Heut zu Tage mischt jeder Manager der einen Namen zu haben scheint, eine Handvoll Jungs zusammen, die gut aussehen, singen können und am besten noch die besten Freunde sind, zusammen und nennt das Projekt dann Boyband. Versteht mich nicht falsch, ich erzähle jetzt nicht die Geschichte von 5 solchen Prinzen, meine Jungs sind echt. Sie sind jung, sie sind gut drauf und meine Vorstellung davon wie eine Boyband … entschuldigt Popgruppe sein muss. Ihr Name More Beat. Wohnhaft in der Stadt die alle mit Elvis in Verbindung bringen. Memphis! Eine Stadt irgendwo in Amerika indem ein Nachtclub steht der Murphys heißt.
Zu aller erst sollte ich die Jungs vielleicht mal vorstellen. Also ihre Namen waren Nick, Howie, Brian, Kevin und AJ. Ha, hab ich euch dran gekriegt, wie sehr ich die Backstreet Boys auch als 14-jähriges Mädchen verehrt habe, um diese Jungs geht es nicht. Okay, ich beginne mit Henry Talman, dem Ältesten in der Band und große Bruder von Sänger Rafferty. Er hat eine kleine Tochter mit Namen Edyn, die bei ihrer Mutter wohnt, spielt die Drums und leitet nach seiner Scheidung einen kleinen Frisörsalon in dem Wohnhaus der Band. Sein Spitzname Bale passt perfekt auf die geballte Ladung Mann. Damit gehe ich gleich weiter zu Rafferty Talman, Sänger und Gitarrist, nur Chinese Rhapsody genannt, wegen seiner Vorliebe für chinesisches Essen. Saxophon ist nur eine Leidenschaft von dem Iren Armagein, aber seine Liebe gehört seiner Landsmännin Taijse. Efran Charleston ist ein Gott am Keyboard, das denkt nicht nur die Band, sondern auch seine Frischangetraute Frau Edvia. Das Maskottchen der Band ist Tan, geboren als Tanner Talman, der etwas beschränkte Cousin der Talmans. Sein Markenzeichen die feuerroten Haare trägt Odion Palmer mit Stolz, seine Freundin Saida Frazier wird erst richtig heiß, wenn er am Bass sein Talent zum Besten gibt. Jede gute Band braucht einen Manager und das ist in ihrem Fall Edric Phillips, der gerade eine Ehekrise mit seiner Frau Rai hat. Last but not least ist der neuste und Jüngste im Bunde Madison Sweeny, frisch verliebt in seine E-Gitarre und Kellnerin Anne-Mary Terrell, die alle nur Abba nannten wegen ihrem Geschmack für Discomusik. Ihr fragt euch, woher ich das alles weiß, na ja, ich kenne diese Band langsam besser als mich selbst. Übrigens, ich bin Bara Randon, ich hab für eine Redaktion in Memphis gearbeitet und ich hab grad die aufregendste Zeit meines Lebens hinter mir.
Der Geruch von ranziger Pizza und Bier war in dem kleinen Zimmer deutlich zu riechen. Der Musiker mir gegenüber spielte den gleichen Akkord zum Zigsten Mal und nervte mich langsam damit.
„Mr. Talman, es ist Freitagabend und ich hab noch was anderes vor, also fangen wir jetzt an oder was?“, bat ich etwas forsch und klimperte mit meinem Kugelschreiber auf dem Papier herum.
„Sie haben wohl kaum ein Date, sonst wären Sie nicht mehr hier“, erwiderte Rafferty Talman etwas selbstgefällig und sah mich an.
„Wenn Sie es genau wissen wollen, ich hab mein Date abgesagt, um Sie zu interviewen, aber bis jetzt hab ich nur einen Satz auf meinem Papier stehen. Sie sind wohl nicht sehr gesprächig, oder?“, fragte ich und klickte meinen Kugelschreiber auf.
„Ich spreche durch meine Musik meine Süße, das genügt doch, oder?“, war er arrogant.
„Das erklärt wohl, warum Sie als einziger in der Band keine Freundin haben. Sie sollten Ihre Arroganz mal für einen Moment vergessen, mein Süßer“, konterte ich genau so unverschämt.
„Sie gefallen mir, wir sollten mal ausgehen“, flirtete er mich unverschämt an.
„Nicht wirklich. Also, wollen Sie jetzt im Rolling Stone stehen, oder nicht?“, verhandelte ich.
„Sie schreiben nicht für den Rolling Stone, meine Süße“, ließ er sich nicht beirren.
„Aber meine Chefredakteurin hat einen Bekannten beim Stone, das könnte schneller passieren, als Sie denken“, handelte ich.
„Gut, schießen Sie los“, gab er nach.
„Geht doch. Also wie kamen Sie zur Musik Mr. Talman?“, begann ich.
„Meine Freunde nennen mich Chinese Rhapsody!“
„Okay, Mr. Talman. War zwar ne Antwort, aber nicht die, die ich haben wollte“, erkannte ich.
„Mein Bruder hatte ne Band in der Highschool und der Sänger musste nen Entzug machen. Ich bin als Ersatz eingesprungen. Wir sind die einzigen, die von der ursprünglichen Band übrig geblieben sind“, antwortete er endlich korrekt.
„Also die ganz normale Garagen-Karriere. Wie kamen Sie zu dieser Bar?“, fragte ich weiter.
„Die Bar war die abgewrackteste in der Gegend und ich liebe Herausforderungen“, erklärte er cool.
„Ah, ich hab Sie für interessanter gehalten“, war ich etwas enttäuscht.
„Sie sollten die anderen der Band interviewen, wenn Sie was Interessantes suchen“, war er etwas beleidigt.
„Ich hätte zu meinem Date gehen sollen“, überlegte ich laut.
„Der Abend ist noch jung und ich kenn da ne nette Bar“, flirtete er wieder.
„Ich glaub ich geh’ heut früh ins Bett und interviewe morgen jemand Interessantes. Ich kann kaum glauben, dass meine Karriere schon so früh an ihrem Tiefpunkt angekommen ist, ich danke Ihnen für Ihre Zeit“, stand ich auf und schulterte meinen Ledertasche.
„Sie sollten Morgen Abend zu unserem Samstagabend Partyabend kommen, dann haben Sie was zu schreiben“, schlug Rafferty vor.
„Mal sehen, ich ruf Sie an. Schönen Abend noch“, entgegnete ich unschlüssig und in diesem Augenblick sprang die Tür auf.
„Rhapsody, ich bin grad ziemlich überfordert da unten, kannst du dich nicht kurz nützlich machen und die Haare wegkehren“, kam ein kräftiger Mann mit Pferdeschwanz, den ich laut meiner Recherchen als Henry Talman kannte, in den Raum gestürmt.
„Bale, ich hab Besuch, das siehst du doch“, murrte Rafferty.
„Die junge Dame scheint gerade gehen zu wollen, wie es aussieht. Also kommst du?“, fragte Henry gestresst.
„Ich bring sie noch zu ihrem Auto wenn du mir das erlaubst, dann komm ich zu dir. Sie müssen meinen Bruder entschuldigen, er war so blöd seiner Kollegin frei zu geben, während er mit Terminen überhäuft wird. Er arbeitet immer noch mit dem guten alten Schreiblock, er misstraut Computern. Wenn Sie eh’ grad ne berufliche Sinnkrise haben, er könnte eine Frau für den Computermist gebrauchen und vielleicht auch für etwas mehr, seit seiner Scheidung ist er ziemlich einsam“, erklärte Rafferty.
„Ich könnte wirklich ne Tippse gebrauchen, mehr im Moment nicht. Du musst dich echt nicht wundern, warum du keine Freundin hast, wenn du so bist“, band Bale seinen Pferdeschwanz neu, aus dem ein paar Haare gefallen waren.
„Wenn ich den Job brauche, ruf ich Sie an. Also ich muss jetzt los“, schob ich mich an Bale vorbei in den Hausflur.
„Ist der blaue Ford da draußen Ihrer?“, fragte Bale und kam zu mir heraus.
„Sagen Sie mir bloß nicht, die haben mir die Reifen geklaut“, ahnte ich schlimmes.
„Nein, er ist nur eingeparkt, da kommen Sie nicht raus“, erkannte Bale lässig.
„Toll, wissen Sie vielleicht, wie ich sonst nach Hause kommen soll, ich kann in dieser Gegend wohl kaum zu Fuß laufen“, hatten sich meine Befürchtungen, meinem Auto könnte hier was zustoßen befürwortet.
„Sie könnten jeden in der Bar fragen, ob der Wagen der hinter Ihnen steht jemand gehört. Könnte nen langer Abend werden. Oder sie bleiben noch ne Weile hier und warten bis der Wagen wegfährt“, schlug Bale vor.
„Wundervoll“, ging ich ein paar Schritte weiter.
„Also, wem gehört der Wagen?“, fragte Rafferty seinen Bruder, als er dachte, dass ich ihn nicht mehr höre.
„Ist unserer Lieferwagen. Ich dachte, wenn dir schon ne Frau in die Arme läuft, sollten wir sie etwas dabehalten“, erwiderte Bale und ich sah Rafferty durch den Spiegel an der Wand grinsen.
Na toll, ich wurde also von jemandem gefangen gehalten, der immer noch glaubte, dass Pferdeschwanz modisch wäre, und einem so verkorksten Typen, der von seinem Bruder die Frauen angeschafft bekommen musste. Aber es war Freitagabend und ich hatte sonst nichts vor. Ich konnte ihnen den Gefallen tun und ne Weile bleiben.
Durch die Boxen der Bar dröhnte irgendwas von einer bekannten Rockgruppe, was mich nicht überraschte. Ich stellte meine Tasche ab und verstaute sie unter dem Barhocker, bevor ich mich auf einem platzierte.
„Na Rotkäppchen, hast du dich zum bösen Wolf verirrt?“, quatschte mich der Barkeeper an und lehnte sich zu mir über den Tresen.
„Toll, ein Komiker wie amüsant. Gibt es bei euch auch was nicht Alkoholisches?“, fragte ich cool.
„Ich könnt dir ne Pepsi anbieten, musst du denn morgen wieder zu Schule?“, lästerte der Typ über mich.
„So ähnlich, ich muss noch fahren. Pepsi klingt gut, mit Eis bitte“, drehte ich mich lässig auf meinem Barhocker um, um den Laden abzuchecken. Ich war das erste Mal in dieser Bar und ich wusste schon wieso. Ein blonder Mann in den Zwanzigern, spielte Fahrstuhlmusik auf dem Saxophon und die Kundschaft bestand aus Taxifahrern und betrunkenen Männern in schlecht sitzenden Anzügen. Wenn es nicht für einen Job gewesen wäre, hätte ich diese Bar nie betreten.
„Hier, deine Pepsi, Kleine. Entschuldige meine ruppige Art, meine Frau treibt mich grad in den Wahnsinn“, entschuldigte sich der Barkeeper plötzlich bei mir.
„Glaub ich Ihnen, man kann sein Privatleben nicht immer ganz abschütteln, bevor man zur Arbeit geht. Ich hab kein Privatleben, bei mir ist das einfach. Ich bin ne Frau, vielleicht kann ich Ihnen bei Ihren Problemen vielleicht helfen“, bat ich meine Hilfe an.
„Sie bekommt bald ein Kind und ich glaub nicht, dass es von mir ist“, gestand er.
„Das ist natürlich nicht gerade förderlich für die Beziehung. Ne Ahnung wer es sein könnte?“, witterte ich ne Story.
„Haben sie den Boliden an der Tür gesehen. Mr. Muskelmann. Sein Name ist Tanner, der Cousin der Barbesitzer. Er hat zwar nur ein IQ von fünf, maximal zehn, aber meine Frau steht auf ihn“, erklärte der Typ.
„Das ist natürlich eine verzwickte Situation. Haben Sie schon über einen Vaterschaftstest nachgedacht?“, fragte ich.
„Dann flieg ich hier ganz sicher. Ich bin hier nur der Manager, leicht ersetzbar. Ich bin übrigens Edric und Sie sind?“, stellte der Typ sich vor.
„Bara. Ist die einzige Möglichkeit es herauszufinden. Ich würde es riskieren, sonst ist da die ewige Ungewissheit. Ich spreche aus Erfahrung, ich bin mir auch ziemlich sicher, dass mein Vater nicht mein Vater ist, aber jetzt trau ich mich nicht mehr ihn um den Test zu bitten“, erkannte ich. Das war zwar ziemlich Erstunken und Erlogen, aber so brachte ich ihn dazu, mehr zu erzählen.
„Ich glaub, dann verlier ich sie und das ist schon mein zweiter Ehe-Versuch, ich bin dann pleite“, erwiderte Edric und ich drehte mich wieder zu ihm.
„Wenn sie es wirklich getan hat, kriegt sie als Ehebrecherin keinen Unterhalt. Ich hab mal in einer Anwaltskanzlei für Scheidungsrecht gejobbt, ich weiß wovon ich rede. Sie können nur Ihre Frau verlieren …“, erklärte ich und in diesem Moment kam Tanner in all seiner Macht in die Bar.
„Oder Ihr Leben. Ich setz mich an einen Tisch, Blutflecken gehen so schwer aus meiner Jacke raus“, schmunzelte ich, nahm meine Tasche und mein Pepsiglas und setzte mich an einen Tisch, an dem eine Frau mit einem roten Pferdeschwanz, eine blonde Frau mit kurzen Haaren, und eine schwarzhaarige Schönheit saßen. Sie war hundertprozentig Groupies. „Ich sag’s dir, seit wir aus Kuba zurück sind, ist er noch schärfer aus mich. Meine Mutter hatte Unrecht, dass hört nach der Hochzeit nicht auf“, bemerkte die Schwarzhaarige. Sie musste die neuste Ehefrau der Band sein, Ediva Charleston, frisch aus den Flitterwochen zurück. Die Frauen spielten Karten. „Freu dich nicht zu früh, spätestens nach sechs Monaten ist er nur noch auf Bier scharf“, setzte sich schwermütig eine hochschwangere Chinesin neben mich. Das musste Edrics untreue Gattin sein.
„Aber ein Mal ist er wohl noch scharf auf dich gewesen, sonst würdest du nicht so rumlaufen, Rai“, konterte Ediva schmunzelnd.
„Wie du meinst. Also wer gibt?“, entschied Rai verdächtig abwesend.
„Wir haben eine neue Mitspielerin wie mir scheint. Ist sie eine von Tans Weibern?“, fragte die Rothaarige.
Sie meinte mich.
„Nein, sie hat nen Oberteil an, ganz eindeutig nicht. Hey wer bist du?“, stupste Rai mich an.
„Beachtet mich gar nicht, ich warte nur auf mein Taxi“, log ich.
„Eine von Chinese Bräuten kann es auch nicht sein, sie spricht einen Satz ohne dabei zu kichern. Also, wer bist du?“, fragte Edvia.
„Ich war bei Chinese, für nen Interview“, gab ich zu.
„Was willst du denn bei dem? Der ist doch langweilig“, erkannte die Rothaarige.
„Ist mir auch schon aufgefallen, deshalb sitz ich jetzt hier unten. Ich bin Bara“, stellte ich mich höflich vor. „Freut mich, ich bin Saida Frazier, dass hier sind Edvia Charleston und Rai Phillips“, bemerkte Said mit einer Kippe im Mund.
„Hi, ihr wisst nicht zufällig, wem der graue Pick Up da draußen gehört, oder?“, fragte ich, weil ich mich langsam nicht mehr wohl fühlte.
„Klar, das ist Tanners Karre, damit holt er immer die Lieferungen. Hat er dich zugeparkt?“, fragte die Blondine, die bis zu dem Zeitpunkt nichts gesagt hatte, freundlich.
„Sieht ganz so aus. Ich hab nur die Befürchtung, dass er mich auffrisst, wenn ich ihn darum bitte wegzufahren“, erklärte ich lächelnd.
„Tan, stell deine verdammte Karre um, die Lady will raus“, brüllte die Blondine durch die Bar und der große starke Mann schlurfte zum Ausgang.
„Du musst nur klare Anweisungen geben, dann gehorcht er. Lauf ihm am besten nach, sonst vergisst er es auf halber Strecke. Ich bin übrigens Taijse und der Typ mit der Fahrstuhlmusik ist meiner“, streckte Taijse mir freundlich die Hand entgegen.
„Danke, hast was gut bei mir. Ich komm morgen vermutlich zum Konzert, vielleicht sehen wir uns da“, sprang ich auf, um Tanner hinterher zueilen. Ich war froh, dass meinem Wagen kein Reifen fehlte, wie ich es befürchtet hatte.
Tanner war wirklich keine Quatschbase, aber da mein Hals sich durch den Rauch völlig kratzig anhörte, war ich vollkommen zufrieden damit. Ich betrachtete mich im Rückspiegel. Meine Augen tränten und waren rot geschwollen. Nie wieder Interviews in einer Bar, das sollte ich mir fest vornehmen. Ich tropfte mir meine Augentropfen in die Augen und blinzelte. Ich wohnte am Rande der Stadt. Mein Apartment war nicht das Schönste, aber zumindest sauberer als dass, aus dem ich grad kam. Ich drückte den Knopf meines Anrufbeantworters. Ich würgte meine Mutter ab und drückte auf den Vorwärtsknopf. Der Doppelpieps deutete an, dass das die letzte Nachricht gewesen war.
„Ich weiß, Mum, ich geh’ auch nicht gern dahin, aber ich bin Musikredakteurin, das ist mein Job“, schmiss ich meine Tasche auf den Sessel neben mir und knallte mich aufs Sofa. Ich sah auf meine Armbanduhr. Es war zu früh um schon ins Bett zu gehen, aber ich hatte nicht mehr die Energie noch irgendwas zu unternehmen. Ich zappte schnell ein Mal durch die Fernsehkanäle und stand dann wieder auf. Mein Bett war kalt, zu kalt für meinen Geschmack. Es war ja noch nicht mal dunkel. Ich setzte mich auf und nahm mein Buch in die Hand. Ich hatte vermutlich das langweiligste Leben in der ganzen Stadt.
Die Redaktionssitzung Tags drauf war wie immer stinklangweilig. Doch dann fiel mein Name.
„Miss Randon, wie sieht es mit dem More Beat Interview aus?“, fragte mich die Redaktionschefin und ich schreckte auf.
„Nicht so üppig, der Sänger war nicht sehr gesprächig“, erkannte ich lustlos.
„Das häuft sich in letzter Zeit, Sie müssten vielleicht mal ihre Strategie ändern“, erwiderte meine Chefin schroff. „Nein, ich glaub ich kündige“, hörte ich mich sagen und die Worte hallten durch den Raum.
„Könnten Sie das wiederholen?“, war meine Chefin irritiert.
„Ich hab mein Büro bis heut Mittag geräumt. Danke für Ihre Geduld, aber ich denke, ich werde hier nicht gebraucht. Einen schönen Tag noch“, stand ich auf und ging einfach.
„Ich hoffe das Angebot, mich anzustellen steht noch“, stand ich mit meinem Pappkarton in der Hand vor der Tür des Murphys.
Bale sah mich verwirrt an.
„Wer zum Henker sind Sie?“, fragte Bale und kratzte sich am Kopf.
„Das heißt wohl ja. Danke, zeigen Sie mir meinen Schreibtisch?“, rauschte ich einfach hinein.
„Bale, wer klingelt da so früh am Morgen?“, kam Rafferty nur in Shorts bekleidet die Stufen herunter.
„Bleiben Sie bitte genau da, wo Sie sind, ich hatte meinen zweiten Kaffee noch nicht und diesen Anblick kann ich nur mit ihm ertragen“, verdeckte ich meine Augen.
„Raff, zieh’ dir bitte was an, wenn du dein Zimmer verlässt, wir haben Frauen hier“, bat Taijse, die aus der Küche kam und warf ihm ein T-Shirt hin.
„Also ihr habt euch bis jetzt noch nicht über mein Aussehen beschwert“, nörgelte Rafferty.
„Dann wird es Zeit, dass wir das tun. Hey, Sandra Dee, du bist schon wieder da? Ich brau grad nen Kaffee, du solltest dir wirklich einen davon reinziehen, bevor du unseren Spargeltarzan in Spiderman Unterwäsche siehst. Komm mit“, kam Edvia im Van Halen T-Shirt vorbei und zog mich in die Küche.
In der Küche lief gerade eine hitzige Diskussion über Jimmy Hendrix.
„Ich sag dir, Efran, Jimmy ist der Beste!“, diskutierte der afroamerikanische Jungspund der Band gerade mit dem Keyboarder.
„Aber Jimmy ist schon lange tot, deshalb ist Santana jetzt der Beste E-Gitarrenspieler“, behauptete Efran.
„Da hat er Recht, Mad, du hattest die Elvis Presley, Barry White Streitfrage damals auch mit dem Argument gewonnen“, half Edvia ihrem Mann.
„Toll, die sind jetzt beide tot, das killt jetzt auch noch diese These. Hey, hast du mal wieder eine Streunerin mit nach Hause gebracht, Vi?“, musterte Madison mich.
„Die Bosse haben sie wie es aussieht als Tippse eingestellt, ich führ sie grad rum. Du bist nur stinkig, weil wir wegen Abba noch nicht alles geklärt haben. Wir reden darüber am Sonntag im Bandmeeting, dass weißt du doch. Also, SayDe, das sind unser Grünschnabel Madison, eine große Klappe, aber ein Gott an der E-Gitarre, und der süße Kerl hier ist mein Göttergatte Efran, wir sind grade aus Kuba zurück aus unseren Flitterwochen“, erklärte Edvia.
„Hi, wie es aussieht arbeite ich jetzt hier, obwohl Bale wohl immer noch nicht weiß, wer ich überhaupt bin. Wie auch immer, ich brauch jetzt nen Kaffee“, stellte ich mich höflich vor und Edvia drückte mir eine Tasse in den Hand.
„Perfekt, danke. Also, wie ist Bales Assistentin denn so? Ich meine ich müsste sie etwas kennen, bevor ich mit ihr arbeite“, entschied ich.
„Ich würde sagen Tanner mit Möpsen“, erkannte Efran kurz und knapp.
„Tanner mit Möpsen, ja das beschreibt es genau. Sie ist übrigens immer noch nicht da, obwohl wir in 10 Minuten aufmachen“, erkannte Bale der auch in die Küche kam.
„Du solltest sie feuern, sie ist wirklich nicht grade zuverlässig“, riet Edvia ihm.
„Kannst du Haare schneiden, Kleines?“, fragte Bale mich.
„Nein, das haben wir auf dem College nicht gelernt, fürchte ich“, bemerkte ich verwirrt.
„Siehst du, ich brauch sie noch“, goss Bale sich auch Kaffee ein.
„Du bist ein C-Girl, dann fällst du als Freundin für Tann oder Chinese aus, Bale, was hältst du von ihr?“, versuchte Edvia mich zu verkuppeln.
„Wie alt bist du Mädchen?“, fragte Bale mich.
„Dreiundzwanzig, Sir“, erwiderte ich höflich.
„Sir! Autsch, das tut weh. Eindeutig zu jung für mich. Rafferty denkt auch darüber nach aufs College zu gehen. Vielleicht dann. Aber erst mal müssen wir was mit ihren Klamotten machen, sie sieht aus wie ne graue Maus. Leih ihr was zum Anziehen Edvia“, plante Bale.
„Moment, hab ich dazu auch noch was zu sagen?“, fragte ich verwirrt.
„Willst du hier arbeiten?“, fragte Bale cool.
„Ja, Sir!“
„Dann kauf dir ein paar Rockersachen, das brauchst du hier!“, bat Bale und ich musste ihn so verwirrt angesehen haben, dass ich zwanzig Minuten später mit Taijse einkaufen war.
„T-Shirts mit nicht mehr existierenden Rockbands sind immer gut, ach ja, du brauchst noch ne Lederhose und Kreolenohrringe, das ist Standardausrüstung“, plante Taijse und drückte mir ein paar Sachen in die Hand. „Von wegen, ich quetsch mich nicht in eine Lederhose“, war ich dagegen.
„Doch, dass wirst du und du wirst darin heiß aussehen, SayDe. Anziehen“, befahl sie mir und eh’ ich was sagen konnte, liefen wir schon in Lederhosen und Rockershirt durch den Supermarkt in den ich sonst immer ging. „Hätten wir nicht wohin gehen können, wo ich morgen nicht einkaufen gehen muss?“, fühlte ich mich gar nicht wohl.
„Du kannst doch nicht deinen süßen Hintern verstecken, das ist ne Schande. Zieh’ deine Jacke aus“, bat sie und ich zog lustlos meine Jacke aus.
„Ich will nur bei euch arbeiten, nicht Groupie werden“, sah ich mich um. Die Männer starrten mich an.
„Das ist Pflicht, meine Süße, du kannst ja nicht die einsame Stubenhockerin sein. Du hast keine Tätowierung, oder?“, fragte sie planend.
„Drück mal den Pausenknopf, Missy, Tattoo ist nicht“, wurde ich laut.
„Entschuldige, bist du Jüdin?“, fragte Taijse cool.
„Lässt du mich in Ruhe wenn ich ja sage?“, grummelte ich.
„Wir belassen es erst mal bei Henna, du kommst schon auf den Geschmack“, gab Taijse nach.
„Henna? Bin ich Madonna?“
„Man, du bist so schwer zufrieden zu stellen. Dann eben nicht. Ach, da sind sie ja“, reckte sich Taijse nach den Cornflakes. Sofort waren zwei Männer da, um ihr zu helfen.
„Danke Jungs, heut Abend Konzert im Murphys, acht Uhr, schönen Tag noch“, vergab sie einen Flyer und stopfte die Cornflakes in ihren Korb.
„Was war das den grad?“, wunderte ich mich.
„PR, müsstest du als College-Absolventin eigentlich wissen. Siehst du irgendwo die Schokoladenflakes?“, tat sie so, als wäre das nichts besonders.
„Wird Kenny G nicht eifersüchtig, wenn du so auftrittst?“, fragte ich und reichte ihr die Flakes.
„Er wird eher sauer, wenn ich das nicht mache. Er hat früher Werbejingles vertont, er hat irgendwie nicht so den Rock drauf, oder? Aber ich darf ihn nicht darauf ansprechen. Holst du grad mal die Milch?“, bat sie und ich ging zur Kühltheke. Ich kramte in der Theke herum. Es gab nur noch eine große 4l Milchflasche, die natürlich ganz unten lag. Ich musste mich ganz in die Theke beugen und hatte schon die Befürchtung, dass mir auch alle Männer helfen wollten.
„Kann ich Ihnen helfen?“, hörte ich jemanden fragen und rollte mit den Augen.
„Wenn Sie mir nicht auf den Hintern glotzen würden, wär mir das Hilfe genug, danke“, bedankte ich mich gereizt.
„Bara, bist du das?“, fragte die Stimme, die mir verdammt bekannt vorkam.
„Emmett?“, fragte ich vorsichtig und stützte mich am Tresen ab, um wieder hoch zu kommen.
„Ich sag’s dir nur ungern, aber Halloween ist noch ein Weilchen hin“, schmunzelte er.
„Süße, du musst erst mal mit der Lederhose klar kommen, wie es aussieht. Ich wollt schon die Sanitäter verständigen“, kam Taijse amüsiert zu mir.
„In diesem Scheißding kann man sich kaum bewegen“, keuchte ich, weil ich auf meiner Brust gelegen hatte. „Das bring ich dir schon bei. Aber jemanden hast du ja aufgerissen, zwar nicht Brad Pitt, aber trotzdem“, erwiderte sie und Emmett bekam große Augen.
„Ich wusste gar nicht, dass Anna Nicole Smith zu deinen Freundinnen gehört“, war Emmett verständlicherweise etwas irritiert von Taijes Erscheinung.
„Okay, ich hab dich beleidigt, da ist es fair. Ist das ein Freund von dir SayDe?“, erwiderte Taijse und musterte Emmett.
„SayDe? Was faselt die Blondine da?“, war Emmett langsam echt verwirrt.
„Hey, mein Freund ist ein zwei Meter Mann also sei bloß artig, Bubi“, geriet Taijse in Rage.
„Emmett, das ist Taijse, ne Kollegin von mir, Taijse, das ist Emmett, mein Computerspezialistenfreund“, stellte ich sie aneinander vor.
„Eine Kollegin, seit wann bist du Groupie?“, war er jetzt total verwirrt.
„Ich glaub, ich werde es gerade, denke ich. Also, gehst du einkaufen?“, war mir die Situation furchtbar unangenehm.
„Das macht man meistens, wenn man einen Supermarkt betritt. Ich hab dich heut Morgen nicht im Büro erreicht, hast du Mittagspause?“, fragte Emmett und versuchte mich nicht anzusehen.
„Eine ziemlich lange. Ich hab heut Morgen gekündigt. Ich arbeite jetzt im Murphys als Stripperin“, erklärte ich stocksteif und sein Mund klappte nach unten.
„Du tust was?“
„Du glaubst auch alles. Ich arbeite in der Buchhaltung im Murphys, Taijse hier bedient dort. Ich brauchte einfach was Neues. Jetzt sieh’ mich wieder an, ich fühl mich noch mehr unwohl in meinen Klamotten, wenn du dich zwingst nicht hinzusehen“, bat ich und drehte seinen Kopf zu mir.
„Und dieses Neue muss unbedingt in Lederhosen sein?“, war Emmett von meiner Nachricht nicht erfreut.
„Ich experimentiere gerade etwas. Wenn du das nächste Mal auf mich triffst, hab ich wieder Jeans an, versprochen“, erkannte ich und stellte die Milch auf den Rand des Kühlfaches, weil sie mir zu schwer wurde.
„Dann ist ja gut, noch einen schönen Tag“, ging er verwirrt weiter. „Hey, du hast nen Mann nur mit deinem Aussehen verwirrt, erste Lektion erfolgreich abgeschlossen“, konterte Taijse und klopfte mir auf die Schulter.
„Fass mich bloß nicht an“, grummelte ich, zog meine Jacke ruckartig wieder an und ging durch die Eingangstür.
Ich reinigte gerade meinen Arbeitsplatz, der wie ich mir gedacht hatte, winzig war und schloss meinen PC an, den ich mir aus meiner Wohnung geholt hatte, als Taijse plötzlich in der Tür stand.
„Ich hab dich für den ersten Tag überfordert, tut mir leid“, entschuldigte sie sich für ihre Verhältnisse leise.
„Für dich scheint das ganz normal zu sein, so was anzuhaben, für mich ist das Neuland. Ich will mich ja an diesen ganzen Zirkus anpassen, aber ich bin kein Typ für Lederhosen, wirklich nicht“, erkannte ich und stand vom Boden auf, auf dem ich gerobbt war, um meinen Computer anzuschließen.
„Du hast die Lederhose ausgezogen, wie ich sehe“, erkannte sie.
„Kleine Schritte, Taijse, kleine Schritte. Weißt du wo Bale steckt, ich wollt mit ihm noch ein paar Sachen durchgehen. Versicherung und so“, erwiderte ich und setzte mich auf den Tischrand.
„Die einzige Versicherung die wir hier haben ist eine Hausratversicherung. Wir sind alle nicht versichert“, belächelte Taijse meine Aussage.
„Und wenn ihr mal in einen rostigen Nagel tretet, oder von einer Ratte gebissen werdet und sag nicht, dass das hier noch nie vorgekommen ist“, war ich verwundert.
„Diese verwöhnte Vorstadtgöre treib ich dir schon aus, Kleines. Aber deinen Witz können wir hier gut gebrauchen. Übrigens, du kellnerst heut Abend, bei Rai fängt der Mutterschutz an, sie darf nicht mehr arbeiten“, erklärte Taijse und ging weiter.
„Moment, das ist schon wieder über das Ziel hinaus geschossen, ich kellnere hier nicht, ich bin keine Bedienung“, lief ich ihr hinterher.
„Das hab ich am Anfang auch gesagt, inzwischen mach ich das jeden Abend. Übrigens, ich muss jetzt anfangen die Bühne aufzubauen, noch so eine Sache, die du auch machen musst, wenn du dran bist. Ich hab dich schon in die Liste eingetragen. Bis später“, rauschte sie davon.Erschöpft von dem vielen Neuen, setzte ich mich auf das Sofa im Gang.
„Hey SayDe, es ist nicht die Zeit schlapp zu machen“, erklärte Rafferty, den ich den ganzen Tag nach dem Vorfall mit den Unterhosen nicht gesehen hatte, und setzte sich zu mir.
„Ich fühl mich grad wie in Coyote Ugly, nur ohne die gute Musik“, steckte ich den Kopf in meine Hände.
„Die Musik kommt gleich meine Süße. Zieh’ dich um, es rauscht schon Kundschaft an“, kam Efran vorbei.
„Ich hab noch nie gekellnert, ich kann das nicht“, flehte ich Rafferty an, was eigentlich gar nicht zu mir passte.„Keiner der Mädels konnte das vorher, das schaffst du schon. Jetzt zieh’ dich um, du siehst aus, wie meine Lehrerin in der Grundschule. Keine Sorge, ich zeig dir die Grundgriffe, zieh’ dir ruhig was weit ausgeschnittenes an, dass bringt doppelt so viel Trinkgeld“, kam Edvia hinter ihrem Mann her.
„Ich hoff man kann sich an der Bar gratis bedienen, ohne Alkohol halt ich den Abend nicht durch“, sah ich Edvia hinterher, die Obenrum nur ein Glitzerhemd anhatte, das Rückenfrei war.
„Das darf nur diejenige, die mit Edric schläft und das hat sich bisher nur Rai getraut. Man sieht ja, was es ihr gebracht hat. Wenn du mich jemals schwängerst, bring ich dich um“, kam auch Saide mit Odion im Schlepptau an mir vorbei.
„Ich glaub, ich muss mich übergeben“, wurde mir übel, wie es immer war, wenn mir was Großes bevorstand.„Soll ich dir beim Umziehen helfen?“, bot sich Rafferty ziemlich dreist an.
„Na toll, jetzt ist mir so richtig übel. Also, wo kann ich mich umziehen?“, stand ich lustlos auf.
„In meinem Zimmer, die anderen sind vermutlich noch belegt“, erwiderte er und er sollte Recht haben.
Da stand ich also ein paar Minuten später im Zimmer des Sängers der Band More Beat und zog mich um. Rafferty zog sich gleichzeitig auch im gleichen Zimmer um.
„Musst du dich nicht einsingen oder so?“, war ich peinlich berührt und versuchte mich hinter der offenen Schranktür zu verstecken.
„Ich trink einen Tequila auf Ex, das reicht als Stimmübung. Keine Sorge, du hast nichts, was ich noch nicht gesehen hätte“, hörte ich, wie er den Reißverschluss seiner Boots zumachte.
„Das glaub ich dir Singleboy. So, wie seh’ ich aus?“, präsentierte ich mich.
„Sagen wir mal so, in meiner Hose ist plötzlich viel weniger Platz“, musterte er mich.
„Toll, das beruhigt mich jetzt total. Ich fühl mich so nackig“, zog ich die Bluse an meinem Busen zu, die verdammt weit ausgeschnitten war.
„Taijse geht so in die Kirche, du hast noch viel an, das sag ich dir. Hörst du dass, die Band beginnt zu spielen, verdammt, es ist acht Uhr, die können doch nicht einfach ohne mich anfangen“, zog er mich an meiner Hand die Treppen runter.
„Hier, ein Tablett, Block, Bleistift, genug der Anweisung, raus mit dir“, wartete Edvia auf mich und schupste mich einfach in die Menge. Na toll, von der seriösen Reporterin zur Barschlampe in nur einem Tag, ein Lebenstraum der sich erfüllte.
Ich schien im Kellnern ein Naturtalent zu sein. Ich verschüttete den ganzen Abend keine Drinks und wenn mir jemand dreist an den Hintern grabschte merkte ich das kaum durch das Leder meiner Hose. In dem Moment wusste ich, warum die Mädels diese Hosen trugen. Rafferty starrte mich den ganzen Abend an wie ein Raubtier vor seiner Beute. Er hatte ganz eindeutig Interesse an mir, aber ich versuchte seinen Blicken auszuweichen, denn mit dem Sänger einer zweiklassigen Band etwas anzufangen gehörte nicht zu meinem Lebensplan. Es musste fast drei Uhr sein, als ich auf dem Sofa im Flur meinen Nachtruheplatz gefunden hatte. Während ich langsam eindöste, bekam ich noch ein Streitgespräch der Band mit.
„Verdammt, was sollte das? Ihr könnt doch nicht anfangen, wenn ich noch nicht auf der Bühne stehe, wie sieht das aus!“, beschwerte sich Rafferty.
„Chinese, diese Gemeinschaft funktioniert nur, wenn wir uns an Regeln halten und acht Uhr bedeutet acht Uhr, klar. Da gilt es nicht, wenn du die Neue vorher noch flachlegen willst. Übrigens, hier gibt es noch andere, es ist noch nicht raus, dass du sie bekommst“, erklärte Bale seinem kleinen Bruder.
„Sie nennt dich Sir, wie sicher bist du, dass sie dich ranlässt. Übrigens, sie ist eine schwer zu knackenden Nuss, ein bisschen prüde, aber echt mit Potential. Sie hat 30 Dollar Trinkgeld eingenommen, nicht schlecht für die erste Nacht. Du solltest sie nicht im Büro verstauben lassen“, schlug Taijse vor.
„Ich brauch ne Bürokraft, sie kann als Aushilfe vorne arbeiten. Sie ist noch nicht soweit“, entschied Bale und dann hörten sie auf zu reden.
Es war dunkel um mich herum, als ein Klirren und laute Männerstimmen mich weckten. Ich wusste zuerst nicht, wo ich war, was ich gar nicht abhaben konnte, aber als ich brutal an die Wand gedrückt wurde, war die Nacht schnell zu Ende und ich war hellwach.
„Wie ist dein Name, Nutte?“, erwiderte der Mann schroff und drückte meinen Polizeihandgriff noch fester.„Bitte tun Sie mir nichts, ich bin noch Jungfrau“, log ich, für den Fall dass das den Vergewaltiger abschreckte.„Jungfrau? Das glaubst du ja selbst nicht. Oder vielleicht doch?“, hörte ich Raffertys Stimme und war glücklich darüber. Sie klang kratzig von seinem langen Auftritt. Das Licht ging an. Erst jetzt sah ich, dass mich ein Typ in Uniform an die Wand drückte.
„Officer Duffy, wie oft wollen Sie hier noch unbefugt in mein Haus eindringen und meine armen Gäste erschrecken?“, kam Bale hinter Rafferty die Treppe herunter.
„Wer hat das Schild "Wir sind keine Crackbude" schon wieder von der Tür entfernt?“, kam Odion aus dem Keller.„Kaffee, ohne Milch und Zucker, wegen der Laktoseallergie, richtig?“, kam Taijse aus dem Nebenraum. Alle hatten sie blaue Hemden an, auf denen ihre Personalien standen.
„Jungs, wir sind schon wieder im falschen Haus. Abziehen“, rief Officer Duffy und ließ mich los.
„Ich hab das Schild abgemacht, weil es die Gäste ein kleines bisschen abschreckt.Alles in Ordnung mit dir, Kleines?“, kam Edyn mit Chips in der Hand aus der Küche.
„Verdammt, warum habt ihr alle so viel an“, meckerte ich und rieb meine Schulter.
„Notfallhemden, hab ich nach dem dritten Einsatz hier hergestellt“, bemerkte Saida und drückte Rafferty die Treppe runter.
„Ne kleine Vorwarnung wäre nicht schlecht gewesen. Wo ist überhaupt mein BH?“, fragte ich wütend.
„Chinese, gibst du ihr bitte ihren BH zurück?“, bat Taijse und führte den Officer in die Küche.
„Die fünf Dollar waren leicht verdientes Geld“, reichte Rafferty, Odion seine Hand und er legte das Geld hinein.„Du bist so widerlich“, entriss ich ihm meinen BH.
„Du bist ganz schön ausgestattet, für ne Lehrerin“, entschied Saida und ich zog meine Jacke an, um mich angezogen zu fühlen.
„Ich geh’ nach Hause, hier den kannst du behalten, hätte ich sowieso verbrannt“, nahm ich meine Tasche und drückte Rafferty meinen BH auf das Geld in seiner Hand.
„Ich glaub ich brauch ne lange Dusche. Bis Montag dann“, ging ich weiter und stieg über die Scherben der zerbrochenen Tür bis nach draußen.
Ich weinte unter der Dusche uns saß in ihr, bis meine Haut schrumpelte. Das hatte ich schon ewig nicht mehr gemacht. Warum tat ich dies, diese neue Welt hatte etwas aufregendes, etwas lebensbejahendes, ich wollte so weiterleben. Trotz der Tatsache, dass ich an diesen Morgen von der Polizei geweckt worden war. Mein Körper glühte, obwohl das Wasser längst kalt war.
„Bara, bist du da?“, rief Emmett und schreckte mich auf aus meinen Hirngespinsten.
„Ich komm gleich“, schniefte ich und stand mühsam auf.
„Geht’s dir gut“, klopfte er an der Tür.
„Ja, alles bestens. Bin sofort bei dir“, zog ich meinen Bademantel an und band ein Handtuch um meine Haare.„Hey, Kleines, ich hab mir nach gestern große Sorgen um dich gemacht. Ich hab dich gestern Abend verzweifelt versucht anzurufen. Wo warst du?“, löcherte er mich mit Fragen und ich setzte mich total erschöpft auf mein Sofa.
„Arbeiten, tut mir leid, ich hab mein Handy zu Hause vergessen. Ich würde gern etwas schlafen, bitte“, legte ich mich zur Seite.
„Du siehst fertig aus, wo warst du?“, hörte er nicht auf mir Fragen zu stellen.
„Ich bin jetzt wirklich zu müde für die große Runde Jeopardy“, schloss ich für eine Sekunde die Augen.
„Wo warst du verdammt?“, wurde er laut.
„Ich hab Kopfweh, schrei mich nicht an“, murmelte ich müde.
„Tut mir leid, ich hab mir Sorgen um dich gemacht“, wurde er leiser.
„Das brauchst du nicht, mir geht es gut“, schlief ich langsam ein.
„Hey, schlaf mir nicht ein, ich red mit dir“, bat Emmett und ich vernahm seine Stimme nur noch von weiter Ferne. Kurz darauf fiel ich in einen tiefen Schlaf.
Der Duft von Salbei kam mir in die Nase, als ich diesmal aufwachte. Meine Haut fühlte sich rau an, das Kissen auf dem ich gelegen hatte, war nass von meinen Haaren.Ich setzte mich auf und dabei fiel das Handtuch aus meinen Haaren.
„Hey, da bist du ja wieder, geht’s dir besser?“, fragte Emmett und kam zu mir. In seiner Hand eine Frischaufgebrühte Tasse Salbeiblätter.
„Das ist genau dass, was ich jetzt brauche, danke. Du bist die ganze Zeit dageblieben?“, fragte ich und er lächelte.
„Du hast mich doch gebraucht, da konnte ich nicht gehen. Wo ist übrigens dein PC?“, fragte Emmett und gab mir die Tasse.
„Bei der Arbeit, ich hatte dort keinen. Dann musst du wohl zu meiner Arbeit kommen, wenn ich dich brauche“, schmunzelte ich.
„Dann müsstest du mir aber verraten, wo du arbeitest, das hast du bist jetzt noch nicht getan“, erklärte er.
