann Chuckie und dann lässt er dich von Condan töten. So einfach ist das“, erklärte er trocken.
„Hast du heut Morgen Nadeln gefrühstückt? Er wird nichts dergleichen tun“, entgegnete sie und setzte sich.
„Wenn du meinst, aber ich werde mit Knarre unterm Kopfkissen schlafen. Ich werde Chuckie jetzt von der Arbeit abholen, du bleibst erst mal hier und versteckst dich“, schlug er vor.
„Keine Sorge Condan ist bei ihm“, sagte sie so nebenbei.
„Condan? Dein Bodyguard? Mein Gott er wird ihn umbringen“, bekam Austin einen Schreck und rannte zum Auto.
„Nein, er wird ihn beschützen, ganz sicher!“
„Er hat ihm nicht mal vor 24 Stunden ein Veilchen verpasst, red nicht so einen Mist. Komm mit, er steht auf dich, du kannst ihn vielleicht noch umstimmen“, zog er sie ins Auto und düste los.
„Warum hast du ihn mit ihm allein gelassen“, machte er ihr bittere Vorwürfe.
„Das hab ich nicht. Er hat mich darum gebeten. Kannst du bitte etwas langsamer fahren, ich bin seit meinem Unfall etwas sensibel was das Rasen angeht. Er ist kein Killer verdammt, auch wenn er mal Auftragskiller war, was jetzt gar nichts zur Sache tut“, druckste sie herum und er fuhr immer schneller. Dann bremste er plötzlich und fuhr in eine Seitengasse.
„Diese Straße ist nicht gerade breit, Austin, wo willst du hin?“
„Das ist der Weg zum Lieferanteneingang in Buds Taverne. Was denn? Ich hab da gearbeitet, bevor ich meine eigene Bar hatte, und du wirst ihm das nicht erzählen sonst gibt es mächtig Ärger“, erklärte er und bremste vor einer schäbigen Tür mit Hängeschloss.
„Es ist zu, lass uns vorn rein gehen“, riet sie.
„Es ist fast Mitternacht, ich hab damit gerechnet dass es zu ist. Die sollten echt das Schloss mal auswechseln ich arbeite seit 10 Jahren nicht mehr hier und hab immer noch den Schlüssel. Aber so ist Bud sparsam wo es nur geht. Fertig?“, hatte er das Schloss aufgemacht und riss es ab.
„Glaub schon“, sagte sie etwas verwirrt und er zog die Tür auf.
Sie waren keine zwei Schritte rein gegangen als ihnen ein Typ Mitte 50 mit einem gemütlichen Bierbauch entgegenkam.
„Austin Crawford ich wusste es doch, dann bist du der Mistkerl der mir immer das Bier klaut?“, tönte der Mann mit polternder Stimme.
„Nein Bud, ich bin grundehrlich, das weißt du. Ich such meinen Neffen ist der noch hier?“ fragte er fast flüsternd.
„Sicher, er ist im Hinterzimmer und schläft. Der Arme hat’s nicht mehr nach Hause geschafft, war ein harter Tag. Aber er macht sich echt gut. Hey, Misses Emery was machen Sie hier, gibt es ein Problem? Ich hab ihn nur bis 11 Uhr schaffen lassen, ich verspreche es“, wurde Bud nervös als er Callie sah.
„Das glaub ich Ihnen, Bud. Er ist jetzt auch 18 und da gilt die Regelung eh’ nicht mehr. Nein, wir wollen ihn nur abholen, er hatte uns angerufen“, log sie was ihr Eindringen betraf.
„Seit ihr beide zusammen? Sind Sie nicht verheiratet?“, wurde Bud stutzig.
„Und haben Sie nicht gesagt, Sie wären nicht neugierig? Können Sie uns einfach zu Chuck bringen, bitte?“, fühlte sie sich angegriffen.
„Sicher, kommen Sie mit“, erwiderte er und brachte sie in einen Hinterraum den sie am Tag davor vom Lagerraum aus schon gesehen hatte. Am Ende dieses Ganges blubberte ein großes Aquarium.
„Warten Sie kurz hier“, bat Bud und ging in einen Raum.
Als er wieder herauskam, hatte er Condan im Schlepptau. Zum ersten Mal seit Callie ihn kannte sah er nicht aus wie aus dem Ei gepellt.
„Was haben Sie mit meinem Neffen gemacht?“ schrie Austin außer sich vor Wut.
„Der schläft bei den Fischen“, flüsterte Condan ihm zu und Austin platzte der Kragen und ging auf ihn los.
„Sie Schweinehund“, brüllte er und prügelte auf ihn ein.
„Austin, lass ihn in Gottes Willen in Ruhe, er meint dass er da hinten im Eck beim Aquarium geschlafen hat, jetzt wohl nicht mehr wenn du so rumbrüllst“, zog Bud ihn von Condan runter.
„Er ist nicht tot?“
„Natürlich nicht, warum sollte er das?“
„Ja, warum sollte er das? Frag diesen sizilianischen Gangster hier“, schnaubte Austin und stand auf.
„Ich hab keinen blassen Schimmer“, wischte sich Condan die Lippe ab.
„Wenn du dich wieder beruhigt hast kannst du ja nachkommen“, grummelte Callie und ging Richtung Aquarium. Da lag Chuckie und er schlief friedlich auf seinem Arm. Er sah so niedlich aus. Sie zog seine Decke wieder hoch und ging zurück.
„Er schläft noch, noch mal Glück gehabt. Können wir jetzt ins Zimmer gehen und reden“, forderte Callie und zog ihn in den Nebenraum wo sich Condan gerade aufrappelte.
„Okay, raus mit der Sprache, Callie was läuft hier?“, war Condan neugierig.
„Was ist denn aus Misses Emery geworden?“
„Wir haben keine Zeit für Förmlichkeiten. Also ich hab grad ne SMS gekriegt, dass Mr. Emery so einiges weiß“, wirkte er plötzlich völlig cool und sie nickte.
„Gut, dann bin ich ein toter Mann, ich hab das vorausgesehen“, erklärte er weiter.
„Wirklich?“
„Nein, klingt nur gut oder?“
„Können wir bitte ernst bleiben“, bat Austin.
„Ja, natürlich Mr. Crawford, Sir!“
„Komm jetzt, ich find das grad auch unpassend. Also du kommst von der Quelle jetzt erzähl mal was“, entschied Callie und Condan holte Tief Luft.
„Okay, ich bin kein ausgebildeter Bodyguard was dir schon aufgefallen sein könnte. Ich bin ein Auftragskiller, hab ich dir ja schon gesagt, für einen gewissen Emanuel Vanchez aus Kuba. Ich hab ein paar Sachen verbockt und da Emanuels Geschäftspartner, dein werter Ehemann, noch ein paar Forderungen hatte, hat er mich für deine Bewachung für ne Weile sozusagen „ausgeliehen“. Eigentlich sollte ich nebenbei noch die Crawfords ausschalten, nichts für ungut, aber als ich gesehen hab, dass du so an ihnen hängst hab ich sie verschont. Aber es gab ein Gesetz. Einfach mitspielen und die Klappe halten. Das hab ich ja schon vor ner Weile gebrochen, ich hatte eigentlich schon länger damit gerechnet abgeknallt zu werden, aber irgendwie brauchten sie mich noch. Noch irgendwelche Fragen?“, erklärte Condan ausführlich.
„Wer sagt uns, dass Sie uns nicht mehr umbringen wollen?“, war Austin nicht davon überzeugt.
„Würde ich es euch dann erzählen?“
„Keine Ahnung!“
„Nein, würde ich nicht. Vor allem Callie nicht. Im Extremfall kann ich sie als Schutzschild benutzen, wenn Leonardo das selbst machen will“, versprach er.
„Wer zum Teufel ist Leonardo?“, war Callie verwirrt.
„Leonardo Emerson, dein Ehemann. Melvin Emery ist sein Deckname“, bemerkte Condan.
„Nett, dass auch mal zu erfahren. Wofür braucht ein Geldwäscher einen Decknamen, er ist ja kein CIA-Agent oder so?“, wunderte sie sich.
„Natürlich ist er nicht von der CIA. Aber auch in der Unterwelt muss er sich irgendwie tarnen, oder?“, reagierte er seltsam nervös.
„Na prima, mein Mann ist ein CIA-Agent mein Vater wäre furchtbar stolz auf ihn“, erwiderte sie erledigt.
„Okay, jetzt muss ich dich umbringen“, sagte er mit gespieltem Ernst.
„Du auch? Was macht ihr auf den Bahamas? Gibt es keinen wichtigen Fall in den Staaten?“, schien sie nicht begeistert davon zu sein.
„Ich werde keine weiteren Fragen mehr beantworten. Ich bin saumüde, ich werd ins Hotel fahren und ein paar Stündchen schlafen“, stand er auf.
„Wir sind also nicht in Gefahr?“
„Also ich nicht, ich steh’ noch unter der Fuchtel von Emanuel. Denkt er zumindest. Nur ob Leo noch lebt, weiß ich nicht“, machte er sich auf den Weg nach draußen.
„Das beruhigt mich überhaupt nicht. Gib mir dein Handy, ich werd ihn anrufen“, entgegnete sie und entriss ihm das Handy um zu Hause anzurufen.
„Code?“, murmelte Melvin schlaftrunken am andren Ende der Leitung.
„Was ist der Code?“, flüsterte sie Condan entgegen.
„Das sag ich dir nicht!“
„Con!“
„Meine Güte du könntest auch also Domina arbeiten. Es ist Dark Wolf, Menschenskind“, fluchte er über ihren herrischen Ton.
„Dark Wolf!“
„Richte Jeremiah aus, dass ich ihn umbringen werde“, murmelte Melvin ins Telefon.
„Condan, Jeremiah oder wie du heißt, da will dich jemand sprechen“, gab sie das Handy weiter.
„Nein, ich nenn dich nicht Sir, das ist mir egal ob du der Leiter der Operation bist, wir kennen uns jetzt 6 Jahre. Ja, ich werd deine Frau zu dir bringen. Was? Ja, werd ich ihm sagen. Bis gleich“, telefonierte Condan der eigentlich Jeremiah hieß und legte auf.
„Allen, der Boss hat gesagt, du sollst nicht ständig vergessen das Lager abzuschließen, die Abhörgeräte sind verdammt teuer“, richtete er Austin aus.
„Uh, ich hasse diesen Namen. Das ist der Vorteil wenn man schon Ewigkeiten hier ist, man muss nicht ständig Meldung geben. Allan Kane hatte ich schon fast vergessen. Du hast sicher ein paar Fragen das versteh’ ich gut“, gab auch Austin seine Tarnung auf und Callie ging angewidert ein paar Schritte den Gang weiter.
„Con, komm, ich will heim“, sagte sie tonlos und Condan folgte ihr nach draußen.
„Wenn der Boss erfährt dass du dich in seine Frau verknallt hast, gibt es wirklich Stunk“, konterte Bud mit einem Bierglas und einem Tuch in der Hand.
„Halt die Klappe, Russell du bist im Ruhestand das ist nicht deine Mission. Geh’ weiter Gläser trocknen“, knurrte Austin und ging zu seinem Wagen.
 
Es war komisch zurück ins Haus zu kommen. Es schien plötzlich alles so offiziell zu sein. Sie dachte daran, ob es Kameras im Haus gab. Wusste er schon lange, dass sie mit Austin geschlafen hatte? Waren die beiden in Wahrheit sogar Freunde?
 
„Du bist mir eine Erklärung schuldig“, kam Melvin die Treppe hinunter und Condan sah bedrückt zu Boden.
„Leo, es ist doch nicht schlimm wenn sie es weiß. Vielleicht ist es sogar besser. Es war dumm sie zu bewachen und sie wusste nicht wieso“, versuchte Condan zu erklären.
„Und wenn sie redet? wir sind schon verdammt weit drin um jetzt abzubrechen“, erkannte Melvin und ging die letzte Treppenstufe hinunter.
„Hallo, ich bin keine Fremde die du da beschreibst, wir kennen uns schon verdammte 2 Jahre. Man, das ist ja wie in True Lies. Du bist bieder von außen, aber eigentlich tötest du Verbrecher. Hast du eigentlich schon mal jemanden getötet?“, fragte Callie viel.
„Genau das meine ich. Also keine Details mehr an irgendwelche Zivilisten. Apropos Zivilisten, seit wann ist Allan wieder dabei? Ich dachte der wollte sich hier von allem distanzieren“, grummelte Melvin und schloss einen Schrank auf, in dem Waffen und andre Geräte waren.
„Er verstaut die Utensilien und spitzelt ein bisschen, aber offiziell ist er nicht mehr dabei. Das hatte ich doch letzten Monat ins Memo geschrieben. Hammon hat dich du nur zum Untersuchungsleiter gemacht, weil du eigentlich so viel weißt. Dabei bin ich der Ältere und das heißt ich hab die meiste Diensterfahrung. Was wird das?“, erkannte Condan und beäugte etwas irritiert wie Melvin im Schrank hantierte.
„Dank deiner Gesprächigkeit können wir jetzt umsatteln. Ich bring Callie hier weg, an einen sicheren Ort. Ich werde nicht noch eine Frau verlieren, nur weil das CIA es so will. „Also Baby, hör zu, pack ein paar Sachen zusammen, nichts Auffälliges. Ich bring dich zum Flughafen, du nimmst dann den nächst besten Flieger zurück in die Staaten. Dort holt dich jemand ab und bringt dich an einen sicheren Ort. Davon rufst du mich auf diesem Handy an“, plante Melvin und gab ihr ein Handy.
„Ich werde nichts dergleichen tun, ich hab mir grad ein Leben hier aufgebaut“, schnaubte sie.
„Ich weiß, neue Freunde, einen kleinen Lover, aber es geht um deine Sicherheit und die geht über alles. Geh’ schon“, bemerkte er etwas schroff und eingeschüchtert ging sie die Treppe hoch.
Sie packte irgendwas zusammen. Sie versuchte erst gar nicht darüber nachzudenken. Er wusste also von Allan oder Austin, oder wie auch immer er hieß, und ihr neues Leben würde ihr Altes werden. Sie war in ihrer Kindheit oft umgezogen, verbrachte sogar 8 Monate in Moskau und ging dort auf eine englische Highschool.
 
Als ihr Koffer fast nicht mehr zuging, schloss sie ihn und ging wieder nach unten.
„Braves Kind. Also komm“, befahl er und zog sie nach draußen. Inzwischen musste es fast ein Uhr morgens sein. Tausend Sachen gingen ihr durch den Kopf. Was wurde aus Chuckie? Konnte Caleigh schnell wieder Ersatz für sie finden? Was wurde aus Austin? Kanonenfutter? Wie zum Henker sollte sie mitten in der Nacht einen Flieger bekommen? Sie sah Melvin nicht an. Er war nie fremder als in diesem Augenblick. Er wirkte plötzlich so machtvoll und auf eine gewisse Art sexy.
 
