In Logan / Utah passierte eigentlich nie etwas wahnsinnig Aufregendes. Die meisten Leute grinsten so blöd wie der Bürgermeister Doug Thompson auf seinen Fotos mit seiner Familie, die Polizisten hatten noch Zeit alten Frauen über die Straße zu helfen und die „Nicht-Angepassten“ wurden verspottet. Eigentlich eine ganze normale amerikanische Kleinstadt.
Ein spitzer Schrei tönte durch die fast leere Wohnung des Lehrers Shawn Fitzpatrick. Shawn, der sich gerade mit einer Tasse Tee den Trubel auf den Straßen ansah, drehte sich um. Nur Sekundenspäter kam seine zwei Jahre jüngere Schwester Erica angerannt.
„Shawn, Marlon Brando ist tot“, stammelte sie keuchend.
„Ja, ist der das nicht schon lange?“ blieb Shawn ungerührt.
„Nein! Weißt du was das heißt?“, war Erica völlig aufgebracht.
„Dass die hiesigen Fastfoodketten in Zukunft Einnahmeneinbußen haben?“
„Du bist so gemein, Shawny, also wirklich“, stampfte sie wieder von dannen.
„Du solltest nicht so oft Entertaiment Tonight sehen, dass regt dich nur zu viel auf“, bemerkte er, stellte seine Tasse auf das Fensterbrett wie jeden Tag und zog seinen Pullover an.
Er sah kurz in den Spiegel als er auf dem Weg zur Tür war. Er war nicht eitel, er wollte nur vermeiden irgendwas im Gesicht hängen zu haben über dass sich dann seine Schüler köstlich amüsieren konnten.
Er öffnete die Tür.
„Wo gehst du hin, Shawny?“, kam Erica zu ihm.
„Also es ist 8 Uhr, an einem Dienstagmorgen, drei Mal darfst du raten wohin ich gehe. Da ich nicht so ein Glück habe und nur durch Posieren saumäßig viel Geld verdiene, werde ich wohl zur Arbeit gehen müssen. Apropos du hast Freitag die Psychologie-Zwischenprüfung also setz‘ dich dran“, ermahnte er sie und schloss die Tür von draußen.
Shawn wohnte in einer netten Siedlung mit schönen ockerfarbenden Treppenstufen die er jetzt hinunter schlenderte. Er ließ sich morgens besonders viel Zeit, weil er Stress und Aufregung hasste. Er bekam Nasenbluten davon. Er war einer dieser Jungen gewesen deren Mutter dem Lehrer eine ganze Schachtel von Medikamenten erklären musste als er eingeschult wurde. Seine Kindheit war aus diesem Grund nicht gerade himmlisch gewesen. Aber das war jetzt wohl nicht anders. Für seine Kollegen war er der mit dem Spitznamen „Ach wie heißt du noch mal schnell“ denn seinen Namen konnten sie, trotz der 2 Jahre die er schon dort arbeitete, immer noch nicht. Er unterrichtete Geschichte, was genau so langweilig war wie er, meinte Erica zumindest. Aber es gehörte halt zu seinem Leben dazu. Der 30-jährige Krieg oder der Kampf Nord- gegen Südstaaten, Napoleon und die erste Mondlandung das war seine Welt. Jetzt musste er nur noch seine Schüler in diese Welt einweihen. Aber das war gar nicht so einfach denn das Wissen war digitalen Medien gewichen.
Er hörte schon von weitem die Schüler toben, als er zum Geschichtssaal ging. Er bereitete sich seelisch darauf vor, sie jetzt zur Stille auffordern zu müssen und riss die Tür auf.
Und wie geahnt herrschte dort das Chaos. Ohne ein Wort zu verlieren ging er zum Schreibtisch und schlug sein Buch auf. Er las grad das neueste von Dan Brown und vertiefte sich darin.
„Mr. Fitzpatrick wollen Sie nicht mal anfangen?“ fragte plötzlich jemand als er eine Seite gelesen hatte, und er sah auf.
„Ach, Sie wollen Unterricht machen?“ fragte er ganz erstaunt.
„Ja, dafür bin ich auf gestanden!“ raunzte ein Schüler unfreundlich.
„Wow, der erste kluge Satz seit Wochen Mr. Costas. Okay, fangen wir an, wer kann mir erklären wer Marie Antoinette war?“, begann er und sah sich um. Wieder betretendes Schweigen.
„Hab ich mir fast gedacht. Also lesen Sie bitte Seite 78 in Ihrem Buch und vielleicht sind dann die Fragezeichen über Ihren Köpfen irgendwann verschwunden“, bat er und legte das Buch weg.
So war das jeden Tag. Lauter leere Köpfe. Er konnte kaum die Mittagspause abwarten. Nach einem kurzen Stopp am Süßigkeiten-Automaten ging er in das Lehrerzimmer.
Arturo Costa saß im Eck und rauchte. Camelot, wie ihn seine Freunde nannten, darunter war auch seltsamerweise Shawn, war Englisch-Lehrer. Shawn überraschte das jeden Tag, war Camelot doch mit seinem mailändischen Dialekt nicht gerade das Paradebeispiel der englischen Sprache. Im Gegensatz zu Shawn, er war in Edinburgh, im schönen Schottland, aufgewachsen und kam erst zum Studium in die Staaten.
„Na Highlander hast du wieder einen Beitrag dazu geleistet Präsident der USA zu werden?“ frotzelte Camelot und Shawn setzte sich an den Tisch.
„Als Englischlehrer müsstest du eigentlich wissen, dass nur Menschen die in den Staaten geboren sind Präsidenten werden können. Du hast mich nur aufgezogen, oder?“ bemerkte er und Camelot drückte die Zigarette aus.
„Du hast es erfasst, Einstein. Hast du es schon gehört Mrs. Gonzales geht in Rente!“
„Ach wieder eine deiner Ex-Freundinnen?“, erwiderte Shawn cool.
„Du warst schon mal witziger, Highlander“, entgegnete Camelot und stand auf.
„Und du schon mal jünger!“
„Hurensohn!“
„Flachwichser!“
„Sehen wir uns heut‘ Abend im Lobsters?“
„Natürlich. Diesmal zahlst du“, rief er ihm hinterher, aber er war schon außer Hörweite.
So war ihre Freundschaft. Sie piesackten sich bis zum geht nicht mehr, und abends gingen sie was trinken.
Natürlich viel zu spät kam Camelot ins Lobsters. Shawn winkte ihn her und Camelot kam zu ihm. Dabei fiel sein Blick auf ein küssendes Schwulenpärchen neben Shawn.
„Bilde ich mir das nur ein, oder entwickelt sich die Bar immer mehr zu einer Schwulenkneipe?“ fragte er und setzte sich an den Tresen.
„Deine Homophobie ist wirklich schrecklich“, konterte Shawn und Camelot zog seine Jacke aus. Er trug ein blaues T-Shirt und Jeans. Unter seinem T-Shirt Ärmel lugte ein Schwert in einem Stein- Tattoo hervor.
„Ich glaub‘ ich lass meine Jacke lieber an, ist echt nervig, dass wir so ein schwules Partnerlook Tattoo haben“, nörgelte er und sah zu dem Pärchen das sich darauf sauer verzog.
„Das ist kein Partnerlook Tattoo was kann ich dafür, dass du dir unbedingt ein Excalibur Schwert tätowieren lassen hast. Dies hier ist ein Schwert mit dem Wappen meines Clans drauf und nicht von irgendeinem Film kopiert“, erwiderte Shawn und zog den Ärmel hoch.
„Man entblöß‘ dich doch nicht so hier. Von dem Film Braveheart hast du wohl noch nichts gehört, oder?“
„Natürlich, was für eine Farce. Meine Vorfahren würden sich im Grab umdrehen. Hast du schon bestellt?“
„Nein, ich hab‘ auf dich gewartet. Machst du uns zwei Guinness, Danny?“, bat Shawn den Barkeeper.
„Kriegt ihr, eure Tattoos sehen sich echt ähnlich, aber die Diskussion hattet ihr schon manche Abende. Warum bist du so schlecht drauf, Camelot?“, frage Danny.
„Seine große Liebe ist in Rente gegangen“, witzelte Shawn und Camelot sah ihn böse an.
„Total humorlos heute der Arme. Bitte mach‘ schnell mit dem Bier, lang‘ kann ich den Grummelheini nicht ertragen“, konterte Shawn und bekam sein Glas gereicht.
Camelot war wirklich schlecht drauf. Er ließ sich nicht mal zu einer Runde Pool-Billard überreden.
Einige Bier später, es musste schon kurz vor Mitternacht gewesen sein, verließen sie das Lobsters.
„War ne gute Idee zu Fuß zu gehen, das war echt zu viel“, murmelte Shawn angeheitert und lehnte sich an Camelot.
„Flossen weg“, schubste er ihn weg.
„Wie kann man mit so viel Bier noch so steif sein“, knuffte er ihn in die Seite.
„Wenn du nicht willst, dass ich dir auf deine Schuhe reihere lässt du das lieber“, erwiderte Camelot und lehnte sich an die Wand.
„Du bist hacke breit mein Freund, vollkommen zu“, lallte Shawn und Camelot verpasste ihm ein. Das Ende vom Lied war, das die beiden die Nacht in der Gefängniszelle verbrachten.
Mitten in der Nacht wachte Shawn kurz auf. Er betastete seine Lippe. Sie blutete.
„Na, prügelt ihr euch jetzt auch in Schwulenbars?“, hörte er eine Frauenstimme und er sah auf.
Die Stimme gehörte zu einer Frau die ganz eindeutig eine Prostituierte war.
„Ach fass‘ dir doch an deine eigene Nase“, murmelte er müde und sah der Frau zu wie sie mit einer Halskette spielte. Es war eine hübsche Goldkette mit einem Engel dran.
„Aufwachen! Los!“
Shawn fiel zu Boden, was seine Schmerzen im Körper nur verstärkte.
Er rappelte sich auf.
„Ihr könnt echt von Glück reden, dass ich so gut verdiene. Was habt ihr euch bloß gedacht?“, hielt Erica den beiden eine Strafpredigt, die gekommen war, um sie auszulösen.
„Wie spät ist es?“ fragte Shawn und sah mit verschwommenem Blick auf die Uhr.
„Kurz nach 12 Uhr mittags“, erklärte sie und die Tür wurde aufgeschlossen.
„Solltest du nicht in irgendeinem Kurs sein?“, fragte er und nahm er seine Jacke.
„Ja, sollte ich. Aber ich kann euch ja nicht hier drin versauern lassen. Ich warte noch auf eine Antwort“, stütze sie Camelot auf.
„Keine Ahnung. Kurzschluss. Ich brauch ne Dusche“, ging er aus der Tür.
„Das muss eher ein Blitzeinschlag gewesen sein, also wirklich. Schönen Tag noch, Officer“, verabschiedete sich Erica und folgte ihrem Bruder.
Da sie sowieso gerade fast an der Schule waren, wollten sie sich krank melden.
Natürlich hofften sie inständig nicht der Direktorin über den Weg zu laufen, aber das Schicksal war gegen sie.
„Mr. Fitzpatrick und Mr. Costa wie schön, dass Sie uns auch mal wieder mit ihrer Anwesenheit beehren. Wo waren Sie?“, tönte die Direktorin und die beiden drehten sich um.
Sie musterte die beiden. Beide hatten Schrammen im Gesicht und blutige Lippen.
„Beim Arzt“, erklärte Shawn.
„Verschlafen“, redete sich auch Camelot heraus.
„Das seh’ ich. Also wir haben Gott sei Dank eine Vertretung für ihren Unterricht gefunden, dieser Vorfall wird sich aber nicht mehr wiederholen“, bemerkte sie streng und stöckelte weiter.
„Du hast angefangen“, nörgelte Shawn.
„Na toll, kauf‘ dir was dafür. Ich brauch jetzt ganz dringend einen Kaffee“, stampfte er ins Lehrerzimmer.
„Da ist aber einer heut Nacht nicht zum Zug gekommen, was?“, hörte er plötzlich eine bekannte Stimme hinter ihm. Es war die Stimme der Prostituierte von letzter Nacht.
„Was machen Sie denn hier?“, war er überrascht und drehte sich um.
„Im Moment suche ich den Spanisch-Saal“, konterte sie keck. Die junge Frau trug ein Twinset und eine Faltenrock.
„Der ist den Gang lang und dann links. Sagen Sie, kennen wir uns nicht?“
„Mit dem Anmachspruch sicher nicht. Danke, bye“, ging die Frau wieder von dannen.
Verdattert stand er da eine kleine Ewigkeit.
„Was ist Highlander? Hast du vergessen wie man läuft?“ kam Camelot mit einem Kaffeebecher in der Hand zurück zu ihm.
„Die Frau kenn‘ ich doch“, stotterte er.
„Welche Frau?“
„Die Frau, die grad nach dem Spanisch-Saal gefragt hat“, bemerke er.
„Dann muss das die neue Spanisch-Lehrerin sein. Hast du ein Glück, die soll eine echt scharfe Braut sein, wie ich grad‘ gehört habe. Also was hast du zu ihr gesagt?“, knuffte er ihn in die Seite.
„Kennen wir uns nicht irgendwo her?“ wiederholte er seine Aussage.
„Du willst also in nächster Zeit keinen Treffer landen, gut also ich schnapp‘ sie mir jetzt“, zog Camelot davon um sich die junge Frau zu angeln. Er ging etwas vor zum Spanisch-Saal um sie davor abzufangen.
Wie erwartet kam sie kurz nach ihm dort an.
„Buenos Dias Senorita. Comó esta?“, begrüßte Camelot sie mit seiner allseits betörenden Art und lehnte sich an die Tür, dass sie nicht rein kam.
„Lassen Sie mich raten, sie brauchen keinen Spanisch-Unterricht mehr“, schmunzelte sie angenehm überrascht.
„Ganz recht Chica, aber vielleicht etwas ganz anderes“, flirtete er heftig.
„Erst ein Mal eine Dusche, sie stinken nach Pisse und hören sie auf Spanisch zu reden mit diesem furchtbaren mailändischem Dialekt“, entschied sie und er ließ sie passieren.
„Sie kommen also nicht aus Spanien?“, fragte er und lief ihr bis zum Pult hinterher.
„Seh’ ich vielleicht so aus? Ich komm‘ aus Charleston im lieblichen Süd-Karolina, hab‘ aber spanische Geschichte und Sprache studiert. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, ich will mich hier einleben und Sie stören mich gerade bei meiner Entfaltung. Und ich bin nicht an Ihnen, oder Ihrem „Kennen wir uns nicht irgendwo her?“ Kollegen interessiert, das können Sie ihm gern von mir ausrichten. Schönen Tag noch“, drängte sie ihn zu gehen.
„Okay, bin schon weg. Nur noch eine Frage, wieso wissen Sie, dass ich aus Mailand bin?“
„Ich war ein Auslandssemester lang in Europa und auch in Mailand. Und ich bin ein Spezialist in Dialekten. Noch was?“
„Nein, alles bestens“, zog er den Schwanz ein und verschwand.
Ganz geknickt kam er zurück ins Lehrerzimmer.
„Du bist nicht etwa abgeblitzt? Man das muss ich gleich in meinem Kalender anstreichen“, zog Shawn seinen Freund auf.
„Halt‘ bloß die Klappe, jetzt wo ich nüchtern bin kann ich viel besser zielen!“, murrte er und setzte sich ans Fenster.
„Nein, ich häng‘ es an die Pinnwand, dann haben die Kollegen noch was davon“, frotzelte er weiter und Camelot steckte eine Zigarette in den Mund.
„Gut, tu das, dir hat sie ja auch die kalte Schulter gezeigt das kannst du ruhig drunter schreiben. Hast du mal Feuer?“
„Du kannst einem ja allen Spaß verderben. Hier“, warf er ihm ein Feuerzeug zu, dass er auf dem Tisch gefunden hatte.
„Aber sie ist doch echt scharf oder?“
„Meine Herren, aber hallo. Natürlich nicht meine Liga wie so oft. Eigentlich eher deine, aber wie man sieht doch nicht. Kann ich dich was fragen?“
„Man kann keine Liga aufsteigen!“
„Das meinte ich nicht. Also wir gestern in dieser Zelle saßen hast du da die Nutte gesehen?“
„Nein, daran könnte ich mich erinnern!“
„Das klingt zwar jetzt komisch, aber die neue Lehrerin erinnert mich an diese Nutte“, gestand er.
„Ja, das ist komisch. Du hast ein echtes krankes Sexualleben mehr nicht. Du hast ja auch schon mal geträumt dass ein Playboy-Model in deinem Schlafzimmer wäre. Am besten suchst du die Nutte und lässt es dir mal wieder so richtig besorgen, dann hört das auf“, konterte er.
„Man, ich hätt‘ nicht mit dir darüber reden sollen. Ich geh’ jetzt“, erwiderte er und stand auf.
„Hey Highlander das war nen Scherz. Komm schon, du bist doch voll der Frauenheld, ehrlich. Shawn komm‘ bleib hier, Shawn“, rief er ihm hinterher doch die Tür fiel schon ins Schloss.
Müde kam Shawn an diesem Nachmittag heim. Er duschte lang, schmiss seine Sachen weg und warf sich aufs Sofa.
Gegen Abend kam Erica nach Hause.
„Hey Schlafmütze wieder zu Hause?“, begrüßte Erica ihn und strich ihm über den Kopf.
„Hast du Ärger gekriegt?“
„Nein, wär‘ nur wichtig gewesen. Nächstes Mal lass‘ ich euch schmoren“, setzte sie sich neben ihn.
„Das war ein Aussetzer, passiert nicht mehr, versprochen“, versprach er.
„Das hoff‘ ich. Soll ich was zum Essen bestellen?“
„Kannst du machen. Der Chinese um die Ecke ist nicht schlecht“, erkannte er und sie griff nickend zum Telefon.
„Ihr streitet euch in letzter Zeit sehr oft. Was ist los?“, fragte Erica, während sie aufs Essen warteten.
„Er geht mir halt in letzter Zeit gewaltig auf die Nerven, das ist alles. Man, wann kommt denn das Essen ich hab‘ Hunger“, spielte er die Situation runter.
„Ihr prügelt euch auf offener Straße, das ist mehr als nur ein Streit“, erkannte sie.
„Hey, ich bin älter als du. Ich sollt‘ dir eigentlich die Standpauken halten. Es ist alles in Ordnung“, versprach er und in dem Moment klingelte es.
„Ich geh’ hin“, bemerkte er und ging zur Tür.
„Nr. 45 und Nr. 78“, erklärte der Lieferjunge.
„Genau, wie viel?“ fragte Shawn gelangweilt.
„12,80 Sir“, antwortete der Lieferjunge.
„Hier sind 13, schönen Abend noch“, gab Erica dem Typen sein Geld.
„Ja, danke schönen Abend noch“, murmelte der Lieferjunge verlegen und Shawn knallte die Tür hinter ihm zu.
„Du warst unfreundlich“, erkannte Erica und nahm ihr Essen.
„Er hat dich angeglotzt“, stellte er klar und stopfte sich seine Nudeln in den Mund.
„Ich seh’ gut aus und er ist ein notgeiler Teenager, was hast du erwartet? Willst nen Bier?“, fragte sie und er schüttelte den Kopf.
An diesem Abend ging er früh ins Bett. Er musste seinen Rausch ausschlafen und sich für den nächsten Tag erholen.
Shawn hatte erneut Kopfweh als er aufwachte. Er schluckte zwei Aspirin und betrachtete sich im Spiegel.
Erica kam zu ihm und sah auch in den Spiegel.
„Du siehst furchtbar aus“, stellte sie fest.
„Danke, deine Komplimente bauen mich immer so richtig auf“, meinte er sarkastisch und sie drehte ihn an der Schulter herum.
„Zeig‘ mal her. Kein Problem das krieg‘ ich weggeschminkt“, griff sie zur Puderdose.
„Du puderst mich nicht ein, ich hab sowieso schon den Ruf als Schwuchtel auf der Schule“, wehrte er sich.
„Willst du den ganzen Tag erklären müssen, wieso du ein blaues Auge hast?“
„Aber nicht zu viel, ja“, gab er nach.
„Keine Sorge, meine Stilistin hat mir genau gezeigt wie das geht“, versprach sie und schminkte los. Und tatsächlich das blaue Auge war perfekt verdeckt.
„Nur schade, dass du keinen Lippenstift trägst, dann könnt ich die Platzwunden an der Lippe auch wegschminken“, stellte sie fest und griff nach dem Lippenstift.
„Von wegen. Das reicht“, riss er sich los und ging zur Tür.
„Was, ich wollt mich nur schminken. Steht dir sowieso nicht die Farbe“, legte sie Lippenstift auf.
„Fliegst du heut‘ nicht nach Florida wegen diesem Shooting?“
„Ja, aber erst um 10 Uhr. Keine Sorge ich hab‘ einen netten jungen Mann gefunden, der sich bereit erklärt hat in meinen Kursen mitzuschreiben und Morgen Abend bin ich wieder da“, versprach sie.
„Hab ich was gesagt?“
„Nein, wolltest du aber. Und im Flugzeug werde ich lernen. Ich bin wirklich froh wenn ich im Sommer meinen Abschluss mache. Zwei Sachen gleichzeitig stressen einen wirklich“, konterte sie und packte ein paar Sachen in ihren Koffer.
„Das glaub‘ ich dir. Ich wünsch‘ dir viel Spaß, Schwesterherz. Ganz ernsthaft. Nur halt angemessenen Spaß, nicht Frühlingsferienspaß“, stotterte er.
„Du weißt schon, dass ich keine Jungfrau mehr bin, oder?“
„Ja, aber ich versuch‘ es zu verdrängen. Also ich muss jetzt langsam los. Ruf‘ an, wenn du landest“, umarmte er sie.
„Werd‘ ich, sofort wenn ich im Hotel bin, versprochen. Hab‘ einen schönen Tag“, schloss sie die Tür hinter ihm.
Er ging nicht ins Lehrerzimmer. Ihm war nicht zum Reden zu mute. Zumindest nicht mit Camelot.
Als er sich an seinem Schreibtisch setzte starrten ihn seine Schüler an.
„Was ist, hab‘ ich was im Gesicht?“
„Wo waren Sie gestern, Sir?“ fragte eine Schülerin.
„Ach, ist Ihnen aufgefallen dass ich nicht da war? Verdammt, da muss ich wohl so eine Ausrede erfinden wie Sie manchmal. Also ich hatte einen wichtigen Arzttermin, ganz kurzfristig“, bemerkte er cool. Einige lachten.
„Warum ist ihr Auge geschwollen, Mr. Fitzpatrick?“
„Gute Augen Ms. Harot, wirklich. Ich habe eine Augenentzündung. Haben Sie noch andere Fragen?“
„Nein, Sir!“
„Gut, dann können wir ja im Unterrichtsstoff weitermachen. Wie viele Frauen hatte Henry VIII außer Marie Antoinette?“
„Gemein viele?“ fragte einer mittenrein.
„Klasse dass sich das englische und französische Königshaus so gut verstanden hat, dass sie Partnertausch veranstaltet haben und das sogar über hunderte von Jahre hindurch. Okay, eine einfachere Frage! Wie ist Marie Antoinette gestorben?“
„Sie ist geköpft worden!“
„Wunderbar, der Kandidat bekommt 100 Punkte. Kommt schon Leute, ihr könnte euch auch beteiligen“, begann er seinen Unterricht wie immer sarkastisch.
„Sie machen guten Unterricht“, lobte seine neue Kollegin ihn, als er nach dem Unterricht noch an seinem Schreibtisch saß.
„Ach, Sie haben also doch noch vor, sich vorzustellen“, begrüßte er sie leicht schroff.
