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Vorwort

Erstes Kapitel


Der Sonnenaufgang schien in mein Zimmer und spendete mir genug Licht um meinen Tagebucheintrag zu beenden. Uns wurde immer gesagt, man sollte seine Gefühle und Träume aufschreiben und an diesem Morgen war ich so früh aufgewacht, von Albträumen geplagt, und musste sofort alles niederschreiben. Ich schrieb eigentlich die meiste Zeit über meine Vergangenheit, obwohl uns immer gesagt wurde in die Zukunft zu blicken und die Vergangenheit zu vergessen. Aber ich wollte, wie schlimm sie auch war, meine Vergangenheit vergessen? Sie gehörte zu meiner Persönlichkeit. Als ich anfing meinen Traum aufzuschreiben, fiel mir auf, dass ich nie etwas über Will in mein Tagebuch geschrieben hatte, obwohl er einen großen Teil meiner Vergangenheit ausmachte, die ich bewältigen musste. William, den alle kurz Will nannten, war meine erste und große Liebe. Wir waren die ganze Highschool Zeit ein Paar und es stand fast schon fest, dass wir heiraten würden, denn ich war Miss Milchkuh gewesen, damals zu Hause in Alabama und jede Misswahlgewinnerin brauchte ihren Traumprinzen. Doch dann kam dieser Tag im Jahre 2002, 8 Jahre zuvor, als er mich einfach verließ. Er war fast 18, aber sein Vater hatte zu viel Macht über ihn gehabt und befahl ihm nach der Highschool zum Militär zu gehen. Wir hatten eigentlich geplant aufs College zu gehen, doch dann musste ich allein gehen. So landete ich in der großen Stadt und er irgendwo, ich hatte ihn seit dem Tag im Oktober 2002 nicht mehr gesehen.
 
„Das Wort Vergessen“ ist leider immer noch ein Fremdwort für dich, hab ich Recht?“, entschied Amadeus der sich über mich beugte, um zu sehen was ich schrieb.
„So wie das Wort „Privatsphäre“ für dich. Morgen, Amadeus das du vor 12 Uhr aus dem Bett fällst muss vermutlich damit zusammen hängen, dass heute wieder Mittwoch ist oder?“, entgegnete ich, schloss mein Tagebuch und stand müde von meinem Schreibtisch auf. Ich wohnte seit etwa 4 Monaten in einem betreuten Wohnen. So lange war ich nämlich aus der Reha raus. Nicht, weil ich gesund war, natürlich war ich das nach meinen sechs Monaten ohne Drogen nicht, aber es war ein Anfang. Noch vor einem halben Jahr konnte ich nicht aufstehen, wenn ich nicht wenigstens LSD geschluckt hatte. Jetzt reichten mir ein Kamillentee und ein paar Kekse. Die letzten Monate waren wirklich die Hölle gewesen. Amadeus war nicht dinglich der Grund gewesen, obwohl schlafen Sie mal mit einem Typen in einem Raum der die Wahnvorstellung hat, dass der Tag sich in einer Zeitschleife wiederholt.
„Es ist Mittwoch? Es ist immer Mittwoch!“, erkannte er und ich sah in seine weit aufgerissenen Augen.
„Ja, immer nach Dienstag und vor Donnerstag. Morgen Leute ihr kennt die Prozedur“, gesellte sich mein Pate und Betreuer Bear zu uns, übereichte uns beiden einen Pinkelbecher und verschwand wieder.
„Hatten wir das nicht schon mal?“
„Ja, letzten Mittwoch. Nerv mich nicht“, grummelte ich und ging zum Pinkeln. Meine Urinprobe müsste eigentlich verwässert sein, so viel Wasser wie ich in letzter Zeit trank.
Missmutig stellte ich den Becher auf den Wagen den Sunset die Schwester im Haus dann nicht weniger schlecht gelaunt weiterfuhr. Es war Sommer und ich war in New Orleans. Früher hatte ich immer gedacht in Alabama gäbe es die heißesten Sommer. Da war ich aber noch nicht an einem schwülen Sommertag in New Orleans gewesen. Meine Sporthose und mein T-Shirt klebten mehr an mir als Amadeus und das musste was heißen.
„Dieser Tag wiederholt sich“, erkannte Amadeus erneut.
„Wenn du weiter so quatschst, dann wirst du das Morgen wirklich nicht erleben. Ich geh’ duschen“, hatte ich an diesem Morgen wirklich schlechte Laune und so ging ich kalt duschen. Nicht mal das war angenehm. In dieser Jahreszeit war ich sowieso nie sehr gut drauf. Erstens weil sich der Jahrestag von Wills Verschwinden wie jedes Jahr jährte, zweitens weil wir keine Klimaanlage hatten, da unsere Einrichtung auch schon bessere Tage gesehen hatte. Wir hatten nur einen Fernseher für 12 Personen im Haus, keinen PC und natürlich nur ein Telefon. Als wären wir mit unseren Entzugserscheinungen mitten in der Nacht nicht genug gestraft.
 
„Dein Pudding wird vom Anstarren auch nicht leckerer“, scherzte Cyprus ein 39-jähriger Kettenraucher, und eigentlich sonst nicht sehr gesprächig, beim Frühstück und ich lenkte meine Gedanken wieder auf die Wirklichkeit.
„Ja, wirklich nicht“, entgegnete ich um ihm Recht zu geben und schob den gräulichen Pudding, der eigentlich aus Vanille bestehen sollte, zur Seite.
„Lass Billie in Frieden sie ist mal wieder in Gedanken in der Vergangenheit“, verteidigte mich Hancock, der seinen Spitznamen da durch erhielt weil er sich vom Hancock Tower in Chicago stürzen wollte.
Damit war ich gemeint. Wilhelmina Widow mein Name, das ist der Name den mir meine sadistischen Eltern gegeben haben. Hier drinnen war ich nur Billie. Die wenigsten kannten meinen wirklichen Namen. Glücklicherweise muss ich dazu sagen.
„Wo du mit deinen Gedanken bist, wissen wir ja alle. Willst du das haben, was sie hier Pudding nennen?“, fragte ich und er sah beschämt zu Boden. Ach ja ihr wisst ja gar nicht was ich damit meine. Han ist sexsüchtig. Armer Junge. Aber zu seinem Glück haben die hier im Haus eine seltsame Regelung. Man wurde in den Zimmern nach den Krankheiten eingeteilt. Das heißt im Klartext die Junkies kamen zu den Junkies, die Selbstmordkandidaten zu … ah ihr versteht. Vorauf ich hinaus will, ihr Name ist Galiene. Die beiden sind eigentlich nicht auseinander zu bekommen. Aber diesmal fehlte sie am Tisch.
„Wo ist Gal?“ fragte ich etwas zu laut für Han denn er schreckte zusammen.
„Sie schläft, was dagegen?“, zog er den Pudding an sich.
„Ich hab nur gefragt. Man bist du heut eine Frohnatur. Bitte“, schüttelte ich verwundert den Kopf.
„Danke. Entschuldige, diese Drogentests machen mich immer so konfus. Die werden vermutlich was finden, was sie da nicht finden sollten“, erkannte er.
„Du hast was? Gib her“, mischte sich Amadeus ein.
„Daran wirst du nicht so viel Freude haben. Obwohl wenn Billie mal wieder in Stimmung ist“, schüttelte er ein Gefäß mit blauen Pillen.
„Viagra, du schluckst Viagra? Wie alt bist du 22? Das ist wirklich krank“, bemerkte ich und er steckte sie schnell wieder weg.
„Was denkst du wohl wie oft Gal es braucht? Die Frau ist nicht zu bremsen“, konterte Han aber nicht ohne ein bisschen Begeisterung in der Stimme.
„Das kann ich mir vorstellen. Oder will ich es mir gar nicht vorstellen? Diese Scheißdinger sind verdammt gefährlich, hör auf damit. Wie bist du eigentlich da ran gekommen?“
„Das wüsstest du wohl gern Mädchen. Ist mein kleines Geheimnis. Und ich bin zu jung für einen Herzinfarkt. Den bekommen nur alte Säcke. Aber danke für deine Sorge. Dieser Pudding schmeckt wirklich echt zum Kotzen“, hörte er auch auf meinen Pudding zu essen.
„Ja, hab ich doch gesagt. Männer! Warst du schon bei der Untersuchung?“, wollte ich wissen ob er die wöchentliche Prozedur bei der Ärztin schon erledigt hatte.
„Ich bin grad aufgewacht das mach ich noch“, nörgelte Han wie ein Schuljunge.
„Ich geh’ dann mal das ich’s hinter mir habe. Gib her“, grummelte ich und entriss ihm die Schüssel wieder.
„Hey, das will ich noch essen“, wurde er sauer.
„Oh man, es ist wirklich zu heiß für eure Kindergartenlaunen. Bis später“, gab ich ihm die Schale zurück und schlurfte zu Care, die eigentlich Cahira, hieß unserer Ärztin. Eigentlich mussten die Jungs gern zu ihr gehen, denn die Tochter irischer Einwanderer war eine echte Schönheit.
„Morgen, konntest du schlafen?“, begrüßte Cahira mich einigermaßen freundlich und ich zog mein T-Shirt aus.
„Nicht wirklich, ist viel zu heiß. Wie sieht es mit den Aktien heute aus?“, wollte ich wissen. Wir hatten keine Zeitung und als gelernte Wirtschafterin interessierte mich das schon.
„Apple schießt in die Höhe, der Dollar dümpelt aber grad. Soll ich wieder eine Aktie für dich kaufen?“, beredeten wir geschäftliches während sie mich abhörte.
„Nein, zwei reichen mir danke. Gott sei Dank hast du hier drin wenigstens Klimaanlage. Dann drehen die Jungs nicht ganz durch wenn sie zu dir kommen. Und wie geht’s meinem Körper?“ drehte ich mich im Sitzen zu ihr.
„Ich will eine Blutprobe nehmen, du siehst verdammt blass aus. Du nimmst doch regelmäßig die Vitamine die ich dir gebe, oder?“ schien Cahira besorgt.
„Ja Doc, hab ich schon letzte Woche gesagt. Ich mach grad einen Entzug durch, du kennst das ja. Da ist man halt voll ausgelastet“, erwiderte ich und sie nickte verständnisvoll. Cahira war schon fast 10 Jahre in diesem Haus. Sie kam als Patientin her, schaffte es dann irgendwie clean zu werden und Medizin zu studieren. Ich bewunderte sie.
„Ich muss dich nicht fragen, ob du mir grad was geklaut hast oder?“, bemerkte sie und ich hob die Arme hoch, dass sie sehen konnte, das ich ja keine Medikamente eingesteckt hatte.
„Hab ich auch nicht gedacht. Okay, gucken wir mal ob wir eine gute Vene finden. Gott sei Dank warst du so klug, keine Nadeln zu benutzen. Bei dir geht es noch. Bei Amadeus ist es ganz was anderes. Wie geht’s ihm?“, erkundigte sie sich nach Amadeus Befinden, während sie mir Blut abnahm.
„Er denkt heute mal nicht, dass er von Aliens abstammt. Ganz gut, glaub ich“, scherzte ich.
„Das ist toll … irgendwie. Du schickst ihn am besten gleich zu mir rein. So, fertig, drücken bitte“, entfernte sie die Nadel und ich muss eine Kompresse auf den Einstich drücken.
„Mach ich. Verkauf aber meine Aktie wenn sie über vier Punkte runtergeht ja. Ich kann mir nicht leisten wieder so viel zu verlieren. Es war mir wie immer eine Freude“, verabschiedete ich mich, sie gab mir noch ein Pflaster und das war’s für diese Woche.
 
Ein heißer Schwall kam mir entgegen, als ich den kühlen Raum wieder verließ.
„Kann ich nicht einfach bei dir bleiben?“, streckte ich den Kopf wieder rein.
„Geht leider nicht. Aber dein T-Shirt brauchst du schon“, warf sie mir mein T-Shirt hin.
„Keine schlechte Idee. Bye“, schmunzelte ich und zog mir mein T-Shirt wieder über.
 
Den Rest des Tages las ich. Ich hatte mir angewöhnt viel zu lesen. Ich hatte schon im Studium viel gelesen, aber jetzt vertiefte ich mich in Barbara Wood und John Grisham Romanen. Ich saß am Fenster mit einem Fuß  draußen bis es kühl wurde. Wenn man die 30° C die doch draußen waren kühl nennen konnte.
„Du hast doch nicht vor zu springen, oder?“, kam Amadeus ins Zimmer.
„Heute nicht. Wie sieht’s unten aus?“
„Sie sind heiß am diskutieren. Morgen wird ein Neuer kommen. Sie machen ein großes Geheimnis daraus wer es sein könnte, aber die anderen Fragen ständig nach. Du kennst das ja. Hoffentlich nicht wieder so einer der dauernd kotzen muss. Ich hab diese Woche Reinigungsdienst. Ich geh’ morgen mit Bear die Post holen. Kommst du mit?“, erklärte Amadeus und ich zog meine Beine herein um aufzustehen.
„Ich werd morgen in der Krankenstation helfen. Du kannst mir aber ne Packung Oreos mitbringen, wenn du willst“, verneinte ich sein Angebot, schloss das Fenster und mein Buch.
„Du frisst diese Dinger echt in Massen langsam. Du hast ja fast schon wieder Normalgewicht“, scherzte Amadeus und ich legte das Buch auf meinen Nachttisch.
„Der Doc hält mich trotzdem noch für zu mager. Ach übrigens war alles in Ordnung bei deiner Untersuchung?“
„Ist es nicht jeden Tag so? Ein kleiner Scherz“, bemerkte er und setzte sich auf sein Bett.
„Du bist ja gerade so rational. Du hast doch nicht etwa was genommen, oder?“ setzte ich mich neben ihn.
„Nein, nicht das ich wüsste. Ich glaub ich geh’ jetzt schlafen“, legte er sich hin.
„Tu das, ich geh’ noch runter zu den anderen. Schlaf schön“, machte ich das Licht aus und ging nach draußen.
Als ich runterkam waren schon die Hälfte der Leute in der Diskussionsrunde aufgestanden und argumentierten mit ihren Händen und Füßen.
„Ich meine nur, dass wir wissen sollten, wer hier her kommt, dass wir uns auf sie oder ihn einstellen können“, diskutierte Zookie mit Bear und ich setzte mich neben ihn.
„Das ihr sie oder ihn wieder fertig macht, so wie ihr es immer tut?“, bemerkte ich und nahm einen Bleistift.
„Das ist überhaupt nicht wahr“, prustete ein Mädchen mir gegenüber entrüstet.
„Die machen das sicher nicht weil sie euch ärgern wollen. Stimmt’ s nicht, Bear?“, erkannte ich und tat so als würde ich mir etwas auf meinem vor mir liegenden Blatt aufschreiben.
„Billie hat Recht. Die wollen uns fast keine Leute mir her schicken, weil ihr sie nur schikaniert. Vergesst nicht, ihr habt alle Probleme so wie der oder die Neue die kommt. Er ist einer von euch, verdammt“, platzte Bear der Kragen.
„Er muss sich erst beweisen, um einer von uns zu sein. Er muss standhaft und stark sein und den Willen zeigen“, entschied Rod, unser Sprecher und selbst seit einem Jahr trocken.
„So wie Bonnie & Clyde da oben, die es treiben wie die Karnickel“, sprach Zookie das Thema an, was mich auch beschäftigte.
„Er hat Recht. Wir fliegen, wenn wir auch nur etwas denken anzurühren und die … man ich will es mir gar nicht vorstellen“, verzog Zookie das Gesicht.
„Ihr Mädels seid doch nur eifersüchtig auf Gal gebt es doch zu. Sie hat ihren Spaß. Ich geh’ jetzt Fußball gucken“, kam Han die Treppe runter. Er hatte sich gar nicht die Mühe gemacht sein Hemd wieder an zu ziehen und ging weiter die Treppen runter in das Fernsehzimmer im Keller.
„Na Gott sei Dank, er ist fertig, dann kann ich ja endlich schlafen gehen“, freute sich Zookie, stand auf und ging in ihr Zimmer.
Zookie war etwa in meinem Alter und war als Kind von ihrem Vater mehrfach missbraucht worden. Ihre Augen waren leer. Als sie mal aus Versehen mit einem Vergewaltiger in ein Zimmer gesteckt wurde, machte sie ihn zeugungsunfähig. Seit dem hatte sie als einzige im Haus ein Einzelzimmer.
 
Nach Zookies Weggang aus dem Diskussionsraum war irgendwie die Diskussion vorbei. Alle verstreuten sich wieder. Ich ging zurück ins Zimmer. Amadeus den die meisten hier „Skyfire“ nannten schlief friedlich. Ich wünschte mir es würde immer so sein. Ich strich ihm durch die Haare, deckte ihn zu und ging wieder ans Fenster, denn mit der Straßenlaterne die draußen brannte konnte ich noch etwas lesen.
 
„Wisst ihr jetzt wer es ist?“, nuschelte Skyfire in sein Kissen und vor lauter Schreck viel ich fast aus dem Fenster.
„Mein Gott, Jesus erschreck mich nicht so. Nein, wir wissen nichts. Schlaf weiter“, schmunzelte ich und schloss das Fenster. Ich war nicht müde. Ich schlief ja sowieso immer in den Tag hinein. Ich legte mich aufs Bett und fing wieder an in meine Tagträume zu schlüpfen. Von den Tagen auf der Farm mit meinen Eltern und meinen Brüdern, und von Will. Warum war Will nur weggegangen? Wir hätten längst verheiratet sein können.
„Ich glaub es wird wieder ein Vergewaltiger“, murmelte Skyfire, doch ich hörte ihm nicht mehr zu.

Zweites Kapitel


Laute Stimmen weckten mich tags drauf. Die Sonne schien mir ins Gesicht. Ich hatte vergessen den Vorhang zu zuziehen. Ich war wie so oft total verschwitzt. Aber an diesem Tag hatte ich irgendwie besserer Laune. Ich latschte zur Tür und beugte mich über das Geländer. Jetzt wusste ich warum es so laut war. Die Leute von der Fürsorge waren da und mit ihnen ein Junge mit blassem Gesicht und in Handschellen.
„Ich sag’s doch wieder ein böser Bube. Pädophiler Sack“, konterte Skyfire, der im Sessel nur 2m neben mir saß und dem das ziemlich egal schien.
„Ein Kinderschänder. Der soll ein Kinderschänder sein? Der ist doch selbst noch ein Kind“, erkannte ich und sah den Jungen an. Ich hatte lang keine so traurigen Augen gesehen.
„Er ist 16 oder so. Ist in ein Waisenhaus eingebrochen und hat sich an 7 Mädchen vergangen, hab ich grad gehört. So ein Drecksack“, erwiderte Zookie die zu mir gestoßen war.
„Was will der dann hier, der gehört lebenslang weg gesperrt“, entschied Han und immer mehr Patienten kamen zu uns.
„Er sieht so traurig aus“, war ich in Gedanken.
„Der wird erst mal traurig sein, wenn wir mit ihm fertig sind“, ballte Rod die Fäuste.
„Ihr rührt ihn nicht an“, wurde ich laut.
„Was denn, wirst du plötzlich Mutter Theresa?“, verstand Han meine Aussage nicht.
„Du hast auch schon mal eine Frau vergewaltigt, Calvin, vergiss das niemals“, entgegnete ich und Zookie sah mich an.
„Hat er das?“
„Red kein Mist, sie wollte es. Ich hab sie zu nichts gezwungen. Die Anklage wurde fallen gelassen“, behauptete Han und Zookie ging angeekelt ein paar Schritte zurück.
„Ich würde dir nie etwas tun Kleines, das weißt du doch“, entgegnete Han vorsichtig und ging einen Schritt auf sie zu.
„Das hat Larry auch gesagt. Jetzt redet er einige Tonlagen höher. Fass mich bloß nicht an“, zischte sie und ging zurück in ihr Zimmer.
„Vielen Dank Billie, wirklich“, grummelte Han und folgte Zookie.
„Was hat er denn? Stimmt doch. also ich geh’ jetzt runter“, murmelte ich und ging die Treppe runter.
„Wo willst du hin?“, fing mich Bear m Ende der Treppe ab.
„Ich begrüße den Neuen nach was sieht’s den aus?“, erwiderte ich und löste seine Hand von meinem Arm.
„Von wegen. Der wird erst mal richtig untersucht. Du musst ja sowieso in der Krankenstation arbeiten. Das ist ein kranker junger Mann sprich ihn nicht an, bitte“, entschied er und wortlos ging ich zur Krankenstation.
„Hey, du bist früh dran. Ist ein ziemlicher Tumult da draußen. Ist gut, dass du da bist, ich will nicht mit dem Kerl allein sein“, begrüßte mich Care während sie die Regale einräumte.
„Jetzt fang nicht du auch noch an. Er ist krank. Als Ärztin dürftest du nicht so denken“, zog ich mir meine weiße Kluft an, während ich mit ihr redete.
„Ich hab selbst Kinder, tut mir leid, das kannst du nicht verstehen. Ich stell mir nur vor wie er das meinen antut und es überkommt mich eine Wut die ist unbeschreiblich. Das wirst du eines Tages verstehen. Wasch dir die Hände und dann geht’s los“, bemerkte sie Gedanken versunken und band mir den Kasack am Körper fest. Damit ging sie sicher, dass ich mir keine Medikamente einsteckte.
„Ist es zu eng?“, fragte sie und ich schüttelte den Kopf.
„Gut. Handschuhe!“
„Deine Laune ist wirklich hervorragend. Mit was fangen wir an?“
„Er muss sich erst mal ausziehen, dann untersuch ich ihn, dann Blut abnehmen und Allergien festlegen. Die ganze Schose. Das kennst du doch“, grummelte sie.
„Er ist jetzt da, kann er kommen?“, streckte Bear den Kopf in die Tür des Untersuchungsraums.
Care atmete tief durch.
„Ja, bereit“, schnaufte sie und er hörte Handschellen die aufgeschlossen wurden. Von nahem sah der junge Mann der uns da vorgeführt wurde noch schwacher und hilfloser aus. Er trug ein verwaschenes Eminem T-Shirt, Turnschuhe und Jeans. Ein ganz gewöhnlicher Jugendlicher halt.
„Ausziehen“, befahl Care und ließ ihre Handschuhe klatschen als sie sie anzog.
Der Junge sah sie an, als spräche sie Suaheli.
„Warte, ich helfe dir“, bat ich mich freundlich an und zog ihm vorsichtig das T-Shirt aus. Sein Oberkörper war überseht von blauen Flecken und Brandnarben.
„Biste hingefallen?“, wollte Care ungeschickt wissen.
„Wie lang warst du drin?“, fragte ich fürsorglich.
„3 Jahre“, erwiderte der Junge leise und zog seine Hose aus. Seine Shorts waren mit Spiderman Motiven überseht. Darunter wieder blaue Flecken.
„Und die Wärter haben nichts unternommen?“
„Das waren die Wärter. Ich hab Angst“, erklärte der Junge und legte sich mit seinem schlaksigen Körper auf den Untersuchungstisch.
„Keine Sorge, Hunde die bellen, beißen nicht, mich hat sie auch so empfangen. Sie ist eigentlich eine echt Nette. Wie heißt du denn?“, redete ich ihm gut zu.
„Lucias, aber alle nennen mich Babyface“, erklärte er und ich lächelte.
„Also gut Babyface, wie alt bist du?“
„16!“
„Blutgruppe?“
„Weiß ich nicht!“
„Macht nichts, können wir feststellen! Irgendwelche Allergien?“
„Penicelin und Morphin“, erkannte er wie auswendig gelernt.
„Ist notiert. Irgendwelche Krankheiten?“
„Sonst wäre ich nicht hier, oder?“
„Ich meine körperliche!“
„Asthma“
„Deinen Inhalator hast du noch“, mischte sich Care in unser Gespräch ein.
„In meinen Sachen. Wer von Ihnen ist jetzt der Arzt?“
„Das bin ich. Tut das weh?“, drückte sie ihm die Spritze zum Blut abnehmen in den Arm und er zuckte zusammen.
„Gut. Hab ich gehofft. Kannst du ihm seine Tasche holen? Ich muss die Medikamente aufnehmen“, bat Care und schickte mich nach draußen.
„Erinnere mich daran, dass ich Care nie vor einer Untersuchung verärgere. Ich will seine Tasche“, bemerkte ich und übernahm seinen Rucksack.
„Spielt sie wieder Metzger?“
„So sieht’s aus. Ist das alles?“
„Ja, er hat nicht viel. Geht’s dir gut, stehst du das durch?“
„Ja, sicher. Bye“, konnte ich die ganze Aufregung nicht verstehen und ging wieder zurück.
 