Sie war so müde. Sie schlief auf seinem Schoß ein. Der Flug sollte um halb drei morgens gehen. Das kam viel zu schnell. Als der Flug aufgerufen wurde verkrampfte sich ihr Magen.
„Wo fliege ich hin?“, fragte sie verschlafen und er nahm ihren Koffer.
„D.C.“, sagte er kurz.
„Meine Eltern wohnen in D.C“, murmelte sie und er zog sie an sich.
„Ja, ich weiß. Ich will, dass du nichts sagst. Du hast Probleme mit mir und willst ein bisschen Zeit bei ihnen verbringen. Wiederhol es“, erklärte er.
„Ich hab Probleme mit ihm und brauch etwas Zeit für mich. Das klingt nicht ehrlich“, erkannte sie und er küsste sie.
„Für deine Eltern wird das reichen. Du weißt dass ich dich liebe, egal was kommt, oder?“, gestand er und sie nahm den Koffer.
„Ich weiß, mein Schatz. Pass auf dich auf, ja?“, verabschiedete sie sich und ging durchs Gate. 

Neuntes Kapitel


Im Flugzeug schlief sie tief und fest. Erst als sie wieder aufsetzten wachte sie auf.
„Na, Miss sind Sie geschäftlich hier?“, sprach sie ihr Nebensitzer an. Es war der Kerl, der schon auf dem Hinflug neben ihr saß.
„Nein, ich besuch meine Eltern. Warten Sie, ich kenn Sie doch“, musterte sie den Mann.
„Nein, nicht das ich wüsste“, erwiderte der Kerl.
„Wie auch immer. Ich hatte einen langen Tag ich will mich noch etwas ausruhen“, erwiderte sie und schloss noch mal die Augen.
 
Ihre Eltern warteten schon am Flughafen. Ihre Mutter nahm sie einfach nur in den Arm. Melvin wusste sie angerufen haben. Sie war dankbar. Sie fühlte sich als hätte sie schon seit Wochen nicht mehr richtig geschlafen.
„Du armes Ding, du siehst richtig ausgehungert aus. Ich hab mir schon gedacht, dass das mit ihm nicht lange geht. Ihr habt euch ja kaum gekannt. Jetzt bist du wieder zu Hause ich hab das sowieso nicht für eine gute Idee gehalten, dass du so weit weg bist. Ich hab dir das Gästezimmer hergerichtet es wird dir gefallen“, sprach ihre Mutter mit sanfter Stimme.
„Sicher, alles was du machst wird mir gefallen. Ich hab dich so vermisst“, umarmte sie ihre Mutter.
„Ich dich auch, Mum, ich dich auch. Ich bin ziemlich müde ich würde gern noch etwas schlafen“, bemerkte sie müde.
„Sicher, du weißt ja wo das Zimmer ist“, verstand ihre Mutter und sie ging ins Gästezimmer. Ihre Mutter hatte neue Vorhänge gekauft und eine neue Überdecke. Sonst war das Gästezimmer wie immer. Es war kühl, es war schließlich erst Anfang April. Auf den Bahamas war es immer warm, es war komisch wie schnell man sich an so etwas gewöhnen konnte.
Sie setzte sich aufs Bett und wählte die Nummer die Melvin ins Handy programmiert hatte.
„Ich bin jetzt da“, sagte sie kurz und trocken.
„Gut, haben es deine Eltern geschluckt?“
„Ja, meine Mutter verflucht dich sicher gerade. Du bist doch vorsichtig, oder?“, schien sie besorgt.
„Natürlich Schatz, jetzt kann ich mich auch besser auf die Aufgabe konzentrieren, jetzt wo ich weiß, dass du in Sicherheit bist. Es tut mir leid, dass ich dich damit rein gezogen habe. Ach ja, Condan lässt dich grüßen. Ihm ist ziemlich langweilig jetzt wo du nicht mehr da bist. Er ist vollkommen aufgelöst, ich glaub er ist kurz davor keine Krawatte anzuziehen“, witzelte er.
„Hey, du hast ja Humor, gefällt mir. Wirst du nachkommen, wenn das alles vorbei ist?“, fühlte sie sich einsam.
„Natürlich, ich muss ja nach D.C. um meinen Abschlussbericht abzugeben. Ich werde dich wieder anrufen, aber ich muss jetzt wieder zu Vanchez, er erwartet mich sicher schon“, hatte er es plötzlich eilig.
„Das gefällt mir nicht, warum musst du das machen?“, bekam sie Angst.
„Weil ich der Beste bin, glaub ich. Keine Sorge, ich hab Condan an meiner Seite, er ist der beste Beschützer den ich kenne. Ich muss jetzt los, ich liebe dich“, bemerkte er und legte auf.
„Oh verdammt, das geht sicher nicht gut“, murmelte sie und legte sich aufs Bett um etwas zu schlafen.
 
Sie hatte vier Jahre ihres Lebens in Washington D.C. verbracht, aber am nächsten Morgan als sie durch das frühlingshafte Washington ging, war alles so fremd. Sie kaufte ein paar warme Sachen, denn weil sie seit Jahren in einem warmen Klima lebte, hatte sie keine mehr. Als sie an einer irischen Bar vorbeikam, dachte sie an Chuckie und Austin. Sie vermisste ihre Freunde. Sie bereute es, dass sie sie nicht mehr gesehen hatte, bevor sie flog. Sie hätte Chuckie mitnehmen können und ihn vielleicht in irgendeiner Uni unterbringen können. Er war so ein kluger Kerl. Wenn sie nur wüsste, ob er in Sicherheit war. Als Einzelkind hatte sie sich immer einen kleinen Bruder gewünscht. Chuckie war so ein lieber Kerl. Mit Grauen dachte sie daran, dass ihm was passieren könnte. Es war schon später Mittag, als sie wieder zu Hause ankam. Sie wusste nicht wie lang sie dort bleiben musste, aber sie wollte nicht den ganzen Tag tatenlos rum sitzen. Sie fragte in der Highschool in ihrer Gegend an ob sie eine Beraterin bräuchten und sie wollten es mit ihr versuchen.
 
Der Sommer kam viel zu schnell. Als es richtig warm wurde vermisste sie ihr zu Hause umso mehr. Sie hätte gern mit Caleigh telefoniert um zu erfahren wie es ihren Schützlingen ging. Melvin hatte ihr eigentlich in der Hochzeitsnacht versprochen, dass sie nie mehr umziehen würden, weil ihre Vergangenheit schon ungemütlich genug gewesen war.
 
Eines Abends kam sie ziemlich geschafft von der Arbeit heim. Sie schloss auf und ging ins Wohnzimmer. Dort saßen ihre Eltern auf dem Sofa. Ihre Mutter hatte ihre Hände in den Schoß gelegt und sah sie traurig an.
„Was ist los?“, fragte sie und sah sich um. Da stand Condan, gut angezogen wie immer an die Tür gelehnt. Ihn schien irgendwas zu belasten.
„Nein, bitte nicht“, las sie aus seinem Gesicht, dass Melvin tot war.
„Vanchez hat irgendwas spitz gekriegt, wir haben seine Leiche gestern Morgen am Strand gefunden“, erklärte Condan stockend.
„Du warst doch für seine Sicherheit zuständig. Was ist passiert?“, schluchzte sie.
„Ich hab ihn irgendwie verloren. Aber er war erfolgreich, er hat fünf von Vanchezes Männern ausgelöscht. Das hat sie ziemlich geschwächt“, versuchte sie zu erklären.
„Klasse, das bringt mir meinen Mann aber nicht zurück, oder?“, wurde sie richtig wütend.
„Nein, tut es nicht. Ich weiß nicht was ich sagen soll, Callie“, erwiderte er stockend.
„Wann fliegen wir?“, riss sie sich zusammen.
„Du fliegst überhaupt nirgendwo hin, auf der Insel ist es nicht mehr sicher. Wir werden ihn auf der Insel begraben, das war sein letzter Wunsch. Du bleibst aber hier, das ist nicht sicher genug.
„Gott sei Dank bist du nicht mein Boss, also mach ich, was ich für richtig halte. Wann geht unser Flug?“, wurde sie herrisch.
„Morgen um sieben Uhr“, gab er nach.
„Gut, dann werden wir morgen um sieben Uhr nach Hause fliegen“, forderte sie und Condan ging wortlos nach draußen.
„Du hast den Mann gehört, das ist viel zu gefährlich für dich“, war ihr Vater besorgt.
„Mein Mann ist tot, ich will ihn in Ruhe begraben. Ich werde packen gehen“, erwiderte sie und ging in ihr Zimmer.
 
Der Temperaturunterschied bereitete ihr Kopfschmerzen. Sie hatte keine schwarzen Klamotten deshalb trug sie ein Marinefarbenes Kleid, dass ziemlich bieder war. Sie weinte nicht, sie musste stark aussehen. Vielleicht kam Vanchez auch zur Beerdigung. Konnte ja sein, dass er sich vergewissern wollte, dass er wirklich tot war.
„Okay, wir sind da“, riss er sie aus ihren Gedanken.
„Ist es ein offener Sarg?“, fragte sie leise als sie hineingingen.
„Nein, sie haben ihn ziemlich zugerichtet, das wär kein schöner Anblick. Bist du soweit“, erklärte er und sie hakte sich bei ihm ein.
„Eigentlich nicht“, konterte sie und sie gingen zum Platz. Sie drehte sich um. Es waren nicht viele Leute da. Aber in der letzten Reihe saßen Austin und Chuckie. Beide im schicken Anzug. Sie sahen besorgt, aber gesund aus. Ein kurzer Hauch von Erleichterung huschte über ihre Lippen. Aber sie ließ es sich nicht anmerken.
Alles wirkte so offiziell. Ein älterer Herr hielt eine heroische Rede über Melvin bzw. Leonardo. Trotzdem war alles sehr trocken. Sie kondolierten alle. Und dann waren Chuckie und Austin an der Reihe.
„Hey, du bist wieder da. Es tut mir so leid“, erkannte Austin und umarmte sie.
„Vielen Dank. Ich bin so froh, euch wohlbehalten wieder zu sehen“, nahm sie auch Chuckie in den Arm.
„Willst du was essen gehen?“, fragte Condan und legte den Arm um sie.
„Nein, danke ich hab keinen Hunger“, zog sie den Arm wieder von ihrer Hüfte.
„Gehen wir in Buds Taverne?“, schlug Chuckie vor.
„Das klingt gut, aber eins will ich klarstellen keine CIA-Gespräche heute, ja?“, bat sie und Condan und Austin nickten.
„Melvin wollte verbrannt werden, die Asche wird dann nächsten Freitag vergraben“, erklärte Condan als sie zum Wagen gingen.
„Hatte er ein Testament?“
„Klar, das ist Vorschrift wenn du zum CIA gehst. Ich will auch verbrannt werden. Geht am einfachsten. Sein Testament hab ich in meiner Tasche. Ich war Notar bevor ich zum CIA ging, wir können das also ganz in Ruhe zu Hause ansehen. Ich glaub wir fahren gleich heim, wir können später immer noch zu Russell, ich meine Bud, gehen. Nichts für ungut, Kleiner“, schlug Condan vor.
„Kein Problem, Großer“, konterte Chuckie cool und so fuhren sie in ihr Haus.
 
Es war so kalt im Haus. Überall standen Kisten herum.
„Räumt ihr das Haus aus?“ wunderte sich Callie und sah sich um.
„Nein, wir waren noch nicht hier drin. Sieht ganz so aus, als wollte er ausziehen“, stellte Condan fest.
„Mein Gott, er hatte wirklich sein Versprechen eingehalten. Warum ist er nicht einfach weg geflogen?“, brach sie in Tränen aus und setzte sich auf eine Kiste.
„Sollen wir dich allein lassen?“, fragte Austin und sie nickte mit dem Kopf.
„Kommt Jungs, gehen wir kurz in den Garten“, bat Condan und die drei Männer gingen in den Garten.
Weinend ging sie ins Schlafzimmer und legte sich ins Ehebett. Es roch noch nach Melvin. Sie drückte ihr Gesicht in sein Kissen und weinte sich in den Schlaf.
Sie hörte leises Flüstern vor ihrer Tür.
„Kommt rein“, rief sie müde und die Tür öffnete sich langsam.
„Hey, ausgeschlafen?“, erwiderte Chuckie fürsorglich.
„Ja, kommt rein, ihr Süßen“, bat sie müde und richtete ihre Haare.
„Willst du noch etwas schlafen?“, fragte Austin und setzte sich neben sie aufs Bett.
„Nein, ich will das Video jetzt sehen“, bat sie und setzte sich auf.
„Natürlich“, erwiderte Condan und schob das Video in den Rekorder.
Melvins Bild erschien. Er trug sein altes College - T-Shirt und einen Drei-Tage-Bart. Er sah so gut aus.
 
Hey es ist also passiert. Tja, das passiert eben. Also ich, Leonardo Emerson im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte, vermachen mein Vermögen, und das ist nicht viel, tut mir leid, meiner Ehefrau Catherine Emerson, meine Waffensammlung vermache ich meinem langjährigen Kollegen Jeremiah und meiner heimlichen Geliebte Mindy vermache ich mein Sparkonto in der Schweiz“, verließ er sein Testament.
„Geliebte?“, sah Callie Condan an.
„Hat sie es geschluckt?“, fragte plötzlich Melvin aus dem Video.
„Mit Haut und Haaren, Buddy. Das mit der Geliebten war schon ein Tick zu übertrieben. Du kannst raus kommen“, entgegnete Condan und Melvin kam aus einem Nebenzimmer. Er hatte das gleiche an wie auf dem Video.
„Was?“, war sie geschockt und rutschte vom Bett herunter.