„Sie haben sich auch noch nicht vorgestellt“, konterte sie schmissig.
„Ach richtig. Entschuldigen Sie. Ich bin Shawn Fitzpatrick – Geschichte“, stellte er sich vor.
„Majorie Janson – Spanisch. Meine Freunde nennen mich Jorie, aber wenn sie mich jemals so nennen, gibt’s Ärger. Also, da Sie einer der wenigen jungen Lehrer sind kann ich Sie fragen ob Sie wissen, ob es hier irgendwo Wohnungen zu vermieten gibt?“, fragte sie.
„Und Sie können Mr. Costa nicht fragen weil er erstens ihre gute Grammatik verderben würde, und Sie dann davon überzeugen würde bei ihm einzuziehen, richtig?“
„Ja, so ähnlich. Also wissen Sie was?“
„Ja, aber …“, begann er.
„Aber was?“
„Es ist in meiner Nachbarschaft!“
„Haben Sie ne gute Wohnlage?“
„Klar!“
„Dann würd‘ ich sagen, dass sie mir heut‘ Abend helfen eine Wohnung zu finden“, entschied sie.
„Ich hätte gleich nach der Schule Zeit, wäre das Ihnen recht?“
„Gut, dann treffen wir uns um drei vor dem Schulgebäude“, bemerkte sie.
„Können wir machen. Schönen Arbeitstag noch“, erwiderte er und lächelte.
„Danke. Ich muss jetzt wieder der Unterricht wartet“, bedankte sie sich, stieß sich vom Türrahmen ab und ging davon.
Majorie stand schon vor der Tür als er herauskam. Sie lächelte als sie ihn sah.
„Hey, da sind Sie ja. Können wir los?“ fragte sie freundlich.
„Ja, sicher. Fahren wir mit meinem Wagen?“
„Müssen wir ja wohl, ich hab noch keinen. Wo stehen Sie?“
„Hier!“ präsentierte er seinen alten schäbigen Buick.
„Das Ding fährt noch?“, fragte sie kritisch.
„Natürlich fährt der noch, meistens zumindest. Steigen Sie ein“, bat er und hielt ihr die Tür auf. Etwas unsicher stieg sie in den Wagen ein.
„Hey, keine Sorge der ist wirklich sicher. Also los geht’s“, schmunzelte er und trat aufs Gas.
Etwas bleich war Majorie schon als sie bei ihm ankamen.
„Alles klar Ms Janson?“, fragte er einfühlsam.
„Nennen Sie mich Jorie, Ms Janson sagen nur die Schüler“, erwiderte sie leicht daneben.
„Ich dachte, das wollten Sie nicht!“
„Hab’s mir anders überlegt!“
„Also da sind wir. Schön, nicht?“, stieg er aus und machte ihr die Autotür auf.
„Ja, schon irgendwie. Wie sieht’s mit der Miete aus?“
„Etwas höher als gewöhnlich, aber es geht schon. Meine Schwester und ich teilen uns die Miete. Sie ist grad‘ nicht da, sie ist bei einem Shooting in Florida. Sie ist ein Model. Sie hofft noch auf die ganz große Karriere, aber das klappt schon. Also mir gefallen die südenglischen Mauersteine, das hat was von Boston. Ich war in den Semesterferien mal dort, kulturell und geschichtlich bietet die Stadt echt viel. Das ist nun meine Wohnung, auch wenn das ab gedroschen klingt, wollen Sie meine Wohnung mal von innen sehen?“
„Ja, das klingt ab gedroschen, trotzdem würde ich Ihre Wohnung gern sehen“, stimmte sie zu.
„Gut, dann herein spaziert, ist aber nicht aufgeräumt“, schloss er die Tür auf.
„Ja, wirklich nicht. Aber trotzdem schön. Mit gefallen die Holvertäfelungen am Fenster, handgeschnitzt sehr schön. Die hohen Fenster sind auch sehr schön. Gibt viel Licht. Sie haben die Wohnung schön eingerichtet englischer Kolonialstil, wirklich stilvoll. Schöne Lampen“, musterte sie die Wohnung.
„Sie haben ja jede Menge Ahnung von Architektur. Studienfach an der Uni?“
„Nein, ich interessiere mich privat dafür. Okay, wir müssen wohl bald zu den Wohnungen, bevor keiner mehr da ist“, riss sie sich los und sie gingen wieder hinaus.
„Lassen Sie uns mit der Wohnung da hinten anfangen“, bemerkte er und führte sie zu einer leer stehenden Wohnung am Ende des Wegs.
Es dämmerte schon als sie endlich fertig mit dem Ansehen der Wohnungen waren.
„Danke für Ihre Zeit, Shawn. Sie waren mir eine große Hilfe. Ich denke ich könnte hier wohnen. Ich werde morgen gleich mit dem Vermieter sprechen. Dann sehen wir uns morgen“, bedankte sie sich und ging von dannen.
„Warten Sie, wo wohnen Sie gerade?“ rief er ihr hinterher.
„Super 8 Motel. Ist schäbig, aber für den Anfang reicht es. Schlafen Sie schön, Shawn“, rief sie und schon war sie um die Ecke.
„Sie auch, Sie auch“, sagte er leise vor sich hin und ging zurück in seine Wohnung.
Er konnte nicht glauben, dass er den Nachmittag mit dieser wunderbaren Frau verbringen konnte. Sie war etwas seltsam. Manchmal sehr liebenswert, aber sekundenspäter distanziert und unfreundlich. Shawn hatte nicht sehr viel Erfahrung und dachte, das wäre normal bei Frauen.
Wesentlich besser gelaunt kam er tags drauf zum Unterricht. Das viel auch seinen Schülern auf.
„Hey Mr. F sie lächeln ja, was geht? Ein paar Glückspillen gefrühstückt?“ fragte eine Schülerin.
„Und Sie einen Clown wie mir scheint. Sie kommen wohl als erster dran mit ihrem Kurzreferat über das französische Königshaus wie mir scheint“, entgegnete Shawn gut gelaunt und die Schülerin stand grummelnd auf.
Sein Lächeln hielt trotz der dünnen Referate der Schüler bis zur Mittagspause an.
„Shawny ist das etwa ein Lächeln? Ja, das ist ein Lächeln. Was ist los Shawn, hast du wieder ein paar Schüler gequält?“
„Das mach‘ ich doch jeden Tag. Ich bin verliebt mein Freund, frisch verliebt“, schwärmte er und lehnte sich im Stuhl zurück.
„Oh nein, nicht schon wieder. Das wird wieder bös‘ enden, mein Freund“, schlussfolgerte Camelot.
„Nein, sie ist wunderbar. Ein Lächeln und eine Stimme sanft wie ein Engel. Sie ist diejenige welche, die wahre“, konnte er nicht aufhören zu schwärmen.
„Jetzt komm mal wieder auf den Teppich. Wie wird dir das Herz brechen und es zum Frühstück essen. Wir reden doch von der neuen, oder? Die nicht mal mich wollte“, versuchte Camelot ihn in die Realität zurück zu bringen.
„Ja, denkst du etwa ich red‘ von Mrs. Gonzales?“
„Ich wünschte es, das wäre einfacher. Also Shawn hör‘ mir zu. Sie ist ein Biest, die kratzt dir die Augen im Schlaf aus“, stellte Camelot klar.
„Ach bin ich das. Wie nett. Es stehen nicht alle Frauen auf italienische Gigolos Mr. Costa. Hi Shawn, ich hab grad‘ mit dem Vermieter geredet. der will mir die Wohnung vermieten. Können Sie mir am Wochenende helfen Möbel zu kaufen?“, kam Jorie ins Lehrerzimmer und nahm sich Kaffee.
„Natürlich. Liebend gern. Den würd ich nicht trinken der lässt sich nur schneller altern. Grauenhafter Kaffee wirklich, hab‘ ich gehört, selbst trink‘ ich keinen. Wollen Sie etwas von meinem Tee?“, bot Shawn an.
„Ja, vielen Dank. Wirklich grausig der Kaffee, das erklärt vielleicht warum die hier alle so schlecht gelaunt sind. Darf ich?“, setzte sie sich neben Shawn.
„Also Mr. Costa warum bin ich bitte schön so ein Biest? Weil ich in Ihren Armen nicht schmelze wie Wackelpudding. Sorry, Sie sind nicht mein Typ. Aber ich bin wirklich nett, wenn Sie sich die Mühe machen mich kennen zu lernen. Wie auch immer, Sie machen auf mich doch einen vernünftigen Eindruck“, brachte sie ihn zum Schweigen.
„Gratulation Sie haben den Ausschalter bei ihm gefunden dass schafft nicht jeder. Also was haben Sie sich bei den Möbeln vorgestellt dann kann ich mir schon mal Gedanken machen“, erkannte Shawn und wendete sich zu Jorie.
„Mir gefallen Ihre Möbel sehr gut. Wo haben Sie denn Ihre her?“, war sie neugierig.
„Entschuldigt mich, ich muss meinen Kaffee kurz mal raus würgen“, verzog sich Camelot genervt.
„Gott sei Dank er ist weg. Ich dachte schon der geht gar nicht mehr. Ich wollte vorschlagen, dass Sie bei mir wohnen, bis dass mit der Wohnung geklärt ist. Meine Schwester hat sicher nichts dagegen. Sie können mein Bett haben, ich schlaf‘ auf dem Sofa“, bot er an.
„Na endlich wird die Sache interessant, ich dachte schon das würde so ein langweiliges Möbel-Gespräch bleiben. Also er lädt nicht jede Frau in sein Bett ein, da müssen sie schon zugreifen“, kam Camelot zurück.
„Ich dachte, du wolltest weg“, schaute Shawn zu ihm rüber.
„Hab ich nicht gesagt, ich war nur die Boa würgen. Doughnut?“ streckte er Shawn einen Schmalzkringel hin.
„Nicht, wenn es sich vermeiden lässt. Du hast dir sicher die Hände nicht gewaschen“, nahm er es nicht an.
„Die Frau die Sie eines Tages bekommt muss sicher die glücklichste Frau der Welt sein“, erwiderte Jorie sarkastisch.
„Ach, Sie bieten sich an?“
„Gibt es denn keinen dauerhaften Ausschalter für diesen Kerl“, nippte Majorie an ihrem Tee.
„Sie können an meinem Körper suchen, hab‘ ich nichts dagegen“, flirtete Camelot heftig weiter.
„In Ordnung, bevor ich jetzt den Tee wieder herauswürge geh’ ich lieber. Also wir sehen uns wieder um halb 4 Uhr vor der Schule?“, verabschiedete sie sich und lächelte Shawn an.
„Ja, genau, bis dann“, entgegnete er und nachdem sie die Tasse abgestellt hatte, ging sie wieder aus dem Lehrerzimmer.
„Du bist wohl nicht glücklich, dass ich in deinem Vögel-Alphabet herum gepfuscht habe“, erwiderte Shawn und sah in Camelots trotziges Gesicht.
„Von was redest du da bitte schön?“ fragte Camelot unschuldig.
„Annika, Bridget, Claire, Doris, Emily, Francine, Gaby, Hannah, Irene, Jules, Klara, Linda und jetzt fehlt dir das M für Majorie, sonst ist dein Jahresalphabet unvollständig. Du bist so leicht zu durchschauen, dass es fast schon wehtut“, zählte Shawn, Camelots Strategie und die dazugehörigen Frauen auf.
„Ach, bin ich schon bei M ist mir gar nicht aufgefallen. Kein schlechter Schnitt für Juli“, brüstete er sich mit seinen Eroberungen.
„Jorie hat Recht, du bist wirklich widerlich. Und denk nicht mal dran dir eine Schülerin in Gedanken mit M herauszusuchen, eine Klage wegen sexueller Belästigung reicht wohl oder!“, stand auch Shawn auf.
„Das sind noch halbe Kinder, was denkst du denn von mir?“, war er erbost.
„Ich weiß nur was du denkst und wo deine Gedanken grad sind. Viel Spaß bei der Arbeit noch“, verabschiedete er sich auch, spülte die Tassen ab und wart nicht mehr gesehen.
Shawn genoss seine Zeit mit Jorie, aber Camelot und Erica sahen das skeptisch mit an. Sie hatten ihn schon oft auffangen müssen, als die Frauen ihn fallen lassen ließen.
Als Shawn mal wieder von einem Nachmittag mit Jorie zurückkam, roch er Rauch.
„Erica, hast du was anbrennen lassen?“, rief er durch die Wohnung.
Keine Antwort.
Er ging weiter und kam an der Toilette vorbei. Dort war der Geruch besonders intensiv.
„Erica?“, rief er und hämmerte gegen die Tür.
„Nein, ich bin es“, antwortete Camelot und die Tür sprang auf.
Eine Rauchwolke umhüllte ihn.
„Arturo, hast du da drin etwa geraucht?“, bemerkte er verärgert.
„Äh, nein“, redete er sich heraus und wedelte den Rauch weg.
„Da bin ich aber froh. Also was machst du hier?“
„Ich warte auf dich, du kannst Fragen stellen. Krieg ich nen Kaffee?“
„Als wenn du nicht schon einen getrunken hättest. Wo ist meine Schwester?“
„Sie holt Bagels fürs Abendessen. Okay, kann ich dann noch eine Tasse Kaffee haben?“
„Meinetwegen. Wohnst du jetzt hier?“
„Gott sei Dank nicht, ist mir zu steril hier. Ich wurde von deiner Schwester eingeladen. Was dagegen?“, setzte er sich an den Küchentisch.
„Ich hab‘ halt keine Kakerlaken als Mitbewohner. 2 Zucker ohne Milch?“
„Weißt du doch. So ein paar krabbelnde Mitbewohner täten dir gar nicht schlecht. Wie läuft es eigentlich mit Jorie?“
„Sie ist eine liebe Person. Seit wann interessieren dich meine Beziehungen?“
„Seit heute. Also?“, war er neugierig.
„Was also?“
„Lass‘ dir doch nicht alles aus der Nase ziehen. Läuft da was zwischen euch?“
„Das geht dich kaum was an“, wurde er bockig.
„Komm‘ schon, ich erzähl‘ dir auch jedes schmutzige Detail meiner Beziehungen“, bat er.
„Ich frag dich aber nicht danach. Und seit wann sind deine Betteskapaden Beziehungen?“, konterte er schlagfertig.
„Dann eben nicht. Ich glaub‘ ich brauch‘ jetzt nen Bier“, entschied er und ging zum Kühlschrank.
„Wir haben keine Bier mehr“, bemerkte Shawn.
„Und das hättest du nicht sagen können, bevor ich zum Kühlschrank gegangen bin?“, murrte er und drehte sich zur Tür.
„Hey Jungs, alles klar?“ stand Erica in genau dieser.
„Alles wunderbar. Ihr habt kein Bier mehr“, begrüßte Camelot Erica lustlos.
„Ich weiß, deshalb hab ich was mitgebracht. Gut Shawn, du bist da, wir müssen uns unterhalten“, warf Erica ihm eine Bierdose hin.
„Mir gefällt dieser Spruch echt nicht. Das bedeutet nie was Gutes“, nahm Shawn sich auch ein Bier.
„Entschuldige, haste wohl schon zu oft gehört. Okay, Shawn hör zu, Artie und ich haben uns unterhalten ...“, begann sie und stellte sich zu Camelot.
„Ihr wollt doch nicht wieder was miteinander anfangen, oder?“, unterbrach er sie.
„Nein, woher weißt du überhaupt davon?“
„“Artie“ quatscht ziemlich viel wenn er betrunken ist. War ein Schock für mich. Also was wolltest du sagen?“, erklärte er und lauschte.
Sie schwieg.
„Meine Klausuren sind vermutlich ziemlich gut gelaufen“, murmelte sie verlegen.
„Das ist wunderbar, aber das ist nicht das was du mir sagen wolltest“, erkannte er.
„Doch, das war’s. Ich wollt das Artie das auch mitkriegt. Habt ihr Hunger?“, stand sie auf und räumte die Sachen in den Kühlschrank.
„Erica, kann ich dich kurz sprechen, draußen!“, bat Camelot mit ernstem Ton.
„Ich räum noch schnell die Sachen in den Kühlschrank“, entgegnete sie und kramte in ihrem Korb herum.
„Nein, sofort“, zog Camelot sie unsanft weg.
„Au, du tust mir weh“, meckerte sie und Camelot drückte sie auf den Gartenstuhl auf der Terrasse.
„Was soll das?“, fragte er streng.
„Was soll was?“
„Du weißt verdammt genau was ich meine. Du wolltest ihn darauf ansprechen. Auf diese Sache“, bemerkte er und sie stand wieder auf.
„Ich denke er muss das allein raus finden“, stellte sie klar.
„Selbst herausfinden? Erica wenn diese Frau ihn wieder ausgespuckt hat, dann ist das sein Ende. Er zieht sich jetzt schon genug zurück, er wird sich ganz aus der Gesellschaft zurückziehen“, überlegte er laut.
„Und wenn sie es ist, die eine? Das können wir ihm nicht kaputt machen“, forderte sie.
„Ich weiß nicht, er ist dein Bruder wenn du das denkst“, gab er nach.
„Wir müssen eben auf ihn aufpassen. Wir müssen seine Stütze sein, wenn es nicht klappt und uns für ihn freuen wenn es klappt. Ich muss wieder rein, das Essen wird warm“, bemerkte sie nachdenklich und ging durch die Schiebetür wieder in die Küche.
„Über was habt ihr gesprochen?“ wollte Shawn wissen.
„Er war verärgert, dass ich mit dir über uns gesprochen habe. Was ist? Willst du jetzt was zu essen?“, kramte sie im Kühlschrank herum.
„Ein Bagel reicht mir, danke. Wo ist Camelot hin?“
„Abgezogen, reicht ihm wohl schon die Familienidylle. Wann ist deine College-Abschluss-Feier?“
„Freitag. Bringst du sie mit?“
„Wen?“
„Mrs. Santa Claus. Jorie mein‘ ich natürlich!“
„Schon möglich!“
„Ich muss einen Platz reservieren!“
„Okay, ich bring‘ sie mit. Ich versteh’ jetzt was das Theater soll. Mr. Testosteron hat die Meinung, dass eine Frau, die bei ihm nicht schwach wird, nichts für den armen schwachen Shawn ist. Eilmeldung! Ich weiß was ich tue“, stürmte er genervt in sein Zimmer.
„Shawn, dein Bagel“, rief sie ihm hinterher, doch sie hörte nur noch die Musik, die er voll aufgedreht hatte.
„Das nimmt ein echt bitteres Ende das sag‘ ich euch“, murmelte sie, und biss in das Bagel, welches sie gerade für Shawn geschmiert hatte.
Am Tag der Abschlussfeier war Shawn wieder mit Jorie zusammen. Eigentlich waren sie jetzt jeden Tag zusammen. Bis jetzt nur freundschaftlich, aber davon durften Camelot und Erica nichts wissen.
Shawn hatte Jorie nicht gesagt, dass ihnen ihre Beziehung nicht gefiel. Aber sie schöpfte schon Verdacht, weil Shawn sie nicht rein bat.
„Hey, Sie haben nicht aufgeräumt, richtig?“, schmunzelte sie, als Shawn sich an die Tür lehnte.
„Nein, aber meine Schwester muss sich seelisch auf ihre Feier vorbereiten. Ich hol‘ sie um 8 Uhr ab, danke für Ihr Verständnis“, schloss er die Tür.
„Seelisch drauf Vorbereiten. Deine Ausreden waren auch schon mal besser“, kommentierte Erica die Szene, weil sie neben der Tür saß und ihre Haare auf Lockenwickler zwirbelte.
„Ach schnür deine Wickler nicht so stramm, das ist nicht gut für dein Köpfchen“, war Shawn beleidigt und ging in die Küche um Sandwichs zu machen.
„Als er grade die Majonäse in den Kühlschrank stellte, klingelte das Telefon.
„Hey Highlander, bist ja zu Hause. Hab nen Problem“, drückte sich Camelot seltsam einsilbig aus.
„Ja, ich auch, dass du angerufen hast. Hey, nicht auflegen, was willst du?“, witzelte Shawn.
„Hab grad‘ in meinen Schrank geguckt!“
„Das ist tatsächlich ein Problem“, witzelte er weiter.
„Kannst du diesen Sarkasmus mal lassen. Es ist mir Ernst“, bat Camelot.
„Ich leg gleich auf wenn du nicht langsam sagst, was du willst!“
„Okay, also ich besitz‘ nur einen Anzug und seit meinem Highschool-Abschlussball bin ich wohl doch etwas in die Breite gegangen“, erklärte Camelot drucksend.
„Also, du willst rüber kommen und dich über meine Klamotten lustig machen?“
„Ja, so in etwa. Kann ich?“
„Natürlich. Ich hab grad sowieso zu viele Sandwichs gemacht. Erica, ist es dir recht, wenn Camelot gleich vorbei kommt?“, rief er Erica zu.
„Ach, stell‘ mir nicht solche Fragen, ich muss noch meine Robe bügeln“, war Erica im Stress.
„Dann bis gleich, Cam‘“, legte Shawn wieder auf.
Hektik kehrte ins Haus Fitzpatrick ein. Es wurde gekämmt, gezwirbelt und gebügelt. Das Ende vom Lied war, dass Shawn, Arturo und Erica erledigt auf den Stühlen an der Tür saßen.
„Schicker Rock“, kommentierte Arturo Shawns Outfit.
„Das ist ein Kilt, Blödmann“, schnaufte Shawn und fuhr sich durch seine durch das Haargel verklebten Haare.
„Mir doch egal, es ist keine Hose, also ist es ein Rock. Wunder‘ dich aber nicht, wenn dich alle für Ericas Schwester halten“, entgegnete Arturo.
„Jungs!“ ermahnte Erica sie.
„Dafür siehst du aus wie eine Presswurst, ist lang her, dass du in 36 gepasst hast“, gab Shawn ihm saures.
„Du bist ja nur eifersüchtig auf meine gute Ausrüstung“, entschied Arturo hämisch.
„Okay, ich fahr‘ allein“, grummelte Erica und stand auf.
„Erica, warte“, rief Shawn ihr hinterher.
„Was ist?“, drehte sich Erica um. Ihr Talar schwang mit der Umdrehung mit.
„Wir fahren zusammen, ich werd‘ nur vorher Jorie abholen“, erklärte Shawn.
„Ich steig‘ nicht mit meinen sauberen Klamotten in deinen dreckigen Karren. Arturo kommst du jetzt? Wir fahren“, brüllte Erica herum und Camelot kam angetrottet wie ein Schoßhündchen.
„Wir sehen uns da“, war Shawn beleidigt, aber Erica war schon in ihren Alpha Romeo gestiegen, den sie sich von zwei Gagen bei Shootings gegönnt hatte.
Shawn war nervös, als er zu Jories Wohnung ging. Ständig strich er sich seinen Kilt zu Recht und räusperte sich. Sie war die erste Frau seit er Lehrer geworden war. Fast 2 Jahre war das mit Chrissie nun her. Seltsam wie das Leben so spielte. Er wollte sie heiraten, sie hatte nein gesagt und dann hatte er aufgegeben. Viel zu schnell hatte Erica damals gesagt. Aber damals war alles anders. Frisch vom College in diesem neuen Land, und dann diese Frau, die immer das sagen haben wollte. Jorie war zwar auch nicht auf den Mund gefallen, sie würde ihm aber wohl kaum Befehle erteilen. Hoffte er zumindest. Er atmete tief durch und klingelte.
„Sie sind zu früh“, kommentierte sie mit Lockenwicklern in den Haaren und schlug die Tür wieder zu.
„Ich weiß. Kann ich trotzdem reinkommen?“, bat er etwas verunsichert.
„Ja, natürlich. Wo hab ich nur meinen Kopf“, öffnete sie wieder die Tür.