„Ich arbeite nicht in einer Crackbude, ich mach die Buchhaltung in einem Frisörsalon“, belächelte ich seine Vorstellung von meiner Arbeitsstelle.„Das klingt nicht sehr seriös“, erkannte er.
„Ich zieh’ mich an, dann zeig ich es dir“, stand ich auf.„Gut, dann kann ich dir das neue Virenprogramm drauf laden. Brauch ich ne Teternusspritze, oder geht es ohne“, witzelte er.
„Guck am besten noch mal nach, eine Tollwutspritze wäre auch nicht schlecht“, bemerkte ich grinsend und ging Richtung Schlafzimmer.
Ich zog ein Sweatshirt, Jeans und Turnschuhe an und kam wieder raus.
„Wir können“, bemerkte ich und zog meine Franzosenkappe an, weil meine Haare noch feucht waren.
Als wir fast da waren sah Emmett sich um.
„Ich sehe keinen Frisörsalon“, bemerkte er skeptisch.
„Man findet ihn nicht gleich, aber er ist da“, erklärte ich.
„Aha“, konterte er skeptisch.
„Wirklich, wenn ich es dir sage“, bemerkte ich.
„Das will ich sehen“, erwiderte er und ich hielt an.
„So, wir sind da“, bemerkte ich.
„Ich sehe nur ne irische Bar, aber kein Friseursalon“, war er immer noch nicht überzeugt.
„So vom hellen sieht es wirklich so aus“, gab ich nach.
„Kann es sein, dass du deine viel versprechende Karriere als Reporterin aufgegeben hast, um Bedienung in einer irischen Bar zu werden?“, stellte er klar.
„Sieht ganz so aus, oh man bin ich blöd“, wurde ich wach aus meinem Rausch vom Nachtleben.
„Wir holen deinen PC, dann reden wir mit deiner Chefin. Sie wird dich sicher wieder einstellen“, bot er seine Hilfe an.„Das ist eine gute Idee, danke“, gab ich nach.
Die Scherben waren inzwischen zusammengekehrt, doch die Eingangstür war immer noch kaputt.„Will ich das wissen?“, fragte Emmett.„Nein, willst du nicht. Leute nicht erschrecken, ich bin es“, ging ich durch die kaputte Tür nach drinnen.
„Hey, ich dachte schon, wir haben dich verscheucht. Bale, hast du den Glaser erreicht, es ist bald Mittagstisch“, kam Taijse zu ihr und rief Bale etwas zu.
„Da hinten im Büro, danke“, bat ich Emmett den PC zu holen.
„Was macht der Milchbubi hier?“, fragte Taijse verwirrt.
„Er holt meinen PC, Tai, nach der Aktion gestern kann ich hier nicht arbeiten“, entschied ich ruhig.
„Es tut mir wirklich leid, aber du kannst doch nicht einfach weg“, schien sie fast mich darum zu bitten zu bleiben.
„Das Mousepad ist auch meins. Ich nehme deine Entschuldigung an, aber das ist nicht meine Welt“, erklärte ich und nahm den Bildschirm, den er mir in die Hand gab.
„Schade, ich hab dich für cooler gehalten“, gab sie nach.
„Tja, der erste Eindruck täuscht meistens. Wie auch immer, ich wünsch dir ne gute Zeit“, erwiderte Taijse und ich ging ohne ein weiteres Wort nach draußen.
„Hey SayDe, ich dachte schon dass du wiederkommst. Ich glaub der steht mir nicht so gut, wie dir“, erkannte Rafferty, der draußen stand und rauchte und wedelte mit meinem BH.
„Die Mädels sollten dir echt mal Benehmen beibringen. Mach’s gut“, entriss ich ihm meinen BH und stopfte ihn in die Müll, den BH meine ich, obwohl ich in diesem Moment gern auch ihn hinterher geschickt hätte.
Kurz sah ich Rafferty hinter her, wie er lässig seine Zigarette auf dem Boden mit seinem Boot ausdrückte und wieder rein ging.
„Können wir?“, drängte Emmett mich, loszufahren.
„Entschuldige, ich hab nur über was nachgedacht. Sollen wir gleich ins Büro fahren?“, versuchte ich von der Tatsache abzulenken, dass ich Rafferty länger angeglotzt hatte, als ich es hätte tun sollen.
„Ja, machen wir das“, erkannte ich und fuhr los.
„Ich verspreche Ihnen Besserung, wenn Sie mir noch eine Chance geben“, kroch ich vor meiner alten Chefin.
„Ich glaube, ich hab Sie in der falschen Seite untergebracht, ich würde gern, dass sie Konzertkritiken schreiben, ist zwar etwas kürzer als Interviews, aber ich mag Ihren Schreibstil“, schlug meine Chefin vor.
„Die Konzerte, wirklich? Ich wollte schon immer die Konzerte“, war ich überrascht.
„Machen Sie was draus, ich hab Ihre Kündigung eh’ nicht angenommen. Hier ist eine Liste von Konzerten in den nächsten Wochen, suchen Sie sich zehn aus. Wir wollen immer zwei in der Wochenendausgabe“, führte mich meine Chefin in die tolle Welt der Konzertkritiken ein.
„Konzertkritiken? Ich sollte auch mal kündigen, vielleicht werde ich dann der neue Bill Gates“, gratulierte Emmett mir zu meiner neuen Stelle. Emmett arbeitete als Programmdesigner bei Microsoft. Ich zog ihn oft damit auf, dass alle Fehler die mir bei der Arbeit passierten auf seine Kappe gingen.
„Hey, vielleicht bekommt ihr es bei dem neuen Betriebssystem hin, dass es sich nicht immer jede 10 Minuten aufhängt. Was habt ihr eigentlich geplant?“, unterhielt ich mich mit ihm.
„Das verrate ich doch keiner Reporterin“, tönte er.
„Ich bin Musikreporterin!“
„Reporterin bleibt Reporterin. Ich hab Hunger, wir sollten was Essen gehen und deine neue Stelle feiern. Was wäre wenn wir mal bei Burger King vorbeifahren würden?“, fragte er bettelnd.
„Das ich bald so aussehe wie du, von wegen“, frotzelte ich, aber wir fuhren dann doch dorthin.
Die Tage vergingen, dann die Wochen und Monate. Der Sommer wurde drückend heiß und der Herbst rauschte ins Land. Meine neue Stelle gefiel mir wesentlich besser und nachdem ich die Erfindung von Ohropax nutzte, hörte das Klingeln in meinen Ohren auch auf. Doch dann kam der Tag der Tage, meine Liste war bis auf neun Konzerte voll, als ein ganz bestimmter Name auf der Liste auftauchte. Da ich nur noch zwischen Bands wählen konnte, die mir gar nicht zusagten, nahm ich schwermütig die Band in mein Programm auf. Ich hoffte, dass ich diesem Termin irgendwie entwischen konnte, aber an diesem trüben Oktoberabend war es leider soweit. Ich zog mir ein T-Shirt mit einem Bandmotiv von einer Band, auf dessen Konzert ich grade gewesen und eine Lederhose an, die ich auf Konzerten liebgewonnen hatte, weil sie so leicht waschbar war. Meine Haare trug ich zu dem Zeitpunkt rappelkurz, weil ich mir zwei Monate zuvor bei einem Ozzy Osbourne Konzert an einer Feuerfontäne meine schönen langen Haare ziemlich angesengt hatte.
Dieses miese Gefühl in der Magengegend wollte nicht weggehen, auch nicht, als ich vor dem Murphys hielt. „Beruhig dich, Magen, du gehst nicht auf den Abschlussball“, redete ich mit meinem Bauch, zog meine Jeansjacke an und ging hinein. Draußen stand schon Tanner. Seine Haare waren jetzt blond und zu Dreds gedreht, er sah echt furchterregend aus.
„Einladung“, grummelte er genervt.
„Das ist ne Bar, ich brauch keine Einladung“, entschied ich schroff zurück.
„Einladung!“
„Memphis Flyer, ich komm hier zum kritisieren und im Moment bin ich gar nicht begeistert“, zog ich meinen VIP-Pass aus meinem Ausschnitt.
„Was ist mit deinen Haaren passiert?“, fragte er und sah mein Bild an.
„Warst du schon mal auf einem Ozzy Konzert?“
„Ja?“
„Warum fragst du dann so blöd. Platz“, gab ich ihm einfache Anweisungen.
„Okay, Miss Randon, schönen Abend noch“, ließ er mich rein.
„Ich hoff für Rai, dass er nicht der Vater ist. Man, den Gestank hab ich echt nicht vermisst“, murmelte ich vor mich hin und ging in die Bar.
Ich setzte mich an die Bar, oder wie man das nennen konnte, was ich mit der Lederhose versuchte.
„Hey Kleines, was kann ich dir Gutes tun?“, bemerkte Edric, wie Monate zuvor auch.
„Pepsi light, bitte“, bestellte ich. Er guckte mich erst verdutzt an und gab mir dann nen Glas.
„Kennen wir uns nicht?“, musterte er mich.
„Nicht dass ich wüsste. Ich bin vom Memphis Flyer, Konzertkritikerin. Gibt es hier irgendwo nen Platz, wo man auf die Bühne sehen kann?“, erkannte ich und rutschte wieder vom Stuhl.
„Hey Memphis Flyer, ihr gebt doch sonst immer vorher Bescheid“, wurde er nervös.
„Tja, ich hatte keine Lust dazu. Also wo?“, zahlte ich ihnen die Polizeigeschichte zurück.
„Da hinten ist nen Tisch frei. Einen schönen Abend, Miss“, wurde er plötzlich scheißfreundlich und zeigte mir den Tisch.
„Zu freundlich. Übrigens du siehst scheiße aus man, du solltest mal auswärts schlafen“, ging ich weiter.
Der Platz war ideal. Armagein war schon auf der Bühne und spielte sich ein und auch Odion stand etwas abseits. Nur Rafferty sah ich nicht, obwohl es fast fünf vor acht war. Er änderte sich wohl nie.Eine Alkohol- und Rauchfahne schwebte zu mir rüber, die mir Übelkeit brachte. Ich drehte mich nach hinten, wo Rafferty stand und rauchte. Er sah aus, als wäre er grad aufgestanden, er hatte einen Drei-Tage-Bart und stank nach Alkohol. Der wollte doch nicht etwa so auf die Bühne?
„Chinese, los, brauchst du ne Extraeinladung“, rief Efran von der Bühne aus.
„Ich komme“, lallte er und torkelte Richtung Bühne. Doch kurz davor stürzte er über seine eigenen Füße und blieb liegen. Ich weiß bis heute nicht, was mich da geritten hatte, aber ich bat Efran ihm aufzuhelfen und brachte ihn in sein Zimmer.
Der Herbstwind brachte eine frische Brise in das vermuffte Zimmer. Das Zimmer war schon eklig, als ich das letzte Mal dort gewesen war, aber das übertraf alles. Ich ging auf die Suche nach nem Müllsack und warf alles hinein, was früher mal Essen oder Trinken gewesen war. Dann kehrte ich den Boden, stopfte die Wäsche in einen anderen Sack und drehte die Anlage laut auf.
„Heilige Scheiße, welcher Teufel?“, sprang Rafferty wie von der Tarantel gestochen auf.
„Morgen, hattest du nen Albtraum?“, saß ich breitbeinig neben seinem Bett auf einem Stuhl.
„Bis jetzt nicht. Wer zum Henker bist du?“, rieb er sich am Kopf.
„Die Lady, der du zu Füßen gefallen bist. Übrigens das war nicht nötig gewesen“, frotzelte ich.
„Oh, nicht schon wieder“, grummelte er.
„Die Jungs werden ganz schön angepisst sein, nach dem Auftritt, das sag ich dir“, zog ich ihn zum Badezimmer.
Ich stellte ihn unter die Dusche und da er dort nicht bleiben wollte, stellte ich mich einfach auch mit ihm herunter. Angezogen versteht sich.
„Miststück, das Wasser ist eiskalt“, fluchte er.
„Ich weiß, ich steh’ drunter“, schmunzelte ich, nahm eine Zahnbürste und begann ihm die Zähne zu putzen.„Was machst du da?“, fragte er und spuckte mich an.
„Ohne Zähneputzen küss ich dich nicht“, begann ich ihn zu küssen. Ich weiß bis jetzt nicht, wieso, ich hatte wohl schon immer was für Bad Boys übrig.
„Jetzt zieh’ dich aus, bevor du noch mit deiner Lederhose eine Symbiose eingehst. Putz noch weiter deine Zähne“, steckte ich ihm die Zahnbürste wieder in den Mund, zog mein nasses T-Shirt aus und stieg aus der Dusche.In seinem Zimmer suchte ich das sauberste T-Shirt raus und zog es an. Es wurde langsam kalt im Zimmer und ich schloss das Fenster wieder.
„Hey, weißt du wo Rafferty ist?“, kam Bale ins Zimmer.
„Badezimmer. Nettes Konzert gestern“, witzelte ich.
„Wirklich witzig. Wir sind eh’ schon in den Miesen, das hat uns nicht grad gut getan. Warum erzähl ich dir das eigentlich, du bist ja nur ein Möchtegerngroupie“, erkannte mich Bale nicht.
„Sei bloß still, sonst schreib ich noch ne Kritik und die fällt wirklich nicht gut aus“, zog ich meinen VIP Ausweis und meine Stiefel an.
„Memphis Flyer? Wir haben schon gedacht, Sie wären sauer abgerauscht, dabei hat Sie mein Bruder nur in sein Bett geschleppt. Ich würde Sie gern nächste Woche wieder zu einem unserer Konzerte einladen, wenn es Ihnen recht ist“, schleimte Bale schamlos.
„Ich glaub nicht, das reicht mir völlig. Gibt es irgendwo eine Tüte, wo ich mein nasses T-Shirt rein tun kann?“, wedelte ich mit meinem tropfenden T-Shirt.
„Unten in der Bar müssten welche sein, ich bring Ihnen eins. Bitte sagen Sie nichts, sonst fliegen wir von der Liste. Wir brauchen grad gute Kritiken“, bat Bale.
„Ich sag mein Auto hatte ne Panne und ich kam viel zu spät. Keine Sorge, ihr habt mich so herzlich aufgenommen, da will ich euch nichts Böses. Du erkennst mich nicht, oder?“, kam ich näher zu ihm.
„Nein, ich steh’ nicht so auf Sinead O’Connor“, schmunzelte er.
„Bara Randon, ich hab hier fast mal gearbeitet“, half ich ihm auf die Sprünge.
„Bara, meine Güte du siehst so anders aus. Du bist die Leiter hochgestiegen, wie es aussieht. Was ist mit deinen Haaren passiert?“, erkannte er mich endlich.
„Kleiner Unfall mit einer Feuerfontäne bei einem Konzert. Was ist mit Rafferty passiert? Ich meine er war nicht grad ein Gentleman als ich das letzte Mal da war, aber dieses Häuflein Scheiße, was ich gestern ins Bett gebracht hab, übertrifft das noch“, wollte ich wissen.
„Ich weiß es nicht, er zerstört sich grad selbst. Kannst du nicht mal mit ihm reden, ich glaub er steht auf dich“, bat er.
„Kann ich machen. Ich muss jetzt schnell mal meinen Freund anrufen, der wundert sich sicher schon, wo ich stecke“, zog ich mein Handy aus meiner Jacke.
„Du hast nen Freund? Ich dachte du und mein Bruder?“
„So dicht wie der gestern war? Hätte er wohl gerne. Könnte ich eine Tasse von dem tollen Kaffee kriegen, den Taijse macht?“, fragte ich höflich.
„Klar, besorg ich dir. Ach ja und die Tüte“, verschwand er wieder.
„Hey, ich bin’s. Ich bin schon wieder im Murphys hängen geblieben. Ja, ich weiß, das Kapitel hatte ich eigentlich abgeschlossen. Das war wirklich das letzte Mal. Ich komm bald heim, ich hoff ich hab dich nicht ne schlaflose Nacht gekostet. Bis später“, sprach ich auf Emmetts Anrufbeantworter und legte wieder auf.
„Dein Freund?“, stand Rafferty plötzlich nur im Handtuch bekleidet vor mir.
„Wüsste nicht, was dich das anging“, tat ich verärgert.
„Du schläfst mit mir, denke schon, dass mich das was angeht“, zog er das Handtuch aus.
„Uh, das ist nicht gerade dass, was ich sehen wollte. Wir haben nicht miteinander geschlafen, also bedeck dich bitte“, bat ich und schloss die Augen.
„Entschuldige, kommt eigentlich selten vor, dass eine Frau bei mir übernachtet und wir keinen Sex haben. Warte, du hast mich geküsst“, versuchte er sich an den letzten Abend zu erinnern.
„Das war gerade eben ein Aussetzer, sorry. Also ich muss dann los, lass die Sauferei Mann, bringt nur Ärger. Bye“, stand ich auf und ging aus der Tür.
„Kann ich wenigstens deinen Namen erfahren“, rannte er mir hinterher.
„Bara, aber der Name wird dir sicher nicht viel sagen“, blieb ich stehen.
„Nicht im Moment. Aber du hast mich geküsst, das vergess ich nicht. Das haben nicht viele gemacht, nicht auf meinen Mund, wenn du verstehst was ich meine“, erwiderte er.
„Man, du bist nicht nur schlampiger sondern auch perverser geworden. Lass dir von Bale die Haare schneiden und rasier dir den Bart ab, du siehst aus wie ein Landstreicher. Schönen Sonntag noch“, erkannte ich und ging die Treppe runter.„SayDe?“, fragte er vorsichtig.
„Nicht mehr Rhapsody, nicht mehr. Ich muss los, ich bin zum Essen mit meiner Mutter verabredet und ich muss mich noch umziehen. Lass das Saufen“, ging ich zur Tür.
Ehe ich mich versah, hatte er mich an die Wand gedrückt und küsste mich leidenschaftlich.
„Wir spielen in zwei Wochen noch Mal, dann kannst du wiederkommen. Dann bin ich nüchtern, versprochen“, ließ er mich gehen.Benommen setzte ich mich in mein Auto.
„Was zum Henker war das?“, fragte ich mich selbst.
Grinsend kam ich am Haus meiner Mutter an, die sich sofort auf das Verschwinden meiner Haare stürzte.
„Kind, so kannst du doch nicht rumlaufen, so bekommst du nie einen Mann ab“, erwiderte sie, da war ich noch gar nicht richtig in der Tür.
„Mum, meine Haare haben gebrannt, hätte ich vielleicht mit verkohlten Haaren rumlaufen sollen?“, fragte ich und trat ein.
„Ich hab dir immer gesagt, das du dir einen anständigen Job suchen sollst, das ist so gefährlich was du machst“, bemerkte sie kritisch.
„Ich geh’ auf Konzerte, was ist daran gefährlich?“, fragte ich verwundert.
„Du verlierst deine Haare, was ist dabei nicht gefährlich?“, konterte sie.
„Wächst nach, Sache erledigt. Wie geht’s dir, Mum?“, gab ich ihr ein Küsschen auf die Backe.
„Bestens, wie immer. Hast du endlich einen Freund?“, wollte sie wissen.
„Im Moment nicht, nein. Ist das deine einzige Sorge?“, war ich genervt von ihrer Standardfrage.
„Du solltest öfters ausgehen“, riet sie mir.
„Ich bin zwei Mal die Woche auf einem Konzert, das ist oft genug. Was gibt’s zu essen?“, lenkte ich ab.
„Auflauf, nichts besonderes. Ich hab von diesem Speed Dating gehört, das könnte dir helfen“, hatte sie noch einen tollen Ratschlag für mich.
„Speed Dating ist was für Loser“, entschied ich.
„Du hattest ewig kein Date mehr, nimm es mir nicht krumm, aber du gehörst langsam zu dieser Gattung“, bemerkte sie.
„Danke Mum, wirklich nett. Und wenn ich jemanden hätte?“, spielte ich den Trumpf aus.
„Gut, stell ihn mir vor“, bat meine Mutter.
„Das könnte sich als schwierig erweisen“, druckste ich herum.
„Sitzt er im Knast?“, fragte sie erschreckt.
„Glaubst du, dass mein Männergeschmack seit Liam so eine drastische Wendung genommen hat? Obwohl Liam war auch nicht gerade der perfekte Schwiegersohn. Wirklich nicht. Gott sei Dank ist der aus meinem Leben verschwunden“, überlegte ich laut.
„Du hättest ihn nicht so einfach gehen lassen sollen“, entschied meine Mutter und führte mich ins Wohnzimmer.
„Er hat mich beklaut und hat die Stadt verlassen, in welchem Teil dieser Beziehung hätte ich ihn aufhalten sollen?“, fragte ich sarkastisch.
„Er hat dich beklaut? Das hast du mir gar nicht erzählt“, konterte sie.
„Auch aus gutem Grund, das war so peinlich, ich hab schließlich sechs Monate mit ihm zusammengelebt. Das hat mich ne Weile aussetzen lassen, aber ich glaub jetzt bin ich wieder soweit was Neues anzufangen“, erkannte ich.„Das hör ich gern, du solltest das Speed Daten trotzdem mal versuchen. Dein Vater bleibt über Mittag in der Uni, er bereitet eine Prüfung vor. Wie läuft die Arbeit so?“, fragte meine Mutter.
„Ganz gut, das Konzert letzte Nacht war aber ein Reinfall. Wie geht’s Dad?“, fragte ich sie.
„Er hat viel zu tun, wie immer. Deine Schwester verprasst grad unser Geld in Miami, sie ist nicht gerade eine fleißige Studentin. Wie auch immer, komm lass uns essen“, entschied sie und wir gingen in die Küche Essen.Die nächste Woche verging ohne Komplikationen, bis Freitagabend. Ich schrieb gerade an einer Kritik des Konzertes der letzten Nacht und wartete auf Priscilla, mit der ich ins Kino gehen wollte, als es klingelte.
„Hey, du bist früh dran, ich bin noch nicht ganz fertig. Du musst …“, ging ich zur Tür. Wer dann an der Tür stand, hatte ich nicht erwartet.
„Saida, was machst du hier?“, war ich jetzt total überrascht.
„Hey, wir brauchen deine Hilfe“, entschied sie und ich ließ sie rein.
„Woher weißt du, wo ich wohne?“, reichte ich ihr eine Tasse Tee.
„Bale, du hast ihm deine Daten gegeben. Chinese ist voll am Ausflippen“, erklärte Saida und schlürfte ihren Tee.„In welcher Weise? Trägt er plötzlich Sneakers und fährt Skateboard?“, fragte ich, weil ich nicht glaubte, dass er nach letzter Woche noch mehr ausflippen konnte.
„So in etwa, er will das Singen aufgeben und wieder aufs College gehen“, bemerkte sie, als wäre das eine tödliche Krankheit.
„Und? Wenn er sich dafür entschieden hat, da kann ich nichts dagegen tun“, bemerkte ich gelassen.
„Du hast ihm diese Flausen in den Kopf gesetzt, du treibst sie ihm wieder aus“, bemerkte sie streng.
„Ich hab gar nichts dergleichen getan, das ist ganz allein auf seinem Mist gewachsen. Ich muss mich langsam umziehen, ich bin verabredet“, ging ich Richtung Schlafzimmer.
„Bis vor einer Woche war er noch ein abgehalfterter Musiker und dann verbringt er eine Nacht mit dir und schon will er die Welt retten“, beschuldigte sie mich.
„Ich hab ihm nur gesagt, er soll die Trinkerei lassen, mehr nicht. Wie geht’s der Band?“, streckte ich immer während ich mich umzog den Kopf aus der Tür.
„Sie sind begeistert, dass sie sich einen neuen Sänger suchen müssen, was denkst du denn? Red mit ihm, bitte“, bat sie und ich kam heraus, während ich meine Bluse zuknöpfte.
„Meinetwegen, ich komm nach dem Kino mal vorbei. Aber ich werde ihm das wohl auch nicht ausreden können, denke ich. Wär’s das?“, wollte ich sie loswerden.
„Danke, das wird die anderen freuen. Übrigens, ich hab dir was gemacht, falls du mal wieder bei uns übernachtest“, zog sie ein T-Shirt aus ihrer Tasche. Das was das gleiche, was die anderen immer bei der Razzia trugen, mit meinen Daten drauf.
„Danke, das hättest du nicht tun müssen“, war ich gerührt.
„Ist doch Ehrensache, du bist eine von uns. Ich wünsch dir einen schönen Abend“, entgegnete sie, während sie davonging.
„Ich gehöre zu jemandem, ich hab noch nie zu jemandem gehört“, redete ich mit mir selbst und legte das T-Shirt auf den Rand meines Sofas.
„Was ist mit dir? Du wirkst so nachdenklich“, sprach mich Priscilla nach dem Kino auf meine Schweigsamkeit an.„Entschuldige, ich hab nur über was nachgedacht. Wie lange kennen wir uns eigentlich jetzt?“, bemerkte ich nachdenklich.
„Seit der Grundschule, das weißt du doch, oh mein Gott, du willst mir endlich einen Heiratsantrag machen“, witzelte Priscilla über meine Ernsthaftigkeit.
„Hast du unserer Freundschaft jemals das Wort "wir" in den Mund genommen?“, fragte ich.
„Keine Ahnung, wir führen ja keine Beziehung. Siehst du ich hab’s gesagt. Hast du mal wieder einer deiner fünfzehn Minuten der Selbstfindung?“, belächelte sie meine Fragen.
„Ach vergiss es einfach. Also wen fandest du heißer Owen Wilson oder Vince Vaughn?“, lenkte ich ab.
„Owen Wilson, ich steh’ auf blond, auch das weißt du. Also jetzt spuck es aus, ich werde langsam neugierig“, setzte sie sich auf die Rückenlehne einer Bank.
„Okay, kann ich dir vollkommen vertrauen?“, bemerkte ich langsam.
„Das weißt du doch, das Gespräch hatten wir doch schon mal vor vier Jahren. Aber damals hab ich dir die Frage gestellt. Was hast du angestellt?“, fragte Priscilla und sah mich besorgt an.
„Ich glaub ich hab mich verliebt“, gestand ich stockend.
„Das ist doch wunderbar, du beichtest mir das wie einen Mord“, freute sich Priscilla.
„Er ist ein böser Junge, schon wieder“, erkannte ich.
„Klaut er Fernseher?“
„So gut kenn ich ihn jetzt auch noch nicht, denke nicht!“
„Dann genieß es, lass dich nicht zu sehr darauf ein“, riet sie mir.
„Ich fürchte, das kann ich nicht“, entschied ich.
„Dann lass es, wenn du keine Schmerzen verträgst“, wurde sie fies und sprang mit ihren hochhackigen Stiefeln von der Bank.
„Was soll das jetzt? Du weißt wie das wehgetan hat, das letzte Mal“, blieb ich bedrückt sitzen.
„Verdammt, das ist jetzt ein Jahr her, der Mistkerl hat sicher schon drei weitere Frauen abgezockt, leb dein Leben endlich weiter“, sprach sie die bittere Wahrheit aus.
„Du hast Recht, scheiß drauf, wenn er mein Herz bricht, es beginnt immer ein neuer Tag“, sah ich es endlich ein.„Amen, Schwester, genau das wollte ich hören. Ich hab Hunger, sollen wir noch wo nen Salat oder so essen gehen?“, lächelte sie mich an.
„Klingt gut, lass uns gehen“, lächelte ich sie auch an und stieg auch von der Bank.
„Also bei mir sah das wirklich galanter aus. Das müssen wir noch üben“, schmunzelte sie. Das Aufbocken eines Motorrades erschreckte mich zu Tode. Ein Motorrad raste durch die Shoppingmeile. Reflexartig zog ich Priscilla auf die Bank und schützte ihren Kopf. Ein zweites Motorrad raste direkt hinterher.
„Hey, ihr Wichser, könnt ihr nicht aufpassen?“, schrie ich den Bikern hinterher und die bremsten.
„Lass sie gehen, bitte“, hatte Priscilla Angst.
„Nein, den muss man eine Lektion in Anstand beibringen“, schob ich sie von mir und lief cool auf die zwei Biker zu, die beide ihre Helme noch aufhatten.
„Hey, reicht es nicht, dass ihr euch auf der Straße so aufführt, muss der Gehweg jetzt auch dran glauben?“, war ich richtig wütend, irgendwie wandelte sich meine Angst in Stärke um, eine Macht, die ich vorher noch nicht kannte.
„Tut mir leid Miss, wir haben irgendwie die Straße verpasst“, entschuldigte sich der eine und nahm den Helm ab. Es war Tanner.
„Tann, solltest du nicht irgendwo an der Tür stehen?“, war das einzige was ich zu meiner Verwunderung raus brachte.
„Entschuldige, kennen wir uns?“, fragte Tanner.
„Nein, auf diese Frage antworte ich jetzt nicht mehr, das ist mir zu blöde. Wer ist dein Freund?“, fragte ich kopfschüttelnd und der andere nahm den Helm ab.
Es war Rafferty.
„Hi, Babe“, begrüßte er mich lässig.
„Von wegen Babe, du hast meine Freundin beinahe zum Krüppel gemacht. Habt ihr den Verstand verloren?“, fragte ich verwirrt.
„Wir mussten mal raus, ist wohl etwas ausgeartet“, erklärte Rafferty.
„Hab ich schon gehört, dass du grad etwas durchknallst. Aber ich dachte, dass du vernünftig wirst, das sieht nicht danach aus. Also ich guck jetzt nach meiner Freundin, die ist nach einer Entführung ziemlich schreckhaft, also verzieht euch“, wütete ich und ging einfach wieder weg.
„Hey, alles in Ordnung?“, setzte ich mich zur Priscilla auf die Bank.
„Ich hab mir meinen Absatz in einem Spalt eingeklemmt, ich glaub, ich hab mir den Knöchel verstaucht“, erklärte sie mit schmerzverzerrtem Gesicht.
„Mist, ich war wohl etwas zu rabiat, tut mir leid“, zog ich ihr ihren Stiefel aus.
„Du hast mir mein Leben gerettet, das ist schon okay. Du hast dir zwei Typen auf Motorrädern vorgeknöpft, ich glaub du bist jetzt drüber weg. Man, der Knöchel schwillt an, ich glaub ich kann nicht laufen“, entgegnete sie leidend.
„Moment, ich komm gleich wieder“, bemerkte ich mitfühlend und lief zurück zu Rafferty, der immer noch dort stand.
„Hey Babe, ich brauch dich kurz, komm her mit deiner Maschine“, lockte ich ihn rüber.
„Priscilla, das ist Rafferty, er fährt dich ins Krankenhaus. Du kannst ihm vertrauen, ich tu es. Tann, Helm, ich fahr bei dir mit“, lud ich Priscilla auf Raffertys Maschine und stieg bei Tann auf.
„Du kennst den Typen also?“, zog Priscilla, Raffertys Helm auf ihre Haartolle
.„Muss ich wohl, der Kerl ist der Typ mit dem ich es versuchen soll. Wir sehen uns im Krankenhaus“, konterte ich und Tann fuhr los.
„Na, endlich Ende mit den Hochhakigen?“, saß ich an diesem Abend neben meiner besten Freundin auf meinem Bett.
„Nur, wenn ich mit dir ausgehe. Nein, im Ernst, ich danke dir sehr für deine Rettung, obwohl es dein Freund war. Ich wusste gar nicht, dass du jetzt auf Dumm wie Brot stehst“, zog sie mich auf.
„Nein, Tann ist nicht mein Freund, Rafferty ist es, der Kleine“, erklärte ich.
„Schade, der ist süß, den hätte ich mir sonst gekrallt. Genieß die Zeit mit ihm, als wäre es die letzte. Danke, dass ich heut Nacht bei dir auf dem Sofa schlafen kann, dieses Motorrad hat echt schlechte Erinnerungen geweckt, sehr schlechte. Ich kann heut nicht allein sein“, erkannte sie.
„Dafür sind Freundinnen doch da. Du brauchst nicht auf dem Sofa schlafen, das tu ich. Dann kannst du deinen Fuß richtig ausstrecken. Ist das Eis noch kalt genug?“, stand ich vom Bett auf, um Eis in mein Glas zu tun.
„Ja, danke. Also, woher kennst du ihn?“, wollte sie alles über Rafferty wissen.
„Er ist Sänger bei der Band More Beat im Murphys. Zumindest war er das, bis letzte Woche. Jetzt will er plötzlich aufs College gehen und anständig werden“, erklärte ich.
„Wart’s nur ab, mit Mitte Vierzig ändert er seine Einstellung dann wieder. Du solltest mich mal zu einem Konzert mitnehmen, hat er vielleicht einen Bruder?“, fragte Priscilla und breitete sich auf dem Bett aus.
„Ja, hat er, mit Fabio Pferdeschwanz“, bemerkte ich angeekelt.
„Nicht dein Ernst, ich dachte diese Gattung Mann wäre Mitte der Neunziger ausgestorben. Bäh, das müsste ihm mal jemand sagen. Am besten du, du kannst das sehr gut. Wir machen diese Ausgehabende viel zu wenig, wir sollten uns mal nen Plan aufstellen“, döste sie langsam ein.
„Das müssen wir machen“, strich ich über ihre Stirn, bis sie eingeschlafen war.
Ein markerschütternder Schrei weckte mich in dieser Nacht.
„Hey, ganz ruhig, du bist in Sicherheit“, ging ich zu ihr und hielt sie in den Armen, bis sie wieder einschlief. Diese Entführung hatte sie noch nicht überwunden, egal was sie mir erzählte.
Ich rührte schon seit fünfzehn Minuten in meinen inzwischen kalten Kaffee rum und sah Priscilla beim Schlafen zu. Ich hatte nicht viel Schlaf gefunden, mein Sofa schien doch nicht so bequem zu sein, wie es der Verkäufer damals angepriesen hatte. Ich rieb meinen verkrampften Nacken und goss mir noch Kaffee nach. Als das Telefon neben mir klingelte, wollte ich es hektisch in die Hand nehmen und vergoss den warmen Kaffee über meiner Hand und über dem Tisch.
„Mist, hallo?“, ging ich in den Nebenraum.
„Dir auch einen schönen Morgen, wo warst du gestern?“, fragte Saida und ich setzte mich auf die Toilette.
„Ich war aus, hab ich dir doch gestern erzählt“, ließ ich die Dusche laufen.
„Ich meine danach, du wolltest in den Club kommen“, war Saida ziemlich sauer.
„Ich hab Chinese auf dem Strip getroffen, ich hab mich im Krankenhaus mit ihm unterhalten, er hat voll einen an der Klatsche. Aus eurer Sicht zumindest. Aus meiner Sicht entwickelt er sich gerade zum Besseren, ich hoff er hat die Liste nicht verloren, die ich ihm geschrieben habe. Sag ihm, er soll sich keinen Kopf machen wegen gestern, ist nur angeknackst. Er sollte aber diese Stunts lassen, er bricht sich noch den Hals. Noch was?“, fragte ich und zog mit einer Hand mein Unterhemd aus.
„Das war aber nicht, um was ich dich gebeten habe“, war sie nicht glücklich über meine Antwort.
„Pech, ich bin nicht seine Mutter, ich kann ihm nichts vorschreiben. Ich muss jetzt aufhören, ich will noch duschen, bevor ich ins Büro muss“, drückte ich sie einfach weg und entledigte mich meiner Shorts.
„Die haben sie doch nicht alle, ich kann doch nicht alles regeln“, fuhr ich durch meine Haare und sah mich im Spiegel an. Eine Tätowierung wäre gar nicht mehr so eine schlechte Idee. Mein Nacken war jetzt ohne Haare ziemlich kahl. Ein Herz auf dem Schulterknochen vielleicht. Nichts Großes.
„Schätzchen, ich muss dringend pinkeln, mach auf“, klopfte Priscilla an die Tür und riss mich aus meinen Gedanken.
„Klar, sofort“, wickelte ich mir ein Handtuch um und öffnete die Tür.
„Du wolltest duschen, ich kann auch warten“, bemerkte sie.
„Nein, stört mich nicht, mach nur“, ließ ich das Handtuch fallen und stieg in die Dusche.
„Du wolltest nicht mal einen Bikini anziehen, als wir am Strand waren, warum plötzlich so freizügig?“, wunderte sich Priscilla.
„Du bist ne Frau und das ist mein Badezimmer, ich mach keine Bilder für dem Playboy“, erwiderte ich.
„Hab nicht gesagt, dass mich das stört“, erklärte sie.
„Gut, dachte schon, das wäre dir peinlich“, konterte ich und stieg wieder aus der Dusche.
„Wie kannst du nur so einen Körper haben, bei dem was du in dich reinstopfst“, musterte sie mich.
„Strip Aerobic, solltest du auch mal versuchen“, bemerkte ich ernst.
„Jetzt verscheißerst du mich, richtig?“, war sie verwirrt.
„Nein, ich hab aber erst vor zwei Wochen angefangen, das kann es nicht sein“, erwiderte ich und zog mein T-Shirt wieder an.
„Strip Aerobic, Ende der Prüderie, ein Freund mit Motorrad, Mädchen du wirst endlich erwachsen“, freute sich Priscilla über meine Verwandlung.
„Scheint so. Irgendwann müssen wir über letzte Nacht sprechen“, zog ich eine Shorts aus der Schublade und zog sie an.
„Hab ich irgendwas verpasst?“, wunderte sich Priscilla.
„Du hast immer noch Albträume, du hast mir gesagt, dass du darüber weg bist, hast du das nur gesagt, dass ich dich nicht zu einem Psychologen schicke?“, fragte ich und begann mich zu schminken.
„Ja, hab ich“, bemerkte sie kurz.
„Wirklich nett. Ich mach mir Sorgen um dich“, erkannte ich gereizt.
„Musst du nicht, mir geht’s gut“, versprach sie.
„Das hab ich ja gemerkt. Ich leg dir die Nummer von der Psychologin hin, die ich damals rausgesucht habe. Ruf sie an, bitte“, ging ich aus der Badezimmertür.
„Ich werde sie nicht anrufen, mir geht’s gut“, kam sie mir hinterher.
„Deine Entscheidung, aber mir wäre es lieber. Du kannst heut Abend wieder zu mir kommen, wenn du willst. Ich muss jetzt los, ich will noch wohin. Viel Spaß bei der Arbeit“, zog ich meine Jeans und meine Jacke an und verließ die Wohnung.
Zwei Motorräder standen vor dem Murphys.
„Gut, er ist da, dann spar ich mir einen Besuch“, knöpfte ich meine Jacke zu und setzte meine Sonnenbrille auf, weil die Sonne in meinen Augen brannte.Nachdenklich ging ich zum Eingang, der noch verschlossen war. Ich klopfte.
„Verschwinde du Saufkopf, wir haben noch nicht auf“, bemerkte eine Stimme von drinnen.
„Gut, ich kann auch wieder gehen“, erkannte ich und lehnte mich an die Wand neben der Tür.
„SayDe, bist du das?“, fragte Bale und ich hörte den Schlüssel im Schloss.
„Ganz richtig, ihr wolltet das ich zu euch komme, also hier bin ich“, kam ich rein.
„Entschuldige, wir haben da so einen Stammgast, der kann morgens schon nicht ohne sein Bier. Komm rein“, bat er mich rein.
„Wann macht ihr eigentlich auf?“, führte ich Smalltalk.
„Erst um 10 Uhr, ist noch ne Weile hin. Wir sind grad beim Frühstücken, mein Bruderherz schläft noch, er hat sich gestern ziemlich spät dazu bequemt, wieder heimzukommen. Hast du Hunger?“, schloss er die Tür wieder hinter sich zu.
„Etwas, danke“, erkannte ich.
„Gut, dann isst du mit uns. Wann musst du bei der Arbeit sein?“, war Bale seltsam freundlich.
„In einer Stunde. Du brauchst nicht mehr so nett zu sein, ich bin da“, bemerkte ich und ging Richtung Küche.
„Gut, das liegt mir nämlich gar nicht. Vor allem nicht so früh am Morgen. Leute, sie ist da“, kündigte Bale mich groß an. In dieser kleinen Küche hatte tatsächlich die ganze Band mit Freundinnen Platz. Sie saßen, standen und lungerten überall im Zimmer rum und aßen.
„Wäre ein großer Tisch nicht sinnvoller?“, sah ich mich um.
„Nein, das wäre zu familiär, das ist voll nicht Rock’n Roll“, erklärte Odion, dessen rote Haare wild zu Berge standen.
„Okay, also ihr wolltet mit mir reden?“, fragte ich und suchte mir irgendwo einen Sitzplatz.
„Ja, hier, du kennst ja unser Leadsänger-Problem“, erklärte Efran und reichte mir eine Tasse Kaffee und einen Bagel.
„Wenn du damit meinst, dass mein Freund die Band verlassen hat, ja das ist mir bekannt“, erwiderte ich. Ich nannte ihn jetzt meinen Freund, ich hatte ja keine Ahnung wie wir jetzt galten.
„Du bist schuld daran, ändere das“, bemerkte Armagein, den ich das erste Mal sprechen hörte. Er hatte einen furchtbaren gälischen Akzent, das erklärte vermutlich warum er nicht viel redete.
„Leute, eure Schallplatte hat nen Sprung, ich kann an seinen Entscheidungen nichts ändern“, entgegnete ich cool.
„Du hattest die Macht ihm den Mist einzureden, dann schaffst du das auch, ihm das wieder auszureden. Hopp“, wurde Taijse sauer über meine Einstellung.
„Ich kann es ja versuchen, verlang aber nicht zu viel von mir“, gab ich nach und ging die Stufen zu seinem Zimmer hoch.
„Die haben Vorstellungen, ich bin nicht seine Mutter, echt nicht“, ging ich ganz selbstverständlich in sein Zimmer. Das hätte ich nicht tun sollen, denn was mich dort erwartete, war nicht gerade angenehm. Rafferty war nicht allein. Eine andere Frau lag in seinem Bett.
„Ich glaub, dass mit der Freundin war wohl etwas zu hoch gegriffen“, murmelte ich vor mich hin und ging ohne ihn aufzuwecken die Treppe wieder runter.
„Entschuldigt, ich kann euch nicht helfen, ich helfe nur Menschen, die mir was bedeuten, ihr gehört wie es aussieht nicht dazu. Wie könnt ihr mir nur so was antun? Das ist echt so krank“, kämpfte ich mit meinen Tränen, obwohl ich eigentlich stark bleiben wollte.
„Hey, was ist denn passiert?“, fragte Edvia mitfühlend.
„Wirklich krank, ihr seid wirklich krank“, ging ich wieder, ohne zu erklären, was passiert war.Tapfer wischte ich meine Tränen aus dem Gesicht, setzte meine Sonnenbrille auf und fuhr zur Arbeit. Vielleicht war es besser so, zumindest besser, als wenn er mich eines Tages mit meiner Freundin betrogen hätte, meinen PC geklaut hätte, oder sonst irgendeine Gemeinheit mir angetan hätte.Bei der Arbeit musste ich mich echt zusammenreißen, die Kritik die ich schreiben musste, nicht zu kritisch zu beurteilen. In der Mittagspause fuhr ich zu Priscilla, die gerade Unterricht in Maskenbildung gab. Sie hatte früher als Priscilla Double im Elvis-Museum gearbeitet, aber seit zwei Jahren unterrichtete sie die Kunst der Maskenbildnerei an einem College für Schauspielerei. Sie war früher selbst Schauspielerin gewesen, zumindest hatte sie das studiert, aber sie wollte nicht mehr dorthin zurückkehren. Ich hatte Glück, sie hatte grad Pause und qualmte vor der Tür.