„Wenn du mich jetzt noch fragst ob es mir gut geht, flippe ich aus“, bretterte ich in unser Zimmer und sah gerade noch, wie Amadeus seine Zigarette im Mund umdrehte.
„Was zum Henker rauchst du da?“, fragte ich leicht erbost.
„Ich rauch doch nicht“, log er mir glatt ins Gesicht.
„Tut das nicht weh?“, fragte ich schadenfroh.
„Ach verhalt dich doch nicht wie ein Baby“, grummelte ich und schlug ihm auf den Rücken. Die Fluppe kam im hohen Bogen aus seinem Mund geflogen.
„Verdammt, die hätte ich auch genauso gut verschlucken können“, fluchte er und ich hob sie auf.
„Lucky Strike, du rauchst eine ganz gewöhnliche Zigarette?“
„So sieht’s aus. Ist auch mein Zimmer und das ist hier nicht verboten“, tat er verärgert.
„Sonst geht’s dir noch gut? Mach doch was du willst. Dann ess ich hier halt wieder Fisch“, ärgerte ich ihn.
 
Amadeus wurde von Fisch immer speiübel. So wie mir von Zigarettenrauch. Ich machte das Fenster auf. Dort lag ein Aschenbecher mit mindestens einem halben Dutzend ausgedrückten Zigaretten.
„Und ich hätte furchtbar Hunger auf Lachs mit Muscheln“, erwiderte ich und sah ihn an. Ihm wurde schon bei dem Gedanken auf Fisch schlecht.
Kreidebleich stammelte er „ja, ja okay ich rauch unten“.
„Geht doch. Also komm frag mich“, bemerkte ich und setzte mich auf mein Bett.
„Nein, das schenk ich mir. Du hast sicher schon genug gelitten heute. Willst du nen Tee?“, war er plötzlich verdammt fürsorglich.
„Nein, ich will keinen Tee. Ja, ich hatte einen anstrengenden Tag in der Station, aber es hat mir nichts ausgemacht, Babyface zu behandeln. Er ist ein verschüchterter junger Mann und ich habe keine Angst vor ihm“, erklärte ich.
„Das solltest du aber. Er ist gefährlich“, konterte er mit herbem Gesichtsausdruck.
„Und das weißt du woher? Ich hab mit ihm gesprochen, du nicht. Er ist erst 16 mein Gott. Ja, er ist ein Kinderschänder. Er saß dafür 3 Jahre seines jungen Lebens im Gefängnis. Und wenn du jetzt damit anfängst, dass du das auch getan hast, diese 3 Wochen sind nichts im Vergleich“, diskutierte ich schlagkräftig.
„Du weißt das genau so wenig. Eine Nacht wegen Fahrens unter Drogeneinfluss. Er wird in die Schwerverbrecherabteilung gebracht. Du weißt was das heißt. Das wird er nicht überleben. Vergiss ihn“, war Amadeus davon gar nicht berührt.
„Von wegen, er kommt zu uns. Er hat seine Strafe abgesessen. Deswegen ist er hier. Er zieht morgen in Barkleys altes Zimmer“, sagte ich rechthaberisch.
„Barkleys Zimmer? Das sind drei Zimmer zwischen mir und diesem Perversling. Bear wird das sicher ändern können“, stürmte er empört aus dem Zimmer.
„Er könnte damit sogar durchkommen. Was denkst du, Zookie?“, sprach ich Zookie an, die sich im Bad versteckt hatte.
„Entschuldige, ich wollte nur etwas Abstand von Han haben. Er will mir unbedingt die „Sache“ erklären. Ich glaub nicht, dass Bear Zeit für seine Kinkerlitzchen hat. Gehen wir ein bisschen trainieren, da ist Han sicher nicht“, schlug sie vor und ich stimmte ihr zu.
 
„Wir kennen uns jetzt fast 4 Jahre und dieser Mistkerl hält es nicht für wichtig mir zu erzählen, was er getan hat. Dieser verfluchte Mistkerl“, boxte Zookie mit dem Knie in den Boxsack den ich hielt und bei jedem Schimpfwort trat sie fester zu.
„Er hat es mir im Vertrauen erzählt. Ich hätte es nie sagen dürfen, aber ich war so sauer über seine Aussage. Hältst du mal, ich glaub ich muss auch mal zutreten“, wechselten wir die Position.
„Ich finde wir sollten hier alle ehrlich miteinander sein. Ich denke wenn wir alles über den anderen wissen, dann verbindet das“, erkannte sie.
„Glaub mir Süße, du willst gar nicht wissen, was ich alles gemacht habe um an Stoff ran zu kommen. Manche Geheimnisse bleiben es lieber. Man, das tut wirklich gut“, entschied ich und boxte weiter.

Drittes Kapitel


Freitag war der Tag, an denen wir die Post bekamen. Ich bekam fast keine Post. Umso überraschter war ich, als mich Bear an diesem Morgen an stupste und mich damit weckte.
„Post“, bemerkte er wenig einfühlsam und ich drehte mich im Halbschlaf um.
„Dann eben nicht“, grummelte er, legte den Brief auf mich und ging wieder. Mit geschlossenen Augen tastete ich nach dem Brief und setzte mich auf.
„Oh verdammt“, erwiderte ich, als ich den Absender sah.
Meine Eltern hatten mich gefunden. Ich las Zookie den Brief vor. 


würde ich mich furchtbar freuen wenn du zu unserem 30. Hochzeitstag, der in die Halloween Woche fällt, zu uns kommen würdest.

Deine liebe Mutter


„Klingt doch gut, ich würd es machen“, erkannte Han der neben ihr saß.
„Ja, klasse sie haben mich zwar seit Ewigkeiten mehr gesehen und sie mussten von einem Fremden erfahren, was mit ihrer Tochter ist. Kinderspiel“, meinte Zookie ironisch.
„Wenn ihr dann fertig sein, mir meinen Tag schon beim Frühstück zu versauen. Ich wollt da sowieso nicht hin“, murmelte ich in meinen Tee hinein.
„Gut, dann nicht“, bemerkte Zookie und widmete sich wieder der Zeitung.
„Wirklich nicht!“, fügte ich hinzu.
„Ja, ich glaub‘s dir“, entgegnete sie ungerührt.
„Ich wüsste auch gar nicht, was ich anziehen sollte!“
„Hörst du mal damit auf“, quengelte Han und schlurfte seinen Kaffee.
„Ich sag nichts mehr“, mampfte ich einen Keks.
„Prima. Krieg ich den Sportteil“, redete er mit Zookie und bekam die Zeitung.
„Was soll ich denn auch sagen“, fing ich wieder damit an.
Wortlos senkte er die Zeitung.
„Ich geh’ noch mal Bagels holen“, verkrümelte ich mich und er schien erleichtert.
 
„Ich will mich ja nicht wiederholen, aber alles klar mit dir?“, fragte Bear, der hinter mir in der Küche anstand.
„Das tust du aber. Ja, mir geht es prima. Sonst noch was?“
„Du hast Post bekommen“, hielt er mich auf, als ich schon fast an der Tür war.
„Ich weiß, du hast sie mir ja gegeben. Bis später“, ließ ich mich nicht beirren und lief weiter.
„Was interessantes?“ ließ er nicht locker.
„Nein, nicht wirklich“, streckte ich den Kopf zur Tür herein.
„Gut, du kannst es mir ja bei der Beratung heute Abend erzählen“, gab er nach.
„Ganz sicher nicht!“
„Wie geht’s deinen Eltern?“
„Du bist heute ja überhaupt nicht wunderfitzig“, erkannte ich und tat wieder ein paar Schritte nach vorne.
„Entschuldige, geht mich nichts an“
„Sei feiern ihren 30. Hochzeitstag. Ich soll hinkommen“, gestand ich ohne es eigentlich zu wollen.
„Da hätte ich sowieso keine Lust zu“, entschied er und bestrich sich an dem Stehtisch einen Bagel.
„Dich hätte ich ganz sicher nicht mitgenommen“, schmunzelte ich und ging zurück zur Tür.
„Hättest du aber müssen, ist so die Regel. Obwohl ich nicht genau weiß wie es bei Grenzüberschreitung ist“, erklärte er und ich kam wieder zurück.
„Heißt das, wir dürfen nur mit Betreuer wegfahren?“, wunderte ich mich.
„Ich dachte du wolltest da nicht hin?“
„War ja nur ne Frage. Nen Guten“, ging ich endgültig von dannen.
 
An diesem Abend hatte ich mal wieder einen melancholischen. Das war öfters der Fall, aber früher hatte ich diese Phasen durch Drogen unterdrückt.
Also saß ich im Dunkeln im Fernsehzimmer und hörte Musik.
„Norah Jones. Dir geht’s nicht gut, wirklich nicht“, analysierte mich Bear, der mit einem offenen Bier in der Hand zu mir kam und sich neben mich setzte.
„Ich dachte Alkohol wäre hier verboten“, konterte ich und er nahm einen Schluck.
„Ich hab sie den Alkoholikern weggenommen und dachte ich sollte sie auf dem Schnellsten Wege vernichten. Außerdem war mein Tag auch nicht so toll“, erwiderte er und legte die Füße auf den Tisch. Ich beobachte Bear. Gabriel, wie er mit richtigem Name hieß, war ein etwas in die breite gegangener End-Zwanziger der sein halbes Leben hier verbracht hatte. Er sah schon gut aus, aber das viel kaum jemand auf. Sie kannten ihn immer nur als den psychologischen Betreuer und den Kerl der die Pinkelbecher verteilte. Wenn es um die Einhaltung der Regeln ging war er streng aber gerecht. Um so verwundert war ich, dass er jetzt neben mir saß und ein Bier trank.
„Was?“, kommentierte er meine Blicke.
„Krieg ich nen Schluck?“
„Von wegen. Also fang du an, was ist los?“, begann er mit seiner Beratung.
„Du weißt was los ist“, grummelte ich und sah in eine andere Richtung.
„Immer noch die Briefgeschichte. Weißt du eigentlich was deine Mutter zu mir gesagt hat, als ich sie wegen dir angerufen habe und ihr erzählt habe wie es dir geht?“
„Oh mein Gott, meine arme Tochter?“, murmelte ich.
„Ja, das auch, aber sie sagte auch „warum ist sie mit ihren Problemen nicht zu mir gekommen“. Das hat sie gesagt“, erklärte er und legte mir die Hand auf die Schulter.
„Das hat sie gesagt?“ fragte ich hoffnungsvoll.
„Okay, das hat meine Mutter gesagt, aber sie hätte es sagen können“, gab er zu und ich stand auf.
„Billie warte. Deine Mutter würde es verstehen“, versuchte er mich umzustimmen.
„Ja, das würde sie. Das ist ja grad das Problem“, verzog ich mich.
 
Als ich grad aus der Dusche herauskam, Amadeus schlief schon, stand plötzlich Bear wieder vor mir.
„Ich war noch nicht fertig“, erkannte er und sah mich an. Ich trug nur ein Handtuch und eine Haarspange.
„Kuscheln ist nicht. Dafür bin ich jetzt zu müde. Gute Nacht“, witzelte ich und ging hinter meine chinesische Trennwand um mich anzuziehen.
„Ich mein das ernst. Wir müssen darüber reden“, bat er vorwurfsvoll.
„Hab ich was verpasst?“, murmelte Amadeus schlaftrunken.
„Nein, schlaf weiter“, grummelte ich und zog mir schnell T-Shirt und Shorts an.
„Ich bin Psychologe, ich kann nicht anders“, entschied er.
„Es ist spät, das hat auch noch morgen Zeit“, bat ich und ging zu meinem Bett.
„Gut, gute Nacht“, gab er auf und trottete davon.
„Habt ihr was miteinander?“, wollte Amadeus neugierig wissen.
„Ich dachte, du schläfst?“, kuschelte ich mich in mein Bett.
„Ich krieg es schon aus dir raus“, nuschelte er in sein Kissen.
„Schlaf weiter“, entgegnete ich und drehte mich in meine Schlafposition.
„Männer“, dachte ich noch, während ich unsanft einschlief.
 
Wieder ein neuer Tag erwartete mich. Samstag durften wir Partys feiern, aber ohne Alkohol und Drogen hatte keiner so eine große Lust darauf. Umso überraschter war ich, als reges Treiben im Speisesaal herrschte. Irgendetwas wurde vorbereitet. Von weitem sah ich schon Bear auf mich zu steuern. Ich versuchte auszuweichen, er erwischte mich aber.
„Später, ja“, würgte ich ihn schon ab, bevor er was gesagt hatte.
„Was heißt später?“, fragte er mich verwundert.
„Das ist das Gegenteil von jetzt. Bye!“, ging ich weiter.
„Ich dachte wir hätten in der Therapie schon solche Fortschritte gemacht, dass du mir alles sagen kannst“, analysierte er mich wieder.
„Hör auf damit. Wir treffen uns seit über sechs Wochen nicht mehr zu Therapiestunden. Mir geht’s prächtig. Damit werde ich schon fertig. Stell dich lieber an, bevor der Kaffee alle ist. Bye“, ging ich leicht genervt weiter.
Ich setzte mich an einen Tisch. Ohne zu fragen, setzte er sich mir gegenüber.
„Es ist nicht gut, wenn du es in dich hineinfrisst“, begann er und ich nahm einen Bissen von meinem Bagel.
„Man, lass es doch einfach. Mir geht es gut, soll ich dir das noch buchstabieren?“, erwiderte ich und nahm einen Schluck Tee.
„Verdrängung hilft dir da gar nicht weiter“, bemerkte er mit sanfter Stimme.
„Du stößt auf Granit bei mir. Meterdick. Ist so ein Reflex“, versuchte ich mich herauszureden.
„Dann ist es mein Reflex nachzufragen. Dein Halbjahresbericht ist bald fällig. Ich will nicht dass das deine sonst gute Bewertung durch so was versaust“, erklärte er und ich sah ihn wortlos an.
„Lass mich wenigstens zu Ende frühstücken, ja?“, gab ich nach.
„Gut, ich hol dann mal Kaffee du willst keinen, oder?“
„Wollt ich das jemals. Nein, Dankeschön“, bedankte ich mich höflich und er ging zum Automaten.
 
„Da bin ich“, ließ ich mich auf seine Couch fallen.
„Du hast lange gebraucht“, polierte er gerade sein Diplom.
„Bist du mal wieder auf einem Ego-Trip?“, frotzelte ich.
„Sehr witzig. Ist nur staubig. Fang an“, fand er das gar nicht witzig.
„Also geboren wurde ich in Talladega in Alabama als einzige Tochter eines Buchhändlers und einer Bäckereifachverkäuferin …“ fing ich an.
„Das mein ich ernst, ich hab nicht den ganzen Tag für dich Zeit“, nörgelte er und setzte sich auf seinen Stuhl.
„Entschuldige. Sie wollen, dass ich zu Ihnen nach Talladega komme, das würd ich ja gern, aber ich weiß nicht, was ich sagen soll“, erklärte ich und faltete die Hände auf meinem Bauch.
„Das versteh’ ich gut, ich war auch vor meinem ersten Gespräch mit meinen Eltern auch furchtbar nervös. Ich hab fast auf der ganzen Zufahrt in der Toilette gesessen“, erzählte er mitfühlend.
„Das beruhigt mich überhaupt nicht“, konterte ich.
„Soll es auch nicht, das wollte ich nur gesagt haben. Ruf sie doch wenigstens an, dass sie weiß das du darüber nach gedacht hast zu kommen“, schlug  er vor.
„Gut, mach ich. Noch was?“
„Dann wär das alles. Schick bitte Amadeus rein, wenn du ihn siehst“, entließ er mich. In seiner Stimme war zu hören, dass er mir nicht glaubte, dass ich sie wirklich anrufen würde.
„Mach ich. Beides mein ich. Deine Pokale sind auch staubig“, zog ich ihn auf und ging wieder.

Viertes Kapitel


Es tutete. Das Geräusch machte mir Angst. Ich legte wieder auf. Zum 10. Mal an diesem Nachmittag.
„Kann ich zwischendurch auch mal telefonieren?“, bat Zookie, die auf dem Sessel neben mir lungerte und sich furchtbar langweilte.
Ohne ihr zu antworten ließ ich den Hörer fallen, der an der Telefonschnur herunter baumelte und im gleichen Rhythmus mit meinen Schritten schwang.
„Du hast es nicht gemacht“, kam mir Amadeus entgegen.
„Man, die ärztliche Schweigepflicht kennt er also auch nicht. Ich hab’s versucht“, erwiderte ich und legte mich auf mein Bett.
„Klasse. Ein Fortschritt. Du kommst sicher nicht zur Party, oder?“
„Party? Welche Party?“
„Es ist Samstag. Wir hatten lang keine Party mehr“, erkannte er und ich rollte mich zur Seite.
„Dann eben nicht. Ich werd dich nicht wecken wenn ich zurückkomme“, band er seine Schuhe zu und verließ mich.
 
In der dunklen Halle in der das Telefon stand war es eigentlich am stillsten im ganzen Haus. Trotzdem hörte ich noch die Mainstream-Musik aus dem Keller.
Wieder tutete es. Ich hielt inne.
 
Dies ist der Anrufbeantworter der Familie Widow. Wir sind gerade nicht da, aber ihr kennt die Schose. Also sprecht nach dem Ton…
 
Das war meine Stimme. Sie hatten immer noch meine alte Aufnahme auf dem Anrufbeantworter.
„Hey Mum, ich bin’s. Es ist so lange her. Ich hab deinen Brief gekriegt. Ich gratuliere euch zu den 30 gemeinsamen Jahren. Aber ich glaub nicht, dass ich kommen kann“, schluchzte ich und legte wieder auf.
„Brav. So hatte ich mir das gedacht“, entschied Bear der neben mir in der Dunkelheit saß.
„Mein Gott warum hat man hier überhaupt keine Privatsphäre?“, schniefte ich und ging wieder den Gang entlang.
„Ich werde mit dir mitkommen, wenn du das willst“, versprach Bear und ich kam hinter meiner Zimmertür hervor, hinter der ich mich immer verkroch.
„Das musst du nicht tun“, wischte ich meine Tränen ab.
„Das will ich aber. Ich werde morgen mit Nigel reden, der lässt uns sicher gehen“, erkannte er und ging aus der Tür.
Noch in dieser Nacht packte ich. Es musste ja keiner erfahren. Am Montag stand ich ungeduldig vor dem Haus, als Bear den Wagen holte.
„Gehst du einkaufen?“, stupste mich Amadeus von hinten an.
„Nicht direkt“, druckste ich herum.
„Du verlässt uns doch nicht“, wurde Amadeus zappelig.
„Für eine Weile. Ich fahr zu meinen Eltern“, erkannte ich ruhig.
„Warum sagst du mir das nicht?“
„Ich wollte es nicht an die große Glocke hängen“, erklärte ich und nahm meinen Rucksack auf die Schulter.
„Das ist wunderbar. Ich freu mich für dich. Das ist ein großer Schritt. Du kommst aber wieder?“, hoffte er etwas traurig.
„Natürlich Amadeus was denkst du denn? Natürlich komm ich wieder. Grüß die anderen von mir ja“, umarmte ich ihn mütterlich und war froh, dass Bear endlich da war.
„Warte mal Schwester so leicht wirst du uns nicht los. Hier“, warf mir Zookie von oben meine Boxhandschuhe runter.
„Wenn du mal wieder deine Wut abreagieren willst“, rief sie mir entgegen.
„Ach was tät ich nur ohne euch? Ich wünschte ihr könntet alle mitkommen“, war ich gerührt, schickte Küsschen nach oben und stieg ein.
„Meinst du das Ernst?“ fragte Bear mich.
„Was denn?“
„Das sie mitkommen sollten!“
„Bist du des Wahnsinns, ein Schock für meine Eltern pro Tag reicht doch. Nette Karre sei froh, dass es nur knapp 200 Meilen dahin sind“, zog ich ihn auf.
„Glaubst du meine Karre schafft es dahin nicht?“
„Nein, aber du bist nicht der einzige bei dem sich bei langen Fahrten Übelkeit einstellt“, schmunzelte ich und aß einen Keks aus meinem Rucksack.
„Na prima, das sagst du mir aber früh. Hör auf den Mist in dich hinein zu stopfen“, erkannte er und brauste los.
 
Mir wurde übel, als Bear auf der Schnellstraße voll auf die Tube drückte.
„Gabriel, das Pedal in der Mitte ist zum Bremsen“, riet ich ihm und er sah mich böse an.
„Wollt ich nur sagen“, mampfte ich meine Kekse weiter.
Die Sonne ging gerade unter, als wir in meine Heimat einfuhren.
„Süße Heimat Alabama“, kommentierte ich und jetzt sah er mich böse an.
„Wenn du jetzt Sweet Home Alabama anstimmst, erschlag ich dich“, drohte er und ich grinste.
„Nein, das tu ich dir nicht an. Ich singe furchtbar. Mein Gott ich hatte vergessen wie mittelalterlich es hier ist. Diese kleinen Häuser, diese furchtbare Mode …“, kommentierte ich meine sonst geliebte Heimat.
„Ja, siehst du Billy Jack da drüben. Der wilde Westen ist vorbei“, spielte er die Veralberung mit.
„Mein Gott, das ist Billy Jack“, verkroch ich mich unter meinen Sitz.
„Der Kerl heißt wirklich so? Was sind das für Sadisten, die ihren Sohn zu nennen?“, schmunzelte er.
„Die gleichen Sadisten, die mich Wilhelmina genannt haben. Das ist mein großer Bruder. Der größte Billy. Fahr weiter“, flüsterte ich unter dem Sitz.
„Du machst einen Scherz. Ihr heißt beide Billy?“
„Nicht nur wir beide. Wir haben alle ein Billy im Namen. Billy-Joe, Billy-Bob, Billy-James und Mo. Unser kleiner Nachzügler”, erklärte ich peinlich berührt.
„Dann sind deine Eltern nicht nur Sadisten sondern auch verdammt einfallslos“, erkannte er.
„Damit könntest du anfangen, wenn du sie begrüßt“, bemerkte ich und kroch wieder hervor als wir vorbei gefahren waren.
„Ich werde ihnen nicht begegnen. Ich setz dich da ab und tschüß. Ich bin kein Familienmensch. Wirklich nicht“, redete er sich heraus.
„Du musst wohl oder übel bei uns schlafen. Wir haben nur ein Hotel und das ist in der Halloween-Woche immer völlig ausgebucht“, erklärte ich und er bremste.
„Das ist ein Scherz. Ich schlafe nicht bei der Brady-Family“, tönte er und ich schnappte mir meine Sachen.
„Gut, dann viel Spaß beim Zimmersuchen. Ich lauf den Rest. Danke fürs Mitnehmen“, entgegnete ich etwas gekränkt und stieg aus.
 
Es waren nur ein paar Meter bis zu meinem Elternhaus. ich ging mit langsamen Schritten auf das Haus zu. Ich musterte es. Es hatte sich nicht verändert, seit ich weg gegangen war. Ein paar Blumen hier und da mehr oder weniger, ein neuer Anstrich am Gartenzaun, das war’s dann auch. Meine Schritte verlangsamten sich. Plötzlich stand ich an der Gartentür. Ich atmete tief durch.
Da stand ich dann eine ganze Weile.
„Hätt ich mir auch nicht gedacht, dass du das alleine schaffst. Komm“, legte Bear den Arm auf meine Schulter und klingelte.
 