„Auf Ihrem Hals würd‘ ich meinen“, kommentierte er grinsend.
„Männer die Röcke tragen, dürfen sich nicht über mich lustig machen“, entschied sie und er trat ein.
„Das ist nen Kilt“, grummelte Shawn verlegen.
„Das wusste ich, war nur ein Scherz. Bin gleich da“, streckte sie den Kopf aus dem Bad und huschte wieder rein.
Er sah sich in der Wohnung um. Er war noch nie in ihrer Wohnung gewesen. Sie hatte einen New Age Landhaus Stil, aus den Möbeln gemacht die sie gekauft hatten, was ihm sehr gefiel. Ausgeflippt aber wirklich schön. Auf dem Tisch lagen Zeitschriften. Von der Cosmopolitan bis zu einem Schwulen-Magazin. Erst jetzt merkte er, dass die Wohnung eingerichtet wär, als würden zwei Personen darin wohnen. Ordentlich und unordentlich, hell und dunkel, romantisch und durchgeknallt. Erst wusste er nicht, was er davon halten sollte, aber dann gefiel es ihm irgendwie. Sie war nicht so eitel wie Chrissie.
„Kann ich Ihnen was zu trinken anbieten?“ fragte sie und riss ihn aus seinen Gedanken. Sie hatte immer noch Lockenwickler im Haar, aber eine Strähne war schon entfernt und fiel ihr ins Gesicht, als sie die Zeitschriften auf dem Tisch sortierte.
„Nein, danke schön. Nette Zeitschriften haben Sie“, fühlte er sich beobachtet.
„Ja, können Sie ruhig lesen“, bemerkte sie, während sie sich die Strähne hinters Ohr klemmte.
„Dieses Adam & Adam Magazin ist nen Test, oder?“
„Kluges Kerlchen. Und wollen Sie es lesen?“
„Nen Playboy wär mir lieber“, rettete er sich aus der Situation.
„Damit kann ich leider nicht dienen. Können Sie mir mal helfen?“, setzte sie sich vor ihn auf den Tisch und machte ihre Lockenwickler heraus.
„Sie haben das Gerücht also in der Schule schon gehört?“
„Ja, wollt nur sicher gehen. Machen das trotzdem gut mit meinen Haaren“, konterte sie.
„Ich muss meiner Schwester oft helfen. Sie haben schöne Haare“, wollte er die stille Minute unterbrechen.
„Danke. Bin gleich soweit“, sprang sie auf weil es ihr auch unangenehm war.
20 Minuten später saßen sie zusammen im Wagen. Sie schwiegen die ganze Hinfahrt zum College. Jorie hatte ein schönes leichtes Sommerkleid an, was sich gut mit dem blauen Outfit von Shawn vereinte.
Erica winkte sie her. Jorie fühlte sich sichtlich unwohl neben Erica. Sie sah sie auch ganz kritisch an.
„Hab ich was im Gesicht?“ flüsterte Jorie, Shawn zu.
„Sie ist etwas skeptisch uns gegenüber. Einfach ignorieren“, bat er und tätschelte ihre Hand.
Die Abgänger wurden aufgerufen und Erica stand auf. Stolz sah Shawn ihr nach. Als sie wieder herunterging und zurückkam sah Shawn zu Jorie. Aber ihr Stuhl war leer.
„Wo ist den Jorie hin?“ fragte er Camelot.
„Keine Ahnung. Sieht sie nicht toll aus?“, murmelte Camelot hinter der Videokamera.
Shawn stand auf und sah in der Gegend herum. Jorie war nicht mehr in der Nähe.
„Ein neuer Rekord, Shawny. Sie ist schon beim ersten Date abgehauen. Also ich muss jetzt wieder, muss noch packen, flieg‘ morgen nach New York City. Also wir sehen uns zu Hause“, stand Erica vom Stuhl auf, auf dem sie gesessen hatte um Shawn beizustehen.
„Dein Mitgefühl ist ja atemberaubend. Shawn komm‘, wir wollten noch was essen gehen“, erwiderte Camelot und zog ihn hoch.
„Hab‘ keinen Hunger mehr. Ich werde heimfahren. Bin stolz auf dich Erica“, küsste er Erica auf die Stirn und ging zu seinem Wagen.
„Armer Kerl. Machst du was mit ihm?“, bat Erica, Camelot, während sie die Szene beobachteten.
„Bin schon weg. Feier‘ noch schön“, küsste er sie zum Abschied auf die Backe. Aber irgendwie verrutschte der Kuss und landete auf ihrem Mund.
„Kann spät werden“, konterte er verlegen und ging ihm hinterher.
„Shawn halt mal. Kann ich mitfahren?“ rannte Camelot ihm hinterher.
„Wieso?“
„Weil ich von A nach B will, frag‘ nicht so blöde“, stieg er in den Wagen.
„Was ist mit Erica?“
„Ich kam mir so alt vor in dem Wagen voller junger Spunde. Also wo geht’s hin?“
„Lobsters?“
„Würd‘ ich ja wohl auch sagen“, stimmte er zu und Shawn fuhr los.
„Die zwei Musketiere wie schön“, begrüßte der Barkeeper sie in seiner gewohnt galanten Art.
„Daniel, mach uns zwei Bier, aber ohne viele Fragen zu stellen“, bemerkte Shawn und klemmte sich auf den Barhocker.
„Er trägt nen Rock“, erkannte Daniel zu Camelot, nachdem er Shawn gemustert hatte.
„Keine Fragen sagte ich!“, moserte Shawn.
„Das war keine Frage, eher ne Feststellung. Bin echt froh, dass ich Ire bin, wir tragen keine Röcke“, erwiderte Daniel und zapfte das Bier.
„Das ist nen Kilt!“
„Ich weiß. Blau – grau sind die Farben des Erfolges. Ich hab eine Weile englische Geschichte studiert vor Ewigkeiten. Ist bisschen was hängen geblieben. Lasst es euch schmecken, aber ich will keine Polizei sehen heute“, gab Daniel die Bier rüber.
„Ja, wir werden uns zusammenreißen, oder woanders hingehen. Erica hat heut‘ ihren College-Abschluss gemacht“, erklärte Camelot, weil Shawn sehr schweigsam war.
„Hey Shawny, das ist toll, deine Schwester kann jetzt jeden Job machen, den sie will“, munterte Daniel ihn auf.
„Seine Begleiterin hat ihn sitzen gelassen“, erklärte Camelot.
„Danke für deine Diskretion, Cam‘“, grummelte Shawn und nahm einen großen Schluck aus seinem Bierglas.
„Ach nein, nicht schon wieder. Shawn gib mir deine Autoschlüssel“, bat Daniel und Shawn sah ihn grimmig an.
„Hier, hab‘ ich ihm ihn schon abgenommen“, reichte Camelot ihm Shawns Autoschlüssel.
„Ich werd‘ doch nicht mehr Auto fahren“, konterte Shawn.
„Also jetzt sicher nicht mehr. Lasst es euch schmecken“, bemerkte Daniel und legte den Schlüssel in die Zigarrenschachtel, die er schon für Shawns Schlüssel reserviert hatte.
„Ihr könnt mich nicht wie ein Baby behandeln“, moserte Shawn und kippte sein Bier leer.
„Wenn wir dich wie ein Baby behandeln würden, würdest du kein Bier bekommen“, schlussfolgerte Daniel und schenkte nach.
Ein paar Stunden und ein paar Bier zu viel später lag Shawn mit dem Kopf auf dem Tresen.
„… und da dachte ich mal, sie wäre die richtige, so eine von den anständigen Mädchen. Du weißt doch was ich meine, Kumpel?“, hängte er sich auf Camelots Schulter.
„Cam‘ tust du mir einen Gefallen und nimmst Mr. Depression nach hinten mit? Er verscheucht meine Gäste“, bat Daniel und wischte den Tresen ab.
„Wir sind schon weg, ich hab ne bessere Idee für ihn. Wie viel schulde ich dir?“ bemerkte Camelot und griff an Shawns Tasche am Rock.
„27 Dollar und 60 Cent. Viel Spaß noch ihr zwei“, grinste Daniel und Camelot merkte erst jetzt wo er da hingelangte hatte und zog blitzartig die Hand zurück.
„Ich brauch schleunigst ne neue Stammkneipe“, entschied Camelot kopfschüttelnd und schleppte Shawn heraus.
„Also mein Freund, ich hab‘ es bis jetzt immer vermieden, aber extreme Situationen erfordern extreme Mittel. Oh verdammt, Autoschlüssel. Bin gleich wieder da. Setz‘ dich hier hin, okay, so ist es gut“, lehnte er Shawn an die Wand um die Autoschlüssel holen zu können.
Daniel hatte schon den haarigen Arm ausgestreckt mit dem Schlüssel in der Hand.
„Kannst du noch fahren?“, zog er den Arm kurz zurück.
„Würd ich es tun, wenn ich es nicht könnte?“
„Keine Ahnung. Aber fahr‘ vorsichtig. Bring den Kleinen ins Bett, er ist fertig“, bat Dan fürsorglich.
„Keine Sorge, er ist gleich im Bett“, schmunzelte Camelot und ging wieder nach draußen.
Er fuhr eine ganze Weile durch die Nacht, bis er endlich am Motel ankam. Von einem Freund hatte er erfahren, dass in Zimmer 12 eine Nutte ihre Dienste anbot. Shawn war inzwischen so weggetreten, dass er kaum was dagegen hätte. Er lud ihn auf den Arm und ging zu dem gewissen Zimmer.
Sein Klopfen war schwach, aber die Tür sprang auf.
Da stand sie nun. Mit einer schwarzen Perücke und billiger Reizwäsche.
„Ne Jungs, zwei nehme ich nicht“, bemerkte die Nutte.
„Ist nicht nötig, ich wollt nur meinen Freund hier abladen. Der ist fertig, das wird nicht viel Arbeit. Hier sind die 50 $. Schönen Abend noch“, überlegte er kurz, ob er nicht sollte, aber dann lud er Shawn bei ihr ab.
„Du bist doch sauber?“, erkundigte sich Camelot.
„Nicht mehr lang und jetzt verpiss‘ dich“, bat die Nutte und schloss die Tür.
Als Shawn aus seiner Besinnungslosigkeit erwachte und sich im Bett umdrehte quietschte es. Auch stieg ihm ein starker Parfümduft in die Nase. Hatte Erica ein Parfüm verschüttet?
„Erica?“ fragte Shawn leise.
„Ist das deine Kleine? Hübsche Lady. Na, bringt sie es nicht im Bett?“, fragte eine Stimme und Shawn drehte sich im Bett um. Da saß eine Frau im weißen, abgetragenen Bademantel aus irgendeinem Hotel und durchwühlte seine Brieftasche.
„Erica ist meine Schwester. Kann ich fragen, was du in meinem Schlafzimmer machst?“
„Ist mein Arbeitsplatz. Und wär mir ganz recht, wenn du ihn langsam mal räumen könntest, gibt noch andere Kunden“, warf er ihm seine Geldbörse zu.
„Kannst du mir auch noch verraten, wie ich hier her gekommen bin?“
„So ein Kerl mit nem seltsamem Dialekt hat dich hergebracht. Kannst ihm ausrichten, er soll das Nächste Mal anrufen, ich hab‘ auch Öffnungszeiten. Ich schlaf‘ um die Zeit eigentlich schon. Jetzt verschwind‘“, wurde sie wirsch und warf ihm seine Klamotten hin. Beschämt ging Shawn, nachdem er sich an angezogen hatte, aus dem Hotelzimmer. Aber dann wurde er zornig. Er lief, bis er dem nächsten Auto begegnete und trampte nach Hause.
„Arturo Costa mach‘ sofort auf, sonst vergesse ich mich“, brüllte Shawn und donnerte die Faust gegen Camelots Wohnungstür.
„Sonst geht’s dir danke, oder?“ kam Camelot verschlafen zum Vorschein.
„Das könnt‘ ich dich auch fragen, du Depp. Was sollte das bitte?“, tippte Shawn ihm brutal gegen die Brust und er ging zurück in die Wohnung.
„Hey, Kumpel jetzt beruhig‘ dich mal. Ich hab dir einen Gefallen getan“, versuchte Camelot ihn zu beruhigen.
„Gefallen? Ich bin in einem schimmligen Hotelzimmer aufgewacht und wurde von einer Nutte beklaut. Wo hast du die überhaupt her, aus dem 99 c Laden? War sie wenigstens sauber?“
„Weiß ich doch nicht. Mein Gott sind wir empfindlich. Sie hat dir doch gegeben was du gebraucht hast, oder?“ fragte Arturo seiner Schuld nicht bewusst.
„Was sollte ich den gebraucht haben? Syphilis und einen riesigen Kater? Danke, da kann ich drauf verzichten. Ich werde jetzt sehr lange schlafen, und wenn ich aufwache werden wir das vergessen. Guten Tag“, ging Shawn wutentbrannt nach Hause.
„Shawn, hi du warst nicht zu Hause. Warst du bei Camelot?“, fragte Erica, die sich Sorgen um ihren Bruder gemacht hatte und an der Tür auf ihn wartete.
„Spiel‘ nicht so besorgt, du warst sicher auch nicht zu Hause. Wenn du mich suchst, ich bin unter der Dusche“, erkannte er und schlurfte ins Badezimmer.
Kopfschüttelnd griff Erica zum Telefon.
„Hey, ich bin’s. Shawn ist grad hier grad angeschlurft gekommen. Du solltest dich doch um ihn kümmern. Hast wieder irgendeine Braut abgeschleppt und ihn allein gelassen, nicht?“ hielt Erica ihrem Kumpel eine Standpauke.
„Er hat es dir nicht erzählt?“
„Nein!“
„Gut, dann belassen wir es damit. Ich wollt‘ sowieso mit dir über gestern reden. Können wir uns zum Mittagessen im USA treffen?“
„Wir sollten lieber über Shawn sprechen. Du hast mir doch deine Unterstützung zugesagt!“ war sie überrascht über sein Angebot.
„Du hast mich nur darum gebeten, ich hab‘ nie gesagt, dass ich es mache. Also was ist kommst du jetzt?“
„Nein danke Artie, ich muss noch packen. Ich hoff‘ ich kann mich wenigstens in den drei Tagen wo ich in New York bin auf dich verlassen. Bye“, ließ sie ihn kalt abblitzen und legte auf.
Camelot und Shawn sahen sich erst am Montagmorgen im Lehrerzimmer wieder. Shawn musterte ihn nur kurz mit einem eiskalten Blick, nahm seinen Tee und ging wieder nach draußen. Er fasste allen Mut und ging zu Jories Klassenzimmer. Er wollte sie zur Rede stellen. Aber was ihn dort erwartete überraschte ihn völlig.
„Hey Shawn hi, brauchen Sie was?“ begrüßte Jorie ihn als wäre nichts gewesen.
„Wohl kaum. Wollt‘ nur wissen, ob Sie noch in der Stadt sind, nach Freitag. Gut Sie sind noch da. Schönen Tag noch“, ließ er seinen boshaften Kommentar ab und ging wieder.
„Shawn, warten Sie, was war Freitag?“ fragte sie völlig überrascht und hielt seinen Arm fest.
„Sie wissen verflucht genau was Freitag war. Sie waren mit mir aus, und plötzlich waren Sie weg. Wenn Sie nicht mit mir ausgehen wollten, hätten Sie es nur sagen müssen“, fluchte er und riss sich los. Sie sah ihm total verwirrt hinterher.
Jetzt war er nicht mehr bedrückt, nur noch stink wütend. Was fiel dieser Tussi ein? Es ist einfach nicht passiert? Wie konnte er sich nur so in ihr täuschen. Seine Wut mussten seine Schüler ausbaden, und in ihren Gesichtern war deutlich zu lesen wie sehr sie sich auf Sommerferien, die bald vor der Tür standen, freuten.
Da er sowieso schon in Rage war, korrigiert er gleich noch den Test der letzten Woche. Als er etwa bei der Hälfte angelangt war, kam Camelot zu ihm.
„Auch wenn ich wie eine Frau klinge, aber wir müssen reden“, bat Camelot und kam hinein.
„Nein, müssen wir nicht“, erwiderte Shawn und drehte ein Blatt ohne aufzusehen.
„Ich dachte, du hättest das gebraucht“, versuchte er zu erklären.
„Hast du schon gesagt“, konterte Shawn, immer noch mit gesenktem Kopf.
„Stimmt doch, oder? Fühlst du dich nicht besser?“
„Seh’ ich vielleicht so aus?“
„Okay, war ne saudämliche Idee. Kommt nicht wieder vor. Komm‘ Kumpel, hab ein mieses Gefühl im Bauch wenn du sauer auf mich bist“, versuchte er sich mit Shawn zu versöhnen.
„Entschuldigung angekommen. Aber jetzt verpfeif‘ dich, ich will weiter arbeiten“, grummelte er.
„Schon verstanden. Treffen wir uns in der Cafeteria?“
„Wieso nicht!“
„Also bis dann!“
„Bis dann!“
Als Camelot schon fast den Gang zur Cafeteria runter war, kam Jorie zu Shawn.
„Sie haben echt Nerven“, war Shawn nicht gut auf sie zu sprechen.
„Shawn, Sie müssen was von mir wissen“, begann sie.
„Sie sind eine Gottesanbeterin?“, frotzelte er und legte seine Sachen weg.
„Wie meinen?“
„Die Gottesanbeterin beißt dem Männchen den Kopf ab, wenn sie ihn nicht mehr braucht. Rupf und weg. Nette Taktik muss ich schon sagen, die sie da abgeguckt haben. Würde auch meine Kopfschmerzen erklärt. Also was wollten Sie sagen?“
„Oh nein, es ist wieder passiert“, stellte sie fest.
„Was heißt passiert? Haben Sie ne Macke oder so?“
„Ja, so in etwa. Ich kann mich leider an überhaupt nichts mehr erinnern was Freitag angeht. Weiß nur noch, dass ich Samstagmorgen in meinem alten Hotelzimmer aufgewacht bin. Keine Ahnung wie das immer passieren kann“, erklärte sie stockend.
„Hotelzimmer? Warten Sie mal!“ fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Er betrachtete sie und dann sagte er eine ganze Minute gar nichts mehr.
„Auf was soll ich warten?“
„Ich wusste es doch. Sie sind sie. Die Prostituierte aus der Gefängniszelle. Sie führen ein Doppelleben, hab‘ ich recht, hier machen Sie auf total anständig und nachts geht die Post ab“, schlussfolgerte er.
„Das ist absoluter Schwachsinn“, verteidigte sie sich.
„Ja, glauben Sie. Diese Kette mit diesem Engelanhänger. Den trug sie auch. Das beweist es doch“, erkannte er und nahm ihre Kette in seiner Hand.
„Was beweist es, dass ich einen Geschmack wie eine Nutte habe, und zufällig im gleichen Laden an den Niagara Falls die Kette gekauft haben wie sie? Wahnsinn, Sie sollten Cop werden“, stürmte sie wütend hinaus.
„Ich bin echt so ein Depp“, redete er mit sich selbst, schloss seine Sachen ein und ging Richtung Cafeteria.
„Ich bin ein echter Depp“, knallte Shawn sein Tablett mit Fischstäbchen und Pommes neben Camelot auf den Tisch.
„Muss ich darauf antworten?“, mampfte Camelot ungerührt weiter und Shawn setzte sich schnaufend hin.
„Eigentlich nicht. Sieht gut aus das Essen“, erwiderte Shawn und stocherte in seinen Essen herum.
„Schmeckt aber scheußlich“, stellte Camelot fest.
„Egal“, stopfte er sich eine Gabel voll in den Mund.
„Okay, was hast du gemacht?“, sah Camelot ihn kritisch an. Er motzte sonst immer über das Essen.
„Ich hab Jorie mit der Nutte von Freitag verwechselt!“
„Das erklärt, warum sie so wutentbrannt vorhin an mir vorbei rannte. Gratulation“, war Camelots Stimme voller Schadenfreude.
„Sie hat mich sehr verletzt, aber das hat sie nicht verdient. Ich sollte mit ihr reden“, entschied er.
„Ja, das solltest du. Aber diesmal vergleich sie nicht mit dieser Layla okay“, schlug Camelot vor.
„Gut, also ich werd‘ jetzt zu ihr gehen. Wart‘ malm woher weißt du ihren Namen?“
„Ich hab nen Freund bei der Polizei ich hab sie an ihn verpfiffen. Er hat sie aber nicht gefunden“, erklärte Camelot und schlurfte an seinem Becher.
„Wart‘ mal, du hast sie verpfiffen?“
„Hab‘ ich doch gesagt!“
„Erst bezahlst du sie, dann lässt du sie hochgehen. Warte mal, du hast keinen Freund bei den Cops, dass wüsste ich. Du hast sie geknallt“, stellte Shawn fest.
„Shawn, das könnten die Kinder hören. Nein, ich hab mich nur Samstagnacht auf der Straße umgehört, aber alles was ich raus gefunden hab‘, war ihr Name. Jetzt geh’ zu ihr“, bat Camelot beschämt und Shawn machte sich auf die Socken.
Nach kurzer Suche fand er sie im Lehrerzimmer.
„Hey, gut Sie sind da“, begrüßte Shawn sie.
„Wo soll ich sonst sein, im Bordell?“, konterte sie cool und rührte in ihrem Kaffee herum.
„Es tut mir leid, ich hab nicht nachgedacht, bevor ich geredet hab“, entschuldigte sich Shawn.
„Haben Sie wirklich nicht. Mein Gott mich als Nutte anzuprangern, ich bin auf eine katholische Mädchenschule gegangen“, bemerkte sie und er setzte sich zu ihr.
„Wirklich?“, schmunzelte er und musterte sie.
„Wenn Sie mich jetzt mit Britney Spears in ihrem Schulmädchenoutfit vergleichen find ich das widerlich“, entschied sie und er lächelte.
„Nein, ich bin auch auf eine katholische Schule gegangen. Sie sehen nur nicht so brav aus“, redete er sich heraus.
„Ich bin auch nach einem Jahr von der Schule geflogen“, gestand sie.
„Das würd das KSS auf ihrem Rücken erklären“, erkannte er.
„Woher wissen Sie das?“ war sie ganz erschreckt.
„Hab ich zufällig gesehen, als ich Freitag Ihre Haare gemacht habe. Katholische Schulen Stinken richtig?“
„Das hab gleich an dem Abend stechen lassen. Es tut mir wirklich leid, wegen Freitag was auch immer ich da getan habe. Ich hab‘ seit einem Unfall als Kind diese Lücken. Ich mach‘ was, und dann plötzlich ist der halbe Tag weg aus meinem Gedächtnis. Wir haben doch nicht irgendwas Intimes gemacht, oder?“
„Nein, daran könnt‘ ich mich erinnern, oder auch nicht ich hatte auch ein paar Lücken, lag aber eher am Alkohol. Sie haben nicht zufällig den Namen Layla, oder?“ schäkerte er und sie schüttelte lächelnd den Kopf.
Als sie wieder ruhiger wurden sahen sie sich an.
„Muss schlimm sein so ein Filmriss ständig. Ich hasse schon die wenigen die ich nach einem Massenumtrunk mit Camelot hab‘, aber so. Wie war denn das mit dem Studium?“
„Medikamente die mich ruhig gestellt haben. Ich hab‘ so gut es geht, alles in mich rein gepaukt, bis es wieder losging. Ich versuch‘ sie grad abzusetzen, oder zu reduzieren, ich hab‘ davon immer so furchtbare Kopfschmerzen. Wie mir scheint, sollt‘ ich das doch nicht lassen“, erklärte sie und lächelte ihn an.