„Hey du besuchst mich, wie komm ich zu der Ehre“, drückte sie ihre Zigarette mit ihrer Stiefelette auf dem Boden aus. Sie sah wirklich komisch aus, einen Fuß im Flip Flop, den anderen im Stiefel. Kurz musste ich grinsen.
„Ich hab auch noch Turnschuhe zu Hause“, erwiderte ich und ging auf sie zu.
„Ich weiß, aber ich bin halt ein Gewohnheitstier, ich kann nicht ohne meine Stiefel. Ich zieh’ ihn wieder an, wenn ich wieder reinpasse. Also, du wolltest sicher nicht über meinen Schuhtick sprechen“, humpelte sie mir entgegen.
„Ich wollt dich nur mal besuchen, hab ich lang nicht mehr gemacht“, erwiderte ich.
„Du wolltest nur sicher gehen, dass es mir gut geht, oder?“, fragte sie und ich lächelte.
„Ja, sicher, das war es“, entschied ich verdächtig ruhig.
„Und ehrlich?“, durchschaute sie meine Absichten.
„Ich war heut Morgen bei ihm und er war nicht allein“, rückte ich mit der Wahrheit raus.
„Wie hat er denn das geschafft, er war doch bis ein Uhr mit uns zusammen?“, wunderte sie sich.
„Keine Ahnung, vielleicht war er noch kurz bei einem Speed Dating, wie es aussieht, sind dort alle Loser versammelt und ich gehör ab heute wohl auch dazu“, kämpfte ich wieder mit den Tränen.
„Hey, komm her Süße, auf Speed Dating lässt du dich keinesfalls ein, dafür bist du viel zu hübsch. Du könntest ja Tann nehmen, ich hab gehört dumm bumst gut“, erklärte sie und brachte mich zum Lächeln. Ich wusste schon, warum ich zu ihr gegangen war, jetzt ging es mir gleich besser.
An diesem Abend machten wir einen richtigen Mädelsabend, was wir lang nicht mehr gemacht hatten. Wir luden noch ein paar Freundinnen ein, liehen uns Schmachtfilme und machten ganz viel Popcorn. Wir hatten gerade den Film Legenden der Leidenschaft beendet, als es klingelte.
„Gut, Tatum kommt noch, die hat sicher den Alkohol dabei“, ging ich gut gelaunt zur Tür. Aber es war nicht Tat
um, die an der Tür stand.
„Hey, kann ich reinkommen?“, stand Rafferty vor der Tür mit einer losen Rose in der Hand.
„Oh ja, du bist ja so romantisch, natürlich lass ich dich rein, du toller Mann“, bemerkte ich sarkastisch.
„Wirklich?“, fragte er erfreut.
„Nein, verpiss dich“, schlug ich die Tür vor seiner Nase zu.
„War das nicht Tatum?“, fragte Priscilla und sah mich verwundert an.
„Nein, die kommt wohl nicht mehr. Lisa, bist du ein Schatz und holst uns zwei Sixpacks Bier, von dem Inder um die Ecke“, bat ich eine meiner Freundinnen und drückte ihr einen Zwanziger in die Hand.
„Sicher, wer war das an der Tür?“, fragte Lisa, sie war eine Kollegin aus dem Büro und Klatschreporterin.
„Er steht sicher noch draußen, du kannst ihn ja selbst fragen“, erkannte ich und Lisa ging verwirrt aus der Tür.
„So Ladies, solang Lisa weg ist, zeig ich euch ein paar Bewegungen von Strip Aerobic“, machte ich mit meinem Abend weiter, als wäre nichts passiert. Es war ja auch nichts passiert, oder?
Tags drauf wachte ich mit einem Kater und Priscillas Zeh’ in meiner Nase auf. Angeekelt schob ich ihr Bein weg und stand auf. Das war ein toller Abend gewesen. Den Mädels hatte ich nichts von Rafferty erzählt, das mussten sie ja nicht wissen. Vor allem weil ich eh schon als Liebeskrüppel in unserer Clique verschrien war. Nur Priscilla war noch schlimmer dran, aber bei ihr wussten sie wenigstens, an was es lag. Mein Hals brannte, weil wir am Ende des Abends noch Karaoke gesungen hatten. Stephanie hatte das mitgebracht, eine Freundin von Priscilla und immer noch praktizierende Schauspielerin. Genau die lag mir zu Füßen, als ich aufstand.Ich ging zur Haustür um draußen meinen Sonntagsanzeiger zu holen, die einzige Zeitung die ich abonniert hatte, weil ich sonst nicht zum Lesen der Zeitung kam. Ich beugte mich auf meine Fußmatte herunter, um sie zu greifen, als ich Rafferty an der Ecke des Ganges sitzen sah, schlafend, mit der Rose auf dem Schoß.
„Mistkerl“, grummelte ich, zog meinen Bademantel fester zu und ging auf ihn zu.
„Kannst du mir verraten, was du da machst?“, fragte ich und knockte auf seinen Kopf.
„Gut, du bist wach, ist wirklich ungemütlich auf dem Boden“, murmelte er schlaftrunken und stand auf.
„Haben dich die zwei Worte, die ich zu dir gesagt habe verwirrt, armer Mann?“, konterte ich keck.
„Wir sollten reden“, begann er.
„Wüsste nicht, worüber mein Süßer. Du hast mich betrogen, ich hab dich erwischt, es gibt nichts zu reden, außer, ich will dich nicht wieder sehen, Sayonara“, ging ich zu meiner Wohnung zurück.
„Ich sollte wohl nicht mit, "es ist nicht so wie es aussieht" anfangen, oder?“, schlussfolgerte er.
„Ich dachte echt, du wärst der Klügere von euch beiden“, klopfte ich an die Tür, die mir zugefallen war.
„Kann ich wenigstens einen Kaffee haben?“, fragte er müde.
„Meinetwegen, komm rein. Ich hab Besuch, also Klappe halten“, entschied ich und nahm ihn mit rein, als Stephanie mir die Tür öffnete.
„Du bist glaub ich die einzige, die ne Sonntagszeitung mit Männerbeilage bekommt“, musterte Stephanie, Rafferty.„Ist eine von diesen Beilagen die einem nicht gerade gefallen, so wie der Hund von Nebenan, der gern sein Morgengeschäft auf der Zeitung verrichtet. Er kriegt nur nen Kaffee und dann verschwindet er wieder. Sprecht ihn nicht an, er ist es nicht wert“, erklärte ich genervt und ging zum Bett um Priscilla zu wecken.
„Hey Priscilla, der Arsch ist da, wach auf“, schüttelte ich sie wach.
„Oh man, er hat aber lang gebraucht“, stand sie schwerfällig auf.
„Er war schon gestern Abend da, der Loser, hat vor der Tür geschlafen. Ist eigentlich ganz gut, dass ihr ihn kennen lernt, dann wisst ihr wenigstens wer er ist und dass ihr euch nicht mit ihm einlassen sollt“, ging ich in die Küche um Kaffee aufzusetzen.
„Hör auf damit, bitte“, bat Rafferty mit ernstem aber gleichzeitig sanftem Ton und überraschte mich damit.
„Das hättest du deiner kleinen Freundin sagen sollen, als sie sich ausgezogen hat. Jetzt ist es zu spät“, konterte ich, ohne mich umzudrehen.
„Das ist Rock’n Roll, das verstehst du nicht“, versuchte er zu erklären.
„Diesen Spruch hab ich so satt. Deine Bandkollegen schaffen es auch, treu zu bleiben, sind die nicht Rock’n Roll, oder was?“, wütete ich, immer noch mit dem Rücken zu den anderen gedreht.
„Ich glaub, wir sollten gehen“, erwiderte Priscilla, der es unangenehm war.
„Nein!“, brüllte ich.
„Nein, bitte bleib, ich weiß sonst nicht, was ich noch mache. Ich werde Bagels holen gehen, lasst ihn ja nichts anfassen“, krallte ich mich an der Tischplatte fest, atmete ein Mal tief durch und nachdem ich meinen Mantel über meinen Bademantel gezogen hatte, verließ ich meine Wohnung.
Am Frühstückstisch herrschte ein Schweigen, das fast erdrückend war. Niemand traute sich etwas zu sagen, nach meinem Ausraster. Ich war noch nie so ausgerastet, vermutlich, weil ich all den Ärger über meine Ex-Freunde wohl nur auf ihn projizierte, weil er der einzige gewesen war, der noch geblieben war.
„Wie geht’s dem Knöchel, Priscilla?“, fragte Rafferty unerwartet in die Runde.
„Ihm ginge es besser, wenn du nicht Stuntfahrer auf dem Gehsteig spielen hättest müssen“, konterte Priscilla ruppig.
„Ich hab mich doch schon entschuldigt, was willst du noch?“, fragte er gereizt zurück.
„Er ist Gast, benimm dich, ja“, kritisierte ich Priscilla.
„Aber ich dachte …“, wunderte sie sich.
„Lass ihn, er hat seine Strafe abgesessen, am besten gehst du jetzt“, nahm ich ihn in Schutz, bat ihn aber trotzdem zu gehen.
„Natürlich, kommst du trotzdem Freitag noch zu unserem Konzert?“, wollte er wissen.
„Seit wann singst du wieder?“, war ich überrascht.
„Das ist wohl das einzige, was ich kann. Die Uni wäre eh zu teuer geworden. Also?“
„Ich hab’s ja versprochen, dann komm ich auch“, versprach ich und er ging.
„Spinnst du, du kannst doch nicht so einfach nachgeben“, moserte Priscilla.
„Das ist doch nur Rock’n Roll, oder? Ich werde seinen Gig kritisieren, dann war’s das mit uns. Noch jemand Bagels?“, erklärte ich stur.
„Das glaubst du ja selbst nicht, so gut kenn ich meine Süße“, schlussfolgerte Priscilla.
„Du wirst schon sehen, mit ihm bin ich durch“, versprach ich, was natürlich nicht der Wahrheit entsprach.
„Das will ich erst mal sehen. Warum verteidigst du ihn, gegenüber mir, das mag ich nicht“, beschwerte sich Priscilla.„Er war Gast in meinem Haus, hab ich doch gesagt. So bin ich nun mal erzogen worden, am liebsten hätte ich ihm eine runter gehauen. Apropos erzogen, am Mittwoch steht wieder ein Essen bei meiner Mutter an, begleitest du mich?“, wollte ich wissen.
„Deine Mutter mag mich nicht“, erwiderte sie trotzig.
„Nein, sie vergöttert dich, sie kann das nur nicht richtig ausdrücken. Okay, sie mag dich nicht, aber dann geht sie auf dich los, nicht auf mich, bitte“, bettelte ich.
„Ich geh mit, wegen deiner Ehrlichkeit und weil deine Mutter klasse kocht. Dreizehn Uhr, wie immer?“, gab sie nach.„Ja, sie ist die Königin der Routine, oder?“, lästerte ich über meine Mutter.
„Du bist die Prinzessin der Routine, sorry Schätzchen, aber je älter du wirst, umso mehr Routine bringst du in dein Leben. Du bist der Missionarsstellung -Typ, richtig?“, lästerte sie jetzt über mich.
„Es geht nichts über Blümchensex, aber durch meinen Aerobickurs werde ich vielleicht irgendwann beweglicher“, konterte ich cool.
„Du musst mir diese eine Figur noch mal zeigen, ich glaub ich komm auch auf den Geschmack“, bat sie und wir schäkerten noch rum, bis sie nach Hause gingen
Am nächsten Morgen kam gerade vom Kaffeeautomaten, als ein Kerl in Lederdress lässig auf meinem Schreibtisch saß.
„Schon wieder einen Rocker als Nachtisch, ich würde sonst was geben für einen Muffin“, kam ich zu dem Mann hin.„Ich könnt dir einen besorgen. Ich komm von der Band, um mich im Namen der anderen zu entschuldigen“, stellte sich der Rocker als Efran heraus.
„Und nicht mal Blumen, wirklich schwach“, drückte ich ihn vom Schreibtisch.
„Wir haben es nicht gewusst, wirklich nicht“, versuchte er zu erklären.
„Ich hab zu arg reagiert, tut mir leid, ich bin nicht mehr sauer auf euch, das kannst du ausrichten“, erkannte ich kurz angebunden und stellte meine Kaffeetasse ab.
„Klingt nicht so, als wärst du mit uns im Reinen. Du musst neutral sein, wenn du uns kritisieren willst, vor allem in dieser Zeit“, erklärte Efran und setzte sich lässig falsch herum auf einen Stuhl.
„Du hast deine Neutralität schon überschritten, als du hier rein spaziert bist. Ich bin ganz neutral, die Schweiz ist nen Dreck gegen mich. Sonst noch was?“, fragte ich und er stand auf.
„Er ist ein netter Kerl, emotional gestört, aber ein netter Kerl. Übrigens, danke, dass du ihn davon überzeugt hast, weiter zu machen. Das rettet uns vermutlich vor dem Ruin. Also danke noch mal“, bemerkte er, während er ging.
„Hey, heißer Typ, wer ist er?“, kam Lisa zu mir.
„Dein Handy bräuchte eigentlich keine Antenne du bist selbst eine“, nörgelte ich und setzte mich hin.
„Er ist nicht der gleiche Typ, wie der von gestern Abend. Genauso verlottert, aber nicht derselbe“, schlussfolgerte sie.
„Du bist echt eine Spürnase. Lästig, aber mit einer guten Auffassungsgabe. Er ist der Freund meines Ex-Freundes. Er wollte vermitteln, aber die Nummer zieht bei mir nicht. Sonst noch ne Frage?“, wollte ich sie auch abwimmeln. „Ah, so. Arbeite noch schön weiter. Bye“, ging sie vor den Kopf gestoßen weiter.
Den Rest der Woche verbrachte ich ohne Rock’n Roll an meinem Schreibtisch im Büro. Der Mittwoch kam und so wieder das Essen mit meiner Mutter. Sie wollte sicher wissen, wie es mit meinem Freund lief, also musste ich mir wieder irgendeine Ausrede einfallen lassen.
„So, kann ich nicht einfach sagen, mir geht es nicht gut?“, war Priscilla nicht begeistert, dass sie mit musste, als wir vor dem Haus meiner Eltern standen.
„Zu spät. Ich rieche Hackbraten, den magst du doch, oder?“, lockte ich sie.
„Ich werde nicht nett sein, meine Kinderstube lässt nämlich zu wünschen übrig“, entschied sie.
„Musst du nicht, bin ich auch nicht. Hast du Hunger?", fragte ich um abzulenken.
„Nein, eigentlich nicht. Eine Schülerin von mir hat Muffins mitgebracht. Wie auch immer, lass uns reingehen", bemerkte sie und wir gingen endlich rein.
Wir klingelten und niemand machte auf.
„Sie ist nicht da, gehen wir", konterte sie und ging zurück.
„Von wegen, sie ist vermutlich im Garten, so einfach kommst du mir nicht davon. Gehen wir außen herum", bat ich und zog sie auf den Steinweg um ums Haus zu gehen.
„Sie hat die Steine endlich gereinigt, das war auch notwendig", erwiderte Priscilla.
„Das Thema solltest du für einen weiteren Zeitpunkt aufheben. Ah, da ist sie ja“, bemerkte ich und entdeckte meine Mutter in ihren Rosen.
„Mum, hi, wir sind da“, rief ich ihr entgegen.
„Kinder, hallo, tut mir leid, ich hab wohl die Zeit vergessen. Priscilla, du bist auch da, wie schön“, kam meine Mutter mit der Gartenschere in der Hand aus ihren Blumen.
„Ja, sie hasst dich wirklich“, bemerkte ich zu Priscilla sarkastisch.
„Ich bin Gast in eurem Haus, das ist wohl so ne Macke von euch. Ich umarme sie nicht, das kann sie vergessen“, sagte sie mit einem aufgesetzten Lächeln und ging auf meine Mutter zu.
„Petunia, hallo, lang nicht mehr gesehen“, umarmte sie meine Mutter.
„Ja, sieht ganz so aus. Wie geht’s dir?“, fragte sie meine Mutter.
„Ich hätte gern einen Schwiegersohn und einen Enkel. Sonst geht es mir gut. Du bist dünn geworden, Kleines“, tätschelte sie ihre Hüfte.
„Ich hatte Stress in letzter Zeit, das wird schon wieder. Ich müsste öfters bei dir Essen. Gehen wir rein“, gingen sie Arm in Arm hinein.
„Toll, ich hab soeben meine Mutter verloren“, redete ich mit mir selbst und lief ihnen nach.
Ich stocherte lustlos in meinem Hackbraten herum, vermutlich so auffällig, dass meine Mutter mich darauf ansprach.
„Seit wann schmeckt dir mein Essen nicht mehr?“, moserte sie.
„Nein, nein ist lecker, ich musste nur über was nachdenken“, erwiderte ich und sah aus dem Fenster.
„Nicht schon wieder einer, du hast echt einen Verschleiß“, wusste sie schon, um was es ging.
„Nein, mit meinem Freund läuft alles bestens, ich hab über die Arbeit nachgedacht“, log ich ziemlich schlecht.
„Ah, Lügnerin. Ich hab dir diese Unterlagen für das Blind Dating zuschicken lassen, versuch es bitte mal“, bat sie und tätschelte meine Hand.
„Mum, ich hab einen Freund und wir verstehen uns prima“, wurde ich laut.
„Gut, dann ist ja gut, du kannst es dir ja nur mal ansehen“, war sie überrascht über meinen lauten Tonfall.
„Ja, vielleicht sehe ich es mir mal an. Gibt es Nachtisch?“, bemerkte ich etwas grummelig.
„Karamell-Pudding. Lern ich ihn dann mal kennen?“, kam prompt als Frage.
„Ich bring ihn nächste Woche mit, okay? Ende der Diskussion“, gab ich nach.
„Gut, freut mich zu hören. Ich werde den Nachtisch mal holen gehen“, ging sie in die Küche.
„Du hast keinen Freund mehr, das ist dir hoffentlich klar“, zischte Priscilla mir entgegen.
„Er will mich zurück, dann kriegt er mich zurück. Lösung gefunden“, erkannte ich und aß mein Essen weiter.
„Das ist wohl nicht dein Ernst? Das kannst du nicht machen“, war Priscilla entsetzt über meine Aussage.„Ach kann ich nicht? Er hat mich betrogen, jetzt spiel ich ein bisschen mit ihm. Kann ihm wohl kaum schaden“, hörte ich mich sagen, obwohl ich selbst nicht daran glaubte.
„Er ist ein netter Kerl, du kannst ihn nicht so behandeln“, verteidigte sie ihn.
„Es ist nur Rock'n Roll, aber ich mag es“, zitierte ich einen bekannten Song und sie sah mich irritiert an.
„Lass mich einfach machen, es wird keiner zu Schaden kommen, versprochen. Jetzt sei still sie kommt wieder“, versprach ich und schwieg, als meine Mutter zurück in den Raum kam.
„Hab ich was verpasst?“, fragte meine Mutter und setzte sich wieder.
„Nein, gar nichts. Sieht lecker aus, der Nachtisch, wirklich“, bemerkte ich hastig und sie tat mir auf.
Den Rest des Essens schwiegen wir, verabschiedeten uns so schnell wir konnten und gingen wieder zur Arbeit. Nach der Arbeit ging ich gerade zu meinem Auto, als ich an einem Laden vorbei kam, in dem ich noch nie gewesen war. Ich stockte erst kurz vor der Tür, dann ging ich doch hinein.
„Guten Abend, Miss, tut mir Leid, wir schließen in ein paar Minuten“, kam mir ein Verkäufer entgegen.
„Ich brauche nicht lang, gibt es hier einen Hetero-Mann in diesem Laden?“, fragte ich forsch.
„Sie stehen vor einem, was kann ich für Sie tun?“, fragte der Verkäufer verwundert.
„Gut, geben sie mir ein Outfit in Größe 38, so kurz, dass sie mich darin am besten gleich vernaschen wollen. Am besten was mit Leder und Reißverschluss“, bat ich.
„Drittes Date?“, fragte er, während er suchte.
„So in etwa, haben Sie so was?“, fragte ich und er zog einen Leder-Rock und ein schwarzes Neckholder-Shirt heraus.
„Perfekt. Packen Sie mir das ein, zusammen mit der Kette hier“, erwiderte ich und zog noch eine Rosenkranz ähnliche Kette vom Haken neben der Kasse.
„Schnelle Entscheidung, das gefällt mir. Karte oder bar?“, fragte der Verkäufer erfreut.
„Karte, natürlich. Danke“, zahlte ich und ging so schnell wie ich gekommen war.
Ich fühlte mich nackt, als ich an diesem kalten Herbst-Abend vor dem Murphys stand. Ich rückte mein Kopftuch zurecht und atmete tief durch.
„Du kannst das, du bist Rock'n Roll“, redete ich mit mir selbst und ging auf Tann zu.„Wenn du mich wieder nicht erkennst, hau ich dich“, erkannte ich und grinste Tann an.
„Ich bin kein Volldepp, SayDe, was verschafft uns die Ehre?“, konterte Tann lässig und öffnete mir die Tür.
„Ich brauch mal nen Drink und vielleicht mehr. Ist dein Cousin da?“, fragte ich, während ich durch die Tür ging.
„Hab ihn lang nicht mehr gesehen, keine Ahnung“, erkannte Tann während die Tür schloss.
„Hoffentlich ist er da, ich hab mich nicht umsonst so aufgestylt. Man, ist hier tote Hose“, redete ich mit mir selbst und ging wie selbstverständlich nach hinten. Im Flur traf ich Bale.
„Hey Bale, hast du deinen Bruder gesehen?“, fragte ich ihn und stützte meine Hände auf meine Hüften.
„Nein, aber wenn du einen Mann brauchst, ich hätte jetzt Feierabend“, musterte er mich.
„Verlockendes Angebot, Henry, aber nein danke. Schönen Abend noch“, ging ich weiter.Der nächste der mich schamlos anglotzte war Odion, der gerade die Treppe hinunter gestolpert kam.
„Hey Zuckerpüppchen, wohin des Weges?“, schmunzelte er.
„Saida ist wohl weg, das würdest du dich nicht trauen, wenn sie da wäre“, erkannte ich.
„SayDe, hey, ich hab dich gar nicht erkannt. Tut mir Leid, verrate ihr nichts“, stammelte er und ich musterte ihn, wie er es zuvor mit mir gemacht hatte.
„Suchst du was bestimmtes?“, fragte er verwundert.
„Ja, die Hundeleine, amüsiere dich, du bist nur ein Mal jung“, entgegnete ich und grinste.
„Bist du betrunken?“, fragte er und ich schüttelte den Kopf.
„Aber sonst geht es dir gut, du wirkst so, ich weiß nicht, anders“, erwiderte Odion.
„Heute bin ich irgendwie anders. Hast du Chinese gesehen?“, fragte ich.
„Ach, du willst den Kleinen beglücken, Glückspilz. Er ist im Badezimmer mit Taijse“, belächelte er mich.
„Ja, genau. Will ich wissen, was die da drinnen machen?“, fragte ich verwirrt über diese Aussage.
„Das weiß keiner, zumindest solltest du Armagein nichts davon sagen, der ist immer so misstrauisch“, erklärte er.
„Ich glaub, ich will es auch nicht wissen. Trotzdem danke“, ging ich die Treppe weiter hoch.
Unsicher ging ich erst ein Mal am Badezimmer vorbei und lauschte.
„Jetzt halt still, ich will dich nicht fesseln müssen“, hörte sie Taijse sagen.
„Das wäre nicht das erste Mal bei dir. Pass doch auf, du machst mich ganz nass“, nörgelte Rafferty.
„Leute, kann ich reinkommen?“, fragte ich, nachdem ich geklopft hatte.
„SayDe? Was machst du hier?“, rief Taijse raus.
„Ich wollt es eigentlich Raff besorgen, wie es aussieht, tust du das aber bereits“, bemerkte ich unsicher.
„Hab ich was nicht mitgekriegt?“, kam Taijse mit brauner Farbe im Gesicht an die Tür.
„Was zur Hölle tut ihr da drin?“, war ich verwirrt.
„Süße, wir sind zwar dankbar, dass du ihn zurückgebracht hast, aber das geht dich nichts an“, konterte Taijse schroff.
„Du hast nen Mann, ich will den“, ließ ich nicht locker.
„Ich bin noch nicht fertig mit ihm, du kannst ihn nachher haben“, schloss sie die Tür wieder. Okay, das war es dann, mein Lauf war vorbei, all mein Mut, den ich angesammelt hatte, war aufgebraucht.
Auf meinen ausgeliehenen Stiefeln wankte ich runter in die Bar.
„Edric, mach mir nen Tequila Sunrise“, bestellte ich am Tresen.
„Sehr witzig, Cola light, wie immer?“, schmunzelte Edric.
„Stottere ich? Sunrise, jetzt“, bestellte ich mit schroffem Ton.
„Du weißt schon, dass da Alkohol drin ist?“, fragte er noch ein Mal nach.
„Ich hoffe es, hast du vergessen wie der Drink geht?“, forderte ich.
„Nein, kommt sofort. Sollten wir über irgendwas reden?“, fragte Edric und ich beugte mich zu ihm.
„Kann ich dir nen Geheimnis anvertrauen?“, fragte ich und er nickte.
„Du hast Babybrei am Hals. Schläft das Baby langsam durch?“, fragte ich und er grinste.
„Es wird besser. Es ist ein Junge. Er ist ein Engel“, erklärte Edric stolz.
„Ist er jetzt deiner?“, knabberte ich ein paar Erdnüsse.
„Nein, ist er nicht. Sie weiß nicht, dass ich es weiß. Ich hab nach der Geburt einen Test machen lassen. Er ist mein Sohn, so ist das“, erklärte er trocken.
„Ihr seid also noch zusammen?“, fragte ich neugierig.
„Ja, sind wir. Also was ist dein Geheimnis?“, wollte er wissen.
„Ich will Rafferty so richtig ausnutzen, ihm so weh’ tun, wie er es mit mir getan hat“, entgegnete ich.
„Tu dir keinen Zwang an, täte ihm mal gut. Hier dein Sunrise, mit viel Alkohol“, erklärte Edric und ich nahm einen großen Schluck mit dem Strohhalm. Diese Antwort hatte ich nicht erwartet.
„Er ist dein Zugpferd, du müsstest doch froh sein, dass er wieder da ist“, erkannte ich.
„Seine Stimme ist gerade ziemlich mies, so erfreut war ich nicht gerade“, erklärte er und spülte ein Glas ab.
„Was ist denn mit seiner Stimme?“, fragte ich neugierig.
„Was stört dich das? Du willst ihn ja nur ausnutzen“, bemerkte er und ich nahm den Strohhalm aus meinem Drink.„Auch wahr. Hast du ein Foto von deinem Sohn dabei?“, versuchte ich abzulenken.
„Hier, das ist er. Ist er nicht süß?“, fragte er stolz und gab mir ein Polaroidbild.
„Ja, wirklich. Wie geht’s Rai?“, wollte ich wissen.
„Sehr gut, sie ist gerade bei ihrer Mutter für eine Weile, ich passe auf den Kleinen auf. Ja eigentlich macht das Taijse, sie wird mal ne gute Mutter sein, aber sprich sie ja nie darauf an. Sie ist ganz vernarrt in den Kleinen“, erzählte er und ich nahm einen großen Schluck aus meinem Drink.
„Man, das brennt vielleicht, das ist jede Menge Alkohol“, verzog ich das Gesicht.
„Du hast ihn so bestellt. Willst du nen Wasser hinterher?“, fragte er grinsend.
„Gute Idee. Apropos Taijse, wie lang läuft das eigentlich schon mit Chinese?“, wollte ich wissen.
„Raff und Taij, wie kommst du denn auf den Mist?“, konterte er amüsiert.
„Ich hab sie gerade dabei erwischt, was auch immer sie da im Badezimmer getrieben haben“, erklärte ich.
„Nein, da hast du was falsches gesehen. Es ist der erste Mittwoch im Monat, Malen nach Zahlen“, sprach er in Rätseln.
„Malen nach Zahlen?“, verstand ich nicht.
„Ach, du kennst sein kleines Geheimnis nicht? Der Feigling lässt sich regelmäßig Henna auf den Körper pinseln, weil er Angst vor Nadeln hat. Er weiß nicht, dass ich das weiß, aber das sieht man doch, ich hab selbst sieben Tattoos“, erklärte er und zeigte den Drachen auf seinem Oberarm.
„Er ist Jude, er darf keine Tattoos haben“, erklärte ich cool.
„Jude? Rafferty ist ein Jude? Das wusste ich nicht“, bemerkte er.
„Du bist sein Manager, das müsstest du eigentlich wissen“, entschied ich und stand auf.
„Wie viel schulde ich dir?“
„Geht aufs Haus. Geh zu ihm, er ist ein netter Kerl“, schlug er vor.
„Warum sagt ihr das immer, er ist ein Volldepp, mehr nicht“, erwiderte ich und zog meinen Mantel zusammen.
„Du kennst ihn nicht, sonst würdest du so etwas nicht sagen. Lass ihn in Frieden, er braucht jetzt seine Ruhe“, wurde er plötzlich wütend.
„Du weißt wohl auch nicht, was du willst. Danke für den Drink, ich sollte jetzt gehen“, konterte ich etwas verwirrt.„Hey SayDe, scharfes Outfit. Du musst die Kleine kurz nehmen, ich muss mich umziehen“, erkannte Saida mit dem Baby auf dem Arm und übergab ihm dem Kleinen.
„Sai, ich muss die Bar übernehmen, ich kann ihn nicht nehmen“, drehte sich Edric zu den Alkohol-Flaschen.
„Gib ihn mir, ich hab genug Babysitter-Erfahrungen. Man, bist du ein Süßer“, nahm ich den Kleinen aus Saidas Armen.
„Danke, schon wieder. Geh’ mit ihm hoch, das Kinderbett steht am Gang hinten. Du kannst dir ein paar Sachen von mir anziehen, such dir einfach raus was du willst. Du musst dich endlich mal wie ein Vater verhalten, Ef“, erwiderte Saida schroff und ließ ihn einfach so stehen.
„Na, dann sehen wir mal, wo dein Bettchen steht. Du bist ein echt Lieber, ganz der Papa, wer auch immer er sein mag. Hast du Hunger, kleiner Mann?“, redete ich mit dem Baby und ging auf die Suche nach dem Baby-Bett. Das stand ganz abseits in einer Ecke.
„Armes Kind, du bist kein Wunschkind. Ich leg dich nur mal kurz hier ab, ich bin sofort wieder da“, bemerkte ich und legte den Kleinen vorsichtig in sein Bettchen, um in Saidas Zimmer gehen zu können. Sie war auch noch darin.„Entschuldige, ich komm später wieder“, entschuldigte ich mich, weil sie sich gerade umzog.
„Kein Thema, komm ruhig rein. Hier, ein Sweatshirt und eine Sporthose. Warum rennst du eigentlich rum wie Paris Hilton?“, warf sie mir ein paar Sachen zu.
„Dumme Idee, andere Frage. Wie lang ist sie schon weg?“, fragte ich und zog mein Oberteil aus.
„Sechs Wochen, woher weißt du das?“, fragte Saida überrascht.
„Keine anständige Mutter würde ihr neugeborenes Kind am anderen Ende des Hauses platzieren. Das wäre viel zu unpraktisch“, schlussfolgerte ich.
„Taijses Zimmer ist am Ende des Ganges, das Kinderbett stand lang in ihrem Zimmer, aber Armagein konnte nicht schlafen, wenn der Kleine im Zimmer war. Ich weiß, sieht wirklich stiefmütterlich aus, wir suchen noch ne andere Lösung. Du kannst den Kleinen hier mit rein nehmen, ich muss noch bis ein Uhr arbeiten, Odion ist unten im Keller auf dem Sofa, da schläft er sicher ein. Du kannst auch an den Kühlschrank gehen, die Ziegenmilch ist in der untersten Schublade, das gebe ich dem Kleinen, ist gesünder als zusammen gerührtes. Nimm nur keine Ding Dongs aus dem Schrank, die sind nur für Taijse. Ich muss jetzt“, band sie ihre Schürze um und verschwand.
In diesem Moment merkte ich erst, wie müde ich war. Ich legte mich aufs Bett und war kurz danach eingeschlafen.
„Od, ich hasse es wenn du mir meine Blättchen dauernd klaust, wo hast du sie?“, kam Rafferty ins Zimmer gestürmt und weckte mich dabei.
„Klopft ihr bei euch nicht an?“, fragte ich schlaftrunken und setzte mich auf.
„SayDe, ich hab dich nicht für jemanden gehalten, der einen flotten Dreier mit einem Pärchen macht, echt nicht“, erkannte er mich.
„Siehst du hier jemand anderen? Ich bin Babysitter für das Baby“, erklärte ich und setzte mich auf.
„Das Baby ist im Flur“, bemerkte er trocken.
„Ach, dir ist aufgefallen, dass ein Kind geboren wurde. Da bist du wohl der einzige“, entschied ich genau so trocken.„Ed hat es nicht leicht, seit Rai abgehauen ist“, versuchte Rafferty zu erklären.
„Ach spar dir das, ich hab Saidas Vortag an Edric mitbekommen, er kümmert sich einen Dreck um seinen Sohn“, stellte ich klar.
„Nein, er liebt seinen Sohn, Sai ist nur etwas überempfindlich, seit sie selbst schwanger ist“, erkannte er und setzte sich neben mich.
„Saida ist schwanger und Odion lebt noch?“, schmunzelte ich und er lächelte.
„Sie hat die Pille vergessen, da kann sie ihm nicht böse sein. Wir brauchen vermutlich langsam ein Kinderzimmer, wir hatten mal eins angefangen, als meine Nichte geboren wurde, haben es aber dann verworfen, als Jara mit der Kleinen weg ist. Bale hat nie wieder über die Beiden gesprochen. Es ist traurig“, schüttete er sein Herz aus.
„Zeigst du mir das Zimmer?“, wollte ich wissen.
„Klar, komm mit“, nahm er liebevoll meine Hand und zog mich hoch.
„Du hast Schiss vor Nadeln?“, sprach ich das heikle Thema an.
„Ich hab Diabetes Typ 2, ich muss regelmäßig spritzen. Das wäre nicht gerade einfach, wenn ich Angst vor Nadeln hätte. Wie kommst du auf den Mist?“, belächelte er meine Aussage.
„Du lässt dir Henna als Tattoos auf die Arme malen“, erklärte ich.
„Ich bin Jude, ich darf nicht neben meinen Eltern beerdigt werden, wenn ich ein Tattoo hab. Henry hat eine riesige Narbe von der Entfernung seines Tattoos, es gab einen riesigen Krach als er heimkam. 6 Monate später sind sie dann bei ihrem Trip durch Kanada mit den Motorrädern verunglückt. Das ist paradox, zwei jüdische Rocker sterben bei einem Unfall und regen sich auf, dass ihr Sohn ein Tattoo hat. Bale gibt sich immer noch die Schuld für diesen Unfall, er hat schon zwei Familien verloren, er braucht einen Neuanfang, eine neue Liebe, irgendwas Neues. Anders als das hier, ich finde Bale oft hier, wir sollten das Zimmer für die Kinder herrichten. Es wäre perfekt dafür“, führte er mich in einen kleinen Nebenraum. Dort stand ein Babybett, ein Wickeltisch und ein kleiner Schrank, alles ziemlich verstaubt. Die Glühbirne war durchgebrannt.
„Traurig, wirklich traurig. Ich werde dir helfen, das Zimmer her zu richten. Für den Kleinen. Wie heißt er eigentlich?“, bemerkte ich und ließ seine Hand los um über den Tisch zu fahren.
„Chao, der Kleine heißt Chao. Wir könnten seinen Namen mit chinesischen Schriftzeichen über das Bettchen malen, das säh schön aus“, plante er.
„Du kriegst wohl deine besten Ideen auch nach Mitternacht. Wir sind halt Nachtmenschen. Ich glaub, ich sollte heimgehen, ich muss morgen früh raus“, fühlte ich die erotische Spannung zwischen uns.
„Du könntest morgen von hier aus zur Arbeit gehen, wenn du willst“, schlug er vor.
„Kann ich in deinem Bett schlafen, nur heute Nacht?“, hörte ich mich sagen.
„Ich schnarche, ich muss dich vorwarnen“, konterte er cool.
„Dann schlafen wir halt nicht“, säuselte ich und begann ihn zu küssen.
„Aber Miss Randon, Sie wollen mich doch nicht etwa verführen“, schmunzelte er und ich zog ihn in sein Zimmer.
Hämmern weckte mich am nächsten Morgen. Der Geruch von dreckiger Wäsche und Bier stieg mir in die Nase. Ganz eindeutig, das war nicht mein Schlafzimmer.Ich wollte gerade aus dem schmalen Bett steigen, als ich merkte, dass ich gar nichts an hatte.
„Wundervoll, wo sind jetzt meine Sachen?“, fragte ich mich selbst.
„Ich würde mal in dem Haufen suchen, für den Anfang“, hörte ich Saida.
„Sai, verdammt, das gehört sich nicht“, zog ich die Decke an mich.
„Deine Prüderie musst du dir hier schnell abgewöhnen. Damit kommst du nicht weit. Also, ich will Details wissen“, war Saida neugierig über meine Nacht mit Rafferty.
„Ich erzähl dir mal ein wichtiges Detail. Ich hab schwer die Vermutung, dass Efran mir irgendwas in den Drink getan hat“, schlussfolgerte ich.
„Ja, hat er, Alkohol. Er ist ein netter Kerl, versuch es doch mit ihm“, schlug sie vor.
„Verdammt, ich weiß selbst, dass er ein netter Kerl ist, ich schlafe nicht mit Typen die ich nicht nett finde. Warum sagt ihr das ständig, Rafferty braucht eure Bestätigung nicht“, bemerkte ich schroff und suchte mit der Decke um mich herum nach meinen eigenen Sachen, lief dabei durch den Flur, traf auf Edvia, die das übrigens nicht zu irritieren schien, und in Saidas Zimmer wurde ich fündig.
„Ich sag's bloß. Rafferty ist übrigens unter die Handwerker gegangen, ich hab ihn noch nie mit Werkzeug gesehen, irgendwie merkwürdig“, erklärte Saida und ich zog mich schnell an.
„Er baut deinem Baby und dem kleinen Chao ein Kinderzimmer“, erkannte ich, weil ich irgendwie den Drang hatte, ihn zu verteidigen.
„Das erklärt, warum ich nicht reinkommen darf. Du bist wirklich gut für ihn, wirklich“, erkannte sie und ließ mich einfach so stehen. Ich ging zurück ins Zimmer um meine Unterhose zu finden und ging dann zu Rafferty.
„Hey, Tim Taylor, tu dir aber nicht weh, ja?“, begrüßte ich ihn schmunzelnd.
„Hey Süße, du bist wach“, stand er von den Knien auf und küsste mich.
„Du machst auch einen ganz schönen Krach. Du baust tatsächlich ein Kinderzimmer für die Kleinen, ich dachte, dass sagst du nur so, um mich ins Bett zu kriegen“, war ich entzückt.
„Mach ich auch, sobald du weg bist, lass ich das hier. Nein, im Ernst, es tut mir gut und Efran auch. Er spielt schon den ganzen Morgen mit dem Kleinen. Scheint Saidas tausend Sticheleien finden endlich Anklang. Sie wird eine gute Mutter werden“, war Rafferty gut gelaunt und lächelte die ganze Zeit.
„Den ganzen Morgen. Wie spät ist es denn?“, fragte ich plötzlich.
„Halb 12, wieso?“
„Wieso wohl, ich muss arbeiten“, war ich nervös.
„Keine Sorge, ich hab dich krank gemeldet. Du hast ne Magen-Darm-Grippe, falls jemand fragt. Das Saida sich in dem Moment als ich telefoniert hab, gerade übergeben hat, war ein guter Soundtrack. Deine Chefin wünscht dir gute Besserung und du sollst den Gig bei uns morgen Abend nicht vergessen. Wenn du bist dahin nicht gesund bist, sollst du deine Kollegin Lisa anrufen“, erklärte er und zimmerte weiter.
„Du hast doch nicht gesagt, wer du bist oder?“, fragte ich nervös.
„Ich hab nur gesagt, dass du meine Freundin bist. Mehr nicht. Stört dich wohl nicht, oder?“, hämmerte er ein Brett an ein anderes.
„Nein, ich meine nur wegen dem Gig morgen, keiner darf erfahren, dass ich euch kenne, sonst dürfte ich keine Kritik schreiben. Hey, du hast ja richtig Talent, ich dachte ihr Juden könntet nicht Handwerken“, erkannte ich.
„Noch so ein Vorurteil, wirklich nett. Wir sind sehr geschickt mit den Händen“, bemerkte er liebevoll.
„Oh ja, das seid ihr. Also ich hab wohl nen Tag frei, was machen wir heute“, entgegnete ich und er reichte mir die Säge.
„Von wegen, ich hab zwar den Handwerksunterricht in der Schule gewählt, weil ich nicht kochen kann, aber ich bin wirklich ne Niete“, schüttelte ich den Kopf.
„Ich bin auch nicht gerade ein Genie, das schaffst du schon. Ich schaff das auch nicht allein“, bat er und ich lächelte.
„Wenn du mich so lieb darum bittest, natürlich immer gern“, gab ich nach und nahm die Säge.
„Chinese, T6“, streckte Taijse den Kopf in die Tür, als wir ein paar Stunden gearbeitet hatten.
„Schon wieder, ich hab doch gesagt, ich nehme nichts“, nörgelte er und rappelte sich auf.
„Dein Bruder hat diese Regeln eingeführt, dass das hier funktioniert. Wenn du nichts genommen hast, kannst du ja ganz unbesorgt an die Sache ran gehen. Du bist jetzt eine von uns, du musst auch SayDe“, erklärte Taijse und ging weiter.
„Will ich wissen was T6 ist?“, fragte ich und wischte mir den Schweiß von der Stirn.
„Allgemeiner Drogentest, mein verblödeter Bruder hat diese Regelung gemacht“, konterte er plötzlich schlecht gelaunt.
„Das ist doch gut, da schleicht sich hier kein Schlenderich ein“, konterte ich.
„Das ist Folter, Angel kannst du deiner Süße mal verbieten, meinen Urin einzuschicken, das ist ein Eindringen in meine Privatsphäre“, kam Madison an der Tür vorbei, den ich lang nicht mehr gesehen hatte.
„Du standest schon nackt auf einer Bühne, mehr Privatsphäre hast du wohl kaum zu verlieren“, hörte ich Armagein von einer anderen Seite des Stocks und ich grinste.
„Lass mich raten, das Thema wird jedes Mal ausdiskutiert?“, fragte ich amüsiert.
„Raff, ich will das hinter mir haben, also komm jetzt“, rief Efran und er öffnete die Tür.
„Das ist wohl mein Stichwort. Komm“, erwiderte er und zog mich nach draußen.
„Nein, Odion, ein Restalkoholspiegel von 0,6 ist nicht Rock’n Roll. Noch so ein Vorfall und du wirst bei den Großen Doppel As angemeldet. Da seid ihr ja, setzt euch“, bat Taijse, als sie in die Küche kamen.