Zehntes Kapitel


„Baby, ganz ruhig. Ich bin es wirklich“, kroch er zu ihr aufs Bett und sie rutschte immer weiter vom Bett.
„Du bist tot, ich war grad auf deiner Beerdigung“, sprach sie leise aber bestimmt.
„Schatz, ich steh’ doch vor dir, guck mich an“, zog er sie an sich.
„Was zum Henker sollte das für ein saublöder Scherz sein?“, riss sie sich los.
„Jeri, erklär es ihr“, bat Melvin, Condan.
„Ist deine Frau, Leo, das machst du schön ganz alleine“, konterte Condan und Callie war aufgestanden.
„Ihr seid doch krank, so krank“, schnaubte sie und stampfte die Treppe hinunter.
„Callie, warte“, rief Chuckie ihr hinterher.
„Wusstest du davon?“, drehte sie sich zu ihm um.
„Natürlich nicht. Es ist krank diese CIA-Welt nicht? Ich bin drin aufgewachsen, ich kenn das gut. Ich hab dir nicht erzählt warum ich bei Austin lebe, oder?“, setzte sie sich mit ihm auf die Treppe.
„Nein, erzähl!“
„Mein Vater ist bei einem CIA-Einsatz getötet worden, ich weiß gar nicht mehr wie lang das her ist. Meine Mutter haben sie in irgend so ein Zeugenschutzprogramm gesteckt. Da ich nicht mitwollte, wo auch immer sie hin ging, hat sie mich zu Austin gebracht. Sie weiß bis jetzt nicht, dass er auch ein CIA-Agent ist. Ich hab seit dem Tag nicht mehr mit ihr gesprochen. Wenn man mich fragt, sag ich meine Eltern sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Da ist die riesige Lüge die ich meine ganze Jugend mit mir herumtrug und jetzt immer noch trage. Die haben mir meine Vergangenheit genommen. Du steckst drin, ob es dir gefällt oder nicht. Akzeptier es. Sonst wirst du verrückt“, erklärte er und legte die Hand auf ihr Knie.
„Einfach so? Ich akzeptiere es und muss ab und zu mal so tun als wär mein Ehemann gestorben? Klasse, wo soll ich unterschreiben?“, bemerkte sie sarkastisch und stand auf.
„Das hast du schon, als du am Standesamt die Heiratsurkunde unterschrieben hast. So ist das Leben, meine Ex musste das auch lernen. Hast du dich wieder eingekriegt?“, kam Austin zu ihnen herunter.
„Ja, das hab ich. Danke, für deine Fürsorge. Und habt ihr euer CIA-Gespräch wieder beendet“, war sie genervt von seinem ruppigen Ton.
„Ja, haben wir. Dein Mann möchte dich sprechen“, bemerkte er.
„Schön für ihn. Bringt mich jemand zum Flughafen?“, fragte sie schroff.
„Was soll das werden?“, kam Condan heraus.
„Nach was sieht es aus? Ich war auf der Beerdigung meines Mannes, ich hab also meine Aufgabe erledigt. Schönen Tag noch“, nahm sie ihre Tasche und ging nach draußen in die Nacht.
„Es musste echt wirken, wir hatten auch Erfolg. Vanchzez Spitzel war da, der denkt jetzt wirklich, dass ich tot bin. Wir können jetzt wo anders ein neues Leben beginnen“, erwiderte Melvin der auf dem Balkon saß.
„Tja, das hab ich schon. Wer fährt mich jetzt?“, fragte sie und sah zu den anderen Jungs die auch raus gekommen waren.
„Ich werde dich fahren“, bat sich Chuckie an und wedelte mit einem Schlüssel.
„Danke, die erste richtige Entscheidung eines Mannes heute. Ich kündige, sagt das euren Bossen“, ging sie zu dem Camaro der Austin gehörte.
„Du wirst sie nicht fahren“, rief Austin ihm zu, aber Chuckie hatte schon das Gaspedal bis zum Anschlag durchgedrückt.
 
„Komm doch mit“, bat sie, als sie am Flughafen waren.
„Das würd ich gern, aber ich hab eine Zukunft hier. Das erste Mal in meinem Leben“, erwiderte er und umarmte sie.
„Passt bloß auf euch auf, ja?“, zog sie ihn noch mal fester an sich bevor sie erneut nach Hause verschwand. Ihren Eltern machte sie weiß dass er immer noch tot war. Sie wurde langsam richtig gut im Lügen.
An einem Donnerstag im August ging sie zu einem Scheidungsanwalt und ließ ihre Scheidungspapiere erstellen. Sie verlangte kein Geld von ihrem Mann, es gab keinen Grund dazu. Sie schickte den Brief mit einem Kuss ab. Sie liebte ihn noch, aber das war nicht ihre Welt. Sie wollte leben, ohne Furcht, einfach nur leben.
 
Sie arbeitete jetzt härter denn je in der Highschool. Sie konnte den Kids wirklich helfen. Das war ein tolles Gefühl. Sie dachte wenig an ihren Ehemann. Eher an ihre Ersatzfamilie Austin und Chuckie. Es war als würde sie sie schon seit Jahren kennen. Sie vermisste die beiden. Aber sie traute sich nicht sie anzurufen. Vielleicht würde ihr Gespräch abgehört werden und dass konnte Condan und Melvin das Leben kosten. Ihr Büro war viel kleiner als das auf den Bahamas und auch der Ausblick war nicht so schön, aber es war ihr Leben. Als es Herbst wurde nahm sie sich eine kleine Zwei-Zimmer Wohnung in der Nähe der Schule. Sie hoffte jeden Tag die Scheidungspapiere von Melvin zu bekommen. Sie rannte immer schon dem Postboten entgegen und riss ihm die Post fast aus der Hand. Aber sie musste weitere drei Wochen warten, bis endlich der unterschriebene Scheidungsvertrag eintrudelte. Das war es also. Zwei Jahre nach ihrer Hochzeit waren sie wieder geschieden. Ganz einfach.
Zu Weihnachten nahm sie sich eine Woche frei. Sie wollte die Jungs besuchen. Und vielleicht auch Caleigh. Sie hatte für jeden ein Geschenk gekauft. Deshalb passten nur ein paar Sachen in ihren Koffer. Vielleicht hatte Melvin noch ein paar Klamotten von ihr.
 
Der Flughafen war voll von glücklichen Paaren die ihren Urlaub auf den Bahamas verbringen wollten. Sie wurde leicht reumütig als sie in den Flieger einstieg. Aber sie freute sich darauf ein paar schöne Stunden mit Chuckie und mit Austin verbringen zu können. Wenn Sie nicht in irgendeinem Zeugenschutzprogramm vergammelten.
 
Wie sie erwartet hatte, war es wieder warm dort. Trotzdem war auf dem Flughafen in Williams Town durch den Weihnachtsschmuck irgendwie eine weihnachtliche Stimmung. Sie hatte sich ein Auto gemietet, unter ihrem Mädchennamen natürlich. Als sie in die Stadt einfuhr, die kurze Zeit ihre Heimat gewesen war, entschied sie zuerst zu Caleigh zu fahren. Sie hatte eine Erklärung verdient.
Als sie durch die Sicherheitsschranke gehen wollte, hielt sie Aries auf.
„Sie arbeiten hier nicht mehr“, bemerkte er schroff.
„Es ist auch schön Sie wieder zu sehen, Aries. Sie haben Recht, ich arbeite hier nicht mehr. Das liegt daran, dass ich in Washington D.C. lebe. Ich möchte zu Caleigh, ist sie da?“, konterte sie genau so unverschämt.
„In ihrem Büro!“
„Danke, schönen Tag noch“, murmelte sie und ging durch.
„Klopf, Klopf“, lugte Callie in Caleighs Zimmer.
„Mein Gott Callie, Kleines, wo warst du? Ich hab mir Sorgen gemacht“, schreckte Caleigh von ihren Akten auf.
„Das ist ja mal wieder typisch da schleppt mich die CIA in einer Nacht- und Nebelaktion hier weg und melden dir das nicht mal. Wirklich typisch“, begrüßte sie sie und setzte sich.
„Was hast du denn mit der CIA zu schaffen?“, wunderte sich Caleigh.
„Haben sie den Drogenboss Vanchez noch nicht geschnappt?“, fragte sie nach.
„Wer?“
„Dann will ich nichts gesagt haben. Ich gebe dir jetzt dein Weihnachtsgeschenk. Ist zwar noch etwas früh, aber du kannst es ruhig schon aufmachen“, entschied sie und zog ihr Geschenk aus dem Koffer.
„Es ist ein Wörterbuch für Jugendslang dann verstehst du die Jugendlichen endlich. Hat mir in meinem neuen Job auch gut geholfen“, erklärte sie und Caleigh lächelte.
„Danke, das war doch nicht nötig“, erwiderte Caleigh und Callie machte den Koffer wieder zu.
„Und wie geht’s den anderen?“, fragte Callie und sah sich um.
„Gut, wie immer. Deine Nachfolgerin ist wirklich gut. Nicht so gut wie du versteht sich, aber auch gut. Willst du sie mal kennen lernen?“
„Ja, wieso nicht!“
„Allison bist du da?“, klopfte Caleigh an Callies altem Büro an.
„Ich heiß Ally“, rief eine junge Stimme zurück.
„Ja, entschuldige, Ally, kann ich reinkommen? Ich will dir jemanden vorstellen“, rief sie zurück.
„Sicher, komm rein“, rief die Stimme und sie gingen rein. Am Schreibtisch saß eine junge Frau, höchstens 22 mit langem lockigem Haar. Sie sah wirklich nett aus.
„Ally, das ist Callie deine Vorgängerin, Callie das ist Ally deine Nachfolgerin“, stellte sie die beiden einander vor.
„Ist mir eine Ehre. Ganz ehrlich hab nur Gutes von dir gehört. Außer, dass du abgehauen bist. Du hast ein paar Sachen vergessen, vor allem die wird dir wohl fehlen“, konterte Ally und gab ihr die Waffe in die Hand.
„Ja, danke. Was? Die war zu meiner Sicherheit. Sie wurde aber nie benutzt. Mein Mann, besser gesagt mein Ex-Mann hielt das für richtig. Eigentlich brauch ich sie nicht mehr du kannst sie auch behalten“, legte sie sie wieder auf den Tisch.
„Nein, ich kann mit so was nicht umgehen. Und ich würd gern sehen, wie du die wieder raus bekommst, ich frag mich auch wie du die eigentlich rein bekommen hast“, war Ally neugierig.
„Ein Bekannter hat sie mitgebracht ich hab keine Ahnung. Ich hab sie nie aus dem Zimmer bewegt. Aber ich hab ne Idee wie ich sie rauskriege, wollt ihr zugucken?“
„Gern!“
Sie ging zu Aries und beugte sich nach unten.
„Oh verdammt, mein Schnürsenkel ist aufgegangen, können Sie mal halten, bitte?“, bat sie Aries und drückte ihm den Koffer in die Hand.
„Man, es ist verdammt heiß hier, finden Sie nicht? Ich bin wohl einfach zu dick angezogen“, legte sie die Jacke mit der Waffe auf den Kasten neben dem Detektor.
Aries musterte sie mit scharfem Blick. Sie trug ein freizügiges Kleid unter dem weißen Mantel.
„Nein, sieht gut aus“, pustete er verlegen.
„Oh, vielen Dank“, ging sie durch den Detektor
„Ihr Koffer“, bemerkte Aries und schob ihn über die Fläche und damit die Jacke herunter.
„Ach klar, hat ich fast vergessen. Einen schönen Tag noch“, beugte sie sich vor, ließ ihn dabei ein bisschen in ihren Ausschnitt lugen, und hob die Jacke auf um sie wieder anzuziehen.
 
„Die Kleine ist gut“, erkannte Caleigh und Ally lächelte.
„Schade, dass Leo sie nicht rekrutieren will, mit ihrer Vorgeschichte wär sie topp als Agentin“, konterte Ally und drehte sich um, um wieder in ihr Büro zu gehen.
 
Sie wurde nervös als sie in die alte Gegend einfuhr. Alles erinnerte sie irgendwie an die seltsamste Zeit in ihrem Leben. Sie fühlte Freude und Leid, Hass und Liebe. Sie atmete tief durch und stieg vor Austins Haus aus.
Sie klammerte ihren Koffer fest in die Hand und ging durch das Gartentor.
Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich ein Hund auf und kläffte wild. Vor lauter Schreck fiel sie auf den Rücken. Sie schlug so den Koffer auf und der ganze Inhalt fiel heraus.
Der Hund war riesig. Panisch nahm sie die Waffe hielt sie mit beiden Händen fest und richtete sie auf den Hund.
„Spike, aus“, rief plötzlich eine sehr vertraute Stimme und der Hund gesellte sich zu seinem Herren.
„Was hast du da für ein Monster?“, rappelte Callie sich auf.
„Das ist ne Dogge, einen Pekinesen wird wohl die Gangster kaum abhalten, oder?“, erklärte Austin und lächelte charmant.
„Da hast du auch Recht. Nettes Viech, entschuldige ich mach mir nicht viel aus Hunden, schlechte Kindheits-Erfahrungen. Dein Hund mag mich wohl auch nicht so sehr“, sammelte sie ihre Sachen zusammen.
„Kann daran liegen, dass du eine Waffe auf mich richtest“, hatte er jede Menge coole Sprüche auf Lager und sie steckte die Waffe wieder weg.
„Ja, richtig. Bin ein bisschen neben der Spur. Das ist alles eine schwierige Zeit. Und ich wollt meinem alten Freund einen kleinen Besuch abstatten. Wo ist Chuckie?“, klappte sie den Koffer wieder zusammen.
„Nicht hier. Komm rein“, wurde er plötzlich einsilbig und sie gingen rein.
„Was ist, stimmt was nicht mit Chuckie?“, fragte sie fahrig und er schloss die Tür.
„Nein, ihm geht’s prächtig, hoffe ich, denn ich gebe ein Schweinegeld für seine College-Ausbildung aus. Also was führt dich wirklich her?“, bemerkte er und sie stellte ihren Koffer ab.
„Hab ich doch gesagt, dich besuchen, was sonst? Eigentlich euch, aber da Chuckie nicht da ist wohl nur dich. Aber du bist nicht allein, seh’ ich grad, das tut mir leid, ich hätte anrufen sollen“, sah sie ins Esszimmer auf dem zwei Gedecke fein säuberlich auf dem Tisch lagen.
„Ja, das hättest du. Danke für diese wirklich herzerwärmende Scheidungsmitteilung von dir. Rotwein?“, kam Melvin aus der Küche mit einer Flasche Wein in der Hand.
„Was will der denn hier?“ war sie aufgebracht.
„Der wohnt jetzt hier. Jetzt wo wir das CIA-Leben aufgegeben haben. Jeremiah kommt übrigens auch noch, also brauchen wir noch ein Gedeck, oder zwei. Willst du was mitessen?“, erklärte Austin und Callie sah ihn ungläubig an.
„Was wird das, das CIA-Veteranentreffen. Nein, danke ich verzichte. Schönen Abend noch“, hatte sie endgültig genug und ging ohne ihren Koffer zurück aus dem Haus.
 
„Callie, Schätzchen du bist auch da? Jetzt können wir ja richtig feiern“, kam ihr Condan entgegen und umarmte sie. Er roch nach Alkohol.
„Du hast schon genug für uns beide gefeiert. Ich bin im Westcase Hotel, falls ihr mich sucht“, begrüßte sie ihn weniger herzlich und ging weiter zum Auto.
Als sie gerade ins Auto einstieg riss jemand die Tür auf.
„Callie, warte“, bat Austin außer Atem.
„Auf was? Dass ihr endlich aufhört mit diesem gefährlichen Job? Da kann ich lange warten, oder darauf dass du endlich zugibst dass du in mich verknallt bist und dass mein werter Ex-Ehemann mal von seinem Ego-Trip zurückkehrt?“
„Du hast deinen Koffer vergessen“, stotterte er irritiert von ihrem Wortschwall.
„Kannst du behalten, sind sowieso nur Geschenke drin. Schönen Abend noch“, rief sie ihm entgegen.
Er hatte nicht mal darauf reagiert, was sie ihm an den Kopf geworfen hatte. Lustlos drehte sie den Schlüssel im Schloss um und ließ die Bremse los. Sie sah gar nicht richtig nach vorne. Sie fuhr los und plötzlich fiel was auf die Windschutzscheibe. Sie bremste und sah nach vorne. Da lag ein Mann mit dem Rücken zu ihr gedreht.