„Wie kann ich Ihnen helfen?“
„Es reicht, wenn Sie mir meine seltsamen Eskapaden verzeihen. Dann hätten wir dieses Chaos nicht mehr“, schlug sie vor und ging nah zu ihm.
„Das ist ne gute Idee“, konterte er und begann sie zu küssen.
„Na, da ist ja alles wieder in Ordnung“, kam Camelot mal wieder völlig ungünstig zu ihnen.
„Sag mal, verfolgt der uns?“, fragte Jorie, Shawn.
„Nicht mehr lang. Cam‘, kannst du mir erklären, warum du nicht den Kaffee aus dem Automaten nimmst?“
„Weil der wie Katzenpisse schmeckt. Bin gleich wieder weg“, erklärte Camelot.
„Danke für die bildliche Darstellung. Also ich muss dann wieder, hab‘ noch Unterricht. Sehen wir uns heut‘ Abend?“ verabschiedete sich Jorie und stand auf.
„Ich komm‘ vorbei“, schlug er vor und sie ging lächelnd davon.
„Wir haben ein Problem“, erkannte Camelot, als er an dem Abend mit Erica telefonierte.
„Was hast du jetzt schon wieder gemacht?“, erwiderte sie genervt.
„Ich? Gar nichts. Tu ich doch nie. Nur dein Bruder ist wie es scheint schwer verliebt. Ich dachte, das legt sich wieder, aber wie es aussieht ist es was Ernstes. Was soll ich deiner Meinung nach tun?“, versuchte er sich einen Rat zu holen.
„Ist er heut‘ mit ihr verabredet?“
„Ja, soll ich ihn davon abhalten zu gehen?“
„Nein, lass‘ ihn machen. Oder besser täusch‘ ihm vor, dass du so deprimiert wärst, wegen irgendwas, dass er dir zuhören muss!“
„Kleines, ich bin kein Weib, das klappt bei mir nicht“, stellte er fest.
„Richtig. Okay, lass‘ ihn gehen, ich bin ja bald wieder da, dann überlegen wir uns was. Übrigens ich hab ihm Flieger über die Sache nachgedacht. Wir müssen wirklich reden … du weißt schon über die Sache“, konterte sie.
„Ja, das müssen wir. Schönen Abend noch, Erica“, erwiderte er und legte nachdenklich auf.
„Ich glaub‘, ich muss dich mal zum Waschen meiner Vorhänge abkommandieren. Rauch doch draußen, verdammt“, kam Shawn gereizt in das verqualmte Zimmer, in dem Camelot rauchte.
„Ich rauch‘ doch gar nicht“, schwindelte Camelot und Shawn sah zu seiner Palme die qualmte.
„Dann muss ich meiner Palme das Rauchen wohl abgewöhnen“, schmunzelte er und zog den Stummel aus dem Palmentopf.
„Ja, das solltest du. Ist nicht gut für die arme kleine Palme!“, ging Camelot auf den Scherz ein.
„Also ich geh’ jetzt zu Jorie rüber, willst du hier bleiben?“
„Du hast Bier und Chips und ne Riesenglotze, natürlich!“, stellte Camelot klar.
„Kein Date heute Abend?“
„Nein, die Kellnerinnen haben heut‘ leider alle frei gehabt, da hab‘ ich keine aufgetan. Und einen Abend zu Hause ist doch auch mal gut, oder?“
„Wie du meinst. Zieh’ die Tür richtig zu, wenn du es dir doch noch anders überlegst. Ich hab ein Date, und du nicht, es geschehen noch Zeichen und Wunder“, schmunzelte er und ging aus der Tür.
Die nächsten Tage verliefen ohne Probleme und dann kam Erica wieder heim. Sie sah erschöpft aus als sie sich aufs Sofa fallen ließ.
„Jorie und ich sind jetzt ein Paar“, bemerkte Shawn der am Schreibtisch neben ihr korrigierte.
„Ich weiß“, konterte sie müde.
„Woher denn?“
„Artie hat’s mir gesagt!“
„Ach richtig, ihr seid ja jetzt Busenfreundinnen und haltet Kaffeekränzchen an meinem Telefon ab. Du fängst aber nicht zu stricken an Cam‘, oder?“ entgegnete er zu Camelot der auf dem Sessel etwas abseits saß.
„Wirklich witzig, echt. Und wie geht’s ihr so?“
„Gut, weil sie sich nicht mit dir eingelassen hat“, scherzte Shawn und sah zu ihm nach hinten.
„Lass es Highlander, Ironie war noch nie deine Stärke. Wie war das Shooting, Erica?“
„Heiß, sie haben auch schon was für die Winterkollektion vorgeführt. Das ist wie Weihnachten im Sommer. Sind zumindest meistens echt schräg drauf diese Designer. Und hab‘ ich was verpasst während ich weg war?“, fragte sie neugierig.
„Du hast ja alles von meiner Nanny erfahren. Vielen Dank übrigens fürs Babysitten. Ich geh’ jetzt duschen, da will mir doch keiner helfen, oder?“ erwiderte Shawn gereizt.
„Shawn jetzt sei nicht eingeschnappt, wir sorgen uns doch nur um dich. Shawn“, lief Camelot ihm hinterher und bekam nur die Tür vors Gesicht geknallt.
„Ich denk‘ er kommt allein zurecht“, erkannte Camelot und kam zu ihr zurück.
„Willst du ihnen heut Abend beim Date folgen?“
„Natürlich. Kommst du mit, nur als Vorwand?“
„Glaubst du nicht, dass dieser Vorwand Shawn noch weniger gefallen würde? Was ist los Casanova, wo ist denn deine weibliche Gefolgschaft?“, zog sie ihn etwas auf.
„Ist ein bisschen peinlich, aber meine Gefolgschaft ist im Moment etwas beschäftigt“, druckste er herum.
„Weiber-Flaute? Wie konnte denn das passieren?“, war sie amüsiert.
„Ach es gibt da jemanden der mir sehr viel bedeutet. Aber sie hat keine so großen Gefühle für mich, denk‘ ich“, erklärte er stockend.
„Wow, ist ulkig, hab‘ dich noch nie über Gefühle reden hören. Kenn ich sie?“
„Nein, eigentlich nicht. Also, machst du es?“
„Nein, das ist mir jetzt viel zu viel Stress. Das ganze drum herum. Ich muss an mein Image denken. Ich glaub‘ ich mach mir einen gemütlichen Fernsehabend“, lehnte sie ab.
„Man, ich glaub‘ es kaum wie egoistisch du manchmal sein kannst. Also wirklich“, war er beleidigt.
„Das musst du grad‘ sagen, wer spannt mich hier für irgendwelche Aktionen ein? Ich hab‘ seit Tagen nicht richtig geschlafen und bin wirklich gestresst und müde. Also nerv‘ mich bitte nicht“, bat sie mit lauter Stimme und ging in ihr Zimmer.
„Man Leute, kann man euch nicht mal 5 Minuten allein lassen?“ , nörgelte Shawn durch die Badezimmertüre hindurch.
„Ich werde nach Hause gehe. Hast du gehört Erica? Ich geh’ heim“, rief er Erica entgegen.
„Wunderbar“, rief sie genervt zurück.
„Hab ich was verpasst?“, wunderte sich Shawn, der einen Schritt aus dem Badezimmer gekommen war.
„Alles bestens“, sagte sie fast gleichzeitig.
„Gut, ich hab‘ es eilig“, ging er wieder ins Bad zurück.
Jorie hatte an diesem Abend wieder einen leicht abwesenden Gesichtsausdruck. Sie entschuldigte sich oft dafür. Es war im Allgemeinen ein seltsamer Abend. Am späten Abend landeten sie in der Mulligans-Bar, die dem Lobsters ähnelte.
„Ich war noch nie hier, ist ein bisschen weit weg von meiner Wohnung. Sieht aber nett aus“, erklärte Shawn und führte sie zu einem Tisch am Ende der Bar.
„Denk‘ ich auch. Ich glaub‘ ich war schon mal hier, aber ich weiß es nicht genau. Ich war an vielen Orten, an die ich mich nicht besonders erinnere. Das ist dir unangenehm, nicht?“, setzte sie sich auf die Sitzbank.
„Ein wenig. Aber es ist schon okay“, versprach er und setzte sich neben sie.
„Layla Baby was machst du hier? Ich dachte du hast heut‘ frei“, begrüßte eine männliche Bedienung sie vertraut.
„Entschuldigung, kenn ich Sie?“
„Hey, kein Problem Sorry bist wohl inkognito da, verstehe. Also was willst du? Das Übliche?“
„Das Übliche sicher“, stimmte sie verwirrt zu.
„Was tust du da?“ war Shawn irritiert.
„Ich bin neugierig, was ich sonst noch so mache. ist doch irgendwie aufregend, oder?“
„Du bist also tatsächlich Layla?“ war er leicht schockiert.
„Wenn du das sagst und der Kerl da auch, dann muss es wohl stimmen. Wie auch immer, ich kann so meine Träume ausleben. Gefällt mir irgendwie“, sah sie erleichtert aus.
„Layla ist ne Nutte, ich hab mit ihr geschlafen, willst du dieses Leben wirklich ausleben?“ gestand er ihr die Wahrheit und sie sprang auf.
„Du hast mit mir geschlafen und ich weiß nichts davon?“, wütete sie.
„Schrei‘ nicht so rum, ich hab es nicht gewusst. Ich war extrabreit. Das war die saudumme Idee von Camelot. Man, ich wusste doch, dass das Folgen hat. Mein Gott du bist die erste Frau, die ich für mich ganz allein haben will und dann das. Verfluchte Scheiße“, wurde er auch laut.
„Hey Baby, Lärm kann ich hier nicht brauchen. Du verscheuchst die Kundschaft, meine Kundschaft“, kam eine andere, weibliche Bedienung zu ihnen.
„Kein Problem, ich bin schon weg. Amüsier‘ dich noch mit deinem Leben“, stürmte Shawn heraus. Dort rannte er in Camelot hinein.
„Mulligans? Du hast nicht grad‘ lang nach ner anderen Stammkneipe gesucht, oder?“ musterte er Shawn.
„Sei bloß froh, dass ich nüchtern bin. Layla ist da drin, falls du es mal wieder nötig hast. Schönen Abend noch“, erwiderte er mit tonloser Stimme und stieg ins seinen Wagen um mit quietschenden Reifen weg zu fahren.
Camelot griff gleich zum Handy und rief Erica an.
„Hey, was machst du grade?“, bemerkte er etwas schuldbewusst.
„Im Moment frag ich mich, warum du mich so spät aus meinem Schönheitsschlaf reißt!“, grummelte sie verschlafen zurück.
„Tut mir leid, ich wollt‘ dich nur darauf vorbereiten, dass Shawn gleich zurückkommt und stink wütend ist“, versuchte er zu erklären und rauchte dabei nervös eine Zigarette.
„Was hast du jetzt schon wieder gemacht?“ murmelte sie und drehte sich zur anderen Bettseite, um aufzustehen.
„Gar nichts. Er muss sich irgendwie mit Jorie gezofft haben, da hab ich jetzt wirklich keine Schuld dran“, verteidigte er sich und drückte seine Zigarette auf dem Boden aus.
„Ich sag‘ das wirklich ungern, aber du hattest Recht. Und ich hasse es wenn du Recht hast. Okay, ich bin aufgestanden ich werd‘ ihn, wie so oft, mit offenen Armen empfangen. Schönen Abend noch“, legte sie wieder auf und ging Richtung Tür.
Erica war schon fast wieder auf dem Stuhl vor der Tür eingeschlafen, als diese aufsprang und ein schnaubender Shawn hineinstürmte.
„Shawny?“, fragte sie aufgeschreckt. Er schwitzte und hielt sich seine Hand die wie es aussah blutete.
„Shawn was hast du gemacht?, schreckte sie auf und nahm seine Hand in ihre. Es war eine klaffende Schnittwunde.
„Wie es aussieht brauche ich eine neue Autoscheibe auf der Beifahrerseite meines Wagens“, schnaubte er.
„Meine Güte das ist so viel Blut, so verdammt viel Blut“, wurde Erica mulmig und sie kippte um.
„Na klasse, ich hab ne Memme als Schwester. Weiber“, entgegnete er und rief einen Krankenwagen.
Die Tür stand sperrangelweit auf, als Camelot doch noch zu ihnen kam. Als er Erica da auf dem Sofa liegen sah, blutverschmiert und mit dem Telefon neben ihr geriet er in Panik und rüttelte an Erica herum.
„Erica, Baby wach‘ auf. Hörst du mich, komm‘ schon wach‘ auf“, bettelte er und fühlte ihren Puls. Er war niedrig.
„Komm‘ schon, du darfst nicht sterben, ich lieb‘ dich doch“, flehte er und versuchte es mit Mund zu Mund Bearbeitung. Als er grad beim zweiten Atemzug war, drückte Erica ihn an der Stirn von ihrem Gesicht weg.
„Kannst du mir verraten was du da machst?“, entgegnete sie und sie waren Kopf an Kopf so dass er in ihre verwunderten Augen sehen konnte.
„Du lebst?“, fragte er und sie sah ihn etwas angewidert an.
„Natürlich leb‘ ich, ist aber kein Grund mich im Schlaf zu küssen. du Ferkel. Was machst du hier?“ setzte sie sich auf.
„Ich wollt‘ nach euch sehen. Was ist denn hier passiert?“, stand er aus der Hocke auf.
„Shawn hatte eine Schnittwunde und ich bin von dem vielen Blut umgekippt“, sah sie sich benebelt um.
„Er hat sich wohl ein Taxi oder einen Krankenwagen oder so gerufen, dass erklärt das Blut am Telefonhörer. Zieh’ dich an, ich werd’ herausfinden, wo er ist“, bat Camelot und ging zum Waschbecken um das Blut vom Telefon abzuwischen.
„Es ist zwei Uhr morgens, ich wollte eigentlich schlafen“, stand sie nicht auf.
„Du wolltest doch deinem Bruder bei allem beistehen was ist denn daraus geworden?“ fragte er genervt.
„Es ist spät in der Nacht“, nörgelte sie.
„Gut, dann leg‘ dich halt wieder schlafen, das schaff‘ ich schon allein. Bye“, steckte er das Telefon in die Ladestation und ging wieder.
Es war fast drei Uhr als Camelot seinen Kumpel im Krankenhaus fand. Er saß auf einem Krankenbett und starrte aus dem Fenster.
„Hey, hier steckst du, wir haben uns Sorgen gemacht“, begrüßte er seinen Kumpel und setzte sich neben ihn.
„Ist nur ne Schnittwunde, ich kann heim wenn ich will. Ich dachte schon, dass mich einer meiner Babysitter mich abholt, dachte aber, dass es Erica ist. Ist sie wieder zurück aus ihrer Ohnmacht?“ war er furchtbar sarkastisch.
„Ja, ist sie. Du hast sie einfach da liegen gelassen!“
„Sie war ohnmächtig, ich hab sie ja aufs Sofa gelegt. Bin wohl etwas weniger sensibel in diesem Thema als ihr. Also fahren wir jetzt?“, war seine Laune auf dem Tiefpunkt.
„Ist ja kein Wunder, dass wir dich wie ein Baby behandeln, wenn du dich so aufführst. Gehen wir“, ging er voran und Shawn trottete hinterher.
Tags drauf ging Shawn zur Arbeit ohne mit Erica geredet zu haben.
Auch Camelot oder Jorie sprach er nicht an, als sie an ihm vorbei gingen.
Er überlegte den ganzen Weg zur Klasse, was er sagen sollte, aber dann entschied er sich mal die Wahrheit zu sagen.
Als sich Shawn gerade mit seiner Milchtüte abmühte kam Camelot zu ihm.
„Soll ich dir helfen?“ setzte er sich zu ihm.
„Nein, danke“, riss er weiter an der Tüte bis sie aufriss.
„Na, ganz toll“, murrte er und schob sein Tablett voller Milch weg.
„Hier, du kriegst meine“, stellte Jorie ihre Milchtüte vor ihm auf den Tisch.
„Ihr gebt wohl nie auf, oder?“ sah er sie an.
„Das gestern Abend war meine Schuld. Ich wollte es nur wissen, du musst dir nur vorstellen, wenn man zwei Leben lebt, wie seltsam das ist. Ich hab fast die ganze Zeit wach gelegen und hab darüber nachgedacht. Ich hab heut‘ Morgen einen Termin beim Neurologen gemacht, der mich untersuchen soll. Zu Hause war ich auch schon mal beim Arzt, der hat mir ja nur diese Tabletten gegen meine Aussetzer verschrieben. Du hast als erster herausgefunden was mir fehlt, tut mir Leid, dass es so passieren musste“, versuchte Jorie zu erklären.
„Glaubst du, für mich ist das leicht, wenn du mehrere Männer neben mir hast?“
„Das ist vorbei, versprochen. Camelot hat vorgeschlagen, dass ich zu dir ziehe, dann könntest du mich überwachen. Das ekelt mich nämlich genauso an, wie dich, das kannst du mir glauben“, plante sie und Shawn sah Camelot kritisch an.
„Ihr wart also gestern noch zusammen?“
„Hey Mr. Eifersüchtig, ich hab‘ sie nur heimgefahren, weil du sie einfach so da sitzen gelassen hast. Das machen Menschen mit Anstand so. Deshalb war ich erst so spät bei Erica. Wie geht’s deiner Schwester übrigens?“, erklärte Camelot lächelnd.
„Keine Ahnung, hab sie heut‘ Morgen nicht gesehen. Aber die Idee ist nicht schlecht, es gibt nur ein Problem, meine Schwester mag dich nicht“, wurde er gelassener und sie setzte sich zu ihm.
„Das stimmt nicht, deine Schwester mag nur nicht, dass sie dir so viel Kummer bereitet. Aber ich könnt ihr ja anbieten, dass sie zu mir zieht“, erklärte Camelot und Jorie grinste.
„Das glaub‘ ich“, schmunzelte sie.
„Was soll das bedeuten?“
„Ach komm schon, du bist in die Kleine verknallt, das sieht doch ein Blinder mit einem Krückstock. So wie du über sie redest und eure ständigen Streitereien. Ich find‘ das süß“, erkannte Jorie und die beiden Männer sahen erst sich und dann wieder sie an.
„Da muss erst eine Frau kommen um unsere Probleme zu lösen. Da sieht uns ähnlich“, konterte Shawn und trank Jories Milch.
„Du bist also wirklich verknallt in meine Schwester?“ fragte Shawn nach, als sie zu dritt zum Lehrerzimmer gingen.
„Sie ist eine Göttin, da bin ich nicht der einzige. Vor allem nach den Sports Illustrated Bildern, Wow“, antwortete Camelot und Shawn sah ihn böse an.
„Ich glaub‘ du hältst am besten die Klappe um die Stimmung nicht zu verschlechtern. Also du redest mit deiner Schwester heut‘ Abend?“ hängte Jorie ihre Arme über seine Schultern.
„Sie wird nicht erfreut sein, aber ich wird‘ es versuchen. Und wenn schon, sie ist meine kleine Schwester und das ist meine Wohnung. Vielleicht schmeiß‘ ich sie auch raus“, konterte er und küsste sie.
„Du schmeißt mich raus?“ war Ericas Reaktion auf Shawns Vorschlag.
„Nein, natürlich nicht. Ich denk‘ nur, da du sowieso ständig in der Welt rum reist, und sie meine Hilfe braucht. Bitte“, fing er an zu betteln.
„Und was hat sie gesagt?“ begrüßte Camelot seinen Kumpel früh am nächsten Morgen, als er vor Camelots Tür stand.
„Wenn du mich anlangst, bist du geriebener Parmesankäse!“, tönte Erica ihm entgegnen, und warf ihre Sachen in die Ecke von Camelots Wohnung.
„Sie ist begeistert“, schmunzelte Shawn und gab ihm die restlichen Taschen.
„Ich danke dir“, bedankte sich Shawn flüsternd.
„Nein, ich danke dir. Wir werden beide auf unsere Kosten kommen. Ich werde wohl etwas später zur Arbeit kommen heute“, knuffte er ihn in die Seite und Shawn sah ihn verächtlich an.
„Nur ein Scherz Shawny Boy. Ehrlich werde ganz brav sein. Jetzt geh’, da wartet eine Frau auf dich“, erwiderte er und etwas misstrauisch ging Shawn zurück zu seinem Wagen.
„Ich hab meine einzige Schwester grad bei Mr. Potenz abgeladen“, stellte Shawn fest, als er zu Jorie in den Wagen stieg.
„Ach komm‘ schon, sie ist erwachsen, das wird schon“, versuchte sie ihn zu beruhigen.
„Das beruhigt mich nicht. Wirklich nicht!“
„Du hast doch gesehen, dass sie ihn nicht mag!“
„Ich glaub eher, sie mag ihn. Was hab‘ ich gemacht?“, erkannte er.
„Vielleicht ein Liebespaar zusammen gebracht, vielleicht auch nicht. Jetzt lass uns fahren, in 10 Minuten fängt mein Unterricht an“, fuhr sie los.
Endlich schien sich das Blatt in Shawns Leben zu wenden und Ruhe einzukehren. Bis zu dem Tag, als er sie zum Neurologen begleitete.
„Ms Janson Ihre Ergebnisse sind nicht sehr erfreulich. Wie es aussieht sind Sie an einer leichten Form von Schizophrenie erkrankt. Wir können das medikamentös behandeln, aber es könnte sein, dass sie trotzdem die Kontrolle verlieren könnten. Sie haben mir erzählt, dass sie eine zweite Persönlichkeit haben, ja natürlich haben sie die, aber sie kennen sie. Und sie ist ziemlich aktiv“, erklärte der Arzt und Shawn nahm ihre Hand.
„Sie ist ne Nutte“, redete sie nicht um den heißen Brei herum.
„Äh ja, das wollt‘ ich damit sagen. Also Ihr Freund will sie ja davon abhalten, aber ich würde zu einem regelmäßigen AIDS-Test raten, nur um sicher zu gehen“, schlug der Arzt vor.
„Wir werden das berücksichtigen“, bemerkte Shawn, während Jorie genervt seine Hand zusammendrückte.
„Der hat sie doch nicht alle, einen AIDS-Test? Ich bin doch nicht so eine dahergelaufene Nutte, oder?“ wütete Jorie auf dem Weg zum Wagen.
„Mach‘ es einfach, dann schlaf ich auch ruhiger“, konterte er und sie ließ seine Hand los.
„Du denkst auch so?“, fragte sie leicht gereizt.
„Nein, natürlich nicht. Aber meine Gesundheit ist mir schon wichtig. Ich weiß wir verhüten und alles, aber … verdammt mach es einfach, ich mach‘ es auch, wenn du willst“, bat er leicht gereizt.
„Aber sonst vertraust du mir?“, wurde sie hellhörig.
„Ja Mäuschen, in allem“, versprach er hoch und heilig.
„Ich werd‘ es machen, aber nur dir zu liebe und nicht weil es dieser blöde Arzt gesagt hat. Ich bin müde, lass uns heimfahren“, bat sie und stieg am Beifahrersitz ein.
Wie versprochen machte Shawn mit ihr regelmäßig den AIDS-Test. Er fiel immer negativ aus, Jorie verteidigte sich auch immer mit dem Satz „natürlich, ich komm‘ ja auch nicht raus aus diesem Gefängnis“. Dann stritten sie sich ein paar Minuten, vertrugen sich wieder, schliefen miteinander und so ging es weiter. Die anderen fanden das etwas abartig, sagten aber nichts dazu. Aber immer öfter vergaß sie ihre Medizin, oder wollte sie wegen ihren Müdigkeits-Erscheinungen nicht nehmen. Und dann „brach“ sie aus ihrem Gefängnis auf und kam müde morgens zurück. Eines Tages platzte Shawn der Kragen.