Überall saßen Leute herum. Sie hatte gerade Odion getestet.
„0,6 nicht schlecht mein Alter“, erwiderte Rafferty und schlug bei Odion an.
„Da kommt er ja, der König des hohen Alkoholpegels. Was war dein letzter, 1,00? Ich hoff, das ist jetzt weniger“, zog Taijse ihn auf den Stuhl, von dem Odion gerade aufgestanden war.
„Bist du sicher, dass du Krankenschwester warst, nicht Domina?“, fragte Rafferty grinsend.
„Du klingst nüchtern, was ist, ist der Schnaps ausgegangen?“, fragte Taijse und band seinen Arm ab.
„Du unterstellst mir völlig unbegründet eine Tatsache teure Freundin“, pustete er in den Alkoholtester.Das Gerät piepste.
„Oh, mein Gott“, keuchte Taijse.
„Was? Sollte ich schon klinisch tot sein?“, war Rafferty amüsiert.
„Schlimmer, 0,0 Promille, du bist vollkommen nüchtern. Muss ich mir Sorgen machen?“, fragte sie und ließ das Gummiband abschnellen, nachdem sie das Blut abgenommen hatte.
„Du machst dir immer viel zu viele Sorgen, meine Süße, schalt mal ab. Du solltest mal wieder bei Orangen üben, das hat wehgetan“, drückte er einen Wattebausch auf seine Stichwunde und stand wieder auf.
„In den meisten Fällen behalte ich immer Recht, Süßer. So Kleines, jetzt bist du dran, keine Sorge, ich nehme dir nur etwas Blut ab und du pustest kurz. Tut wirklich nicht weh, auch wenn so manches Weichei sich schon darüber beschwert hat“, konterte sie und Rafferty sah sie verschmitzt an.
„Das ist wohl dann so eine Art Aufnahmeritual. Schlimmer als die Socke des Quarterbacks zu essen, wird es wohl kaum sein“, erklärte ich und dann mit Ekel daran, wie ich als Aufnahmeritual bei meiner Verbindung den linken Tennissocken von dem Quarterback des Colleges essen musste. Ich bin immer noch nicht ganz sicher, ob ich der einzige war, der das jemals machen musste.
„Du hast auch 0,0 Promille, mein Gott, du hast tatsächlich nüchtern mit Rhapsody geschlafen, armes Kind“, war sie auch mit mir fertig.
„Das war unter der Gürtellinie, Taijse, ziemlich tief unter der Gürtellinie. Wenn du mich jetzt entschuldigst, ich muss proben“, erwiderte er grummelig und zog mich weg.
„Seit wann hältst du proben nicht mehr für eine unnötige Zeitverschwendung?“, kam Efran hinter uns her. Wie er ging erinnerte mich an diese lässigen Gitarristen von Gun’s and Roses oder Bon Jovi.
„Wir klingen richtig scheiße in letzter Zeit, wird mal wieder nötig“, ließ er meine Hand los und stieg cool mit einem Bein zuerst die Bühne hoch.
„Schließ nicht von dir aus, auf andere, ich bin genauso gut, wie immer“, kam Odion zu uns und hängte seinen Bass um.
„Dann gib mir mal nen tiefes G“, begann er zu üben. Ich hatte ihn noch nie so richtig singen gehört, aber als ich in Efrans Gesicht sah, erkannte ich, dass das nicht Raffertys beste Leistung war.
„Der Whiskey hat wohl endlich sein Ziel erreicht. Deine Stimme ist am Arsch, Bruder“, erwiderte Bale, der am Tresen stand.
„Bin erkältet, ich mach mir gleich einen Halswickel, dann wird das schon wieder. Können wir mal was spielen, was ich geschrieben hab?“, fragte Rafferty und räusperte sich.
„Du willst doch nicht schon wieder einer dieser Experimente starten. Bleiben wir beim Alt bewerten“, bat Madison, den ich lang nicht mehr gesehen hatte.
„Hey Krümel, du bist der Neue, also Klappe“, entschied Rafferty selbstbewusst.
„Ich würde gern nen Song hören“, erkannte ich und setzte mich auf einen Stuhl.
„Danke, Baby. Also, er ist auch in G, spielt einfach mir nach“, begann er und fing an zu singen.
Die Geräte verstummten nachdem er eine Strophe gesungen hatte.
„Was ist? Bin ich zu schnell?“
„Nicht direkt. Wir haben Probleme diesem Gekrächze zu folgen“, entschied Edric entsetzt.
„Sehr nett, Mr. Manager, ich müsste mal über die 15 Prozent nachdenken, du wolltest eigentlich mal selbst Songs schreiben, schon vergessen?“, fragte Rafferty schroff.
„Jetzt hab ich erst mal ein Kind zu versorgen“, suchte Edric eine Ausrede.
„Und ich gehör ins Bett, ich werde heut Abend noch mal alleine üben. Viel Spaß noch“, hängte er seine Gitarre ab und hüpfte von der Bühne.
„Hey, wir können nicht üben, ohne Sänger“, grummelte Odion.
„Ihr seid eh’ nicht mit meinen Sangeskünsten zufrieden, dann könnt ihr das auch ohne mich machen. Wenn ihr mich sucht, ich bin oben“, ging er von dannen.
„Na toll, er spielt mal wieder Diva, der Auftritt ist wichtig morgen“, erklärte Efran und ging zur Bar um was zu trinken.
„Ich werde mit ihm reden. Hör auf zu trinken Efran, es ist früh am morgen“, erkannte ich und ging hinter ihm her.„Verdammt, die haben Recht, meine Stimme ist am Arsch“, wütete Rafferty in seinem Zimmer und schmiss etwas gegen die Wand.
„Was ist los, bist du krank?“, fragte ich besorgt.
„Keine Ahnung, ich war nicht beim Arzt“, setzte er sich genervt hin.
„Das musst du aber, sonst ist sie bald ganz weg“, erkannte ich.
„Ach quatsch, das wird schon wieder“, konterte er und lächelte matt.
„Du kannst dir nicht leisten zum Arzt zu gehen, richtig?“, fragte ich mitfühlend.
„Das hat nichts damit zu tun“, spielte er die Fakten herunter.
„Ach nein, was ist dann der Grund?“, wollte ich wissen.
„Kannst du nicht einfach die Klappe halten?“, wurde er wütend.
„Nichts lieber als das. Ich komm morgen um Acht“, zog ich gereizt meine Jacke vom Stuhl.
„Du musst jetzt nicht gehen“, erwiderte er ruhiger.
„Doch, das muss ich. Die Nacht war ganz gut und so, aber ich glaub, diese Beziehung sollte morgen vorbei sein“, erkannte ich kühl und zog meine Jacke an.
„Das ist nicht dein Ernst, oder?“, fragte er verwundert.
„Du hast bis morgen Zeit, darüber nach zu denken. Schönen Tag noch“, erkannte ich schroff und ging einfach.
„Bara, hast du mich verarscht?“, rief er mir hinterher.
„Schon deine Stimme mein Süßer, du wirst sie morgen noch brauchen. Ciao“, blieb ich kalt und abweisend und stolzierte hoch erhobenen Kopfes aus dem Haus, so wie ich es geplant hatte. Mein Herz tat weh, verdammt es sollte nicht wehtun, nicht brennen wie Feuer. Ich zog meine Sonnenbrille auf und setzte mich ans Lenkrad.Warum musste das uns Frauen so schwer fallen, Männer hatten ständig One Night Stands und gingen von einer Frau zur anderen. Warum musste ich mich immer verlieben, warum musste mein verdammtes Herz immer so eigenwillig sein?Ich konnte jetzt nicht nach Hause gehen, deshalb fuhr ich zur Arbeit.
„Hey, ich dachte du wärst krank“, kam mir Lisa entgegen.
„Mir geht es schon viel besser, danke der Nachfrage. Ich hab noch viel zu tun, also falls du nichts dagegen hast“, setzte ich mich schräg gegenüber von ihr an den Schreibtisch.
„Du warst heut Nacht nicht zu Hause richtig?“, fragte Lisa neugierig.
„Wüsste nicht, was dich das anging, aber ja“, fuhr ich meinen Laptop hoch.
„Endlich hast du mal wieder Sex, ich hab mir schon Sorgen um dich gemacht, Kleines“, erklärte Emmett, der überraschend zu Besuch kam.
„Em, was machst du denn hier?“, fragte ich peinlich überrascht.
„Ich wollte mich nur davon überzeugen, dass du wirklich krank bist. Wie es aussieht nicht. Du solltest deinen AB leiser stellen, der hat mich voll geweckt“, erklärte Emmett und lehnte sich auf den Rand meines Tisches.
„Will ich wissen, warum du in meiner Wohnung übernachtet hast?“, fragte ich und öffnete mein Schreibprogramm.„Ich war gestern Abend noch spät da, um deine Firewall zu aktualisieren, bei einer Kojak-Widerholung bin ich dann wohl eingepennt. Darf ich erfahren, wer der Glückliche ist?“, war er genau so neugierig wie Lisa.
„Der Glückliche ist und wird nie sein. Deshalb ist das unwichtig“, sprach ich in Rätseln.
„Nein, du hattest einen One Night Stand? Ich glaub’s nicht“, kam Lisa und setzte sich auf die andere Seite des Tisches.
„Genau das will ich damit sagen. Meine Klaustrophobie meldet sich etwas, wenn ihr mich so einengt“, wollte ich sie loswerden.
„Wir gehen nicht, bevor du es uns nicht sagst“, entschied Lisa.
„Gut, dann geh’ ich auf der Terrasse weiter arbeiten. Ihr könnt hier ruhig weiter Klatsch und Tratsch austauschen. Wenn ich heimkomme, will ich, dass du bei mir verschwunden bist, klar“, zog ich den Stecker aus meinem Laptop und verzog mich.
„Nein Missy, so schnell kommst du uns nicht davon“, lief Lisa hinter mir her.
„Solltest du nicht irgendeiner Story statt mir hinter her rennen?“, fragte ich Lisa und dreckte mich zu ihr um.„Ein Name, ein Vorname reicht, dann verzieh’ ich mich“, erkannte sie.
„Es ist Raff, bis du jetzt zufrieden“, konterte ich gereizt.
„Der Rafferty, vor dem du uns Mädels so eindringlich gewarnt hast, weil er ein betrügerischer Bastard ist?“, fragte Lisa schadenfroh.
„Ich hab diesen räudigen Rüden ausgenutzt und dann die Fliege gemacht. Nicht sehr heldenhaft, aber es passiert“, entschied ich und Emmett grinste.
„Was? Ich bin nicht stolz darauf“, grummelte ich.
„Nichts, ich warte nur auf die nächste schöne Alliteration“, entschied er und ich schlug die Glastür vor seinem Gesicht zu.
„Ich hatte grad ne Idee, da draußen, hilfst du mir dabei?“, fragte ich, als ich nach fünf Minuten wieder rein kam.„Ich sollte auch mal auf dem Balkon arbeiten, ich könnte auch mal ne gute Idee gebrauchen“, erklärte er grinsend.„Nein, nichts mit der Arbeit, ich will Raff auf dem Boden kriechen sehen“, erwiderte ich rachsüchtig.
„Was hat dir der arme Mann angetan?“, war Emmett verwundert.
„Ja, oder nein?“
„Ich vertrau dir, was muss ich machen?“, fragte er und ich grinste.
An diesem Abend saß ich gerade am Feinschliff meines Artikels, als ich Rafferty mit seinem Motorrad vorfahren sah.„Er ist da, zieh’ deinen Pullunder an, wir spielen jetzt Seifenoper“, erklärte ich und klappte meinen Laptop zu.Gut gelaunt band ich mir die Schürze meiner Grandma um und half Emmett in einen Pullunder.
„Weißt du deinen Text noch? Und wehe du improvisierst, dann komm ich voll aus dem Konzept“, plante ich und band mein Kopftuch fester.
„Das Mistding kratzt“, murrte Emmett und ich zog ihm einen Haarscheitel.
„Du hast ihn nur ein paar Minuten an, also meckere nicht“, entgegnete ich und ging in die Küche.Mein Herz schlug wie vor meinem Abschlussball, es hatte übrigens mit dem Motorrad und dem schleimigen Typen eine verblüffende Ähnlichkeit, als ich auf dem Stuhl in der Küche auf mein Stichwort wartete. Es klopfte an der Tür. Ich lauschte.
„Ja, zu wem möchten Sie bitte?“, fragte Emmett wie vereinbart.
„Zu Bara, wer bist du, Knilch?“, hörte ich, dass Raff verwirrt war. Ich schloss die Augen. Emmett hasste es, wenn man ihn so nannte.
„Bleib cool, atme tief durch“, redete ich ihm gut zu, obwohl er mich nicht hören konnte. Aber es schien zu helfen.„Ihr Ehemann, und Sie?“, fragte Rafferty und trat ein.
„Dann bin ich wohl derjenige, der Ihre Frau vögelt. Ist sie zu Hause?“, schien Raff angepisst.
„Schatz kommst du mal, da ist Besuch für dich“, rief er mir zu.
„Es ist schon spät, wer ist es denn?“, kam ich wie geplant aus der Küche.
„Dein Geliebter wie es aussieht“, tat Emmett amüsiert.
„Ah, ich hab nen guten Geschmack, wie es aussieht“, spielte ich genauso amüsiert.
„Ich hab mir kurz schon Sorgen gemacht. Also wie kann ich Ihnen helfen? Ich hab Ihren Namen nicht verstanden“, tat ich ungläubig.
„Was wird hier gespielt? Du weißt wie ich heiße“, war er jetzt total konfus.
„Nein, nicht das ich wüsste. Wir wollten gerade zu Bett gehen, also wenn es weiter nichts ist“, erkannte ich und hakte mich bei Emmett ein.
„Das kannst du mir nicht antun, das kannst du nicht…“, wurde er laut.
Wie geplant begann das Baby zu schreien.
„Toll, jetzt haben Sie die Kleine geweckt. Schatz, gehst du mal bitte hin“, erwiderte ich und ließ ihn los.
„Du hast ne Tochter?“, fragte Rafferty entsetzt.
„Ja, Isabelle ist fast zwei. Also, warum sind Sie wirklich hier?“, fragte ich und Emmett kam mit seiner zweijährigen Nichte Isabell auf dem Arm zurück zu mir.
„Ich glaub, ich weiß es gar nicht mehr genau. Ich sollte wieder gehen“, ging er zur Tür und verschwand.
„Sag deiner Schwester danke, dass sie uns Isabell ausgeborgt hat. Verdammt, war der wütend“, war ich amüsiert.„Du musst ihn echt sehr gern haben, wenn du ihm so was antust“, bemerkte er, während er Isabell zurück ins Bettchen legte.
„Ah, wenn du meinst. Sollen wir jetzt essen? Ich hab Hunger bekommen“, tat ich das als Blödsinn ab und ging in die Küche.
Wir waren gerade mit dem Nachtisch fertig, als es erneut klopfte.
„Noch nen Ex-Freund?“, scherzte er und ich rollte mit den Augen.
„Entschuldige mich kurz“, stand ich auf.
„Hast du Chinese gesehen?“, stand Saida an der Tür.
„Dir auch einen schönen Abend, Sai. Er war vorher bei mir, wieso?“, bat ich sie rein.
„Hat er gesagt, wo er hinwollte?“
„Hätte ich dir das dann nicht gesagt?“, fragte ich ziemlich forsch.
„Richtig, tut mir leid. Ich mach mir nur grad Sorgen um ihn, das mit der Band hat ihn ziemlich mitgenommen“, erwiderte Saida in Gedanken und band ihre langen roten Haare erneut zusammen.
„Was meinst du damit, mit der Band?“
„Er hat es dir nicht gesagt? Die Jungs hielten es für das Beste, wenn er für eine Weile nicht in der Band singt“, erklärte Saida verlegen.
„Ihr schmeißt ihn aus der Band?“, fragte ich entsetzt.
„Nein … wenn ich es mir genau überlege, irgendwie schon“, erkannte Saida.
„Habt ihr jetzt völlig den Verstand verloren? Ich dachte ihr seid seine Freunde. Er ist krank, ihr müsst ihm helfen“, wurde ich wütend.
„Du kennst Raff nicht so gut wie ich, er kann sich ganz gut selbst helfen“, tat dies Saida als Lappalie ab.
„Nicht in diesem Augenblick, nicht nachdem was ich ihm angetan habe. Hast du ne Ahnung wo er ist?“, fragte ich nachdenklich.
„Dann wär ich nicht hier. Was hast du ihm angetan, was so schlimm ist?“, bemerkte Saida cool.
„Unwichtig, wir müssen ihn finden“, nahm ich meine Jacke.
„Klar, wir suchen im Dunkeln die ganze Stadt ab, um ihn zu finden“, war Saida von meiner Idee nicht begeistert. „Gut, dann passt du auf meine Tochter auf, während ich ihn suche“, bemerkte ich und band mein Kopftuch wieder fest.
„Du hast ne Tochter?“, fragte Saida verwirrt.
„Nicht wirklich, Em, ich muss noch mal weg, pass du auf die Kleine auf. Hast du ne Ahnung, wo er vielleicht sein könnte?“, band ich meinen Schal fest
„Ich hab keine Ahnung, deshalb bin ich ja bei dir. Also, wo fangen wir an?“, erklärte sie und ich öffnete die Tür.
„Ist er selbstmordgefährdet?“, fragte ich besorgt.
„Er ist ein abgehalfterter Musiker, der langsam seine Stimme und seine Freundin verliert, die Frage kannst du dir echt sparen“, bemerkte Saida gereizt.
„Schieb nicht mir die Schuld zu, ich wusste nicht, dass er so drauf ist“, wetterte ich ihr entgegen.
„Mädels, wenn ihr euch jetzt im Schlamm prügeln wollt, bin ich immer dafür, aber das hilft jetzt gerade nicht, ihn zu finden“, kam Odion zu uns.
„Schatz, du solltest doch im Auto warten“, konterte Saida.
„Ich bin nicht dein Chauffeur, er ist mein engster Freund, ich helfe euch suchen“, entschied Odion und wir gingen zum Auto.
„Gibt es irgendwelche Lieblingsorte wo er gern ist?“, überlegte ich laut, als wir schon eine Weile orientierungslos durch die Stadt gefahren waren.
„Er hat den Club nie lang verlassen, keine Ahnung“, antwortete Odion.
„Engster Freund, wohl kaum. Wenn er sich umbringen wollte, wie würde er das tun?“, plante ich.
„Du kannst Fragen stellen, keine Ahnung“, konnte Odion auch diese Frage nicht beantworten.
„Ich denke er ist eher der Brückenspringen-Typ“, entgegnete Saida kleinlaut.
„Woher weißt du das, von deinen fünf Minuten die du Psychologie studiert hast?“, grummelte Odion.
„Zumindest hab ich mal ne Uni von innen gesehen“, zischte Saida.
„Wie gern ich auch der Schiedsrichter in eurem Beziehungsstreit spiele, aber diskutiert das morgen aus“, ging ich dazwischen
„Die Brücke, wo die vierzigste drüber führt ist ganz in der Nähe“, erklärte Odion plötzlich.
„Ist nen Anfang, fahren wir“, bat ich und er fuhr wieder los.
„Es ist fast Mitternacht, warum ist hier so viel los?“, murrte Odion, dass sich der Verkehr auf der vierzig staute.
„Ich werde den Rest laufen, danke“, öffnete ich die Tür.
„Von wegen, es ist verdammt windig hier oben, du bleibst schön im Auto“, forderte Odion und sah mich im Rückspiegel an.
„Es kann schon zu spät sein, wenn wir jetzt warten“, entschied ich, steckte mein Kopftuch mit Klammern fest und stieg aus.
„Du musst ihn wirklich gern haben, wenn du so ein Risiko eingehst“, bemerkte Saida durch das offene Fenster.„Fahrt nach Hause, sprecht euch aus, ich komm ab hier allein klar“, ging ich weiter.
Es war wirklich saukalt auf dieser zugigen Brücke.
„Ich sollte ihn noch von der Brücke stoßen, den Deppen“, murmelte ich vor mich hin und fuhr mit meiner Hand am Geländer entlang.
Plötzlich bekam ich eine Hand zu fassen.
„Verrätst du mir, was du vor hast?“, lehnte ich mich gegen einen Metallträger und nahm seine Hand in meine.
„Mein Leben endet heute Nacht. Es ist so bestimmt“, hörte ich seine Stimme, als wäre sie ganz weit in der Ferne.
„Klingt nach einem guten Song“, massierte ich seine Hand.
„Ich könnte ihn schreiben, aber nicht singen“, philosophierte er.
„Wir fahren ins Krankenhaus, die kriegen dich wieder hin“, bat ich.
„Geh zurück zu deiner Familie, verleugne mich weiter, vielleicht gibt es mich auch gar nicht“, erkannte er poetisch.
„Ich hab meinem Mann alles gesagt, ich hab ihn verlassen“, log ich und das klang ziemlich ehrlich.
„Das hättest du nicht tun sollen“, hörte ich seine leise Stimme wieder nach einer kurzen Pause.
„Aber ich hab’s getan. Jetzt komm mit, dieses Opfer ist mir zu groß“, bat ich liebevoll und ließ seine Hand los.
Für ein paar Sekunden hörte ich gar nichts und dann sah ich ihn ins Licht kommen.
„Du hast gedacht, dass ich gesprungen bin, was?“, stieg er über die Brüstung zurück. Seine Augen waren verquollen und er zitterte.
„Mein Gott, du hast nicht mal ne Jacke an, komm“, drückte ich ihn fest an mich um ihn zu wärmen.
„Bringst du mich nach Hause?“, fragte er kleinlaut.
„Natürlich, komm“, erkannte ich und wir gingen Arm in Arm die Straße auf dem Gehweg weiter.
Man konnte sich an die Geräuschkulisse gewöhnen, die früh morgens im Club herrschte. Man hörte Gläser klirren, lautes Stimmgewirr. Doch das was ich dann hörte, weckte mich auf.
„Tafel, Tafel“, hörte ich einen Schlachtruf.
„Was zum Henker ist das?“, murmelte ich schlaftrunken.
„ÖV“, bemerkte Rafferty mit schwacher Stimme.
„Wiederhol das bitte“, war ich verwirrt.
„Ich hab zu arge Halsschmerzen um dir das jetzt zu erklären. Frag die anderen“, keuchte er und hustete.
„Bleib hier liegen, ich werde irgendwo Schmerztabletten auftreiben. Obwohl, lieber nicht“, erkannte ich und stand von dem Sofa auf, auf dem wir eingeschlafen waren.
„Bitte sag den anderen nichts“, erwiderte er mit fast unhörbarer Stimme.
„Was soll ich nicht sagen?“, fragte ich und er lächelte müde.
„Spielt ihr jetzt Lehrer und Schüler oder was?“, fragte ich, als ich in die Bar kam.
Eine Tafel war auf dem Tresen aufgestellt, um die alle herumstanden.
„16, man die kommen langsam an uns ran“, erwiderte Efran und setzte sich neben die Tafel auf den Tresen.
„Wir brauchen 1500, was sagt die Kasse?“, erwiderte Taijse.
„Wir haben nur 12, wer liegt am niedrigsten“, wühlte Edvia in einer Kiste herum.
„Raff, aber im Moment … Bale du bist auf Platz 2“, entgegnete Taijse verlegen, als sie mich bemerkte.
„Klärt mich einer auf?“, wollte ich wissen.
„Sicher, tut mir leid. Wir machen ne Strichliste, wenn jemand Sex in der Öffentlichkeit hat. Unsere Spitzenkandidaten sind Edvia und Efran, Angeber. 22-mal, meine Güte, Leute ihr braucht nen neues Bett“, konterte Bale eifersüchtig.„Bale, du hast diesen Wettbewerb begonnen, was können wir dafür, dass du jetzt wie ein Eunuch lebst?“, erwiderte Madison, der oben ohne aus der Küche kam.
„Mad, auch wenn du einen Oberkörper wie Usher hast, zieh’ dir was an“, murrte Edvia und nippte an ihrem Kaffee.„Ich zahl 150, ihr teilt euch das vermutlich sonst auch immer. Ich denke, ich bin auch etwas Schuld dran. Obwohl ich eigentlich nur gesagt hab, sie sollen sich aussprechen. Haben sie gleich auf der vierzig losgelegt?“, fragte ich amüsiert.
„Warst du dabei?“, fragte Edvia verwirrt.
„Wir haben Rafferty gesucht, er hatte sich auf die Brücke verirrt, um nachzudenken. Ich werde sie abholen fahren, kann ich den Lieferwagen nehmen? Mein Wagen steht noch zu Hause“, bat ich.
„Klar, tu nur die leeren Kisten vorher raus, die brauch ich gleich“, erwiderte Bale und gab mir den Schlüssel.
„Sex auf dem Highway? Ihr habt sie doch nicht alle“, entschied ich, als ich die beiden eine halbe Stunde späte vom Polizeirevier abgeholt hatte.
„Es ist wirklich heiß, musst du auch mal versuchen. Wie geht’s Raff?“, lehnte sich Saida müde an ihren Freund.
„Er will nicht, dass ich darüber rede, ich meine mit euch“, entschied ich.
„Kein Thema, wenn er diesmal nicht will!“
„Was heißt diesmal?“
„Ist nicht das erste Mal gewesen, dass er das gemacht hat. Wir reden nicht darüber“, erklärte Odion und strich über Saidas Stirn.
„Wievielmal hat er es schon versucht?“
„Keine Ahnung, so sechs, sieben Mal? Keine Ahnung“, erkannte Saida als wäre das das normalste auf der Welt.
„Das hättet ihr mir auch gestern schon sagen können, ich hab mir solche Sorgen gemacht, dass ich der Auslöser bin“, murrte ich.
„Nein, er ist ziemlich labil, da musst du keine Sorge haben“, konterte Saida und schloss die Augen.
„Hätte ich das als seine Freundin nicht wissen müssen?“
„Jetzt weißt du es ja. Unser kleines Baby, der braucht immer eine Extrabehandlung. Er ist halt der typische kleine Bruder des Drummers, keiner mag ihn so recht“, gestand Odion.
„Okay, der war gut, ich bin fast darauf rein gefallen!“, hielt ich das für einen Witz.
„Ich mein das ernst, er ist ein Eigenbrödler, du kennst doch das Sprichwort, es gibt kein Ich in einem Team. Er ist ein großes Ich, ein sehr großes ich“, erklärte Odion und Saida nickte zustimmend.
„Ihr solltet mal in einer eurer heiß geliebten Band Meetings mit ihm darüber sprechen, das mein ich jetzt ernst“, erklärte ich.
„Er hat vermutlich grad keine Lust zu reden“, erkannte Saida.
„Er hat fast überhaupt keine Stimme mehr, ihr müsst ihn unterstützen, statt ihn auf die Straße zu setzen“, bat ich.„Ich war das nicht, ich hab nichts gegen ihn!“, behauptete Odion.
„Was war das mit keinem Ich im Team? Ihr habt das alle getan“, machte ich ihm Vorwürfe.
„Okay, wir reden mit ihm, ich weiß aber nicht, ob er auch mal zuhören kann“, erkannte Saida.
„Im Moment wird er fast gar nichts mehr sagen können, das wäre die beste Möglichkeit“, erklärte ich und bog um die Ecke.
„Das klingt gut, wir können es ja mal versuchen“, war Saida schadenfroh und kuschelte sich wieder an ihren Freund.
Durch den dichten Verkehr kamen sie ziemlich spät wieder im Club an. Ich stellte mich darauf ein, sofort wieder los zu zischen und zur Arbeit zu fahren, als mir einfiel, dass mein Wagen noch konfisziert war.
„Leute ich hab’s eilig, wer fährt mich zur Arbeit?“, drückte ich Bale den Wagenschlüssel in die Hand.
„Ich mach das, komm mit“, bat sich Efran an.
„Danke, meine Chefin tobt sicher schon. Sagt Raff dass ich ihn anrufe“, erwiderte ich und ging mit Efran zu seinem Motorrad.„Hier, zieh’ den auf“, bat Efran und ich schwang mich aufs Motorrad.„Lass mich raten, deine Frau zieht den nie an?“, erkannte ich.
„Nein, ich zwing sie auch nicht dazu. Aber ich möchte keine Musikkritikerin mit einem Loch im Schädel haben, also hopp“, setzte er sich auf.
Mit wehendem Mantel eilte ich durch die Gänge der Redaktion. Ich war schon wieder zu spät, ihre Chefin würde mir den Kopf abreißen.
„Miss Randon“, tönte eine Stimme und ich wirbelte herum.
„Morgen Chefin, ich bin spät, sorry“, erklärte ich und zog hastig meinen Mantel aus.
„Ich komm nicht hinweg zu bemerken, dass sich bei Ihnen ein Schlenderich einschleicht“, kritisierte ihre Chefin und kam zu mir.
„Ja Madam, das tut mir furchtbar leid, ich hab grad ein paar private Probleme“, redete ich mich heraus.
„Haben diese privaten Probleme, wie Sie sie nennen etwas mit einem langhaarigen Motorradfahrer zu tun, der Sie gerade abgeladen hat?“, fragte sie nach.
„Nein Madam, er ist nur ein Freund meines Partners, der mich zur Arbeit gefahren hat“, erwiderte ich und hang meinen Mantel auf.
„Ah, ich dachte schon, Sie wären wieder auf einer dieser Biker reingefallen. Gehen Sie an Ihre Arbeit, aber flott“, befahl sie und ich ging an meinen Schreibtisch.
„Ah, schon wieder der Kerl, der dich hier öfters besucht“, setzte sich Lisa auf meinen Schreibtisch.
„Lisa, musst du nicht irgendeinen Mist verzapfen?“, konnte ich, die Sticheleien meiner Freundin in diesem Moment gar nicht ab.
„Da könnt ich gut von dir lernen. Also wer ist er?“, fragte Lisa.
„Ich werde dieses Gespräch nicht weiterführen, wenn du so neugierig guckst. Er ist nicht mein Freund, mehr musst du nicht wissen“, erklärte ich kurz.
„Gut, du willst es nicht sagen, deine Entscheidung, Ich werde es raus finden“, entgegnete Lisa rechthaberisch und zog ab.„Du bist wirklich sehr beliebt bei deinen Kollegen, du arbeitest wohl an einer Mitarbeiter des Jahres Karriere“, witzelte Emmett, der mich mal wieder besuchen kam.
„Em, verdammt dich hab ich ganz vergessen. Was für eine Bestrafung droht mir?“, schloss ich die Augen.
„Du holst meine Nichte nach der Arbeit aus dem Kindergarten ab und bringst sie zu meiner Schwester, dann kochst du mir ein Abendessen, über weiteres sprechen wir noch“, erklärte Emmett und ich sah ihn verwundert an.
„Dir gefällt diese Ehemann Rolle wohl ein bisschen zu gut. Aber okay“, erklärte ich schuldbewusst.
„Nicht wirklich. Und lebt dein Freund noch?“, fragte Emmett murmelnd.
„Würde ich sonst hier sitzen? Das war eine feige, hirnrissige und wirklich nicht überlegte Aktion, tut mir leid, dass ich dich da mit rein gezogen hab“, erklärte ich, immer noch voll meiner Schuld bewusst.
„Da hast du Recht, hast du es ihm erklären können?“, wollte er wissen.
„Wir haben letzte Nacht nicht viel geredet“, entschied ich nachdenklich.
„So detailliert wollte ich es eigentlich nicht wissen“, war er sichtlich angeekelt.
„Nein, nicht das was du denkst. Er verliert seine Stimme, dieser Mistkerl ist Sänger und verliert seine Stimme. Wie blöd kann man sein?“, wetterte ich.
„Ihr habt also Schluss gemacht?“, hoffte Emmett.
„Leider nicht, das kann ich jetzt nicht tun, er braucht mich jetzt“, erklärte ich.
„Bara, er ist kein Streuner, obwohl er so stinkt. Er kommt ganz gut ohne dich klar“, erklärte Emmett.
„Das mit uns wird nie was werden“, versuchte ich ihm zu erklären.
„Wie meinen?“, tat er unwissend.
„Emmett, wir sind so was wie Bruder und Schwester, ich hab dich sehr lieb und würde für dich alles tun, aber nicht mit dir ausgehen“, versuchte ich ihm schonend beizubringen.
„Bruder und Schwester? Könntest du das Messer wieder aus meinen Rippen entfernen, bitte?“, ging er wie getroffen zwei Schritte zurück.
„Du weißt, wie ich das meine, bitte versteh’ das bitte“, bat ich hoffend.
„Bitte mich niemals mehr deinen Ehemann zu spielen, bitte“, bat er und ich nickte verständnisvoll.
„Dann bis heute Abend“, bemerkte er betrübt und ging weg.
Toll, mein Leben konnte ab dem Moment nicht komplizierter werden. Ich hatte einen Freund, der nicht wirklich mein Freund war, zumindest wusste ich es bis zu dem Moment nicht, einen besten Freund der mich am liebsten gleich heiraten wollte und mir fiel überhaupt nichts ein, was ich zu meiner Kritik über das Franz Ferdinand Konzert schreiben sollte.
„Das klingt nicht schlecht, hast du mit Kamillentee gegurgelt, wie es dir Taijse geraten hat?“, kam ich selbstbewusst in den Proberaum, weil ich meinen Freund dort erwartete.
„Ich weiß zwar nicht wer Sie sind, aber von Ihnen würde ich mir sogar heißen Tee auf den Schoß kippen lassen“, stand ein für mich unbekannter Sänger am Mikro.
„Wupps, mein Fehler, wer sind Sie, wenn ich mir die Frage erlauben darf?“, fragte ich verdutzt.
„Cisco, der neue Sänger“, bemerkte der Typ cool und musterte mich weiter.
„Ah, ich bin SayDe, Groupie des alten Sängers. Ne Ahnung wo er steckt?“, versuchte ich auch genau so cool zu wirken, was aber irgendwie nicht so funktionierte wie ich mir das vorgestellt hatte.
„Ich hab Gerüchte gehört, er verschanzt sich im Keller. Viel Glück“, erwiderte Cisco und ich ging weiter zum Keller.
„Hey, Baby, bist du hier irgendwo?“, rief ich in den Keller bis mir jemand auf die Schulter tippte.
„Heilige Madonna, erschreck mich nicht so, kannst du nichts sagen?“, fragte ich zu Tode erschreckt.
Es war Raff, der den Kopf schüttelte.
„Klar, kannst du nicht, hatte ich vergessen. Was tust du hier unten?“, fragte ich und umarmte ihn mitfühlend.
Raff nahm eine magische Tafel vom Tisch und schrieb etwas darauf.
„Du schreist rum?“, lass ich aus seiner krakeligen Handschrift und er malte einen Notenschlüssel daneben.
„Du schreibst Songs, Baby, das ist wirklich eine grauenhafte Handschrift, du kannst höchstens Arzt werden damit. Apropos, warst du beim Arzt?“, wollte ich besorgt wissen und er sah mich böse an.
„Klar, keine Versicherung, schon vergessen, aber du musst was tun, hat Taijse sich das schon angesehen?“, fragte ich und er nickte.
„Und, was hat sie gesagt?“, fragte ich und er zog die magische Tafel ab um was zu schreiben.
„Dämlicher Blödmann, eine wirklich sehr professionelle Diagnose. Hat sie ne Ahnung was du haben könntest?“, fragte ich ihn aus.
„Ich tippe auf Kehlkopfentzündung, kann aber auch eine Verletzung an den Stimmbändern sein“, kam Taijse in hoch hakigen Stiefeln die Treppe runter.
„Das klingt ernst, du solltest ihn zum Arzt bringen“, riet ich ihr.
„Hab ich schon versucht, er ist ein dämlicher Blödmann, er will nicht“, erkannte sie.
„Das reicht, ich bring dich in die Notaufnahme, ich regle das mit den Kosten, ich war in den letzten Jahren nicht krank, das wird doch irgendwie finanziell geregelt werden können. Wer ist eigentlich dieser Casanova jr. da oben, der so tut als wäre er in der Band?“, erkannte ich und zog Raff hoch.
„Edrics Agentur hat ihn uns ausgeliehen, er ist furchtbar ich weiß, aber die Leute erwarten, dass wir heute spielen und das tun wir dann auch. Das musst du in der Kritik ja nicht erwähnen“, erkannte Taijse.
„Werde es versuchen. Ich werde ihn ins Krankenhaus bringen, ich bin so schnell zurück, wie es geht“, erklärte ich und zog Raff, der sich strikt wehrte, zum Ausgang.
Nach einer halben Stunde hatte ich ihn endlich soweit, dass wir am Tresen der Notaufnahme standen.
„Hallo Kindchen, was kann ich für Sie tun?“, begrüßte uns eine nette Krankenschwester.
„Hey, hallo, ich brauch dringend Hilfe, mein Freund hat seine Stimme verloren und ich hab ihn endlich so weit, dass er sich untersuchen lässt“, erklärte ich.
„Ja, Ja die Männer, haben Sie seine Versicherungskarte?“, fragte die Schwester und ich schüttelte den Kopf.
„Ich bräuchte sie aber, um die Daten einzulesen“, bat die Schwester.
„Siehst du jetzt wie wichtig eine Versicherung ist?“, fragte ich ihn forsch.
„Er hat keine Versicherung, das wird dann komplizierter. Werden Sie von einer Sozialstation betreut?“, fragte die Schwester und knallte ein Formular auf den Tresen.
„Eine Freundin von ihm ist Krankenschwester, sie behandelt ihn, wenn es nötig ist“, erklärte ich.
„Dann füllen Sie das aus, wir werden sehen was wir tun können“, erklärte die Schwester und ich ging zu den Stühlen.„Okay, füllen wir das aus. Vorname Rafferty, hast du einen Zweitnamen?“, versuchte ich es auszufüllen.Er nahm mir das Blatt ab und füllte es aus.
„Zeig mal“, bat ich neugierig.
„David Tamar, du heißt David Tamar?“, amüsierte ich mich.
„Seit meiner Bar Mitzwa nicht mehr, also dieser Name verlässt dieses Krankenhaus nicht, verstanden?“, schrieb Rafferty auf seine Hand.
„Schon kapiert. Am besten füllst du das aus, ich werde mir einen Kaffee holen“, erwiderte ich, klopfte ihm auf die Schulter und ging zum Kaffeeautomaten.
Nach zwei Stunden waren wir immer noch nicht dran gewesen.
„Verdammt, es ist schon halb acht, ich muss in einer halben Stunde wieder im Club sein“, sah ich ungeduldig auf die Uhr.
„Dann geh“, schrieb Rafferty auf seinen Arm, weil seine Hand schon vollgeschrieben war.
„Nein, ich bleib bei dir, ich werde meine Kollegin anrufen, sie wird gehen“, bemerkte ich und lächelte ihn an. Er lächelte zurück.
„Lisa, hey, ich weiß ich war heut Morgen fies zu dir, aber ich brauch heut deine Hilfe. Die Kritik vom Murphys, könntest du hingehen und ein paar Notizen machen? Ich komm dann später dazu“, rief ich Lisa an, was mir wirklich nicht angenehm war.
„Danke, du hast was gut bei mir. Wir sehen uns“, klappte ich mein Handy wieder zusammen.
„Meine Kollegin Lisa wird das übernehmen, ich bleib so lange, wie das hier dauert“, unterstützte ich ihn.
„Warum tust du das für mich, du hast doch eine Familie zu Hause“, schrieb er weiter.
„Wird wohl Zeit für ein Geständnis. Ich hab keine Familie, ich hab schon eine Familie, aber keine eigene. Das war eine dumme Idee von mir, der Kerl der meinen Ehemann gespielt hat, war mein bester Freund Emmett, das Kind war seine Nichte. Ich wollte dich loswerden, bevor es ernst zwischen uns wird. Ich hab Angst mich zu binden, ich weiß was für ein Klischee, aber wenn du meine Ex-Freunde kennen würdest, würdest du es verstehen. Wenn du mich jetzt nicht mehr wieder sehen willst, versteh’ ich das auch“, gestand ich stockend. Da tat er was, was mich überraschte. Er griff meinen Kopf und küsste mich frenetisch.
„Wir sind uns in vielen Dingen ähnlicher als du denkst“, kritzelte er.
„Du bist nicht böse?“, fragte ich hoffend und er schüttelte den Kopf.
„Hey, können wir endlich etwas zum Drauf schreiben haben? Mein Freund sieht langsam aus, wie ein irrer Wissenschaftler“, rief ich und bekam endlich ein Blatt.
„Geht doch. Hier Süßer, ich werde mal sehen, ob ich etwas Alkohol auftreiben kann, das wir das entfernen können“, erkannte ich und stand auf.
„Bier?“, schrieb Rafferty schräg über das Blatt.
„Oh ja, könnt ich jetzt auch gebrauchen, aber ich mein eher das Medizinische. Bin sofort wieder bei dir“, genoss ich die Vertrautheit zwischen uns und ging zu einem Schwesternzimmer.
Ich war keine fünf Minuten weg, aber als ich wieder kam, war er weg.
„Toll, können die nicht mal warten? Schwester, hi, hallo haben Sie gesehen, wo sie meinen Freund hingebracht haben?“, fragte ich freundlich an der Rezeption.
„Sein Bruder ist hierhergekommen und hat hier Stunk gemacht, da haben sie ihn in einen Untersuchungsraum gebracht“, erklärte die Schwester trocken.
„Sein Bruder? Bale ist hier? Wo haben Sie ihn hingebracht?“, geriet ich in Panik.
„Untersuchungsraum 3“, versuchte die Schwester mich zu beruhigen und ich sah sie mit fragenden Augen an.
„Den Gang runter und dann links“, erklärte sie.
„Vielen Dank, tut mir leid, dass ich sie vorhin so blöd angemacht hab“, entschuldigte ich mich.
„Hey, das war nicht das erste Mal für mich heute. Gehen Sie zu Ihrem Freund und alles Gute“, erkannte sie und ich huschte davon.Vor dem Raum stand Bale und redete mit einem Arzt.
„Lungenkrebs können wir ausschließen Mr. Talman trotz der drei Packungen Zigaretten pro Tag, die Ihr Bruder raucht. Obwohl das verdammt viel ist. Ich gehe von einer Pneumonie oder einer Laryngitis aus“, erklärte der Arzt Bale.
„Doc ich bin Barbesitzer, ich versteh das Kauderwelsch nicht“, sah Bale geschafft aus.
„Eine Lungen- oder Kehlkopfentzündung“, mischte ich mich ein.
„Da bist du ja, wo warst du?“, donnerte Bale und durch seine Größe schüchterte mich das ein.
„Ich hab nur Alkohol besorgt, dass ich ihm seine Schmierereien vom Arm wischen kann. Was ist passiert?“, wollte ich wissen.
„Er hat Blut gespuckt, das ist passiert. Warum hast du ihn so lang im Wartesaal warten lassen?“, hielt mir Bale vor.„Verdammt, er hat keine Versicherung, da konnte ich auch nichts machen. Er hat Blut gespuckt? Nicht, als ich vor fünf Minuten bei ihm war. Was hat das zu bedeuten, Doc?“, fragte ich besorgt.
„Es ist atypisch, aber solang es bei blutigem Auswurf bleibt, müssen wir uns keine Sorgen machen. Sie können jetzt zu ihm“, erklärte der Arzt weiter und ich ging rein.
„Süßer, was machst du für Sachen? Ich bin jetzt bei dir“, ging ich an sein Bett.