Elftes Kapitel


Das Atmen fiel ihr schwer, da sie vom Airbag brutal auf die Brust getroffen worden war. Zitternd stieg sie aus und ging vor ihren Wagen. Die Person, die sie angefahren hatte lag leblos vor ihr. Sie kniete sich hin und berührte die Schulter des Mannes mit zittriger Hand. Vorsichtig drehte sie ihn um. Es war Austin.
„Man, warum leihst du ausgerechnet so einen dicken Wagen?“, keuchte der Mann.
„Meine Güte Austin, was hast du gemacht?“, nahm sie seinen Kopf in die Hand.
„Du hast Recht, ich liebe dich“, erwiderte er und sie küsste ihn.
„Und deshalb rennst du vor meinen Wagen?“, schmunzelte sie fuhr mit der Hand über seinen Kopf um zu sehen, ob er blutete. Sein Kopf war trocken.
„Ich kann dich nicht schon wieder einfach so gehen lassen“, erklärte er und sie tastete seinen Körper ab.
„Tut dir was weh?“, fragte sie einfühlsam.
„Wenn du mir nicht die Rippen zusammenquetscht geht es“, versuchte er sich aufzurappeln.
„Entschuldige. Komm hoch“, zog sie ihn hoch und schleppte ihn ins Haus.
„Was ist passiert?“, sprang Melvin vom Tisch auf. Der Stuhl fiel krachend um.
„Du hast deiner Ex-Frau zu viel Geld gegeben sie kann sich viel zu große Autos mieten“, murmelte Austin und legte sich aufs Sofa.
„Du hast ihn angefahren?“, machte Melvin, Callie Vorwürfe.
„Er ist mir vor den Wagen gelaufen. Mach mich nicht so blöd an“, murrte sie und kniete sich zu Austin um seine Wunden abzutupfen.
„Hättest du nicht mal mit mir darüber reden können?“, sprach er die Scheidung an.
„Mein Mann ist tot, da brauch ich nicht mehr mit ihm reden. Bis dass der Tod uns scheidet, schon vergessen?“, ging sie Richtung Küche um an den Verbandskasten zu gehen.
„Ich bin aber nicht tot, mein Gott, Mum und Dad hast du doch sicher gesagt, dass ich noch lebe, oder?“
„Nein, warum sollte ich. Und das sind nicht deine Eltern, also hör endlich auf sie Mum und Dad zu nennen“, fischte sie das Verbandszeug raus.
„Das kannst du nicht machen, sie sind meine Familie“, war er außer sich.
„Nein, das waren sie mal. Wehe du ziehst sie damit rein, dann bleibst du für immer in einem Sarg, das sag ich dir. Austin, Süßer, wir sollten dich ins Krankenhaus bringen“, verband sie Austins Wunden während sie mit ihrem Ex stritt.
„Nein, geht schon. Ich bin grad eh’ nicht so völlig versichert. Ich hoff aber, du mit dem Wagen“, erkannte er und Callie sah Melvin an.
„Das nenn ich mal Fürsorglichkeit. Trotz Schmerzen denkt er daran, dass es mir gut geht. Ja, der Wagen ist versichert. Ich könnte die Kosten auch übernehmen, das wär’s nicht. Also willst du jetzt ins Krankenhaus?“
„Nein, verdammt hab ich doch gesagt“, fluchte er plötzlich.
„Man, ich hab heut echt nicht die Nerven mich mit zwei Sturköpfen auseinander zu setzen“, riss sie sein Hemd auf um seine Rippen zu bandagieren.
„Wow, wenn du in unserer Ehe schon so leidenschaftlich Kleider vom Leib gerissen hättest, wär das noch was mit uns geworden“, schmunzelte Melvin und Callie sah ihn böse an.
„Condan, Jeremiah, wie auch immer du heißt, kannst du mir bitte meinen Ex vom Leib halten“, rief sie Condan zu.
„Zu Befehl, Boss“, zog Condan, Melvin zum Tisch und machte ihn dort mit Handschellen fest.
„Ah, schon besser“, erwiderte sie und zog Austin das Hemd aus.
„Komm lass mich mal ran, ich hab ne Ausbildung als Sanitäter gemacht, bevor ich zum CIA ging“, erklärte Condan und übernahm Austin.
„Ich dachte, du seist Notar“, nuschelte sie und ließ ihn machen.
„Ich hatte schon viele Leben, vor dem CIA. Und hoffentlich auch danach“, erkannte Condan und klebte das Ende des Verbandes fest.
„Ich hab übrigens Kaufmann im Einzelhandel gelernt“, setzte sich Austin auf.
„Du warst Verkäufer?“
„Ja, ich hab in der Caribana Boutique Pullover verkauft, frag nicht. Dein Mann …“ begann er.
„Ex-Mann“, fiel sie ihm ins Wort.
„… Ex-Mann okay, hat wirklich Bankkaufmann gelernt, er hat auch als einer gearbeitet als ihr euch kennen lerntet. Hat er mir erzählt“, verzog er das Gesicht vor Schmerz als er sich an die Sofakante lehnte.
„Nein, du hast ihm doch nicht die Handtuchgeschichte erzählt“, stotterte sie peinlich berührt.
„Nein, okay ich erzähl sie jetzt. Es war der Tag als wir uns begegneten. Ich weiß es noch ganz genau. Es war eigentlich ein rabenschwarzer Tag für mich gewesen. Die Arbeit lief stockend und es hatte ständig falsche Feueralarme in der Bank gegeben. Doch dann war es fast am Ende der Schicht als es wirklich brannte. Aber nebenan im Fitnessstudio ...“, begann Melvin von seinem Platz aus zu erzählen.
„… genau und das war genau das Fitnessstudio, in dem ich in dem Augenblick unter der Dusche stand. Das Ende vom Lied war, dass ich nur im Handtuch bekleidet mitten auf der Hauptstraße in der Innenstadt stand und um mich herum eine Horde Leute. Da kam ein charmanter junger Mann im Drei-Reiher auf mich zu und gab mir seine Jacke. Das war das Süßeste was ich bis dahin erlebt hatte. Das war peinlich, aber ich hab meinen zukünftigen Mann dort kennen gelernt“, erzählte sie weiter.
„Das ist wirklich romantisch. Ich wollte dir nie wehtun, Call“, versprach Melvin.
„Das hast du aber. Ich hab zwei Jahre lang nicht mal deinen richtigen Namen gekannt, Leonardo Emerson. Hast du eigentlich italienische Wurzeln? Das interessiert mich grad“, entgegnete sie und wurde wieder sauer.
„Nein, meine Eltern haben sich nur vor Leonardos Boutique in Queens das erste Mal getroffen und so wollten sie ihr erstes Kind nennen. Ich hab es immer gehasst nie mit dir darüber geredet zu haben. Verzeih mir, bitte“, bettelte er.
„Eines Tages, nur nicht heute, Melvin oder Leo oder wie du auch immer heißen magst. Komm Austin, ich bring dich ins Bett“, stützte sie Austin bis ins Schlafzimmer.
„Er ist wirklich ein guter Kerl“, bemerkte Austin und sie legte ihn auf dem Bett ab.
„Na ja, ich weiß nicht“, setzte sie sich neben ihn aufs Bett.
„Du hast mich angefahren“, witzelte er und legte sich zur Seite.
„Ich weiß!“
„Weißt du was ihn jetzt rasend machen würde? Wenn du jetzt bei mir bleiben würdest“, machte er ihr ein Angebot.
„Gute Idee ich bin jetzt eh’ zu müde um aufzustehen“, kuschelte sie sich an ihn und schnell war sie eingeschlafen.

Zwölftes Kapitel


Mitten in der Nacht schreckte sie auf. Sie hatte etwas dumpf aufschlagen gehört. Austin schlief friedlich neben ihr und sie löste sich vorsichtig von seinem Griff und stand auf. Aber das hätte sie sich sparen können, denn jemand hämmerte wild gegen die Tür.
„Aufmachen“, rief Melvin und sie schlurfte genervt zur Tür.
„Was macht ihr da drin?“, schnaubte er und sie lehnte sich an den Türrahmen.
„Es ist jetzt, warte mal 3 Uhr morgens, wir backen Brot“, erwiderte sie sarkastisch und rieb ihre Augen.
„Der Kerl ist nicht gut für dich“, behauptete Melvin.
„Und du bist es. Sieh es ein Melvin, deine Zeit ist vorbei“, entschied sie und eine Hand zog ihn an der Schulter weg.
„Leo, Leo, Leo du warst echt mal schneller im sich Befreien. 6 Stunden, wirklich schwach“, schmunzelte Condan und machte ihm die Handschellen mit dem Tischbein ab.
„Du hast ihn die ganze Zeit da angekettet gelassen?“, fragte sie konfus.
„Ja, du hast ja nichts anderes gesagt. Und im Wohnzimmer ist sein Schnarchen nicht so laut“, amüsierte sich Condan prächtig.
„Wie auch immer, geht schlafen, das mach ich auch. Schönen Schlaf noch“, konterte sie und schloss die Tür wieder.
 
Am Frühstück redeten alle nicht viel. Sie waren müde und Austin hatte sichtlich Schmerzen.
„Also Vanchez ist jetzt hinter schwedischen Gardinen?“, versuchte sie das Schweigen zu brechen.
„Wer hat das gesagt?“
„Ich dachte da ihr jetzt alle so rum sitzt und nichts mehr macht“, erwiderte sie und Condan kam aus der Küche.
„Rumsitzen? Wer sagt was von Rumsitzen?“, stellte er das Rührei auf den Tisch.
„Ich meine ihr habt gesagt, dass mit der CIA jetzt Schluss ist“, stellte sie fest.
„Ist es auch, aber wir haben den Fall abgegeben. Und Vanchez denkt ja sowieso, dass ich tot bin“, erklärte Melvin.
„Immer noch. Ganz schön dämlich dieser Vanchez, nicht?“
„Oh nein, ganz und gar nicht. Er ist verdammt intelligent. Deshalb geh’ ich nur raus wenn’s dunkel wird. Es ist trotzdem noch verdammt gefährlich hier. Du solltest nicht so lang hier bleiben“, erklärte Melvin und Calle biss in ihr Brötchen.
„Ich werde den Teufel tun, ich will mit euch Weihnachten feiern. Ich bin doch kein Schisshase“, stellte sie klar.
„Schisshasen leben länger, Schätzchen“, erkannte Austin.
„Und Leute die sich nicht von Autos anfahren lassen“, grinste sie.
„Richtig. Aber du solltest nicht allein unterwegs sein“, bat Condan und trank seinen Kaffee leer.
„Oh nein, nicht schon wieder. Ich brauch keinen Bodyguard“, nörgelte sie.
„Er hat Recht, es ist immer noch gefährlich“, stimmte Austin ihm zu.
„Ich will mich ja nicht mit ihm anlegen. Ich will was für das Weihnachtsfest einkaufen, kommst du mit?“ fragte sie Condan.
„Ja, muss ich ja wohl. Nach dem Frühstück können wir gehen“, erwiderte er und sie nickte.
 
Sie fuhren mit Condans weinrotem Pick-Up in die Stadt. Sie hatte wirklich Angst, aber sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen.
Im Supermarkt klammerte sie sich an den Einkaufswagen.
„Hey, ganz ruhig es sind nur wenige Leute hier, die hab ich im Griff“, tätschelte er ihre Hand.
Sie sah sich um. Da war ein Mann mit Bierbauch der wie passend im Bierregal hing, eine ältere Dame die fast in die Eistruhe fiel und eine Frau mit drei Kindern die sich abmühte, die Kinder in den Griff zu bekommen. Keine Gefahr. Doch dann kam ein Mann im schwarzen Anzug durch die Tür.
„Man in Black an der Tür“, flüsterte Callie, Condan zu.
„Schicker Anzug, sieht aus wie ich“, war das Condan egal.
„Er sieht verdächtig aus meinte ich damit!“
„Nein, er ist ein Geschäftsmann aus Neuseeland auf dem Weg ins Hotel“, musterte Condan den Mann.
„Wow, du warst wohl schon zu lang beim CIA, was?“, stellte sie fest.
„Das ist nicht schwierig. Er stand gestern vor mir an der Kasse, deshalb weiß ich das er aus Neuseeland ist, er hat nur Kreditkarten im Geldbeutel deshalb ist er auf Geschäftsreise und er ist auf dem Weg ins Hotel, weil er seine Krawatte schon gelockert hat, das heißt, er hat Feierabend. Was er dann im Hotelzimmer macht erzähl ich dir lieber nicht“, erklärte er und sie schüttelte ungläubig den Kopf.
„Könnt ihr das alle so gut?“
„Ja, Allan ist unser Champion. Deshalb war er so gut als Barkeeper er sieht in die Seelen der Menschen. Dich hat er auch sofort „gesehen“ das hat er mir erzählt. Du hast so eine verletzliche Seele und so einen starken Geist. Coole Mischung übrigens. Lass uns weitergehen, ich krieg vom Kühlfach schon Frostbeulen“, bat er und führte sie weiter.
 
Ohne Zwischenfälle kauften sie ein und kamen auch genauso unbeschadet wieder nach Hause.
Melvin wechselte gerade Austins Verband im Badezimmer und fasste ihn nicht gerade sanft an.
„Verdammt, du Machorist, sei vorsichtig“, fluchte Austin der sich an die Badezimmertheke klammerte um seinem starken Griff entgegenzuwirken.
„Man, du bringst ihn ja um. Komm, ich mach weiter“, eilte sie ihrem Freund zur Hilfe.
„Gott sei Dank, hey ist ja kein Wunder dass sie dich verlassen hat, du bist ja so sanft wie ein Gorilla“, murrte Austin und Callie zog den Verband etwas auseinander.
„Gorillas können auch sanft sein“, bemerkte Callie und lächelte Melvin an.
„Bitte, ich will mir es gar nicht vorstellen. Danke“, zog er sein Hemd an und stand auf.
„Big Boy ist eifersüchtig. Deine beste Zeit im Leben ist vorbei Al, du gehst ganz heftig auf die 40 zu, das ist hart, wirklich hart“, konterte Melvin in seinem jugendlichen Charme.
„Wenn du es persönlich haben willst gut, ich hab es geschafft deine Frau zu schwängern und du nicht. Ich alter Knacker“, legte er sich mit ihm an und pflanzte sich auf einen Sessel.
„Uh, du kannst von Glück reden, dass ich keine verletzten Menschen schlage“, zischte Melvin der sowieso schon genervt von Austin war.
 