„Einen Moment, ich komme schon“, hörte ich meine Mutter von drinnen und Bear lächelte mich an.
Die Tür öffnete sich. Da stand meine Mutter. Sie war alt geworden. Sorgenfalten ragten durch ihr Gesicht.
„Hi Mum“, sagte ich vorsichtig und sie umarmte mich stürmisch.
„Mein Gott, ich bin so froh, dass du doch kommen konntest. Und wer sind Sie?“, freute sich meine Mutter wirklich.
„Das ist Gabriel, mein Freund“, log ich und Bear sah mich erschreckt an, während er meiner Mutter die Hand schüttelte.
„Ja, richtig sie konnte es kaum abwarten mich vorzustellen“, spielte er brav mit.
„Das ist wunderbar. So ein feiner junger Mann. Bill sieh’ mal wer uns da besuchen kommt“, rauschte meine Mutter die übrigens Hertha hieß ins Wohnzimmer.
„Oh das gibt so einen Ärger das sag ich dir“, grummelte er und ich nahm seine Hand.
„Ich spüle einen Monat in der Kantine versprochen. Aber jetzt mach mit“, flüsterte ich ihm zu und ging mit ihm an der Hand ins Wohnzimmer. Wie ich es kannte saß mein Vater in einem alten Ohrensessel und las die Zeitung.
„Das kann nicht unsere Tochter sein. Unsere Tochter hatte Pausbäckchen und hatte eine rosige Hautfarbe. Das hier gleicht einer Leiche“, bezeichnete er mich.
„Ich bin auch froh dich zu sehen, Pa. Ich möchte dir Gabriel vorstellen“, begrüßte ich ihn kalt zurück und Bear streckte die Hand aus. Er fasste aber ins Leere.
„Okay, das war ja schon mal super. Ich werd mir dann mal ein Hotelzimmer nehmen“, konnte ich spüren, dass sich Bears Hand verkrampfte und er ließ meine los.
„Das kommt gar nicht in Frage, ich werde Ihnen natürlich das Gästezimmer herrichten. Bill beweg deinen Hintern und hol uns einen Rotwein aus dem Keller“, bestimmte meine Mutter und mein Vater stand grummelnd auf und schlurfte in den Keller.
„Jetzt weiß ich woher du deine Schönheit hast mein Schatz“, schmunzelte Bear und ich lächelte ihn an.
„Setzt euch doch. Warum habt ihr nicht angerufen? Egal, dann muss ich das Menü halt ein bisschen verändern. Ihr seid ja sicher müde, wie wäre es, wenn ihr rauf aufs Zimmer geht, ich ruf dann wenn das Essen fertig ist“, schlug meine Mutter vor und ich nickte.
„Und du wunderst dich, dass ich Drogen genommen habe. Hast du’s überlebt?“, ließ ich mich auf mein altes Bett fallen.
Bear sah sich um. Es hingen immer noch meine alten Spice Girls und Backstreet Boys Poster an der Wand.
„Schieb’ s ruhig auf deine Eltern. du warst ja echt ein echtes Girlie. Wenn ich daran denke, wie ich dich kennen gelernt habe. Kaum zu glauben. Pinke Wände fehlen noch“, genoss das Bear in vollen Zügen.
„Ich mach erst 2 Monate was du willst wenn du niemanden etwas davon erzählst“, bat ich und er grinste.
„So leicht kommst du mir nicht davon. Da will ich wenigstens eine kleine Entschädigung“, krabbelte er zu mir aufs Bett.
„Kannst du mir mal erklären, was du da machst“, entgegnete ich. Ich spürte schon seinen Atem im Nacken als ich realisierte, dass er meinen Nacken anfing zu küssen.
„Nicht auf den Mund“, flüsterte ich.
„Was hast du gesagt?“
„Entschuldige, schlechte Angewohnheit“, erwiderte ich und küsste ihn sanft. Als wir gerade wild am knutschen waren, kam meine Mutter herein.
„Oh, entschuldigt, das Essen ist fertig“, ging die Tür kurz auf und wieder zu.
„Ich fühl mich wieder wie 17“, kicherte ich und er stand auf.
„So wie mit Will?“, hob er das Bild von Will und mir vom Nachttisch auf.
„Will, den hat ich ganz vergessen. Was ist wenn ich ihn hier treffe?“, ließ ich die romantische Stimmung zwischen uns platzen.
„Mit ihm reden wär nicht schlecht. Komm“, entgegnete er enttäuscht und half mir auf.
 
Als ich einen Bissen von dem Braten meiner Mutter aß, wusste ich warum ich zu Hause so vermisst hatte.
„Das ist lecker“, erwiderte ich und sah zu Bear. Er sah mich an. In dem Moment wusste ich, dass wir einen riesigen Fehler gemacht hatten.

 

Fünftes Kapitel


Es war ein komisches Gefühl in meinem alten Bett einzuschlafen. Es roch immer noch so, wie es früher gerochen hatte. Eine Mischung aus Mottenkugeln und Lavendel. Ich liebte den Geruch. Ich war wirklich zu Hause.
 
„Hey“, stand Bear plötzlich in meiner Tür.
„Alte Gewohnheiten ändern sich wohl nie was?“, begrüßte ich ihn müde.
„Alte Laster auch nicht. Krümelst du etwa das Bett voll?“, schmunzelte er und ich holte eine Tüte Kekse hervor.
„Willst du was abhaben?“, fragte ich und er setzte sich zu mir aufs Bett.
„Nein, eigentlich…“, begann er und ich stopfte ihm einen Keks in den Mund.
„… nischt“, schmatzte er und kaute.
„Du Frechdachs du“, neckte er mich und drückte mich aufs Bett um mich zu küssen.
Plötzlich machte es einen Rumms und meine Tür flog auf. Ich hörte nur ein Klirren und eine Hand zog Bear zu Boden.
„Hey, Will! Haben wir dir nicht gesagt, du sollst dieses Haus nicht betreten?“, zeterte eine dunkle Stimme.
„Billy-Joe?“ fragte ich erschreckt und machte Licht. Da stand mein kleiner Bruder. Mein Gott war der groß geworden. Als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte war er dreizehn und nur halb von dem Mann der jetzt neben meinem Bett stand.
„Das ist gar nicht Will“, entgegnete er verdattert und Bear rieb sich seinen Kopf.
„Ich bin seit zehn Jahren nicht mehr mit Will zusammen. Wie kommt ihr plötzlich auf ihn?“, fragte ich aufgebracht.
„Sorry, schlechte Angewohnheit. Wer ist der Knilch?“, fragte Billy-Joe und musterte Bear. „Ich bin Gabriel“, stellte Bear sich höflich vor. Auch bei meinem Bruder griff er ins Leere.
„Die Freundlichkeit in dieser Familie ist herzerwärmend“, konterte Bear cool und ich packte seinen Arm.
„Sei still, unten sind noch mal drei von der Sorte“, riet ich ihm.
„Nein, die sind alle in Macs Taverne. Wilhelmina, was machst du eigentlich hier?“, begrüßte mich Billy-Joe genau so schroff wie Gabriel.
„Ma und Pa feiern Hochzeitstag sie haben mich eingeladen. Könntest du jetzt bitte aus meinem Zimmer verschwinden und dich wieder dem Saufen widmen. Das wär sehr nett“, schmiss ich ihn aus meinem Zimmer. Beschämt legte ich die Hand auf meine Augen, während ich seine klappernden Schuhe heraus spazieren hörte.
„Das war also Billy-Joe“, war Bear sichtlich verwirrt.
„Ja, der ist noch der nüchternste der Truppe. Mac lässt ihn nur heimlich unter dem Tresen mittrinken, sei froh, dass es nicht die anderen waren. Tut es arg weh?“, war ich besorgt und er rieb seinen Kopf weiter.
„Nein, nur mein Stolz ist verletzt. Ich geh’ dann mal runter, bevor ich noch aus dem Fenster fliege“, grummelte er, küsste mich auf die Stirn und verschwand im dunklen Flur.
 
Ich hatte mir fest vorgenommen beim Frühstück die Eiszeit zwischen den Männern in der Familie und Bear zu brechen. Aber bis ich alle zusammen hatte, war es schon Mittag.
„Danke, dass ihr alle … nach ausdrücklichem Bitten meinerseits, endlich hier seid. Ich sag jetzt einfach Billys das vereinfacht die Sache. Also Billys es ist mir wirklich nicht einfach gefallen her zu kommen. Erstens weil ich drogensüchtig war und ich nicht wusste, was ihr davon haltet, zweitens weil ich euch endlich mal wieder sehen wollte und drittens ich euch meinen Freund vorstellen will. Leute das ist Gabriel. Ihr müsst ihn nicht mögen, ihr könntet ihn aber am Leben lassen, bis die Feier vorbei ist. Das wär echt lieb“, bat ich und Bear sah mich etwas verloren an.
„Und was ist mit Will?“, warf Billy-Jack ein.
„Was habt ihr alle mit Will? Er ist Geschichte schon ne ganze Weile, man ich fühl mich wieder wie Siebzehn, ich war ne ganze Weile weg, das ist wohl an euch vorbeigerauscht“, erkannte ich verwirrt.
„Er ist grad im Theater und probt seinen großen Auftritt, falls es dich interessiert“, entgegnete Mo der mit seinen 14 Jahren meinen älteren Brüdern in Unverschämtheit in nichts nachstand.
„Theater? Was will er denn im Theater?“
„Sein Kostüm anprobieren. Brice und er haben ein kleines Stückchen das sie an der Halloween-Party präsentieren wollen. Ihr solltet euch das angucken“, erwiderte Billy-James und ich war skeptisch.
„Das werd ich tun. Komm“, löste ich die Versammlung auf, schnappte mir Bear und ging Richtung Theater.
„Lass mich los, ich werde nicht mitgehen“, löste er plötzlich seinen Griff.
„Was soll das denn jetzt?“
„Da hab ich halt keinen Bock drauf, das ist alles“, brummelte er und ging ein paar Schritte zurück.
„Du willst ihn nicht sehen, gut dann geh’ ich allein“, erkannte ich schroff und ging allein weiter.
 
Als ich in den Vorraum des Theaters betrat, kamen mir schräge Gesänge entgegen gehallt.
„Wir sind zwei lustige Waschweiber, lustig lustig tra la la“, hallte es durch die Gänge. Zwei Schritte später erspähte ich Will. Er sah anders aus. Als ich vor ihm stand sah ich, dass er ein altes Kleid von seiner Mutter trug.
„Und dein Vater wollte dich zum Mann machen“, begrüßte ich ihn grinsend und das Singen verstummte.
„Kann ich helfen?“, fragte Will der mich nicht erkannte.
„Du könntest dieses furchtbare Kleid ausziehen, das wär für den Anfang nicht schlecht“, bemerkte ich und ging in langsamen Schritten zur Bühne.
„Entschuldigung?“, tappte er weiterhin im Dunkeln.
„Langsam bin ich beleidigt, Will“, war ich am Bühnenrand angekommen und kletterte hoch.
„Tut mir leid, wer bist du?“
„Okay, ich gebe dir nen Tipp“, küsste ich ihn heftig.
„Billie?“ war er erstaunt.
„Na endlich ist der Groschen gefallen“, wischte ich mir die Lippen ab.
„Bist du wieder hier?“, hatte er wirklich nicht erwartet mich zu sehen.
„Für ein paar Tage. Man, tut das gut dich zu sehen“, freute ich mich und umarmte ihn.
„Es war wohl doch gut nicht mitzugehen. Entschuldigt, ich wollte eure traute Zweisamkeit nicht stören“, kam Bear den gleichen Weg den ich gegangen war zur Bühne.
„Gabriel, hey Schätzchen ich … gut dass du es dir anders überlegt hast. Will, das ist Gabriel, Gabriel das ist Will“, stellte ich sie einander vor.
„Hab ich mir schon fast gedacht. Gut, du hast ihn gesehen können wir jetzt wieder gehen?“, war jetzt Bear ziemlich schroff und ich sprang von der Bühne.
„Was ist denn zum Henker mit dir los?“
„Du küsst deinen Ex-Freund da kann ich wohl ein bisschen übellaunig sein, oder?“, war er richtig wütend.
„Das hatte nichts zu bedeuten“, versprach ich.
„Das denk ich auch“, mischte sich Will in unseren Gespräch ein.
„Du hältst die Klappe, Willy Wonka“, wütete Bear.
„Kann ich auch mal was dazu sagen?“, fühlte sich auch Brice gestört.
„Das ist mir alles zu blöd, wirklich“, stürmte Bear heraus. Ich natürlich gleich hinterher.
„Führ dich nicht auf wie ein Baby, das hatte wirklich nichts zu bedeuten“, beteuerte ich.
„Du wiederholst dich“, konterte Bear und setzte sich auf eine Bank.
Man es war echt eine dumme Idee gewesen sich mit meinem Psychologen einzulassen, da er genau erkannte wenn ich log, weil er meine Gefühle für Will kannte.
„Klasse, schweigen bringt ja auch so viel“, knallte er mir vor als ich nicht antwortete.
„Entschuldige, ich war in Gedanken“, entschuldigte ich mich.
„Wie kannst du bei einem Streit in Gedanken sein?“
„Und wie kannst du nur so kindisch sein“, fiel mir auch nichts ein.
„Ich weiß wo du deine Einfallslosigkeit her hast. Da fahr ich die lange Strecke mit dir, nur um dich in die Arme deines Ex-Freunds zurückzuführen. Klasse, wirklich klasse“, sprang er von der Kante der Bank und brauste davon.
 
Ich rannte weinend ins Haus. Als ich halb auf der Treppe oben war, fingen meine Brüder Bear ab.
„Warum weint unsere Schwester?“, stellte Billy-Jack eine berechtigte Frage.
„Damit hab ich nichts zu tun, sag’s ihnen“, bat Bear. Ich ging einfach weiter.
„Also Jungs, hört mal das kann doch gewaltlos geregelt werden“, stotterte Bear und ich hörte von oben wie er Schläge einsteckte.
„Ihr seid echt eine kranke Familie und ich hab schon viele kranke Familien gesehen“, packte er seine Sachen, während er mit der linken Hand immer wieder seine Lippe vom Blut befreite.
„Es tut mir wirklich leid. Alles. Komm her“, beteuerte ich und schnappte ihn mir, weil ich nicht mit ansehen konnte, wie er das Blut in seinen schönen weißen Hemden verteilte.
„Ich glaub, wir haben so ne Salbe zu Hause, die die Blutung stoppt. Leg dich aufs Bett ich komm gleich wieder“, pflegte ich ihn und presste ihm ein Tuch aufs Gesicht.
„So, das hört gleich wieder auf. Das ist seltsam, sonst mach ich eigentlich nur immer die Wunden sauber, die meinen Brüdern zugefügt wurden. Tschuldige“, wischte ich sein Blut weg, als ich zurück war.
„Du liebst den Kerl immer noch. Das kann ich verstehen. Ich hatte nicht vor, mich in dich zu verlieben. Das hab ich aber. Tut mir leid. Ich werde morgen abreisen, nein am besten gleich heute Abend, dann hat er freie Fahrt“, versprach er und ich küsste ihn.
„Das lässt du schön bleiben. Ich brauch dich hier. Ja, es war ein Fehler, ich hätte ihn nicht küssen sollen, aber ich empfinde nichts mehr für ihn“, redete ich mich um Kopf und Kragen.
„Wenn du das verleugnest wird es nicht weniger wahr“, erklärte er.
„Oh man, lass dieses psychologische Gelaber das hasse ich. Gut, ich kam in der Hoffnung her ihm vielleicht über den Weg zu laufen. Aber ich hatte nicht daran gedacht wieder etwas mit ihm anzufangen. Glaub es mir oder lass es sein“, entgegnete ich ihm und er erhob sich von meinem Schoß.
„Okay, ich lass es sein“, war er strikt, schnappte sich seine halb gepackte Tasche und stolperte die Treppe runter.
Ich natürlich hinterher. Als er schon fast draußen war, prallte er ungeschickt mit jemandem zusammen. Die Person hielt ihn geschickt auf. Ich sah, dass er hoffte dass es nicht einer meiner Brüder war. Es war fast so schlimm. Ihr Name Charlotte Arnett, nur etwa 1,60 m groß, aber von stattlicher Figur und noch stärkerem Temperament. Die ganze Highschool-Zeit mein Bodyguard und meine beste Freundin.
„Wow, noch so ein Hübscher. Irgendwo muss es ein Nest von euch Widows geben. Hey, du bist kein Widow, richtig?“, sprach sie Bear an, wie es nur Charly machen konnte.
„Nein, bin ich nicht. Bye“, ließ er ihre Worte nicht mal verhallen und rauschte weiter.
„Was ist denn in den gefahren?“ fragte sie mich.
„Ich hab Billy geküsst!“
„Das ist nichts Neues!“
„Für meinen Freund schon!“
„Das Schnuckelchen ist dein Freund? Nicht schlecht. Den holst du sicher nicht mehr ein“, lehnte sie sich an die Tür und ich sah ihm nach.
„Willkommen zurück im Tollhaus, Billie“, begrüßte sie mich und ich musste untätig mit ansehen, wie er wegfuhr.

Sechstes Kapitel


„Ihr habt ihn vertrieben“, suchte ich die Schuld bei meinen Brüdern als wir an diesem Abend zusammen im Macs saßen.
„Nein, das warst du ganz allein, Schwesterherz. Das wir ihn vermöbelt haben, das hat Will ja auch nicht verschreckt, oder?“, tönte Billy-James und stieß mit Billy-Bob an.
„Ich will diesen Namen nie wieder hören“, grummelte ich in meinen Eistee.
„Du kannst mich auch Schnuckelchen nennen, hab ich nichts dagegen“, kam Will zu uns.
„Es ist echt schade, dass es nur eine Bar hier gibt. Hi Will“, begrüßte ich meinen Ex missmutig.
„Hau lieber ab, bevor sie dir auch noch die Schuld dafür gibt. Warum auch immer“, bemerkte Billy-James .
„Nein, setz dich ruhig. Von mir aus“, war es mir egal.
„Jesus, bist du mies drauf. Wir können ja da weiter machen, wo wir heute Morgen aufgehört haben. Das bringt dich sicher auf andere Gedanken“, war Will von den anderen Billys wirklich geprägt wurden.
„Ich bin müde, ich geh’ ins Bett“, konnte ich das Geschwätz nicht mehr ab und ging Richtung Elternhaus.
„Warte, ich hab das nicht so gemeint. Die haben echt keinen guten Einfluss auf mich Sorry“, lief Will mir hinterher.
„Nein, haben sie nicht. Also das mit heute Morgen tut mir leid, wirklich. Vor allem, weil Gabriel das gesehen hat. Nein eigentlich nur deswegen. Ich geh’ jetzt heim ihn anrufen“, war ich genauso unverschämt zu ihm und drehte ihm den Rücken zu.
„Das kannst du nicht einfach machen. Ich bin zurückgekommen und du warst weg, jetzt tauchst du einfach 6 Jahre später auf und tust so als wär nichts gewesen!“ schnitt er das Thema an.
„Du vergisst eine wichtige Tatsache. Du bist weg gegangen. Auch einfach nur so. Ach richtig, du wolltest dem Vaterland dienen. Wie lang hast du es da ausgehalten. 2 Minuten?“
„Ich bin grad erst vor ein paar Wochen mal wieder aus dem Irak zurückgekommen. Ich hab da viel Gutes getan. Okay vor allem Irakern den Hintern versohlt, aber ich hab auch Essen verteilt. Beeindruckt?“
„Ja, die haben dich nicht dabehalten? Wie schade“, meinte ich sarkastisch und ging weiter.
„Sei nicht sauer auf mich. Du musst sauer auf dich sein“, erwiderte er und ich rollte mit den Augen.
„Was denkst du denn was ich mache. Schlaf deinen Rausch aus Will. Bis dann mal“, ließ ich ihn da stehen und ging weiter.
 
Es war schon später als ich endlich ans Telefon konnte, weil alle eingeschlafen waren.
Ich rief in seinem Büro an. Es ging keiner dran.
„Hab ich auch nicht gedacht. Okay dann eben nicht“, legte ich wieder auf.
Aber Sekunden später nahm ich den Hörer wieder ab und rief im Flur an.
„Knast für Arme Zookie spricht“, meldete sich Zookie nicht sehr professionell.
„Hey Zook ich bin’s. Hast du Bear gesehen?“
„Kurz, er ist erst in den Keller, hat sich halb bewusstlos geboxt und ist dann im Sprechzimmer verschwunden. Ist wohl nicht so gut gelaufen bei dir zu Hause“, erklärte sie und mampfte dazwischen irgendwas.
„Ja, das kann man so sagen. Kannst du ihm ausrichten er soll mich bitte anrufen wenn er Zeit hat. Das wäre echt lieb. Und was macht ihr grad so?“, druckste ich herum.
„Wir gucken uns eine Oper von Verdi an“, schmatzte sie ironisch.
„Und wie steht’s?“ wusste ich genau, dass sie Baseball sahen.
„Die Miami Delphins sind echt lausig, die anderen sind klasse ich hab vergessen wer die noch Mal sind. Noch was?“
„Nein, viel Spaß grüß alle schön von mir. Gute Nacht“, legte ich nachdenklich auf.
 
Es war kurz nach 11 Uhr. Ich war nicht müde. Besser gesagt ich war zu aufgekratzt um zu schlafen. So setzte ich mich auch vor die Glotze und sah mir das Spiel an. Zookie hatte Recht die Delphins spielten wirklich mies.
 
Als ich am nächsten Morgen außer Haus ging um mich ein wenig in der Stadt umzusehen, stand Will an unserem Gartenzaun so wie er es immer gemacht hatte.
„Und da sagt man mir, ich könnte alte Gewohnheiten nicht ablegen“, redete ich mit mir selbst und ging auf ihn zu.
„Stehst du schon lang hier?“, fragte ich ihn etwas freundlicher als die Nacht zuvor.
„Eine Weile. Seit wann stehst du eigentlich so spät auf?“
„Und seit wann bist du so frech. Glotzt du etwa immer noch in mein Schlafzimmerfenster?“
„Alte Gewohnheiten das kennst du sicher. Gehst du einkaufen?“
„Nein, ich trag den Korb zu der Großmutter in den tiefen Wald“, wedelte ich sarkastisch mit meinem Korb herum.
„Stört es dich, wenn ich dich begleite?“
„Tu dir keinen Zwang an. Es tut mir leid, dass ich gestern so gemein zu dir war. Dieser Kerl kann einen wahnsinnig machen“, entschuldigte ich mich und er nahm mir meinen Korb ab.
„Seid ihr schon lang zusammen?“
„Nein, eigentlich nicht. Du hast Recht, er kennt mich doch gar nicht. Ich sollte mir keinen Kopf machen. Das ist ein echt schöner Herbsttag. Die hab ich hier echt vermisst. In New Orleans ist es immer noch stickig heiß. Aber ist trotzdem eine tolle Stadt. Du solltest mal herkommen“, schlug ich vor.
„Werd ich machen. Was hast du gemacht in den letzten Jahren?“, wollte er wissen und ich stockte.
„Ich hab Wirtschaft studiert und wohn jetzt in einer WG mit ein paar Freunden“, log ich schamlos.
„So, ist ja schön. Und wo arbeitest du?“
„Ich bin vor 6 Monaten leider entlassen worden, aber ich bin auf der Suche nach was Neuem. Gabriel kommt für mich auf, er ist wirklich lieb“, konterte ich, aber ich klang nicht sehr glaubwürdig.
„Sieht ganz so aus. Also was brauchst du?“, fragte er als wir im Supermarkt angekommen waren.
„Warte mal, das ist ein neuer Laden“, sah ich auf.
„Ja, hab ich auch schon gesehen. Meine Mum hat mir gestern erzählt, dass vor etwa 2 Jahren der alte Laden dicht gemacht hat. ist alles modernisiert. Ich war schon mal hier, ich zeig dir alles“, half er mir und ich lächelte.
„Danke, sehr nett. Du bist wirklich netter, wenn du nicht mit meinen Sauhunden von Brüdern zusammen bist“, nahm ich ihm den Korb wieder ab.
„Ich hab wirklich zu lange mit den Jungs verbracht. Also was steht hier, eine Packung Eier, die ist hinten im Kühlkasten. Ich hol sie dir“, bemerkte er und ging durch den Gang zur der Kühltruhe.
„Na, fällst du wieder in alte Strukturen zurück?“, sprach mich Charly an, die auf einer Leiter über mir stand um etwas zu holen.
„Und du willst immer noch hoch hinaus. Bringst du mir ne Rolle Klopapier von oben mit?“ konterte ich und sie hüpfte von der Leiter.
„Immer noch Höhenangst, Billie?“, frotzelte sie.
„Nein, hatte ich nie“, erwiderte ich und kletterte die Leiter hoch.
„Du musst mir nichts beweisen, komm wieder runter“, bat Charly.
„Die Zeit ist vorbei. Ich muss niemanden was beweisen“, redete ich großspurig. Aber spätestens nach der 7. Sprosse bedauerte ich dies.
„Mir geht’s nicht so gut“, wurde mir schwummrig und ich fiel.
Das nächste an das ich mich erinnerte war Kälte.
„Mir ist kalt“, murmelte ich.
„Das war auch Absicht. Willkommen zurück“, war Will über mich gebeugt.
„Wo zum Henker bin ich?“
„In der Kühltruhe. Ich wollte dass du wieder munter wirst. Komm raus“, hob er mich wieder aus der Truhe.
„Ich bin gefallen“, erkannte ich leicht benebelt.
„Wem musst du das beweisen? Ich hab gedacht dieser Sturz vom Baum als Kind hätte dir gereicht. Du hast Höhenangst sieh’ es doch endlich ein. Überlass das Klettern uns, ja?“, bat Charly und gab mir meine Schuhe zurück.
„Geht klar. Ich werd mich ein bisschen hinlegen, kannst du das Einkaufen für mich erledigen, Will?“, bat ich und er nickte.
 