„Du solltest nicht hier sein, du solltest heut eine verdammt gute Kritik für den Club schreiben“, fauchte Bale mich an.
„Und du solltest die Drums spielen, wir sollten beide nicht hier sein. Wo warst du vorhin? Du hast dich nicht um ihn gekümmert“, fauchte ich zurück.
„Ich hab einen Club zu leiten, Menschenskind“, grummelte er ertappt.
„Er ist dein Bruder, das ist wohl wichtiger als dein blöder Club“, wurde ich wütend auf ihn.
„Mein blöder Club steht so sehr in den roten Zahlen, dass ich eigentlich gar nicht mehr schlafen dürfte, um uns daraus zu ziehen, mein Bruder, der uns bis jetzt einigermaßen aus dem Dreck gezogen hat, fällt für Monate aus und ich hab heut einen Sänger eingestellt, der weder weiß wer Springsteen oder Axl Rose ist und mein Sohn sein könnte. Also sag mir nicht, dass ich mich voll auf meinen Bruder konzentrieren soll, denn ich hab grad andere Sachen im Kopf“, kotzte sich Bale aus.
„Man, ich wusste, dass ihr Probleme habt, aber das ist heftig“, war das einzige, was mir dazu einfiel.
„Ja, das ist es. Wenn du mich jetzt entschuldigst, ich muss irgendeinen Automaten zusammenschlagen“, ging er mit tonloser Stimme aus dem Raum.
„Das macht er wirklich, das letzte Mal war das, als seine Eltern gestorben sind, er musste mit 37 Stichen genäht werden“, erklärte Efran, den ich erst jetzt auf einem Stuhl neben dem Schrank wahrnahm.
„Ef, was machst du hier, wer spielt jetzt die Drums?“, fragte ich.
„Keiner spielt heute Nacht, unser Justin Timberlake spielt heut Alleinunterhalter“, erklärte Saida, die mit dem Baby auf dem Arm und mit einem Kaffee in der Hand ins Zimmer kam und Efran den Kaffee gab.
„Wieso? Diese Kritik heut Nacht ist wichtig“, verstand ich nicht.
„Du bist doch hier, also gibt es keine Kritik“, folgte Taijse ihr auf den Fuß.
„Ich hab ne Kollegin geschickt, die wird euch in der Luft zerrupfen, wenn ein Spargeltarzan ohne Band auf der Bühne steht.
„Warum tust du das? Wie auch immer, wird nichts an der Tatsache ändern, dass wir am Arsch sind“, folgte Edric den Frauen mit Edvia an der Hand. Bald waren alle Bandmitglieder in dem kleinen Krankenzimmer.
„Ihr wisst es also alle?“, fragte ich und setzte mich auf die Bettkante von Rafferty.
„Ist ja kein Geheimnis. Wir machen in zwei Wochen dicht, es sollte eigentlich noch mal mit einem Knall enden, aber das hätte nur Chinese gekonnt. Ich hab schon eine neue Stelle als Krankenschwester hier im Krankenhaus, zwar nur halbtags, aber es bringt was ein. Andrew, ja so heißt Armagein wirklich, verrate ihm nicht, dass ich dir das gesagt hab, wird in einer Bluesbar die Straße runter sein Glück versuchen, ne Wohnung haben wir auch schon“, erklärte Taijse.
„Das war’s? Ihr gebt einfach auf?“, fragte ich entrüstet.
„Sieht ganz so aus. Ich hab ein paar Tapes an eine Werbefirma geschickt, vielleicht wird daraus was“, entgegnete Odion und nahm seine Freundin auf den Schoß.
„Das ist nun wirklich überhaupt nicht Rock’n Roll“, entschied ich und hatte Recht.
Drei Wochen später standen Rafferty und ich vor der mit einem Brett vernagelten Tür des Murphys.
„Lass uns heim fahren“, schlug ich vor und er nickte. Er konnte immer noch nicht richtig sprechen, geschweige denn singen, also kam er erst mal bei mir unter. Meine Mutter würde begeistert sein, ein arbeitsloser Musiker würde in meiner Wohnung wohnen.
An einem Abend im November kam ich heim und hörte schon von weitem Gesang.
„Man, mein Vermieter bringt mich um“, hetzte ich zur Tür und schloss auf.
„Hey, muss das so laut sein? Mein Vermieter macht mir die Hölle heiß“, rief ich in die Runde. Die ganze Gang war versammelt.
„Entschuldige Süße, wir sind ein bisschen am jammen und sind wohl etwas übermütig. Wie war dein Tag?“, küsste Rafferty mich, der seine Stimme wieder hatte, sie aber trotzdem noch nicht überlasten sollte.
„Süßer, du sollst doch bis Weihnachten nicht singen, du willst doch deine Stimme nicht schon wieder verlieren, oder?“, bat ich und setzte mich auf seinem Schoß.
„Du hast dich von einer Frau an die Leine legen lassen, du kleiner Schoßhund“, tätschelte Taijse seinen Kopf, die neben ihm auf der Lehne saß.
„Das ist aber gar nicht Rock’n Roll“, tönte Odion und nahm einen Schluck aus seiner Bierflasche.
„Leg mal ne andere Platte auf Od, du nervst gewaltig“, erwiderte Rafferty und ich kuschelte mich an ihn.
„Hey, aus welchem Grund hast du noch mal deine Stimme wieder bekommen?“, fragte Odion sarkastisch.
„Wir sollten das öfters machen, wir haben seit Ewigkeiten nicht mehr zusammen gespielt. Sind wir eigentlich noch ne Band?“, sprach Bale an, was alle dachten.
„Sicher, wir sind More Beat, Rock und Roll, Pfeffer und Salz“, entgegnete Efran.
„Pfeffer und Salz, hast du dir jetzt schon das Gehirn rausgebumst?“, nörgelte Armagein.
„Halt die Klappe, Kenny G, wer spielt hier denn untreuen und macht auf Alleinunterhalter in einer Cocktailbar?“, entgegnete Madison.
„Hey Kind, es hat nicht jeder einen reichen Dad, auf dessen Sofa man faulenzen kann, ich muss Geld verdienen“, raunzte Armagein.
„Oh ja, ein echt eingefleischtes Team. Was ist mit euch passiert?“, erkannte ich und nahm einen Schluck aus Raffertys Bier.
„Der Club ist dicht, unser letzter Zusammenhalt ist zerbrochen. Es war lang schon wackelig, aber ich glaub jetzt ist es vorbei“, mischte sich Edric ein.
„Der große Häuptling hat gesprochen, es ist wohl vorbei“, stand Odion als erstes auf und ging zur Tür.
„Sieht ganz so aus, also lasst uns fahren“, ging Bale hinter ihm her.
„Hey, ihr könnt doch jetzt nicht gehen“, bat Rafferty.
„Was sollen wir noch hier? Wir nerven euch sicher nur“, entschied Edvia.
„Nein, ich könnte ne Familienpizza bestellen, wir sollten darüber reden“, erwiderte ich, aber nacheinander verließen alle den Raum.
„Es tut mir leid, ich wollte die Stimmung nicht versauen“, stand ich von seinem Schoß auf.
„Es war schon vorhin keine gute Stimmung hier, ich hab nur versucht durch eine Session die Laune zu bessern. Das Treffen war meine Idee, tut mir leid, wir hätten es auch wo anders machen können“, war Rafferty betrübt.
„Nein, schon gut, du wohnst jetzt hier, du darfst ruhig deine Freunde einladen, nur nicht alle auf ein Mal, ja?“, bat ich und ging zum Kühlschrank.
„Keine Sorge, das wird nicht mehr passieren, ich krieg sie eh nicht mehr zusammen. Ich schreib grad an einem Song, willst du mal hören?“, nahm er einen Block zur Hand.
„Schon deine Stimme, ich hab dir einen Gig besorgt, nächsten Monat, so ein Santa Claus Ding, ich weiß, du hasst Weihnachten und das Zeug, aber es bringt 100 Dollar die Stunde ein“, erklärte ich stockend.
„Ich muss aber kein Weihnachtsmannkostüm anziehen, oder?“, nörgelte er.
„Nein, nicht direkt. Aber du trägst ein Kostüm“, erkannte ich vorsichtig.
„Bitte keine Elfe, sag mir dass ich nicht wie eine Elfe rumlaufe“, bat er.
„Du läufst wie keine Elfe rum“, log ich.
„Lügnerin. Edric wird nicht begeistert sein, dass du mir Jobs besorgst“, entschied er und nahm mir die Milchtüte ab um daraus zu trinken.
„Was macht Edric eigentlich? Ich hab ihn in der Runde vermisst“, entriss ich ihm die Milchtüte und Milch lief über seine Backen.
„Hey, er ist gerade von seiner Frau verlassen worden, er muss sein Leben erst mal in den Griff bekommen. Ich war letzte Woche bei ihm, mein Patenkind besuchen. Er wächst ziemlich schnell, ein richtiger Wonneproppen“, entgegnete Rafferty und wischte die Milch aus seinem wachsenden Bart.
„Rasier dich endlich, du siehst langsam aus wie ein Yeti“, forderte ich und er lächelte charmant. So charmant, dass ich völlig vergaß, was ich gesagt hatte.
„Und geh’ zum Frisör, wir sind nächste Woche bei meiner Mutter und sie steht nicht so auf Kerle, die als Jim Morrison-Double durchgehen könnten. Ich ruf in Bales Laden an, vielleicht kriegen wir diese Woche noch einen Termin“, schlug ich vor.
„Bale ist ein furchtbarer Frisör, ganz sicher nicht“, entschied er.
„Er ist dein Bruder und du siehst aus wie ein Penner, ich ruf da morgen an. Soll ich ne Pizza bestellen?“, fragte ich und küsste seinen milchigen Bart.
„Nein, ich hab keinen Hunger. Ich werde ins Bett gehen und weiter an meinem Song schreiben“, erklärte er und ging zum Schlafzimmer.
„Gut, ich komm dann gleich“, bemerkte ich nachdenklich und ging zum Telefon.
„Hey, ich wollt mich mal wieder melden“, rief ich Priscilla an.
„Ich hab heut Abend die ganze Zeit versucht dich zu erreichen, dein Telefon war ständig besetzt“, erkannte Priscilla.„Entschuldige, Raff musste rumtelefonieren, er musste was organisieren. Wie geht es dir?“, erklärte ich.
„Besser, danke. Wie läuft die Arbeit?“, fragte Priscilla.
„Auch besser, ich bin nächsten Monat auf diesem riesigen Weihnachtskonzert, da kommen eine Menge Promis. Und bei dir?“, fragte ich freundlich.
„Nichts neues, also dein Parasit ist immer noch da?“, fragte sie.
„Sei nicht so fies, er ist ein netter Kerl“, verteidigte ich ihn
.„Er hat dich betrogen!“
„Wir haben unsere Beziehung neu definiert, seit dem nicht mehr“, entschied ich.
„Ach, er sitzt die ganze Zeit allein zu Hause, wie kannst du das wissen?“, fragte sie skeptisch.
„Ich vertraue ihm, das ist alles was du wissen musst“, erklärte ich.
„Du magst ihn wirklich, ich freu mich ja für dich, aber sei vorsichtig bitte“, bat sie.
„Werde ich. Mittagessen morgen Mittag?“, fragte ich.
„Ja, ich hol dich bei der Arbeit ab. Schlaf gut“, legte sie auf.
Rafferty summte neben mir eine Melodie mit einem Kopfhörer auf dem Kopf und schrieb. Ich betrachtete ihn.
„Willst du schlafen?“, zog er den Kopfhörer ab.
„Nein, ich sehe dich nur an. Magst du mich eigentlich?“, fragte ich nachdenklich.
„Ich lieg neben dir, reicht das als Antwort“, schmunzelte er.
„Neben ihr lagst du auch“, entgegnete ich trocken.
„Wir hatten dieses Thema schon abgehakt, dachte ich. Ich bin dir absolut treu, du musst mir einfach vertrauen“, bat er gelassen.
„Das tu ich auch, entschuldige. Ich hab nur laut nachgedacht. Ich werde jetzt schlafen“, erwiderte ich und rutschte ihm Bett herunter.
„Priscilla hat schon wieder böses Blut versprüht, richtig?“, war er neugierig.
„Ich bin müde, ich schlaf jetzt“, antwortete ich nicht auf seine Frage und schloss die Augen.
„Hör auf, ständig auf sie zu hören, fang an zu fühlen“, küsste er meinen Nacken liebevoll und löschte das Licht.
Der November endete mit dem ersten Schnee des Jahres. Ich mochte Schnee eigentlich nicht besonders, vor allem weil es eher ein matschiger Schneeregen, als richtiger Schnee war. Ich eilte schnell in die Wohnung und schüttelte meine Haare.Rafferty kniete vor etwas, was wie ein Holzpferd aussah.
„Was machst du denn?“, schmunzelte ich, kam auf ihn zu und küsste seinen Kopf.
„Ich komponiere eine Symphonie“, witzelte er.
„Richtig, dumme Frage, dumme Antwort, ist das für Chao?“, fragte ich und setzte mich aufs Sofa.
„Ja, bald wird er so alt sein, dass er darauf sitzen kann. Was? Kein Kommentar darüber, dass wir Juden nicht Handwerken können?“, war er guter Laune.
„Nein, du hast den Küchenschrank wieder repariert, ich glaub dir, dass du keine zwei linken Hände hast. Sollte Edric nicht dir helfen, als umgekehrt?“, fragte ich.
„Er hat zwei neue Klienten, jetzt kann er sich ein Kindermädchen leisten. Ich helfe ihm etwas in der Wohnung, sie kindgerecht machen und so. Hab ich schon für den Club gemacht, als meine Nichte rumgeklettert ist“, erklärte er plötzlich nicht mehr so glücklich.
„Der Club fehlt dir oder?“
„Ja, ziemlich, ich hab meine Jugend dort verbracht. Versteh’ mich nicht falsch, aber deine Wohnung ist einfach nichts für mich. Es ist alles so steril“, erklärte er.
„Versteh’ ich gut, du bist sauer, dass du deine Haare schneiden lassen musstest, Bale hat das gar nicht so schlecht hinbekommen, find ich“, wuschelte ich seine nun kurzen Haare durch.
„Deine Mutter mag mich anscheinend nicht“, kam er auf das Essen vor ein paar Wochen zu sprechen.
„Sie mochte keinen meiner Ex-Freunde, das hat nichts zu bedeuten. Wir müssen nicht mehr zu ihr, außer an Weihnachten vielleicht, verdammt du bist jüdisch, wie machen wir das dann?“, plante ich.
„Ich komm nicht mit zur Feier, ganz einfach. Ich feiere zu Hause, ich muss meinen Bruder unterstützen und ihn vom Komasaufen abhalten, weil er wieder Warten auf Godot spielt und denkt, dass seine Frau und seine Tochter dieses Weihnachten kommen“, erkannte er.
„Klar, wir können ja am Weihnachtsabend was Essen gehen, wenn du willst“, bemerkte ich verständnisvoll.
„Mal sehen, ich werde noch zu Edric fahren und ihm das bringen, kannst du uns was kochen?“, stand er auf.
„Sicher, ich hab zwar nicht viel zu Hause, aber ich werde was machen. Wie lang brauchst du?“, wollte ich wissen.
„Ich ruf dich an, wenn es später wird“, versprach er, küsste mich, nahm das kleine Holzpferdchen unter den Arm und ging.
Ich hatte gerade Nudeln aufgesetzt, als das Telefon klingelte.
„Hey, ich hätte Lust durch die Clubs zu ziehen, machst du mit?“, fragte Priscilla.
„Sicher, ich werde nur schnell mit Raff zu Abend essen, dann hol ich dich ab“, entgegnete ich.
„Ach richtig, du bist ja jetzt Hausfrau. Aber eine Familie planst du nicht in nächster Zeit, oder?“, fragte Priscilla etwas sarkastisch.
„Süße, ich war in letzter Zeit nicht viel für dich da, das tut mir leid. Ich muss morgen erst gegen Mittag ins Büro, wir können heute die Nacht zum Tag machen“, schlug ich vor.
„Das klingt wirklich gut, das haben wir lang schon nicht mehr gemacht. Ich hab auch das perfekte Kleid dafür“, entschied sie.
„Gut, dann komm ich in den nächsten zwei Stunden irgendwann vorbei. Bis dann“, legte ich auf.
Ich zog mein hautenges schwarzes Kleid an, Stiefel und die lange Perlenkette meiner Großmutter, die ich sehr mochte. Nach etwa einer Stunde kam er wieder heim.
„Hey, Mammacita, du brauchst dich doch für mich nicht so aufzustylen“, glitt er mit seinen Händen über meine Hüften und den Rücken hoch.
„Tu ich auch nicht, heut ist Mädelsabend. Komm, lass uns essen“, küsste ich ihn und zog ihn in die Küche.
„Das hattest du mir gar nicht gesagt“, wunderte er sich und setzte sich, aber ließ mich nicht aus den Augen.
„Das ist ganz spontan. Stimmt was nicht?“
„Du willst doch nicht so aus dem Haus?“, fragte er kritisch.
„Eigentlich schon. Sag bloß, du bist plötzlich prüde, du hast mit halbnackten Frauen zusammen gelebt“, hielt ich das für einen Scherz.
„Ich lass dich so nicht allein gehen“, entschied er.
„Sonst geht’s dir gut, oder?“, fragte ich schmunzelnd.
„Ich werde mitkommen“, hielt er an seinem Standpunkt fest.
„Das ist ein Mädelsabend, kannst du nicht mit den Jungs was machen?“, verstand ich endlich, dass er es ernst meinte.
„Wir könnten zu viert ausgehen, du, ich, deine Freundin und mein Bruder“, schlug er vor.
„Ich weiß nicht, könnt ihr nicht allein was machen?“, war ich unsicher.
„Komm schon, mein Bruder ist einsam, es wär doch schön, wenn er jemand hätte, oder?“, fragte er.
„Aber nicht sie, die sind fast zehn Jahre im Alter auseinander, da könnt ich ihm eine aus dem Büro besorgen“, verhandelte ich.
„Wie du meinst, wie wär’s mit Tan?“, schlug er vor.
„Tann ist nicht der hellste, ich weiß nicht“, erkannte ich skeptisch.
„Süße, wir suchen keinen Mann für dich, lass es uns probieren“, schlug er vor.
„Okay, aber Priscilla hasst diese arrangierten Dates, wir treffen uns zufällig in der Stadt, sagen wir um kurz nach elf am Malco Theater?“, schlug ich vor.
„Das ist auch ein arrangiertes Date“, entschied er.
„Aber das weiß sie nicht, kapiert. Aber nicht auf den Motorrädern andüsen, du weißt ja noch, was letztes Mal passiert ist. Lass uns essen“, erwiderte ich und begann zu Essen.
Um kurz vor elf hatte ich Priscilla zum Kino geführt. Ich sah auf die Uhr.
„Hey, warum siehst du ständig auf die Uhr?“, fragte Priscilla und sah mich an.
„Tu ich doch gar nicht“, erkannte ich und zog meinen Mantel fester zusammen.
„Ich kenn dich jetzt lang genug um zu wissen, wann du was ausheckst. Also spuck’s aus?“, schmunzelte sie.
„Gar nichts, ich wollte nur gucken, wann Serenity anläuft, Rafferty ist ein großer Joss Whedon Fan“, log ich und sah auf den Plan.
„Ah, du lügst“, sagte sie trocken.
„Ich kann nicht lügen, das weißt du“, drehte ich mich weg, dass sie nicht sah, wie ich rot wurde.
„Genau deswegen. Hey, ist das nicht Rafferty und sein Cousin da hinten?“, stellte sie fest, als sie die beiden entdeckte.
„Ja, richtig, er wollte mit seinem Cousin ins Kino gehen“, erwiderte ich.
„Ihr beiden habt doch was ausgeheckt oder?“, wurde es hier klar.
„Hey, das ist ja eine Überraschung, euch hier zu sehen“, ging ich auf die Männer zu.
„Ich hoffe, Rafferty hat eine bessere schauspielerische Leistung erbracht, dich hier her zu locken“, erkannte Priscilla und kam mit klappenden Schuhen auf dem Asphalt zu Tanner.
„Seine Leistungen waren mickrig dafür, dass er mal am Broadway war. Deinem Fuß geht es wieder besser?“, stellte Tanner fest.
„Ja, sieht so aus. Also Lust auf einen Cocktail?“, hakte sie sich bei Tanner ein und sie liefen die Straße lang.
„Du warst am Broadway?“, schmunzelte ich und küsste meinen Freund.
„Kein Kommentar“, erwiderte er und wir gingen hinter ihnen her.
„Ja, wenn ich es euch sage, er war zwei Jahre der Joseph im Musical Joseph“, erzählte Tanner, als wir später an diesem Abend in einer Cocktailbar saßen.
„Okay meine Damen, jetzt muss ich euch leider umbringen, ihr kennt mein tiefstes Geheimnis“, witzelte Rafferty, dem es sehr gut zu gehen schien, was mich freute.
„In einem Musical die Hauptrolle zu spielen ist doch nicht peinlich, ich mag Musicals“, verteidigte ich ihn.
„Ich hatte einen bunten Mantel an und lange Haare“, erklärte Rafferty.
„Du hattest bis vor kurzem noch lange Haare, wenn ich dich daran erinnern darf“, bemerkte ich.
„Das war gar nichts, die waren viel länger!“
„Wie lang?“
„Sagen wir mal so, mein Bruder und ich hatten keine Schwierigkeiten beim headbangen“, erklärte er.
„Und dein Bruder hat die Frisur beibehalten. Versteh’ das nicht falsch, aber dein Bruder sollte sich mal die Haare schneiden“, schlug Priscilla vor.
„Ich weiß, aber er weigert sich strikt. Wenn ihr Ladies ihn mal überzeugen könnt, wäre ich euch dankbar. Denn die Zeit, in dem die Frauen auf solche Kerle gestanden haben ist lang vorbei. Hey, sollen wir nicht noch ein bisschen auf die Promenade gehen, ich vertrag die Luft hier drin nicht so gut“, schlug Rafferty vor und wir brachen auf.
„Er raucht nicht mehr, er hat einfach so aufgehört“, erklärte ich, als wir über die Promenade hinter den Männern her gingen.
„Sieht man, er wird pummelig“, erwiderte Priscilla.
„Du bis fies!“
„Du schleppst mich am Mädelsabend zu einem Blind Date, fass dir an deine eigene Nase“, frotzelte sie.
„Du verstehst dich doch gut mit ihm, oder?“, fragte ich neugierig.
„Er ist ganz süß“, erklärte sie trocken.
„Na also, trau dich doch, er wird dir nichts tun“, versprach ich.
„Bist du sicher?“
„Ich werde auf dich aufpassen, aber wenn nur halb so ist wie Rafferty, dann musst du dir keine Sorgen machen. Ach richtig, du magst Raff ja nicht“, entschied ich.
„Doch, doch, er ist okay, aber er wird dir das Herz brechen“, erkannte sie.
„Aber ich werde wieder aufstehen, wie es immer getan habe. Und ich hab meinen Fernseher verplomben lassen, den kriegt er nicht“, schmunzelte ich.
„Du bist glücklich“, stellte sie fest.
„Du sagst das so, als wäre das was Schlechtes!“, erwiderte ich und sie legte den Arm auf meine Schulter.
„Nein, ich hab dich nur lang nicht mehr so gesehen. Das ist schön. Ich werde mit ihm was anfangen, wenn du willst“, entschied sie und ich grinste.
„Das klingt wirklich gut, du brauchst das jetzt“, erkannte ich und wir gingen zu den Männern.
„Und, wie sieht’s aus?“, rief ich meine Freundin am nächsten Tag in der Mittagspause an.
„Er ist ganz nett“, klang sie nicht begeistert.
„Das klingt wirklich sehr überzeugend“, war ich enttäuscht.
„Ihr wolltet mich unbedingt verkuppeln, aber wir haben wirklich überhaupt nichts gemeinsam“, entschuldigte sie sich.„Hey, ist kein Problem, ein Versuch war’s wert. Wir müssen ja nicht beide den gleichen Fehler machen und uns in einen Talman verknallen“, erkannte ich und sah in das skeptische Gesicht meines Freundes.
„Wirklich nett“, entgegnete er gelassen.
„Ist das Rafferty? Sag ihm, dass es nett war gestern“, bemerkte Priscilla und ich schaltete auf Lautsprecher.„Samstag wir vier zum Bowling?“, fragte er kurz.
„Dein Cousin ist ein lieber Kerl, aber nicht für mich“, erklärte Priscilla.
„Da haben wir ein Problem, er hat auf dem Rückweg nach Hause von nichts anderem gesprochen als von dir“, erklärte Rafferty vergnügt.
„Bitte sag mir du verarscht mich jetzt“, hoffte Priscilla.
„Er sagte so was wie, dass er dein Elvis sein will. Er hatte zwar schon drei Guinness intus in dem Moment, aber ich glaub ich hab ihn richtig verstanden. Er steht auf dich“, entgegnete Rafferty in einem neckendem Ton.
„Hör auf, bitte, Bara verbiete deinem Freund so was zu sagen“, war Priscilla peinlich berührt.
„Priscilla und Tanner sitzen auf nem Baum und K.Ü.S.S.E.N sich“, neckte ich sie kindisch.
„Ihr seid so fies, wisst ihr das eigentlich?“, grummelte sie.
„Also Samstag Bowling?“, wiederholte er seine Frage.
„Ja, aber wenn er mich anfasst, brech ich ihm die Hand“, gab sie nach.
„Super. Wie sehen uns dann“, beendete er das Gespräch.
„Hat er das wirklich gesagt?“, wollte ich neugierig wissen.
„Ja, er hätte es sagen können wenn er nicht zu betrunken gewesen wäre, wach zu bleiben. Er hat auch gemerkt, dass das Date gestern nicht so gelaufen ist. Er hat mir die Ohren voll geheult. Das wird ein ganzes Stück Arbeit“, stellte Rafferty fest und grinste mich an.
„Oh nein, wir können sie nicht zwingen zusammen zu kommen“, konterte ich.
„Du glaubst nicht, was ich alles kann. Und jetzt flirte ich mit deiner Chefin“, erkannte er trocken.
„Du tust was?“, fragte ich verwundert.
„Hey, nicht eifersüchtig sein, ich such nur für meinen Bruder jemanden“, erklärte er und ging in die Richtung des Büros meiner Chefin.
„Weihst du mich in den Plan ein?“, rief ich ihm hinterher.
„Später Baby, später“, ging er rückwärts weiter und klopfte an die Bürotür.
„So, du erklärst mir jetzt sofort, was du da drinnen gemacht hast“, saßen wir eine halbe Stunde später auf einer Bank vor dem Gebäude und verspeisten das chinesische Essen was er mitgebracht hatte.
„Ich hab meinem Bruder nen Date besorgt, sonst nichts“, zog er eine Nudel in seinen Mund.
„Bale und meine Chefin? Hast du den Verstand verloren?“, fragte ich entsetzt.
„Wieso nicht, sie sind beide einsam, sie ist echt heiß“, entschied er.
„Das will ich gar nicht hören. Wie hast du die Eishexe dazu gebracht?“, wollte ich wissen.
„Ich hab sie angemacht und sie kam mit dem "haben Sie nicht einen älteren Bruder"-Spruch, da hab ich einfach ja gesagt“, erwiderte er und zwängte meine Nase in seine Stäbchen.
„Du hast einen Knall, weißt du das eigentlich?“, fragte ich amüsiert und küsste ihn.
An diesem Abend saßen wir gerade gemütlich auf dem Sofa als es klingelte.
„Oh man, gerade wenn’s gemütlich wird“, stand Rafferty auf schlappte zur Tür.
„Hey, Kumpel alles klar“, begrüßte Armagein, Rafferty. Eigentlich hatte ich nicht verstanden was er gesagt hatte, aber Rafferty klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter.Sein Arm war in einer Schlinge und er hatte einen Verband um den Kopf.
„Hey, was ist denn mit dir passiert? Komm rein“, erkannte Rafferty und er kam mit rein.
„Tai und ich, wir haben uns riesig gezofft, kann ich heute Nacht mein Quartier bei euch aufschlagen?“, fragte Armagein mitgenommen.
„Klar, oh warte, hat sie dich so zugerichtet?“, stand ich vom Sofa auf um ihn zu begrüßen.
„Nein, Tai hat sich zwar mit einem Polizisten geprügelt, aber mich schlägt sie nicht. Ich bin die Treppe runter gefallen“, erklärte Armagein.
„Wie viel Promille?“, wusste Rafferty schon Bescheid.
„2,4, neue Bestleistung. Nur das allein zu schaffen zeugt nicht gerade von Intelligenz. Tut mir leid, ich stör euch wohl gerade“, sah er den Rotwein und die Kerzen auf dem Tisch.
„Nein, kein Problem. Ich räum das nur schnell weg. Warum hast du dich mit Taijse gezofft? Ich kenn euch zwar noch nicht so lange, aber ihr kamt mir immer als das normalste Paar vor“, erklärte ich und räumte den Tisch auf.„Ich hab ihr einen Heiratsantrag gemacht“, erklärte Armagein und ließ sich breitbeinig auf dem Sofa nieder, dass ich gerade aufgeräumt hatte.
„Schon wieder. Bist du es nicht langsam leid?“, war das für Rafferty wie es aussah nichts neues.
„Nur jetzt ist es nötig, Mrs. Superstreng war wieder da“, sprach er für mich in Rätseln.
„Wow, die war lange nicht mehr da. Gibt es Probleme mit dem Visum?“
„Kann mam wohl sagen, ich nehm den nächsten Flug nach Calgary wenn Tai mich nicht heiratet“, erklärte Armagein.„Das hast du hoffentlich bei dem Heiratsantrag nicht erwähnt, oder?“, fragte Rafferty hoffend.
„Natürlich hab ich das getan, wie hätt ich sie deiner Meinung nach sonst überzeugen sollen?“, erklärte Armagein weiter.
„Schade, hab dich eigentlich für einen Romantiker gehalten. Sie wird dich nicht heiraten, gib’s auf“, entschied Rafferty.
„Sie muss gar nichts, sie will auch nicht. Ich dachte nach dem Streit an Weihnachten letztes Jahr hättest du es kapiert“, erkannte Rafferty weiter der das Szenario zu gut zu kennen schien.
„Mach nen andern Vorschlag, soll ich vielleicht dich heiraten?“, fragte Armagein genervt.
„Du bist süß, aber nicht mein Typ. Nein, im Ernst, ich werde morgen Misses Niedermeier anrufen und mit ihr reden“, versprach Rafferty.
„Ich will nicht auf die Insel zurück, ich will Tai nicht verlieren“, war es fast surreal dass dieser selbstbewusste junge Mann plötzlich wimmerte.
„Hey, keine Sorge, ich werde mit ihr reden“, setzte ich mich zu ihm und fuhr mit meiner Hand über seinen Arm, den er cool über die Lehne gelegt hatte.
„Du kannst es versuchen, aber bis jetzt hat es noch keine von den Ladies geschafft“, erwiderte Rafferty der unangenehm berührt seine Arme vor der Brust verschränkte.
„Ich bin ziemlich gut darin. Willst du noch was Essen, ich hab was gekocht, was ich schnell aufwärmen könnte“, stand ich wieder auf und lächelte ihn an.
„Nein, ich würde nur gern schlafen. Chinese, hilfst du mir kurz beim Ausziehen, ich hab da so meine Schwierigkeiten“, bat Armagein, der schnell wieder seine Form gefunden hatte und stand auf.
„Ich werde dann mal schlafen gehen“, erwiderte ich und ging Richtung Schlafzimmer. Aber ich blieb kurz in der Tür stehen. So versteckt, dass mich die Männer nicht sahen. Im Haus hatte ich das Gerücht gehört, dass Armagein ein riesiges Kreuz von seinem Herzen bis zu seiner Leiste tätowiert hatte. Die Gerüchte waren war. Es war ein Prachtstück der Tätowierkunst, es brachte seinen Oberkörper wunderbar zur Geltung.
„Wenn du schon spannst, dann kannst du das auch hier machen, ich bin nicht schüchtern“, rief Armagein mir zu und ich rutschte beschämt am Türrahmen in Sichtweite.
„Ich wollt nur ein Gerücht prüfen“, entschuldigte ich mich und ging auf sie zu.
„Ach, das ist kein Gerücht, jeder der Ladies kennt mein Tattoo“, bemerkte Armagein selbstbewusst.
„Du hast mit allen?“, fragte ich verwirrt.
„Ja, klar. Deine Kleine ist echt ein bisschen naiv, Raff. Ich renn öfters als erwünscht oben ohne rum, daher kennen sie die Tätowierung. Willst du mal anfassen?“, fragte Armagein und ich fuhr langsam über das Kreuz.
„Hey Kleiner, guck nicht so eifersüchtig, meine Kleine fasst dich jeden Monat so an, wenn sie deine Henna erneuert. Ist übrigens mal wieder nötig“, deutete Armagein auf das immer schwächer werdende Henna meines Freundes auf dem Unterarm.
„Gut, dann gehen wir morgen beide zu ihr, dann kannst du mit ihr reden, während sie es erneuert. Hey, das reicht jetzt“, zog er meine Hand von Armageins Brust, die ich unabsichtlich immer noch darauf liegen hatte.
„Entschuldige, war in Gedanken. Ich geh duschen, Handtücher sind in dem Schrank da hinten. Gute Nacht“, ging ich nachdenklich zum Schlafzimmer.
„SayDe?“, fragte Armagein und ich sah auf.
„Ja?“
„Das Badezimmer ist auf der anderen Seite“, konterte er amüsiert.
„Ja, ist es, richtig. Gute Nacht“, huschte ich schnell zum Badezimmer.
„Du stehst auf Tattoos, oder?“, fragte Rafferty neben mir, als ich gerade eindöste.
„Wenn sie gut gemacht sind, ja. Aber ich hab auch nichts dagegen, wenn ein Mann keine hat. Er ist Katholik, oder?“, murmelte ich schläfrig.
„Nein, Moslem“, witzelte er.
„Ach ja, blöde Frage. Kannst du mir ein paar Tipps gehen, wie ich da morgen dran gehen soll?“, erkannte ich und drehte mich zu ihm um.
„Einen wunderbaren. Halt dich raus. Wir haben es alle schon versucht, wir sind alle daran gescheitert. Gut Nacht!“, legte er sich zum Schlafen hin.
„Wir werden morgen da hingehen, das ist mein letztes Wort“, bemerkte ich und danach tat ich so, als würde ich schlafen, bis er auch einschlief.
„Hey, wenn du in fünf Minuten nicht kommst, geh ich ohne dich“, rief Rafferty am nächsten Morgen ins Schlafzimmer.
„Untersteh dich, ich komme“, hüpfte ich einen Ballerina-Slipper anziehend in den Flur.
„Versprich mir, dass du aufhörst sie zu nerven, wenn sie nicht will“, bat er.
„Ja, vielleicht. Fahren wir mit der Maschine? Dann zieh’ ich meine dicke Jacke an“, fragte ich um vom Thema abzulenken.
„Ja, ich hab lang nicht mehr auf der Maschine gesessen“, zog er seine Motorradjacke an.
Taijse und Armagein wohnten in einem netten Drei-Zimmer Apartment in der Nähe des Krankenhauses. Ich sprang die Treppe dazu hoch, nahm zwei Treppenstufen auf ein Mal.
„Nicht so eilig, ich denk mal er ist von der Treppe runter gefallen“, bemerkte er und ich drehte mich vor der Tür um.„Das ist kein Kunststück, das Ding hat kein Geländer. Du hast Tai hoffentlich nicht vorgewarnt, dass wir kommen“, lehnte ich mich an die Tür.
„Ich hab sie angerufen, ich musste doch fragen, ob sie Zeit hat, sie hat schließlich einen Job“, kam er zu mir hoch.„Klasse, dann versuch ihr jetzt mal klar zu machen, dass wir nur wegen dem Henna hier sind“, war ich genervt.
„Sind wir doch auch, mein Schatz, sind wir doch auch“, bemerkte er rechthaberisch.
„Du bist so fies, das hast du mit Absicht gemacht“, erwiderte ich und er drückte mich gegen die Tür und küsste mich.Wir waren gerade in einer wilden Knutscherei gefangen, als das Fenster neben der Tür aufsprang und ein Taijse uns ansah.
„Hey, kommt rein, zwei erfrorene Leichen vor meiner Haustür kann ich meinem Vermieter sicher schwer erklären“, bat Taijse gereizt und schlug das Fenster wieder zu.
„Das hast du nun davon. Lass mich reden“, forderte ich und die Tür sprang auf.
„Hat der katholische Hurensohn nicht mal den Schneid allein anzutanzen, muss er seine amerikanischen Freunde anschleppen“, hörten wir eine rauchige Stimme von drinnen.
„Mutter, sei still, wir haben Gäste“, bat Taijse und führte uns rein.
Im Wohnzimmer saß eine Frau Anfang Sechzig in einer Rauchwolke, eine Zigarette in ihrem Lippenstift verschmierten Mund.
„Mrs. Boyd, ich hab Sie ewig nicht mehr gesehen“, begrüßte Rafferty die ältere Dame höflich.
„Der kleine Judenbengel, ist wirklich lang her. Hast du endlich einen anständigen Job?“, fragte Mrs. Boys unhöflich.„Ja Madam, ich arbeite jetzt in einer Bank. Wie geht es Ihrem werten Gatten?“, fragte er trotzdem weiter höflich.
„Er hat uns verlassen, vor zwei Jahren schon, deshalb bin ich jetzt hier in den Staaten“, erklärte sie und drückte ihre Zigarette aus.
„Mein herzliches Beileid, das hatte ich nicht gewusst. Wenn es im Moment ungünstig ist, dann kommen wir später noch ein Mal“, entschied Rafferty.
„Nein, meine Mutter wollte gerade gehen. Setz dich in die Küche, ich komme gleich zu dir. Willst du einen Kaffee, Bara?“, fragte Taijse und ihre Mutter stand auf.
„Überleg dir noch mal, was ich gesagt hab. Küsschen“, drückte Mrs. Boyd ihrer Tochter einen Lippenstiftkuss auf und ging.
„Das erklärt einiges. Kaffee wäre klasse“, setzte ich mich aufs Sofa, wo zuvor Mrs. Boyd gesessen hatte.
„Du arbeitest also bei einer Bank, wann ist denn das passiert?“, führte Taijse, Raff in die Küche.
„Ich werde mir selbst was holen, wenn ich darf. Also was ist das mit Andrew und dir?“, kam ich mit in die Küche und setzte mich falsch herum auf eine Holzstuhl.
„Bara!“, ermahnte er mich.
„Was, dafür sind wir doch da“, stand ich wieder auf und ging an den Kaffeeautomaten.
„Ich hab’s irgendwie gewusst, dass ihr ein Attentat auf mich vorhabt. Lass mich raten, er ist bei euch aufgeschlagen, schläft jetzt auf dem Sofa und säuft sich mit Bier voll?“, bemerkte sie und er zog sein T-Shirt aus.„So in etwa, also warum willst du ihn nicht heiraten?“, fragte ich direkt.
„Wüsste nicht, was dich das angeht, Say“, entschied sie und rührte ihr Henna an.
„Ist es wegen deiner Mutter? Das könnt ich verstehen“, entgegnete ich und sie rührte heftiger in der Schale.
„Süße, ich hab dir gesagt, wir halten uns da raus. Wir sollten vorher noch ein Peeling machen, dann hält es länger als letztes Mal“, bat er und sie nahm genervt noch eine Schale aus dem Schrank.
„Wir können es auch lassen, ist kein Problem“, wurde er unruhig.
„Nein, nein, ist schon gut, ich hab es dir versprochen. Hier hinten sind noch ein paar Reste, ich werde es vorher entfernen. War sein Arm gebrochen? Ich hab im Krankenhaus nicht mehr auf die Resultate gewartet“, versuchte sie mich zu ignorieren.
„Ja, war er. Lässt du dir alles von deiner Mutter vorschreiben?“, ließ ich nicht locker.
„Da muss ich mit einem Lösungsmittel ran, ist das okay?“, ignorierte sie mich völlig.
„Sicher, nur nicht so fest reiben. Deine Mutter lebt also jetzt hier, hast du sie rüber geholt?“, fragte Rafferty.
„Ja, auch so ein Fehler, den ich jetzt bereue. Aber ohne meinen Vater hat sie niemanden drüben. Sie hat noch den Kopf voller Belfast, und dieser Idiot will mich unbedingt jetzt heiraten. Vor fünf Jahren wollte ich es, da hat er nicht gewollt, fühlte sich nicht reif genug, aber seit meine Mutter hier rüber geschwappt ist, fragt er mich ständig. Nur, weil er es jetzt braucht. Könntest du bitte die Hennamaße noch weiter rühren, die wird sonst klumpig“, bat Taijse mich und ich tat es.
„Er ist ein lieber Kerl, das weißt du hoffentlich“, erkannte ich, als Taijse aufsetzte, um anzufangen, die Hennamaße aufzutragen. Wutentbrannt rammte sie denen Schönschreibfüller in seine Haut.
„Au, Bara, könntest du das lassen, solang sie so nah an meiner Haut ist?“, schrie er auf und ich sah ihn keiner Schuld bewusst an.
„Tut es noch weh?“, fragte ich beschämt, als wir mit dem Motorrad zurückfuhren.
„Ich hab jetzt einen Hennapunkt auf meinem Rücken, den ich nicht mehr weg bekomme“, murrte er schlecht gelaunt.
„Mir ist was eingefallen, wie wir diese Beziehung retten können“, bemerkte ich und rieb seine Schulter von hinten.„Viel Spaß, aber ohne mich“, entschied er trotzig.
„Aber ohne dich klappt es nicht“, handelte ich.
„Ist mir, verzeih mir meine Ausdrucksweise, wirklich scheißegal. Ich hab Schmerzen“, benahm er sich wie ein Riesenbaby.
„Du musst wirklich Schmerzen haben, wenn du dich für dein Fluchen rechtfertigen musst. Ich werde nachher zu einer Apotheke fahren und Alkohol kaufen. Wir könnten die Wunde auch mit ner Zigarette ausbrennen, denn das mach ich, wenn ich dich in den nächsten Wochen wieder mit einer Zigarette sehe. Ich hab dich heut Morgen durch das Badfenster gesehen, wir hatten über das Rauchen gesprochen“, sprach ich das heikle Thema Rauchen an.„Verdammt, ich bin Kettenraucher, ich kann nicht von einem Tag auf den anderen mit dem Rauchen aufhören“, zeterte er.
„Das hab ich nicht gesagt, du sollst nur so lang warten wie der Arzt gesagt hat, dass deine Lunge und dein Kehlkopf richtig verheilen können“, entschied ich rechthaberisch.
„Weißt du eigentlich, wie scharf mich das macht, wenn du so dominant bist?“, fragte er und sah mich an.
„Hey, guck auf die Straße. Und du machst mich schwach, wenn du so wehleidig bist. Der Club ist doch gleich einen Block weiter, lass uns da hin fahren“, fuhr ich mit meinen Händen, mit dem ich ihn umklammerte über seine Brust. Er gab Gas.
„Mist, immer noch Bretter davor, wie kommen wir jetzt rein?“, versuchte ich das Holz von der Tür zu reißen.