„Okay, du hast es nicht anders gewollt“, wedelte er mit einem Paar Liebeshandschellen herum.
„Wenn du darauf stehst, mein Ding ist es eigentlich nicht“, schmunzelte sie und krabbelte zu ihm aufs Bett.
„Hand her“, befahl er fast.
„Nicht so schnell, erst bist du dran“, erkannte sie und fesselte ihn.
Als er ausgezogen war, zog sie den Bademantel aus und warf ihm ihn hin.
„Tschuldige Schatz, die Arbeit ruft“, erwiderte sie als Layla und schon war sie weg.
„Das war ja so klar“, grummelte er und rief nach Hilfe. Aber dann dachte er an die Nachbarn und hörte auf zu rufen. Aber zum Glück, oder Pech wie auch immer man es sehen konnte, wollte Erica noch ein paar Sachen aus der Wohnung holen, weil sie dachte Shawn wäre weg.
„Wir müssen leise sein, die Nachbarn regen sich über jeden Krach auf“, flüsterte Erica jemandem entgegen und riss ihn aus seinem Halbschlaf.
„Die werden sich schon genug gestört gefühlt haben bei den beiden. Also was brauchst du?“, witzelte Camelot und er hörte Gepolter.
„Hallo, ist da jemand?“ rief Shawn schläfrig.
„Shawn, hi du bist zu Hause. Ich wollt‘ mir nur ein paar Sachen holen, wirklich nur mein Zeug. Shawn?“, suchte sie ihren Bruder und knipste das Licht in ihrem Schlafzimmer an.
„Eh, das musst ich jetzt echt nicht gesehen haben“, ekelte sich Erica von dem Anblick ihres spärlich bekleideten Bruders der ans Bett gefesselt war.
„Bitte ruf‘ ihn nicht“, flüsterte Shawn, aber zu spät. Camelot stand schon mit einem breiten Grinsen auf den Lippen vor ihm.
„Ich hab’s doch gewusst, immer die Konservativen stehen drauf. Komm raus Jorie, wo auch immer du bist“, zog er ihn auf und sah ins Badezimmer. Dort lagen überall Kosmetika.
„Layla ist weg. Sie hat mich ausgetrickst“, erklärte Shawn sichtlich beschämt.
„Sie ist wieder Layla?“
„Ja, das wollt ich damit sagen. Könntet ihr mich jetzt bitte befreien, dass ich sie suchen kann“, bat er genervt und Erica grinste jetzt auch.
„Und womit?“
„Die Schlüssel sind in der obersten Schublade. Ich wollt sie nur damit fesseln“, verteidigte er sich.
„Das glaub‘ ich“, kriegte sich Camelot kaum noch ein.
„Jetzt hör‘ auf so blöd so grinsen und mach‘ mich los“, zeterte er und strampelte mit den Füßen. Das legte was frei, was eigentlich verdeckt bleiben sollte.
„Also ich weiß nicht, warum du so Probleme mit Frauen hast“, musterte Erica ihren Bruder.
„Bitte macht mich los“, wurde er weinerlich.
„Entschuldige Shawny, jetzt mach‘ ihn schon los“, bedeckte sie ihren Bruder wieder und Camelot schloss die Handschellen auf.
„Wie lang liegst du hier schon?“, fragte Erica und gab ihm ein Handtuch, was er sich schnell um die Hüften band.
„Kein Ahnung, mir ist zumindest saukalt. Wärt ihr bitte so liebt und sucht sie, ich brauch‘ ne heiße Dusche“, bat er und ging Richtung Badezimmer.
„Ich werd’ zum Hotel fahren, da ist sie sicher. Such‘ du solang deine Sachen“, bemerkte Camelot zu Erica und ging zum Auto.
Es war mitten in der Nacht, aber Shawn war nicht mehr müde.
„Die gehört mir“, entgegnete er zum 5. Stück, dass Erica einpacken wollte.
„Die Lampe kosten fast 1000 Dollar, so viel verdienst du nicht mal“, verteidigte Erica ihr Eigentum.
„Ein Versuch war’s wert. Er ist schon verdammt lang weg“, sah Shawn aus dem Fenster.
„Erst 20 Minuten, er wird sie schon finden. Und den“, deutete sie auf einen Stuhl.
„Der ist von Mum, hässliches Teil nimm ihn mit“, sah er kurz hin und dann wieder zum Fenster.
„Apropos Mum, ich werd’ Arties Eltern kennen lernen“, bemerkte sie so nebenbei.
„Seit ihr jetzt nen Paar?“, war er überrascht.
„Nein, ich hab nur ein Shooting in Mailand in 4 Wochen und da er noch Sommerferien hat begleitet er mich und dafür schlafen wir bei seinen Eltern. Hat er dir das nicht erzählt?“
„Wir haben uns wenig gesehen, die letzten Wochen. War ziemlich stressig und das im Urlaub. Das wär schon nett gewesen, wenn du mir das von Mailand erzählt hättest“, war er leicht eingeschnappt, aber ohne sie anzusehen.
„Ich erzähl es dir jetzt. Willst mitkommen? ich hab‘ noch ein Ticket für jemanden“, schlug sie vor.
„Das geht wohl jetzt grad‘ nicht so gut, aber trotzdem danke. Da sind sie“, rannte er zur Tür.
„Verdammt, dieses Miststück hat mich gekratzt“, kam Camelot mit Striemen im Gesicht und mit der geknebelten Layla auf der Schulter durch die Tür.
„War das ein Grund sie zu knebeln?“, nörgelte Shawn und nahm sie ihm ab.
„Nein, sie hat nur zu viel gequatscht. Also für meinen Teil bin ich jetzt fertig hier, können wir gehen?“, war er sichtlich genervt und Erica kam mit ihrer Kiste in der Hand ihm hinterher, als Shawn ins Schlafzimmer ging.
Shawn löste Jories Knebel.
„Layla?“
„Nein, ich bin wieder Jorie. Schon ne ganze Weile. Verdammt, ich bin fast erstickt an dem blöden Ding. Was hab‘ ich jetzt schon wieder gemacht?“
„Ich bin zu müde, um das jetzt noch zu erklären. Lass uns schlafen gehen“, bemerkte Shawn müde.
„Wir gehen dann, gute Nacht“, verabschiedeten sich Erica und Camelot und ließen das Paar allein.
Am nächsten Morgen betrachtete Shawn seine Freundin, als sie ihre Tabletten über dem Waschbecken schluckte.
„Musst du mir dabei zusehen?“, entgegnete sie etwas gereizt.
„Ja, muss ich. Ich will nicht noch mal gefesselt in meinem Bett halb erfrieren. Mund auf“, war er genau so genervt und sie streckte die Zunge raus.
„Wie oft muss ich erwähnen, dass es mir leid tut?“ ,fragte sie etwas kleinlaut.
„Du musst dich gar nicht entschuldigen, ich will nur dass du deine Tabletten nimmst. Ich mach‘ mir auch Sorgen um dich, Baby, das weißt du doch“, zog er sie an ihren Shorts zu sich.
„Ja, das weiß ich. Ich werde sie jetzt regelmäßig nehmen, versprochen. Man, wir haben Urlaub wir sollten was unternehmen“, küsste sie ihn.
„Meine Schwester fliegt bald nach Europa. Das sollten wir auch tun“, schlug er vor.
„Sicher, wenn wir mal im Lotto gewinnen können wir das tun“, schmunzelte sie.
„Nein, im Ernst. Meine Mutter wollte mich schon lang‘ nach Glasgow einladen. Mein Dad hat bei British Airways gearbeitet, wir kämen ziemlich billig rüber“, schlug er vor.
„Ich weiß nicht, jetzt deine Mutter kennen lernen. Ich bin nicht grad‘ stabil, oder?“
„Meine Mutter stellt keine Fragen und ich werde ihr alles am Telefon erklären. Komm‘ schon“, versuchte er sie zu überreden und ging ihr aus dem Badezimmer hinterher.
„Deine Mutter ist aber nicht so eine furchtbar katholische Lady, oder?“
„Nein, eher im Gegenteil. Meine Mutter ist sehr modern eingestellt. Stell‘ dir einfach meine Schwester in 30 Jahren vor. Also, sollen wir?“
„Ja, wieso nicht. Ruf‘ sie an“, gab sie nach und er lächelte sie an.
„Das wird toll, ich verspreche es dir“, freute er sich und griff zum Telefonhörer.
2 Tage später saßen sie im Flieger nach Glasgow. Jorie war sichtlich nervös. Ihre Hände waren schwitzig, aber Shawn hielt sie fest in seiner.
„Willst du was trinken?“, fuhr er ihr durch die Haare.
„Wenn ich noch mehr trinke, kipp‘ ich am Flughafen um“, belächelte sie die Situation.
„Dann schlaf‘ ein bisschen“, legte er ihren Kopf an seine Brust und sie schloss die Augen.
„Oh man, warum hast du mich so lang schlafen lassen?“, grummelte sie, als sie auf dem Laufband Richtung Ausgang standen.
„Komm, jetzt lächle mal, da hinten steht meine Mutter“, legte er den Arm um sie.
„Shawn, da seid ihr ja. Du musst Majorie sein, sehr erfreut“, begrüßte Mase Fitzpatrick ihren Sohn und Jorie.
„Sehr erfreut Mrs. Fitzpatrick. Es war ein langer Flug, ich bin etwas müde“, begrüßte Jorie, Mase.
„Ach bitte nenn‘ mich Mase. Du siehst wirklich nicht gut aus, kommt lasst uns nach Hause fahren“, war Mase furchtbar freundlich und Jorie fühlte sich gleich geborgen.
Nach einem ausgedienten Abendessen saßen sie zusammen auf dem Sofa und unterhielten sich.
„Es hat mich sehr gefreut, dass du mich besuchen wolltest, du warst lang nicht mehr hier. Und dass du deine Freundin mitgebracht hast natürlich auch. Ich hab‘ schon Angst gehabt, dass du dich nicht mehr aufs Pferd setzt, nach dieser Geschichte. Dein Bruder ist leider gerade in London und kommt erst in einem Monat zurück. Wie geht es Erica?“
„Sie ist grad‘ in Mailand mit Arturo!“ erklärte Shawn.
„Das ist nen Witz, bitte sag mir dass du scherzt“, bat sie.
„Nein, er hat sie irgendwie dazu überredet, aber ein Paar sind sie anscheinend nicht. Sie muss dort auch arbeiten. Hoffe ich zumindest. Wie geht’s Tante Patty?“, lenkte er etwas vom Thema ab.
„Gut wie immer, aber das haben wir ja schon oft am Telefon besprochen. Sie hat mich vor kurzem angerufen, ich bin so froh, dass das mit dem College geklappt hat. Vielleicht besorgt sie sich auch eines Tages einen anständigen Job, wo sie nicht immer so nackig rumlaufen muss“, erkannte sie und deutete auf die Sports Illustrated die sie auf einem Stapel von Zeitschriften liegen hatte.
„Sie hat sie dir geschickt? Ich hatte eine hitzige Diskussion mit ihr über diese Bilder, aber sie ist erwachsen, sie weiß was sie macht. Hab ihr dir schon erzählt, dass Jorie Spanisch lehrt?“, war ihm das Thema nicht grad angenehm.
„Nein, das ist interessant. Erzähl mir davon Jorie, bitte“, wendete sie sich zu ihr und sie begann zu erzählen.
Jorie schlief viel in den nächsten Tagen. Eigentlich lag sie fast den ganzen Tag im Bett. Sie war manchmal viel zu müde zum Aufstehen und Mase kümmerte sich rührend um sie. Etwa eine Woche später wollte Shawn einfach mal durch die Stadt gehen und alte Freunde treffen. Jorie schaffte es nicht aufzustehen, also zog er allein los. Er schlenderte nachdenklich durch die alten Läden, die immer noch die alten waren, kaufte Jorie etwas Kleines und ging in seinen Lieblingpub und trank ein Bier. Ein paar Stunden später kam er wieder heim. Er hörte Stimmen aus dem Wohnzimmer. Er lächelte, weil er sich freute, dass Jorie aufgestanden war.
„Mrs. Fitzpatrick ich sag‘ es Ihnen ein Vibrator ist wirklich toll. Die Dinger werden total unterschätzt“, gab Layla seiner Mutter schlüpfrige Tipps und Shawn schloss die Augen als er ins Wohnzimmer kam. Er öffnete wieder die Augen. Layla saß in knappen Shorts und Unterhemd auf einem Stuhl und seine Mutter saß etwas verstört aus.
„Hi Layla“, erwiderte er leise und sie stand auf.
„Hey Lover, hab dich schon vermisst“, schmiegte sie sich wie eine Katze an ihn.
„Ich glaub‘, wir gehen mal nach oben“, war er sichtlich verwirrt.
„Das würde ich auch sagen“, küsste sie seinen Hals.
„Entschuldigung Mum, du entschuldigt uns“, zog er sie weg, während sie in seiner Jacke herumwühlte.
Shawn schlug die Tür des Gästezimmers zu.
„Ich hab‘ dich schon vermisst“, schubste er sie aufs Bett.
„Ja, ich auch“, spreizte sie ihre Beine auseinander.
„Wie wird man dich los?“, war er sichtlich gereizt.
„Hey, ich bin kein Parasit“, fühlte sie sich beleidigt.
„Warum benimmst du dich dann wie einer. Ich will dich nicht einsperren müssen“, hatte er keine Ahnung was er mit ihr tun sollte.
„Die Handschellen-Nummer find ich nicht schlecht“, räkelte sie sich auf dem Bett.
„Das erste Mal Schande über dich, das zweite Mal … du kennst sicher den Spruch. Du beschämst mich und meine Familie wenn du so etwas machst“, war er machtlos.
„Ich will dich“, zog sie ihr T-Shirt aus.
Shawn schloss die Tür zu.
„Vielleicht hilft es ja“, gab er nach.
Ein Wimmern weckte Shawn und das hallte nach wie ein Hammer. Er lugte durch ein Auge. Es brannte furchtbar.
„Was zum Henker …?“, murmelte er und versuchte aufzustehen, aber die Schmerzen in seinem Rücken hielten ihn davon ab. Er griff nach Halt, fasste aber nur in Holzteilchen. Jetzt erst sah er, dass er auf dem Boden saß, mit freiem Oberkörper.
„Jorie?“ fragte er vorsichtig aber er hörte nur ein Wimmern.
„Jorie, bist du das?“ fragte er erneut und versuchte erneut aufzustehen. Auf wackligen Beinen schaffte er es gerade aufs Bett. Darauf saß Jorie, in eine Ecke gekauert und bitterlich weinend.
„Mäuschen?“ legte er behutsam die Hand auf ihren Rücken.
„Gott sei Dank, du lebst noch“, umklammerte sie ihn plötzlich wie ein kleines Affenbaby.
„Ja, meine Schmerzen hätt‘ ich wohl kaum, wenn ich tot wäre. Hey, warum weinst du?“ bemerkte er, obwohl er schon erahnen konnte wieso.
„Ich bin aufgewacht und da warst du da am Sideboard. Du hast nichts mehr gesagt, ich dachte du wärst tot“, schniefte sie und klammerte sich wieder an ihn, nachdem sich Shawn von ihr gelöst hatte.
Shawn sah sich um. Das Sideboard sah furchtbar aus. Layla musste ihn dort hinein gestoßen haben.
„Wie zum Henker hat sie das schon wieder geschafft? Das letzte an das ich mich erinnere war, dass sie mich verführt hat und ich darauf eingegangen bin und … ja das ist eigentlich das einzige an dass ich mich erinnere“, war er sichtlich aufwühlt.
„Du sollst doch nicht mit ihr schlafen, ich dachte, das hätten wir geklärt“, wurde sie wütend.
„Was sollte ich denn bitte schön deiner Meinung nach machen? Sie hat mich ja beinahe vergewaltigt“, war er gereizt.
„Das tut mir leid“, wirkte sie plötzlich eingeschüchtert.
„Das warst ja nicht du, du musst dich nicht entschuldigen. Oh verdammt, sieh’ dir meinen Rücken an, ich blute“, sah er hinten im Spiegel seine Wunde am Rücken.
„Ich werd’ deine Mutter holen“, schlug sie vor.
„Nein, bloß nicht, die denkt sonst noch was, wenn sie das sieht. Im Badezimmer muss Verbandszeug sein“, hielt sie ihn davon ab und sie stand auf um es zu holen.
„Ich versteh’ dass nicht, ich hab‘ meine Tabletten genommen, ich schwöre es“, brachte sie ihre Tabletten mit und zeigte ihm die leere Schachtel.
„Ja, das hast du. Wir müssen zu Hause wieder zum Arzt gehen, vielleicht brauchst du andere. Machst du das mal bitte zu“, verband er sich selbst.
„Hab‘ ich sonst noch was gemacht, was mir peinlich sein sollte?“ fragte sie und schloss den Verband.
„Sagen wir es mal so, meine Mutter weiß jetzt alles über deinen kleinen batteriebetriebenen Freund. Ich bin übrigens kein bisschen eifersüchtig. Also wenn sie dich gleich ein bisschen seltsam ansieht, einfach ignorieren. Gibst du mir mal ein T-Shirt?“, erklärte er und bekam es.
„Das war wirklich keine gute Idee hier her zu kommen“, konterte sie und ging zur Tür.
Sie kam nicht raus.
„Nein, meine Mutter vergöttert dich“, entgegnete er.
„Warum hast du abgeschlossen?“
„Ich wollt‘ nicht, dass Mum reinkommt“, erklärte er etwas verlegen.
„Von wegen, du wolltest nicht, dass ich nicht rauskomme. Bin ich so gefährlich, sag‘ mal?“ kam sie auf ihn zu.
„Nein, ich wollt wirklich nur, dass meine Mutter uns nicht bei irgendwas erwischt. Hier“, gab er ihr den Schlüssel.
„Du hast auch schon mal besser gelogen. Gib her“, murrte sie und ging aus der Tür.
Als sie sich beim Frühstück nur anschwiegen griff Mase beherzt ein.
„Habt ihr euch gestritten, Kinder?“ fragte sie neugierig.
„Nein Mum“, murrte Shawn in sein Müsli.
„Sieht aber ganz so aus. Es war ziemlich laut bei euch oben. Keine Sorge, ich war auch mal jung, ich versteh’ das. Habt ihr irgendwas runter geschmissen? Es ist doch irgendwas zu Bruch gegangen“, erkannte Mase.
„Ich werd’ den Schaden bezahlen. Man, es ist wirklich noch peinlicher dich über Sex reden zu hören, als Layla, hab‘ ich echt nicht gedacht. Schatz, gibst du mir mal die Milch aus dem Kühlschrank?“, war das Shawn alles peinlich.
„Natürlich“, stand sie auf und holte sie ihm.
„Rückenschmerzen, was?“ frotzelte Mase und Shawn sah sie kritisch an.
„Mum!“
„Dein Vater hatte immer furchtbare Rückenschmerzen danach. Was denn, wir sind dich erwachsene Menschen und können uns auch so unterhalten. Soll ich dir denn Rücken massieren?“, bat sie an und griff an seinen Rücken.
„Autsch, lass da“, sprang er auf.
„Das ist ein Verband, du bist verletzt“, stellte sie fest.
„Ich hab‘ mich verletzt, das ist nichts“, druckste er herum.
„Was heißt, das ist nichts. Wie ist das passiert?“ ärgerte Mase die Gleichgültigkeit ihres Sohnes.
„Das ist meine Schuld“, rannte Jorie heulend nach oben.
„Ganz toll Mum, wirklich toll“, stand er beleidigt auf und humpelte nach oben.
„Was? Was hab‘ ich gesagt?“, rief sie ihm hinterher.
„Ich bring‘ dir nur Ärger“, war Jorie fast schon wieder am Weinen und setzte sich ans Fenster.
„Red‘ keinen Mist, seit du in meinem Leben bist, ist es viel besser. Du vervollständigst mich“, erkannte er und umarmte sie von hinten.
„Ich hab‘ den Film auch gesehen“, schmollte sie und küsste ihn.
„Aber es stimmt. Ich liebe dich, Jorie“, gestand er und sie drehte sich zu ihm um.
„Ich werd‘ dich noch umbringen“, konterte sie.
„Dann sterbe ich bei dir“, schmunzelte er.
„Das mein‘ ich ernst“, grummelte sie.
„Ich auch!“
„Mit was hab ich dich verdient?“
„Ich weiß schon, wie du bezahlen kannst“, zog er sie aufs Bett.
„Das machst mich nicht grad an, oder?“, rollte sie sich zur Seite.
„Entschuldige, ich hab‘ nicht nachgedacht. Du weißt, dass ich immer zu dir stehen werden, egal was kommt“, sagte er plötzlich.
„Ich weiß. Ich auch. Ich glaub‘ ich werd‘ ein bisschen spazieren gehen. Ich kann dieses Zimmer nicht mehr sehen. Tut mir leid“, löste sie seinen Griff um sich anzuziehen.
Shawn blieb liegen. Einige Minuten nachdem Jorie weg war, kam seine Mum zu ihm.
„Wo ist sie hin?“ fragte sie und trat ein.
„Spazieren. Ich werd’ das wirklich bezahlen“, erkannte er als sie den Schrank ansah.
„Sie hat dich gegen den Schrank gestoßen, nicht?“ stellte sie fest.
„Wenn es schlimmer wird, muss ich sie einliefern lassen“, bemerkte er tonlos.
„Ich weiß. Armes Ding. Wie geht es dir?“
„Im Moment mach ich mir um sie mehr Sorgen, als um mich“, entschied er und seine Mutter holte den Besen.
„Ich mag sie mehr als Christine“, wischte sie die Holzreste weg.
„Du hast Chrissie vergöttert!“
„Das spricht doch für Jorie, nicht? Es sieht nach Regen aus, ich hoff‘ sie ist gescheit angezogen. Sollen wir nicht doch zu einem Arzt gehen?“
„Nein, es geht schon“, erwiderte er und versuchte aufzustehen. Das schmerzte ihn aber zu sehr.
„Keine Widerrede wir fahren zum Arzt. Los“, sagte sie streng und zog ihn hoch.
„Ich schreib Jorie nur schnell noch einen Zettel“, bemerkte er und sie ging schon nach unten.
„Shawn Fitzpatrick, glaubt man das, ich dachte schon du wärst irgendwo verschollen. Wie geht’s dir?“ begrüßte die Sprechstundenhilfe und alte Schulfreundin Shawn als er rein kam.
„Nicht so, sonst wär‘ ich nicht hier, oder? Hat er Zeit?“, war er kurz angebunden.
„Ich guck‘ kurz mal. Was hast du gemacht von der Leiter gefallen? Mal wieder“, zog sie ihn auf.
„Meine Freundin mag es ihm Bett etwas heftiger“, schmetterte er ihr hin.
„So kenn‘ ich Chrissie gar nicht“, war sie etwas erstaunt.
„Das mit Chrissie ist schon lang aus. Ich hab ne Neue, ne ganz Wilde. Kannst du jetzt mal fragen?“ zog er sie auf und etwas eingeschüchtert dreinblickend verschwand sie im Untersuchungsraum.
„Was sollte das?“ raunzte Mase.
„Die hat mich schon in der Grundschule aufgezogen, Mir war halt danach“, erklärte er grinsend.
„Hättest du sie nicht in der Annahme du wärst von der Leiter gefallen lassen können, ich hab‘ schließlich einen Ruf zu verlieren“, schimpfte sie ihn aus.
„Okay, ich sag’s dem Arzt wird nur schwer zu erklären sein, wie ich von der Leiter ins Sideboard gelangt bin“, erkannte er und setzte sich auf einen Stuhl.