Ich legte mich zurück ins Bett. Ich wachte wieder auf als ich Wills Stimme im Flur hörte.
„Hey Mäuschen lässt du jetzt Will für dich arbeiten?“ weckte meine Mutter mich sanft.
„Er hat mir nen Gefallen getan. Ich komm gleich runter und helfe dir kochen“, erklärte ich und sie strich mir die Haare aus dem Gesicht.
„Hast du heute schon was gescheites gegessen?“, fragte sie mich besorgt.
„Nein, nur Toast mit Kaffee. Mein Körper verträgt noch nicht so viel. Aber ich werd noch was essen, versprochen“, versprach ich, meine Mutter stand auf und ging wieder nach unten.
 
Es war wirklich wie früher, als ich mit meiner Mutter zusammen das Probe-Essen für die Feier vorbereitete. Ich versuchte sie davon ab zu bringen so viel zu kochen, weil ich genau wusste, dass die Jungs es nicht essen würden.
„Mum, die haben sicher einen Kater bis Mexiko die werden nichts essen“, behauptete ich, aber meine Mutter rührte eifrig weiter.
„Sie werden essen, was ich koche, sie sind schließlich meine Söhne. Jetzt rühr die Eier richtig, ich muss fertig werden“, schnaufte sie nur und wischte sich den Teig aus dem Gesicht.
„Okay Mum, du hast Recht“, gab ich nach, obwohl ich sicher war, dass wenn ich jetzt da hoch kam würden sie noch verteilt im Zimmer liegen und ihren Rausch ausschlafen. Außer Mo vielleicht, der schien in die Schule zu gehen. Die Betonung lag auf schien, denn das mit der Schule hatten keiner der anderen 4 lange ausgehalten.
„Gehst du bitte nach oben und sagst den Jungs, dass sie den Tisch decken sollen?“, bat meine Mutter und ich folgte ihr. Und wie ich dachte. In einem Haufen von Jeans schnarchten meine 4 Brüder.
„Hey Jungs, es ist fast 2 Uhr wie wär’s mal mit aufstehen“, machte ich mir einen Spaß daraus, sie zu wecken.
„Billie es ist Sonntag, nerv nicht“, grummelte Billy-Bob in einem Haufen in der Ecke.
„Es ist Donnerstag, aber guter Versuch, Brüderchen. Bewegt eure Ärsche ins Bad, zieht euch um und deckt den Tisch. Wir wollen in einer halben Stunde essen“, befahl ich und knallte die Tür wieder zu. Es war kein Laut von drinnen zu hören. Hatte ich auch nicht gedacht.
„Ich werd den Tisch decken“, streckte ich den Kopf in die Küche hinein und meine Mutter nickte. Sie kannte ihre Lausbuben wie kein anderer. Ich fand es furchtbar, dass sogar Billy-Jack mit fast 30 noch zu Hause wohnte. Es war wirklich gut, dass ich dieses Haus verlassen hatte.
Nachdenklich lud ich die Teller auf und sah nach draußen. Der alte Johnson mähte den Rasen, Mrs. Johnson pflanzte Blumen und eine Gruppe Süchtige die ich zu gut kannte, lief auf der Straße unserem Haus entgegen.
„Oh verdammt“, fluchte ich leise, stellte die Teller auf den Tisch und ging zur Tür.

Siebtes Kapitel


„Nein, ihr seid nicht wirklich da. Bitte sag mir, dass ich immer noch Träume“, begrüßte ich Zookie und die Gang die strahlend auf mich zu kam.
„Was redest du da Mädchen? Du hast gesagt, du brauchst uns, hier sind wir“, erklärte Zookie freundend strahlend.
„Nein, das hab ich nicht gesagt“, keifte ich.
„Doch, du hast gesagt, du wünschtest wir könnten mitkommen. Und hier sind wir“, erkannte Amadeus mit einem Koffer in der Hand.
„Das hab ich doch nur so dahingesagt. Wie habt ihr denn das geschafft, sagt mal?“, war ich echt verdattert.
„Man, das war echt ne Aktion. Wir haben fast die ganze Flasche gebraucht. Und eine ganze Rolle Paketband. Aber jetzt ist dein Geschenk fertig“, war Han stolz auf sich und machte den Kofferraum des Wagens neben ihm auf. Da lag Bear wie ein Paket eingepackt und döste.
„Was zum Teufel habt ihr gemacht? Lebt er noch?“, wurde ich sauer und löste seinen Knebel.
„Nach seinem Schnarchen zu beurteilen schon. Wir haben gewusst, dass wir ihn nicht freiwillig dort rein kriegen. Die Alkis werden sich ärgern, wenn sie sehen was wir ihnen geklaut haben. Cool nicht?“ bemerkte Zookie.
„Nein, das ist nicht „cool“. Ihr habt einen Betreuer entführt!“
„Nein, das verstehst du falsch, wir haben ihn nicht gekidnappt. Nur gegen seinen Willen mitgenommen, das ist ein großer Unterschied“, entgegnete Han und ich schloss den Deckel wieder.
„Wo ist der Schlüssel vom Wagen?“, donnerte ich und Zookie gab ihn mir erschreckt.
„Mensch, ich hab hier einen Ruf zu verlieren. Manchmal denkt ihr wirklich nicht nach, nein eigentlich denkt ihr nie nach. Geht ins Haus, sofort“, befahl ich und fuhr den Wagen in die Einfahrt um ihn ausladen zu können.
Die Heckenschere diente mir dabei, Bear loszumachen.
„Gabriel, hörst du mich?“, sprach ich Bear an.
„Billie?“ blinzelte er in die Sonne.
„Ja, genau die. Mein Gott du Armer. Komm wir gehen rein“, lud ich ihn auf meine Schulter um ihn ein paar Schritte weiter auf dem Sofa abzuladen.
„Oh, ihr steckt so tief in der Scheiße, dass ihr darin schon versinkt“, wütete ich, während ich Care anrief.
„Ja, sie sind bei mir. Ja, ihnen geht’s gut. Noch! Ja, Gabriel auch, mehr oder weniger. Nein, du musst sie nicht holen kommen, ich erledige das schon irgendwie. Danke für dein Verständnis. Bis dann“, legte ich wieder auf.
„Setzt euch an den Esstisch und esst, und wehe es bleibt ein Teller voll“, forderte ich und die Bande gehorchte mir.
„Du hast die Meute gut unter Kontrolle. Ich sollte auch mal so einen Drill-Ton anschlagen“, murmelte Bear der mir zugesehen hatte.
„Wohl nicht so, wenn sie so einen Mist machen. Die haben mir einen ziemlichen Schrecken eingejagt als ich dich da so liegen sah. Ne Idee was wir jetzt mit der Bande anstellen?“
„Wir schicken sie ins Landleben, da merken sie schnell was das für ein Fehler war. Ich frag mich echt, was die geritten hat. Ich hab Durst, könnte ich was zu trinken haben?“, setzte er sich auf.
„Hier, natürlich. Gott sei Dank bist du da drin nicht erstickt. Ich brauch dich nämlich noch. Um die Bande in Schach zu halten natürlich“, flößte ich ihm liebevoll Wasser ein.
„Natürlich, danke. Da wär ich also wieder“, erkannte er und ich lächelte.
„Das wärst du wieder. Tja“, bemerkte ich beklemmt und so saßen wir eine ganze Weile schweigend gegenüber bis die Bande gesättigt wieder zurück kam.
 
Wir fanden ein Hotelzimmer für die Bande und Bear kommentierte das.
„Ich dachte alle Hotelzimmer wären ausgebucht?“ rümpfte er die Nase als er auf dem Gästebett saß.
„Nicht ganz. Aber wie hätte ich dich sonst dazu überreden können meinen Freund zu spielen. Jetzt guck nicht so, willst du sie etwa alle im Haus haben?“, schmunzelte ich verschmitzt und er lächelte wieder.
„Das würd ich gern sehen, die vier in einem Hotelzimmer. Ich glaub ich versteck ne Kamera“, witzelte er.
„Aber Dr. Pedestrian was haben sie den für schweinische Gedanken?“, gluckste ich und er sah mich an.
„Weißt du eigentlich, wie wunderschön du bist, wenn du lachst?“, flirtete er.
„Nein, weißt du es?“ ging ich darauf ein.
„Die Sonne geht in deinem Gesicht auf“, philosophierte er und ich rückte an ihn heran.
„Autsch, das muss weh’ tun“, schäkerte ich und er begann mich zu küssen.
„Ja, furchtbar“, sagte er lächelnd und ich legte mich auf den Rücken.
„Meine Mutter ist bei ihrer Freundin die Feier zu besprechen und die Billies sind im Mac. Ich glaube du brauchst keine Kamera mehr“, verführte ich ihn.
„Du bist verrückt“, entgegnete er und ich begann sein T-Shirt hoch zu ziehen.
„Nur gut dass ich einen Psychiater habe“, beschloss ich und warf das T-Shirt weg.
 
„Deine Mutter ist heim gekommen“, weckte mich Bear in dem er es mir ins Ohr flüsterte.
„Schön für sie“, murmelte ich im Halbschlaf.
„Und sie geht grad hoch zu dir“, entschied er und plötzlich war ich hellwach.
„Wie spät ist es?“
„Kurz nach Mitternacht. Sie wird runter zu mir kommen, wenn sie dich nicht dort findet“, schlussfolgerte er.
„Aus dem Grund ist die ungeschriebene Regel entstanden nie in deinem Elternhaus Sex zu haben“, zog ich Unterhose und ein T-Shirt an.
„Die kannte ich gar nicht“, bemerkte er.
„Billie?“ rief meine Mutter von oben.
„Tu so, als würdest du schlafen. Bis morgen“, küsste ich ihn und huschte nach oben.
„Hi, Mum. Du bist schon wieder zurück?“, hetzte ich nach oben und sie musterte mich. Ich hatte Bears T-Shirt an.
„Warst du draußen?“, wunderte sich meine Mutter weil das T-Shirt verdreckt war.
„Ja, ich hab Blumen gegossen“, log ich sehr schlecht.
„Blumen gegossen? Im T-Shirt mitten in der Nacht?“, deckte meine Mutter den Schwindel gleich auf.
„Du machst das doch auch. oder?“, druckste ich herum.
„Ich habe Blumen hier oben die nur im Mondschein blühen, das ist was anderes. Warte mal, ist das nicht Gabrieles Hemd?“, kam sie auf mich zu.
„Okay, ich war grad bei Gabriel. Jetzt zufrieden?“, platzte es aus mir heraus.
„Was meinst du damit. Oh!“, kapierte sie es und ich schlüpfte in meinen Morgenmantel.
„Tut mir leid“, entschuldigte ich mich.
„Hey, wir waren alle mal jung“, versuchte meine Mutter das mit Fassung zu tragen, aber ich sah es in ihrem Gesicht wie unangenehm ihr das war.
„Habt ihr verhütet?“ flüsterte sie fast.
„Mum!“
„Ich darf das fragen, ich bin deine Mutter. Wo hast du sie her?“, wurde es immer peinlicher.
„Ich hab vier Brüder in jungen Jahren, wo soll ich die sonst her haben? Fragestunde beendet?“
„Ja, sicher lass mich nur kurz die Blumen gießen dann bin ich schon weg“, war meine Mutter total verdattert und ging in einen Nebenraum.
 
Fast genauso verdattert guckte Bear als ich zurück in sein Bett kam.
„Sie weiß es jetzt und es ist kalt allein in meinem Bett“, erklärte ich und kuschelte mich an ihn. So schliefen wir ein.
 
Am nächsten Morgen herrschte wortwörtlich Katerstimmung im Hause Widow. Bear hatte einen furchtbaren Brummschädel von dem Bourbone, meine Eltern wussten nicht wie sie sich verhalten sollten und meine Brüder waren wie immer einfach zu lange weg gewesen.
„Will jemand noch Kaffee?“, sprengte meine Mutter das Schweigen.
„Sehr gern, Mrs. Widow“, erkannte Bear höflich und sah vorsichtig zu seinen Brüdern.
„Hört auf ihn so anzustarren und ihr vertreibt ihn mir nicht“, entschied ich mit fester Stimme.
„Wir wollten nur sehen, ob er Mums Kaffee auch nach der dritten Tasse überlebt“, witzelte Billy-Joe und lächelte.
„Werd nicht frech ich kann dich immer noch übers Knie legen, Freundchen“, freute sich meine Mutter, dass Billy-Joe anscheinend Recht war, dass Bear hier war.
„Er ist wirklich ganz ausgezeichnet, Mrs. Widow. Und ich trinke sonst auch nur Kaffee aus der Dose, da überleb ich alles“, ging Bear darauf ein und lächelte auch.
„Sagen Sie mal Gabriel, was haben sie für einen Beruf?“ fragte mein Vater plötzlich und verdarb die gute Stimmung.
„Ich bin psychologischer Betreuer, Sir, dass wissen Sie doch. Ich wer derjenige der Sie wegen Wilhelmina angerufen hat, wissen Sie noch?“, erklärte Bear und ich lächelte verlegen.
„Richtig. Sie betreuen meine Tochter. Geht’s ihr gut?“, redeten sie als wär ich nicht anwesend.
„Leute, ich sitze hier, ihr könnt mich in euer Gespräch einbeziehen“, bemerkte ich leicht genervt.
„Ein bisschen rebellisch aber sie macht sich. Sehen Sie ja selbst“, störten meine Kommentare sie wenig.
„Ich glaub ich geh’ mich mal anziehen“, war das mir sehr unangenehm und ich stand auf und ging zurück in mein Zimmer.
 
„Was hab ich falsch gemacht?“, stand Bear nur Sekunden später hinter mir in der Tür.
„Gar nichts, Dr. Pedestrian die Diagnose war mal wieder einwandfrei“, nörgelte ich.
„Das versteh’ ich jetzt nicht“, verzog er seine Stirn in Falten.
„Du kannst nicht beides sein, verstehst du. Mein Freund oder mein Psychologe. Das gerade war mir fast so peinlich als hättest du meinem Vater alles über unser Liebesleben erzählt“, erklärte ich.
„Tut mir leid, ich hab nicht nachgedacht. Ich werd dir einen Kollegen besorgen, sobald wir wieder zu Hause sind, okay?“, schlug er vor.
Aber das war nicht okay für mich. Er kannte meine tiefsten Gefühle. Das machte mir Angst.
„Apropos zu Hause, werden wir da offiziell ein Paar sein?“
„Natürlich“, sagte er, aber es klang kläglich.
„Du wirst es also Care sagen und allen anderen?“
„Ja, natürlich“, redete er sich heraus.
„Tu mir ein Gefallen, lüg mich nicht an. Wenn du gestern nicht so betrunken gewesen wärst, wär das mit uns nie passiert. Du wirst mir jetzt auch erklären, dass es besser ist den anderen nichts davon zu erzählen. Warte du brauchst mir nicht zu antworten, ich kenn sie“, wütete ich und sah ihn böse an.
„Sonst geht’s dir gut, oder was? Ich werd es ihnen sagen, irgendwann“, bemerkte er stockend.
„Gut, sag mir wenn es so weit ist. Ich werde dich aber dann vielleicht nicht mit offenen Armen empfangen“, tönte ich und machte eine Handbewegung dass er die Tür von draußen schließen sollte.
Ich musste an diesem Tag zum Blumenladen um die Gestecke abzuholen. Bears Bitte mich begleiten zu dürfen schlug ich aus, und ging Schnurstracks zu dem Blumenladen. Dort stand Will und roch grad an ein paar Blumen.
„Na, kaufst du Blumen für deine Freundin?“, sprach ich ihn von hinten an.
„Mein Gott ja, ich meine nein. Erschreck mich nicht so“, stotterte er ertappt.
„Entschuldige. Also ja oder nein?“
„Ich kauf niemals Blumen das weißt du doch“, fühlte er sich unwohl.
„Klar, das erklärt auch, warum du in einem Blumenladen bist. Wir sind nicht mehr zusammen du kannst es ruhig sagen“, stocherte ich weiter.
„Ja, die sind für ein Mädchen, mein Gott ich hatte vergessen wie neugierig du bist“, grummelte er und pflückte sich einige Blumen heraus.
„Kenn ich sie?“
„Nein, nicht wirklich. Und du, es geht das Gerücht um, du wärst wieder mit Begleitung hier“, bemerkte er neugierig zurück.
„Ja, Gabriel ist wieder da. Aber nichts hat sich geändert. Er will nicht zu unserer Beziehung stehen wie es scheint“, erklärte ich und nahm die Blumen an, die mir der Verkäufer geholt hatte.
„Ich dachte ihr wärt schon eine Ewigkeit zusammen?“
„Jetzt wirst du neugierig. Ich hab da wohl ein bisschen die Wahrheit verdreht. Ehrlich gesagt kennen wir uns schon länger, aber gefunkt hat es erst vor einer Woche“, beichtete ich.
„Mit zwei Tagen die er weg war dazwischen?“, war er ziemlich penetrant.
„Ich glaub ich werd jetzt schweigen. Ist besser so. Wir sehen uns heute Abend auf der Vorfeier?“
„Gern, ich komm gern. Sag deiner Familie Grüße und wenn du die Blumen so zusammenquetscht, werden sie furchtbar aussehen auf den Tischen“, griff er in meinen Korb. Unsere Hände berührten sich.
„Danke, ist glaub ich gut so. Also bis dann“, war ich perplex und ging schnell wieder heraus.
„Ist das dein Ex?“, hatte Zookie mich beobachtet.
„Hab ich nicht gesagt, ihr sollt ihm Hotelzimmer bleiben?“, war ich nicht begeistert sie zu sehen.
„Da verpass ich doch das Beste. Wie deinen Flirt mit dem Ex. Läuft da was?“
„Er hat ne Freundin“, stritt ich es ab.
„Tut mir leid für dich!“
„Muss es nicht. Das mit ihm ist vorbei“, behauptete ich felsenfest.
„Okay, wenn du das sagst. Wir haben Hunger“, erwiderte sie und da tauchten auch schon die anderen auf.
„3 Regeln. Keine versauten Witze, keine Zigaretten und ihr esst mit Messer und Gabel“, bat ich und alle nickten.
Beim Mittagessen starrte Bear mich an. Ich wich seinen Blicken aber so oft aus, dass es Zookie auffiel.
„Habt ihr euch gestritten?“, flüsterte sie mir zu.
„Was meinst du?“
„Ich meine wie ich es sage. Ich bin nicht blöd“, zischte sie.
„Hab ich nicht gesagt. Ja, wir haben uns gestritten, das wär ja nichts Neues“, zeterte ich und nahm mir einen Bissen.
„Nein, wär es nicht. Das schmeckt gut, Mrs. Widow“, wendete sie sich nach unsrem Gespräch zu meiner Mutter.
„Danke Zookie. Sind sie eine Kollegin von meiner Tochter?“
„Vielen Dank, dass sie das so nennen. Aber ich wohne auch in diesem betreuten Wohnen. So wie wir alle. Das ist nichts, wofür ich mich schämen sollte. Mir gefällt es dort. Aber das Essen ist hier wirklich besser“, sprach Zookie ganz offen über die Sache, die jeden in diesem Raum beschäftigte.
„Gut, das ist gut. Wirklich gut. Noch etwas Kartoffeln?“, wusste meine Mutter nicht genau was sie antworten sollte und reichte ihr die Kartoffeln.
 