„Ich hab nen Trick, heimlich rein zu kommen, aber nicht verraten“, zog er mich zu einem Hintereingang.
„Der Club ist zu, ist jetzt eh’ egal“, erwiderte ich und er schraubte etwas an der Tür herum, bis sie aufsprang.
„Sollte ich schon letzten Herbst reparieren, war aber an dem Tag völlig groggy und so hab ich es gelassen. Wusste doch, dass mir das eines Tages einen Vorteil bringt. Vor allem bei einer so schönen Frau wie dir. Komm“, stemmte er die alte Hintertür auf und wir gingen rein.
„Ich kann nicht bis oben warten, lass uns hier bleiben“, bemerkte ich, als wir hinten dem Tresen waren.
„Mein Gott, ich denk ein Traum erfüllt sich gerade!“, zog er mich auf die Knie.
Wir waren gerade wild am herumknutschen, als jemand kräftig auf die Tischplatte klopfte.
„Hey, jemand da?“, fragte eine forsche Frauenstimme.Raff legte seine Hände auf meinen Mund, das ich schweigen sollte.
„Hallo, ich hab nicht den ganzen Tag Zeit, ist hier jemand?“, fragte die Stimme erneut.Eine Minute verging und sie sprach nicht. Wir hörten jemanden auf und ab gehen. Dann verhallten die Schritte.
„Hey Cowboy, ich seh’ deine Füße“, kickte sie an Raffertys Stiefel.
„Der Laden ist geschlossen“, rappelte er sich auf und ging zu der Frau. Ich zog schnell meine Beine ein, dass sie mich nicht auch noch sah.
„Mrs. Niedermeier, Sie sind das, ich wusste doch, ich kenn die Stimme irgendwo her. Sie suchen sicher Andrew, der Club ist geschlossen, er wohnt hier nicht mehr“, erklärte Rafferty höflich und wieder war ich überrascht über seine Höflichkeit gegenüber anderen Menschen.
„Mr. Talman, ich treffe immer auf Sie, man könnte fast denken, Sie wären Mr. Sullivans Privatsekretär. Also, wo ist er, wenn nicht hier?“, hörte ich sie sagen.
„Er wohnt zurzeit in der Chelsea Avenue bei meiner Freundin und mir. Ich schreib Ihnen die Adresse noch mal auf. Er hat aber einen Job, das hat er Ihnen hoffentlich gesagt“, versuchte Rafferty die Situation zu retten.
„Aber seine Künstlergenehmigung ist abgelaufen, daran kann auch das nichts ändern“, erklärte Mrs. Niedermeier ernst, aber verständnisvoll.
„Ja, das weiß ich, wir arbeiten daran“, erwiderte Rafferty und Mrs. Niedermeier ging noch ein paar Schritte zur Theke.
„Weiß Ihre Freundin was Sie hier treiben?“, fragte sie und sah hinter die Theke. Eine Frau mit unmodischer Brille sah mich an.
„Ja, das tue ich. Hi, ich bin Bara Randon, Andrew wohnt bei mir, vorübergehend. Sie sind von der Einwanderungsbehörde, richtig?“, fragte ich höflich, richtete meine Kleidung und stand auf.
„Richtig, bin ich. Also, ich werde jetzt zu der Adresse fahren und mit Mr. Sullivan besuchen, mal wieder. Dieser Fall geht mir langsam aber sicher auf die Nerven. Guten Tag“, zog sie den Zettel, den Rafferty auf den Tresen gelegt hatte herunter und ging wieder.
„Die schien ganz nett so nein, nach seiner Erzählung hatte ich die Supernanny erwartet“, schmunzelte ich und setzte mich auf den Tresen.
„Wie zum Henker ist sie hier rein gekommen?“, sah er zur vernagelten Tür.
Mir lief ein Schauer den Rücken hinunter so wie nach einer Folge Akte X.
„Die sind vermutlich wie Politessen, kommen aus dem Nichts. Ruf ihn an, dass er vorgewarnt ist“, bat ich und er griff nach dem Handy.
„Suzanne, hey ich bin es. Ja, ich hab Sehnsucht nach dir. In ein paar Minuten wird eine Tussi von der Einwanderungsbehörde bei dir aufschlagen, beschäftige sie ein bisschen, ja?“, rief er jemanden an, den ich nicht kannte.
„Suzanne?“, fragte ich und er hielt die Muschel zu.
„Taijse, wir haben alles Aliase“, erkannte er und telefonierte weiter.
„Suzee, ich nenn sie jetzt Suzee“, prustete ich los.
„Rahel soll die Klappe halten, soll ich dir ausrichten“, entgegnete er und mein Lächeln erstarb.
„Woher weiß sie meinen ersten Vornamen?“, fragte ich stotternd.
„Sie sagt, sie hat Kontakte zur CIA“, erklärte er trocken.
„Wirklich?“, fragte ich etwas einfältig.
„Nein, sie arbeitet auf der Geburtenstation und war neugierig im PC und Akten unterwegs“, erkannte er und ich grinste.
„Bleiben wir bei SayDe und Taijse, okay?“, ließ ich ausrichten.
„Geht klar. Also, du weißt, was zu tun ist. Danke, ich ruf dich wieder an“, legte sie auf.
„Warum schickst du Mrs. Niedermeier zu Taijse?“, wollte ich neugierig wissen.
„Das wirst du gleich sehen, lass uns fahren“, suchte er einen Spalt von innen und sah, dass die Tür aufging.
„Die Tür ist auf, wirklich seltsam“, entschied er und wir gingen wieder zum Motorrad.Als wir kurz vor meiner Wohnung waren, hörten wir wie jemand Glas zerschlug.
„Bitte sag mir nicht, dass er durch ein Fenster gesprungen ist, ich hab bis jetzt ein wunderbares Verhältnis zu meinem Vermieter“, hoffte ich und schloss auf.
„Du hast also ein Verhältnis mit dem Vermieter? Das erklärt einiges“, entgegnete er und ich stieß die Tür auf.
„Tja, ein Mann reicht mir halt nicht. Apropos Mann, wer hat die Maus hier rein gelassen?“, sah ich auf den Boden. Dort krabbelte Andrew herum, mit schlecht sitzender Kleidung und versuchte krampfhaft mit einer Hand Scherben von einem Glas aufzuheben.
„Andy, steh’ auf, ich mach das schon“, half Raff seinem Freund auf die Beine. Dieses Häufchen Elend was mir jetzt gegenüber stand, hatte nichts mehr von dem netten irischen Jungen den ich kannte.
„Mir ist das Glas herunter gefallen, es tut mir leid“, wimmerte er.
„Ist schon okay, man du hast dich geschnitten, komm ich mach das sauber“, erkannte Rafferty und führte ihn zur Spüle, weil Andrews Hand blutete.
„Was zum Henker war das? ich bin verwirrt“, standen wir an diesem Abend vor der Tür um uns in Ruhe zu unterhalten.
„Das ist die andere Seite von Andrew, nicht seine Beste“, erkannte er mysteriös.
„Ist er schizophren? Ich meine das müsste ich wissen“, sah ich ihn mit fragenden Augen an.
„Er ist kein Schizo, er ist nur sternhagelvoll“, konterte er und sah durch den Spalt in der Tür auf Andrew, der auf dem Sofa friedlich schlief.
„Er ist betrunken? Ich hab nichts gerochen“, fragte ich verwundert.
„Er hat auch keinen Alkohol getrunken“, bemerkte er immer noch geheimnisvoll und trieb mich damit in den Wahnsinn.
„Nimmt er Drogen? Ich dulde keine Drogen in meiner Wohnung“, riet ich weiter.
„Seine einzige Droge ist die Liebe, mein Schatz, die richtige wahre Liebe“, erkannte er.
„Er hat Liebeskummer? Das ist alles? Er wird vom Elefant zur Maus wegen der gottverdammten Liebe?“, fragte ich und sah auch zu ihm.
„Hast du jemals so geliebt, dass dein Herz bebt?“, fragte er.
„Klingt wie ein Song!“
„Ist nen Song, aber es ist ja nur ein Beispiel. Das du dich schlecht fühlst, nur wenn dein Liebster den Raum verlässt, das du fühlst, wenn es ihm schlecht geht, auch wenn er fern ist?“, suchte er nach Beispielen.
„Mein Gott, ist das bei ihnen die wahre Liebe? Diese Liebe, von dem Shakespeare geschrieben hat, so eine, die nicht mal Barbara Wood in Worte fassen kann?“, fragte ich und er nickte.
„Du bist echt geschaffen, für das Schreiben von Liebesliedern, du hast den richtigen Schmalz. So eine Liebe existiert nicht, mein Lieber, dafür gibt es Liebesfilme und Liebeslieder, ich hab Hunger, wir sollten was Essen und uns überlegen was wir mit Mrs. Niedermeier machen, wenn sie morgen wieder kommt“, bestritt ich die Tatsache, die er beschrieben hatte und ging wieder rein.
„Es ist der sechste Dezember, Schatz es ist der sechste Dezember“, rüttelte mich Rafferty am nächsten Morgen wach. Als ich die Augen aufschlug, hatte er mich an den Schultern gepackt.
„Santa Claus kommt aber nicht zu bösen Jungen die Mitbewohner und Geliebte wecken“, sah ich ihn mit halboffenen Augen an.
„Nein, verdammt ich hab ihn vergessen“, ließ er mich wieder ins Kissen fallen und ging nach draußen.
„Man, es ist ja noch dunkel draußen. Ich muss frühestens in vier Stunden im Büro sein. Was hast du vergessen?“, zog ich meinen Morgenmantel an und ging hinter ihm her.
„Den Geburtstag, ich hab den Geburtstag vergessen“, entgegnete er hektisch und wühlte in einem seiner Kisten herum, die er immer noch nicht ausgeräumt hatte.
„Sprich in ganzen Sätzen, Süßer, ich bin morgens nicht so zurechnungsfähig“, entschied ich und klemmte mich an meine Küchenzeile.
„Efran, ich hab seinen Geburtstag gestern vergessen“, zog er etwas aus dem Karton.
„Kann passieren, ist übel, kann aber passieren. Seit wann bist du wach? Du stehst doch sonst nicht vor Mittag auf“, entgegnete ich.
„Ich bin heut Morgen um drei Uhr aufgewacht und hab plötzlich dran gedacht. Man, der redet kein Wort mehr mit mir“, konterte er und setzte einen dieser Geburtstagstortenhüte auf.
„So schlimm wird es doch nicht sein, wie alt ist er denn geworden?“, fragte ich, versuchte ihn damit zu beruhigen.„Dreißig, ich hab diesen Tag jetzt schon seit Monaten geplant und dann verschlaf ich ihn einfach. Himmel, Arsch und Zwirn“, fluchte er und ging in der Küche auf und ab.
„Wie viel Kaffee hast du heut getrunken?“, sah ich seine weit aufgerissenen Augen.
„Die Kanne hatte ich vollgemacht“, deutete er auf die Kaffeemaschine. Der Kaffeekrug war leer.
„In diese Kanne passen 12 Tassen Kaffee. Das du noch nicht fliegst ist echt ein Wunder. Und was ist das?“, sah ich in die Kaffeetasse vor mir. Die war randvoll mit Kippen.
„Wenn ich denken muss, muss ich rauchen, entschuldige“, leerte er die Kaffeetasse in den Müllschlucker und machte ihn an.
„Toll, jetzt müssen wir noch zum Arzt fahren und nach deinem Kehlkopf gucken lassen. Deinem Panikanfall nach zu schließen, hat die Hirnerei nicht viel gebracht, oder?“, hielt ich mir die Hand vor den Kopf.
„Siehst du den Hut auf meinem Kopf, eine winzige Idee hatte ich doch schon. Ich fahr jetzt zu ihm und sing ihm ein Geburtstagsständchen“, erklärte er seinen Plan.
„Ja, du wirst ihm jetzt, um wart mal, 4:35 Uhr, mit so zittrigen Händen dass du keinen einzigen Riff triffst und mit einer Stimme wie die von Bonnie Tyler ein Ständchen singen. Klasse Idee, dann ist die Schmach gleich vergessen. Hier, zieh’ dir Turnschuhe an, lauf ein paar Kilometer, die frische Luft wird deinen Lungen gut tun und hoffentlich wirst du das Koffein in deinem Körper damit ein bisschen abbauen. Oh man, hier stinkt es vielleicht. Los“, drückte ich ihm seine Turnschuhe in der Hand und er zog sie an.
„Okay, ich geh’ dann“, entschied er zappelig und ging zur Tür.
„Schatz, warte“, ging ich zum ihm hin.
„Ach richtig, Kuss, bis gleich“, joggte er schon auf der Stelle und drückte mir einen Kuss auf.
„Bäh, als würde ich einen Aschenbecher auslecken. Nein, den“, zog ich ihm den Hut ab.
„Ich will dich nicht in der Psychiatrie abholen müssen. Jetzt lauf“, gab ich ihm einen Klatsch auf den Hintern und er joggte von dannen.
„Oh man, ich hoff der läuft mit seiner Dosis ein Mal um die ganze Stadt und lässt mich weiter schlafen“, erwiderte ich, ließ den Morgenmantel auf dem Boden fallen und kletterte wieder ins Bett.
Nur zwanzig Minuten später hörte ich Andrew in der Küche wimmern.
„Bin ich hier im Kindergarten, oder was?“, murmelte ich und stand wieder auf.
„Was?“, fragte ich genervt, als ich neben ihm stand.
„Es ist Santa Claus, ich hab ihr immer den Santa Claus gemacht an dem Tag“, schniefte er.
„Jetzt brauch ich erst mal einen Kaffee, Sekunde“, ging ich zur Kaffeemaschine. In der Kaffeekanne schwammen auch noch drei Zigaretten.
„Ich bin eindeutig viel zu nett, ganz eindeutig. Ich werde schnell zu Starbucks gehen und mir was holen, du willst sicher schwarz ohne Zucker passend zu deiner Stimmung, richtig?“, goss ich Wasser in die Kaffeekanne und stellte sie ins Spülbecken.
„Ich glaub nicht, dass die jetzt schon aufhaben“, hatte Andrew das Weinen beendet.
Halb dösend saß ich dann mit Klopapier als Filter in meiner Kaffeetasse auf der Terrasse meines Apartments und sah der Stadt zu, wie sie aufwachte. Ich hatte mich in zwei dicke Decken gewickelt und meine Nase erfror langsam.
Als ich mich zur Arbeit richtige, kam Rafferty zurück. Er hustete heftig.
„Da bist du ja, bist du wieder in unserer Sphäre?“, kam ich zu ihm.
„Mir geht es nicht gut“, keuchte er und ich zog seine Hand von seinem Mund. Er blutete aus dem Mund.
„Das seh ich. Siehst du es jetzt ein, dass du das Rauchen lassen musst? Ich hab heut ein wichtiges Meeting, ich kann dich nicht in die Notaufnahme fahren“, bemerkte ich kurz und griff zum Telefon.
„Emmett, hi, ich weiß du hast frei, es ist ein Notfall. Könntest du meinen Freund in die Notaufnahme fahren?“, fragte ich mit meiner größten Höflichkeit die ich an diesem Morgen aufbringen konnte.
„Ja, ich bin immer noch mit ihm zusammen und das ist ein großer Gefallen. Danke, du hast echt was gut bei mir. Schatz, leg dich aufs Sofa, hier ist ein Eimer, ich muss los. Ich hab dich lieb, aber das ist das Santa Claus Special Meeting, das darf ich nicht verpassen“, setzte ich ihn aufs Sofa und hielt ihm den Mülleimer hin.
„Das ist nicht dein Ernst“, konterte er.
„Tut mir leid, ich kann kaum Tai anrufen, dann springt mir Andy aus dem Fenster, fürchte ich. Bye“, eilte ich nach draußen. Ich kam nur bis zum Fahrstuhl.
„Nicht husten, Schatz, du wirst nicht ersticken“, saß ich eine Stunde spät mit meinem Freund auf einem Krankenbett und wartete auf einen Arzt.
„Verdammt, mein Freund spuckt Blut, kommt jetzt endlich mal jemand?“, rief ich und der Vorhang wurde aufgerissen.
„Entschuldigung, ich hatte einen Notfall“, kam ein Arzt, er war nicht älter als Raff, zu uns.
„Mein Freund spuckt Blut, das ist wohl auch ein Notfall. Er hatte einen Kehlkopfriss mit Entzündung vor ein paar Wochen, ich konnte ihn aber nicht vom Rauchen fern halten. Sie sind nen Mann, sie kennen das. Schatz, meine Chefin simst mir schon zum zehnten Mal, ich muss jetzt wirklich, ich hab Henry angerufen, er wird jeden Moment da sein. Mir nicht böse sein“, konterte ich und stand vom Bett auf.
„Du kannst die Arbeit doch nicht über unsere Beziehung stellen“, konterte er und bekam wieder einen Hustenanfall.„Wenn ich auch bald den ganzen Tag zu Hause bin, ist das auch nicht ideal für unsere Beziehung. Ich hab dich lieb, aber ich muss wirklich“, ging ich aus der Notaufnahme und diesmal blieb ich bei meinem Standpunkt und ging zur Arbeit.
Es wurde spät an diesem Tag, als ich nach Hause fuhr, war ich einer der einzigen auf der Straße. Meinen Job hatte ich noch, meine Chefin war aber nicht begeistert gewesen. Ich fuhr in einen Parkplatz und klappte meine Sonnenblende herunter. Ein müdes Gesicht sah mich an. Meine Haare wurden wieder länger, sie lockten sich was irgendwie süß aussah. Ich kramte einen Haarreifen aus dem Handschuhfach und machte meine Haare zurück.
Als ich in mein dunkles Apartment kam, ging meine Lampe am Sofa an und das erschreckte mich furchtbar.„Morgen, du hast zwei Männer zu Hause und bist trotzdem die ganze Nacht unterwegs. So Nimmersatt kenn ich dich gar nicht“, saß Emmett breitbeinig auf meinem Sofa.
„Hast du auf mich gewartet?“, fragte ich und rieb meine Augen.
„Ich hab heut Abend deinen Freund aus dem Krankenhaus nach Hause gebracht, den Männern was zu essen gemacht und danach war ich zu faul um noch nach Hause zu fahren. Muss ich jetzt gehen?“, fragte er vorwurfsvoll und stand auf.
„Du bist ein Engel, aber das weißt du. Entschuldige, war ein ewig langer Tag. Ich hasse diese Zeit, ich mach ewig Überstunden. Bleibe ruhig hier, warte Mal, wo ist Andrew?“
„Der depressive Blonde schläft neben deinem Freund im deinem Bett. Hast du noch Hunger?“, fragte er.
„Nein, ich will nur noch schlafen. Ziehst du mir die Schuhe aus?“, legte ich mich auf mein großes Sofa.
„Sicher, stört es dich, wenn ich auch hier liege?“, fragte er.
„Nein, wir sind beide erwachsen. Gute Nacht“, war ich schon fast eingeschlafen, als er mir die Schuhe auszog.
„Du musst nur so viel arbeiten, weil du einfach zu nett bist. Weißt du eigentlich, was für eine schöne Frau du bist?“, strich er mit der Hand über mein Gesicht. Es hatte mal eine Zeit gegeben, da hätte ich diese Worte gehofft von ihm zu hören, doch diese Zeit war vorbei.Ich hielt seine Hand mit geschlossen Augen fest.
„Lass das ja, wir hatten doch darüber gesprochen“, murmelte ich schläfrig und setzte mich wieder auf.
„Es ist so furchtbar schwer, dich zu lieben und ein kaltes Herz zu fühlen“, erwiderte er und setzte sich eng neben mich.
„Du weißt, dass ich dich liebe, aber nicht so, wie du das willst“, erkannte ich und spürte seine sanften Lippen auf meinen.Ich zog ruckartig meinen Kopf zurück.
„Gute Nacht Emmett, ich denke du solltest jetzt gehen“, bat ich peinlich berührt und er stand auf.
„So einfach geb ich dich nicht auf, Kleines“, bemerkte er, nahm seine Jacke und verließ die Wohnung.
„Tja, ich wollt ja ein aufregendes Leben, das hab ich nun davon“, legte ich meinen Kopf wieder aufs Sofa und schlief ein.
„SayDe, die Sonne lacht, aufstehen“, weckte mich ein munterer Andrew am nächsten Morgen.
„Wie kann man am frühen Morgen schon so munter sein. Andrew? Hast du in meinem Medikamentenschrank gewühlt und die Antidepressiva gefunden?“, war ich überrascht, als er mich anlächelte.
„Mir geht es nur besser, das ist alles. Dein Capulet schläft noch, schon ne ganze Weile. Du übrigens auch. Musst du heut nicht arbeiten?“, reichte er mir einen Kaffee.
„Erst gegen später, ich war gestern noch lang im Büro. Hast du schon gefrühstückt?“, fragte ich und setzte mich auf.
„Nein, aber ich hab zu Mittag gegessen. Es ist halb drei“, erwiderte er und ich blinzelte in die Sonne.
„Halb drei, sagtest du halb drei? Halb drei Uhr mittags?“, fragte ich und sah auf die Uhr.
„Um halb drei Uhr nachts wär es kaum hell, oder? Geht’s dir irgendwie nicht gut?“, entgegnete er und ich fuhr durch meine Haare und zog so meinen Haarreifen aus.
„Nein, war nur ein langer Tag gestern. Ich werde mal zu meinem Freund gehen, ist seltsam, dass er immer noch schläft“, bemerkte ich nachdenklich und stand schwerfällig auf.
„Ist wirklich alles in Ordnung bei dir?“, fragte er erneut.
„Ja, mir geht’s besser verdammt, hab ich doch gesagt. Man, kannst du nicht mal wieder deprimiert sein, du gehst mir langsam echt auf den Keks“, grummelte ich und trank meinen Kaffee leer.
„A ghràidh ! Du bist wirklich mies drauf heute. Auf dem Tisch stehen Bagels und ich hab Sauerrahm angerührt, steht im Kühlschrank. Ich werde jetzt nach Hause gehen, danke für deine Hilfe“, schulterte er seine Tasche und ging.
„Äh, danke“, bemerkte ich verdattert und ging ins Schlafzimmer. Ich stellte meine Tasse auf meinen Nachttisch und kuschelte mich an meinen Freund. Er atmete schwer und es rasselte in seiner Brust.
„Mein Süßer, was mach ich nur mit dir? Ich bin so müde, ich könnte den ganzen Tag schlafen“, redete ich mit meinem Freund, der mich gar nicht wahrnahm. Ich fuhr über sein Gesicht. Sein Bart war echt ätzend. Ich mochte Männer mit Bart nicht. Plötzlich kam mir eine Idee. Auf leisen Sohlen ging ich ins Badezimmer um sein Rasierzeug zu holen. Als ich das Handtuch nahm, das auf der Ablage lag, zog ich damit etwas herunter.Ich bückte mich danach. Es waren alte Schmerzmittel, die ich mal nach einer Weisheitszahn-Operation bekommen hatte. Schwach erinnerte ich mich daran, wie mich diese Pillen ins Nirvana versetzt hatten. Ich zog einen Streifen aus der Packung. Er war leer. Ich hatte höchstens zwei genommen damals, nach den Erfahrungen.
„Nein, das hast du nicht gemacht“, hoffte ich und rannte zu ihm.
„Schatz, wach auf, bitte wach auf“, rüttelte ich ihn wach.
„Ist das die Rache dafür, dass ich dich gestern so früh geweckt habe?“, murmelte er schlaftrunken und blinzelte.„Gott sei Dank, dir geht’s gut. Was hast du gemacht?“, drückte ich ihn an mich.
„Bis vor fünf Minuten noch geschlafen. Alles klar bei dir?“, wunderte er sich und sah mich mit glasigen Augen an.„Wie viele Tabletten hast du genommen?“, fragte ich und wedelte mit dem leeren Medikamentenstreifen.
„Keine, die wollten mir im Krankenhaus welche geben, aber ich wollte nicht. Was ist überhaupt los?“, stützte er sich auf seine Ellenbogen.
„Du hast die Schmerztabletten geschluckt, gib es doch zu, dann können wir sofort ins Krankenhaus fahren ohne Diskussion“, bat ich und er sah mich verwundert an.
„Oh Gott, Andy hat sie genommen“, verstand ich plötzlich, rappelte mich auf und eilte zur Tür. Ich las ihn erst auf der Straße auf.
„Gib sie mir“, hielt ich ihn fest.
„Die Bagels stehen auf der Ablage, hab ich dir doch gesagt. Mädchen, was schnaufst du so?“, sah mich auch Andrew mit skeptischen Augen an.
„Deshalb tust du so, als wärst du gut drauf, dass ich nicht dahinter steige, was du vorhast. Dass du dir das Leben nehmen willst mit Schmerztabletten“, keuchte ich und stützte mich auf meine Knie.
„Selbstmord? Kleines ich bin Katholik, Katholiken essen Abendessen mit Luzifer persönlich wenn sie sich selbst töten. Mir geht’s wirklich besser“, versprach er.
„Ach richtig, Katholik mein Fehler. Aber irgendjemand hat die Pillen leer gemacht“, erkannte ich.
„Wenn du die Schmerztabletten meinst, die hat dein kleiner Computerfreak klein gemacht und Raff nach und nach untergejubelt, dass er die Klappe hält. Er hat Hamlets Sterbeszene in allen Akten im Schlafzimmer aufgeführt, mich hat er auch ganz schön genervt“, erklärte er und ich ließ ihn los.
„Ich muss telefonieren. Grüß Tai von mir, bye“, ging ich in den Hauseingang und griff nach meinem Handy, das ich vorsichtshalber mitgenommen hatte.
„Emmett Lucius Calente, was zum Henker hast du dir dabei gedacht?“, schrie ich in den Telefonhörer.
„Ach, ist die Prinzessin auf der Erbse wieder aufgewacht? Na Gott sei Dank, ich hab schon befürchtet, dass das schief geht. Und wie geht’s ihm?“, fragte Emmett auf der anderen Seite der Leitung schadenfroh.
„Du hast meinem Freund Schmerztabletten untergejubelt um Ruhe zu haben? Ich glaub bei dir tickt es wohl nicht ganz richtig“, war ich stocksauer.
„Wenn du zu Hause gewesen wärst, hättest du das auch getan, so wie der sich aufgeführt hat. Du bist doch nur noch wegen gestern sauer“, entgegnete er.
„Ich werde jetzt auflegen, bevor ich irgendwas Falsches sage. Bye“, legte ich zähneknirschend wieder auf.
Ein Motorrad bremste vor der Tür. Die Tür wurde aufgerissen und ein bekannter Kerl in Lederkleidung stand neben mir.
„Wo ist er?“, fragte Bale und schmiss die Tür zu.
„Andy ist schon weg, warum bist du so mies drauf?“, fragte ich und steckte mein Handy in die hintere Hosentasche.„Andy? Dieser irische Mistkerl kann mir gestohlen bleiben. Ich meine meinen Bruder. Dieses Theater hat endgültig ein Ende“, erklärte er trocken.
„Muss ich verstehen, was du willst?“, war ich verwirrt.
„Du kleine Schlange weißt natürlich wieder nicht, um was es geht. Ist er oben?“, zischte er.
„Ja, ist er. Jetzt sag schon, was los ist“, lief ich ihm hinterher, als er die Treppe hoch eilte.
„Tu nicht so unschuldig, der irische Mistkerl hat mich darüber informiert, wie du meinen Bruder hintergehst“, war er in meinem Stock angekommen.
„Oh man, er hat’s gesehen“, realisierte ich, was er meinte.
„Oh ja, er hat’s gesehen. Wie konntest du nur?“, machte er mir Vorwürfe.
„Es ist ganz anders, als du denkst“, versuchte ich mich zu verteidigen.
„Oh man, ich dachte du wärst eine treue Frau, als du so ausgerastet bist, nach dem Vorfall mit dem gefakten Groupie. Ich bin wohl noch nicht alt genug um alles erlebt zu haben. Ich werde ihn zu mir nehmen, er muss die Wahrheit ja nicht erfahren“, zog er mich unsanft weiter.
„Das ist alles ein Missverständnis“, erwiderte ich.
„Missverständnis, ach ja, hat meine Frau auch gesagt, als ich sie mit Tanner erwischt habe. Wo ist deine Wohnung?“, suchte er.
„Au, du tust mir weh, ich bin nicht deine Frau, interpretiere da nichts rein. Ich hab ihn nicht betrogen“, erklärte ich und riss mich los.
„Andy hat euch gesehen, wir ihr unter dem Sofa verschwunden seit“, erklärte er und wir waren an der Tür angekommen.
„Er sollte nächstes Mal besser hinsehen, wenn er mich bei Privatgesprächen beobachtet. Er hat mich geküsst, was ich abgewehrt habe, weil ich deinen Bruder sehr gern habe und ihm nicht wehtun will und er ist dann gegangen. Das ist alles. Ich bin eine treue Frau, denn ich hasse Untreue“, schloss ich die Tür auf, in dem noch der Schlüssel hing.„Süßer, dein Bruder ist zu Besuch, bist du fit genug zum Reden?“, rief ich in die Wohnung.
„Bei meinem Bruder immer. Komm rein, Henry“, rief er mit krächzender Stimme.
„Ich werde es ihm sagen, also kein Wort“, griff ich jetzt seinen Arm und er nickte verständnisvoll.
„Hi kleiner Bruder, ich nehm dich mit nach Hause“, lud er ihn einfach auf die Schulter und ging zum Ausgang.
„Henry, hast du den Verstand verloren, was soll das?“, versuchte sich Rafferty von ihm zu befreien, doch mein Freund war ein Mick Jagger Typ und sein Bruder glich The Rock. Er zappelte umsonst.
„Die kleine Schlampe hat dich betrogen, hier kannst du nicht mehr bleiben. Decke“, streckte er mir seine große Hand entgegen.
„Lässt du mich bitte runter, ich hab nur Boxershorts an“, bat er mit bitterernstem Ton und er lud ihn ab.
„Ist das wahr?“, fragte er mich und ich sah ihm direkt ins Gesicht.
„Nein, ich bin dir absolut treu geblieben“, erkannte ich.
„Ich hab dich für eine bessere Lügnerin gehalten. Mein Bruder würde mich in dieser Angelegenheit nicht anlügen, das hat er mir geschworen. Die Kisten da im Eck sind meine, ich werde mich anziehen gehen“, sprach er mit einer monotonen Stimme die mir Angst machte.
„Wenn du denkst, dass ich das habe, muss das wohl stimmen. Nehmt mit, was ihr tragen könnt, den Rest bring ich euch dann“, entschied ich gefühlskalt, aber ich fühlte wie mir Tränen die Backen runter liefen.
„Ich werde nachher noch mal vorbeikommen. Bist du fertig?“, fragte Bale und Rafferty zog einen Pullover an.
„Ja, wir können gehen. Ich bin nicht sauer auf dich, nur enttäuscht. Es war eine schöne Zeit mit dir, schade, dass sie vorbei ist. Danke für alles, was du für mich getan hast“, küsste er meine Stirn und ich spürte das auch er weinte.„Gern geschehen. Alles Gute für die Zukunft“, schniefte ich und ließ ihn einfach gehen.
Die nächsten Tage weinte ich viel. Ich verbrachte viel Zeit auf der Toilette im Büro, weil ich die Menschen nicht aushielt. Mit meinem besten Freund konnte ich nicht über meine Probleme sprechen und meine beste Freundin war auf einer Fortbildung und so nicht in der Stadt.
„Ich will keine Lehrstunde, ich will nur reden“, stand ich an einem Donnerstag im Dezember vor der Haustür meiner Mutter.
„Gut, ich hab Kekse gemacht“, ließ sie mich rein.
„Du hattest doch viele Liebhaber, bevor du Dad kennen gelernt hast, oder?“, fragte ich, als wir bei Kaffee und Keksen im Wohnzimmer saßen.
„Schieb jetzt nicht mir die Schuld in die Schuhe das ist nicht vererblich, obwohl deine Grandma und dein Granpa nicht verheiratet waren. Von beiden Seiten. Lange Geschichte“, erklärte sie.
„Nein, das meinte ich nicht. Deine Y-Phase, die hattest doch ne ganze Weile angedauert“, erkannte ich.
„Ja und dann bin ich bei Harold hängen geblieben. Du wirst ihn auch finden, ganz sicher“, versprach meine Mutter und tätschelte meine Hand.
„Ich dachte, ich hätte ihn gefunden. Oh man, ich fang schon wieder an zu flennen, das geht schon seit Tagen so, ich weiß auch nicht“, brach ich schon wieder in Tränen aus.
„Bist du etwa schwanger?“
„Nein Mum, ich bin nicht schwanger. Nur so traurig. Ich glaub, ich muss wieder eine Therapie machen“, stellte ich fest und schnäuzte in die Serviette vor mir.
„Nein, du bist inzwischen stark genug das ohne auszuhalten. Ich werde dir helfen. Magst du noch ein Glas Milch?“, fragte meine Mutter und ging in die Küche. Ein Motorrad raste am Haus vorbei und ich sah ihm hinterher.
3 Tage vor dem Weihnachtsabend betrachtete ich mich im Spiegel. Meine Haare waren jetzt kinnlang und standen in alle Himmelsrichtungen. Höchste Zeit dort einen Style rein zubringen.
„Keine Sorge, es geht nur um Geschäftliches. Ich brauch noch einen Frisörtermin bis Weihnachten. Kannst du mich rein quetschen?“, rief ich Bale an.
„Nein, ich bin voll belegt, aber ich kann dir den Namen des zweitbesten Frisörs der Stadt geben“, konterte Bale schroff.
„Danke, also schieß los“, war ich auch nicht gerade nett und bekam einen Friseursalon gesagt.
Der Frisörsalon in den ich am Abend drauf ging, sah schon von draußen teuer aus. Irgendwie hatte ich das schon gewusst, ich hoffte nur, genug Geld dabei zu haben.Das Klingeln der Eingangsglocke lockte sofort einen Frisör an, der hektisch um mich herum wuselte.
„Miss Randon, nehm ich an. Schön schön. Setzen Sie sich, ich bring Ihnen einen Kaffee, Sie wollen doch einen Kaffee, oder?“, plapperte der kleine Mann und drückte mich auf einen Frisierstuhl.
„Mit Milch, zwei Stück Zucker, danke“, erklärte ich konfus und schon war er wieder verschwunden.
„Hier bitte, David wird Sie heute schneiden. Dave, kusch nach draußen“, hängte er mir ein Cutpad um und war schon wieder weg.
„Danke, also ich hatte mir vorgestellt so einen Bob mit Pony, aber vielleicht ist das gar nicht mehr in, ich bräuchte Ihren Rat“, blätterte ich in einer Zeitschrift herum. Als ich aufsah, sah ich durch den Spiegel, das Rafferty hinter mir stand.
„Hey, was machst du hier?“, fragte ich überrascht.Rafferty rückte seinen Schneidegürtel nach vorne.
„Arbeiten, ich kann auch einen Kollegen holen, wenn dir das unangenehm ist“, entschied er gefühlskalt.
„Nein, alles bestens. Du bist Sänger, dachte ich eigentlich“, bemerkte ich und legte die Zeitschrift weg.
„Sänger ist kein Beruf, höchstens Berufung. Bale hat mich zum Frisör ausgebildet. Jetzt bist du platt, ja ich hab jetzt einen anständigen Job, dieses Musikding, dafür bin ich jetzt wohl zu alt. Ein Bob ist topmodisch, aber du bist kein Typ für einen Pony mit deinem jungen Gesicht. Soll ich die Haare vorher waschen?“, fragte er und ich nickte.
„Wie läuft es bei der Arbeit?“, fragte er.
„Du willst nicht wirklich wissen, wie die Arbeit läuft?“, entgegnete ich und tat meinen Kopf in das Waschbecken.„Triffst du dich noch mit ihm, ich meine mit diesem Kerl?“, fragte er etwas abweisend.
„Nein, ich hab ihn nicht mehr getroffen. Das war alles nicht so, wie, weißt du was, es war so. Ist mir doch egal. Schneidest du jetzt endlich?“, fragte ich genervt und er tat Shampoo in seine Handfläche.
„Sofort, willst du Musik hören?“, reichte er mir einen Mp3-Player.
„Ja, danke“, stöpselte ich die Musik ein und schloss die Augen.
„Du hast also einfach auf stur geschaltet und ihn ignoriert. So viel Courage kannst nur du aufbringen. Die Frisur ist genial, der Trottel hat wohl doch Talent“, standen Priscilla und ich am Weihnachtsabend vor dem Haus meiner Eltern.„Danke, er ist auch ein guter Sänger, du solltest ihn mal singen hören. Könnten wir über was anderes reden, das vermiest mir echt die Stimmung“, fuhr ich mit meiner Hand durch den Mistelzweig, der über der Tür baumelte.
„Es tut mir so leid, dass ich in der Zeit nicht bei dir war, vor allem, weil du niemanden zum reden hattest“, erklärte Priscilla.
„Ich hatte meine Mutter“, warf ich ein.
„Tatsächlich? Du hast mit deiner Mutter darüber reden können? Das ist wundervoll“, freute sich Priscilla und klopfte.„Ich fürchte nur, dass sie das Thema jetzt zwanghaft nicht anzuschneiden versucht und mir damit zeigt, dass sie eigentlich darüber reden will. Das wird ein sehr verkrampfter Abend. Ich hab die Geschenke im Auto vergessen, merk ich grad, geh’ du schon mal vor, ich komm gleich“, entschied ich und ging zurück zum Wagen, den ich etwas weiter weg geparkt hatte.
„Hi“, kam ein Mann aus dem Schatten und ich schreckte zusammen.
„Verdammt, erschreck mich nie wieder so“, legte ich erschreckt meine Hände auf die Motorhaube.
„Ich bin nicht aus der Hecke gesprungen, kann es sein, dass du etwas schreckhaft bist?“, fragte mich Emmett, der ins Licht trat.
„Wenn Männer mir in dunklen Gassen entgegenkommen schon ein bisschen. Was machst du hier?“
„Sieben Uhr bei deinen Eltern, du hattest mich schon vor Monaten eingeladen“, erklärte Emmett.
„Und du glaubst nicht, dass diese ganze Situation jetzt eine andere ist, nach allem, was passiert ist?“, fragte ich schroff.
„Du hast immer noch keine Gefühle für mich, ich steh’ immer noch auf dich, die Situation ist die gleiche wie vor sechs Monaten, als du mich darum gebeten hast, mitzukommen. Und wenn deine Mutter nur eine halb so gute Preiselbeer-Soße macht, wie du, ist das wesentlich besser als eine Flasche Bourbone und eine Wiederholung von
"Ist das Leben ist schön?"“, erklärte er und lächelte.
„Mein Freund hat wegen dir mit mir Schluss gemacht“, war mir nicht zumute ihn zurückanzulächeln.
„Tut mir leid, das wollte ich nicht“, versteinerte seine Miene wieder.
„Doch, das wolltest du, das war genau dein Plan. Doch ich werde trotzdem nicht mit dir ausgehen, wir sind zwar keine Freunde mehr und können so keine Freundschaft zerstören, aber es ist einfach zu viel passiert. Du hast meinem Freund Medikamente gegeben, dass er die Klappe hält, das schlägt dem Fass wirklich den Boden aus“, ging ich verbal alle Dinge durch, die mich gerade ankotzten.
„Nein, das war ich nicht, ich hab das damals nur gesagt, weil du eh’ sauer auf mich warst. Verdammt, wenn ich hier noch länger stehe, müssen sie mir die Zehen amputieren. Können wir das nicht drinnen besprechen?“, bat er und wir gingen bis zur Tür.
„Es wär vielleicht besser, wenn du jetzt gehst. Meine Mutter hat eingeplant, das Priscilla mitkommt, sie hat sicher nicht genug zum Essen da“, wollte ich ihn abwimmeln.
„Ich hab heut Morgen deine Mutter angerufen, um zu fragen ob sie noch was braucht, sie weiß, dass ich komme“, ging er zwei Treppenstufen hoch.
„Ganz toll, wirklich ganz toll“, sprach ich mit mir selbst und klopfte auch gegen die Tür.
„Emmett, da bist du ja, schön du hast meine Tochter gefunden, hast du an die Ersatzbirne für die Lichterkette gedacht?“, begrüßte meine Mutter, Emmett freundlich.
„Sicher, ich werde sie gleich reparieren. Mrs. Randon rieche ich da Ihre wundervolle Preiselbeer-Soße?“, begrüßte er meine Mutter höflich und wir gingen rein.
Das ganze Essen musste ich an Rafferty denken. Oder an David, wie er sich jetzt nannte. Wie konnte das alles so schief laufen, ich hätte mit ihm Hanukah feiern sollen, hätte vielleicht Bales Tochter getroffen, hätte den Weihnachtsmorgen in seinen Armen und nicht in meinem alten Kinderbett verbracht.
„Was meinst du dazu, dass wir mal ein Wochenende zum Skifahren fahren, so wie wir es früher gemacht haben“, sprach Emmett mich an.
„Eher esse ich einen Kuhfladen“, murmelte ich in meine Serviette, mit der ich meinen Mund abwischte.
„Was meintest du?“, fragte Emmett, der mich nicht verstanden hatte.
„Das wäre wundervoll, wie in alten Zeiten“, tat ich, als wäre das eine tolle Idee.
„Wir können es auch lassen. Können wir uns mal draußen unterhalten?“, spürte er mein Missfallen und bat mich nach draußen.
„Was soll das, warum bist du so garstig“, zischte er mich an.
„Die Tatsache, dass das das Fest der Liebe ist, bedeutet nicht, dass ich mich so dir gegenüber verhalten muss. Ich bin sauer, auf mich, weil ich das zugelassen habe, dass du alles zerstört hast, was ich mir wie ein Puzzle erstellt hatte. Einen guten Job, einen Freund der mich liebt und meine besten Freunde, die sich verdammt noch mal nicht in mich verlieben sollen“, begann ich schon wieder zu flennen, was langsam echt lästig wurde.
„Ich kann nichts für meine Gefühle, so wie du nichts dafür kannst, das du keine hast“, entschied er und drückte mich an sich.
„Ich werde weiter dein bester Freund sein, eine Frau heiraten, die ich zwar äußerlich zwar ansprechend finde, aber nicht lieben werde, ich lasse mich nach zehn Jahren von ihr scheiden und werde einsam und allein im Bett sterben. Das ist doch das Schicksal einer unerwiderten Liebe, oder?“, fragte er und ich sah ihn an.
„Du würdest das für mich tun? Das ist so nett“, freute ich mich, meinen besten Freund nicht völlig verloren zu haben und drückte ihn noch mal.
„Nein, das sollte nicht so ablaufen, du solltest mir schon längst verfallen sein“, schüttelte er den Kopf.
„Von wem hast du denn diese Flausen ins Ohr gesetzt, dass das klappen sollte?“, schmunzelte ich und löste mich von ihm.
„Gismo“, erklärte Emmett und lehnte sich an das Geländer.
„Gismo? Du hörst auf Gismo? Der isst Cornflakes aus der Schüssel seines Hundes“, entschied ich und lehnte mich neben ihn ans Geländer.
„Sein Hund ist seit zehn Jahren tot, die Schale war brandneu“, konterte er.