„Shawn Fitzpatrick meine Güte dich hab ich ja Ewigkeiten nicht mehr gesehen, wusste gar nicht, dass du wieder in der Stadt bist. Du hast Glück, ich kann dich dazwischen quetschen, also wo drückt der Schuh?“, kam sein alter Arzt Dr. Gilroy erfreut aus seinem Untersuchungszimmer.
Shawn drehte sich um und zog sein T-Shirt hoch. Sein Verband war durchgeblutet.
„Autsch, mal wieder von der Leiter gefallen was? Komm rein, das muss genäht werden“, bat er ihn rein.
„Weißt du eigentlich, dass ich mich neuerdings mit deiner Mutter treffe?“, fragte Dr. Gilroy, während er vorbereitete das Pflaster abzureißen.
„Was?“, schrie er auf und in dem Moment riss er das Pflaster ab.
„Ein Witz, klappt immer. Da sind Splitter drin. Ging wohl heftig zur Sache letzte Nacht was? Ich werd’ es ein bisschen betäuben und sie dann rausholen. Ich hatte im Studium eine Nachtclubtänzerin als Freundin. Da kann man so einige wilde Sachen machen. Was hat deine Mutter dazu gesagt?“
„Ich bin nur von der Leiter gefallen“, druckste er herum.
„Okay, das werd‘ ich dir jetzt mal glauben. Das war aber ein ziemlicher Sturz. Es hat sich schon entzündet, gut dass du gekommen bist. Kenn‘ ich deine neue Freundin?“
„Ich werd’ sie dir vorstellen, wenn wir die Zeit finden. Du hast doch was mit meiner Mutter, das spür‘ ich“, ließ er nicht locker.
„Dein Vater ist erst 3 Jahre tot, ich werd’ mich hüten. So, ich bin fertig, nur noch nähen. Ist sie hübsch?“
„Ne Schönheit. Danke“, setzte er sich auf, als der Doc fertig war.
„Das hast du verdient. Komm‘ lass uns deiner Mutter schnell mal schnell begrüßen. Was? Darf ich keine alte Freundin begrüßen?“
„Aidan, hallo wir haben uns lang nicht mehr gesehen. Und hast du meinen Sohn wieder zusammengeflickt?“ umarmte Mase den Doc.
„Wieder ganz der Alte. Seit ihr mit dem Wagen da? Es fängt an zu regnen“, sah Aidan aus dem Fenster.
„Ja, Ich geh’ doch kaum noch ohne weg. Du weißt ja mit meinem Rücken bin ich nicht mehr so beweglich. Hier ist meine Versicherungskarte, das geht schon klar mit meiner Versicherung“, gab sie ihm eine Karte und er zog sie durch das Lesegerät.
„Hurra, meine Mutter bezahlt mir meinen Arztbesuch. Was könnte man sich mehr wünschen“, erkannte Shawn ironisch und nahm seine Jacke.
„Sei mir bloß nicht dankbar. Aidan du musst unbedingt mal zum Essen kommen“, verabschiedete sich Mase und folgte ihrem Sohn.
„Was bist du so unfreundlich?“, passte sie ihn an der Ausgangstür ab.
„Hast du was mit ihm?“
„Nein, wie kommst du auf den Mist?“
„Er hat was angedeutet!“
„Der spinnt doch!“
„Ich wollt‘ es nur wissen. Danke“, stieg er in den Wagen.
Shawn legte sich wieder auf sein Bett. Er sah auf die Uhr. Es war eine Stunde vergangen, seit er gegangen war. Jorie war immer noch nicht von ihrem Spaziergang zurück.
Er sah aus dem Fenster. Es regnete immer stärker.
„Mum, ich geh’ noch mal raus“, rief er und zog seinen Regenmantel an, bevor er in den strömenden Regen zurückging.
Der Regen ergoss sich bald in Bächen den Berg hinunter.
„Wo kommt denn das ganze Wasser plötzlich her?“, murmelte er und stampfte weiter durch den Regen.
Nach ein paar Minuten war er wieder in der Innenstadt. Er kam an der Praxis vorbei. In dem Moment kam die Sprechstundenhilfe von Dr. Gilroy aus der Tür.
„Shawn Hi, hast du was vergessen?“ begrüßte sie ihn freundlich.
„Ich such‘ meine Freundin, sie wollt‘ spazieren gehen, aber bei dem Wetter hol‘ ich sie lieber zurück. Kommst du heim?“
„Du hältst sie an der kurzen Leine und das gefällt ihr?“, frotzelte sie.
„Sie hat einige Probleme also halt die Klappe“, murrte er.
„Das tut mir leid, du weißt doch meine Mutter ist manisch depressiv. Soll ich dir suchen helfen?“ wurde sie einfühlsam.
„Ja, bitte. Ist es jetzt so schlimm?“, half er ihr über den Wasserbach auf die andere Straßenseite.
„Was ist mit dem verdammten Wetter los? Es hat seit Wochen nicht mehr geregnet“, erkannte sie und sah die Sturzbäche die ins Tal runter flossen.
„Scheint was nachholen zu wollen. Wo wollt‘ sie denn hin?“
„Ich weiß es nicht, sie wollte nur spazieren gehen. Ich hätt‘ sie nicht allein lassen sollen, nach heute Nacht. Wo könnte sie sein?“ wurde er nervös.
„Ganz ruhig, sie ist sicher irgendwo auf dem Trockenen. Hoff‘ ich zumindest, Man, das Wetter hatten sie nicht angekündigt, wo kommt das alles her?“, beruhigte sie die Sprechstundenhilfe, die Grace hieß und sah zu wie das Wasser jetzt in Flüssen herunter lief.
„Deine Mutter ist zu Hause?“, fiel es Shawn plötzlich ein.
„Es hilft mir nicht, wenn ich jetzt auch noch durchdrehe“, entschied sie und versuchte einen Stein hochzusteigen, rutschte aber aus und wurde vom Bach mitgerissen.
„Gracey“, rief er hinterher und ohne viel nach zu denken, sprang er hinterher.
Er war ein guter Schwimmer und so bekam er sie schnell zu fassen. Aber jetzt trieben sie beide weiter. Bevor er es merkte, klatschte er mit dem Rücken auf etwas. Sofort merkte er, dass seine Naht aufgegangen war.
„Shawn“, hörte er eine vertraute Stimme. Es war Jorie die an einem Baum etwa 50 Meter entfernt von ihnen hing.
„Liebes, ich bin hier, halt‘ die gut fest, ich komm‘ zu dir“, rief er ihr entgegen, lud Grace auf dem Stein ab, auf dem er gelandet war, und schwamm mit aller Kraft gegen den Wasserstrom zu dem Baum. Vollkommen außer Atem erreichte er ihn.
„Ich hab Angst, Shawn, was ist hier los?“ fragte sie. Sie war total durchnässt.
„Ich hab keine Ahnung, wir müssen erst mal hier raus. Bist du verletzt?“ krakelte er wie früher als Junge den Baum hoch.
„Ich glaub‘ nicht. Du blutest“, sah sie seinen blutigen Rücken.
„Das ist nur meine Wunde, die wieder aufgegangen ist. Wie gut kannst du schwimmen?“
„Ich bin aus dem Schwimmteam geflogen, aber nur weil ich mich mit der Trainerin angelegt habe. Aber ich kann schon gut schwimmen“, erwiderte sie.
„Wir müssen hier runter. Wenn der weggerissen wird, drückt er uns runter und dann war’s das. Bist du soweit?“, streckte er seine Arme aus während er sich mit den Beinen am Ast festklammerte.
„Nein!“ wimmerte sie.
„Gut, dann spring‘“, schmunzelte er und nur Sekunden später trieben sie wieder im Wasser. Shawn versuchte zu dem Stein mit Grace zu gelangen, aber mit dem Extra-Gewicht, das er trug konnte er nicht gegen die Strömung anschwimmen. Und wieder riss es Grace los und sie trieben ohnmächtig den reißen Strom hinunter. Shawn konnte sich fast gar nicht oben halten, als der Strom endlich auf dem Marktplatz endete.
„Wow, das war nen Ritt, das müssen wir wiederholen“, erkannte Grace unter Schock.
„Ein anderes Mal vielleicht. Mir reicht die Aufregung erst mal. Hi, ich bin Jorie“, stellte Jorie sich vor.
„Grace, hi. Wo ist Shawn?“ sah Grace sich um.
„Er hat mich losgelassen. Shawn?“, sah auch Jorie sich um.
„Da hinten, verdammt er treibt auf dem Wasser“, watete Grace zu Shawn, der bewusstlos schien.
„Shawn“, schrie Jorie und hechtete auf ihren Freund zu. Sie trugen ihn zu einer Statue. Er atmete nicht mehr.
„Jorie, Sie werden beatmen, ich massiere“, forderte Grace und so fingen sie an. Nach einer Minute, die Jorie wie eine Stunde vorkam spuckte er Wasser und hustete.
„Hey, das bist du ja wieder. Du bist ja abgesoffen wie nen Stein“, kommentierte Grace.
„Hey, ich war im Schwimmteam, vergiss das nicht. Ich hab euch beiden eure süßen Hintern gerettet. Oh, mir tut mein Rücken weh“, setzte er sich auf.
„Zeig‘ mal her. Oh ja, voll aufgeplatzt. Wie fühlen sich deine Lungen an?“, tastete Grace seinen Rücken ab.
„Als wär ich fast ertrunken. Machst du ne Ausbildung als Sanitäterin, oder so?“
„Eher oder so. Wir müssen dich in die Klinik zurückbringen, falls die noch existiert. Fassen Sie mal an“, lud Grace ihn auf ihre Schulter.
„Wer sind Sie noch mal?“ fragte Jorie verwirrt.
„Später. Kommen Sie“, bat Grace und sie zogen ihn auf das Festland. Wie gerufen kam ein Schlauchboot vom Rettungsdienst an.
„Du bist verdammt spät, Finley. Nimm“, hievten sich Shawn ins Boot.
„Zumindest bin ich noch dabei, Babe. Hey das ist Shawn, Shawn Fitzpatrick“, entgegnete der Sanitäter und legte ihm eine Atemmaske an.
„Gut, dass deine Sanitätsausbildung dich zum Sehen geschult hat, das ist ja toll. Bringst du uns bitte mal weg, ich friere teuflisch!“, ging Grace mit dem jungen Sanitäter nicht grad liebevoll um.
„Was macht der hier?“ fragte Finley und half Jorie ins Boot.
„Er kann selbst für sich reden. Finn Murron, ich hab‘ gedacht, du hättest dich schon längst tot gefixt. Muss schwer sein, in einem Krankenhaus zu arbeiten“, zog sich Shawn die Maske vom Mund und Finley tat sie genervt wieder drauf.
„Du warst süchtig und verpfeifst mich nur weil ich ne Packung Antidepressiva klaue. Das ist erbärmlich. Du bist erbärmlich“, murrte Grace.
„Leute, ich verblute hier grade“, mischte sich Shawn ein.
„Oh entschuldige, düs‘ los, Finn“, bat Grace und schon ging’s los.
Etwa eine Stunde später waren Grace, Jorie und Mase in Shawns Krankenzimmer und unterhielten sich.
„Du bist ein richtiger Held, weißt du das eigentlich?“, bemerkte Jorie und setzte sich zu ihm ans Krankenbett.
„Und ich hab dich immer damit aufgezogen, dass du keine Frau abschleppen kannst, wenn du im Schwimmteam bleibst“, bemerkte Grace und setzte sich auf die andere Seite des Bettes.
„Er ist eher ein Idiot. Was dachtest du dir dabei? Du hättest drauf gehen können. So wie die anderen. Es sind viele Leute gestorben heute. Ich hab‘ deinen Vater schon verloren und du bist der einzige von meinen nichtsnutzigen Kindern der mich besuchen kommt“, war das Mase ganz anderer Meinung.
„Mase, ohne die Hilfe deines Sohnes wären wir beide tot, lass‘ dir das mal durch den Kopf gehen“, war Grace sauer.
„Sie hat Recht, warte mal Erica ist kein Nichtsnutz. Sie hat den College Abschluss gemacht und reißt die ganze Zeit durch die Welt. Weihnachten hast du noch gesagt, wie stolz du auf sie wärst“, verstand Shawn ihre Aussage nicht.
„Aber auf keiner ihrer Weltreise hat sie mal den Heimathafen angeschippert. Ich hab sie jetzt fast 9 Monte nicht mehr gesehen, in der Zeit hätte sie ein Kind austragen können. Sie hat doch kein Kind bekommen, oder?“
„Dann würd‘ sie jetzt wohl kaum in Mailand die neue Frühlingsmode vorführen, oder?“
„Sie ist in Mailand?“
„Ja, das wusstest du doch, ich hab es dir erzählt, als wir ankamen. Und Kenzie ist geschäftlich in London, du musst endlich einsehen, dass wir erwachsen geworden sind“, stritt sich Shawn mit seiner Mutter.
„Hey, was ist denn hier los?“ kam Finley zu ihnen. Er hatte ein Tablett in der Hand.
„Ich will bitte allein sein, mal fünf Minuten“, bat Shawn fertig mit den Nerven und die Mädchen sprangen vor Schreck über seinen Ausbruch auf.
„Okay Mädels, sieht aus als wär die Party vorbei. Kommt“, scheuchte Finley die drei Frauen raus und stellte das Tablett ab.
„Na du Held. Wackelpudding?“, machte Finley die Abdeckung des Tellers ab.
„Ich hab dich beleidigt, tut mir leid“, entschuldigte sich Shawn plötzlich.
„Ich war ein Kiffer, aber nur bis zum Highschool-Abschluss. Ich hab aber meine Sanitäter-Ausbildung gemacht und bin erwachsen geworden, so wie du es gesagt hast. Man, wir werden alt, wir gehen ganz schnell auf die 30 zu. Magst du jetzt deinen Wackelpudding?“, nahm er die Entschuldigung an.
„Nein, nimm ihn ruhig. Du stehst doch nicht noch immer noch auf dieses grüne Wabbelzeug“, flachste er und Finley nahm den Wackelpudding.
„Du hast ne süße Freundin. Wie hast du denn das geschafft?“ mampfte er Pudding und setzte sich neben ihn auf den Stuhl.
„Sie ist meine Kollegin. Was war das mit Grace?“ war Shawn neugierig.
„Was meinst du?“
„Du hast sie feuern lassen!“
„Sie hat Medikamente geklaut“, verteidigte sich Finley.
„Ganz sicher nicht für sich. Du weißt schon, dass ihre Mutter manisch depressiv ist?“
„Nein, das wusste ich nicht. Aber sie war doch immer so abwesend und müde!“ wurde Finley von seinem hohen Ross runtergeholt.
„Hast du eine psychisch kranke zu Hause? Da bekommst du nicht viel Schlaf“, erklärte Shawn und Finley sah ihn verwundert an.
„Hat deine Mutter auch Probleme?“
„Nein, Jorie. Wie wohnen zusammen wegen dem“, gestand Shawn und in dem Moment kam Jorie zur Tür rein.
„Geht ihn das was an?“ fragte sie ruhig und setzte sich wieder neben ihn.
„Nein, das tut mir leid, ich red‘ zu viel, muss wohl einen an den Kopf gekriegt haben. Und wie geht’s dir?“
„Dank dir wunderbar. Finley, ich danke Ihnen noch mal für unsere Rettung aus den Fluten. Grace will Sie sprechen“, scheuchte sie ihn weg.
„Ich komm‘ Morgen mal vorbei, dann können wir über deine Entlassung sprechen. Einen schönen Abend noch“, verschwand Finley mit dem Wackelpudding in der Hand.
„Man, der war schon auf der Highschool ein abgedrehter Kerl. Ich glaub nicht, dass ich ihm das fast erzählt habe. Das war kein guter Tag heute, glaub‘ ich“, erklärte Shawn und Jorie kuschelte sich an ihn.
„Da sagst du was. Warum hast du deine Mutter so angemacht?“, fragte sie und fuhr mit der Hand über sein Gesicht.
„Ich weiß nicht, sie hat mich einfach genervt heut‘. Ein scheiß Tag echt Hey. Wir sollten heimfahren“, schlug er vor.
„Aber nicht, bevor du mit deiner Mutter über das Thema gesprochen hast. Jetzt schla‘ erst mal“, legte sie sich zu ihm und kurz danach waren sie eingeschlafen.
„Superman! Hey, du kommst raus“, weckte Finley ihn am nächsten Morgen unsanft als er das Frühstückstablett auf den Tisch knallte.
„Den Preis „Pfleger des Jahres“ hast du wohl noch nie gewonnen, oder?“ murmelte Shawn und setzte sich auf.
„Ich arbeite dran. Wo ist deine Kleine?“ deckte er das Frühstück auf.
„Du hast mich grad‘ geweckt, woher soll ich das wissen?“
„Du spielst auch nicht grade den „Lehrer des Jahres“ mit deiner schlechten Laune. hast du Schmerzen?“ untersuchte er Shawns Rücken.
„Ja, etwas. Kann ich wirklich gehen?“
„Wenn du Schiss vor Mami hast, kannst du natürlich noch bleiben“, frotzelte Finley.
„Klinken putzen ist wohl dein Steckenpferd. Kann ich nach dem Frühstück abdüsen?“
„Du bist schon zu lang mit Zehntklässlern zusammen, das färbt ab. Hier, dein Kaffee“, kam Jorie vom Kaffeeautomaten zurück.
„Ich trink‘ keinen Kaffee!“
„Der ist auch für mich, Batman, dein Tee ist hier. Alte Gewohnheiten sind echt das Letzte, also wirklich“, nahm Finley seinen Kaffee.
„Touché. Kann ich hier raus, bevor du alle Superhelden an mir ausprobiert hast? Hast du mit Grace geredet?“
„Wir werden heut‘ beim Mittagessen darüber reden. Also ich muss jetzt wieder „abdüsen“. Bye“, ging er Kaffee trinkend aus der Tür.
„War das jetzt ein ja oder ein nein?“, rief er ihm hinterher.
„Ich hab‘ es dir doch gesagt, iss auf und dann verdufte“, streckte Finley den Kopf noch mal rein und ging dann auf der anderen Seite weiter.
„Oh man, ich mag Krankenhäuser nicht. Vor allem seit mein Dad in einem gestorben ist. Warst du die ganze Nacht hier?“, fragte Shawn, Jorie.
„Ich hab bei Grace geschlafen, wollt den Konflikt mit deiner Mum vermeiden. also was hat du da Schönes?“, sah sie sich sein Frühstück an.
„Sollen wir irgendwo was frühstücken gehen?“ stocherte er im Essen rum.
„Gute Idee. Komm zieh’ dich an, gehen wir“, klappte sie das Essen wieder zu und er zog sich an und folgte ihr.
An diesem Nachmittag schlenderten sie durch die Stadt. Es war matschig, aber das meiste Wasser war abgepumpt worden oder im Boden versickert. Es sah aus wie nach einem Erdbeben und Wirbelsturm. Häuser waren halb eingerissen, aber ein kleines Restaurant in der Nähe des Marktplatzes war wie durch ein Wunder von dem Wasser verschont geblieben. Sie sahen rein und da saßen tatsächlich Grace und Finley und die knutschten wild rum.
„Gratuliere, du hast das neue Traumpaar von Glasgow erschaffen. Ich glaub‘ unsre Arbeit ist hier getan, jetzt können wir fahren“, freute sich Jorie und klammerte sich an ihren Freund.
„Meine Mum ist manchmal so bockig“, fing er plötzlich wieder damit an.
„Sie will dich nur beschützen, wie es alle Mütter wollen, außer meiner vielleicht, aber das ist ne andere Geschichte“, verteidigte Jorie Mase.
„Du hast eine Mutter?“ fragte er überrascht.
„Ich bin wohl kaum wie Phoenix aus der Asche entstiegen“, verstand sie sein Kommentar nicht.
„Ja, natürlich hast du ne Mutter, wir haben nur nie über sie gesprochen“, murmelte er verlegen.
„Kann daran liegen, dass ich das nicht will. Frage damit beantwortet“, beendete sie das Gespräch über ihre Mutter.
„Ist deine Mutter jemand für den man sich schämen muss?“ fragte er als sie fast wieder zu Hause angekommen waren.
„Mit „ich will nicht darüber reden“ war eigentlich gemeint, ich will nicht darüber reden“, ließ sie nicht mit sich reden.
„Hattet ihr Streit?“ fragte er und schloss auf.
„Ist anzunehmen!“
„Muss ich dir jede Silbe aus der Nase ziehen oder was?“
„Wo wart ihr so lang?“, kam Mase aus der Küche.
„In der Stadt, Mum. Also was ist mit deiner Mutter?“
„Meine Mutter ist meine Mutter, ich hasse sie und mehr musst du nicht wissen“, ging sie die Treppe hoch.
„Wir wohnen zusammen und irgendwann werd‘ ich sie kennen lernen“, setzte er sich aufs Bett.
„Wohl kaum. Sie hat meinen Vater umgebracht, das heißt mir ihren ständigen Nörgeleien. Siehst du jetzt ein, warum ich nicht darüber reden will, das macht mich nur konfus“, bemerkte sie leicht verwirrt und ging ins Badezimmer.
„Dein Vater ist tot?“
„Wir sollten echt mehr Zeit außerhalb des Bettes verbringen“, kam sie wieder heraus. Sie hatte ihre Bluse ausgezogen.
„Dann würd‘ ich mich wieder anziehen“, schmunzelte er und sie lächelte.
„Du kleiner Schwerenöter. Ich mein das ernst. Was weißt du eigentlich von mir?“ zog sie ein T-Shirt an.
„Ich weiß, dass du die schönste und klügste Frau bist, die ich je getroffen haben“, bemerkte er und sie schüttelte den Kopf.
„Wie heißen meine Schwestern?“
„Du hast Schwestern?“
„Genau das mein‘ ich. Isabel und Adriana. Wie alt war ich, als ich einen Hund bekam?“
„Komm‘ schon hör‘ auf, wir kennen uns erst ein paar Wochen, wir werden das alles noch gemeinsam herausfinden“, war ihm das unangenehm.
„Dann kommen wir zurück zu dem Thema, dass ich nicht will, dass du meine Mutter kennen lernst. Meine Stiefmutter und Schwestern sind unerträglich, deshalb ha‘b ich in Charleston reiß aus genommen. ich will mit dir ein neues Leben anfangen, kannst du mir bitte den Gefallen tun?“
„Natürlich, ein neues Leben. Das will ich auch Baby, aber wie du sagst, ich muss auch was von deinem alten Leben erfahren!“, entschied er.
„Leih‘ dir Cinderella aus, dann weißt du es“, erwiderte sie schroff.
„Ach komm‘ schon, so schlimm war es wohl nicht“, erkannte er ungläubig.
„Doch, ganz ehrlich. Du bist der Prinz!“
„Das erklärt so einiges“, bemerkte er.
„Was soll das denn jetzt schon wieder heißen!“
„Hey, flippe nicht gleich aus, ich mein nur, wenn die Kindheit zu schlimm und mit zu vielen Einschränkungen ist, ist es verständlich, dass man im Unterbewussten seine Träume auslebst“, stellte er fest.
„Danke Dr. Freud“, war sie beleidigt.
„Hey, Kinder streitet ihr?“ mischte sich Mase ein.
„Nein!“
„Doch!“
„Tun wir nicht!“
„Ihr streitet grad‘ darüber, ob ihr streitet“, stellte Mase fest.
„Was willst du Mum?“
„Gar nichts, ich wollt‘ nur sagen, dass wir in einer halben Stunde essen“, erwiderte sie etwas wirsch.
„Danke Mum“, erkannte er etwas ruhiger und Mase ging weiter.
„Es ist okay, wir müssen nicht zu deiner Mutter gehen“, gab er nach.