„Redest du jetzt nicht mehr mit mir?“, fragte Bear mich, als wir stillschweigend den Tisch für die Gäste deckten.
„Nicht heute Abend, lass uns das später besprechen“, bat ich und legte die Messer zurecht.
„Okay, aber wir müssen darüber sprechen. So bald wie möglich“, bat er und ich lächelte schwach.
„Ja, das müssen wir wohl. Ich werde mal die Teller holen“, sagte ich im Gehen.
Als ich gerade am Schrank war, hörte ich Wills Stimme im Flur.
„Billie hat mich eingeladen, ich hoffe das ist in Ordnung“, redete er mit einer Person im Flur.
„Sicher, wenn sie das in Ordnung findet. Wir hatten einen schlechten Start, aber ich würde das ändern. Mein Name ist Gabriel Pedestrian ich bin Billies Freund“, antwortete Bear und mein Blut gefror zu Eis.
„William Long, aber ich glaub Sie wissen das“, konterte Will und ich ging langsam zu ihnen.
„Ja, er kennt dich langsam besser als ich glaub ich. Hi Will, danke dass du gekommen bist“, schüttelte ich Wills Hand so fest wie möglich.
„Sieht ganz so aus. Ich werde mal fragen, ob ich noch was helfen kann“, ließ Bear uns allein.
„Frostige Stimmung . Das wird ein tolles Essen. Ich kann auch wieder gehen“, bemerkte Will.
„Nein, das kommt gar nicht in Frage. Ich hab dich eingeladen. Willst du was trinken ein Bier, oder so?“, entgegnete ich und wir gingen in die Küche.
„Ein Bier wär nicht schlecht. Steigt die Party hier in der Küche?“, sah er sich um und sah alle in der Küche stehen.
„Die bereiten nur vor, ignorier sie einfach. Kommst du, Gabriel?“, ging ich mit den beiden Männern zurück ins Wohnzimmer.
„Meine Brüder sind heute Abend nicht dabei. Gott sei Dank, würd ich sagen. Setzt euch doch“, bat ich und sie nahmen auf dem alten Sofa Platz.
Ich setzte mich mitten rein.
Da saßen wir also und schwiegen.
„Hey, wenn ihr einen flotten Dreier vorhabt, ein vierer macht auch Spaß“, kam Han mit dem Salat zu uns.
„Han, bitte. Will das ist Calvin, aber wir nennen ihn Han“, stellte ich Han vor.
„Sehr erfreut Will. Will er heute oder Will er heute nicht“, legte Han weiter los.
„Han, der Salat gehört auf den Tisch“, versuchte ich ihn los zu werden, weil die Situation schon seltsam genug war.
„Zu Befehl Maestra“, verzog sich Han und ich atmete auf.
„Nett, dein Freund“, bemerkte Will zerstreut und lächelte mich an.
„Leute, was ist das hier für eine Stimmung. Wo ist die Party“, kam Amedeus mit einem Bier in der Hand zu uns.
„Nicht bei dir mein Freund, nicht bei dir. Amadeus, Will, Will Amadeus der nichts trinkt“, nahm ich ihm das Bier ab und scheuchte ihn weg.
„Ich glaub, bevor das hier zu einem Schaulaufen ausartet, gehen wir in die Küche und ich stell dich allen vor“, erkannte ich und wir standen wieder auf.
20 sehr peinliche Minuten später saßen wir alle beim Essen. Mit alle meinte ich meine Mutter, meinen Vater, meinen jüngsten Bruder, Will, Bear, Zookie, Han, Amadeus, Gal und ich natürlich. Es gab Hähnchen mit Kartoffeln und sie stopften sich voll. Nur ich stocherte in meinem Essen herum, immer die Blicke auf Will und Bear gerichtet die nebeneinander saßen.
„Was?“, fiel es Bear auf.
„Ich wart nur auf den großen Knall, dann kann ich in die Küche gehen und mein Essen in der Mikrowelle warm machen“, erwiderte ich ohne die Blicke abzuwenden.
„Da komm ich jetzt nicht ganz mit“, bemerkte Will und ich legte noch einen drauf.
„Klasse, ich dachte das wollten wir in Ruhe klären“, mischte sich Bear ein.
„Das will ich auch, ich dachte nur ihr zwei habt euch doch bestimmt viel zu sagen“, provozierte ich ihn.
„Nein, eigentlich nicht“, erkannte Will.
„Du hast zuwenig Erfahrungen mit dem Thema. Männer sind nicht so, wie man es in der Cosmo liest“, bemerkte Zookie und ich sah sie an.
„Ich les keine Cosmopolitan“, nörgelte ich und sie grinste.
„Sie hat Recht, ich kontrolliere jeden Tag ihre Schränke“, entgegnete Bear und nun sah Will Bear an.
„Du kontrollierst ihre Schränke. Warum tust du das?“, war Will neugierig.
„Das muss ich machen, ist Vorschrift bei Drogensüchtigen auf Entzug“, platzte es aus Will heraus.
„Sie ist Drogensüchtig?“, war Will entsetzt.
„Endlich ist der Zeitpunkt da. Danke“, stand ich auf und ging in die Küche.
„Moment, so schnell kommst du uns nicht davon. Du kannst nicht eine Diskussion anfangen und dann mittendrin aufhören“, entschied Will und ich lehnte mich provozierend mit dem Rücken an die Ablage.
„Ich wollt es dir nicht sagen. Ja ich bin in Therapie. Das sind nicht meine WG-Kollegen das sind auch Süchtige die mit mir zusammen in einem betreuten Wohnen leben. Gabriel ist oder besser gesagt war mein Psychologe. Willst du noch mehr wissen?“, erklärte ich etwas schroff.
„Wie lang geht das schon so?“, sah ich die Verwirrung in seinen Augen.
„Keine Ahnung, ich bin so etwa 6 Monate clean. In meiner Studienzeit hat es angefangen. Tut mir leid, ich wollt es dir sagen, aber dann hast du nicht mehr das Bild von der schüchternen Abschlussballkönigin vor Augen, die ich schon lang nicht mehr bin. Ich bin eine Frau, ich mache Fehler, besser gesagt, ich hab Fehler gemacht die ich bitter bezahlen musste. Jetzt versuch ich sie grad wieder gut zu machen. Du hast jetzt wahrscheinlich viel zu verdauen, ich lass dich dann mal allein“, brabbelte es aus mir heraus und mit meinem immer noch kalten Teller in der Hand ging ich zurück ins Wohnzimmer.
„Bleib doch mal stehen, gehen wir raus, ich will mehr davon wissen“, bat Will und hielt meinen Arm fest. Ich sah zu Bear. Er nickte verständnisvoll.
„Okay, gehen wir in den Garten“, gab ich nach, drückte Bear meinen Teller in die Hand und er führte mich raus auf die alte Hollywoodschaukel.
„Sie gehen auf die Hollywoodschaukel. Das ist kein gutes Zeichen, mein Freund. Da haben sie früher immer drauf rumgeknutscht wie wild“, bemerkte Mo und Bear hastete uns nach.
„Wollt ihr Pudding?“, kam Bear auf uns zu, als wir grad mitten im Gespräch waren.
„Wie meinen?“
„Entschuldigt, deine Mutter fragt ob ihr Nachtisch wollt“, fand Bear eine lausige Ausrede.
„Ja, gern. Wenn du jetzt so lieb wärst“, schickte ich ihn weg.
Ich sah ab und zu ins Fenster. Bear starrte uns an. Fast so, als könnte er so etwas verhindern, was er nicht verhindern musste.
„Jetzt küsst sie ihn gleich“, frotzelte Mo und klaute Bear dabei eine Kartoffel. Aber Bear war schneller und hielt seinen Arm fest.
„Nicht so schnell mein Freund, das esse ich noch“, meinte er ohne den Blick von uns abzuwenden.
„Wie hast du das gemacht, hast du ein drittes Auge?“ war Mo verdattert.
„Nein, ich bin Psychologe, ich fühle was du tun wolltest“, bemerkte er kühl.
„Boah, wirklich“, war Mo gebannt.
„Nein, aber ich bin als Waisenkind aufgewachsen, da lernt man schnell zu sein. Siehst du?“, klaute er blitzschnell Mo eine Kartoffel vom Teller.
„Sie sind ein Waisenkind, das ist ja furchtbar“, mischte sich meine Mutter ein.
„Ist halb so schlimm ich wuchs bei einer Nonne auf. Die gab mir den Namen Gabriel nach dem Schutzengel. Sie ist wie eine richtige Mutter für mich. Aber ich wuchs halt mit 10 anderen Kindern auf. Deshalb bin ich mit einer Großfamilie irgendwie vertraut“, erzählte er.
„Das hab ich gar nicht gewusst“, kam ich wieder hinein.
„Du hast nie gefragt. Schon fertig?“ sah er mich mit strahlenden Augen an.
„Sieht so aus. Also wo ist der Pudding?“
„Welcher Pudding?“ wunderte sich meine Mutter.
„Den Pudding den wir jetzt machen werden. Kommt mit“, zog er Will und mich in die Küche.
„Du bist ein Spinner, ich hoffe du weißt das. Und eifersüchtig obendrein. Was zum Henker machst du da? Wir essen Eiskrem zum Nachtisch“, griff ich in den Gefrierschrank um den Nachttisch vorzubereiten, während er die Schränke durchwühlte.
„Entschuldigt, ich bin ein großes Kind. Kein Problem, ich schick mich schon ohne Nachtisch selbst ins Zimmer“, wurde er plötzlich ganz komisch und trottete davon.
„Wenn das ein psychologischer Trick ist, ist er echt gewieft“, bemerkte Will.
„Nein, ist es nicht. Er schmollt nur für sein Leben gern. Komm, hilf mir bitte“, schmunzelte ich und er half mir das Eis in die Schälchen zu verteilen.
„Wir haben entschieden, dass du auf keinem Fall ohne Nachtisch ins Bett kannst“, kam ich etwa eine Stunde später mit einem Schälchen in der Hand versöhnlich ins Gästezimmer.
„Es ist so still da draußen, ich hoffe ihr seit noch alle am Leben“, schaute er nachdenklich aus dem Fenster.
„Es stand auf der Kippe, aber jetzt ist alles klar. Sie sitzen geknebelt vor dem Fernseher und sehen Jay Leno. Hoffe ich zumindest. Es ist Walnuss-Nougat Eis da, da kannst du nicht nein sagen“, lockte ich ihn an.
„Nein, danke jetzt nicht mehr. Iss du es. Es ist so still hier. Fast unheimlich. Wird mir fehlen“, grübelte er und drehte sich zu mir.
„Ja, morgen geht’s wieder heim. Komisches Gefühl. Du hast dich gut mit Will verstanden wie es aussieht. Das ist toll“, sprach ich das leidige Thema an.
„Ja, ist ein netter Kerl. Etwas primitiv, aber nett. Hast du ihn noch schön ins Bettchen gebracht?“ frotzelte er und ich fing an das Eis zu mampfen.
„Du bist so ein Blödmann, ich hoffe du weißt das“, schmunzelte ich und kletterte zu ihm aufs Bett.
„Ich weiß, warum denkst du bin ich Psychologe geworden? Das ist Blödmann als Beruf. Man, jetzt kritisier ich mich schon selbst, du hast echt einen schlechten Einfluss auf mich. Was ist hast du irgendwelche Drogen für mich?“, konterte er und ich setzte mich neben ihn.
„Nein, die hab ich alle zu Hause. Aber jetzt im Ernst, du magst Will?“
„Mögen ist übertrieben. Ich dulde seine Anwesenheit“, erwiderte er und nahm sich mit dem Finger etwas Eis aus der Schale.
„Vielen Dank, eure Hoheit, ich dachte nur, weil du so reagiert hast als ich ihn geküsst habe“, wurde ich ernst.
„Ich war damals nicht sauer auf ihn, obwohl vielleicht ein bisschen, aber vor allem war ich auf eine Person sauer“, erklärte er.
„Den Postboten?“
„Hey, das ist mir Ernst“, bat er.
„Ja, ich bereue ihn jemals geküsst zu haben, weil ich dich damit fast verloren habe. Willst du das hören?“, gab ich ihm die Schale weil er dauernd darin herumfingerte.
„Das ist ein Anfang. Ein sehr guter Anfang. Okay, ich nehme deine Entschuldigung an, wen du mir endlich glaubst, dass ich dich nicht verleugnen werde, wenn wir zurück sind“, handelte er und ich küsste ihn.
„Gut, sonst müsste ich dir Zookie auf den Hals hetzen“, drohte ich spielerisch.
„Das wär nicht so gut, abgemacht ich werde dich wenn wir zu Hause sind alle meinen Freunden offiziell als meine Freundin vorstellen“, versprach er.
„Hast du überhaupt Freunde?“
„Hey, das war fies!“
„Ich frag nur, ich hab dich nur noch nie ausgehen sehen oder so. Nicht, dass es mich stört, aber ich hab mich halt gewundert. Es ist nicht schlimm, keine Freunde zu haben. Ich hab auch nicht besonders viele und dieser Haufen da draußen kann ich ja kaum als meine Freunde bezeichnen“, gestand ich ein.
„Wir sind wirklich nicht zu beneiden“, erkannte er und ich lächelte.
„Doch das sind wir. Wir haben uns“, säuselte ich und er stellte die Schüssel auf den Nachtisch.
„Das ist jetzt wirklich ein gutes Argument“, konterte er und begann mich zu küssen.
 
„Leute, das müsst ihr sehen, Jim Carrey ist da und der macht …“, stürmte Zookie ins Zimmer.
„… nicht so interessante Sachen wie ihr wie ich sehe. Ihr habt euren Streit wohl beendet wie es aussieht“, war Zookie recht amüsiert und ich zog mein Hemd wieder herunter.
„Ich hätte abschließen sollen“, murmelte ich und machte meine Haare zurecht.
„Aber nein, da verpass ich doch das Beste. Macht ruhig weiter“, amüsierte sie sich köstlich.
„Wie wär’s wenn wir zusehen wie Jim Carrey wieder was unheimlich komisches macht?“, sprang ich auf und ging zur Tür.
„Nein, das ist doch wirklich interessanter. Wie lang läuft das schon mit euch?“, war Zookie neugierig und ich machte genervt die Tür zu.
„Ewig und drei Tage. Siehst du nicht, dass du störst?“
„Leute, was seid ihr so verklemmt. Was Han und Gal da letzte Nacht veranstaltet haben, das wär mir peinlich. Aber eine kleine Fummelei am Abend ist doch mal was Schönes“, sah Zookie das ganz gelassen.
„Jay Leno klingt gut oder?“, stand auch Bear wieder auf, zog seine Hose an und marschierte schnurstracks ins Wohnzimmer.
„Ich wusste gar nicht, wie verklemmt unser Doc ist. Ist irgendwie süß“, legte sich Zookie aufs Bett.
„Bye Zookie“, ging ich ihm hinterher.
„Ihr passt perfekt zusammen, echt jetzt“, verfolgte sie mich und ich atmete tief durch.
„Ein Mucks und ich lass dich noch eine Nacht mit denen in einem Hotelzimmer verbringen“, drehte ich mich zu ihr um.
Zookie tat so als würde sie ihren Mund abschließen und den Schlüssel weg werfen.
„So ist’s brav. Jetzt setz dich an die Glotze“, bat ich und sie ging weiter.
„Wie lange wird sie das aushalten?“
„Stell dich auf eine sehr lange Nacht ein“, hakte ich mich bei ihm ein und wir folgten ihr ins Wohnzimmer.

Achtes Kapitel


Der letzte Tag kam viel zu schnell. Ich blinzelte in die Sonne als ich wach wurde. Ich hatte vergessen den Vorhang zu zuziehen. Oder hatte Bear ihn aufgemacht? Ich drehte mich im Gästebett um. Er lag nicht mehr neben mir. Verschlafen schlüpfte ich in meine Pantoffeln und schlurfte nach draußen.
„Ich hab nicht gedacht, dass du mit Licht so lang schlafen kannst“, sprach mich Bear an, der auf einer Treppenstufe saß und ein Fotoalbum in der Hand hielt.
„Ist spät geworden gestern. Wirklich unglaublich, dass Zookie die Klappe gehalten hat. Wo ist sie überhaupt?“, gab ich ihm einen Guten Morgen Kuss und setzte mich neben ihn.
„Sie backt. Sie nimmt tatsächlich Lebensmittel in die Hand um sie zu verarbeiten. Das ist sogar mir neu. Man, warst du ein süßes Baby“, zeigte er auf ein Bild.
„Ach, gib das her. Meine Mutter ist so gut wie tot. Ich werd mich mal anziehen und ihnen helfen. Sind die anderen auch schon da?“
„Nein, sonst wär es hier nicht so still, glaub ich. Weißt du eigentlich, dass du furchtbar aussiehst, wenn du gerade aufgewacht bist?“, frotzelte er und ich knuffte ihn in die Seite.
„Du frecher Kerl. Das nehme ich besser mit. Bis gleich“, grunzte ich vergnügt, riss das Album an mich und verschwand wieder im Gästezimmer.
Als ich in die Küche kam, standen dort meine Mutter und Zookie Mehlverschmiert und kneteten Teig.
„Hey, guten Morgen. Ich wusste gar nicht wie entspannend Teig kneten ist. Dein Romeo ist ins Hotel gegangen, um die anderen zu holen. Er bringt die Getränke mit. War’s noch schön gestern Nacht?“, begrüßte Zookie mich und ich setzte mich an den Tisch.
„Du glaubst doch nicht etwa, dass wir da weiter machen, wenn du einen Stock höher schläfst. Vor allem sollten wir das nicht im Beisein meiner Mutter besprechen. Morgen Ma, es ist verdammt still hier, wo sind die Männer?“, steckte ich meine Nase in die Zeitung.
„Ich hab sie Einkaufen geschickt, die bringen sicher nicht alles mit. Aber sie haben mich genervt. Willst du Waffeln ich hab sie im Backofen warm gehalten“, war meine Mutter vergnügt.
„Ja, gerne. Mein Gott ich hatte vergessen wie fröhlich du immer am Hochzeitstag bist. 30 Jahre, meine Herren das ist ja eine kleine Ewigkeit“, ging ich zur Mikrowelle.
„Ja, Gabriel und du werdet auch so lange glücklich, ihr werdet sehen“, bemerkte meine Mutter und schreckte zusammen, als ich den Teller etwas unsanft auf die Ablage knallte.
„Hab ich was falsches gesagt?“ wunderte sie sich.
„Nein, der Teller war nur heiß“, log ich. Aber es war falsch gewesen. Ich wusste, dass dieser Tag der letzte sein würde, den Bear und ich zusammen verbringen würden. Er liebte seine Arbeit zu sehr um sie wegen mir aufzugeben.
 
„Da sind ja meine Hübschen, da bin ich wieder. Mitsamt der ganzen Sippe. Lecker Pfannkuchen“, stürmte Bear in die Küche, bediente sich meiner Pfannkuchen, gab mir ein Küsschen und pflanzte sich auf meinen Platz.
„Man, hab ich einen Hunger, ihr sperrt uns da ohne Essen ein, ich hoffe ihr wisst das“, bediente sich Han auch und nahm die Zeitung.
„Ich glaub ich muss erst mal eine Dusche nehmen. Eine sehr lange Dusche“, war Amadeus durch irgendwas sehr verwirrt, bediente sich wie die anderen und ging wieder.
Aber Gal zögerte.
„Nimm dir den letzten, ich glaub mir ist der Hunger vergangen“, entschied ich und verließ die Küche.
„Alles in Ordnung mit dir?“, wunderte sich Bear der mir nachgegangen war.
„Ja, alles bestens. Wirklich. Ich werde mal meinen Brüdern nachgehen, dass die auch alles einkaufen“, verließ ich die Runde und ging aus der Tür zum Supermarkt.
Meine Sippschaft traf ich dort nicht an. Aber einen alten Bekannten.
„Hey, wenn du die Lone Riders suchst die sind schon lang weg. Vermutlich im Mac. Ich wollt dich was fragen“, begrüßte mich Will, der gerade fleißig Sachen in seinen Wagen packte.
„Schieß los, meine Frage hast du ja schon beantwortet!“
„Meine Freundin ist leider kurzfristig verhindert, kann ich auch Charly zur Feier mitbringen?“ fragte er vorsichtig.
„Klar, das ist aber schade, ich hätte sie gern kennen gelernt. Dafür dass sie weg ist, kaufst du aber ziemlich viel ein“, schlussfolgerte ich und lugte in seinen Einkaufswagen.
„Wer hat gesagt, dass sie weg ist?“, schien er nervös.
„Niemand, ich dachte nur wenn sie nicht kommen kann, dann ist sie vermutlich nicht in der Stadt. Hey, das sind Twinkies die isst doch Charly so gern“, war ich neugierig.
„Sie hat mich gebeten auch für sie einzukaufen, weil sie lang arbeiten muss. Man, bist du heute neugierig“, wirkte er abweisend.
„Gut, kein Grund so zu reagieren. Du verhältst dich wirklich total verrückt, ich find schon raus warum. Also bis heut Abend ich muss jetzt meine Nichtsnutze von Brüdern aus der Bar raus holen um 10 Uhr morgens. Bis dann“, war ich leicht konsterniert und ging weiter.
„Wenn ihr nur daran denkt, jetzt schon ein Bier zu kippen, gibt es mächtig Ärger“, stürmte ich ins Mac und sah meine Brüder bei einer Runde Karten. Sie tranken nicht.
„Hältst du uns für Säufer, Billie?“, grummelte Billy-James hinter seinen Karten.
„Die Frage muss ich nicht wirklich beantworten, oder? Wo sind die Einkäufe?“, sah ich mich um.
„In Macs Gefriertruhe. Wir wollten nur noch eine Runde Karten spielen. Ist das etwa verboten?“
„Ach macht doch was ihr wollt. Mac gibst du mir bitte die Einkäufe“, bat ich und ein weißhaariger Mac kam mit zwei Tüten in der Hand zu mir.
„Du bist alt geworden, Mac!“, stellte ich fest.
„Und du so dünn. Kind was kriegst du in New Orleans zu Essen. Wasser?“, umarmte er mich über den Tresen hinweg.
„War ne schwere Zeit, ich geb mir Mühe. Du gibst den Jungs nichts zu trinken, bevor die Sonne unter gegangen ist, bitte“, bat ich und nahm die Tüten.
„Werd ich nicht, versprochen“, entgegnete er und ich küsste seine Backe.
„Ist ne glatte Lüge, aber danke fürs Versuchen“, ging ich ohne meine Brüder noch mal anzusehen wieder aus der Bar.
Es fehlte natürlich die Hälfte, also ging ich noch mal zurück um es zu holen. Was ich dort sah, erklärte vieles. Da standen Will und Charly in inniger Umarmung. Neben ihnen ein kleiner Junge.
„Verhindert. Das ich nicht lache. Warum sagen die mir das nicht. Wie auch immer“, beließ ich es beim Sehen und ging unauffällig weiter.
„Okay, wer von euch wusste es?“, kam ich auf dem Nach Hause Weg noch mal im Macs vorbei.
„Was ist denn jetzt schon wieder? Ich gewinn grad“, bemerkte Billy-Jack und sah auf.
„Mein Ex-Freund und meine beste Freundin. Klingelst da irgendwie?“
„Ach ja, die sind doch schon seit 4 Jahren verheiratet. Das hat er dir nicht erzählt?“, lugte Billy-Bob von seinem Teller auf und biss in seinen Hamburger.
„5 Jahre!“, verbesserte ihn Billy-Joe.
„Wie auch immer. Josh ist ja auch schon sechs Jahre alt glaub ich. Hat jemand fünfen?“, erklärte Billy-James als wär das das normalste der Welt.
„Danke, für die Informationen. Wenn ihr noch könnt, dann bewegt euch gegen 8 Uhr nach Hause okay?“, war ich total konfus und latschte nach Hause.
 
Wie unter Trance stellte ich die Tüten auf die Ablage in der Küche und ging die Treppen hoch in mein Zimmer. Dort waren Han und Gal wieder mal voll bei der Sache.
„Raus“, brüllte ich und knallte die Tür zu, nachdem sie verschwunden war.
Plötzlich fühlte mich wieder wie 16. Mir schossen tausend Bilder von mir und Will in den Kopf. Unser erstes Date, der erste Kuss und dann kam dieses Bild zum Vorschein. Diese glückliche Familie. Es hätte meine sein können.
 
„Alles in Ordnung da drin?“, klopfte meine Mutter an die Tür.
„Verschwinde“, schrie ich, aber sie kam rein.
„Red nicht in dem Ton mit mir. Was ist, haben dich die Jungs wieder geärgert?“, setzte sie sich neben mich aufs Bett.
„Hast du gewusst, dass Will und Charly verheiratet sind?“
„Ja, das ist doch eine alte Kamelle. Was regt dich das auf?“
„Entschuldige, ich weiß das aber erst 10 Minuten. Warum hat mir das keiner gesagt?“
„Du hast nicht gefragt!“
„Ich halt das heute Abend nicht aus. Ich muss sie wieder ausladen“, stand ich auf und ging zu meinem Schrank.
„Von wegen, du bist erwachsen. Das stehst du durch. Du wirst dir jetzt etwas Schönes anziehen und heute Abend wirst du ihnen gratulieren. Du wirst uns nicht den Abend versauen, haben wir uns verstanden“, packte sie mich von hinten an den Schultern und öffnete den Kleiderschrank.
„Ich weiß warum er sie genommen hat. Er steht halt auf etwas Handfestes. Das kann ich ihm nicht mehr bieten. Guck dir die Klamotten an, da hab ich mal reingepasst“, sah ich meine alten, viel zu großen Klamotten an.
„Ich weiß, dass er dich geliebt hat, aber Charly war schwanger von ihm, als du weg bist. Er war zu beschämt um es dir zu sagen, deshalb ist er weg. Er kam einen Monat später zurück, um sich um sie zu kümmern. Die beiden können es dir bestimmt am besten erklären. Jetzt gucken wir mal, was du anziehen kannst“, machte sie die Tür wieder zu und zog mich zum Koffer.
Ich war wie betäubt.
„Er hat mit uns beiden geschlafen, damals?“, stotterte ich.
„Das will ich damit sagen, mein Schatz. Nur etwas grammatikalischer. Das hier ist schön, die Hose und die Bluse. Zieh’ es mal an“, erkannte meine Mutter und drückte mir zwei Sachen in die Hand.
„Ich hätte nicht her kommen sollen“, bereute ich es und zog meinen Pullover aus.
„Was stört dich, dass er vergeben ist, du hast doch auch jemanden“, versuchte sie mich aufzumuntern.
„Nein, ich hab niemanden. Gabriel und ich sind nicht zusammen. Nicht so richtig. Sobald wir wieder zu Hause sind, werden wir uns vermutlich trennen müssen. Wir sind noch nicht so lang zusammen, wie wir vorgegeben haben“, erklärte ich und knöpfte die Bluse zu.
„Ich weiß, hab ich schon gemerkt. Diese junge Verliebtheit kenn ich noch von deinem Vater und mir. Das ist jetzt 32 Jahre her. Die 70er waren eine wilde Zeit. Wie auch immer. Aber er liebt dich, das spüre ich. Ganz tief hier drin. Du siehst gut aus, wirklich gut“, betrachtete sie mich in voller Montur.
„Danke, wenigstens das. Du denkst, er liebt mich?“
„Natürlich warum sollte er sonst darum betteln deine Kinderfotos angucken zu dürfen!“
„Weil er mich bloßstellen will?“
„Du bist unmöglich. Komm mal her, lass mich dich schminken. Du warst so wunderschön, als ich dich für deinen Abschlussball geschminkt habe. Diese furchtbaren Drogen haben dir viel davon genommen. Aber das kriegen wir hin. Du wirst sehen, alles wird gut“, beruhigte sie mich, während sie mir sanft das Puder auftrug.
 