„Ihr seid solche Babys, also echt. Ich bin in der Küche wenn ihr mich braucht“, knurrte sie und trug die Einkäufe in die Küche.
Als sie gerade die Karotten schnitt, kam Austin hinein geschlurft.
„Ich wollt das nicht sagen“, entschuldigte er sich und umarmte sie von hinten.
„Ich weiß. Ich glaub nicht, dass das lang mit euch funktionieren kann. Komm doch bitte mit nach Washington, hier ist es nicht sicher“, bat sie mit ihrem liebsten Ton und er küsste sie mit voller Liebe.
„Ist es da nicht kalt im Winter?“, säuselte er und sie hielt seine Arme fest.
„Ich kann dir in den sechs Monaten richtig einheizen“, witzelte sie und küsste ihn erneut und länger.
„Hey, nehmt euch doch ein Zimmer. Übrigens die Pfanne wird schon schwarz“, erkannte Condan und lächelnd ließ Austin, Callie los.
„Da ist ja mein großer Schatten. Gefahr im Anzug, Boss?“, neckte Callie ihn.
„Nicht so lange wir dein Essen noch nicht gegessen haben. Aber im Ernst, ich hab grad mit einem ehemaligen Kollegen geredet, Vanchez hat erfahren, dass Leo noch lebt. Er ist nicht grade begeistert, wie du dir denken kannst. Die CIA will uns Neujahr hier raus holen, keine Sorge. Bis das alles geklärt ist, wird Leo abtauchen. Ich bring ihn gleich morgen weg. Solang bleibt ihr hier, verstanden?“, plante Condan.
„Wie du meinst. Ich leg mich vor dem Essen noch etwas hin“, schien das Austin nicht sehr zu stören, küsste Callie auf die Backe und ging wieder aus der Küche.
„Das meine ich ernst!“
„Ich weiß. Kannst du mich jetzt weiterkochen lassen? Sonst bin ich heut Nacht noch nicht fertig“, bat sie und Condan ließ sie machen.
 
Als sie gerade mit dem Braten ins Esszimmer kam, stand Chuckie mit Armeesack und einem breiten Grinsen in der Schiebetür der Terrasse.
„Call ich hatte gehofft das du kommst. Komm, lass dich drücken“, umarmte der junge Mann mit dem Drei-Tage-Bart sie und sie sah aus als stände sie unter Schock.
„Was zum Henker machst du hier?“, fragte sie und stellte den Braten ab.
„Du kannst Fragen stellen, ich hab Semesterferien und wollt zu Hause Weihnachten feiern. Wo ist Onkel Austin?“, lud er seine Sachen ab.
„Er ruht sich etwas aus. Hattest du nicht die strikte Anweisung anzurufen, bevor du die Uni verlässt“, ermahnte Condan ihn.
„Ich halt mich nicht so gern daran. Vor allem nicht an die ganzen CIA-Sachen. Also was gibt’s zu essen?“, schien er gut gelaunt.
„Und ich hab gedacht mein Neffe wäre erwachsen geworden“, kam Austin zu ihnen.
„Das bin ich doch, Onkel. Man, was ist denn mit dir passiert bist du von einem Auto angefahren worden?“
„Ja, das bin ich, lange Geschichte. Also einen Knall hast du gar nicht. Das ist immer noch Krisengebiet hier. Hast du wenigstens Professor Lockard Bescheid gesagt?“
„Mr. CIA? Ganz sicher nicht. Er hat mir eine Ausgehsperre aufgebrummt, ich hab schon die Hälfte der coolen Partys verpasst. Man, hab ich jetzt Hunger“, machte er sich über das Essen her. Für diesen Abend vergaßen sie mal ihre Probleme aber der Frieden würde nicht von langer Dauer sein.

Dreizehntes Kapitel


Es war der 26. Dezember, früh morgens, als Callie aus dem Schlaf gerissen wurde. Sie hörte lautes Stimmgewirr von Draußen. Sie zog ihren Morgenmantel über und schlappte zur Tür.
„Ich will mich noch von ihr verabschieden, jetzt wart doch mal“, rief Melvin, Condan zu, der gerade den Kofferraum belud.
„Dafür ist keine Zeit. Jetzt steig an“, bat er hinter der Klappe.
„Dafür ist immer Zeit, Con“, erklärte Callie und kam auf die Männer zu.
„Wir haben dich geweckt, entschuldige. Also verabschiede dich, dann müssen wir los“, hatte es Condan plötzlich sehr eilig.
„Wenn du eine sichere Leitung hast, rufst du mich doch an, oder?“ fragte Callie und drückte ihren Ex-Mann ganz fest an sich.
„Sicher. Und du bleibst hier, bis es heimgeht. Das ist nicht dein Kampf, okay?“, bemerkte Melvin kurz und stieg in den Wagen.
Sie sah sie weg fahren. Wie konnte sie ahnen dass dieser friedliche Tag eine dramatische Wendung nehmen würde.
 
„Na, sind sie weg?“, kam Austin zu ihr.
„Ja, bitte sag, dass jetzt alles gut geht“, bat sie und er nahm sie in den Arm.
„Ich hoffe es. Komm wir müssen wieder rein“, zog er sie wieder ins Haus.
„Sind die zwei mürrischen endlich weg, dann können wir ja endlich Party machen“, saß Chuckie am Tisch und las die Zeitung.
„Was verstehst du bei den Worten „bleib da bis ich dich anrufe“ nicht?“, hielt Austin seinem Neffen eine Standpauke.
„Onkel Austin, das hatten wir doch abgesprochen. Ich hatte dich angerufen, dass ich komme. Hattest du wohl missverstanden mit Callie in einem Ohr. Wann gibt’s Frühstück?“
„Oh man, was bringen die dir da auf dem College nur bei. Ich geh’ mal duschen“, grummelte Austin und ging ins Bad.
„Ich glaub, ich leg mich noch mal schlafen“, erwiderte Callie und ging zum Schlafzimmer. Als sie im Bett lag, sah sie den Schatten von Austin durch das trübe Glasfenster, dass das Badezimmer vom Schlafzimmer abgrenzte. Er zog sich aus und sie genoss die Silhouette seines trainierten Körpers. Angeregt stand sie auf und ging an die Glasscheibe.
„Kann ich zu dir reinkommen?“, rief sie ihm entgegen.
„Ich bin nackt“, rief er zurück.
„Das seh’ ich“, säuselte sie und machte die Tür auf.
Da stand er also wie Gott ihn schuf. Sie hatte ihn schon mal nackt gesehen, aber trotz der Schrammen sah er toll aus.
Ohne ein Wort ließ sie ihr Nachtkleid zu Boden sinken.
„Du weißt, dass der Junior nebenan frühstückt“, stellte er klar.
„Ich bin auch ganz leise“, versprach sie.
„Das glaub ich kaum“, schmunzelte er und ging rückwärts in die laufende Dusche.
Sie hatte es noch nie unter der Dusche getrieben. Nicht dass sie sich daran erinnerte zumindest. Es war wirklich sehr schön.
Plötzlich hämmerte es gegen die Tür.
„Onkel, wir haben keine Milch mehr“, rief Chuckie.
„Im Keller ist noch“, schnaubte Austin und hielt Callie den Mund zu.
Die Schritte entfernten sich wieder.
„Du hast mir in die Hand gebissen“, entgegnete er und sie lächelte.
„Was sollte ich sonst machen wenn ich grad in dem Moment komme“, erwiderte sie.
„Ach deshalb leuchten deine Augen jetzt so. Noch ne Runde?“, fragte er.
„Was denkst du denn?“, entschied sie.
 
Als sie wieder voll bei der Sache waren, hämmerte es wieder an der Tür.
„Onkel, kann ich mit ein paar Freunden am Strand Surfen gehen?“
„Ja“, rief sie in ihrer Erregung und verzog dann das Gesicht.
„Seid ihr beide da drin?
„Verschwinde schon“, bat Austin ohne Nachzudenken und sie ließ von ihm ab.
„Man, das ist ja fast noch peinlicher als das Mal, als meine Eltern mich dabei erwischt haben. Ich glaub, wir sollten auf dem Bett weiter machen, wenn er weg ist“, nahm sie sich ein Handtuch.
„Weg? Er kann nicht weg, es ist zu gefährlich“, wurde ihm plötzlich klar, was er getan hatte.
„Ich geh’ schon“, erwiderte sie und ging aus dem Bad.
„Chuckie, warte“, rief sie ihm hinterher doch er war schon mit dem Wagen weg.
„Verdammt, hat er ein Handy?“, kam sie wieder rein gestürzt.
„Keins, was hier funktioniert. Verdammt was haben wir uns nur dabei gedacht“, zog er sich an.
„Ich fand’s auch toll, danke der Nachfrage. Denk nach, an welchen Strand fährt er sonst immer?“, band sie ihm den Verband um die Rippen.
„Na klasse, an den wo die Bar steht, da patrouillieren fast stündlich Vanchezes Männer. Ich muss hinfahren. Und du bleibst hier, haben wir uns verstanden?“, zog er sein T-Shirt an und schnappte sich ihre Autoschlüssel um ihm hinterherzufahren.
„Pass bloß auf dich auf, ja?“, rief sie aber er war schon weg.
 
Sie konnte nicht warten. Sie waren alle da draußen. Wenn sie schon an diesem Tag sterben sollte, dann mit ihnen zusammen. Da sie kein Auto hatte, rannte sie nur im Nachthemd und in ihren Sandaletten Richtung Strand. Als sie den Holzsteg entlang ging sah sie einen leblosen Körper im Sand liegen. Sofort bekam sie wieder das Bild des bewusstlosen Austin in den Kopf und sie rannte hin. Sie drehte den Körper auf den Rücken. Es war Melvin. Er war kreidebleich und er presste seine Hände auf eine klaffende Wunde.
„Callie?“, keuchte er. Aus seinem Mund rannte Blut.
„Leo mein Gott was machst du hier?“, rannen ihr die Tränen über die Augen.
„Die haben mich hier ausgesetzt. Sie dachten wenn sie mich angeblich schon umgebracht haben, dann könnten sie mich wenigstens dort abladen, wo ich angeblich auch gestorben bin“, hustete er.
„Ganz ruhig. Rede nicht. Ich ruf einen Notarzt“, schluchzte sie.
„Das dauert zu lange. Bleib bei mir, ich will nicht allein sterben“, fing er auch an zu weinen.
„Natürlich, ich bleib bei dir. Ganz ruhig, nicht weinen. Ich bin bei dir, Liebling, ich bin bei dir“, redete sie ihm gut zu und wiegte ihn in ihren Armen.
„Nimm das!“, bat er fast zu schwach zum Reden.
„Nicht reden“, erkannte sie und er drückte ihr seine blutverschmierte Waffe in die Hand.
„Du musst Condan und mich rächen. Schieß auf sie“, bat er und hustete noch einmal fest.
„Das werde ich, das werde ich, ich hab dich immer geliebt, immer geliebt“, verfiel sie in einen Singsang.
Es waren nur ein paar Minuten bis er starb. Sie riss ein Stück von ihrem Kleid ab, küsste ihn noch ein letztes Mal und bedeckte sein Gesicht damit.
Ihre Beine waren wie Wackelpudding, als sie wieder aufstand. Ihr Nachtkleid war zerrissen und von Blut und Sand total verdreckt.
Das nächste was sie tat war wie in Trance. Sie weinte die ganze Zeit. Sie kam an Condan vorbei der genauso leblos dalag. Sie vermied es, ihn auch noch anzusehen.
 
Sie schreckte auf. Es war schon dunkel als sie aus dem großem Panoramafenster sah.
„Verdammt“, fluchte sie. Sie war eingeschlafen.
„Hey, so schlecht war ich doch gar nicht“, murmelte plötzlich eine Stimme neben ihr.
Sie riss ihren Kopf herum und sah in die Richtung der Stimme. Da lag Austin auf dem Rücken mit nacktem Oberkörper.
„Wann bist du denn gekommen?“, fragte sie völlig desorientiert.
„Kurz vor dir, das weißt du doch. Wieder schlecht geträumt?“, fragte er schmunzelnd.
„Keine Ahnung. Welcher Tag ist heute?“
„Der 26. Dezember. Hast du dir bei der Nummer in der Dusche den Kopf angeschlagen, oder was ist?“ setzte er sich auf.
„Du bist doch entführt worden, als du Chuckie vom Surfen abholen wolltest“, versuchte sie zu rekapitulieren.
„Süße von was redest du da? Wir waren den ganzen Tag im Bett und Chuckie sitzt seit Stunden vor der Glotze und guckt sich irgendein Reality-TV Mist an. Wird echt Zeit, dass die uns hier rausholen wenn du ständig diese seltsamen Träume hast. Hey, wo willst du hin?“, fragte er und betrachtete sie wie sie so nackt mit dem Rücken zu ihm da stand.
„Ins Wohnzimmer!“
„Dann würd ich mir was anziehen“, schmunzelte er.
„Ich bin nackt, warum bin ich nackt?“
„Nein, nicht schon wieder. Wir haben miteinander geschlafen, sag nicht, dass du das schon wieder vergessen hast“, konterte er.
„Nein, natürlich nicht. Entschuldige, mir geht dieser Traum nicht aus dem Kopf“, zog sie sich ein T-Shirt und eine Boxershorts von ihm an.
„Wie auch immer, sag Chuckie er soll den Fernseher leiser drehen, oder endlich ins Bett gehen, es ist fast Mitternacht“, bat er und sie latschte ins Wohnzimmer.
Chuckie schlief auf dem Sofa, den Fernseher laut an.
Beruhigt lächelte sie und schaltete den Fernseher aus.
„Er schläft ganz friedlich. Wie kann der bei dem Lärm schlafen“, schmunzelte sie und kroch wieder ins Bett.
„Er hat erzählt, sein Zimmerkumpel auf dem College redet wie ein Wasserfall im Schlaf, er muss sich wie zu Hause fühlen. Jetzt schlaf weiter“, bemerkte er schon halb wieder am Schlafen.
„Was ist mit Leo?“
„Was soll mit ihm sein?“
„Wo ist er?“
„Ist diese Frage ernst gemeint?“
„Ach ja richtig, er ist weggebracht worden. Sind sie da angekommen wo sie hin wollten?“
„Ich glaub sie sitzen noch im Flieger, ich hab nur so eine kurze SMS bekommen in der „In Sicherheit“ stand. Keine Sorge wir sind auch bald dran. Jetzt schlaf“, entschied er und sie kuschelte sich an ihn und schlief weiter.
Die Erde bebte. Irgendwo her kam laute Musik. Sie blinzelte in die Morgensonne.
„Was ist das?“ murmelte sie schlaftrunken.
„Ich denk mal Limp Biscuit, also Aerosmith ist das ganz sicher nicht“, schien das Austin kaum zu stören.
„Wie kann der so früh, schon so munter sein“, nörgelte sie.
„Jung, muss man noch mal sein was. Ich sag ihm, dass er es ausmachen soll“, stand er auf.
„Austin?“
„Ja?“
„Anziehen!“
„Ja, richtig. Er könnt ja neidisch werden“, witzelte er und schlüpfte in Boxershorts.
„Charles, weißt du wie spät es ist?“, schrie Austin seinem Neffen zu der auf dem Sofa saß und irgendeine Zeitschrift las.
„In London ist es schon fast Mittag. Gary und ich haben gechattet und dann konnte ich nicht mehr schlafen“, erklärte er und drehte die Musik aus.
„Quassel Gary? Ich hab doch gesagt keine Mails und Chats in nächster Zeit wir verstecken uns, schon vergessen? Und du hast Callie aufgeweckt!“
„Gott sei Dank, so wie die geschrien hat, hab ich gedacht, du murkst sie ab“, amüsierte sich Chuckie.
„Charlie, werd nicht frech. Wenn wir alle schon mal wach sind, können wir ja frühstücken. Also kommt“, war Callie zu ihnen geschlurft und bat sie in die Küche.
 