„Danke, will ich auch nicht. Also, wir haben noch eine halbe Stunde, ich weiß wie wir die verbringen könnten“, schmunzelte sie und fuhr über seine Brust.
„Gute Idee“, stimmte er auch dem zu.
Am nächsten Mittag fuhren sie zum Flughafen. Als sie grad‘ zum Gate rein wollten rief jemand Shawns Namen.
„Shawn, warte. Wir wollten uns noch bedanken, dass du zwischen uns vermittelt hast“, erklärte Finley und holte tief Luft. Neben ihm keuchte Grace.
„Keine Ursache. Ihr seid ein tolles Paar. Ich wünsch euch alles Gute“, umarmte Jorie die beiden.
„Euch auch. Habt einen guten Flug“, verabschiedete Grace die beiden und sie sahen ihnen nach, bis sie im Flugzeug waren.
Müde kamen sie zu Hause an. In der Wohnung brannte Licht.
„Na wunderbar, die Brigade“, murmelte Shawn müde und schloss auf.
„Shawn, Hey ihr seid schon wieder zu Hause. Wie war das Wetter in Schottland?“ begrüßte Erica ihn stürmisch.
„Du hast nicht zufällig in den letzten Tagen die Nachrichten gesehen?“, fragte Shawn und Erica umarmte auch Jorie.
„Nein, ich bin gestern erst spät heimgekommen. Was war denn?“
„Ach nichts, wir sind nur fast abgesoffen“, bemerkte er leicht ironisch.
„Wie habt ihr denn das geschafft?“ fragte sie amüsiert.
„Lange Geschichte. Warum hast du davon nichts mitbekommen? Camelot ist doch so ein Nachrichtenfreak“, wunderte sich Shawn.
„Er ist nur ein Freak“, bemerkte sie mit Abscheu.
„Was ist passiert?“ fragte Jorie mit Augenrollen.
„Mr. Macho – Man dachte ihm gehören alle Frauen der Welt. Tja, ich nicht“, erklärte sie kurz.
„Was hast er gemacht“, wurde Shawn laut.
„Gar nichts, nicht nachdem ich ihn davon abgehalten hab. Männer sind echt solche Schweine. Jetzt ist er beleidigt. Er ist in Mailand geblieben, weiß Gott wann er wieder kommen will. Also ganz sicher nicht bei mir. Wenn ihr mich jetzt entschuldigt, ich muss mich auf meinen neuen Job vorbereiten. Ich werd’ anfangen, in der Bücherei zu arbeiten. Diese Rumjeterei macht mich noch wahnsinnig“, verzog sie sich in die Küche.
„Arbeiten? Hat sie wirklich arbeiten gesagt?“
„Sieht ganz so aus. Will sie jetzt hier bleiben?“
„Sieht ganz so aus. Ist das ein Problem für dich?“
„Nein, sie hatte ja das Problem. Solang‘ sie mich nicht rausekelt hab ich kein Problem mit ihr. Ich hab Bauchschmerzen, ich werd‘ ins Bett gehen“, küsste sie ihn und ging Richtung Schlafzimmer.
„Was schluckst du da?“, fragte Shawn, als Jorie in der Nacht noch mal aufstand.
„Frauensache“, sagte sie und legte sich zurück ins Bett.
„Verträgt sich das mit deinen anderen Pillen?“
„Ja, danke für deine Fürsorge, aber da tut es“, drehte sie sich zur anderen Seite.
„Ich will nur raus finden, warum deine Tabletten nicht wirken, entschuldige“, entschuldigte er sich.
„Wir werden einen Termin beim Arzt ausmachen, das haben wir im Flugzeug doch besprochen. Jetzt schlaf‘“, bat sie müde.
Shawn telefonierte viel am nächsten Tag. Erst rief er seine Mutter an, um zu sagen, dass sie gut angekommen waren, dann versuchte er den Arzt zu erreichen und dann noch Camelot.
„Ich hab’s versaut, Highlander. Total versaut. Sie wollte nicht, aber ich liebe sie doch so sehr“, entgegnete Camelot etwas melancholisch.
Shawn sah zu Erica, die am Tisch saß und ein Buch las.
„Nein, red keinen Mist, jetzt komm erst mal heim, das klärt sich auf. In einer Woche ist der erste Schultag. Erica hat nen Job, stell‘ dir das vor“, versuchte er ihn zu beruhigen.
„Das geht ihn gar nichts an“, murrte Erica vom Tisch aus.
„Komm heim, bitte“, bat Shawn.
„Werd‘ es versuchen. Bye“, legte er auf.
„Ihm geht es nicht gut“, legte Shawn das Telefon auf.
„Gut“, kommentierte sie die Aussage.
„Er ist dein Freund!“
„Nein, er ist dein Freund, von mir wird er nur geduldet, oder besser gesagt wurde. Jetzt ist Feierabend. Ich les‘ grad ein spannendes Buch, also könntest du?“ vergrub sie sich wieder in ihr Buch.
„Irgendwas anderes ist doch noch vorgefallen“, ließ er nicht locker.
„Du nervst mich, Bruderherz“, sah sie erneut auf.
„Ich kann nicht zwischen euch vermitteln, wenn ich nicht weiß was war“, entschied Shawn stur.
„Ich hab dich nicht darum gebeten. Jetzt such‘ dir jemanden anderen den du nerven kannst“, wurde sie barsch.
„Dumm bleibt dumm, da helfen keine Pillen. Ich geh’ jetzt in die Schule, bitte versuch‘ Jorie am Leben zu lassen, ja!“, bat er und nahm seine Jacke.
„Es ist noch eine Woche hin, bis die Schule anfängt“, wurde sie hellhörig.
„Stell‘ dir vor, Lehrer müssen auch in den Ferien arbeiten. Ich wrrd‘ die Requisiten für meinen Unterricht über das Mittelalter putzen und meinen Schreibtisch aufräumen. Bleib‘ lieb ja. Bis später“, erkannte er und zog seine Jacke an.
„Shawn, warte hast du den Arzt erreicht?“ kam Jorie aus dem Schlafzimmer.
„Nein, willst du mitfahren und vorbeigehen?“
„Ja, das sollt ich machen. Soll ich dir was mitbringen, Erica?“ war sie seltsam gut gestimmt.
„Ich könnt Marker brauchen …“, murrte sie.
Shawn sah sie bös an.
„ … bitte“, hängte sie mit aufgesetztem Lächeln an ihren Satz dran.
„Ich werd‘ gucken ob ich was finde. Adios“, nahm sie Shawns Hand und sie gingen raus.
„Irgendwas ist da passiert, ich komm‘ aber nicht gegen ihre Mauer an“, erklärte Shawn, als er ihr die Tür aufhielt.
„Ich werd’ mit ihr reden, von Frau zu Frau, kommt ihr bestimmt blöd vor, mit ihrem Bruder darüber zu reden“, schlug Jorie vor und Shawn nickte.
„Du hast sicher Recht, vermutlich so ne Frauensache. Apropos, weißt du wie das Medikament heißt, wenn er dich danach fragt?“, wollte Shawn wissen und Jorie setzte ihr „Frag bitte nicht mehr“ Gesicht auf und Shawn stieg schweigend ein.
Shawn setzte Jorie vor der Praxis ab. Er war froh, dass es ihr besser ging. Sie wirkte fröhlich und ausgelassen. Der Urlaub schien ihr gut getan zu haben.
„Wenn der glaubt, dass ich zum Arzt gehe, dann hat er sich aber gewaltig geschnitten“, zog sie ihre Bluse und Hose aus unter dem sie ein scharfes Kleid trug und ging zur Bushaltestation.
Als Shawn zu dem abgemachten Zeitpunkt zurückkam, war sie nicht da. Er suchte einen Parkplatz und ging in die Praxis rein.
„Entschuldigen Sie Miss, ich suche meine Freundin, groß, blond Majorie Janson, wir waren vor ein paar Wochen zusammen hier. Haben Sie sieh gesehen?“, fragte er die Sprechstundenhilfe.
„Einen Moment. Nein, die war nicht hier. Hatte sie einen Termin?“
„Nein, eigentlich nicht, sie wollte den Arzt nur was fragen. Danke“, konterte er verwirrt und ging wieder raus.
Als er fast im Auto war, klingelte sein Handy.
„Hey Highlander, rat‘ mal wer mir grad‘ in die Arme gelaufen ist“, erwiderte Camelot und Shawn schloss die Augen. Er wusste die Antwort schon.
„Wo bist du?“
„Mulligans. Ich hatte Unrecht, so schlecht ist die Kneipe gar nicht. Vor allem die Gesellschaft“, erwiderte Camelot, der angetrunken schien.
„Ich komm‘ hin, warte dort“, bat Shawn und düste los.
Laute Musik tönte aus dem Mulligans. Shawn stieß die Tür auf. Camelot war nicht zu übersehen. Er hatte an jedem Arm eine Frau und stieß lautstark auf irgendwas an.
„Also, wo ist sie?“ kam er zu ihm.
„Von wem redest du?“ fragte er betrunken.
„Jorie, du hast doch gesagt, sie wär bei dir“, erkannte Shawn genervt.
„Nein, hab‘ ich nicht gesagt. Ich meinte Daniel, der sitzt da hinten. Er ist tatsächlich bei der Konkurrenz, stark nicht“, erklärte er und Shawn setzte sich ihm gegenüber.
„Wo ist dann bitte Jorie?“
„Ich hab keinen blassen Schimmer, sie ist deine Freundin. Willst du was trinken?“
„Ich hab doch grad‘ mit dir telefoniert, ich dachte du wärst noch in Mailand!“
„Ich hab dich verarscht, Highlander. Bin schon seit gestern Abend zu Hause. Hast du deine Freundin wieder verloren?“ war er sichtlich amüsiert.
„Du kommst jetzt mit nach Hause, basta. Los“, zog er ihn hoch.
„Hey, ich bin in Begleitung, das siehst du doch“, lallte er, doch Shawn hatte ihn schon am Nacken nach draußen gezogen.
„Deine Probleme in Alkohol zu ertränken, das ist doch eigentlich nur mein Ding. Komm‘, ich fahr‘ dich heim“, hielt er ihm eine Standpauke, drückte ihn in den Wagen und fuhr Richtung Camelots Wohnung.
Überall in der Wohnung lagen Ericas Sachen verstreut. Sie musste hektisch ihre Sachen zusammen gepackt haben.
„Sie wusste, dass du kommen würdest“, stellte Shawn fest und machte sich eine Bahn zum Laufen frei.
„Wo ist sie denn?“, wurde Camelot plötzlich wieder traurig.
„Sie ist bei mir, was auch immer bei euch vorgefallen ist, sie ist verdammt stinkig“, erkannte Shawn und lud ihn auf dem Sofa ab.
„Ich hab sie doch nur geküsst, einen kleinen unschuldigen Kuss“, murmelte er und legte sich zur Seite.
„Das ist alles, deshalb ist sie so stinkig?“
„Keine Ahnung, versteht einer die Frauen. Sie hat so was in der Art von „so etwas intimes werd’ ich nie wieder mit dir teilen“ von sich gegeben und ist dann in ein Hotel gezogen. Seit dem hab‘ ich sie nicht mehr gesehen. Man, es ist etwas seltsam mir dir darüber zu reden. Ich sollte zu ihr gehen und mit ihr darüber reden“, entschied er und versuchte aufzustehen.
„Von wegen, du schläfst dich erst mal aus, ich werd’ mit ihr reden, wenn ich meine Freundin gefunden habe. Gib mir deine Autoschlüssel“, bat er und bekam sie.
Shawn fuhr erst mal nach Hause.
„Hey, da bist du ja endlich, wo ist Jorie?“ fragte Erica neugierig.
„Keine Ahnung, hat sie angerufen?“
„Nein, war sie nicht mit dir unterwegs?“
„Schon. Ich sollte sie abholen. Ich fürchte sie ist nicht mehr ganz sie selbst“, setzte er sich auf den Stuhl neben die Tür.
„Nicht schon wieder. Ich werd’ sie suchen gehen“, nahm sie ihren Mantel.
„Wir suchen sie beide, ich hab nur keine Ahnung wo wir anfangen sollen“, bemerkte er und stand wieder auf.
„Also ich würde bei ihrer Familie suchen“, schlug sie vor.
„Wie kommst du plötzlich da drauf?“
„Also ich würde zu meiner Familie gehen“, konterte sie und lächelte.
„Warum schaffst du dann nicht mal beim Mum anzurufen?“, warf er ein.
„Das tut hier nichts zur Sache!“
„Ich denke doch!“
„Hast du die Nummer ihrer Mutter?“
„Nein, ich müsste sie raussuchen“, erkannte er.
„Dann tu das“, bat sie und er griff zum Laptop.
„Ich hab sie gefunden“, rief er plötzlich als er etwas gesucht hatte.
„Dann ruf‘ sie an“, forderte Erica und er tat dies.
„Mrs. Janson, Sie kennen mich nicht, ich bin Shawn Fitzpatrick, ein Bekannter Ihrer Tochter. Ist Sie bei Ihnen?“ fragte Shawn höflich.
„Sie müssen sich schon genauer ausdrücken Junge, ich hab‘ drei Töchter“, antwortete sie leicht arrogant.
„Majorie!“
„Sie ist grade erst gelandet, woher wissen Sie das sie hier ist?“
„Gut geraten. Kann ich sie bitte sprechen?“
„Sie schläft. Versuchen Sie es morgen noch ein Mal. Auf wieder sehen“, legte Jories Mutter einfach wieder auf.
„Ziege“, fluchte Shawn und knallte den Hörer auf die Ladestation.
„Ist sie da?“ kam Erica zu ihm.
„Ja, sie schläft schon. Komisch, es ist erst kurz nach 6 Uhr. Zumindest wissen wir wo sie ist. Layla hat sie ausgerechnet in die Höhle des Löwen gebracht. Versteht einer diese Frau. Apropos Frauen, sollen wir nicht mal über die Sache mit Artie reden?“
„Nein!“
„Komm schon, ich bin dein Bruder, du kannst mir alles sagen“, bat er und legte den Arm auf ihre Schulter.
„Guter Versuch, klappt aber nicht. Ich werde heute Abend ausgehen, ich muss mich noch schön machen“, löste sie sich und ging Richtung Badezimmer.
„Du bist doch schön genug, Schwesterherz“, rief er ihr hinterher.
„Gib es auf Brüderchen, ich sag’s dir nicht“, veralberte sie ihn und schloss sich im Badezimmer ein.
Shawn rief gleich nach dem Frühstück am nächsten Morgen wieder bei Jorie an.
„Sie schläft noch“, bemerkte ihre Mutter wieder schroff.
„Es ist fast 11 Uhr und sie ist Frühaufsteherin. Ich will sie sofort sprechen“, kam es ihm wie eine dumme Ausrede vor.
„Sie möchte nicht mit Ihnen sprechen“, redete sich ihre Mutter raus.
„Das glaub ich Ihnen nicht. Holen Sie, sie ans Telefon“, wiederholte er langsamer aber intensiver.
„Meinetwegen, ist Ihr Problem wenn sie stinkig wird. Warten Sie nen Moment“, grummelte ihre Mum und er wartete.
„Shawn, Gott sei Dank, hol‘ mich hier raus“, schien Jorie total aufgelöst zu sein.
„Baby, ganz ruhig ich werde kommen. Wo wohnt deine Mutter?“ versuchte er sie zu beruhigen.
„17 Miller Road in Charleston. Ich weiß nicht, sie wird dich nicht rein lassen. Ich weiß nicht, was mit ihr los ist, sie hat mich eingesperrt“, erkannte sie und dann verstummte sie plötzlich.
„Gut, Sie haben sie gehört. Bye“, sagte ihre Mutter bloß und dann wurde das Telefonat unterbrochen.
„Eins sag ich dir, bei unserer Hochzeit brauch ich unbedingt heiße Schuhe, denn die Hexe muss brennen“, murmelte Shawn und legte wieder auf.
„Was grummelst du da?“ fragte Erica die grade aus dem Badezimmer kam.
„Ich flieg nach Charleston, kommst du mit?“
„Warum nicht, lass mich ein paar Sachen packen“, stimmte sie prompt zu.
„Wow, du musst es echt nicht aushalten können, hier zu sein, wenn du da mitmachst. Pack‘ schwarze Klamotten ein, wir stürmen eine Villa“, war er erfreut einen Gehilfen zu haben.
„Wir könnten auch noch jemanden gebrauchen, der die Ladies im Haus etwas ablenkt. Wir sollten Artie mitnehmen“, schlug Shawn vor, als er seine Sachen packte.
„Du gibst nicht auf, oder?“ entgegnete sie leicht gereizt.
„Das war nur ein Vorschlag“, erkannte er und sie rollte mit den Augen.
„Aber du rufst ihn an“, gab sie nach.
„Darf ich mich über dich lustig machen?“ fragte Shawn vorsichtig.
„Wenn du ohne Kopf deine Heißgeliebte Freundin retten willst schon“, drohte sie ihm.
„Okay, später. Bist zu fertig?“ zog er seinen Rucksack zu.
„Wir laden Artie einfach auf dem Weg zum Flughafen ein, richtig?“
„Hey, wenn ich Entführ-Profi werden will, muss ich vorher doch üben. Wird nicht schwer sein, so voll wie der gestern war, leistet der wenig Gegenwehr. Fahren wir“, entgegnete er und öffnete die Tür.
„Wir nehmen aber deinen Wagen, der reihert mich nicht auf meine Ledersitze“, entschied sie.
„Wie du meinst“, hatte er nichts dagegen.
Als sie grade die Hälfte der Fahrt herum hatten, klingelte Shawns Handy. Erica ging dran.
„Finn, ich glaub es nicht, warum rufst du an?“ freute sich Erica die Stimme ihres Ex-Freundes zu hören.
„Shawn, du willst Shawn sprechen. Das ist grad‘ etwas blöd, er fährt grad‘ Auto. Man Shawn warum hast du keine Freisprechanlage?“, suchte sie auf dem Armaturenbrett genau diese.
„Weil ich kein Supermodel bin und mir das leisten kann“, entgegnete er.
„Er sagt, du könntest es aber gut sein. Warte mal Finn ich halt es ihm ans Ohr“, erwiderte Erica und tat dies.
„Halt mal an Shawn, das könnte wichtig sein“, bat Finn und die Reifen quietschten.
„Gut, also hör gut zu. Du hast mir doch erzählt, dass Jorie schizophren ist“, begann Finn.
„Ja und?“
„Ich fand das etwas komisch, ich hab meine Ausbildung in einer Nervenklinik gemacht, da hatte ich jeden Tag mit solchen Leuten zu tun und sie ist ganz sicher nicht so. Also ich komm auf den Punkt, deine Mum hat Grace die Tabletten gegeben, die sie bei euch im Gästezimmer gefunden hat. Die waren irgendwie gegen Krämpfe oder so, aber wie auch immer Grace hat sie genommen, ich sag dir ich hatte den besten Sex meines Lebens, nur nicht mit Grace wenn du verstehst was ich meine. Gracey ist das natürlich verdammt peinlich, aber wir haben die Medikamente untersuchen lassen. Das sind Tabletten die LSD ähneln und Wahnvorstellungen und in seltenen Fällen Schizophrenie auslöst. Jorie muss die sofort absetzen. Wer auch immer die ihr verschrieben hat, gehört die Lizenz entzogen, das sag‘ ich dir. Grace würde gern mit Jorie sprechen, wenn das ginge“, erklärte Finn und Shawn wurde bleich.
„Das geht grad‘ nicht so gut, sie hat sich zu ihrer Mutter verzogen. Ich fahr‘ grad zum Flughafen. Danke für den Anruf, das erklärt so einiges“, legte er wieder auf.
„Was hat er gesagt, Shawn, was ist los?“ fragte Erica erschreckt über seine fahle Hautfarbe.
„Kannst du bitte fahren, dann erzähl‘ ich es dir“, stieg er aus und sie nickte.
„Okay, ich werd’ ihn holen gehen, ich bring‘ dir nen Whiskey oder so mit. Du siehst ja aus wie ne Leiche“, stieg sie aus um Camelot zu holen.
„Denk‘ nicht mal, dass das ein Akt der Versöhnung sein soll. Ich bin da um dich zu entführen. Pack‘ deinen Rucksack, wir fliegen in einer halben Stunde“, schmetterte sie ihm entgegen.
„Wo geht’s hin, Vegas?“
„Tu es einfach, bitte“, bat sie genervt und er tat es.
„Ich denk‘ mir grad‘ einen Plan aus, kannst du mir helfen?“, lehnte sich Erica im Flieger nach vorne zu Shawns Sitz.
„Du genießt das ja richtig“, stellte sie fest.
„Ja, noch mal so richtig auf den Putz hauen, bevor es vorbei ist. Und dass du dich das traust, ist besonders schön. Also was hältst du davon?“, gab sie ihm einen Block.
„Das ist unheimlich gut. Das könnte klappen. Ist unser Romeo damit einverstanden?“ fragte Shawn und in dem Moment sprang die Toilettentür auf und ein ziemlich zerwühlter Camelot kam heraus.
„Romeo hat grad andere Probleme. Ich weise ihn ein, sobald er geduscht hat. Traust du dir das zu?“, rutschte sie an die Fensterseite, dass Camelot sitzen konnte.
„Du hast grad gesagt, dass ich mich das traue, also werd’ ich das auch tun. Alles klar bei dir, Cam?“ sah er seinem Kumpel zu, wie er sich wieder hinsetzte.
„Alkohol und Fliegen verträgt sich überhaupt nicht. Das macht die ganzen Erinnerungen an flotte Nummern in Flugzeugen zunichte. Mehr sag‘ ich dazu nicht“, brummelte er und vergrub sich in einer Ausgabe des Penthouse-Magazins.
„Danke, für die nette Beschreibung“, ekelte sich Erica und machte sich weiter an ihren Plan.
Es wurde schon dunkel, als sie endlich in Charleston landeten.
„Okay, Cam geh’ duschen, wir müssen das heut‘ Nacht machen, ich will nichts riskieren. Erica, du holst das Fleisch und kaufst dir irgendeinen scharfen Fummel, ich werd’ meine Kletterausrüstung noch mal prüfen. Wir schlagen in genau einer Stunde zu“, plante Shawn, als sie im Hotel waren.
„Bist du sicher, dass du dir bei deinen Aktionen nicht irgendwelche Knochen brichst?“ erkannte Camelot als Erica gegangen war.
„Dafür gibt es doch Plan B. Bist du nüchtern genug für Plan B?“
„Kommt darauf an, was Plan B ist?“
„Hier, lies den Plan noch mal durch. Und dann dusch‘ dich endlich du stinkst wie ein Iltis“, bat er und er ging ins Badezimmer.
Pünktlich 22 Uhr standen alle an ihren Ausgangspunkten und waren sichtlich nervös.
„Okay, ihr wisst was zu tun ist“, verkroch sich Shawn in seinem Busch.
„Natürlich, ich bin Profi“, entgegnete Erica und begann ihren Catwalk vor dem Tor.
Es verging keine Minute bis ihr das Tor aufgemacht wurde.
Ein Mann ganz in Schwarz kam heraus.
„Hey Süße, kann ich irgendwie helfen?“, flirtete der Typ mit Erica.
„Ja, das können Sie. Können Sie Isabel sagen, dass ich jetzt hier bin?“, flirtete Erica heftig mit ihm und drehte ihn dabei so, dass Shawn und Arturo rein kamen.
„Ich werd’ das gleich checken“, erkannte der Typ grinsend.
„Sagen Sie mal, trainieren Sie eigentlich“, lenkte Erica ihn von seiner Aufgabe ab.
„Miss Isabel erwartet Sie nicht“, wurde der Typ schroff.