„Er isst also Cornflakes aus der Schüssel seines toten Hundes, das ist noch viel widerlicher. Richte ihm aus, das funktioniert nur bei Frauen, deren Absatzhöhe ihren IQ in Einheiten widerspiegelen, nicht bei mir. Lass uns wieder reingehen, wir verteilen gleich die Geschenke“, fröstelte ich und wir gingen wieder rein.
20 Minuten später standen wir schon wieder draußen.
„Hey, ich wollte dir dein Geschenk nicht vor den anderen geben. Hier“, reichte er mir einen Umschlag.
„Einen Geschenkgutschein. Also einfallsreich bist du wirklich nicht“, entgegnete ich schmunzelnd.
„Das wird dir besser gefallen“, erwiderte er geheimnisvoll.
„Geld wär nicht schlecht“, entgegnete ich und machte ihn auf. Es war ein gefalteter Scheck.
„Ich schlaf auch nicht mit dir, wenn du mich bestichst“, witzelte ich.
„Sieh schon rein, man“, grummelte er. Ich zählte die Nullen hinter dem Punkt.
„Em, das sind 20.000 Dollar“, war ich fassungslos.
„Ich weiß, ich hab es geschrieben. Für den Club, den du aufmachen willst. Es wird nicht reichen, aber das nötigste kannst du dir damit kaufen. Tut mir leid, ich hab in deinen Sachen gewühlt und die Antragsformulare gefunden“, erklärte er.
„Meine Güte, hast du dir das Datum auf diesen Formularen angesehen? Den Plan hatte ich schon vor drei Jahren“, stellte ich klar. Ich hatte gar nicht mehr an diesen Traum gedacht, ich hatte ihn verworfen, weil es mir nicht erreichbar schien. Ich war ein großer Fan von Coyote Ugly und wollte eigentlich so was Ähnliches in Memphis aufbauen.
„Das kann ich nicht annehmen, das waren die Träume eines Kindes. Ich bin jetzt erwachsen, ich hab eingesehen, dass das Schwachsinn ist“, überlegte ich laut.
„Wieso? Du verdienst jetzt gut, du kannst noch einen Kredit aufnehmen. Das Murphys steht immer noch frei“, plante er für mich.
„Woher weißt du, dass ich darüber nachgedacht hab, den Club weiter zu führen?“, war ich jetzt total aus dem Häuschen.
„Ich kenn dich halt. Und der Besitzer des Clubs hat dich an dem Abend angerufen, als du mich rausgeschmissen hast. Der Anrufbeantworter ist drangegangen. 50.000 Dollar für einen Club mit Zimmern ist ein gutes Angebot“, erklärte er.
„Ich werde einen Club aufmachen“, realisierte ich.
„Ich will Teilhaber werden, das wollt ich damit sagen“, erkannte er.
„Also dieses Geschenk ist nur geschäftlicher Natur“, war ich enttäuscht.
„Ja, das schon, aber dies hier ist persönlich“, erwiderte er und zog noch ein Kästchen heraus.
„Das ist hoffentlich kein Verlobungsring“, hoffte ich.
„Du und deine Bindungsängste. Nein, ist ne Kette“, murmelte er etwas missmutig und reichte es mir.
„Eine mit einem Kreuzanhänger, danke, ich sammle Kreuzketten“, war ich positiv überrascht.
„Ich weiß, häng sie doch um“, bemerkte er.
„Ja, sicher, hilfst du mir“, bat ich und zog meinen Schal aus.
„Sie ist wunderschön, genau wie du“, säuselte er und ich küsste ihn.
„Für was war der denn?“, war er überrascht.
„Mistelzweig, wir stehen darunter“, erwiderte ich und legte meine Arme um seinen Hals.
„Lass uns zu mir fahren, ich will dich heute Nacht“, flüsterte ich in sein Ohr und er zog mich weg.
„Ich glaub kaum, dass ich das tue“, bemerkte ich schnaufend.
„Wenn das ein Traum ist, weck mich nicht auf, ja“, küsste er meinen Nacken weiter.
Plötzlich fiel mir etwas ins Auge. Raffertys Block lag noch auf dem Nachttisch.
Bevor ich es sagen wollte, hörte ich es ihn schon sagen.
„Nein“, kniete er hin.
„Nein?“, war ich überrascht das zu hören.
„Wir können das nicht tun, ich kann nicht“, entgegnete er und setzte sich neben mich.
„Du kannst nicht, hey kein Problem, kann passieren“, setzte ich mich neben ihn.
„Nein, nicht das. Wir können nicht miteinander schlafen. Weil du ihn liebst, nicht mich“, realisierte er und nahm den Block in die Hand.
„Es tut mir leid, ich wollte es wirklich probieren“, war meine Stimmung auf dem Gefrierpunkt.
„Dein Herz weiß eben, was richtig ist. Du hast übrigens eine schöne Frisur“, versuchte er das Thema zu wechseln.„Hat er geschnitten“, konterte ich kurz.
„Ah, er hat also doch Talent“, entgegnete er.
„Hat Priscilla auch gesagt. Du kannst heute Nacht hier bleiben, wenn du willst“, konterte ich und winkelte meine Beine an.
„Ich werde aufs Sofa gehen, ist vielleicht besser so“, stand er auf.
„Nein, bleib liegen, wir sind erwachsene Menschen, ich werde ein paar Kekse und Milch holen, das brauch ich jetzt“, erklärte ich und er setzte sich auf die Bettkante.
„Ruf ihn an, ihr müsst das klären, bevor du in zehn Jahren Fotos herumzeigst von der Geburtstagsfeier deiner Katze“, stellte er fest.
„Morgen ist auch noch ein Tag. Oder übermorgen. Willst du nen Kaffee?“, fragte ich.
„Nicht so spät, Milch ist okay“, bemerkte er und wickelte sich in meine Bettdecke ein.
Ich war fast in der Küche, als es klingelte.Ich sah auf die Küchenuhr, es war fast Mitternacht.
„Der Nikolaus hat wie es aussieht den Schornstein nicht gefunden, bleib im Schlafzimmer“, rief ich ihm entgegen.„Hey, ich bin jetzt betrunken genug, wo ist er?“, stand Taijse an die Tür gelehnt vor mir.
„Dein Freund ist nicht hier, ich wollte gerade ins Bett gehen“, entgegnete ich.
„Das seh’ ich. Du weißt schon, dass du nur Unterwäsche trägst“, stellte sie fest.
„Ja, und? Er ist nicht hier, also“, wollte ich sie loswerden.
„Ich versteh’ das nicht, er wollte doch zu euch“, war Taijse plötzlich den Tränen nah.
„Er war bei uns, er ist aber schon vor Wochen weg. Mit einem Lächeln auf den Lippen, er schien glücklich. Süße, du hattest einen Eggnog zu viel, komm erst mal rein“, ließ ich sie rein.
„Warum kommt Raff nicht raus, seit wann ist er schüchtern?“, lallte Taijse fast unverständlich und plumpste auf die Couch.
„Das ist nicht Rafferty, wir sind nicht mehr zusammen“, erklärte ich und sie sah zur geschlossenen Tür.
„Oh, ihr also auch?“, fragte sie verständnisvoll.
„Ja, sieht ganz so aus. Warte mal, gibt es noch andere?“, wollte ich wissen.
„Es ist eine Tragödie, ich hab letzte Woche mal rumtelefoniert, wir sind wohl alle wieder Single, außer dir wie es scheint. Du hast nicht lang getrauert, was?“, war Taijse ungewohnt offen.
„Sieht ganz so aus. Ich werde dir eine Decke und ein Kissen bringen, zieh’ deine Schuhe aus“, bat ich und ging zu dem Schrank, in dem ich dies aufbewahrte.
„Du kannst mir ruhig alles sagen, morgen werde ich eh’ keine Ahnung mehr haben, was ich gesagt habe“, krabbelte sie aufs Sofa.
„Das hoffe ich für dich. Hier“, schob ich das Kissen unter den Kopf und zog ihre Stiefel aus.
„War er es?“, fragte Emmett, der den Song las, den Rafferty geschrieben hatte.
„Nein, nur ne Freundin. Sie hat den Weihnachtsblues und schläft jetzt ihren Rausch auf dem Sofa aus. Dann musst du wohl oder übel im Bett bleiben. Hier, Milch und Kekse“, kam ich ins Bett.
Wir hatten die ganze Dose und den ganzen Liter Milch leer, als wir beide frustriert auf getrennten Seiten einschliefen.
„Oh man, musst du so einen Lärm machen?“, kam Taijse tags drauf mit einer wilden Mähne und einem riesigen Kater in die Küche.
„Hat Santa Clause dich sanft im Schlaf geküsst?“, fragte ich schadenfroh.
„Komikerin solltest du nicht werden. Krieg ich nen Kaffee?“, grummelte sie benommen.
„Wenn dir meiner schmeckt, sicher. So, was weißt du noch von gestern?“, war ich neugierig.
„Du hast einen Kerl in deinem Bett gehabt, den du mir nicht vorstellen wolltest, also was ist da noch passiert?“, war sie genau so neugierig.
„Nichts, ich konnte nicht, weil ich Rafferty liebe, oh man ich hasse die Liebe echt“, biss ich in einen Bagel.
„Wem sagst du das, Weihnachten sollte abgeschafft werden. Aspirin?“, stimmte sie mir zu.
„Links oben im Schrank. Rafferty hat darüber gesprochen, dass es bei euch diese Liebe ist, die alles überwindet“, erkannte ich und reichte ihr ein Glas Wasser.
„Mir tut mein Herz weh’ bei jedem Atemzug“, versuchte sie ihren Schmerz zu beschreiben.
„Das ist sie wirklich, diese Liebe, für die Liebeslieder geschrieben werden. Wir werden versuchen ihn zu finden, das ihr heiraten könnt“, versprach ich.
„Heiraten, wer hat von Heiraten gesprochen?“, fragte sie aufgeschreckt.
„Ich muss mich vor dir verbeugen, ich hab schon Bindungsängste, du bist die Königin. Süße, du bist mit ihm jetzt zehn Jahre zusammen, der Schicksalsengel hat dir grad einen Schlag mit dem Flügel verpasst, dass du in die Puschen kommst. Tu es, bevor er abgeschoben wird“, erklärte ich und sie schmiss die Aspirin ins Glas.
„Aber meine Mutter!“
„Deine Mutter muss ihn nicht heiraten, nur du. Wow, ich führe mit einer Person ein Gespräch über Bindungsängste und es geht nicht um mich. Du wirst ihn heiraten, oder mit ihm nach Irland zurückgehen. Wie du willst“, erkannte ich.
„Wieder Schafe hüten? Nein danke. Ne Ahnung, wo er sein könnte?“, fragte sie einsichtig.
„Keinen blassen. Aber du solltest dir die Haare schneiden lassen, denn dir gefällt meine Frisur so gut“, schlug ich vor.
„Ich mag deine Frisur nicht, zu neunziger“, betrachtete sie mich.
„Ich verzeih dir das, weil du einen dicken Kopf hast. Du weißt nicht, dass Rafferty jetzt als Frisör arbeitet, oder?“, fragte ich und sie grinste.
„Er muss echt Liebeskummer haben, wenn er einen Job hat, um nicht nachdenken zu müssen. Aber du hast Recht, ich könnte echt ne neue Frisur vertragen“, winkte sie ein.
„Ich danke dir. Und meine Frisur ist nicht neunziger, Raff hat sie geschnitten“, verteidigte ich meine Haare.
„Raff hat seit den Neunzigern keine Schere in der Hand gehabt, ist nicht sein Fehler. Lass uns gehen“, entschied sie und wir verließen die Wohnung.
Wieder klingelte die Glocke am Eingang des Frisörs und der flinke Frisör rauschte wieder an.
„Miss Randon, Sie wieder hier. Ist etwas an Ihrer Frisur nicht in Ordnung, das ändern wir sofort, kein Problem“, hatte er mich schon auf einen Stuhl gedrückt.
„Hey Maestro, um mich geht’s nicht, meine Begleiterin hätte gern was Neues“, erklärte ich.
„Ja, Ja schön, oh ja, furchtbar neunziger, hinsetzen“, eilte er und Tai setzte sich verwundert.
„Darf ich ihm ein Ding verpassen?“, fragte Tai gereizt.
„Danach Süße, er muss dich noch schneiden. Es sollte kürzer werden und etwas flotter“, schlug ich vor.
„Gut, gut, Dave!“, brüllte der Frisör und Tai zuckte zusammen.
„Che, was hab ich dir über das Schreien gesagt“, kam Rafferty mit einer Sonnenbrille auf der Nase und zerzausten Haaren aus dem Nebenraum.
„Dave, du arbeitest für mich, ich kann nicht Rücksicht auf jeden Kater nehmen, den du hast. Hopp“, bat Che und ging weiter.
„Du schon wieder, was machst du hier?“, realisierte er meine Anwesenheit.
„Dir auch ein schönes Hanukah-Fest, mein Schatz“, drehte ich mich auf dem Stuhl um.
„Du hast Tai zum Frisör geschleppt. Dein Kater muss ja noch schlimmer sein, als meiner, Tai“, schmunzelte er und fuhr durch Tais Haare.
„Klappe, sonst hast du einen Grund Kopfschmerzen zu haben“, grummelte sie.
„Andy ist bei Tanner, wir wohnen beide bei ihm“, erklärte er plötzlich.
„Und, hat das was mit meinen Haaren zu tun?“, war Tai genervt.
„Nichts, ich sag’s nur. Also, was hast du dir vorgestellt?“, ging er zurück an die Arbeit.
„Kurz und flott, hat SayDe doch schon gesagt. Fang an zu schneiden und quatsch nicht so viel, man könnte dich noch für eine Schwuchtel halten“, war Tai wirklich nicht gut drauf.
„Gut, ich halt die Klappe. Wieder Musik Bara?“, zog er seinen Mp3-Player heraus.
„Ja, bitte. Die vom letzten Mal war klasse“, bemerkte ich nebenbei.
„Ich weiß, bin auch ich. Ich hab meine Songs aufgenommen letzte Woche. Da hinten liegt auch Papier und Bleistift, wenn dir dazu was einfällt“, erwiderte er.
„Du willst, dass ich deine Lieder kritisiere?“, fragte ich verwundert.
„Lass mich es nicht wiederholen. Ich will nicht betteln“, entschied er.
„Ich würde mich geehrt fühlen, danke“, sah ich ihm ins Gesicht. Seine Augen waren geschwollen. Er musste geweint haben.
„Sollen wir heut Abend ausgehen und reden?“, hörte ich mich sagen.
„Ich überleg es mir. Ich muss jetzt arbeiten“, bat er und ich ging um den Block zu holen.
„Nett, ungewohnt aber nett“, kommentierte Tai Raffs Arbeit, als er fertig war.
„Dir wird kein Zacken aus der Krone fallen, wenn du zugibst, dass er das klasse gemacht hat“, bewunderte ich seine Arbeit.
„Ich werde mir es nicht schneller überlegen, wenn du mir in den Hintern kriechst“, war er peinlich berührt.„Entschuldige, das wollte ich nicht. Mir gefällt deine Arbeit nur, das ist alles“, konterte ich.
„Meine musikalische oder meine als Frisör?“, nahm er seinen Mp3-Player wieder entgegen.
„Beides, gesungen klingen die Lieder noch viel besser. Du hast deinen Block an meinem Bett vergessen“, erklärte ich kurz.
„Ach ja, richtig. Dann danke. Hast du was aufgeschrieben?“, wollte er wissen.
„Ja, richtig hier. Also, komm einfach vorbei, wenn du reden willst, ich bin heut Abend zu Hause. Ich geh’ schon mal zum Auto, bis gleich“, ging ich nachdenklich nach draußen.
„Es ist ein Anfang, er war nicht gerade herzlich, aber das wird schon“, erkannte Tai, als wir nach Hause fuhren.
„Er hasst mich“, entschied ich.
„Nein, tut er nicht. Er ist nur verletzt. Er ist eine treue Seele, das mit dem Groupie war ein echt mieser Scherz von uns“, entgegnete sie und betrachtete ihre neue Frisur im Spiegel.
„Es stimmt also. Ihr habt ne arme Frau abgefüllt und in Raffs Zimmer gebracht, der arme Kerl denkt immer noch, dass er mich betrogen hat. Wirklich witzig“, erklärte ich.
„Bale hat geplaudert, oder? Typisch Frisör! Ja, es ist wahr, die Jungs hatten die Idee, wollten ihm mal die Leviten lesen, dass er mal zur Ruhe kommt, er hat es ja geschafft mit dir, tja hat halt nicht sollen sein“, erwiderte sie.
„Ihr seid Schuld daran, dass das so gelaufen ist. Ich wollte ihm den Betrug heimzahlen, mein bester Freund ist jetzt unglücklich verliebt in mich, wegen diesem blöden Vorfall. Ihr könnt nicht einfach im Leben anderer Menschen rumpfuschen. Ihr seht ja, wo das endet. Ich fahr dich am besten nach Hause, du weißt ja jetzt wo dein Freund ist“, konterte ich schroff und wir schwiegen den Rest des Weges.
„Sag es ihm nicht, bitte. Dann werde ich ihn nie wieder sehen“, bat sie, als sie ausstieg.
„Warum sollte ich? Das wird nichts daran ändern. Noch schöne Weihnachten und einen Gruß an deine Mutter“, erklärte ich und fuhr weiter.
Als ich an dem Fenster in meinem Treppenhaus vorbeikam, sah ich, dass es anfing zu schneien.
„Da bist du ja endlich, ich hab was zum Essen gekocht“, öffnete Emmett meine Tür, als er mich draußen hörte.„Hey, du bist noch da? Wie schön“, druckste ich herum.
„Keine Sorge, heut Morgen bin ich aufgewacht und hab erkannt, dass ich wenn ich weiter in deiner Nähe sein will, dein bester Freund bleiben muss“, erklärte er und ich lächelte.
„Das ist das Beste Weihnachtsgeschenk was du mir machen konntest, danke. Was hast du denn gekocht?“, fragte ich und er führte mich in die Küche.
„Spagetti, ich weiß, nicht sehr weihnachtlich, aber ist doch dein Lieblingsessen, oder?“, entschied er.
„Genau das, was ich jetzt brauche. Kann ich Priscilla noch einladen, ich würde gern mit meinen besten Freunden Weihnachten feiern“, hoffte ich.
„Sicher, sie wird sicher noch sauer sein, dass du sie gestern einfach bei deinen Eltern stehen lassen hast“, bemerkte Emmett. Er wirkte entspannt und unverkrampft, was mich freute.
„Man, warum sagst du mir das erst jetzt? Sie ist sicher verdammt wütend“, erklärte ich und schlug gegen seine Schulter.
„Hey, ich konnte gestern nicht so denken, das Blut wurde an anderen Körperteilen gebraucht“, scherzte er.
„Das will ich gar nicht wissen. Ich werde sie schnell mal anrufen, nicht weggehen“, schnappte ich mein Mobilteil vom Telefon und ging nach draußen.
„Ich hoffe er war wenigstens gut“, begann Priscilla sofort, als sie abnahm.
„Woher weißt du, dass ich es bin?“
„Nummernerkennung, und du bist die einzige, die so dreist ist, mich an Weihnachten anzurufen“, murrte sie.
„Wir haben es nicht getan!“
„Und du hast mich trotzdem bei deinen Eltern schmoren lassen. Ich hab drei Mal mit deinem Vater Little Drummer Boy singen müssen“, konterte sie.
„Es tut mir Leid, so schrecklich leid“
„Warum hast du es nicht getan, hast du noch nichts von dem Begriff Double Jeopardy gehört?“, fragte sie.
„Double Jeopardy?“
„Nach dem Gesetz kann kein Verbrecher eines Verbrechen zwei Mal angeklagt werden. Wenn er denkt, dass du es getan hast, kannst du es doch auch tun, oder?“
„Ich wollte, aber er hat erkannt, dass mein Herz nur für einen offen ist, und er es nicht ist!“
„Nicht Pete Doherty, dieser Kerl ist nicht gut für dich“, erklärte sie.
„Doch, das ist er. Ich fühle mich furchtbar, seit er weg ist“, erklärte ich.
„Das ist Liebeskummer, das geht vorbei“, entschied sie.
„Nein, ich liebe ihn, ich weiß nicht wieso, aber es ist einfach so“, erklärte ich.
„Schön für dich, du hast jemanden, ich hab niemanden, das versüßt mir meinen Weihnachtstag ungemein. Noch was?“, war sie nicht in bester Stimmung.
„Ich wollte dich eigentlich zum Essen einladen, Em hat gekocht“, bat ich sie.
„Verlorene Liebesmüh in drei Akten ansehen? Nein, danke. Frohe Weihnachten“, legte sie wieder auf.
„Und kommt sie?“, fragte er mich, als ich wieder rein kam.
„Lass uns Essen, sie ist mal wieder in ihrem Weihnachtstief“, entschied ich und setzte mich an den Tisch.
Wir hatten fast fertig gegessen, als ich aus dem Fenster sah und unten Rafferty bemerkte.
„Verdammt, er kommt, versteck dich“, wurde ich hektisch.
„Wer kommt? Der Weihnachtsmann?“, fragte er scherzhaft und ich sah ihn böse an.
„Hey, wie kann ich riechen, das er auftaucht, ich hab ihm zwar heut Morgen gesagt, dass er mal vorbeikommen soll, aber ich dachte nicht, dass er wirklich kommt“, erkannte ich und sah mich hektisch um.
„In den Schrank, sofort“, plante ich.
„Ja toll, steck deinen fast 100kg Freund in einen Schrank, das fällt gar nicht auf“, entgegnete er.
„Richtig, das merkt er. Die Feuertreppe, da gehst du runter“, hatte ich einen Entschluss gefasst.
„Von wegen, er vertreibt mich zwar aus deinem Bett, aber ich klettere nicht deine Feuertreppe runter. Die ist spiegelglatt“, entschied er und ich öffnete die Balkontür.
„Dann pass auf, wo du hintrittst. Danke für das Essen, war köstlich. Los“, reichte ich ihm seine Jacke, gab ihm ein Küsschen auf die Backe und schob ihn raus.
Emmett war schon fast unten, als es klopfte.
„Ich bin sofort da, einen Moment“, rief ich vom Fenster auf und eilte zur Tür.
„Wow, du bist gekommen“, begrüßte ich ihn mit einem Küsschen auf die Wange.
„Du klingst überrascht, du hast mich eingeladen“, stellte er fest.
„Ja, ich hatte aber nicht die Hoffnung, dass du kommst, umso mehr freu ich mich, dass du jetzt da bist. Komm rein“, ließ ich ihn rein.
„Das gebietet der Anstand. Du bist Weihnachten ganz allein?“, war er verwundert.
„Ich hatte Freunde zum Essen da, aber die sind schon wieder weg. Wie geht’s Bale?“, fragte ich ablenkend.
„Ich wollte ja eigentlich ihn davon abhalten, sich unnötig zu betrinken, aber irgendwie lief es dann anders herum. Sie haben mir den Magen auspumpen müssen, letzte Nacht“, erklärte er.
„Ach, darum siehst du so …“, versuchte ich die richtigen Worte zu finden.
„Scheiße aus?“, half er mir.
„Übermüdet aus, wollt ich sagen, aber der frühe Morgen bist du wirklich nicht. Willst du was trinken?“, ging ich Richtung Küche.
„Wasser reicht mir“, kam er mir hinterher.Er sah in die Spüle, in der sich die gespülten Sachen stapelten.
„Du hast nicht gekocht, oder?“, fragte er plötzlich.
„Nein, wieso fragst du?“, wollte ich wissen.
„Nur so, du spülst sonst vor dem Essen ab, das ist alles“, entgegnete er.
„Ja, ein Bekannter hat gekocht. Spagetti. Ich vermisse dich“, gestand ich plötzlich.
„Ich hätte gern Weihnachten mit dir verbracht, ich hab dich gestern so vermisst“, gab auch er zu und umarmte mich von hinten.
„Ich dachte, du feierst kein Weihnachten“, fuhr ich mit meiner Hand über seine Backe.
„Hab ich gesagt, dass ich Weihnachten feiern wollte? Ich hätte gern den ganzen Tag mit dir im Bett verbracht, mit ner Flasche Whiskey und splitterfasernackt“, flirtete er.
„Klingt gut, wir haben noch ein paar Stunden Weihnachten“, schlug ich vor.
„Aber Miss Randon, Sie wollen mich doch nicht verführen?“, schmunzelte er und schob mich zur Tür heraus. Als ich die Tür öffnete, sah ich in das zerzauste Bett und schlug die Tür schnell wieder zu.
„Essen gehen, wir wollten doch Essen gehen“, stellte ich mich schützend vor die Tür.
„Hast du deinen Freund da drin, oder was?“, wurde er skeptisch.
„Nein, nur ein Saustall, rotzige Betten, Krümel überall, ein Liebeskummer-Tatort. Ein wirklich unerotischer Ort. Ich hätte Lust auf nen Drink, Sweet Adelines ist wie ich höre echt ne coole Bar“, erklärte ich und zog ihn zur Tür.
„Süße, ich bin heiß, ich will dich jetzt“, küsste er meinen Nacken.
„Ein, zwei Drinks, wir wollten uns doch unterhalten“, erklärte ich.
„Okay, ich werde aber nichts trinken, ich sollte meiner Leber einen Tag Ruhe geben. Man, hab ich das wirklich gesagt?“, gab er nach und ich nahm meinen Mantel.
Als wir in der Bar angekommen waren, verabschiedete ich mich kurz auf die Toilette.
„Geh ran, bitte geh ran“, flehte ich, als ich mich in der Toilettenkabine verschanzt hatte.
„Mum, hey, ich weiß es ist schon neun Uhr und ja es ist Weihnachten. Aber ich brauch jetzt deine reinigungstechnische Hilfe. Mein Schlafzimmer, es ist ein Saustall, es muss neu bezogen werden, schaff alle Männersachen aus dem Zimmer, lüfte, tu alles, dass es nach Frau riecht“, bat ich.
„Mum, nein ich bin keine Schlampe, tu es einfach, bitte. Ich kann ihn nur höchstens eine Stunde hier fest halten. Bitte, als mein Weihnachtsgeschenk. Ich danke dir, hab dich lieb, bye“, legte ich wieder auf.
„Hey, du musstest aber dringend auf die Toilette. Was willst du trinken?“, fragte er, als ich mich an die Bar klemmte.
„Sex on the beach, wär nicht schlecht“, bemerkte ich.
„Okay, dann ein Sex on the beach und ein Heineken“, bestellte Rafferty.
„Ein Bier? Ich dachte du wolltest deiner Leber eine Pause gönnen“, wunderte ich mich.
„Es ist schon 24 Stunden her, ich denke, sie hatte genug Ruhe“, nahm er die Bierflasche.
„Wie du meinst. Ich werde dich aber nicht ins Krankenhaus fahren, wenn deine Leber da nicht mit macht“, erklärte ich trocken.
„Was heißt das jetzt schon wieder, das mit meiner Lunge war ein Unfall“, wurde er grummelig.
„Wie kann man aus Versehen zwölf Zigaretten rauchen“, wollte ich es genau wissen.
„Gut, du wolltest nur wieder an mir herummäkeln, schön, dafür brauchen wir nicht in eine Bar gehen“, stand er auf und ging ein paar Schritte.
„Süßer, so hab ich das nicht gemeint. Tut mir leid, ich verhalt mich oft wie eine nervige Mutter, meiner Schwester geht das auch auf die Nerven. Bleib hier“, legte ich Geld auf dem Tresen und folgte ihm nach draußen.
„Verdammt, ich habe meine Macken, vieles hasse ich, aber das bin ich. Ich bin nicht so ein eingebildeter Schnösel von der Wallstreet der alles in sich hineinfrisst und mit 30 ein Magengeschwür hat“, wurde er wütend.
„Ich liebe dich doch, du Volldepp und ich will dich noch lieben, wenn wir siebzig sind und unseren Enkeln davon erzählen, wie viel Spaß wir hatten, als wir jung waren“, platzte es aus mir heraus.
„Süße, einem Kerl von zukünftigen Enkelkindern zu erzählen, der Bindungsängste hat, ist nicht gerade sexy“, schmunzelte er versöhnlich und umarmte mich.
„Ich kenn da einen guten Ort, wo wir uns darüber keine Sorgen machen müssen“, erklärte ich und zog ihn zum Wagen.
Ich brachte ihn zum alten Murphys. Ich schloss die Tür auf, die nicht mehr vernagelt war.
„Ich dachte, da wir letztes Mal gestört wurden, müssen wir das fortsetzen“, hüpfte ich auf den Tresen.
„Warte, warum hast du einen Schlüssel?“, wunderte er sich.
„Tai hat mir einen gegeben, dass ich mich noch mal umsehen kann, bevor ich es kaufe“, erklärte ich.
„Kaufen? Du willst den Club kaufen“, quetschte er sich zwischen meine Beine.
„Ja, wieso nicht, ich wollte schon vor langem einen Club aufmachen“, erklärte ich und begann ihn zu küssen.
„Das ist klasse, aber warte, woher weißt du, dass es jetzt anders läuft, als vorher“, konterte er und ich löste mich von ihm.
„Weil, mein Engel, wir es leiten werden, deshalb“, entschied ich und er grinste.
„Du bist verrückt“, entschied er.
„Was hast du von mir erwartet? Das bin ich doch immer. Okay, bin ich nicht, aber das ist jetzt mein neues, verrücktes ich. Ich werde mich tätowieren lassen, ich werde bauchfrei tragen und meinen Freund auf diesem Tresen lieben so oft und so lange ich das will“, krabbelte ich verführerisch zurück auf den Tresen.
„Das mit der Tätowierung solltest du dir noch überlegen, du willst doch neben mir begraben werden und das geht nicht mit Tattoo“, stieg er zu mir auf den Tresen.
„Henna wird es für den Anfang auch tun. Also was sagst du?“, fragte ich aufgedreht.
„Tun wir’s“, drückte er mich auf den Tresen.
„Danach sprechen wir dann über eine langfristige Partnerschaft“, konterte er und ich kicherte.
Der Klingelton Highway to Hell summte durch die leere Halle und weckte mich. Es war dunkel und ich lag immer noch auf meinem Freund auf dem Tresen.
„Sorry, einen Moment“, murmelte Rafferty und fuhr an meinem Bein entlang, zu seinem Handy in seiner unter Tasche in der Cargohose.
„Warte, ich stehe auf, einen Moment“, erklärte ich und richtete mich auf dem Tresen auf.
„Nein, bleib liegen, ich werde aufstehen“, stützte er sich auf seine Arme, zog sich an mir hoch um an sein Handy zu kommen.
„Nein, ich verlier das Gleichgewicht, lass los“, schmunzelte ich, aber die Worte waren noch nicht im Raum verhalt, als wir beide auf dem Boden lagen.
„Wupps, mein Fehler. Geht’s dir gut?“, lag er nun auf mir.
„Ich glaub, ich hab mir die Schulter verletzt“, spürte ich einen starken Schmerz in meinem Arm.
„Du hast mir meine Hand gebrochen“, konterte er sehr gelassen und zog seine Hand unter meiner Hüfte weg.
„Ich rate mal. Nicht dein erster Bruch“, richtete ich mich auf und hielt meine Schulter.
„Ein Sexunfall war noch nicht dabei, das gibt sicher ganze drei Punkte auf der Tafel. Wir sollten wer auch immer da gerade angerufen hat, zurückrufen und uns ins Krankenhaus bringen lassen. Denke nicht, das noch jemand von uns fahren kann“, drehte er sich auf dem Boden um und wir brachen in schallendes Gelächter aus.
„Eigentlich wollte ich deine Hilfe haben“, erklärte Edvia, als sie neben Rafferty auf dem Krankenbett saß. Ich sah ihre Stiefel hinter dem Vorhang und zog ihn auf.Eine Schwester schiente gerade Raffertys Hand.
„Hey, ich hab mir nur die Schulter ausgekugelt, das wird verheilen. Ich hab deine Hand ganz schön platt gemacht, wie es aussieht. Danke noch Mal Edvia, dass du mitten in der Nacht durch die halbe Stadt gefahren bist“, setzte ich mich auf einen Stuhl daneben. Mein Arm war an meine Brust geschient.
„Ich kann eh’ nicht schlafen, ich hab zu viel in meinem Kopf. Wusstet ihr, dass ich schwanger bin? Mein treuloser Gatte scheint das nicht zu kümmern, schließlich war er es, der vor zwei Wochen eine Motorradtour machte, von der er nicht zurückkehrte“, erklärte er und schluckte.
„Zwei Wochen, vor zwei Wochen ist er dreißig geworden, vielleicht eine Mid-Life-Crisis“, überlegte Rafferty laut.„Vielleicht wäre es nicht so weit gekommen, wenn du an seinen Geburtstag gedacht hättest, man, wenn du nicht verletzt wärst, würde ich dich jetzt hauen“, grummelte sie.
„Ich hab dran gedacht, das hat aber dazu geführt, dass ich ins Krankenhaus gekommen bin“, erklärte er trocken.„Das musst du mir erklären, wie ist denn das passiert?“, wollte sie wissen.
„Er hat geraucht, seine Lunge hat das nicht ausgehalten, er hat Blut gespuckt“, mischte ich mich ein und Rafferty bekam einen Schlag mit ihrer geballten Faust an seinen gesunden Arm.
„Au, ich dachte du schlägst mich nicht, wenn ich verletzt bin“, rieb er sich die Schulter.
„Mensch, ich hab dir doch extra diese Kassetten besorgt, du bist so ein Depp“, erklärte sie und er sah schuldbewusst drein.
„Ich hab mir übrigens mal bei einem Sexunfall das Bein zweifach gebrochen“, wechselte Edvia plötzlich das Thema.„Ja, ich kann mich noch erinnern, ich war fünfzehn oder sechzehn. Das war, als wir den Club gekauft haben, ihr habt es auf der Leiter getan, dafür beneide ich ihn jetzt noch“, fiel es ihm ein.
„Aber eure Bar-Geschichte ist auch nicht übel, du wolltest wohl auch mal auftrumpfen, Kleiner. Sieht so aus, als würdest du gut aufholen können, jetzt wo ihr das einzige Pärchen in der Clique seid“, stellte sie fest.
„Das wollte ich schon Tai fragen, was ist mit euch passiert?“, wollte ich wissen.
„Yoko-Ono“, sagte sie nur.
„Ich? Ich hab die Band auseinander gebracht? Von wegen“, stritt ich es ab.
„Tja, interpretiere es wie du willst, aber seit du mit ihm gehst, ist die Band getrennt, dass die Groupies dann weg bleiben, war dann ja nur eine Frage der Zeit“, schlussfolgerte Edvia.
„Ihr wart mehr als Groupies, ihr habt den Laden geschmissen“, erkannte ich.
„Also sind wir Groupies Schuld an allem? Willst du mir das damit sagen. Daran bist du ganz allein schuld, Missy“, stellte sie klar.
„Vergleich mich nicht dieser komischen Chinesin“, tönte ich.
„Sie ist Japanerin und dieser Vergleich ist passabel. Vor allem wenn man Rai mit ihr vergleicht, diese kleine Hexe. Sie hat Chan einfach allein gelassen, wie kann man so etwas nur tun“, erkannte sie und strich über ihren Bauch.
„Ich weiß nicht, aber Edric scheint ganz gut damit klar zu kommen, wie ich gehört habe. Ich hab Hunger wir könnten ins Soul Food in der Jackson gehen, ich hab Hunger auf was Deftiges“, erklärte ich.
„Liebling, es ist halb sieben in der früh“, legte er seinen gesunden Arm auf meine heile Schulter.
„Na und? Manchmal ist mir nach was Deftigem. Vor allem nach körperlichen Anstrengungen. Gehen wir“, bemerkte ich und wir gingen voran, die nachdenkliche Edvia hinter uns her.
Am Neujahrstag unterschrieb ich den Kaufvertrag für den Club. Ich hatte einen guten Kredit bei einer Bank aufgenommen, mein Vater hatte mich gut beraten. Mitte Februar hatten wir das nötigste in der Bar getan. Es war fast so, wie ich mir meinen Club vorgestellt hatte. Nur eins fehlte, was besonders meinem Freund fehlte. Eine Band für die Live-Musik.Ich räumte gerade die Gläser unter die Bar, als ich Edvia auf der Bühne bemerkte. Sie hatte eine Tunika an, weil man ihre Schwangerschaft langsam sah. Ich war mit ihr in Kontakt geblieben, wie waren gerade dabei die Zimmer im oberen Stockwerk her zurichten und sie war uns eine große Hilfe. Sie richtete alles so liebevoll ein, als würden die anderen gleich zurückkommen.
„Schaltest du mal das Mikro ein? Ich will was testen“, rief sie mir entgegen und ich öffnete das Mikro.Sie begann zu singen und sie sang wunderschön. Sie sang über die Probleme der Liebe und wie es sie schmerzte allein zu sein.
„Ich wusste gar nicht, dass du Sängerinnen castest. Seit wann singt Edvia so gut?“, kam Rafferty zu mir.
„Keine Ahnung, habt ihr sie nie singen lassen?“, war ich fasziniert von ihrer Stimme.
„Wie es aussieht nicht. Sie könnte doch so lang singen, bis mich der Vocalcoach wieder fit gemacht hat“, bemerkte Rafferty.
„Natürlich, wenn dir das Recht ist“, stimmte ich zu.
„Solang sie mir nicht die Show stiehlt gern. Wir brauchen aber immer noch eine Band“, entschied er nachdenklich.„Ich weiß, du hättest gern die alte zurück, aber wir sollten uns nach einer anderen umsehen, es gibt jede Menge talentierte junge Menschen in dieser Stadt“, erkannte ich.
„Wie du meinst, ich muss jetzt, Bob wartet“, küsste er mich und ging zum Ausgang. Bob war ein alter Freund von mir aus dem College der jetzt als Vocalcoach arbeitete. Er unterrichtete Rafferty jetzt, bis seine Stimme wieder gut klang.
„Hey Süße, ich will dich nicht unterbrechen, aber willst du hier singen?“, rief ich Edvia entgegen.
„Sicher, warum nicht. Ich geh’ jetzt hoch, mein Zimmer weiter einrichten. Ist das okay?“, fragte sie nachdenklich und ging wieder.
„Sie hat den Blues, oh ja den Blues“, kam Taijse zur Tür hinein.
„Hey, da bist du ja, danke dass du gekommen bist. Andy wird für ne Weile nicht runterkommen, keine Sorge, er versteckt sich genauso vor dir wie du vor ihm“, erklärte ich ihr. Also, wo hast du die Papiere? Ich hab heut Abend noch Nachtschicht“, drängte Taijse mich und ich führte sie zu einem Tisch, wo ich die Unterlagen schon vorbereitet hatte. Ich hatte noch Papierkram zu erledigen und Tai wollte mir dabei helfen.
Wir waren gerade mitten in der Arbeit, als es an der Tür klopfte.
„Erwartest du jemanden?“, wunderte sich Tai.
„Niemanden, der klopfen würde. Einen Moment“, stand ich auf und ging zur Tür. Es war Mrs. Niedermeier.
„Mrs. Niedermeier, Sie hab ich ja lang nicht mehr gesehen, was verschafft mir die Ehre“, säuselte ich freundlich.
„Ms Randon, das ist immer wieder eine Freude Sie zu sehen. Warum bin ich nicht überrascht?“, erklärte Mrs. Niedermeier.
„Weil Mr. Sullivan hier gemeldet ist und die Bar einen neuen Besitzer hat, nämlich mich“, konterte ich cool.
„Ah, er arbeitet auch bei Ihnen?“, erkannte sie und zog ihren Block.
„Momentan, er hatte seinen Job verloren, aber das hatte er Ihnen ja gemeldet“, verteidigte ich ihn.
„Ja, aber die Aufenthaltsgenehmigung ist jetzt abgelaufen, tut mir leid. Ich muss ihn mitnehmen“, entgegnete sie und kam mit zwei Wachmännern in meine Bar.
„Mrs. Niedermeier, bitte, ich steh’ kurz vor der Eröffnung, Polizei ist nicht gerade gut“, war ich erschreckt, die Polizei zu sehen.
„Keine Sorge, wir gehen hintenherum raus, Madam. Wo ist er?“, fragte einer der Polizisten höflich.
„Im ersten Stock, zweite Tür links“, entgegnete ich ruhig.
„Wie kannst du sie ihn einfach mitnehmen lassen?“, kam Taijse zu mir, als ich der Gruppe zusah, wie sie die Treppe hochgingen.
„Ich soll mich doch nicht einmischen, er ist nur mein Mitarbeiter“, tat ich, als ging mich das nichts an und ging zur Bar, um mir einen Drink einzuschenken.
„Das glaubst du ja selbst nicht. Irgendwas müssen wir doch tun“, war es Taijse doch nicht so egal, wie sie getan hatte.
„Ich wüsste da was, was du tun könntest!“
„Ich werde ihn nicht heiraten, vergiss es“, entschied sie.
„Gut, dann wirst du den Mann den du liebst nach Irland folgen müssen, wenn du bei ihm bleiben willst“, erklärte ich und nahm einen Schluck Whiskey.
„Misch dich bitte ein“, bat sie plötzlich.Ich kippte den Whiskey auf Ex.
„Gut, wird dir aber auch nicht gefallen“, fiel mir was ein.
„Mrs. Niedermeier?“, rief ich nach oben.
„Wir werden nichts beschädigen, keine Sorge“, rief sie zu mir, während sie Andrew in Handschellen abführten.
„Nein, bleiben Sie kurz stehen. Ich habe vor Mrs. Sullivan zu werden“, log ich und legte den Arm um ihn.
„Ah, ich hab’s doch gewusst. Gut, dann bringen Sie die Heiratsurkunde innerhalb dieser Woche zu mir, hier ist meine Karte. Jungs, lasst ihn los“, erkannte sie rechthaberisch und sie verschwanden aus dem Hinterzimmer.
„Du willst meinen Freund heiraten?“, war Taijse verdattert.
„Ich bin dein Ex-Freund und sie tut wenigstens so, als würde ich ihr was bedeuten. Warum tust du das für mich, nach allem, was ich dir angetan hab?“, war Andrew genau so verwundert.
„Ich tu das für euch, dass ihr in einem Jahr die Reife aufbringt zu heiraten, so lang müssen wir nämlich verheiratet sein, falls es dich interessiert“, versuchte ich Tai auf die richtige Seite zu lenken.
„Gut, dann ab zum Standesamt“, hatte es Andrew eilig.
„Nicht so eilig, Meister, ich hätte wenigstens gern meinen Freund dabei. Morgen früh, wenn ich betrunken genug bin, können wir hingegen“, füllte ich mein Glas auf.
„Du hast den Verstand verloren“, diskutierte Raff mit mir an diesem Abend, als wir im Bett lagen und beide lasen.„Ich hab nicht vor, ihn zu heiraten, ich hab nur Tai die Pistole auf die Brust gesetzt. Ich hätte ihr auch eine Keule auf den Schädel hauen können, aber ich bin Pazifist“, konterte ich lässig.
„Hab ich auch was dazu zu sagen?“
„Nein!“
„Dir ist schon klar, dass das mit der Scheidungssache für strenge Katholiken nicht so einfach ist“, mischte er sich doch ein.
„Er wird wohl kaum mit mir verheiratet bleiben wollen. Jetzt warte erst mal ab, was morgen ist“, erklärte ich und kuschelte mich an ihn.
„Meine Freundin heiratet morgen, ich werde sicher wunderbar schlafen“, grummelte er und schloss die Augen.