Austin stocherte in seinen Pancakes herum und sah nicht hoch. Das fiel ihr auf.
„Was ist?“, stellte sie ihn zur Rede.
„Was soll sein?“, sah er kurz auf.
„Du vergräbst dich!“
„Ich tu was?“
„Vergraben. Warum willst du mich nicht ansehen. Hab ich was falsch gemacht?“
„Nein Süße, du warst klasse. Alles war klasse. Sonst noch was?“, war er einsilbig.
„Nein, ist mir nur aufgefallen, das ist alles“, widmete sie sich wieder der Zeitung.
„Kann ich surfen gehen?“, fragte Chuckie der schon seinen Schwimmanzug anhatte.
„Nein“, schrie Callie.
„Austin?“
„Du hast die Lady gehört!“
„Oh ja, das hab ich“, spielte er wieder auf die letzte Nacht an.
„Man, vor der Glotze hätt ich meine Semesterferien auch in London verbringen können“, ging er murrend zurück in sein Zimmer.
„Das war jetzt echt gespenstisch“, stellte sie fest.
„Ja, seit wann hört er auf mich und zieht seinen Surfanzug an?“, konterte er.
„Du weißt, was ich meine. Er wollte surfen gehen, so wie in meinem Traum“, entgegnete sie leicht gereizt.
„Das ist nicht gespenstisch, er hat vorgestern beim Essen darüber geredet, dass er sich mal wieder in die Wellen stürzen will. Jetzt iss weiter“, bat er.
„Du verheimlichst mir doch was“, entschied sie und er sah genervt auf.
„Was zum Henker soll ich dir verheimlichen?“, war er von ihrer Paranoia nicht sehr angetan.
„Dass du vielleicht nichts von Con und Leo gehört hast und mir irgendeinen Mist erzählst, dass ich zufrieden bin. Das vielleicht?“, ließ sie die Katze aus dem Sack.
„Chuckie?“ rief er Chuckie im ernsten Ton zu.
„Kannst du mal rausgehen, spielen?“
„Du musst dich schon mal entscheiden, ich darf nicht raus, jetzt muss ich raus, ich würde gerne mal irgendeine Sache anfangen“, bemerkte Chuckie cool.
„Tu, was ich dir sage“, wurde er lauter und wenig begeistert zog er von dannen.
„Sie hatten Recht, du wärst echt gut als Agentin“, murmelte er verlegen.
„Es stimmt also“, bemerkte sie seltsam ruhig.
„Ja, sie sind nicht dort angekommen, wo sie hin sollten. Das muss nichts heißen, also bleib ruhig“, erklärte er mit sanfter Stimme.
„Oh Gott, sie sind tot“, bemerkte sie und legte den Kopf auf den Tisch.
„Jetzt mal nicht den Teufel an die Wand, vielleicht gab’s Sicherheitstechnische Schwierigkeiten und sie können sich erst später melden. Ja, so wird’s sein“, beruhigte er sie.
„Wenn du nicht sofort in der Zentrale anrufst, schrei ich so laut das Vanchez uns hier ganz einfach finden kann“, schnaubte sie.
„Ihnen geht es sicher gut“, versicherte Austin.
„Sofort“, donnerte sie und er sprang auf.
„Kann ich mit den Jungs nebenan wenigstens Basketball spielen?“, streckte Chuckie den Kopf hinein.
„Ich komm mit“, entschied sie.
„Call“, rief Austin ihr zu.
„Was?“, nörgelte sie.
„Nimm Spike mit, bitte“, erkannte er und nahm seine Hand wieder von der Sprechmuschel seines Handys.
„Meinetwegen. Spike bei Fuß“, rief Chuckie dem Hund zu und er kam auf Befehl.
 
Sie setzte sich auf die weißen Kalkfelsen vor dem Haus des Nachbarn und sah ihnen eine Weile zu. Aber sie hatte ihre Gedanken ganz bei den beiden Vermissten. Bis Spike bellte und sie aufschreckte.
„Spike, aus“, rief Chuckie mit herrischer Stimme und machte ein Zeichen dass er still saß.
„Das ist nur mein Dad“, erkannte der Freund von Chuckie und sie sprang vom Felsen runter.
„Nette Kontrolle. Warst du mit auf der Hundeschule?“
„Ja, der Trainer hat mir ein paar Tricks gezeigt. Am Anfang war es echt schwierig, aber jetzt hab ich ihn ziemlich gut unter Kontrolle, glaub ich. Wenn du willst, zeig ich dir auch ein Mal ein paar Tricks. Was ist?“, erklärte er und sah Callie an, die den Vater des Jungen musterte. Er trug einen schwarzen Anzug. Das erschreckte sie, vor allem weil es so ein heißer Morgen war.
„Gar nichts. Guten Morgen ich bin Callie Newhall, eine Bekannte von Austin“, stellte Callie sich höflich dem Vater vor.
„Mickael Roudriguez, sehr erfreut. Sie sehen nicht aus, wie eine von seinen Schnecken“, war er nicht gerade charmant.
„Danke, denke ich. Was sind Sie von Beruf Mr. Roudriguez?“, fragte sie genau so charmant zurück.
„Leichenbestatter. Deshalb der Geruch. Entschuldigen Sie. Pepé, komm ins Haus wir wollen essen“, wurde er netter und sein Sohn und er gingen rein.
„Komischer Kerl. Komm lass uns auch wieder rein gehen, mal sehen wie es aussieht“, entschied sie irritiert und zog Spike auf die andere Seite der Straße.
„Chuck, kommst du?“, rief sie ihm hin und schneller als sie gucken konnte fuhr ein schwarzer Wagen vor und zog Chuckie rein. Ein Mann sprang heraus und der Wagen fuhr weg.
Der Mann zog eine Waffe. Vor lauter Schreck ließ sie Spikes Leine los. Schneller als sie gucken konnte sprang er auf den Mann zu und biss ihm die Kehle durch.
Sie schrie auf.

Vierzehntes Kapitel


Sie kniete auf dem Boden. Spike wedelte mit dem Schwanz und rannte um sie herum. Er sabberte Blut.
„Hey, Sie wissen vielleicht wo sie sind. Call was ist passiert?“, kam Austin mit dem Handy in der Hand aus der Tür und kniete sich zu seiner Freundin auf den Boden.
„Er hat ihn einfach getötet“, stotterte sie und zeigte auf den leblosen Körper auf der anderen Straßenseite.
„Braver Hund“, belohnte Austin den Hund und strich über seinen Kopf.
„Das war ein Biss“, war sie entsetzt.
„Ja, so wie er es gelernt hat. Wo ist Chuck?“, fragte er und sah sich um.
„Sie haben ihn mitgenommen“, war sie völlig aufgelöst.
„Wie konnte das passieren?“, verschlug es ihm die gute Laune.
„Es ging alles so schnell“, erklärte sie und er zog sie hoch.
„Geh’ ins Haus. ich muss dann wohl jemanden anrufen, der die Sauerei aufräumt“, wurde er wirsch und sie huschte verängstigt hinein.
 
„Ich hab das nicht wollen, ich hab nur eine Sekunde nicht aufgepasst“, bettelte sie ängstlich.
Austin stand mit dem Rücken zu ihm. Er telefonierte.
„Baby, sag was bitte“, bettelte sie und zog an seinen Schultern herum.
„Setz dich hin“, donnerte er und sie setzte sich aufs Sofa.
Sie hatte ihn noch nie so wütend gesehen. Sie fing an zu weinen und endlich drehte er sich um.
„Ich meld mich noch mal“, verabschiedete er den Anrufer und kam auf sie zu.
„Es tut mir wirklich leid“, schluchzte sie und dann tat er etwas, was sie nie erwartet hatte. Er kniete sich zur ihr hin und drückte sie ganz fest an sich.
„Tut mir leid, ich wollt dich nicht anschreien. Das ist alles so krank. Wie haben die raus gefunden wo wir sind? Dieser Latino nebenan, er ist kein Leichenbestatter da geh’ ich jede Wette ein“, überlegte er laut und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
„Fragen wir ihn einfach“, sagte sie kurz.
„Wir müssen eh’ mit ihm reden, schließlich liegt da das Mittagessen meines Hundes in seiner Einfahrt“, erkannte er und zog eine Waffe aus einer Schublade am Sofa.
„Definier mir mal bitte „Ruhestand“. Ich kenn wenig Ruheständler die Waffen in ihren Schränken verstecken. Außer vielleicht meinen Onkel Merl, aber das ist ne andere Geschichte. Aber sei vorsichtig, er hat seinen Sohn da drin“, entgegnete sie.
„Umso besser, er hat meinen“, hatte er ein Funkeln in den Augen und schneller als sie gucken konnte war er auch schon nach drüben unterwegs. Sie sah aus dem Fenster. Spike saß triumphierend immer noch auf dem Bürgersteig. Er stieg einfach so über den ausgebluteten Körper des schwarz gekleideten Mannes. Wie viele Leichen hatte er wohl schon gesehen?
 
Sie wusste nicht wie lang sie gewartet hatte, als er zurückkam.
„Und?“, sprang sie auf.
„Er stinkt nach Leichen. Entweder produziert er sie oder präpariert sie. Er war zumindest verdammt freundlich zu mir. Auch als ich ihm die Waffe unter die Nase gehalten habe. Das find ich ein wenig verdächtig. Hat sich die CIA noch mal gemeldet?“
„Glaubst du, sie rufen einfach so hier an?“
„Ja, das hatte ich gehofft. Also nicht. Wir dürfen nicht sehr viel Zeit verlieren. Wir sollten zur Bar fahren, von da können wir vielleicht etwas erfahren“, schlug er vor.
„Können die das nicht machen?“
„Warum sollten sie. Es geht ja nicht um die nationale Sicherheit oder so. Er ist vermutlich schon tot“, schien er die Willensstärke zu verlieren und setzte sich neben sie aufs Sofa von dem sie nicht aufgestanden war.
„Hör auf so einen Mist zu erzählen. Überleg mal, was denkst du was die wollen?“, bemerkte sie und sah ihn an.
„Leo, wen den sonst? Vanchez ist sicher nicht so ein Kerl, den man so einfach hinters Licht führen kann. Aber ich hoffe, er ist schon weit weg. Warum ist Chuck nicht in London geblieben? Der kann auch nicht auf mich hören“, war ihm seine Verzweiflung an zu sehen.
„Das ändert jetzt auch nichts mehr, wenn du hier so herum jammerst. Komm lass uns fahren“, sprang sie urplötzlich auf und zog ihn mit hoch.
Die Sonne ging inzwischen unter. Sie starrte auf die Straße. Dort war jetzt nur noch ein riesiger Blutfleck.
„Was ist?“, fragte er.
„Ich hab gar nicht gehört wie sie ihn abgeholt haben“, stellte sie fest.
„So ist die CIA, lautlos wie eine Maus. Also was hast du vor?“
„Ich hab Durst auf eine Bloody Mary du nicht auch?“
„Klingt gut. Mein Neffe lebt nicht mehr lang, aber du willst in aller Ruhe was trinken gehen?“, konterte er.
„Du weißt wie ich das meine!“
„Lass uns gehen“, schlug er vor und sie stiegen in den Wagen.
Als sie im Wagen saßen beugte sich Austin nach hinten und durchsuchte den Rücksitz.
„Was machst du da?“ konterte sie und zog ihn wieder auf den Vordersitz.
Ihre Überraschung steigerte sich noch als er plötzlich anfing sie zu küssen. Dabei fummelte er an ihrem Sitz herum und ließ dann plötzlich los.
„Du brauchst echt ne Therapie wenn das alles vorbei ist“, brabbelte sie und er machte das Fenster auf und schmiss etwas heraus.
„Abhörgerät wirklich clever. So jetzt können wir reden. Die sind wirklich gewitzt. Du hast doch ein Hotelzimmer, es ist besser wenn wir heut Nacht da übernachten. Die Wohnung ist bestimmt genauso verwanzt. Tschuldige, ich konnte es dir nicht vorher sagen ich wusste nicht wo Wanzen versteckt sind. Guck mich nicht so an“, erwiderte er und sie wurde bleich.
„Wanzen im Haus, das heißt ja die haben alles gehört, oh Gott wirklich alles“, stotterte sie.
„Das wär nicht das erste Mal, dass ich dabei abgehört wurde. Das heißt nicht, dass es nicht schlimm ist. Es ist schlimm. Wir sollten fahren“, versuchte er sich raus zu reden und trat aufs Gas.
„Ich kapier das alles nicht. Wer sind die, dass sie so eine Macht haben. Wie können die Wanzen in der Wohnung anbringen? Je länger ich hier bin, desto weniger weiß ich über dich, über das alles hier. Verdammt ,Austin. du hast deinen Jungen damit rein gezogen. Den armen unschuldigen Jungen. Und du lässt ihn bei diesem Fleischfresser von Hund in einem Haus schlafen. Machst du dir jemals Gedanken darüber?“, hielt sie ihm eine Standpauke.
„Ich mach mir ständig Gedanken darüber. Ich wollt nur meine gottverdammte Rente genießen, ein bisschen in der Bar arbeiten, aber dank deines liebreizenden Ex-Mannes sind wir in dieser Situation. Warum bist du eigentlich hier her gekommen?“, wütete er.
„Das frag ich mich auch. Halt an“, wurde sie plötzlich still und ernst.
„Du spinnst doch!“
„Red ich chinesisch, anhalten!“
„Wie du meinst“, bremste er und sie stieg aus.
„Wo willst du denn hin?“, rief er ihr hinterher, aber sie war schon in die Nacht gestiefelt.
 
Nur 500m weiter bereute sie, dass sie ausgestiegen war. Ihr folgte ein Wagen mit verdunkelten Scheiben. Sie fing an zu rennen, wurde immer schneller, aber plötzlich stand dieser Wagen vor ihr. Sie holte kurz Luft. Die Beifahrertür sprang auf. Und da stand er im schicken Armani Anzug und breit grinsend.