Es wurde Nachmittag und ganz langsam ging die Sonne unter und die Gäste trudelten ein. Da waren die Johnsons von nebenan, Pfarrer Precot, der sie damals getraut hatte, Mac und schlussendlich die traute Familie. Sie hatten sogar den Jungen mitgebracht.
„Charly, schön dass du kommen konntest. Und du hast jemanden mitgebracht, wie schön“, setzte ich mein künstliches Lächeln auf und begrüßte sie.
„Ja, das ist mein Neffe Josh, ich hab ihn heute Abend. Wills Einladung kam ja schon ein bisschen kurzfristig“, spielte sie so gut, dass ich so tat, als würde ich ihr glauben.
„Kunststück einfach so einen Neffen aus dem Ärmel zu schütteln wo man doch ein Einzelkind ist“, flüsterte ich zu Bear der brav mitspielte und meine Hand drückte.
„Einfach mitspielen, okay?“, zischte er und nahm meine Hand, als wir zum Tisch gingen.
„Drück meine Hand nicht so fest, sonst fällt sie mir noch ab“, erkannte ich raunend und er rückte mir einen Stuhl zurecht.
„Ich trete dir auch gern vors Schienbein, wenn es nötig ist“, bemerkte er durch ein Lächeln und setzte sich neben mich.
Die Gespräche am Tisch waren ziemlich einseitig. Es ging um die Ehe, die gute alte Zeit und um wunderbare Kinder. Nach etwa 2 Stunden hielt ich es nicht mehr aus und ich verzog mich auf die Toilette.
„Warum zum Henker hab ich mit dem Alkohol aufgehört?“, redete ich mit mir selbst und setzte mich auf den Badewannenrand.
„Weil es sich mit den Medikamenten nicht vertragen hat, die du so geschluckt hast?“, fragte Bear und ich schreckte auf.
„Hab ich dich gebeten mitzukommen?“
„Nein, aber ich dachte du würdest gern reden“, erklärte er und zog mich hoch.
„Ich will nicht reden“, setzte ich mich auf den Boden vor der Toilette.
„Gut, dann rede ich. Versetz dich doch noch Mal in die Zeit zurück. Schließ die Augen“, legte er meinen Kopf auf seinen Schoß.
„Ich glaub dieser Abend hat schon genug in der Vergangenheit gestochert. Das ist schön, sei einfach ruhig“, genoss ich den Moment der Ruhe.
Die Ruhe währte nicht lange. Nur Minuten später kamen meine Brüder nach Hause.
„Die Party ist vorbei“, setzte ich mich auf.
„Jungs, seid leise. Was habt ihr da?“, sah ich nur etwas Brennen.
„Psst, soll eine Überraschung sein. Hat Macs Frau gemacht“, flüsterte Billy-James und ich sah, dass sie eine riesige Torte mit einer 30 darauf in den Händen hielten.
„Sagt bloß ihr seid nüchtern!“
„Dir ist heute wohl nichts recht wir mir scheint!“
„Entschuldigt, natürlich, das ist mir sehr recht. Mein Gott, ihr habt ja auch Anzüge an. Sagt bloß, ihr habt auch geduscht“, war ich völlig von den Socken.
„Nicht übertreiben, Schwesterchen. Kommst du?“, schmunzelte Billy-Bob und ich ging mit ihnen mit.
Ich glaub diesen Moment werde ich lang nicht vergessen. Meine Eltern hatten so gestrahlt.
 
„Meine Brüder können einen manchmal echt überraschen. Sie sind zwar nutzlose Säufer, aber sie sind irgendwie Originale. Komisch, aber ich werd das hier vermissen“, standen Bear und ich draußen auf der Veranda als alle gegangen waren.
„Es muss leider sein. Aber wir kommen zurück wenn es dir wieder gut geht. Zookie wird Cares Wagen fahren, dann können wir zusammen fahren. Nett von ihr nicht?“, entgegnete er und legte den Arm um mich.
„Das ist Cares Wagen?“
„Ja, und die werden ihr auch jede Menge erklären müssen. Es ist so friedlich hier. Komm lass uns gehen“, schmunzelte er und wir stiegen in den Wagen.
„Hast du alles?“
„Genug Stoff für mindestens 12 Therapiesitzungen wenn du das meinst“, witzelte ich und er lächelte mich an.
„Gut, dann können wir ja. Versuch ein bisschen zu schlafen“, startete er den Motor und brauste Richtung Heimat.

Neuntes Kapitel


Es war fast ungewohnt wieder die Häuser mit den verschnörkelten Balkonen im Schein der Lichter zu sehen. Es war jetzt fast 2 Uhr nachts, aber immer noch herrschte wildes Treiben auf den Straßen von New Orleans. Ich hatte das Fahren übernommen. Aber eigentlich durfte ich gar nicht fahren, denn ich hatte ja noch eine Fahrsperre durch den Zwischenfall mit den Drogen. Kurz bevor wir in unsere Straße einfuhren, hielt ich an und weckte Bear.
„Hey Schlafmütze, du bist wieder dran“, weckte ich ihn sanft und er blinzelte.
„Wie spät ist es?“
„Kurz vor zwei Uhr. Wir sind gleich da, du musst den Rest fahren. Konntest du ein bisschen schlafen?“ erklärte ich und er stieg aus.
„Ja, ein wenig. Wo sind die anderen?“
„Die wollten glaub ich vor fahren und sich noch nen Joint genehmigen“, bemerkte ich mit ernster Stimme.
„Was?“
„Ein Scherz, sie sind vor gefahren. Wir treffen sie vor dem Tor. Dir kann man auch alles erzählen“, stieg ich auf dem Beifahrersitz ein und er grinste.
„Du schon. Bist du bereit zurück zu kehren?“
„Glaub schon, ist aber schon ein seltsames Gefühl“, konterte ich und sah in den Spiegel. Ich sah müde aus und mein Make-up war verlaufen.
„Ich seh’ furchtbar aus. Also wie machen wir es jetzt?“, plante ich schon unseren Auftritt.
„Wir gehen rein, du gehst ins Bett und dann werden wir sehen“, tat er das schnell ab.
„Klar, wie du meinst“, hatte ich einen großen Auftritt erwartet und er fuhr los.
 
Care stand schon vor der Tür als wir ankamen und betrachtete ihr Auto.
„Zumindest ist der Wagen noch heile, was eigentlich an ein Wunder grenzt. Na, zurück aus dem Urlaub?“, war sie ziemlich aufgebracht, als Bear ausstieg.
„Red leise bitte, willst du denn das alle aufwachen?“, zischte Bear und zog sie rein.
„Die haben meinen Wagen geklaut, soll ich da vielleicht Luftsprünge machen?“, ließ sie sich nicht beruhigen.
„Du solltest dich erst mal beruhigen, ich war schließlich im Kofferraum gefangen, da kann ich wohl kaum was dafür. Geht in eure Zimmer“, redete er auf Care ein und schickte uns dann nach oben.
„Oh man, sind wir fünf, oder was?“, nörgelte Han aber nach einem strengen Blick von Care verzog er sich brav.
Ich hörte sie eine ganze Weile da unten streiten. Als sie aufhörten und weggingen hörte ich nur noch Amadeus‘ Schnarchen. Er war das vermutlich aus seiner Kindheit gewöhnt mit Krach einzuschlafen.
Ich konnte nicht schlafen. Es war so eine aufregende Woche gewesen. Ich dachte viel nach. Über meine Vergangenheit, meine Zukunft und hoffte inständig, dass Bear zu unserer Liebe stand.
 
Aber ich dachte es nicht wirklich. Es wurde Morgen und das Frühstück im Speisesaal stand an. Bear ignorierte meine Zeichen sich neben mich zu setzen, wie sollte es auch anders sein. Nach dem Frühstück fing mich Care ab.
„Du bist sicher schon furchtbar begeistert dass du wieder arbeiten darfst. Aber leider muss ich dich vorher untersuchen. Das ist leider Vorschrift“, machte es Care sichtlich Spaß mich, wo ich schon am Boden lag, noch mal runter zu drücken.
„Natürlich Care, wie auch immer“, murmelte ich und ging gleich mit ihr mit.
„Du kennst die Prozedur. Urintest, Haarprobe und Leibesvisitation“, erklärte sie während ich mich auszog.
„Zur Genüge. Bringen wir es schnell hinter uns, bitte“, hatte ich keine Einwände und zog den Kittel über.
„Täusch ich mich, oder hast du zugenommen?“, freute sich Care.
„Keine Ahnung, ein, zwei Kilo vielleicht ich hab mich nicht gewogen“, bemerkte ich und sie fuhr mit den Händen meinen Körper ab. Ihre Hände waren kalt, aber das war nie anders gewesen.
„Okay, keine Einstiche, keine blauen Flecke oder Rötungen. Mund auf“, entgegnete sie und ich riss den Mund auf.
„Zunge rosa, nicht verfärbt. Äußerlich scheint alles normal zu sein. Warum dann so betrübt?“, stellte sie fest und fuhr meine Arme ab.
„Mein Ex ist jetzt verheiratet mit Kind“, bemerkte ich und setzte mich auf, dass sie meine Lunge abhören konnte.
„Du Arme. Wie auch immer ist vielleicht besser so. Deine penetrante Fixierung auf diesen Kerl war ja schon manisch“, entschied sie und hob das Hemd hoch.
„Vielen Dank für die Anreihung dieser netten Fremdwörter. Wirklich beruhigend. Hab ich was oder kann ich jetzt pinkeln gehen“, war ich begeistert von ihrer Fürsorge.
„Gut, mach das. Hier“, drückte sie mir den Becher in die Hand.
„Vielen Dank“, antwortete ich ihr genauso gelangweilt und hüpfte vom Untersuchungstisch.
„Du kannst mir alles sagen, das weißt du, oder?“, hielt sie mich auf.
„Danke, mir geht’s gut“, behauptete ich und watschelte Barfuß zur Toilette.
 
„Na, hat Care wieder ihre Bedürfnisse befriedigt“, begrüßte mich Amadeus, der am Fenster saß.
„So sieht’s aus. Ich soll dich runter schicken“, erklärte ich und setzte mich im Schneidersitz auf mein Bett.
„Zu Befehl“, salutierte er und ging die Treppe runter.
Meine schlechte Laune hielt einige Tage an. Das führte dazu, dass ich am Ende der Woche zu Bear musste.
„Du bist so ein Heuchler“, begrüßte ich ihn und schloss die Tür.
„Schön dich zu sehen, wie geht es dir heute?“, entgegnete er unberührt und drehte sich zu mir.
„Wie soll es mir gehen, ich vermiss dich verdammt. Ich hatte nicht wirklich gedacht, dass du zu uns stehst, aber dass du den Kontakt total abbrichst das ist schon etwas hart“, konterte ich und setzte mich auf einen Stuhl.
„Red nicht so ein Mist, ich red doch mit dir“, erkannte er und setzte sich neben mich.
„Nein, tust du nicht. Du guckst mich ja nicht mal an. So wie jetzt. Sieh’ mich an“, zog ich sein Kinn hoch, dass er mich ansah.
„Ich kann dich nicht ansehen. Es ist so schwer“, fuhr er mit der Hand über meine Backe.
„Ich weiß, ich weiß“ bemerkte ich und er küsste mich sanft.
„Es ist besser so. Für uns beide“, flüsterte er und ich hielt seine Hand an meiner Backe fest.
„Danke für die Sitzung, Doc, ich werde jetzt wieder gehen“, sagte ich leise, legte seine Hand wieder auf seinen Schoß und stand auf um zu gehen.
„Wir haben noch 20 Minuten“, rief er mir hinterher.
„Unsere 20 Minuten sind vorbei, Gabriel. Auf wieder sehen“, verabschiedete ich mich und schloss die Tür von außen.
 
„Care, kann ich dich kurz sprechen?“, ging ich noch Mal in der Sanitärabteilung vorbei.
„Sicher, komm rein“, war Care froh, dass ich zu ihr kam.
„Ich brauch einen neuen Therapeuten“, erwiderte ich und knetete meine Hände auf meinem Schoß.
„Hast du nen Grund dafür?“
„Ich hab Probleme mit Bear, es funkt irgendwie nicht, das ist alles“, erklärte ich trocken.
„Ich glaub eher, es funkt ein bisschen zu sehr bei euch“, schmunzelte sie.
„Wie hast du es herausgefunden?“, erkannte ich kleinlaut.
„Deine Blutprobe war zwar sauber, aber ich hab da einen kleinen Anteil von Kupfer im Urin gefunden. Und da ich nicht denke, dass du gern Nickel lutscht hab ich zwei und zwei zusammengezählt. Du hast deine Spirale benutzt um mit jemandem zu schlafen. Und da ich nicht denke, dass du einen von den Jungs ranlässt, bleibt nur noch Gabriel übrig. Ich kann’s dir nicht verübeln, ein echt sympathischer junger Mann“, schlussfolgerte sie.
„Du stehst unter ärztlicher Schweigepflicht, ich hoffe das weißt du“, drohte ich ihr.
„Ganz ruhig, ich werd nichts sagen. Aber ihr müsst das klären, vorher kann ich dich nicht an einen Kollegen überweisen“, versprach sie.
„Da gibt es nichts zu klären, er wird alles abstreiten. Er liebt seinen Job einfach zu sehr dafür. Du kennst ihn ja. Also kannst du mir jemanden empfehlen?“, stritt ich es ab.
„Okay, ich werd mal rumtelefonieren. Ihr solltet trotzdem dringend reden. Deinetwegen. Du siehst nicht gut aus, Mädchen“, erkannte sie.
„Das werd ich, versprochen. Danke fürs Zuhören, Care“, ging ich nachdenklich weiter.
 
„Wie war die Therapie, hat er wieder den Großen Experten raus hängen lassen? Was hat er dir jetzt verschrieben?“, war Amadeus neugierig, als ich an diesem Freitagabend zurück ins Zimmer kam.
„Ich werde den Therapeuten wechseln wie’s aussieht. Frag nicht. Gibt’s heut ein Footballspiel im Fernsehen?“
„Ja, wie jeden Freitag, was heißt du wechselst den Therapeuten. Was hat er getan?“ war Amadeus besorgt.
„Ich hab gesagt du sollst nicht fragen. Gehen wir runter“, bat ich und er ging stillschweigend mit mir mit.
 
Das Spiel war fast vorbei, als Bear plötzlich neben mir stand.
„Ich muss mit dir reden“, erkannte er trocken.
„Gut, rede“, war ich abweisend.
„Allein“, forderte er und ich stand mühsam auf.
„Billie kriegt jetzt Ärger“, flötete Han und ich warf ihm einen bösen Blick zu.
„Calvin kriegt noch mehr Ärger wenn er nicht die Klappe hält“, zischte ich und Bear zog mich weg.
„Was soll das? Ich hab grad mit Care gesprochen. Warum hast du es ihr gesagt?“, hörte er sich seltsam feindselig an.
„Sie hat es herausgefunden, von ganz allein. Was ist los, hast du Ärger gekriegt?“, antwortete ich ihm genauso feindselig.
„Red nicht so mit mir“, brauste er und drückte meinen Arm fester.
„Lass meinen Arm los“, wurde ich lauter.
„Du bist so ein Miststück“, wurde er ausfällig.
„Das musst du grad sagen. Du verleugnest uns, wer von uns ist der Mistkerl?“, zog ich meinen Arm aus seiner Hand.
„Das wirst du bereuen, das schwör ich dir“, konterte er mit harter Stimme und ging von dannen.
Ich stand dort wie angewurzelt. Der Schreck saß mir in den Knochen. Wie konnte ich mich nur so in ihm täuschen.
„Hey, was ist hier los?“, kam Amadeus zu mir.
„Kommst du bitte mit mir hoch?“, sagte ich mit hohler Stimme.
„Sicher“, war er besorgt und führte mich in mein Zimmer.
 
Ich konnte nicht heulen. Die Anspannung der letzten Tage versteinerte mich. Trotzdem schlief ich irgendwie im Sitzen ein. Mit verspanntem Nacken wachte ich am nächsten Morgen auf. Er schmerzte fürchterlich und so beschloss ich noch vor dem Frühstück bei Care vorbei zusehen.
„Hey, du bist früh dran für die Arbeit“, begrüßte sie mich.
„Arbeit? Ach ja richtig ich muss ja heute arbeiten. Nein, ich hab mir total den Nacken verspannt. Hast du mir irgendwas dagegen?“, war ich neben der Kappe.
„Ich mach dir ein Schlammsäckchen warm. Hey, was war gestern los, ich hab gehört Bear und du seit aneinander geraten. Hat wohl nicht so geklappt mit dem Gespräch?“, bemerkte sie und ich setzte mich auf den Untersuchungstisch.
„Das kann man so sagen ja. Ich hab nicht gedacht, dass er so ein verdammtes Arschloch sein kann. Also was ist jetzt krieg ich einen neuen Therapeuten?“, legte ich mich zurück.
„Das wirst du wohl sowieso kriegen, Gabriel ist heut Morgen weg. Er hat gekündigt. Ist wohl selbst zur Einsicht gekommen, dass das nicht so weitergehen kann. Schade für dich, aber vielleicht besser so“, schob sie das braune Zeug in die Mikrowelle.
„Was autsch meinst du damit? Heißt das du hast ihn nicht ins Verhör genommen?“, fragte ich und rieb meinen Nacken.
„Ich ins Verhör? Warum sollte ich. Du hast doch gesagt, ich soll die Klappe halten. Hat er dir das erzählt? Er war schon immer ein sehr guter Lügner. Wie auch immer, er ist weg, freu dich doch. Hey, wo willst du hin?“, rannte sie mir hinterher als ich davon rauschte.
Ich eilte zu seinem Büro. Es sah zerwühlt aus. Es schien, als hätte er das Wichtigste zusammengepackt und war dann eilig verschwunden. Er hatte sogar den Rahmen, in dem sein Diplom gesteckt hatte zerbrochen auf dem Tisch liegen gelassen.
„Das wollte ich nicht“, war ich den Tränen nahe und sie legte mir die Schlammpackung auf den Hals.
„Das war seine Entscheidung, er war schon vor dir hier nicht glücklich. Wirklich!“, versprach sie und ich fingerte im Glas herum.
„Das lässt du lieber, ich hab heut nicht die Zeit Schnittwunden zu nähen. Komm“, führte sie mich raus, schloss das Büro ab und brachte mich zurück zur Krankenstation.
„Ich hab sein Leben zerstört“, erkannte ich und sie drückte mich auf den Untersuchungstisch.
„Vergiss ihn, er wird es auch tun. Das wichtigste ist, dass du bald hier raus kommst. Ich hab deine Akte gesehen, du könntest an Weihnachten schon raus, wenn du willst“, machte sie mir Mut.
„Weihnachten? Das sind nur noch zwei Monate“, bemerkte ich.
„Ist mir bewusst, Liebes. Aber du machst tolle Fortschritte. Du hast zugenommen, du hast keine Turkeys mehr und deine Laune kriegen wir bis dahin auch noch hin. Genau das, werde ich Gabriels Nachfolger sagen, der Montag kommen wird. Er wird dir gefallen, Mitte 50 Schnauzbart, Nickelbrille. Da seh’ ich kein Risiko. Ist es besser?“, drückte sie die Packung auf meine Schulter.
„Ja, danke. Ich werde mal zum Frühstück gehen, bevor es nichts mehr gibt. Das hat wirklich geholfen, danke“, legte ich die Packung ab und ging zum Frühstück.

Zehntes Kapitel


Der November kam und ging und der Dezember hielt Einzug. Es wurde fleißig für den Santa Claus gebastelt und ich widersetzte mich nicht dieser Aktion. Es war eine Ablenkung von dem großen Schmerz. Wie hieß es doch in einem Song, der erste Stich ist der tiefste. Das stimmte. Ganz langsam wurde es besser.
 
„Wie fühlen Sie sich heute, Miss Widow?“ begrüßte mich der neue Therapeut Dr. Weasley wie jeden Tag an diesem Tag kurz nach Santa Claus.
„Bestens, ich könnte Bäume ausreißen“, antwortete ich ihm sarkastisch.
„Wir hatten doch ausgemacht jeglichen Sarkasmus zu vermeiden während den Sitzungen“, erinnerte er mich.
„Sie haben den Job eines sehr guten Freundes von mir, das ist mein gesetzliches Recht“, hörte ich nicht auf.
„Ist er rausgeflogen?“
„Nein, er ist von allein gegangen!“
„Das wundert mich nicht dass sie das geschafft haben“, geiferte er.
„Können wir die Regeln noch mal durchgehen. Warum dürfen Sie jetzt sarkastisch werden und ich nicht?“, provozierte ich ihn weiter.
„Das war nur eine Feststellung. Ich hab das Gerücht gehört, dass er eine Affäre mit einer Patientin gehabt haben soll. Ich denke, dass waren Sie“, ließ er sich nicht beirren.
„Gut, Sie haben also mein kleines Geheimnis enttarnt, bravo. Können wir jetzt mit der Therapie weitermachen. Dr. Wiesel?“ wollte ich nicht darüber reden.
„Weasley!“
„Ist das dänisch?“
„Altirisch. Sie wollen nicht darüber reden?“, stellte er fest.
„Nein!“
„Gut, dann reden wir über ihre baldige Entlassung. Fühlen Sie sich bereit dafür?“
„Schon irgendwie. Ich freu mich zurück nach Hause zu kommen. Hey, hab ich das wirklich gesagt? Ich denke da kann ich von neu anfangen. Ich hab da ein gutes Gefühl“, erwiderte ich und setzte mich auf.
„Die Sitzung ist noch nicht fertig“, stellte er fest.
„Ich weiß, ich kann nur nicht mehr liegen. Aber es gibt einige Störfaktoren dort. Da haben wir meinen Ex-Freund und meine erste große Liebe der jetzt mit meiner besten Freundin heile Familie spielt, meine Brüder die Mega-Proleten sind, den Ruf den ich da habe und meine Eltern natürlich, die mir immer ein bisschen an den falschen Stellen helfen. Aber es ist mein Geburtsort und es ist weit weg von New Orleans. Verstehen Sie mich nicht falsch, New Orleans ist ein toller Ort, mit dem ganzen Jazz und so weiter“, quasselte ich während ich im Zimmer herumlief.
„Sind Sie dann sicher, dass das die richtige Entscheidung ist?“, hinterfragte er es.
„Ja, ich hab mir eine Wohnung über einer alten Bäckerei gemietet, die Bäckersfrau ist eine alte Bekannte meiner Eltern sie denkt, dass ich die Finanzen und so regeln kann und meine Brüder werd ich nicht unbedingt sehen wenn ich nicht im Mac, das ist unsere lokale Saufkneipe, vorbeigucke. Und das mit Will, meinem Jugendfreund, das krieg ich schon hin. Hey, das erste Mal denk ich, das kann wirklich klappen. Und ich freu mich schon auf den Schnee, den werdet ihr wohl nie kriegen was? Da fällt mir ein, ich muss noch fertig packen, was halten sie davon etwas früher Schluss zu machen?“, schlug ich vor und sah in das etwas überforderte Gesicht des Docs.
„Meinetwegen, dann machen wir morgen länger. Sie strahlen richtig, das wollt ich sehen. Einen schönen Tag noch“, entgegnete er und ich stolzierte nach draußen. Ich hatte an diesem Tag wie schon lang nicht mehr ein Kleid an. Ich fühlte mich sexy. Nicht mal der lauwarme Hackbraten konnte an meiner Laune etwas ändern.
 
Am Freitag vor meiner Entlassung gab die Gang noch eine Party für mich. Wenn man ein Essen ohne Alkohol oder laute Musik so nennen konnte.
„Auf unsere Billie, unsere Rebellin ohne Furcht und Tadel. Möge sie in ihrem neuen Leben genau so gute Freunde finden“, stieß Zookie auf mich an, als wir zusammen am Tisch saßen.
„Und auf euch, behaltet meine guten Ratschläge in Erinnerung und mich natürlich auch, und bevor ich was Falsches sage bitte ich euch vorher anzurufen bevor ihr mich besucht. Also lasst es euch schmecken“, bedankte ich mich und erhob das Glas.
 
An meinem Entlassungstag träumte ich von Schnee. Er war so weiß und frisch. Ich hielt das für ein gutes Zeichen.
„Also“, fand ich keine Worte meinen Mitbewohner Amadeus zu verabschieden.
„Komm mich mal besuchen ja, ich kann den Doc nicht ganz allein hier rausekeln“, war er den Tränen nahe.
„Hey, ist doch Ehrensache. Ich ruf an, wenn ich einen Telefonanschluss, oder ein Handy , oder so habe, versprochen. Und du bleibst sauber, sonst komm ich höchst persönlich und versohl dir den Hintern“, drohte ich ihm liebevoll.
„Versprochen, jetzt geh’ bevor sie dich da behalten“, umarmte er mich und ich drückte ihn fest an mich.
Es war wirklich schwer das alles zu verlassen, aber es war an der Zeit. Care hatte sich bereit erklärt, mich hinzufahren. Meine Eltern wollte ich damit überraschen, dass ich schon am 24. kam. Ich würde bis Neujahr bei ihnen wohnen, bis ich meine Wohnung beziehen konnte.
 