Am nächsten Morgen zog ich mein Kostüm an, das ich immer bei wichtigen Meetings getragen hatte. In meine Haare band ich Bänder und ein paar künstliche Blumen.
„Du siehst viel zu gut aus, für ne gefakte Hochzeit“, umarmte mich mein Freund von hinten.
„Wenn mein Plan nicht funktioniert, wartest du dann ein Jahr auf mich?“, wollte ich wissen.
„Nein!“, schmunzelte er scherzhaft.
„Ich tu das für die beiden, dass die beiden vernünftig werden können. Ich hoffe noch vor der Hochzeit. Gibst du mir mal die Stöckelschuhe?“, fragte ich und setzte mich aufs Bett.
„Ich danke dir, dass du mitkommst, ich weiß du machst das nicht gern“, bedankte ich mich bei ihm, dass er da mitmachte.
„Ich muss ihn doch mit bösen Blicken strafen, wenn er dich nach der Zeremonie küsst“, erklärte er trocken.
„Ich muss ihn küssen, verdammt, daran hatte ich gar nicht gedacht“, bemerkte ich nachdenklich.
„Ist schon okay, er ist ein Freund von mir, das geht schon“, erklärte er verständnisvoll.
„Nein, hör auf so nachgebend zu sein, das hast du nicht verdient“, erklärte ich und stand wieder auf.
„Ich hab dich betrogen, da macht ein Kuss der nichts bedeutet nichts wett“, entgegnete er bestätigend.
„Nein, hast du nicht, du hast mich nicht betrogen“, gestand ich plötzlich, obwohl ich das nie wollte.
„Doch das hab ich, da war diese Frau“, entschied er standhaft.
„Diese Frau war zwar in deinem Armen aber du nicht in ihren“, erklärte ich.
„Muss ich das verstehen?“, war er verwirrt.
„Ich wollt dir das eigentlich nie sagen, aber die Jungs haben dich verarscht. Sie haben dir irgendein betrunkenes Groupie ins Bett gelegt, um dir zu zeigen wie nachlässig du mit allem bist. Du kennst die Jungs doch“, erklärte ich ihm das Ganze.
„Nein das wagen die nicht, oder doch?“, überlegte er laut.
„Klär das mit den Jungs, alles klar?“, klopfte ich ihm auf die Schulter.
„Ja, wie lang weißt du das schon?“, fragte er verwundert.
„Weihnachten. Tai hat mich gebeten, dir nichts zu sagen“, bemerkte ich ruhig.
„Die Tai, der du jetzt hilfst und ihren Freund heiratest“, erwiderte er.
„Ex-Freund. So meine Braut, fertig?“, kam Andrew im Anzug durch die offenen Tür.
„Sieht ganz so aus. Lass uns gehen“, konterte ich, schnaufte ein Mal tief durch und ging ihm hinterher.
„Sie kommt nicht“, flüsterte Edvia mir vor dem Altar vor, die ich in meinen Plan eingeweiht hatte.
„Was soll das heißen, sie kommt nicht?“, wurde ich nervös.
„Ich wollt damit die Tatsache ausdrücken dass sie uns physisch nicht mit ihrer Anwesenheit beglückt“, erklärte sie und ich sah Andrew an.
„Dann muss es wohl so sein“, entschied ich und nahm seine Hand.
„Das willst du doch nicht wirklich durchziehen?“, zischte mir Raff ins Ohr.
„Doch, für diese Liebe die du beschrieben hast. Ich glaube, sie existiert“, stellte ich fest.
„Das ist wunderschön, mein Schatz, aber ich glaube nicht, dass unsere Liebe das überlebt, wenn du den irischen Bastard heiratest“, erklärte er und ich grinste.
„Du hast gesagt, du liebst mich, das ist wunderbar. Aber wenn du mich richtig liebst, dann akzeptierst du meine Entscheidung“, flüsterte ich zurück und umklammerte Andrews Arm.
„Ja, das tue ich, heirate ihn nicht“, bat er etwas lauter.
„Haben Sie Einwände gegen diese Verbindung?“, fragte der Standesbeamte Rafferty.
„Ja, das hab ich, die Braut liebt mich“, bemerkte er standhaft und ich hielt mir mit meiner freien Hand die Augen zu.„Stimmt das, Miss Randon?“, fragte mich der Standesbeamte.
„Der Kerl ist verrückt, er denkt, dass ich ihm gehöre, beachten Sie ihn einfach nicht, fangen Sie an“, konterte ich und sah den Standesbeamten wieder an.
„Okay, dann fangen wir an. Mr. Sullivan sie unterschreiben hier und Mr. Talman hier, Ms Randon hier und Ms Charleston daneben“, begann er mit dem Akt.
„Mrs. Charleston wenn ich bitten darf“, legte sie die Hand mit ihrem Ehering auf ihren gewölbten Bauch.
„Mrs. Charleston, Verzeihung natürlich“, stotterte er und Andrew unterschrieb. Auch Edvia hatte schon ihre Signatur darunter gesetzt, als Rafferty stockte.
„Das unterschreib ich nicht“, konterte er.
„Ich kann auch jemanden von den Leuten hier als Zeugen aussuchen, das macht nichts aus“, setzte ich den Stift an. Ich drehte den Stift in meiner Hand ein Mal herum. Ich wollte ansetzen zu schreiben, als eine Hand sich auf dem Blatt ausbreitete.
„Hab ich dir nicht beigebracht, nichts zu unterschreiben, bei dem du dir nicht sicher bist“, hörte ich Taijses Stimme und sah auf.
„Willst du das für mich übernehmen?“, fragte ich lächelnd.
„Denkst du etwa, ich sehe zu, wie du die Liebe meines Lebens heiratest? Süße, ich muss dir noch einiges beibringen“, nahm sie mir den Stift aus der Hand. Ich machte ihr Platz. Sie trug auch ein schönes Kostüm und eine biedere Perlenkette.
„Ich dachte schon, du meinst das ernst“, legte Rafferty den Arm um mich.
„Wer hat gesagt, dass ich das nicht ernst gemeint hab? Puh, war ganz schön knapp. Jetzt unterschreib schon, dass wir hier endlich verschwinden können“, schmunzelte ich und er ging zum Formular, um zu unterschreiben.
„Du kriegst auch alles hin“, bemerkte Saida, die mit Taijse gekommen war. Sie trug ein Baby auf dem Arm.
„Sai, mein Gott, dich hab ich hier auch nicht erwartet. Du hast das Kind schon?“, umarmte ich sie.
„Seit einer Woche, bin grade erst aus dem Krankenhaus raus. Zumindest findet Tai jetzt ihr Glück, dann tut es wenigstens eine von uns“, konterte Sai nachdenklich.
„Er ist immer noch nicht eingeknickt, oder?“, fragte ich sie nach Odion.
„Er hat mich im Krankenhaus besucht, hat das Baby gehalten, hat dieses ganze "ich zahl Alimente" Geschwafel abgelassen und ist dann abgerauscht. Ich bin zu einer dieser Frauen geworden, ich werde Edy auch bei alle dem beistehen. Du wolltest also Andrew heiraten, Chinese bringt es wohl nicht mehr“, neckte sie mich.
„Echt schön, dich wieder zu sehen. Was ist es denn geworden?“, sah ich das Baby an.
„Gott sei Dank ein Mädchen, von Männern hab ich erst mal die Schnauze voll. Sie heißt Summer“, erklärte sie.
„Ein wunderschöner Name. Ich hab ein Büfett bestellt, ich würde mich freuen, wenn du mit in den Club kommen würdest“, schlug ich vor.
„Das hoffe ich, ich hab einen Bärenhunger“, entschied sie.
„Hey Sai, du bist also endlich draußen. Na Summer-Mäuschen?“, kam Rafferty und küsste Summers Köpfchen.
„Du hast gewusst, dass Sai ihr Kind bekommen hat?“, fragte ich skeptisch.
„Ja, ich hab sie schließlich ins Krankenhaus gefahren, als es so weit war. Schläft sie langsam durch?“, fragte Rafferty liebevoll.
„Schön wär’s. Du hast deine Freundin fast an Andy verloren, das ist dir hoffentlich klar“, schmunzelte sie.
„Nur fast, meine Süße, nur fast. Wie geht’s dir?“, umarmte er sie.
„Mit Od wär es einfacher. Wie geht’s deiner Stimme?“, plauderten sie weiter.
„Ich komm mit dem Vocalcoach gut voran, nur wenn mich diese Tunte noch ein Mal so begrabscht, dann singt er bald eine Tonlage höher. Gib mir die Kleine mal, dann kannst du die anderen beglückwünschen“, erwiderte er und nahm ihr Summer ab.
„Lass meine Tochter bloß nicht fallen. Ich komm gleich wieder“, ging sie zu dem Brautpaar.
„Yoko Ono kam in der Presse echt noch gut weg. Sie war echt eine arme Frau, das hab ich jetzt begriffen. Hör auf mir Sachen zu verheimlichen, nur weil die Mädels mich nicht mögen“, bat ich und er lud das Baby auf seine Schulter.„Die Mädels mögen dich doch, die werden schon irgendwann kapieren, dass du nichts mit unserer Trennung zu tun hattest. Mit unserer ersten Trennung als Paar wie es aussieht aber. Das hast du mir jetzt zwei Monate lang verheimlicht, da muss ich auch erst mal darüber nachdenken“, ließ er mich einfach stehen und ging zu den anderen.Als ich die Gruppe so ansah, wurde mir klar, dass ich zu meiner Hochzeit nicht mal meine Freunde eingeladen hatte. Ich ließ die Gesellschaft einfach allein und ging davon.
„Komm schon, mach auf“, wartete ich vor Priscillas Tür, dass sie aufmachte.
„Ach, du lebst noch, nett. Warum so schick? Warst du bei einem Bewerbungsgespräch? Ich wollt dich im Januar mal im Büro besuchen, da hab ich erfahren, dass du dort nicht mehr arbeitest. Ich hab mir Sorgen um dich gemacht, ach komm rein“, entgegnete sie leicht gereizt und bat mich rein.
„Ich hab mich selbstständig gemacht, ich hab einen Club, der bald Eröffnung feiert. Und heute hab ich fast geheiratet. Noch ne Frage?“, bemerkte ich genau so distanziert.
„Du hast also endlich eingesehen, dass Pete Doherty nichts für dich ist?“, konterte sie frech.
„Nein, ist ne lange Geschichte. Ich wollte mit dir reden, hast du ne Minute?“, fragte ich und setzte mich auf einen Sessel im Flur.
„Hab heut keinen Kurs, hab aber einen Mann in meinem Bett“, erwiderte sie und jetzt bemerkte ich, dass sie nur ein T-Shirt trug. Es war eins von Emmetts, das mit dem "Gott an seinem Computer" - Comic drauf.
„Ah, seit wann geht das schon mit Emmett und dir?“, schlussfolgerte ich.
„Weihnachten, ich hätt doch den Bademantel anziehen sollen. Du hast mich nicht zu deiner Hochzeit eingeladen“, schien sie versöhnlich.
„War nur ein Fake für die Einwanderungsbehörde. Hat dir Em nicht erzählt, dass ich einen Club eröffne? Seltsam, schließlich ist er Teilhaber“, erklärte ich trocken.
„Warum sagst du ihr das? Warum müsst ihr Frauen immer über alles quatschen“, kam Emmett nur in Boxershorts aus ihrem Schlafzimmer.
„Em, zieh’ dir was an“, bat sie.
„Keine Sorge, so hab ich ihn auch schon gesehen. Gut das du jetzt hier bist, ich wollte euch einladen zu meiner Eröffnung“, erklärte ich plötzlich.
„Nein danke, ich bin stiller Teilhaber, schon vergessen“, waren sie beide ziemlich distanziert.
„Gut, ich hab euch verletzt, das ist nur fair. Ich freu mich, dass ihr jetzt zusammen seid, das will ich euch nur sagen. Ciao“, ging ich wieder ohne ein weiteres Wort.
Es war Feststimmung im Club, als ich zurückkam. Die Abdeckung des Neonlichts wehte im Wind, ich konnte es kaum erwarten, sie zu lüften. Als ich den Schlüssel ins Schloss steckte drehte ich ihn nicht um. Ich rutschte auf den Boden und weinte.
„Warum weinst du, wir feiern doch eine Hochzeit“, sah ich jemandem im Schatten rauchen. Es war Odion.
„Od, hey du traust dich nicht rein, oder?“, fragte ich und wischte meine Tränen weg.
„Du wie es aussieht auch nicht, traurig wenn man die Tatsache mit einbezieht, dass es jetzt dein Club ist“, schmunzelte er.
„Du bist jetzt Vater, gratuliere“, kam ich auf ihn zu.
„Sie hat mich aus dem Krankenhaus geworfen, ich wollte mit ihr reden“, gab er zu.
„Ja, das solltet ihr, komm rein“, drehte ich den Schlüssel um und wir gingen rein.
„Wo bist du gewesen?“, kam Rafferty sofort zu mir.
„Unterwegs. Sieh’ mal, was die Katze angeschleppt hat“, bemerkte ich und zog Odion vor mich.
„Ach, wir sollten ihr wirklich was zu essen geben. Ich hab gehofft, dass du mindestens irgendwo im Koma liegst“, war Rafferty nicht gerade gut auf ihn zu sprechen.
„Was hat sie dir erzählt, das stimmt alles nicht“, entschied Odion.
„Ich glaub eher einer Freundin mit Kind als einem Feind“, erklärte Rafferty trocken.
„Ich bin nicht dein Feind, nur der Bassist. Jetzt entschuldige mich, ich will meine Familie zurück“, ging er einfach weiter.
„Hey, er ist jetzt da, gib ihm die Chance. Hast du es dir überlegt, willst du heute Abend singen?“, fragte ich und nahm ihn in den Arm.
„Meine Freundin hat heut fast jemand anders geheiratet, ich bin nicht in der Stimmung zu singen“, entgegnete er, löste sich von mir und ging die Treppe hoch.
„Na toll, wenn man mal helfen will. Wie auch immer“, verzog ich mich in mein Büro.
„Hey, ist dir der Trubel da draußen auch zu viel?“, saß Bale an meinem Schreibtisch.
„Das ist jetzt mein Schreibtisch“, stellte ich klar.
„Sicher, Macht der Gewohnheit. Man, als du hier das erste Mal rein gerauscht bist, hätte ich nicht gedacht das die kleine Sandra Dee eines Tages den Chefsessel übernimmt. Du hast es zwar nicht geschafft, die Band zurückzuholen, aber du hast sie wieder zusammen gebracht. Das ist ein Anfang. Nett, wie du das Büro eingerichtet hast, ein bisschen zu feminin für meinen Geschmack“, stand er vom Schreibtischstuhl auf.
„Ich werde die Band nicht wieder zusammen bringen, vergiss es, ich hab heut fast den wie nennst du ihn "irischen Bastard" geheiratet“, setzte ich mich an meinen Schreibtisch.
„Hey, ich bin der einzige der meinen Kumpel so nennen darf. Du hast es wirklich geschafft. Wofür wir 10 Jahre gebraucht haben, schaffst du in nur einem. Gratuliere“, erwiderte er und sah durch die Glasscheibe des Büros dem fröhlichen Brautpaar zu.
„Tja, ich bin einfach gut. Wie läuft’s mit dir und Meredith?“, wollte ich wissen.
„Gut, sie ist ne tolle Frau und ne Granate im Bett“, erklärte er.
„Oh, das will ich gar nicht wissen, sie ist meine Ex-Chefin“, hielt ich mir die Ohren zu.
„Sie sagt, sie vermisst deinen Schreibstiel und dass du jederzeit wieder zurückkommen kannst“, behauptete er.
„Du bist vermutlich mitten in eine "Gott sei Dank ist sie endlich weg" - Party von ihr geplatzt, richtig?“, durchschaute ich seine Lügen.
„Ich bin noch ein schlechterer Lügner als mein Bruder, richtig? Ja, sie hat so ihre Probleme mit dir gehabt, aber jetzt wo wir mal zusammen ausgehen können, wird sie dich richtig kennen lernen. Du siehst bedrückt aus, was ist? Du hast doch heut einen Erfolg verbucht, das sollten wir feiern“, bemerkte er meine Trauer.
„Ich bin nicht in der Stimmung zu feiern. Ich hab, was ich mir gewünscht habe, aber die Verluste auf diesem Weg waren riesengroß“, begann ich wieder zu weinen.
„Hey Kleines, ich weiß genau was du meinst, meine größten Verluste wohnen jetzt in Pennsylvania mit einem Kerl der Immobilien verkauft“, nahm er mich in den Arm.
„Deine Ex-Frau hat wieder geheiratet?“, fragte ich mitfühlend.
„Ja, vor einem Monat. Sag es den anderen nicht, sie müssen ja nicht unbedingt erfahren, dass ich von einem Kerl im Anzug überboten wurde. Wen hast du verloren?“, gerieten wir in ein tiefsinniges Gespräch, was ich nie gedacht hatte mit ihm zu führen.
„Meine besten Freunde. Ich war gerade bei ihnen, sie wollen nichts mehr mit mir zu tun haben“, erklärte ich.
„Das ist Irrsinn, wenn sie wirklich deine besten Freunde wären, würden sie alles akzeptieren. Jetzt komm, sieh’ deinen Erfolg an, die Zukunft wartet auf dich“, zog er mich raus.
„Hey, da ist ja die Chefin. Was machst du denn mit dem Alten in deinem Büro, wenn der junge im Bett auf dich wartet?“, kam uns Andrew mit leuchtenden Augen entgegen.
„Sei bloß still, frecher Kerl. Hat funktioniert mein Plan, oder nicht?“, fragte ich schmunzelnd.
„Ich danke dir, ich danke dir für alles. Aber jetzt muss ich deine wunderbare Party verlassen, ich muss meiner Ehefrau mal zeigen, was für Vorzüge die Hochzeitsnacht bringt“, zog er Tai an sich, die gerade aus der Toilette kam.
„Dann viel Spaß. Siehst du, die Ehrengäste sind weg, ich kann ins Bett gehen“, entschied ich, als die beiden gegangen waren.
„Von wegen, ab mit dir. Mein Bruder kann ruhig noch etwas auf dich warten. Ich hol dir was zu trinken“, erkannte Bale gut gelaunt und setzte mich auf einen Stuhl im Club.Das war nicht der letzte Drink an diesem Abend.
Mein Mund fühlte sich taub an und ich hatte komische Schmerzen an meiner Stirn, als ich aufwachte. Ich winkelte meine Beine an. Glasscherben klirrten unter meinen Beinen.
„Wenn ich gewusst hätte, dass du gern auf dem Tresen schläfst, hätte ich das große Bett nicht bestellt“, hörte ich die Stimme meines Freundes.
„Was ist passiert?“, fragte ich betäubt.
„Ich rate mal ne typische More Beat Party“, setzte er sich falsch herum auf einen Stuhl.
„Ich liege auf dem Tresen, richtig?“, murmelte ich.
„Ja, hab ich auch schon gemacht. Ist nicht so peinlich, wenn keine Kundschaft da ist, du hast das schon richtig gemacht“, bemerkte er und ich fühlte meine Stirn. Sie war klebrig.
„Ich weiß nur noch, dass dein Bruder mir einen Drink gebracht hat. Er muss mir was in den Drink getan haben“, suchte ich nach einer Erklärung.
„Ja, hab ich, Alkohol. Du solltest deine Bar in Coyote Ugly umbenennen, nach der Show die du gestern abgezogen hast. Komm her“, nahm mich Bale auf die Arme und hob mich vom Tresen.
„Warum hast du mich hier liegen gelassen?“, bewegte ich meine klebrigen Hände.
„Du hättest mir sonst nicht geglaubt, dass du auf dem Tresen getanzt hast. Kannst du stehen?“, fragte er und stützte mich, weil ich Gleichgewichtsprobleme hatte.
„Ich hab schon lang nicht mehr so viel getrunken. Ich geh’ jetzt duschen“, ging ich Richtung Treppe, blieb aber auf der zweiten Stufe sitzen, weil mir schlecht wurde.
„Warum können sie nicht akzeptieren, dass das jetzt mein Leben ist, das ich hier glücklich bin“, sprach ich meine verzwickte Situation mit Emmett und Priscilla an.
„Ich wusste doch, dass gestern irgendwas passiert ist. Was ist los?“, fragte Rafferty und setzte sich neben mich.„Meine Freunde wollen nichts mehr mit meinem Lebensstil zu tun haben“, vergrub ich mein Gesicht in meinen Händen.
„Aber jetzt hast du uns, wir werden immer für dich da sein“, kam mir Taijse auf der Treppe entgegen.
„Seid mir nicht böse, aber das reicht mir nicht“, stand ich auf und ging an Taijse vorbei in mein Schlafzimmer.
Als Rafferty in unser Schlafzimmer kam, kotzte ich mir gerade im Badezimmer die Seele aus dem Leib.
„Soll ich dir irgendwie helfen, dir vielleicht die Haare halten?“, fragte er fürsorglich.
„Ich kenne die beiden schon so lange, sie sollten sich für mich freuen. Mein Leben war früher so langweilig, so eintönig, jetzt hab ich viele Menschen um mich, hab einen Job den ich mag und einen Freund der nicht meinen Fernseher sondern nur mein Herz gestohlen hat“, plumpste ich neben die Toilette.
„Du hattest einen Freund, der deinen Fernseher geklaut hat? Das erklärt die Verplombung aller technischen Geräte hier. Wenn ich ein paar von deinen Sachen klaue, schreib ich dir eine Liste“, erklärte er scherzhaft.
„Du bist so doof. Oh man, ist mir schlecht. Was hast du eigentlich gemacht, als sich deine Freundin zum Affen gemacht hat?“, fragte ich und wischte meinen Mund mit einem Handtuch sauber.
„Entschuldige, ich wollte ein bisschen Rache nehmen, dass du mir das mit dem gefakten Betrug nicht gesagt hast. Aber ich hab dich davon abgehalten, dein Oberteil auszuziehen“, erklärte er.
„Oh Gott, was hab ich gestern nur gemacht? Ich glaub, es ist ganz gut, dass ich das nicht weiß“, entschied ich und stand auf.
„Glaub ich auch. Komm her“, nahm er mich auf die Arme.
„Hey, du kannst mich tragen, seit wann bist du so kräftig“, war ich überrascht.
„Überraschung. Ich hab etwas trainiert. Du hast mich ganz heiß gemacht gestern“, ließ er mich aufs Bett fallen und kletterte auf mich drauf.
„Süßer, ich hab mich grad übergeben“, drehte ich mein Gesicht weg, dass er meinen Mundgeruch nicht roch.
„Hier, Kaugummi“, steckte er mir ein Kaugummi in den Mund und begann mich zu küssen.
„Du bist ja so romantisch“, rollte ich zur Seite, so dass er oben lag.
„Leute, ich werde jetzt wieder abzischen, oh man, nehmt euch ein Zimmer“, kam Odion ins Zimmer geplatzt.
„Od, das ist unser Zimmer. Gute Reise“, erwiderte ich und bevor er das Zimmer verließ setzte ich mich auf.
„Warte mal, wo willst du hin?“, fragte ich verwundert.
„Heim, ich hab hier nichts mehr zu tun“, blieb er stehen.
„Warte, was ist mit Sai?“, kletterte ich über meinen Freund aus dem Bett. Mit meinem Knie traf ich seine empfindlichste Stelle.
„Oh Süßer, tut mir Leid. Ich dachte, ihr kommt wieder zusammen“, ging ich hinter ihm her, als er den Türrahmen passiert hatte.
„Bring mir einen Eisbeutel mit, ja?“, rief Rafferty mir hinterher, als ich Odion die Treppe herunter folgte.
„Wir hatten Sex, genau dass, was ich nicht wollte. Geredet haben wir nicht“, erklärte er und griff in die Kasse, in der ich ein Päckchen Zigaretten für Taijse versteckt hatte, und nahm eine.
„Das könnt ihr doch jetzt machen, warte mal, ihr hattet so früh Sex nach der Geburt, ihr habt echt ein Sex-Problem“, entschied ich und gab ihm Feuer.
„Genau dass ist das Problem, wir haben nur Sex. Und das seid sechs verdammten Jahren“, erklärte er mit der Zigarette im Mundwinkel.
„Dann ändert das jetzt, sucht euch ein gemeinsames Hobby, geht mit eurer Tochter in einen Mutter-Kind-Kurs, tut irgendwas außerhalb des Schlafzimmers. Das wird funktionieren“, versuchte ich ihn zum Bleiben zu überreden.
„Wir haben nichts gemeinsam außer unserer körperlichen Anziehungskraft. Das ist mir jetzt klar geworden“, drückte er die gerade angemachte Zigarette im Aschenbecher aus.
„Am Anfang habt ihr doch zusammen Gedichte geschrieben, das könntet ihr noch weiter machen“, kam Rafferty zu uns, öffnete den Gefrierschrank, tat ein paar Eiswürfel in ein Handtuch und steckte es sich in die Hose.
„Ich bin nicht so ein Poet wie du, das bringt uns auch nicht wieder zusammen“, erwiderte Odion und wischte den Tresen etwas sauber, dass er sich daran setzen konnte.
„Du bist gut, ich hab eins deiner Gedichte in einem Song verarbeitet“, erklärte ich.
„Sie hat dir ein Gedicht von mir gegeben?“
„Rede mit ihr, bleib hier“, bat Rafferty und Odion ging zurück.
„Du hast ein Gedicht von ihm als Song verarbeitet?“, wunderte ich mich.
„Nein, natürlich nicht, so haben sie zumindest was zum Reden. Du hast voll getroffen“, schmunzelte er.
„Tut mir leid. Du hast keine Lust mehr wieder hoch zu gehen, oder?“, fragte ich versöhnlich.
„Ich hab schon schlimmere Tiefschläge von Frauen ertragen müssen. Komm her“, zog er mich wieder die Treppe hoch.
„Warum sagst du ihm, dass er hier bleiben soll, ich will das nicht“, kam Sai ins Zimmer geplatzt, als wir wieder voll bei der Sache waren.
„War es wirklich so eine gute Idee, meine Wohnung zu verkaufen?“, rollte ich mich von ihm runter und schlang die Bettdecke um mich.
„Entschuldigt, ich wollte euch nicht dabei stören. Seit wann macht ihr das, wenn es hell ist?“, war Sai amüsiert.
„Ab heute nicht mehr. Ihr seid doch erwachsene Menschen, könnt ihr das nicht allein klären?“, kam ich, die Bettdecke hinter mir schleifend, auf sie zu.
„So eine Art von Beziehung führen wir nicht“, erklärte sie und ich rollte mit den Augen.
„Eine sehr gesunde Beziehung, wirklich. Also, Od, komm her sofort“, schob ich sie nach draußen.
„Du kannst deine Probleme nie allein lösen, da muss immer einer dabei sein“, erkannte Odion, der hinter ihr her gegangen war.
„Da rein“, forderte ich und zeigte auf eine Wäschekammer.
„Süße, das ist eine Wäschekammer“, erwiderte Rafferty, der auch nur im Laken zu mir kam.
„Rein da“, erwiderte ich noch bestimmter und die beiden folgten mir. Als sie drin waren, schloss ich die Tür zu.
„Du hast sie gerade in einen Schrank eingesperrt“, stellte Rafferty fest.
„Ja, mir ist gerade nichts Sinnvolleres eingefallen. Wir lassen sie jetzt ne Weile da drin, entweder muss ich danach zwei Leichen verschwinden lassen oder ich werde Brautjungfer. Also wo waren wir?“, konterte ich und begann ihn zu küssen.
„Say, ich hab ein Baby da draußen“, rief Sai von drinnen.
„Edi wird sich gut um deine Tochter kümmern, keine Sorge. Oh man, das ist wirklich wie Kindergarten hier“, erklärte ich und zog ihn zurück ins Zimmer.
„Vier Stunden“, bemerkte Andrew, als wir auf der Bar saßen und Gläser polierten.
„Das müsste genügen. Die Gläser müssen da hinten in den Schrank. Du wirst mir doch als Zeuge helfen, wenn die beiden da drin nicht mehr am Leben sind oder?“, fragte ich scherzhaft.
„Natürlich. Jetzt geh, Od hatte gestern einige Biere, er muss sicher schon ganz dringend wohin“, erklärte er und ich ging wieder nach oben.
„Kann man euch wieder rauslassen?“, rief ich in den Wäscheschrank, als ich beim Schrank angekommen war. Ich erhielt keine Antwort.
„Uh Mist“, fluchte ich und riss die Tür auf. Dort saßen die beiden, eng aneinander gekuschelt und schlafend.
„Ich bin so gut“, lobte ich mich selbst und ging mit mir zufrieden nach unten.
„Du kannst aufhören deine Zeugenaussage zu verfassen, sie leben noch. Ich denke, wir werden bald noch Mal Hochzeit feiern“, kam ich mit Stolz geschwollener Brust nach unten. Doch Andrew stand nur wie angewurzelt da, mit einem Glas im Tuch in der Hand. Er starrte eine Person an, die in der Tür stand – Efran.
„Meine Einladung zur Party ist dann wohl in der Post verloren gegangen“, lud er cool einen Army-Sack auf den Stuhl neben der Tür.
„Efran, dich hab ich echt nicht erwartet. Was willst du hier?“, fragte ich abweisend.
„Ich hab Gerüchte gehört, das Murphys hätte einen neuen Besitzer“, entgegnete er keiner Schuld bewusst.
„Ja, mich. Du bist hier nicht willkommen“, stellte ich meinen Standpunkt klar fest.
„Das hab ich verdient, denke ich. Ist meine Frau bei dir?“, fragte Efran trocken.
„Wüsste nicht, was dich das anginge. Du willst doch nicht etwa bleiben“, wollte ich ihn los werden.
„Hatte ich eigentlich vor. Kannst du sie herholen?“, fragte Efran.
„Ich bin hier. Wie war beim Mardi Gras“, kam Edvia mit Summer auf dem Arm zu uns.
„Mein Bruder hat dich also doch angerufen, er hat es die ganze Zeit bestritten. Ich hab dich vermisst“, kam Efran in den Raum.
„Und als du mich nicht in New Orleans gefunden hast, dachtest du, vielleicht ist sie ja da, wo sie immer ist“, war auch Edvia nicht gerade begeistert, ihn zu sehen.
„Das war eine saublöde Idee, das hab ich jetzt eingesehen“, gestand er.
„2 Tage sind eine blöde Idee, 3 ½ Monate ist eine Flucht aus der Ehe. Ja, ich bin immer noch schwanger, trotz deiner blöden Idee. Das ist Sais Baby. Du wolltest das Kind nicht, ich werde es bekommen, es hat sich nichts geändert“, erklärte Edvia.
„Ich war mit Enzo bei einer Schulveranstaltung seiner Tochter, da waren diese wundervollen Kinder. Ich bin jetzt bereit, ein Vater zu sein“, entschied er standhaft.
„Du musst mir nichts vormachen, ich kenn dich lang genug“, erwiderte sie.
„Gib sie mir, ich zeig dir mal, was mir Enzo beigebracht hat“, erklärte er und nahm ihr Summer ab.Ich sah ihnen zu, wie sie Richtung Küche gingen.
„Das ist wirklich nicht meine Baustelle, eine gute Tat pro Tag reicht. Na, wie ist die Ehe?“, fragte ich und drehte mich zu Andrew.
„Du hättest mich doch nicht wirklich geheiratet, oder?“, wollte er es noch mal genau wissen.
„Doch, aber sei froh, dass Sai eingeknickt ist, Rafferty hätte dich sonst innerhalb von einer Woche umgebracht“, schmunzelte ich.
„Eine Woche? Du unterschätzt mich, meine Liebe. Ich hätte ihm keine drei Tage gegeben. Ich hab einen Mordshunger, haben wir noch Steak von gestern da? Ein Steaksandwich wäre jetzt klasse“, kam Rafferty nur in Shorts an die Treppe runter.
„Schatz?“
„Was?“, drehte er sich um, als er zur Küche lief.
„Zieh dir was an, ja“, entschied ich.
„Ist gebongt“, erkannte er und ging die Treppe wieder hoch.
„Du musst ihn ganz schön geschlaucht haben, dass er Steak isst. Macht er sonst nicht. Heißt dass, wir dürfen hier nicht mehr in Shorts rumlaufen?“, fragte Andrew und ich grinste.
Der Frühling wich dem Sommer. Ich hatte einen guten Lauf. Vor allem im privaten Sinne. Saida und Odion kamen wieder zusammen, hatten aber keine Heiratspläne. Edvia und Efran machten eine Ehe-Therapie und machten gute Fortschritte. Edric entwickelte gute Vaterqualitäten und konnte Odion und zum Spätsommer auch Efran gute Tipps für die Vaterrolle geben. Ich brachte auch Madison und Abba wieder zusammen, was nicht schwer war, ich erzählte ihr einfach irgendeine romantische Story, die sie sofort schluckte.
Dann kam der Tag, den ich seit langem herbeigesehnt hatte. Die Eröffnung meines Clubs.
„Hast du den Blitz eingeschalten?“, fragte ich Rafferty, als wir alle vor dem Club standen, um das Neonlicht zum ersten Mal einzuschalten.
„Natürlich, jetzt enthülle es endlich“, forderte Rafferty und die anderen stellten sich für das Foto auf.
„Oh man, jetzt werde ich schon irgendwie nervös“, drehte ich die Kordel in meiner Hand.
„Mach es, sonst mach ich es“, befahl Taijse und ich riss das Tuch hinunter. Alles blieb dunkel.
„Tann, Saft“, rief ich und das Licht flackerte.
„Was steht da? Das sieht aus wie More Beat“, erwiderte Madison und alle drehten sich um.
„Ich dachte es würde Bohemian Rhapsody heißen?“, war Rafferty überrascht.
„Den Namen hatte ich auch erst geplant, aber dann dachte ich, dass es keine bessere Werbung für meine Hausband gäbe, als eine 12m auf 3m hohe Neonschrift“, bemerkte ich und jetzt sahen sie mich an.
„Was? Habt ihr gedacht, dass ich hier ne andere Band als euch spielen lasse, das kommt gar nicht in die Tüte“, erkannte ich und beleuchtete den Parkplatz. Dort war eine kleine Bühne aufgebaut.
„Hopp, jetzt spielt schon, dass massig Kunden kommen“, entschied ich und die Band eilte zu ihren Instrumenten.„Es wäre mir eine Ehre mit dir zusammen zu singen“, streckte Rafferty, Edvia die Hand hin.
„Was mach ich mit dem Baby?“, schulterte sie ihren Sohn.
„Gib David zu mir, ich würde nicht zu lange zögern, sonst überlegt er es sich noch anders“, erkannte ich und nahm ihr ihren Sohn ab. Später am Abend feierten wir alle im Club eine gelungene Einweihung. Überall war fröhliche Stimmung, doch Rafferty bemerkte meine traurigen Augen.
„Was ist? Hast du es dir anders vorgestellt?“, fragte Rafferty besorgt.
„Nein, es ist wunderbar, sie sind nur nicht gekommen“, sprach ich das Fehlen meiner zwei besten Freunde an.
„Was aber nicht heißt, dass sie nicht kommen“, zeigte Rafferty zur Tür, in der die beiden Händchen haltend und in schicker Abendmontur standen.
„Du hast sie angerufen?“, freute ich mich.
„Ich hab ihnen alles erzählt und sie als penetrante Eigenbrödler beschimpft, wenn sie nicht kommen würden“, schmunzelte er und ich küsste ihn, bevor ich langsam auf sie zukam.
„Sonst steh’ ich nicht so auf überfüllte Clubs, aber ich dachte, ich kenn die Besitzerin, da kriegt man sicher ein Gratisbier“, erwiderte Priscilla, als sie mich kommen sah.
„Ihr wisst nicht, was mir das bedeutet“, freute ich mich.
„Doch, das wissen wir, deshalb sind wir heute hier. Ich bin dir nicht mehr böse, dass du mich nicht wolltest, durch dich hab ich die wunderbarste Frau in dieser Stadt kennen gelernt und geheiratet“, umarmte Emmett mich.
„Ihr habt geheiratet und mir nichts davon gesagt?“, fragte ich enttäuscht.
„Kleiner Scherz, wir heiraten nächsten Winter und doch nicht ohne unsere Ehrenjungfer“, versprach Priscilla und umarmte mich auch.
„Priscilla, hey, du hast nie zurückgerufen“, kam Tanner zu uns und Priscilla präsentierte ihren Verlobungsring.
„Das erklärt wieso. Wer ist der Knilch?“, fragte Tanner gespielt eifersüchtig.
„Ich bin der Knilch. Mein Gesicht musst du dir merken, ich werde hier öfters vorbeischauen, ich bin Teilhaber in dem Laden, das heißt du stehst auf meinem Lohnzettel“, konnte Emmett auftrumpfen.
„Kann ich Ihren Mantel nehmen, Sir?“, fragte Tanner höflich.
„Das wäre eine gute Idee“, gab er ihm die Mäntel von beiden.
„Du hattest was mit Hein Blöd?“, wunderte sich Emmett.
„Muskeln sind sexy, ein Abschluss vom MIT unwiderstehlich. Komm, ich will mir den Club ansehen“, zog Priscilla ihren Verlobten an mir vorbei in den Club.
„Warum wolltest du mich mit einer verlobten Frau verkuppeln?“, fragte Tanner mich.
„Damals war sie noch nicht … ach vergiss es, geh’ wieder an die Tür, Tanner“, schmunzelte ich und ging zu Rafferty zurück.
„Warum bist du so nett zu allen, nach allem was sie uns angetan haben“, verstand es Rafferty immer noch nicht.„Du wirst schon sehen“, schmunzelte ich. Um Mitternacht hatte ich eine weitere Überraschung für alle. Zwei der Kellner die ich für den Abend eingestellt hatte brachten bunt gefärbten Champagner an die Tische.
„So, jetzt lasst uns anstoßen, auf den Neuanfang“, erklärte ich und nahm einen blauen Champagner. Auch Rafferty gab ich einen blauen Champagner.
„So, rosa für die stillenden Mütter, da ist nur Apfelwein drin und sonst kann sich jeder nehmen wie er will“, erwiderte ich.
„Warum habt ihr beide die einzigen blauen?“, fragte Bale verwundert.
„Flüssiges Viagra, ich will heute die beste Nacht meines Lebens haben“, entschied ich und wir stießen an.
Eine Stunde später saßen Rafferty und ich an der Bar.
„Ich will ja nichts sagen, aber bei mir regt sich gar nichts“, erklärte er kritisch.
„Na hoffentlich nicht, ich brauch dich jetzt“, erklärte ich und stand auf, um in die Lounges zu gehen. Alle lagen mit dem Kopf auf dem Tisch.
„Wow, eine Massenbewusstlosigkeit hatten wir im Club auch noch nicht“, war Rafferty überrascht.
„Das hoffe ich, denn die Idee ist genial. Lisa, Emmett, Tatum, Priscilla, sie sind hinüber“, rief ich durch die Schwingtür zur Küche.
„Na endlich, ich bin schon fast selber eingeschlafen. Los, erst die Frauen, da ist das Mittel nicht so stark“, koordinierte Tatum und sie schwirrten aus.
„Was wird das, was hast du mit ihnen gemacht?“, fragte Rafferty konfus.
„Wenn das klappt, wird das die beste Revanche aller Zeiten“, rieb ich mir die Hände und zog ihn an den Tisch.„Nimm seine Füße, wir bringen ihn in Taijse und Andrews Zimmer“, erklärte ich und lud den bewusstlosen Bale auf einen Servierwagen.
„Verrätst du mir, was du vorhast?“, fragte Rafferty amüsiert.
„Das wirst du schon sehen. Zieht ihnen nur die Hosen aus, ich glaub das mit der Unterwäsche wird zu knapp. Los“, koordinierte ich und wir packten Bale und Taijse in ein Bett, Odion und Edvia usw. Um halb drei waren wir endlich fertig.
„Meine Freundin ist ein Genie“, lobte Rafferty mich.
„Das hör ich gern, lass uns schlafen gehen, wir müssen in drei Stunden wieder aufstehen“, erklärte ich und nachdem alle Helfer weg waren, gingen wir ins Bett. Pünktlich um sechs Uhr drehte ich alle Boxen im Club voll auf, klemmte den Dämmschutz in meine Regale und ließ den Fliegeralarm losgehen, den ich mal in einem Club gesehen hatte.„Gut, lass uns frühstücken“, bemerkte ich zufrieden. Als ich das erste Gepolter auf den Stufen hörte, schaltete ich schnell mit der Fernbedienung alles aus.
„Was zur Hölle ist hier los?“, fluchte Bale benommen.
„Was soll los sein? Willst du Kaffee?“, fragte ich, als wäre nichts und Rafferty lugte hinter der Zeitung vor.
„Was war das eben?“, fragte er erneut.
„Entschuldige, ich hab den Kaffee vorher gemahlen. Hab ich dich geweckt?“, fragte ich in aller Seelenruhe.
„Taijse liegt halbnackt in meinem Bett“, konterte er verdattert.
„Erzähl das am Besten nicht Andy. Ich glaub ich mach dir einen starken“, schmunzelte ich.
„Da liegt ne Frau in meinem Bett und sie ist nicht meine“, kam auch Efran hinunter.
„Rote Haare, in den Dreißigern?“, fragte Bale und fuhr durch seine Haare. Erst jetzt merkte ich, dass er jetzt kurze Haare hatte.
„Wann hast du denn das gemacht?“, flüsterte ich Rafferty entgegen.
„Als du schon geschlafen hast, ich dachte so eine Gelegenheit kommt nie wieder“, flüsterte er zurück und grinste.„Das ist meine Freundin, was hast du mit meiner Freundin gemacht?“, wütete er und ich machte das Licht im Club an. Ich hatte ein Frühstücksbuffett für alle anrichten lassen.
„Esst erst mal was, dann sieht alles gleich viel besser aus“, entschied ich und sie setzten sich verwirrt. Langsam tauchten lauter halb angezogene Gestalten auf und setzten sich an den Tisch.
„Okay, jetzt sind alle da, wunderbar. Ich wollte mich noch Mal bei euch bedanken, ohne euch wäre das alles nicht möglich gewesen. Ach ja, bevor ihr esst, ich will ja nicht wie dieser Typ von MTV klingen, aber ich hab euch alle verarscht“, hielt ich eine Rede am Frühstückstisch.
„Wie hast du das hinbekommen?“, war Bale neugierig.
„Ich hab ein paar Freunde mobilisiert. Lasst das euch eine Lektion sein, legt euch nie mit eurem Boss an. Lasst es euch schmecken“, beendete ich meine Rede und begann auch zu Essen.
Als wir fast mit dem Essen fertig waren, ging Rafferty zum Klavier.
„Ich würde das nächste Lied gern meiner wunderschönen Freundin widmen, ohne dich wäre ich sicher inzwischen tot oder hätte keine Stimme mehr. Das Lied ist für dich“, erklärte Rafferty und spielte Imagine von John Lennon an. Ich hatte den Seitenhieb verstanden trotzdem lächelte ich ihn an und er lächelte zurück.
Tag der Veröffentlichung: 09.01.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
But now after loving you, what else is there to do
For honey, all the rest is just gonna have to be second best
I know I'll go through life comparing her to you
That's 'cause I'm no good, I'm no good to anyone after loving you
Elvis Presley