Fünfzehntes Kapitel


„Na, hast du mich vermisst?“, fragte Melvin mit tiefer und gehässiger Stimme.
Sie war so überrascht, dass sie keinen Ton herausbrachte.
„Was ist? Sonst fallen dir doch immer so kluge Sprüche ein. Hat Allan sie aus dir raus gebumst“, bemerkte er und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Was … was wird hier gespielt?“, stotterte sie.
„Du hättest nicht wieder kommen sollen“, sagte er bloß und zog eine Waffe. Sie blitzte richtig im Scheinwerfer des Wagens.
„Nein, das hätt ich tatsächlich nicht. Aber wie hätt ich so herausfinden können, was für ein Vollidiot mein Ex-Mann ist? Ach nein, das weiß ich ja schon“, entschied sie.
„Dir ist schon bewusst, dass ich eine Waffe habe?“, bemerkte er und sie sah die Waffe und dann wieder ihn an.
„Und?“
„Ich werd schießen!“
„Nein, wirst du nicht. Du bist noch in mich verknallt und so verdammt eifersüchtig“, stellte sie fest.
„Glaubst du ich will noch was vom Kuchen ab, wenn Allan schon alles abgeleckt hat? Wohl kaum“, entsicherte er die Waffe.
„Was denkst du eigentlich, was du da machst. Der Boss hat gesagt, unversehrt und mit einer Kugel im Kopf, ist sie das wohl kaum. Er hatte Recht, du gehst das viel zu emotional an. Ein einfacher Schlag auf den Hinterkopf tut es doch auch“, stieg der Fahrer aus und eh’ sie sich versah lag sie regungslos in Melvins Armen.
„Aber das war ein guter Spruch mit dem Kuchen. Muss ich mir merken“, hörte sie noch bevor sie das Bewusstsein verlor.
Es war eher ein Pochen als ein Stechen, als sie das Bewusstsein wieder erlangte. Ihre Augen brannten und als sie sie zu öffnen versuchte, sah sie nur schwarz.
„Zurück bei den Lebenden Prinzessin, wie schön. Sie können von Glück reden, dass Sie so einen tollen Körper haben, sonst wären Sie schon längst tot“, sagte eine Stimme die sie nicht kannte. Wer sprach dort? War es Vanchez?
„Danke, ich treibe viel Sport“, konterte sie, weil ihr in der Panik nichts anderes einfiel.
„Leo sagte schon, dass du nicht auf den Mund gefallen bist. Komm lass mich deine angeblich so stahlgrünen Augen ansehen“, riss er ihr das Tuch von den Augen.
Sie sah verschwommen. Dann klarer. Da stand also dieser Mann den alle fürchteten. Er hatte schon eine stattliche Größe, das musste sie schon zugeben, und er sah auch nicht schlecht aus, aber im Großen und Ganzen nichts Besonderes.
„So schön sind die auch wieder nicht“, schien er fast enttäuscht.
„Sie sind auch nicht grad ne Schönheit. Also was jetzt?“, fragte sie und versuchte ihre Stimme fest und stark klingen zu lassen. „Ganz schön frech, junge Dame. Sie wissen schon wer ich bin?“, plusterte er sich auf.
„Der große und mächtige Vanchez. Ich krieg hier ja eh’ nichts mit. Sie kennen das ja nicht, wenn man ganz unten in der Kette ist. Man bekommt nur das Nötigste mit und das führt dann dazu, dass man hier landet. Sie bekommen ja sicher alles mit. Vor allem von meinem Ex-Mann. Wann haben Sie ihn umgedreht? Sagen Sie schon. Als wir hier ankamen? Erst vor kurzem? Schon vor Jahren? Ist jetzt auch egal, was geht mich er noch an. Aber Sie haben einen guten Freund von mir und ich hätt ihn gern wieder. Dann verlassen wir diese Party. Ganz einfach, niemand wird verletzt“, erwiderte sie und er grinste.
Die schallende Ohrfeige, die sie bekam, hatte sie nicht erwartet.
„Ich mag es nicht, wenn sie dabei so viel reden. Das verdirbt alles. Die ganze Sache. Ja, Leo hatte Recht Sie sind echt Nerv tötend“, konterte er und knebelte sie.
„Na Gott sei Dank, ich war schon kurz davor mir Gnochis in die Ohren zu stopfen. Wäre schade um die leckeren Nudeln. Hast du Hunger?“, kam der Kerl der sie niedergeschlagen hatte zu ihnen.
„Natürlich, lass uns was essen gehen“, legte Vanchez den Arm auf die Schulter des Kerls und sie gingen aus dem Raum. Callie sah sich um. Es gab keine Fenster und Türen. Das hatte sie auch nicht erwartet.
Von ihrem Vater hatte sie erlernt einen Knebel ohne die Hände zu benutzen zu entfernen. Sie schaffte es nach einer Weile.
„Den Trick hat mir dein Vater auch gezeigt, ich hab aber nicht so lang dafür gebraucht“, hörte sie Melvin reden.
„Hab mich schon gefragt wo du steckst. Dein Boss ist ein netter Kerl, etwas ruppig, aber nett“, antwortete sie ihm, obwohl sie ihn nicht sah.
„Er ist nicht mein Boss. Wir sind Partner“, verbesserte er sie.
„Dafür schupst er dich aber ziemlich rum. Wer von euch ist die Frau?“, konnte sie es nicht lassen.
„Du missverstehst den Ernst deiner Lage ziemlich“, konterte er und trat aus der Dunkelheit an sie heran.
„Autsch, da hab ich wohl einen wunden Punkt getroffen wie passend. Hat er jemals auf etwas gehört was du ihm gesagt hast. Außer der Sache dass ich ein heißes Fahrgestell haben soll. Hast du mir übrigens noch nie gesagt. Wie auch immer. Ich will dass ihr Chuckie freilasst. Er hat nichts damit zu tun, bitte“, bat sie und er drückte sie auf den Stuhl zurück. „Netter Versuch, Call, wirklich nett. Für was sollte ich mir dann die Mühe machen, wenn ich ihn einfach so gehen lassen würde. Aber keine Sorge, du wirst deinen kleinen Schützling sofort wieder sehen“, knebelte er sie wieder, band ihre Hände vorne zusammen und zerrte sie weg.
Sie gingen einen langen dunklen Gang entlang. Dann öffnete er eine Tür, band sie los und stieß sie hinein.
„Hallo, ist hier jemand?“, fragte eine bekannte Stimme.
„Chuckie“, nuschelte sie hinter ihrem Knebel.
„Call, bist du das?“, freute sich Chuckie und sie machte ihm den Knebel über den Augen weg.
„Nein, der Weihnachtsmann mit einem Sprachfehler. Natürlich bin ich es. Hey, wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht. Komm her“, umarmte sie ihn und tastete ihn ab.
„Komm schon, ich bin nicht in Stimmung“, witzelte er schwach.
„Ich wollt nur wissen, ob du noch alle Körperteile besitzt. Gut, noch alles dran. Warum blinzelst du so?“, wunderte sie sich.
„Mir waren den ganzen Tag die Augen zugebunden ich muss mich erst mal an die Helligkeit gewöhnen. Verdammt, am Anfang fand ich dieses CIA-Zeug noch cool, jetzt ist es echt Nerv tötend. Du bist nicht zufällig da, um mich hier raus zu holen oder?“
„Dann hätt ich Verstärkung mitgebracht das kannst du mir glauben. Apropos, wenn dein Onkel hier nicht bald aufkreuzt, kastriere ich ihn höchstpersönlich, wenn ich mit diesen Idioten da draußen damit fertig bin, versteht sich. Weißt du wo wir hier sind?“
„Keine Ahnung, eigentlich will ich es gar nicht wissen. Ich hoff nur, dass wir noch auf der Insel sind“, erwiderte er und lehnte sich an die kahle Wand.
„Könnten wir ganz wo anders sein? Hast du das Meer gehört?“
„Ich bin hier aufgewacht, ich hab wohl kaum was hören können. Ich bin so müde und mein Kopf tut so weh“, murmelte er und fasste sich an den Kopf. Seine Hand war voller Blut.
„Mein Gott du bist verletzt. Zeig her“, wurde sie plötzlich fürsorglich und zog ihn an sich.
„Es hat aufgehört zu bluten, dachte ich eigentlich. Die haben ziemlich zugeschlagen diese Aasgeier. Hast du Condan gesehen? Ist er auch einer von denen?“, fragte er etwas benommen und sie riss sich ein Stück vom T-Shirt ab um die Wunde abzutupfen.
„Ich weiß nicht, aber er war mit Leo zusammen unterwegs, da liegt es doch nah, oder? Man, das ist die Hölle. Was ist, wenn sie uns nicht finden? Werden die uns töten?“, war sie jetzt auch nervös.
„Stell nicht so viele Fragen mein Schädel brummt“, entschied er und legte sich hin.
In diesem Moment merkte sie erst wie müde sie auch war. Sie legte sich zu ihm und schlief ein.

Sechzehntes Kapitel


Die Tür ging auf und ein Schlüssel klimperte. Ein neuer Tag war angebrochen, vermutete Callie als sie ihre Augen öffnete. Es war Melvin und er trug einen neuen, aber genau so dunkeln Anzug.
„Aufstehen“, forderte er und zog Chuckie auf die Beine.
„Bitte versorge ihn, er ist verletzt. Du bist doch kein Monster“, bat sie müde und rappelte sich auf.
„Du bist ruhig“, zischte er und ging wieder nach draußen.
Die Tür fiel ins Schloss. Es war eine schwere Eisentür. Wie in einem Keller. Sie atmete auf. Sie konnten also nicht auf einem Schiff sein.
„Austin, verdammt wo steckst du? Ich brauch dich hier dringend“, redete sie mit sich selbst und hämmert auf die Wand. Sie war hohl.
„Hohle Wand, hohle Wand. Es bringt nichts wenn du das wiederholst, Callie. Denk nach, komm denk nach“, führte sie Selbstgespräche und lehnte sich am Ende ihrer Kräfte an die Wand. Sie konnte Stimmen hören.
Sie presste sich enger an die Wand um sie zu verstehen.
„Hey Junge, krepier mir hier nicht weg. Das verzeiht sie mir nie. Komm, trink das“, hörte er Melvin mit Chuckie sprechen.
Sie lächelte. Sie wusste doch dass er nur simulierte. Die Anstrengung der letzten Stunden fiel von ihr ab. Er würde sie hier raus holen. Es war schon gemein, sie so im Ungewissen zu lassen.
„Komm“, zog er sie auch heraus und setzte sie unsanft auf einen Stuhl neben Chuckie dessen Kopf verbunden war.
Sie sprach ihn nicht darauf an. Sie würde sonst wohl seine Tarnung auffliegen lassen. So sah sie ihn nur an. Als sie auch versorgt war, band er sie an einen Stuhl fest, so wie Chuckie. Warum tat er das? Wenn sie die Hände frei hätten, könnten sie doch helfen. Sie sah zu Chuck herüber. Er war nicht bei Bewusstsein. War er das vorher auch nicht gewesen?
 