Als ich an diesem Nachmittag wieder vor der Haustür stand, hatte ich keine Angst hinein zu gehen. Meine Mutter lächelte, als sie mich rein ließ. Es stand ein riesiger Baum im Wohnzimmer. Ich hatte vergessen wie gut so ein richtiger Baum duftete.
„Kommst wohl auch nicht mehr von hier los was?“, begrüßte mich Billy-James und umarmte mich.
„Das werden wir sehen Bruderherz. Sind all deine Klamotten in der Reinigung oder warum trägst du etwas, was nicht aus Jeans besteht?“, konterte ich.
„Das ist doch lächerlich. Ich fahr mit Care mit, ich werde eine Therapie machen. Für Jack und Bob ist es vielleicht zu spät, aber ich werde mein Leben endlich anfangen zu leben. Ich grüß alle schön von dir“, verabschiedete er sich und ich sah ihm nachdenklich zu wie er zum Auto lief.
 
„Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Ist ja schließlich Weihnachten. Du siehst gut aus, nicht so gut, wie an Halloween, aber gut“, stellte Charly fest, die unverschämt in einem Sessel im Wohnzimmer saß und Popcorn an einen Faden zog.
„Danke, denke ich. Wo ist denn deine Sippschaft?“, bemerkte ich etwas schroff.
„Wen meinst du?“, tat sie unschuldig.
„Charly, Charly du kannst endlich mit den Spielchen aufhören, ich weiß es längst“, bat ich und setzte mich ihr gegenüber.
„Deine Brüder?“ fragte sie ertappt.
„Jep, einer quatscht immer. Du hättest es mir sagen können, es ist okay. Als ich hier war, hab ich gemerkt, dass er zu meiner Vergangenheit gehört. Und dass ihr beide schon zusammen wart, als Will und ich es waren kann man nicht ändern. Meine Güte das ist jetzt fast 7 Jahre her. Wir sind erwachsen und du bist Mutter. Kann man das Glauben du hast einen Will-Nachfolger geboren, und ich danke dir dafür, dass er nicht Billy oder so heißt. Ich glaub sonst wär ich gar nicht mehr zu Recht gekommen. Jetzt komm her ich will meine beste Freundin begrüßen“, erklärte ich und drückte sie an mich.
„Seit zweiter Name ist William“, bemerkte sie verlegen.
„Klasse, das ist klasse. Wie sein Vater. Und wer ist Pate?“, war ich neugierig.
„Meine Cousine aus Wyoming. Ich wollte erst dich nehmen, aber dann hab ich von der Sache gehört du weißt schon, kannst du sicher verstehen“, erwiderte sie etwas stockend.
„Sicher, ich bin jetzt fast ein Jahr clean, falls du es wissen willst. War echt eine Scheiß-Zeit. Aber ich fang noch mal neu an, echt ironisch dass hier zu tun, nicht?“, erkannte ich und stand wieder auf.
„Ich bin froh, dass du da bist. Wir alle. Ich würde dich gern Josh vorstellen, ich hab ihm leider überhaupt nichts von dir erzählt, aber er ist ein wirklich lieber Junge, ganz der Daddy. Puh, tut das gut, dir das zu erzählen, obwohl etwas seltsam ist es schon, oder?“, konterte sie und ich lächelte geknickt.
„Jep, schon irgendwie, aber das kriegen wir hin. Seit ihr auch zum Weihnachtsessen da?“
„Ja, ist das schlimm?“
„Nein, wir sind ja so gut wie eine Familie. Komm gib her, das krieg ich ja mit geschlossenen Augen besser hin“, frotzelte ich und riss ihr das Popcorn aus der Hand. Sie grinste zufrieden.
„Dann geh’ ich mal deiner Mutter helfen. Willkommen zu Hause, Billie“, entgegnete sie und ging in die Küche.
Ich hatte seit ich clean bin gute und schlechte Zeiten. Dies war eindeutig eine gute Zeit.
 
„Schatz, ich brauch noch was von Mac, kannst du schnell rüber um es zu holen?“, bat meine Mutter mich und ich schnappte mir meine Jacke und machte mich auf den Weg.
Als ich durch die Saloontür ins Mac kam, kam mir Qualm entgegen. Der Laden war rammel voll. Sonst kannte ich es nur, dass meine Brüder die einzigen Gäste waren.
„Hey Zuckerstück, hab schon gehört dass du wieder in die Stadt geritten gekommen bist. Lass dich drücken“, kam mir Mac auch in Cowboymontur entgegen und drückte mich so fest, dass ich keine Luft bekam.
„Sag bloß meine Brüder haben es geschafft dich mit ihrem Cowboytick anzustecken. Man, ist es hier voll, gibt es Freibier?“, sah ich mich um.
„Nein, deine Brüder sind nicht da. Die waren schlecht fürs Geschäft ich hab ihnen Lokalverbot erteilt“, erklärte Mac in Seelenruhe.
„Meine Brüder waren deine einzige Einnahmequelle für eine lange Zeit, wie kommt’s?“
„Sie trinken nichts mehr. Das ist irgendwie bizarr, als hätten sie eine Gehirnwäsche hinter sich“, erkannte er und gab mir eine Tüte.
„Das ist wirklich seltsam. Du kommst doch auch, wenn du dicht machst, oder?“
„Geht nicht, Zuckerstück, ich hab ne Familie zu Hause. Guck mich nicht so entsetzt an, ja der alte Mac ist auf seine alten Tage noch ein Familienmensch geworden. Was?“, musterte er meinen Blick.
„Okay, beim Eintreten in diese Stadt muss ich in einer anderen Dimension gelandet sein. Meine Brüder trinken nicht, zu Hause streitet niemand und du bist jetzt Familienmensch. Und ich dachte die besten Wahnvorstellungen bekäme ich nur von den Drogen. Ich wünsch dir fröhliche Festtage, Mac“, sagte ich kopfschüttelnd und verließ die Bar wieder.
 
Und tatsächlich. Als ich heimkam, saßen meine Brüder um den Tisch und spielten dort Karten. Keine Bierflasche zierte den Tisch, nur Popcorn war auf dem Tisch verteilt.
„Okay, das ist jetzt echt verrückt. Sag bloß die Fluchen auch nicht mehr“, beobachte ich mit Charly die Jungs und sie grinste.
„Wir wollen es ja nicht übertreiben, aber sie sind wirklich kaum wieder zu erkennen. Ich spiel sogar mit dem Gedanken Josh an Silvester bei ihnen zu lassen“, konterte Charly und im gleichen Augenblick schmiss Billy-Bob aus Frust seine Karten durch die Gegend.
„Vielleicht auch nicht. Sieht aus, als bräuchtet ihr ne Runde neues Popcorn Jungs. Ich mach euch welches. Josh, Liebling, komm runter Hände waschen, wir essen gleich zu Mittag“, erwiderte Charly und huschte davon.
„Ich bin ganz eindeutig in der falschen Stadt, ganz eindeutig“, entschied ich kopfschüttelnd und ging hoch in mein Zimmer.
Nachdenklich ging ich durch mein Zimmer. Ich hob das Bild hoch, auf dem Will und ich in inniger Umarmung waren. Er trug sein Football-Trikot und ich seine Mannschaftsjacke. Ich konnte mich noch genau an den Tag erinnern. Er hatte ziemlich Ärger von seinen Mannschaftskameraden bekommen, weil es keiner Frau gestattet war diese Jacke zu tragen.
„Das war ein verrückter Sommer, nicht?“, fragte Will hinter mir und ich erschreckte mich so, dass ich das Bild fallen ließ.
„Oh ja, das war es. Verdammt, kannst du keine Geräusche machen wenn du läufst?“, fühlte ich mich ertappt und zog das Bild aus den Scherben.
„Ich werd es versuchen. Du bist also wieder da. Ist echt gut. Ich wollt dich eigentlich nur zum Essen holen“, half er mir die Scherben aufzulesen.
„Das ist echt gut? Guckst du dir deinen Wortschatz von deinem Sohn ab?“, frotzelte ich und er schreckte zusammen.
„Ganz ruhig, ich weiß es von Charly. Ich will nicht anfangen in der Vergangenheit herumzustochern. Hier, zur Erinnerung. Lass es nur Charly nicht sehen, sonst ist es gleich weg“, schmunzelte ich und steckte ihm das Bild zu.
„So viele Briefe hab ich angefangen und nicht los geschickt“, erklärte er.
„Wär auch nicht so gut gewesen, ich hätte am Stempel gemerkt, dass du nicht in der Armee bist“, zog ich ihn auf.
„Auch wahr. Jetzt komm gehen wir essen“, nahm er mir das nicht krumm und wir gingen zusammen runter.
 
„Ich hab einen netten jungen Mann heute zum Essen eingeladen, den ich dir gern vorstellen will“, fing meine Mutter mitten beim Essen an.
„Du willst mich am Weihnachtsessen mit einem Kerl verkuppeln?“
„Sei nicht so abfällig, er ist Arzt und sehr nett“, ermahnte mich meine Mutter.
„Ich glaub nicht, dass ich wieder für was bereit bin. Das mit Gabriel ist so schwer gewesen. Ich bitte dich“, bat ich fast flehend.
„Dann nicht, wenn du meinst. Noch jemand Kartoffelpüree?“, tat meine Mutter mir das ein bisschen zu schnell ab.
„Ich mein das Ernst Ma, kein Mann“, bat ich mit ernstem Gesichtsausdruck.
„Ich hab dich verstanden, Kind“, bemerkte sie und reichte mir den Kartoffelbrei obwohl ich sie nicht darum gebeten hatte.
„Dann ist ja gut. Danke, ich bin satt“, schob ich den Topf weg von mir und wischte mir den Mund mit der Servierte ab.
„Wer ist der Kerl? Ich kenn keinen jungen Arzt hier“, fragte ich Charly beim Abspülen aus, denn es reizte mich schon.
„Ich dachte, du willst noch nicht?“
„Und ich dachte du spülst ab. Mach“, wurde ich nervös.
„Ich hab keine Ahnung wirklich nicht. Sie will dich sicher nur ärgern“, versprach sie und nahm das Spülen wieder auf.
„Ich hoffe es, ich hab heut nicht den Nerv einen Orthopäden mit Schweißfüßen abzuwimmeln“, erklärte ich und sie grunzte leise.
„Warum lachst du?“
„Ich hab mir den Typen grad vorgestellt, ist ja eklig“, prustete sie und wir lachten.
„Hey, darf ich mit lachen?“, gesellte sich Will zu uns.
„Billie hat grad die Befürchtung geäußert, dass dieser geheimnisvolle Arzt ein Ekelprotz ist“, erklärte Charly ihrem Mann.
„Nein, ist ein netter Kerl“, meinte er lässig.
„Du kennst ihn. Dann gibt es ihn also wirklich?“
„Ich will nichts gesagt haben“, verschloss sich Will plötzlich.
„Das kannst du nicht machen das ist nicht fair. Komm, sag’s schon“, lief ich ihm ins Wohnzimmer hinterher.
„Ich dachte du wolltest keine neue Beziehung mehr?“, drehte er sich zu mir um.
„In nächster Zeit schon, aber der ist doch sicher auch länger da“, war ich wirklich neugierig geworden.
„Du kennst ihn nicht!“
„Natürlich kenn ich ihn nicht, sonst würd ich dich nicht fragen. Jetzt komm schon“, bettelte ich.
„Billie kommst du mal bitte hoch?“, rief mich meine Mutter ganz passend.
„Ich will das noch wissen, also nicht abhauen“, bat ich Will und hastete die Treppe hoch.
„Könntest du mir helfen die richtigen Kerzen rauszusuchen?“, bat meine Mutter, die an einer Schublade kniete.
„Deshalb hast du mich hoch geholt? Wegen Kerzen?“
„Ja, weil ich deine Hilfe dabei brauche“, log sie ziemlich schlecht. Ich deutete auf die Grünen in ihrer linken Hand und ging wieder runter. Will war weg.
„Hey, ich hab gesagt du sollst nicht wegrennen. Wo bist du?“, suchte ich ihn und fand ihn im Keller. Dort saßen alle Männer des Hauses und sahen Football.
„Will, ich wollte …“
„Nicht jetzt Billie, ich guck Football“, bemerkte er abgelenkt.
„Ihr werdet mir keinen Arzt ins Haus holen habt ihr mich verstanden“, schimpfte ich und alle machten Handzeichen das ich verschwinden sollte.
„Ich weiß zwar nicht was hier vorgeht, aber ich werde es herausfinden“, bemerkte ich, als ich mit meiner Mutter und Charly im Wohnzimmer saß und die Weihnachtsgeschichte im Fernsehen ansah.
„Du siehst Gespenster, Kind. Aber du könntest eins von den schönen Kleidern anziehen die ich dir gekauft habe“, entgegnete meine Mutter die gerade strickte.
„Ich hab seit der 3. Klasse kein Kleid mehr getragen. Oh mein Gott, es ist doch nicht etwa mein Schwarm aus der 3. Klasse, der jetzt seine Haare verliert und mich den ganzen Abend angafft?“, verzog ich das Gesicht.
„Nein, ist es nicht“, verteidigte sich meine Mutter.
„Verheiratet?“ fragte ich Charly.
„Richtig, aber mit dem Aussehen liegst du gar nicht mal so falsch. Der arme Kerl. Hat schon fast ne Glatze. Ich würde das rote anziehen“, beriet sie mich und ich ging einen großen genervten Schrei lassend hoch in mein Zimmer.
Meine Familie hatte es tatsächlich geschafft dass ich rasend nervös auf den Abend wartete. Das Kleid was meine Mutter mir gekauft hatte, war seltsamerweise schön und es stand mir auch. Als ich die Treppe runter kam staunten sie nicht schlecht.
„Wenn der Kerl mich nur ein bisschen anfingert kastrier ich ihn und glaubt nicht das mach ich nicht, ich hab ne Freundin die hat das gemacht und hat es mir gezeigt“, drohte ich, und die Jungs gingen einen Schritt zurück.
„Du siehst wirklich wunderschön aus“, bemerkte Charly und mit einem aufgesetzten Lächeln schritt ich weiter die Treppe hinunter.

Elftes Kapitel


Wir warteten alle im Wohnzimmer auf den ominösen Gast. Meine Brüder mäkelten schon rum, dass sie Hunger hätten, als es endlich klingelte.
„Ich werd gehen“, zwitscherte meine Mutter und ich legte meine Servierte weg die ich vor lauter Nervosität total zerfleddert hatte.
„Ja, sie wird dir gefallen. Sie ist ganz neu in der Stadt und freut sich schon wahnsinnig dich zu sehen“, erklärte meine Mutter dem fremden Besucher und ich hielt die Luft an, als sie ins Wohnzimmer kamen. Als hätte ich es nicht geahnt, stand dort Gabriel in einem sehr schicken Drei-Teiler und einem Lächeln auf den Lippen, was aber sofort verstummte als er mich sah.
„Herthy, du hast mich ganz fies rein gelegt“, behauptete er und sah meine Mutter fuchsig an.
„Eine Mutter muss tun was eine Mutter tun muss. Jetzt setz dich, du bist spät dran“, war meine Mutter nicht von der Idee abzubringen und bat ihn Platz zu nehmen.
Natürlich war nur noch der Stuhl neben mir frei.
„Wo hat sie dich denn aufgegabelt?“, flüsterte ich ihm zu.
„Ich wohn hier, sie hat mich nicht aufgegabelt, ich bin doch kein Anhalter“, zischte er zurück.
„Was heißt, du wohnst hier?“
„Du weißt was das heißt. Ich wohn in der Wohnung über der Bäckerei“, sagte er etwas lauter.
„Von wegen, da wohn ich bald!“
„Kann das sein, dass irgendjemand da seine fettigen Finger im Spiel hatte?“
„Tötest du sie oder soll ich das tun?“ grinste ich künstlich und sah zu meiner Mutter.
„Was willst du trinken, Gabriel?“, tat meine Mutter unschuldig.
„Einen Doppelten Whiskey wenn du hast“, rieb sich Gabriel seine Augen hinter der Brille. Hatte er die schon immer aufgehabt?
„Kommt sofort!“
„Das heben wir am besten für Silvester auf“, grinste er genau so blöd und legte sich seine Servierte auf den Tisch.
„Gabriel wie war die Arbeit?“, heuchelte mein Vater Interesse.
„Gut Bill, wirklich gut. Ist viel zu tun vor den Feiertagen. Was gibt es denn zum Essen?“, lenkte Gabriel vom Thema ab.
 
Das ganze Essen lang machten wir auf heile Familie aber nach dem Nachtisch wollte er gleich wieder gehen.
„Gabriel, du bleibst schön hier, es ist nicht einmal zehn“, donnerte meine Mutter als spräche sie mit einem ihrer Söhne und wir schreckten zusammen.
„Auf deine Tricks fall ich nur ein Mal rein, Herthy. Okay, zwei Mal wenn wir das an Santa Claus mit zählen. Aber das ging jetzt echt zu weit“, war Gabriel erbost und öffnete die Tür.
„Er hat Recht, ihr solltet euch alle schämen. Also wirklich“, schnappte ich mir meinen Mantel und ging ihm hinterher.
„Was denkst du was du da machst?“, stoppte er mich als ich mit ihm mitging.
„Ich geh’ in meine Wohnung“, erklärte ich und er runzelte meine Stirn.
„Soweit ich weiß ist das meine Wohnung. Und das schon seit über einem Monat. Gute Nacht, Billie“, wollte er mich loswerden doch ich ging ihm weiter hinterher.
„Ich hab eine feste Zusage von Josephine, da kann man wohl nichts machen“, ließ ich mich nicht beirren.
„Joey steckt auch da drin merkst du das nicht? Die stecken verdammt noch mal alle da drin. Und ich dachte ich arbeite mit den besten psychologischen Tricks. Du siehst übrigens atemberaubend aus, heute Abend“, schwenkte er plötzlich ein ganz anderes Thema ein.
„Danke, denke ich. Da wir alle nicht da zurück wollen ist es wohl angebracht sich heut Abend irgendwie zu arrangieren“, schlug ich vor und er zog einen Schlüssel aus der Tasche.
„Meinetwegen. Aber ich lass meine Hose an“, schmunzelte er plötzlich nicht mehr so grantig.
„Hätt nicht gedacht dass du als erster die Maskerade fallen lässt“, stellte ich fest und er schloss auf.
„Ich bin so froh dass du da bist, ich hab damals so einen Mist gebaut“, begann er sich zu entschuldigen.
„Ja, da hast du ganz Recht das hast du. Aber ich hab uns nicht verraten. Wirklich nicht“, erklärte ich.
„Ich weiß, ich hab auch nur gespielt“, erklärte er und wir gingen die Treppen rauf.
„Ihr Psychologen seid so gerissen“, stellte ich fest und er schloss die Tür auf.
„Es sieht noch nicht so gemütlich aus“, erklärte er während er den Schlüssel heraus fingerte.
Ich sah mich um während er verzweifelt den Schlüssel aus dem Schloss herauskriegen wollte. Da stand ein traumhaft schönes Himmelbett und ein frisch gestrichener Esstisch. An dem Himmelbett prangte ein großer Banner „Willkommen Zu Hause Gabriel und Billie“.
„Also das find ich jetzt nett“, war ich gerührt von der Arbeit die jemand für uns gemacht zu haben schien und zog ihn hoch.
„Was zum …?“, staunte er und machte die Tür zu.
„Ich glaub wir haben eine riesige Verschwörung hier“, murmelte er nicht weniger überrascht.
„Sieh’ dir das an, die haben sogar Tassen mit unseren Namen bedrucken lassen. Das ist wirklich krank“, sah ich mich in der kleinen Küchenzeile um die ich jetzt erst bemerkte.
„Meine Mutter hatte Recht, mein Herz ist hier“, murmelte er weiter und sah sich auch um.
„Was hast du gesagt?“
„Ich war ein paar Tage bei den Schwestern Im Kloster. Hab viel gebetet, vor allem wollte ich die Sünde loswerden, dir wehgetan zu haben. Aber ich musste es tun, um deine Schmerzen zu verringern“, setzte er sich aufs Bett.
„Tut mir leid, ich versteh’ immer noch nicht!“
„Ich hab sie um Rat gefragt wo ich hingehen sollte. Sie hat mir geraten da hin zu gehen wo mein Herz ist. Wo ich richtig glücklich war. Und das war hier bei deiner Familie, in dieser Stadt. Ich bin hier glücklich, nur etwas hat noch gefehlt“, erklärte er und ich setzte mich neben ihn.
„Ich rate mal, dass ich das bin“, war ich noch nicht ganz so überzeugt.
„Ja, das bist du. Aber ich kann nicht von dir verlangen mir zu verzeihen. Ich war wirklich fies, aber es hat dich schneller von mir abgebracht. Wie es in einem Song heißt. „Der erste Schnitt …“ bemerkte er.
„ … ist der tiefste. Ich hab den gleichen Gedanken gehabt. Ich verzeih dir. Muss ich ja wohl oder übel, sonst muss ich noch länger bei meinen Eltern wohnen das würd mir gar nicht gefallen!“
„Danke, ich bin zutiefst gerührt“, witzelte er und ich begann ihn zu küssen.
„Und es wär eine Schande dieses Bett kalt zu lassen“, säuselte ich und zog die Jacke aus.
„Warte, bist du sicher, dass uns keiner zuguckt?“
„Man, verderb die Stimmung nicht“, nörgelte ich.
„Ich mein nur, wenn die hier rein kommen um das hier alles zu machen, dann komme sie immer rein“, schlussfolgerte er.
Schnaufend stand ich auf und schloss die Tür ab.
„Jetzt zufrieden?“ fragte ich und ließ mein Kleid fallen.
„Oh ja, sehr sogar“, freute er sich und ich kam zu ihm.
 
Tags drauf wurde ich mit einem Grinsen auf den Lippen wach. Ich rieb mir meine Augen und sah mich um. In der Küche hantierte jemand mit einer Schürze an herum.
„Gabriel?“, fragte ich verschlafen.
„Morgen Sonnenschein, ich wollt dir nur ein paar frische Brötchen vorbei bringen“, drehte sich die Person um. Es war Joey.
„Josephine verdammt, wie kommst du hier rein“, zog ich die Decke an mich.
„Das war mal eine Lagerhalle für Brot da hinten ist noch eine Luke wo ich rein kann. Kein Problem werd ich gleich heut abdichten. Frohe Weihnachten, Sonnenschein“, war Joey auch schon so schnell verschwunden wie sie gekommen war.
 
„Gabriel, wach auf, wir leben auf einem Bahnhof“, weckte ich Gabriel etwas unsanft.
„Klar Schatz, schlaf weiter“, schmunzelte er und drehte sich um.
Ich sah auf meine Uhr. Es war nicht Mal 7 Uhr.
„Okay“, gab ich nach kuschelte mich an ihn und schlief weiter.
Es war schon fast Mittag als wir wieder aufwachten.
„Hey, du“, begrüßte ich ihn und er küsste mich auf die Nase.
„Selber hey. Gott sei Dank war das alles nicht ein seltsamer Traum und du bist immer noch hier“, schmunzelte er und ich drehte mich zum Fenster.
„Ja, ich bin immer noch hier. Verdammt ich muss weg“, erhaschte ich einen Blick auf die Uhr und sprang auf.
„Wo musst du hin?“ fragte er vergnügt über meinen plötzlichen Aufsprung.
„Nach Hause, meine Eltern werden sonst was denken“, bemerkte ich.
„Die haben das hier alles arrangiert die wissen schon was los ist. Jetzt komm zurück ins Bett“, erklärte er und ich zog mich hastig an.
„Sie bekommen bestimmt kein Recht, das wär ja noch schöner“, band ich meinen Mantel zusammen und stieg in meine Schuhe.
„Sie haben schon Recht bekommen. Ist das schlimm?“, rollte er sich ins Laken und stand auf.
„Ja, das ist schlimm. Versteh’ das nicht falsch die Nacht war wirklich klasse aber …“, stotterte ich.
„Das ist eine Beziehung, Schätzchen. Wir leben zusammen wie es aussieht“, bemerkte er und ging ein paar Schritte auf mich zu.
„Das halte ich für einen riesigen Fehler. Ich meine ich bin eine Drogensüchtige, willst du wirklich mit einer Drogensüchtigen zusammenleben?“, suchte ich eine Ausrede während ich meine Tasche suchte.
„Wir waren beide drogensüchtig, wir sind bei rehabilitiert. Und wir werden unseren Kindern die Hölle heiß machen wenn sie mit dem Scheiß anfangen. Was zum Henker suchst du?“
„Kinder? Jetzt redest du schon von Kindern das ist ja wirklich weit her geholt. Wo ist denn meine verfluchte Tasche?“, schrie ich fast.
„Du hattest keine Tasche. Tut mir leid, ja Kinder will ich jetzt noch nicht. Setz dich hin, du machst mich nervös“, bat er und ich setzte mich.
„Du machst mich nervös? Ich hab Angst vor dem was kommen wird“, erkannte ich und knetete meine Hände in meinem Schoß.
„Die Zukunft wird kommen, das ist wohl etwas zum Fürchten, aber wir haben uns. Wir sind beide hier her gekommen um ein neues Leben zu beginnen. Wer sagt, dass wir das nicht zusammen tun können“, redete er mit sanfter Stimme auf mich ein und ich beruhigte mich langsam.
„Hältst du mich bitte für eine Weile?“, sagte ich leise und er ging auf die Knie und zog mich an sich.
 