„Warum haltet ihr uns hier fest? Wir haben nichts getan“, erwiderte sie und sprach laut um Aufsehen zu erregen.
„Hör auf so rumzubrüllen, du willst doch leben, oder?“, zischte Melvin und packte sie an den Haaren.
„Ja, bitte lass los“, wimmerte sie und sie wurde los gelassen.
„Er atmet noch, oder?“ fragte sie plötzlich.
Kurze Stille.
„Sag was Melvin, bitte!“
„Er ist nur bewusstlos, aber er atmet noch. Dein Lover lässt sich wohl nicht blicken, säuft sich wohl grad einen“, provozierte Melvin sie.
„Hör auf damit, verdammt noch mal“, konterte sie und strampelte mit den Beinen um ihn zu treffen.
Er zog ein Messer und hielt es Chuckie an den Hals.
„Ich denke, du verstehst den Ernst der Lage nicht“, spielte er mit dem Messer an Chuckies Hals herum.
„Leo, man spielt nicht mit dem Essen, schon vergessen“, kam Vanchez zu ihnen.
„Manuel, es langweilt mich. Wenn der Kerl doch nicht auftaucht?“, ließ Melvin von Chuckie ab und ging zur Seite.
„Umso besser. Vielleicht sollt ich dann seine kleine Freundin als Sklavin halten. Und seinen Neffen verballere ich als Kanonenfutter für meine Feinde, oder die Cops, was auch immer als erstes kommt“, strich Vanchez an Callies Schenkel hoch.
„Kann ich sie nicht haben, ich weiß schließlich wie sie im Bett abgeht“, bat Melvin und Callie verzog angewidert das Gesicht.
„Ich weiß leider auch wie du so im Bett abgehst. Da nehme ich lieber ihn“, platzte es aus ihr heraus.
„Das lass ich mir nicht zwei Mal sagen, Süße. Komm mit“, zog Vanchez sie vom Stuhl und aus dem Zimmer.
In dem Moment bereute sie ihre Worte.
Sie schloss die Augen. Sie hörte einen Reißverschluss der aufging und ihre Hose wurde heruntergezogen.
Sie versuchte an Austin zu denken. An seine schönen festen Haare und sein bezauberndes Lächeln. Sie kniff die Augen so fest zusammen als würde das etwas ändern.
Sie fühlte die starken Arme und ein Schauer überkam sie. Sie bereitete sich schon seelisch darauf vor, als sie plötzlich von ihm auf den Boden gerissen wurde.
„Das war wirklich nicht nett“, sagte eine bekannte Stimme und sie hörte Vanchez aufschreien. Sie öffnete die Augen wieder. Sie brannten. Da stand Melvin der Vanchez gerade bewusstlos geschlagen hatte.
„Entschuldige, Mr. Empfindlich, aber es ist doch wahr. Wie weit wolltest du ihn denn machen lassen?“, fragte sie und zog ihre Hose wieder hoch.
„Gern geschehen. Jetzt komm, bevor die Bullys merken, dass Vanchez Sternchen zählt. Du bist sauer auf mich oder?“
„Worauf du Gift nehmen kannst, die ganze Show war echt nicht nötig. Wo ist der Junge?“, zupfte sie ihre Jacke zurecht.
„Ich werd ihn holen, wenn er aufwacht, einfach noch mal draufhauen“, huschte Melvin davon.
Er war gerade weg, als Austin angestürmt kam.
„Kommst du auch mal“, nörgelte sie.
„Entschuldige, wenn dich dieser Blödmann in so einer Nacht und Nebel-Aktion entführt. Wo steckt er überhaupt?“, verteidigte sich Austin und Melvin kam mit dem Jungen auf dem Arm wieder heraus.
„Was hast du mit ihm gemacht?“, wütete Austin.
„Ein Schlafmittel gespritzt, er muss das ja nicht alles so mitbekommen. Was machen wir jetzt mit Vanchez?“, erklärte er und schneller als Callie gucken konnte hatte Austin Vanchez eine Kugel in den Kopf gejagt.
„Du hast Recht, er muss das wirklich nicht mitbekommen. Vor allem weil wir hier jetzt nicht mehr lebend raus kommen“, sagte Austin in aller Seelenruhe.
„Du bist so ein Blödmann, ich hoffe du weißt das. Du hast uns grad alle umgebracht“, war Melvin aufgebracht.
„Wir sind zu dritt und wir sind bewaffnet, wir werden das schon packen“, stellte Austin fest.
„Du hast mich wegen dem Kerl verlassen?“, konnte es Melvin nicht fassen und Callie lud die Waffe die ihr Austin mitgebracht hatte.
„Nein, nur weil du ein Vollidiot bist. Kommt“, bemerkte sie und die Gruppe ging Richtung Ausgang. Wie vorausgesagt kamen sie nicht weit.
Schnell waren sie von 6 Männern umzingelt.
„Linke Flanke, rechte Flanke, Mitte“, rief Austin.
„Ich hab deinen verdammt schweren Neffen auf dem Arm wo soll ich hin damit?“, fragte Melvin und Austin rollte mit den Augen.
„Schmeiß ihn auf den Boden“, befahl er hektisch.
„Austin!“ motzte Callie.
„Was? Er ist doch bewusstlos, oder?“
„Also los“, bat Austin als Chuck auf dem Boden gelandet war.
Schneller als sie gucken konnte waren 4 Männer ausgelöscht. Nur ihre zwei kamen immer näher auf sie zu.
„Links!“
„Rechts!“ schrien die beiden und alle 6 waren erledigt.
„Warum hast du nicht geschossen?“, motzte Austin, Callie an.
„Ich hab noch nie auf Menschen geschossen, höchstens auf Männer auf Papier“, entgegnete sie.
„Jetzt wirst du es wohl machen müssen. du hast noch die ganze Munition. Auf den nächsten den du siehst, schießt du“, donnerte Melvin und sie nickte verstört.
Sie gingen weiter und als sie den nächsten sah, schoss sie. Leider nur in den Oberschenkel oder besser gesagt Gott sei Dank.
„Verdammt, was soll der Mist?“, brüllte eine bekannte Stimme und der Mann fiel um.
„Na wunderbar, jetzt hast du Jeremiah angeschossen“, fluchte Austin und ging zum verletzten Condan.
„Was? Du hast gesagt ich soll auf den nächst besten schießen“, entschied sie.
„Wenn ich es dir sage, verdammt. Jeremiah, alles klar?“, beugte er sich zu Condan herunter.
„Ja, alles bestens ich hab nur eine Kugel in meinem Bein, sonst nichts“, erkannte er sarkastisch.
„Es tut mir leid“, erwiderte Callie und half ihm auf.
„Wie viele hast du?“ fragte Austin, Condan.
„Die 3 am Eingang und ihr?“
„6 mit Vanchez 7“, konterte Melvin.
„Gut, dann haben wir alle. Lasst uns abhauen“, bat Condan mit schmerzverzerrtem Gesicht und humpelte zurück.
Die Nacht in die sie hinauskamen war kalt. In der Ferne konnten sie die Lichter der Stadt sehen.
„Das war viel zu einfach, glaub ich“, stellte Callie fest als sie mit Austins Hilfe Condan auf die Straße zerrte. Er war nah an der Bewusstlosigkeit.
„Das seh’ ich anders, Leute. Ich krepier hier grad“, stammelte Condan. Seine Haut war heiß und er schwitzte.
„Ich ruf einen Krankenwagen“, legte Melvin den immer noch Bewusstlosen Chuckie auf eine Parkbank und griff zum Handy.
Condan war bewusstlos, als der Rettungswagen endlich nach quälenden Minuten eintraf. Die Sanitäter stellten tausend Fragen. Vor allem über Chuckie. Ob er Drogen genommen hätte, wie alt er war und so weiter. Callie fühlte sich fast wieder wie zu Hause. Ihre Hände klebten von dem Blut. Von Condans Blut, von ihrem Blut und dem Sand den sie sich eingefangen hatte als sie Condan verarzten wollte.

Siebzehntes Kapitel


„Hey Miss, Ihr Mann wird es schaffen“, weckte eine Stimme Callie und sie brauchte eine Sekunde um klar zu sehen.
„Ich bin nicht seine Frau. Ich bin geschieden“, lugte sie mit einem Auge weil eins brannte.
„Okay, dann kommt Ihr Ex-Mann durch. Brauchen Sie nen Kaffee?“, fragte die Schwester freundlich.
„Hey, ich bin hier der einzige, der sich als dein Ex-Mann ausgeben kann“, kam Melvin mit Stolzgeschwellter Brust ins Krankenzimmer.
„Eher etwas stärkeres. Scotch wär nicht schlecht. Hey Leute, ich muss eingeschlafen sein. Ist die Operation geglückt und Jeremiah wird mich nicht verklagen?“, fragte sie und die Schwester prüfte Condans Kochsalzlösung.
„Er verklagt dich nicht, sonst würd ich ihm da hin schießen wo es nicht so leicht heilt. Hast du Kopfschmerzen?“, war Austin, wie immer fürsorglich.
„Erst seit mein Ex hier ist. Wie geht’s dem Kleinen?“, stand sie auf, musste sich aber abstützen, weil ihr schwindelig wurde.
„Wunderbar, ich hab ihn so bewusstlos wie er war, gleich heut Nacht in einen Flieger nach London zurückgeschickt. So kann er wenigstens nichts dagegen sagen. Seine Kumpanen sollen ihm weiß machen, dass er einen höllischen Trip eingeworfen hat. Mal gucken, ob er das schluckt. Wort wörtlich. Nur schade, dass er nicht bei unserer Silvesterparty dabei ist. Was? Wir müssen doch feiern, dass endlich alles vorbei ist“, erklärte Austin.
„Mein Urlaub geht leider danach zu Ende. Ich könnt noch Urlaub gebrauchen, vom Urlaub. Was? Was guckt ihr mich so an? Ihr habt doch nicht wirklich gedacht, dass ich jetzt für immer hier bleibe, ich hab ein Leben zu Hause“, entgegnete sie und zog ihre Jacke an.
„Das war’s dann, war schön mit euch und tschüss?“, war Austin sichtlich betrübt.
„Ja, so in etwa. Ich werd jetzt ins Hotel fahren und packen, wenn ihr feiern wollt hab ich da sonst ja keine Zeit für. Bis später“, küsste sie Condan auf die Stirn und verschwand aus dem Krankenzimmer.
 
Sie wollte so schnell wie möglich weg von dort. Die letzten Tage hatten sie traumatisiert und gleichzeitig amüsiert. Sie hatte wunderschöne Stunden mit Austin, schreckliche und angenehme, nein eigentlich nur schreckliche Stunden, mit ihrem Ex und sie hatte Chuckie noch ein Mal gesehen. Und sie hatte auf jemanden geschossen. Ihr Vater hatte immer, wenn er mal wieder etwas zu viel Wein hatte, erzählt was für ein Machtgefühl es war einen Menschen zu töten. Sie schämte sich nur. Eigentlich hatte sie ja niemanden getötet, nur dabei zugesehen, aber das war sicher genau so schlimm.
 
„Miss, könnten Sie ihren Sitz wohl ein wenig weiter nach oben machen, ich fühl mich beengt“, stupste sie jemanden aus ihren Gedanken.
„Natürlich“, erwiderte sie und sah sich um. Es war wieder der gleiche Kerl mit dem sie die Reise schon einige Male angetreten hatte. War er ein CIA-Agent der von den Jungs zu ihrem Schutz abgestellt wurde? Nein der kauzige Kerl mit Brille sah wirklich nicht so aus.
Sie stellte den Sitz wieder in die aufrechte Position und knüllte ihr Kissen so, dass sie etwas schlafen konnte.
 
Nach Sylvester ging es ganz schnell mit dem Jahr. Schwups war es März. Sie übergab
sich oft in dieser Zeit und dachte an eine Gehirnerschütterung durch den Schlag auf den Kopf. Aber der Besuch beim Arzt war noch ein Schlag aber diesmal etwas tiefer.
 
Es war der 21. März 2004, zumindest das Datum schrieb sie auf ihren Brief, den sie Chuckie schreiben wollte. Sie nahm ihre Brille auf und rieb ihre Nase. Sie steckte im Brief fest. Sollte sie es ihm schreiben? Es hatte ja mit ihm zu tun in gewisser Weise. Sie schrieb weiter.
Als sie ein Hecheln hörte, sah sie verwundert auf. Sie setzte ihre Brille auf, denn sie konnte nicht glauben, was sie da sah. Da saß doch wirklich Spike und wartete, dass sie etwas tat.
„Spike? Hey du Strolch, wie kommst du denn hier her?“, stand sie auf und ging um den Tisch herum um ihn anzusehen.
Sie kniete sich hinunter. Gedankenverloren spielte sie mit seinem Hundehalsband herum. Erst jetzt bemerkte sie die Inschrift darauf. Dort stand
 
Vorsicht
S.P.I.K.E
 
Sie stand wieder auf und sah in der Tür Austin stehen, der kein Wort sprach.
„Was ist ein S.P.I.K.E?“, fragte sie und er kam auf sie zu.
„Warte, ob ich’s noch zusammenkriege? Special Protector Intelligent Kills Enemy[1], glaub ich. Das hab ich mir nicht ausgedacht, das haben die Bosse sich ausgedacht. War schwer dich zu finden, sogar fürs CIA. Du bist umgezogen“, begrüßte er sie mit einem Kuss den sie aber kalt mit ihrer Backe abwehrte.
„Ja, das bin ich. Mit meinen Eltern zusammenzuleben wäre nicht die beste Lösung gewesen. Also, was willst du, braucht er mich wieder für eine eurer Kamikaze Missionen?“, schloss sie die Tür.

[1]
 Spezieller intelligenter Beschützer tötet den Feind


„Ich wollt dich sehen, das ist alles“, verstand er ihre Kälte nicht.
„Und deshalb fliegst du die lange Strecke?“
„Nicht ganz. Setz dich bitte“, bat er und leicht gereizt tat sie wie ihr geheißen.
„Also was ist so aufregend wofür ich nicht stehen kann?“, herrschte bei ihr Kälte in der Stimme.
„Ich weiß ich hab dich belogen, einige Male. Okay, ja eigentlich immer. Aber ich hab dich nicht belogen, was meine Gefühle angeht. Ich hab nicht gelogen, als ich sagte ich brauche dich und ich werde auch niemals lügen was diese Gefühle angeht. Callie schon bei dem Moment, als ich in deine wunderschönen Augen gesehen habe, war es um mich geschehen. Damals warst du nicht frei und das hab ich respektiert, okay außer in dieser einen Nacht, aber daran geben wir schön dem Alkohol die Schuld, ja? Aber jetzt bist du allein, ich bin allein und da ich jetzt sogar Leo davon überzeugen konnte, dass wir beide einfach zusammen gehören, muss es doch für uns eine klitzekleine Chance geben“, hielt er eine beeindruckende Rede.
„Hast du das vor dem Spiegel geübt?“, fragte sie schmollend, konnte sich aber ein Lächeln nicht verkneifen.
„Ja, und das war gar nicht so einfach in der Flugzeugtoilette. Ich bin dauernd mit dem Kopf gegen den Spiegel geknallt, das sag ich dir“, schmunzelte er und kniete vor ihr.
„Du willst mir doch jetzt keinen Heiratsantrag machen, oder?“, fragte sie und lächelte breit.
„Nein, natürlich nicht, außer du willst …“, stotterte er.
„…du vielleicht auch wenn du erfährst, dass ich wieder schwanger bin“, erkannte sie und er fiel vor lauter Schreck auf den Hintern.
„Zwei Schüsse und zwei Treffer das muss mir erst einer nachmachen. Uh, Leo wird ausflippen, wenn er das hört. Entschuldige, männlicher Stolz. Ich werde für immer für dich da sein, für euch beide und komm ja nicht auf die Idee und fahr wieder gegen irgendeinen Baum, ja?“, freute er sich und sie küsste ihn auf dem Boden.
„Ich finde wir sollten heiraten. Schließlich brauch ich was zum schlafen, wenn ich schon mal hier bin“, bemerkte er.
„Oh, ja wirklich sehr romantisch“, konterte.
„Okay, wie gefällt dir das?“, nahm er mit seiner freien Hand Spike sein Halsband ab und band es ihr um den Arm.
„Du bist vermutlich genau so mutig und eine Killermaschine wie er, also passt es auch dir“, erwiderte er und sie zog es wieder aus.
„Nimm dem armen Hund doch nicht sein Eigentum weg. Wenn schon, denn schon will ich einen wunderschönen Ring. Von dem Ding krieg ich Flöhe“, konterte sie und stand auf.
„Spike hat keine Flöhe. Er ist ein frisch geputzter Ex-CIA Agent und zusammen mit seinem Herrchen, dem auch endlich ehemaligen CIA-Agenten will er dich zum Essen einladen“, sprang er auf.
„Nicht schlecht, für einen alten Mann, oder?“, prahlte er und legte den Arm um sie.
„Ach richtig, du wirst ja bald 40. Und dabei noch so potent. Frauen würden eine Menge zahlen, um dein wertvolles Gut zu bekommen. Hast du schon Mal an Samenspende gedacht?“, zog sie ihn aus ihrem Büro.
„Nein, aber ich will doch alles für uns aufheben. Ich möchte 12 Kinder haben“, scherzte er.
„Aber ohne mich, mein Lieber. Schaff dir nen Harem an“, witzelte sie zurück und er überlegte.
„Von wegen, das gäbe ein Mords Gedränge im Badezimmer. Ich will die einzige Frau für dich sein. Hey, ich weiß genau wo du mich hin ausführen kannst“, erwiderte sie und lächelte. Als sie an dem Irish-Pub ankamen hing ein „Zu verkaufen“-Schild an der Tür.
 „Hey, der Pub hier ist zu verkaufen, ich hab noch ein bisschen Geld auf der hohen Kante, vor allem nachdem ich die Strandbar verkauft habe. Was denkst du?“, fragte Austin und sah sie an.
„Du willst einen Irish-Pub aufmachen?“
„Ich bin ein ausgebildeter Profiler, das wär der ideale Job für mich“, erkannte Austin und Callie zog die Tür auf.
„Dann geh, die Leute brauchen dich“, erwiderte Callie lächelnd und folgte ihm in die Bar. Im Sommer eröffnete Austin die Bar wieder, heiratete Callie und im Herbst wurde seine Tochter geboren. Das Paar konnte sich in Washington DC endlich sicher fühlen und Callie hatte endlich die Familie, die sie eigentlich mit Melvin geplant hatte. Doch diesmal wusste sie aber, dass sie endlich bleiben würde und ihre Reise zu einem Ende gekommen war.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 12.02.2011

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