Unsere Ruhe wurde jäh gestört als Joey wieder durch die Luke in die Wohnung kam.
„Entschuldigt. Ich brauch was“, entschied sie in Seelenruhe und ging weiter.
„Joey?“, fragte ich und sie blieb stehen.
„Ja, Kind?“
„Du hast meinen Eltern doch nichts erzählt oder?“ stand ich auf.
„Nein, soll ich?“, antwortete sie.
„Nein, das lässt du schön bleiben. Kann man den Raum da hinten abschließen?“
„Ja, wieso?“ wunderte sie sich.
„Nur eine Vorsichtsmaßnahme“, schob ich sie da hinein und schloss ab.
„Was soll das denn jetzt?“, war Gabriel überrascht.
„Wenn sie die einzige ist, die es weiß können wir meine Eltern wohl ein bisschen reinlegen. Keine Sorge, sobald wir da sind bitte ich jemanden sie da raus zu holen“, plante ich und warf ihm seine Sachen zu.
„Du bist verrückt“, konterte er und zog sich schnell an.
„Das hör ich nicht das erste Mal. Fertig?“, fragte ich und er schlüpfte schnell in seinen Pulli.
„Für was?“
„Für unser kleines Theaterspiel. Also wir machen folgendes“, plante ich weiter und erklärte ihm meine Idee.
 
„Jetzt hör mal zu, dass ich eingeschlafen bin heißt noch lang nicht, dass ich wieder mit dir zusammen sein will. Ich war einfach müde. Renn mir nicht ständig hinterher“, zeterte ich als meine Mutter mir aufmachte und ging ein paar Treppenstufen hoch.
„Aber was du gestern gesagt hast?“, spielte Gabriel brav mit und schloss die Tür.
„Ich red manchmal viel wenn der Tag lang ist“, erwiderte ich und ging die Treppe hoch um mit voller Wucht meine Zimmertür zuzuschlagen.
„Was zum Henker läuft hier?“, wunderte sich meine Mutter und Gabriel rutschte an der Tür runter auf den Boden.
„Also nicht viel. Sie ist so ein Dickkopf. Wir haben die halbe Nacht gestritten sie ist so nachtragend. Baby komm raus, wir müssen darüber reden“, spielte er wirklich gut.
„Wir haben die ganze Nacht geredet. Verschwinde einfach“, rief ich durch die Tür hindurch. Ich musste mir das Lachen arg verkneifen.
„Ich seh’ dich dann zu Hause“, stand er wieder auf.
„Das glaub ich eher nicht“, rief ich und hörte ihn davon stampfen.
 
„Du hättest sie hören müssen sie klangen wirklich besorgt. Du warst klasse. Hast du Joey wieder befreit?“, besprach ich etwa eine halbe Stunde später unseren Triumph mit ihm am Telefon.
„Ja, ich hab ihr erklärt du hast dich nur so geschämt dass sie uns erwischt hat und hast nicht nachgedacht. Sie hat es Gott sei Dank geglaubt. Und wie sieht Stufe 2 deines Plans aus?“
„Meine Eltern sind auf dem großen Weihnachts-Spatziergang wenn sie wiederkommen werde ich die leidende spielen. Nein, ich hab ne bessre Idee. Komm her“, schlug ich vor und legte auf.
„Das war so lächerlich diese ganze Sache mit der Wohnung. Glaubst du ich verzeih dir so einfach?“, begann ich wieder sobald meine Eltern hereinkamen.
„Die Idee war nicht von mir, ich hab keine Ahnung wer das war“, entschied er, während mir half den Tisch zu decken.
„Natürlich irgendein wildfremder ist in deine Wohnung eingebrochen und hat eine romantische Hütte für uns gebaut. Das ist wirklich die dämlichste Ausrede die ich je gehört habe“, stritt ich und ging um den Tisch herum.
„Kinder, wir müssen euch was sagen. Das war unsre Idee“, erklärte meine Mutter kleinlaut.
„Na prima, jetzt ziehst du meine Eltern auch noch damit rein“, entgegnete ich und ließ die Teller auf dem Tisch scheppern.
„Was tu ich? Vielleicht stecken die dahinter“, konterte er und stellte die Gläser auf.
„Ja, das waren wir. Es tut uns leid“, war meine Mutter total verwirrt.
„Ihr wart das? Oh mein Gott. Wisst ihr was da kann ich euch nur eins sagen“, tat Gabriel wirklich wütend und ging mit dem Messer in der Hand auf sie zu.
„Was denn?“, bekam meine Mutter Angst.
„REINGELEGT“, antworteten wir im Chor und fingen schallend an zu lachen.
„Was? Wie?“, stotterte mein Vater und Gabriel legte das Messer weg um sie zu umarmen.
„Wir haben euer kleines Spielchen durchschaut. Wir wollten euch eine kleine Lektion erteilen. Legt euch nie mehr mit uns an“, ging Gabriel ein paar Schritte zurück und nahm mich in den Arm.
„Ihr seid wieder zusammen?“, war meine Mutter sprachlos.
„Sieht ganz so aus. Ich hoffe ihr habt Hunger der Braten ist bald fertig“, gab ich Gabriel einen Kuss und ging in die Küche.
„Ihr seid uns so welche. Wir haben uns so viel Gedanken darüber gemacht. Werdet ihr jetzt zusammenwohnen?“
„Uns bleibt wohl nichts anderes übrig, denn irgend ein Idiot hat uns dieselbe Wohnung vermietet“, schaute er die beiden vorwurfsvoll an.
„Das war ganz allein Joeys Idee. Das ist wirklich toll, ich freu mich so. Wann heiratet ihr?“, war meine Mutter begeistert.
„Das war wohl doch nicht so eine gute Idee euch das zu erzählen. Ich hol dann mal das Brot“, wurde Gabriel kleinlaut, löste sich von meiner Umarmung und ging in die Küche.
„Mum, hör auf damit. Du verschreckst ihn doch. Also wenn wir heiraten werden wir euch das bestimmt sagen, aber nicht jetzt. Ich werd ihm mal helfen gehen“, bat ich mit ernster Stimme und folgte Gabriel in die Küche.
„Meine Mutter ist immer etwas übereilig entschuldige“, erklärte ich und er küsste mich.
„Kein Problem meine Mutter würde es nicht mal gestatten, das wir in einem Bett schlafen, bevor wir verheiratet sind. Keine Sorge ich werde mich nicht daran halten, außer du bittest mich ausdrücklich darum. Da fällt mir grad ein wir sollten über Neujahr meine Mutter besuchen fahren“, schlug er vor und ich grinste.
„Wie sehr mich auch Sex im Kloster antörnt sollten wir das Verschieben bis wir richtig eingezogen sind. Wie wär’s Weihnachten 2012?“, plante ich und er lächelte auch.
„Da hab ich noch nichts vor das könnte gehen. Wer kommt eigentlich zum Weihnachtsessen?“ fragte er während er das Brot schnitt.
„Keine Ahnung aber meine Mutter lädt eigentlich immer so gut wie jeden ein. Aber wir haben eine eigene Wohnung in die wir uns verziehen können. Schaffst du das hier, dann kann ich noch was packen“, erkannte ich und er nickte.
Als ich in meine Gedanken versunken ein paar Sachen zusammenpackte kam meine Mutter zu mir.
„Wir haben es so gelassen wie du es verlassen hast. Deine Brüder haben es schon scherzhaft einen Schrein genannt. Hab ich dir schon gesagt, wie schön ich es finde, dass du wieder da bist?“, fragte meine Mutter und ich legte ein Bild in die Kiste.
„Ja Mum, hast du. Das bin ich auch. Ich kann nicht glauben, dass das wirklich alles mein Leben gewesen ist. Es scheint so weit entfernt. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern wie ich hier Musik gehört, oder ein Buch gelesen habe. Ich hab durch die Drogen viel verloren, Mum. Viel was mir wahrscheinlich nie mehr einfallen wird. Was war meine Lieblingssüßigkeit als Kind? Ich weiß es nicht mehr“, wurde ich melancholisch und machte die Kiste zu.
„Die Karamelldrops die ich selbst gemacht habe. Und diese furchtbaren Lollys aus dem kleinen Laden um die Ecke. Ich hab sie dir doch immer aus den klebrigen Händen reißen müssen. Ich hab immer geschimpft. Das ist lang her Kind mach dir keinen Kopf“, entschied sie während sie mir über den Kopf fuhr.
„Stör ich?“, kam Gabriel zu uns.
„Nein, du kannst das mit runter nehmen“, wischte ich mir eine Träne aus dem Gesicht und gab ihr den Karton mit meinen Sachen.
„Alles in Ordnung?“
„Ja, bring das nur runter, bitte“, bat ich und lächelte ihn an.
„Okay, es ist schon fast halb Sieben die Gäste müssten jeden Moment kommen“, entgegnete er und nahm die Kiste auf die Schulter.
„Oh Gott, ich bin noch nicht angezogen. Ich muss schnell heim mich umziehen“, erkannte ich und zischte davon.
Ich schloss die Tür auf. Ich wunderte mich, dass das Licht an war.
„Willkommen zu Hause. Schöne Wohnung“, stand Amadeus cool angelehnt in der Küche. Er schien auf mich gewartet zu haben.
„Einen Schaden hast du gar nicht“, blieb ich ruhig und er stieß sich von der Ablage ab.
„Ist vielleicht etwas groß für eine Person aber wenn ich hier erst mal ein paar Sachen drin hab sieht das hier echt gut aus“, plante er und kam auf mich zu.
„Wessen Auto hast du jetzt geklaut um her zu kommen. Den von dem Doc?“
„Der hat nur so einen popligen Volvo den ganz sicher nicht“, konterte er und warf einen Matrosensack aufs Bett.
„Ich krieg Kopfschmerzen. Wie kommst du hier her“, massierte ich meinen Nasenknochen.
„Anhalter, Care hatte kein Lust noch Mal zu fahren“, nahm er gemütlich auf dem Bett Platz.
„Heißt das, du bist raus?“
„Sonst hätte sie mich nicht raus gelassen, oder?“
„Das könnte auch eine Migräne werden. Also ich freu mich wirklich für dich, dass du draußen bist, aber ich muss mich jetzt umziehen“, rieb ich meine Schläfen und ging zu meinem Koffer.
„Tu dir keinen Zwang an“, grinste er.
„Davon träumst du, Freundchen. Du kannst hier bleiben. Aber nur bis ich zurückkomme“, ging ich ins Bad um mein Kleid anzuziehen.
„Warum kann ich nicht heut Nacht bleiben?“, war er leicht beleidigt.
„Weil es halt nicht geht. Was hältst du davon?“ präsentierte ich mich in meinem Kleid.
„Hast du nen Date?“ glotzte er mich an.
„Nein, Weihnachtsfeier bei meinen Eltern. Zu aufreizend?“
„Bei den Osbournes nicht. Bei deinen Eltern schon. Zieh’ ne Jacke drüber. Du weichst meiner Frage aus“, bemerkte er und ich zog meinen Mantel drüber.
„Nein, tu ich nicht. Bis später“, war ich schon auf dem Weg zur Tür.
„Warte mal, das ist doch die Wohnung von nem Kerl“, schlussfolgerte er plötzlich und ich drehte mich zu ihm.
„Wie hast du es herausgefunden?“, bemerkte ich und senkte meinen Kopf.
„Da steht ein Foto von dir auf dem Nachtisch, und ich denk nicht dass du so selbst verliebt bist, und ach ja die Klobrille ist hochgeklappt. Also wer ist es?“
„Du bist hier rein gekommen, also hast du mit Joey gesprochen. Die hat dich sicher gefragt zu wem du willst also weißt du wer es ist. Was willst du, willst du es von mir hören?“
„Wenn er dich mit irgendwelchen Tricks hier her gelockt hat, würdest du mir das schon sagen, oder?“
„Das ist anders als du denkst“, versuchte ich zu erklären.
„Ich verstehe, er sagt dir, dass er dich liebt und der ganze Mist. Hat euch ein schönes Liebesnest gebaut wie praktisch. Wo steckt der Mistkerl?“, ließ er plötzlich den Beschützerinstinkt raus.
„Mach mal halblang Rambo und ließ von meinen Lippen ab. Wir sind ein Paar. Ich stehe nicht im Einfluss irgendwelcher Drogen und wir hatten vor nicht mal 24 Stunden Sex in diesem Bett. Also wenn du so freundlich wärst von unserem Bett aufzustehen, wär das klasse. Ich muss jetzt, wir erwarten jede Menge Gäste. Bye“, machte ich die Tür wieder auf und er rutschte angeekelt vom Bett runter.
„Braver Junge. Schlaf schön“, schloss ich die Tür.

Zwölftes Kapitel


„Wir haben ein Problem“, kam ich zurück ins Haus.
„Das kannst du wohl laut sagen. Die Ente wird einfach nicht fertig“, bemerkte meine Mutter die mit uns in der Küche stand.
„Ja, das auch, Mum. Komm mit“, zog ich Gabriel in den Flur.
„Bitte lass es ein kleines Problem sein“, hoffte Gabriel.
„Klein schon, irgendwie. Ich hab einen Mann in meinem Bett“, erwiderte ich und er wurde bleich.
„Einen Mann?“
„Nicht so wie du meinst. Er ist etwa 1,60 m und hat den Namen eines berühmten Komponisten“, murmelte ich.
„Er ist früh dran!“
„Was meinst du mit früh dran?“
„Ich hatte ihn eigentlich nicht vor Neujahr erwartet. Okay, das kriegen wir schon hin. Er schläft einfach bei uns bis das Zimmer fertig ist. Entschuldige ich wollte es dir nach Weihnachten sagen“, erklärte er und ich sah ihn fragend an.
„Welches Zimmer? Heißt das er bleibt ne Weile?“
„So sieht’s aus. Keine Sorge nicht bei uns. Bei deinen Eltern. Für deinen Bruder. Wir tauschen deine Brüder nach und nach gegen die anderen aus. Ich will das Zentrum zu uns verlegen. Deine Eltern wollen sowieso in ein kleineres Haus umziehen in nächster Zeit. Was hältst du davon?“, schien er erfreut. Ich zog die Tür auf, deren Knopf ich noch in der Hand hielt und ging schweigend aber mit eindeutigem Blick weg.
 
„Ich hab schon geahnt, dass das dir nicht so recht sein könnte. Aber ich dachte, wenn es mir hier gut geht, dann kann das den anderen nicht schaden. Sie haben sich hier auch so wohl gefühlt. Als ich meinen Plan ausgeklügelt habe, wusste ich nicht, dass du hier her kommen würdest. Ich will ihnen nur helfen. Ich will dass sie endlich mal Schnee haben“, wollte er mich von seiner Idee überzeugen.
„Es gibt keinen Schnee hier. Schon seit Jahren nicht mehr“, sah ich ins dunkle Nichts der Nacht.
„Und was ist das?“ beugte er meinen Kopf nach oben. Da rieselten Schneeflocken.
„Schnee. Das ist Schnee“, war mein Ärger plötzlich wie verflogen.
„Ja, hab ich extra für dich bestellt“, schmunzelte er und legte seine Arme um mich.
„Ja, klar“, sagte ich grinsend und küsste ihn.
„Und ich hab heut Morgen im Radio gehört dass es etwas schneien soll. Also was denkst du, du bist doch schon total versessen darauf deine Eltern zu quälen, gibt’s zu“, fügte er hinzu und ich drehte mich um.
„Schlimmer als meine Brüder sind sie sicher nicht. Wie willst du meine Brüder nach New Orleans bringen, sag mal?“, ließ ich mich auf den Plan ein.
„Mac füllt sie grad schön ab, dann lädt er sie morgen in seinen Wagen und wenn sie aufwachen sind sie schon da. War Billy-James Idee ist klasse, nicht?“, erklärte er und ich sah zum Haus.
„Ich dachte die trinken nicht mehr und Mac feiert mit seiner Familie“, war ich leicht verwirrt.
„Schön wär’s das wollen wir ja erreichen. Hast du was genommen?“
„Nein, natürlich nicht. Verrückt. Gehen wir wieder rein“, nahm ich seine Hand und wir gingen wieder ins Haus.
 
Das Weihnachtsfest kam und ging und es gab keine Toten zu beklagen. Viel zu schnell wurde es Neujahr und wir erwarteten mit gemischten Gefühlen die anderen.
„Louis Armstrong. Willst du deine Patienten heilen , oder sie schädigen?“, durchstöberte ich Gabriels CD-Sammlung als wir in seinem Büro warteten.
„Warum bist du noch gleich hier geblieben?“, vergewisserte sich Gabriel und grinste.
„Weil du ohne mich die Hosen voll hast, ganz allein mit ihnen zu sein“, frotzelte ich und drückte ihn gegen den Schreibtisch um ihn zu küssen.
„Hältst du das für eine gute Idee wenn du als meine Sekretärin mich hier in meinem Büro küsst?“ entgegnete er.
„Ja“, sagte ich kurz und knapp, drückte ihm einen Kuss auf und lirß ihn wieder frei.
„Okay, wollt ich nur wissen. Man, wo stecken die es ist schon fast 4 Uhr“, schien er sichtlich nervös und lief auf und ab.
„Ganz ruhig, Honey, die werden sicher irgendwas ausgefressen haben und Care hält sie irgendwo an ner Raststätte fest. Die kommen schon. Apropos festhalten Amadeus schmort immer noch bei uns. Wann hast du vor ihn umzusiedeln. Ich vermisse dich“, säuselte ich und hielt ihn fest um über seine Brust zu fahren.
„Wie kannst du jetzt an Sex denken?“, fragte er mich aufgekratzt.
„Wie kannst du es nicht. Es ist so kalt bei uns im Bett und ich trau mich nicht mal an dich ran, aus Angst von ihm angestarrt zu werden. Er hat mich nie so genervt, als er mit mir in einem Zimmer geschlafen hat und das war wesentlich kleiner. Warte mal hier ist er nicht, oder?“, erklärte ich und sah mich um.
„Okay, ein anderes Mal. Jetzt gehst du bitte und befreist ihn und bringst ihn ins Haus. Ich glaub ich schaff das schon allein hier“, schien er meine Avancen grad gar nicht abzukönnen und ich verschwand grummelnd.
Als ich zur Wohnung kam hörte ich schon Stimmen. Als ich aufschloss saß die ganze Meute auf unserem Bett.
„Wirklich ein nettes Fleckchen hast du hier“, erkannte Gal und ich lächelte gequält.
„Ach, ihr seid schon da. Wie schön! Kann es ein, dass ihr was vergessen habt?“, begrüßte ich sie mit zusammengekniffenen Zähnen.
„Nein, wir haben sogar ein Geschenk für dich. Eine Palme hab ich extra noch am Strand geklaut, dass du etwas von Orleans hier hast. Aber wie mir scheint hast du das schon. Wer ist dein ominöser Freund der Spiderman-Unterwäsche trägt?“, war Zookie neugierig und zog einen Strauch hoch von dem Erde herunter bröckelte hervor.
„Kennst du nicht. Der Doc wartet auf euch, schon etwas länger. Kommt jetzt“, bat ich und etwas mühselig machte sich die kleine Gruppe auf um mir zu folgen.
„Gut, du hast sie gefunden. Was sagt euch die Aussage „Ihr wartet hier bis ich wiederkomme“, begrüßte uns Care aufgebracht.
„Sorry Care, wir warten nicht gern. Bear, du siehst gut aus, Mann. So frisch und munter. Sahst nicht gut aus als du weg bist. Nettes Büro, nicht so verstaubt wie das Alte“, ließ Rod den großen Macker raushängen.
„Okay, schön dass du mich noch erkennst, Rodney. Fangen wir gleich mit dir an. Rodney „Rod“ Macintosh deine Akte halt mal, Alexandra „Zookie“ Lawson, Calvin „Hancock“ Jensen, Galene „Gal“ Jeremies und Amadeus „Skyfire“ Dandrigde. Von nun an sind diese Akten wieder leer. Das ist eine neue Chance für euch. Bleibt sie sauber seit ihr mit dem nächsten Bus weg, seh’ ich aber nur einen klitzekleinen Fleck darin werde ich euch mal zeigen wie schnell man auch in einer Kleinstadt verschwinden kann“, teilte er leere Akten aus, auf denen mit roten Buchstaben nur die Spitznamen der einzelnen Anwesenden standen.
„War das eine Drohung?“, fragte Amadeus, während er mit den anderen wieder raus ging.
„Nein, das kann der gar nicht, nur heiße Luft“, antwortete Rod.
„Ich werd das noch bereuen richtig?“ fragte er Care.
„Du wirst das nicht bereuen, aber vielleicht dass du jetzt mit Billie zusammenwohnst!“ „Ihr zwei länger in einem Raum?“, schmunzelte Care und die Gruppe blieb stehen.
„Ich glaub wir bleiben noch ein bisschen“, entschied Rod.
„Macht das ihr weg kommt, das ist ein Privatgespräch“, scheuchte ich sie aus der Tür und schloss diese.
„Oh ja, das wirst du. Geh’ mit ihnen zum Haus Billie und ich kommen gleich nach“, bat Care und Gabriel ging den anderen hinterher.
„Ich muss dich kurz sprechen, Billie“, sagte Care mit ernster Stimme.
„Was ist, das klingt nicht gut. Gibt es Probleme?“ schreckte ich leicht zusammen.
„Außer der Tatsache dass du mit Gabriel zusammen bist nicht, nein. Aber du erinnerst dich sicher noch an den Jungen der zu uns gekommen ist im Oktober …“, begann sie stockend.
„Ja der Pädophilie ich hab geholfen ihn zu untersuchen. Was ist mit ihm?“
„Es war schwer für ihn in der Gruppe. Er hat sich vor einer Woche das Leben genommen. Er war sehr schwach der arme Kerl .Aber bevor er starb hat er mich noch um was gebeten. Ich soll dir Tee und Kekse kaufen und sie dir schenken“, zog sie eine Packung Tee und Oreo-Kekse aus dem Rucksack und gab sie mir. Ich rang nach Fassung.
„Ich hab ihm mal erzählt, dass ich sie mag. Er hat mir damals gedankt, dass ich ihn nicht für ein Monster halte. Er war kein Monster. Er war nicht für diese Welt gemacht, Care, denk immer daran“, schluchzte ich und umarmte sie.
„Das hab ich nie. Ich hab das damals nur gesagt um meine Gefühle zu unterdrücken. Als Ärztin hab ich geschworen jedem Menschen zu helfen. Ich hab ihm versucht das Leben zu retten. Aber es war zu spät. Ich hab ihn nicht gehasst. Dafür kannte ich ihn nicht gut genug. Ich bewundere dich dafür, dass du ihn mit den andren teilst. Das ist wahre Stärke. Und du strahlst diese Stärke aus. Endlich. Sag mal wie ist der Doc so im Bett, genau so langatmig?“, beurteilte sie mich, ich schüttelte grinsend den Kopf und Arm in Arm gingen wir den andren hinterher. Es war komisch, genau in dieser Stadt, die ich nie glaubte länger als meine Jugendzeit ertragen zu können, hatte ich meinen Frieden gefunden. 

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Tag der Veröffentlichung: 18.09.2010

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