„Das ist ja mal wieder typisch, da hat sie mal zwei Wochen keinen Freier und schon hält sie sich für was Besseres. Also echt“, wütete Erica und wurde von dem Typen rausgeschmissen.
„Shawn, bist du drin?“ sprach sie mit dem Walkie Talkie.
„Bin ich. Das war ja verdammt fies“, entgegnete Shawn zurück.
„Das war ich Jorie schuldig. Wie sieht’s mit Cam‘ aus?“
„Er sieht scharf aus, in der UPS-Uniform. Er sieht nicht sehr glücklich aus“, schmunzelte Shawn.
„Er wird dich dafür töten“, erkannte sie.
„Wenn wir das hier hinter uns haben, müssen wir echt mal über euren kleinen Clinch reden“, entschied sie und sie unterbrach den Kontakt.
Shawn warf seinen Haken aus und kletterte die Hauswand hoch. In dem Moment fingen die Hunde an zu bellen. Er schmiss das Fleisch herunter und wie geplant wurden die Hunde damit abgelenkt.
Keuchend kam er oben an und ließ sich auf den Balkon fallen.
Er hatte Glück, dass die Tür offen stand.
„Man, ist dieses Haus groß“, murmelte er und ging durchs Haus.
„Jorie“, flüsterte er und überlegte, welche Tür ihre sein könnte.
„Wo zum Henker bist du?“, grummelte er und wollte schon fast aufgeben, als ihm jemand von hinten auf die Schulter tippte.
„Stör‘ ich?“, bemerkte eine bekannte Stimme.
„Jorie, Gott sei Dank, du hast mich gehört“, umarmte er sie.
„Nein, ich hab Cam‘ da unten gesehen, da dachte ich schon, ihr plant so was. Was wird das, habt ihr beiden zu viele Actionfilme gesehen?“
„Du wolltest doch, dass ich dich hier raushole. Das mach‘ ich hiermit“, stellte er klar.
„Du bist doch wahnsinnig“, schmunzelte sie.
„Ja, wahnsinnig verliebt. Jetzt komm‘“, nahm er ihre Hand und zog sie zum Balkon.
„Du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass ich da runter kletterte“, ziemte sie sich wieder runter zu klettern.
„Du kannst auch springen“, schlug er vor und schon war sie am Seil und kletterte herunter.
„Okay, das hat wehgetan, nächstes Mal warnst du mir vor, dann kann ich ne Hose anziehen. Also wie kommen wir hier raus“, rieb sie ihre Beine.
„Ups!“
„Schätzchen, mir gefällt dieses Ups nicht“, zog sie ihre mitgebrachten Sachen an.
„Ich wusste doch, dass Ericas Plan eine Haken hat“, entschuldigte sich Shawn.
„Das ist nicht gut“, machte sie ihre Jacke zu.
„Plan B!“
„Plan B?“
„Vertrau‘ mir“, schmunzelte er und sagte es Camelot durch.
„Okay, mach‘ dich bereit zu rennen“, bat er und sie schlichen Richtung Ausgang.
„Was ist Plan B?“ flüsterte sie.
In dem Moment flitzte Camelot einige Malr splitterfasernackt am Tor vorbei, bis es aufging.
„Renn“, brüllte er und draußen waren sie.
„Du bist mir so viele Biere schuldig, dass du dich bis an dein Lebensende verschuldest“, stellte Camelot klar, während er sich wieder anzog.
„Geht klar. Jetzt lauf‘“, bat Shawn und sie rannten den ganzen Weg bis zum Hotel.
„Man, mein Herz klopft wie wild. Das müssen wir unbedingt wiederholen“, erkannte Shawn keuchend und zog Jorie ins Zimmer.
Dann knallte die Tür und Erica und Camelot standen noch draußen.
„Die können doch nicht einfach“, prustete Erica.
„Und ob die können. Sollen wir was essen gehen?“
„Bleibt uns wohl kaum noch was anderes übrig. Chinesisch?“
„Klingt gut, gehen wir“, bemerkte er und sie gingen runter.
Nach dem Essen schlenderten sich noch an der Bay herum, einfach um den Verliebten ihre Zeit zu geben. Es war alles sehr romantisch. Arturo warf ihr Blicke zu, die sie aber nur Augen rollend abschmetterte.
Dann blieb er plötzlich stehen.
„Na, kannst du nicht mehr?“, frotzelte sie und er sah sie mit seinem einem sehr verführerischen Blick an.
„Pack‘ das mal weg Don Juan, ich hab dir verziehen, mit dir in die Kiste steig‘ ich aber nicht … mehr. Du hattest mich Sweetie, du hast mich aber verloren. So einfach ist das. War trotzdem ein schöner Abend, den wir wiederholen können, als Freunde versteht sich. Man, es ist fast Mitternacht, glaubst du, die sind bald fertig da oben?“, sah sie nach oben um seinen Blicken auszuweichen.
„Also ich wär‘ es schon 1 Stunde und 12 Minuten“, gestand er.
„Ja, ich weiß viel heiße Luft. Wie viele Frauen hast du eigentlich gehabt?“, fragte sie neugierig.
„13, hey guck mich nicht so an, so viele waren es nicht. Das dumme Alphabet hab ich mir ausgedacht, weil es zufällig etwas gepasst hat. Du hast sicher gedacht, mir wär‘ entfallen wie es bei uns war, ist es aber nicht. Die guten Male vergesse ich nicht“, erklärte er in einem verführerischen Ton und strich ihr über das Gesicht.
„Pfoten weg Meister, schon vergessen“, ließ sie das zwar nicht völlig kalt, aber trotzdem quetschte er seine Hand zwischen ihrem Rücken und dem Geländer ein.
„Glaubst du, das ist eine Bestrafung für mich?“, säuselte er und sie lächelte. Aber gerade als sie ihm näher rückte um ihn zu küssen, wurde ihr speiübel und sie übergab sich über dem Geländer.
„Man, das ist mir noch nie passiert, außer bei einer die war allergisch auf Latex“, entgegnete er und sie löste sich von ihm.
„Ach und ich dachte, es wäre das chinesische Essen“, ging sie weiter.
„Tut mir leid, Erica warte. Ich red‘ schneller als ich denke. Erica komm‘ schon, ich will dir helfen“, lief er ihr hinterher und passte sie am Eingang zum Hotel ab.
„Warum tust du das? Du sagst so was Tolles und dann im nächsten Moment bist du wieder der Alte. Man, ist mir schlecht“, stütze sie sich ans Treppengeländer.
„Komm‘ in meine Arme“, sagte er sanft und nahm sie auf die Arme und trug sie zum Fahrstuhl.
„Macht auf“, klopfte Erica auf Camelots Armen gegen die Tür.
„Da seid ihr ja endlich. Was zum Henker wird das?“, ließ Shawn sie rein und Camelot ließ Erica neben Jorie auf das große Hotelbett fallen.
„Schlaf‘ dich aus Schätzchen, ich werd’ gucken, ob wir noch zwei Einzelbetten kriegen. Shawn kommst du?“ erkannte Arturo und ging wieder Richtung Tür.
„Will ich das heut‘ noch wissen?“, rieb sich Shawn die Augen.
„Eher nicht. Jetzt komm‘“, wiederholte Arturo und Shawn folgte ihm im Bademantel etwas unsicher.
Früh am nächsten Morgen ging’s zum Flughafen. Gerade als sich Jorie ein Rückflugticket kaufte, traten eine Gruppe Uniformierte ein.
„Shawn, wir bekommen Gesellschaft“, erkannte Arturo und setzte seine New York Yankees Kappe auf.
„Jorie, beeil dich bitte“, flüsterte Shawn ihr nervös zu und tat dasselbe.
„Was gibt’s?“ kapierte sie nicht.
„Die Kavallerie nimm‘ dein Ticket und komm“, zog er an ihrer Tasche.
„Man, ich komm in diesem Urlaub wohl nicht zur Ruhe, oder?“, murrte sie und nahm seine Hand.
Wieder waren sie außer Atem als sie einen Fluchtweg ergriffen hatten und im Flugzeug saßen.
„Irgendwie ist das schon aufregend. Wir flüchten vor der Polizei, vor einem halben Jahr hatte ich noch die Sorge, dass mein Lehrergehalt vielleicht nicht meine Rente absichern könnte. Ich liebe mein Leben“, ließ Shawn sich auf den Sitz fallen.
„Das nächste Mal probier‘ es mit Bungeejumping, ja“, setzte sich Erica neben ihn.
„Oder Fallschirmspringen, soll auch aufregend sein. Also sprechen wir jetzt über mein Freibier bei Mulligans?“ war auch Arturo an seinem Platz.
„Gibt es einen Grund, wieso ihr nicht gleich ein Rückflugticket für mich gekauft habt?“, meldete sich Jorie von hinten.
„Das wär‘ ja gar nicht auffällig gewesen. Vielleicht tauscht Erica mit dir“, bemerkte Arturo und diese sah ihn kritisch an.
„Bin schon weg“, tauschte Arturo mit Shawn den Platz.
Als sie grad‘ in der Luft waren, kam ein Mann in zivil auf Arturo zu.
„Wo ist sie?“ fragte der Mann unfreundlich.
„Sie reden wohl kaum von meiner Unschuld, da müssen sie Karen Jenkins aus der 10. Klasse fragen, die kann Ihnen da weiter helfen“, sah Arturo von seinem Penthouse-Magazin auf, an dem er immer noch las.
„Ich bin nicht für Scherze aufgelegt. Wo ist Majorie Janson?“, fragte der Kerl und sprach den Namen deutlich und langsam aus.
„Ich bin zwar Ausländer, verstehen tu‘ ich Sie aber einwandfrei“, widmete er sich wieder seiner schlüpfrigen Lektüre.
„Sie sitzen auf Ihrem Sitz“, verlor er langsam die Geduld.
„Seh’ ich aus wie eine Frau? Das ist aber nicht höflich“, hatte Arturo sichtlich Spaß.
„Sir, ich bin von der Flugsicherheit und suche diese Frau, haben Sie, sie gesehen?“, fragte der Kerl gespielt höflich und zeigte ihm ein Bild von Jorie.
„Wenn ich diese Lady gesehen hätte, hätt ich sie längst auf der Flugzeugtoilette vernascht und hätte nicht dieses Heftchen nötig, wenn sie verstehen was ich meine“, ließ er sich nicht beirren.
„Hat diese Frau Sie darum gebeten ihre Plätze zu tauschen?“
„Hören Sie zu, Aushilfs-Sheriff ich hab auf einer der besten Colleges dieses Landes mit einem wirkliche guten Abschluss abgeschlossen, also halten Sie mich nicht für blöd“, bat Arturo um ihn zu verscheuchen.
„Dann entschuldigen Sie die Störung, Sir“, ging er weiter.
„Man, das war verdammt knapp“, kam Jorie aus der Toilette und Shawn hinter ihr her.
„Und dabei hab ich ihn noch drauf hingewiesen“, schmunzelte Arturo und ging zu seinem Platz zurück.
Shawn ging ein paar Sitze zurück wo ein älterer Mann allein saß.
„Sir, wären Sie so lieb und tauschen mit uns die Plätze, meine Freundin würde so gern raus sehen, aber wir sitzen leider am Flügel“, fragte Shawn ganz höflich mit britischem Akzent.
„Sicher. junger Mann eine schöne Reise noch“, setzte sich der Mann auf ihre Plätze.
Als der Sicherheitsmann zurückkam blieb er vor Arturo und Erica stehen.
„Warum sitzen Sie jetzt hier?“, war er jetzt total verwirrt.
„Von was reden Sie?“ sah er Erica an.
„Keine Ahnung, Honey, von was redet der Kerl da?“ spielte Erica mit.
„Ich weiß zwar nicht, was ihr vor sich geht, aber ich werd’ es raus finden“, konterte der Kerl und ging wieder weiter.
„Man, der nervt echt. Wie lang fliegen wir noch?“ fragte Arturo und Erica sah auf die Uhr.
„20 Minuten. Glaubst du, der kommt noch mal wieder?“, wollte Erica wissen.
„Wenn du noch einmal mitspielst, können wir das auch regeln!“ entschied er und grinste sie an.
„Ich glaub‘ ich brauch‘ jetzt Urlaub“, wischte Erica ihren Mund sauber.
„Ich fand‘ es irgendwie erholsam“, wischte sich Arturo den Lippenstift vom Mund.
„Kann es sein, dass wir da vorne was verpasst haben?“ mischte sich Jorie ein.
„Nein!“, schmunzelten die beiden und Arturo legte den Arm um Erica als sie hinausgingen.
„Du hast das geplant, oder?“ nahm Jorie Shawns Hand.
„Ich hab keine Ahnung von was du da redest!“
„Also ich find‘ es gut. Komm lass‘ uns heimfahren“, erwiderte sie und sie gingen den Frischverliebten hinterher.
Eine Woche später war die ganze Aufregung schon verflogen und der Alltag kehrte wieder ein. Es wurde Herbst und die Schule begann wieder.
Von der Polizei oder ähnliches hatten sie nichts mehr gehört, wie es aussah hatten sie sie ausgetrickst. Als Shawn aber an einem Nachmittag in der Schulbibliothek vorbei sah, erlebte er sein blaues Wunder. Seine Schwester stand in einer Uniform mit einem Namenschild vor ihm. Sie schien eindeutig an der Schule zu arbeiten.
„Wie hast du denn das geschafft?“, fragte er eine ganz bekannte Person und die drehte sich zu ihm um.
„Sagen wir es so, ich kenn hier so ein paar Leute die mir geholfen haben rein zu kommen“, schmunzelte Erica, die Bücher in der Hand hielt.
„Warum ausgerechnet hier? Es gibt noch fünf weitere Bibliotheken hier“, erkannte er leicht genervt.
„Die hat mir am besten gefallen. Es macht dir doch nichts aus, oder?“, fragte sie amüsiert.
„Nicht wenn du mir die zwei Ausgaben der Buren-Kriege rüber wachsen lässt“, lehnte er sich über den Tresen zu ihr.
„Miss Fitzpatrick, keine Flirtversuche bei der Arbeit, bitte“, ermahnte sie der Bibliothekar.
„Sir, das ist mein Bruder“, erklärte sie.
„Ist mir egal was Sie in Ihrer Freizeit machen. Sie müssen die Bücher im Obergeschoss noch sortieren, also los“, kam er mit den Büchern in der Hand die Shawn wollte, zu ihr hin.
„Bin schon weg, Sir“, erwiderte sie freundlich und huschte davon.
„Wie haben Sie denn das geschafft?“, fragte er verwundert.
„Was meinen sie, die Bücher vom Schrank hier her zu tragen?“
„Nein, dass meine Schwester tut was man von ihr will“, entgegnete Shawn und gab seinen Ausweis hin.
Beim Mittagessen saßen alle vier zusammen an einem Tisch.
„Das hat ein bisschen was von einer Freak-Show findet ihr nicht auch?“, stellte Shawn fest und stocherte in seinem Essen herum.
„Schon irgendwie. Wir gewöhnen uns daran. Hoff‘ ich“, fügte Arturo hinzu.
„Danke, darf ich jetzt beleidigt sein?“, murrte Erica in ihre Milch.
„Ich find es schön meine zukünftige Schwägerin auch bei der Arbeit zu sehen“, konterte Jorie und Erica pustete vor Schreck in ihre Milch, so dass sie in hohem Bogen über den ganzen Tisch spritzte.
„Danke, jetzt ist meine Vorbereitung für die nächste Stunde voller Milch“, wischte Shawn über seine Blätter die er neben sich hatte.
„Ihr wollt heiraten?“ war auch Arturo davon überrascht.
„Ja, im Frühling, haben wir euch das nicht erzählt?“ fragte Shawn, als wär das nichts Besonderes.
„Wenn ich es gewusst hätte, hätte ich schon längst eine Rohfassung meiner Trauzeugen-Rede im Kopf. Ich werd’ doch dein Trauzeuge!“
„Klar, sicher du bist doch mein bester Freund und mein einziger Freund, was es eigentlich zu nichts mehr besonderem macht“, versprach er und Arturo sah ihn etwas unschlüssig an.
„Ich bin nicht ganz sicher ob mich das glücklich machen soll, oder ob ich Mitleid mit dir haben sollte. Ich sag vorsichtshalber mal danke“, erwiderte er und man sah genau wie es in seinem Kopf vor lauter Denken rumorte.
„Werd’ ich Brautjungfer?“ wollte Erica wissen.
„Nein!“
„Nein?“
„Du wirst meine Trauzeugin, ich kann dich wohl nicht mit beiden Posten besetzen, oder wie siehst du das?“
„Das ist toll, wirklich Wahnsinn“, freute sich Erica.
„Herzlichen Glückwunsch zu wünschen ist wohl aus der Mode wie es aussieht. Vermutlich werden wir am 13. Februar heiraten“, erklärte Shawn und wieder sah er zwei verdutzte Gesichter.
„Wieso ausgerechnet der 13. Februar?“
„Genau deswegen. Weil alle denken, es wäre ein Druckfehler und bei uns anrufen und dann wissen wir genau wer kommen wird“, erklärte Jorie weiter.
„Ihr kommt nicht viel zum schlafen, wenn ihr euch diesen Mist ausdenkt, oder?“
„Du bist echt so ein Depp“, entschied Shawn und stellte sein Tablett zur Seite.
„Also ich find die Idee genial, ihr könntet dann ja auch um Mitternacht heiraten dann ist es ja schon Valentinstag“, fand das Erica furchtbar romantisch.
„Schatz, du hast grad deine Hochzeitplanerin gefunden“, erwiderte Shawn rechthaberisch.
„Du denkst wohl kaum dass mich das ärgert“, grinste Erica und sofort begannen die Frauen mit der Planung der Hochzeit.
Die nächsten Tage war Erica oft bei Shawn. Jorie und sie verbrachten jede freie Minute mit Hochzeitsplanung. Arturo und Shawn sahen dem kritisch entgegen.
„Ich werde keinen Kilt anziehen, das kann sie vergessen“, klemmte sich Camelot an den Tresen der Küche.
„Gut, dann such‘ ich mir einen anderen Trauzeugen“, schlürfte Shawn an seinem Tee.
„Das ist Erpressung!“
„Ich nenn‘ das Tradition. Keine Sorge, ich kann dir bis Februar einen besorgen. Seit ihr jetzt zusammen, Erica und du?“, fragte er plötzlich und stellte den Tee ab.
„Vermutlich, ich bin nicht ganz sicher. Es ist ein bisschen komplizierter als bei euch beiden“, murmelte Arturo verlegen.
„Dann tut ihr mir echt leid. Ich weiß nur nicht, wie ich ihr dass mit ihrer Mutter verklickern soll. Sie hat sie sozusagen vergiften wollen“, fing Shawn wieder mit seinen Problemen an.
„Sie weiß es nicht?“, war Arturo erstaunt.
„Ich bin furchtbar, ich weiß, aber ich hab noch nicht die richtigen Worte gefunden“, erklärte Shawn.
„Sieht so aus, als wäre ich nicht der Einzige der einiges zu klären hat. Am besten noch vor der Hochzeit, sag‘ ich dir“, erkannte Arturo und trank ein Schluck von seinem Bier.
Sie kamen schnell wieder in ihren alten Trott. Es wurde Herbst und Winter und noch kurz vor Weihnachten hatten Shawn und Jorie immer noch nicht über das Thema gesprochen. Shawn hatte sie davon überzeugt gegen ihre Schmerzen mit ihm joggen zu gehen und so konnte er nebenbei auch ein bisschen trainieren. Kurz vor der Schulweihnachtsfeier nahm Arturo ihn noch mal zur Seite.
„Noch zwei Monate, Kumpel“, begann er und drückte ihn auf den Stuhl.
„Ist mir bewusst, danke. Können wir jetzt reingehen, oder willst du mir noch ein paar Rechenaufgabe an den Kopf knallen?“
„Du sagst es ihr, heute Abend“, erwiderte er und tippte ihm penetrant auf die Brust.
„Au, hast du mit meiner Schwester geredet?“ fragte er gegen.
„Nein, wir wollen ja auch nicht heiraten. Hast du mal daran gedacht, dass sie ihre Mutter zur Hochzeit einlädt?“
„Natürlich meine kommt doch auch“, stand Shawn wieder auf.
„Man, manchmal tust du mir echt leid mit deiner Naivität. Das wird der Supergau auf der Hochzeit, denn das wird alles zur Sprache kommen. Glaubst du, die Hochzeit wird sonst zu langweilig?“
„Ihr Südländer seit echt arrogant, nein du bist arrogant. Sei bloß froh, dass ich dich mit meiner Schwester schlafen lasse. Das macht mir nämlich ziemlich viel aus. Jetzt gehen wir rein, und ich werde ihr das sagen, wenn ich es will. Verstanden. Los“, zog er ihn rein.
2 Stunden später standen Jorie und Erica in der Ecke des Lehrerzimmers und betrachteten ihre Männer.
„Man, ich hab schon davon gehört, dass Weihnachtsfeiern ausarten können, aber das sprengt all meine Vorstellungskraft“, erwiderte Erica und runzelte die Stirn.
„Wenn es dich beruhigt, das hab ich auch noch nicht gesehen“, erkannte Jorie und sah zu ihrem Verlobten hinüber der zusammen mit Arturo eine Art „Wett-Weihnachtspunsch-Trinken“ veranstaltete.
„Warum können sie einfach nicht zu denjenigen gehören, die ihren Hintern fotokopieren und das superspaßig finden. Das ist blamabel“, entschied Erica und sie gingen auf ihre Männer zu.
„Du sagst es. Hey Jungs, ist euch irgendwie langweilig?“ kam Jorie zu den Männern an den Tisch, die grad zum zigsten Mal ihr Bowle-Glas auffüllten.
„Ich lieg 2 Gläser vor“, gackste Shawn der schon ziemlich angeheitert schien.
„Toll Schatz, lass uns gehen“, war es Jorie sehr peinlich.
„Und ihn gewinnen lassen, von wegen“, ließ er nicht locker.
„Komm schon Arturo, ich hab mir grad einen einigermaßen guten Ruf aufgebaut“, versuchte Erica ihrem Freund das Glas aus der Hand zu nehmen.
„Wenn du mich schlägst, bedeutet das gar nichts“, hörte Arturo gar nicht mehr zu.
„Hey, Arturo ich red mit dir“, wurde Erica lauter, aber die beiden Männer starrten sich nur vor lauter Wut an.
„Man, fängt das schon wieder an, ich dachte das hätten wir hinter uns“, entgegnete Erica gereizt und zog an seinem Arm.
„Ach, nerv mich nicht“, riss sich Arturo unsanft los.
„Gut, ich gehe. Blamier dich doch, wie du meinst“, ließ sie ihn einfach da sitzen, nahm ihre Tasche und schon war sie verschwunden.
„Ich werde mit ihr gehen“, bemerkte Jorie zu Shawn, doch der meldete sich nur mit einem Grunzen.
„Was ist denn in dich gefahren?“, passte Jorie, Erica draußen vor der Tür ab.
„Ach, das haben sie früher ständig gemacht, bevor du aufgetaucht bist. Ich war so naiv, zu glauben das hätte aufgehört. Das ist einer der Gründe, warum ich nicht mit Artie zusammen bin, wegen solcher Aktionen. Ich bin nur froh, dass wir mit meinem Wagen da sind. Willst du mitkommen, ich setz dich auch ab“, ließ sie das Schloss vom Auto aufschnappen.
„Also hier in der Kälte werde ich wohl kaum stehen bleiben. Was heißt du bist nicht mit Artie zusammen? Ihr wohnt doch zusammen, trotzdem passiert nichts?“ stieg Jorie auf dem Beifahrersitz ein.
„Unsere Beziehung ist eine Anhäufung von Komplikationen. Wir haben schon miteinander geschlafen, vor Ewigkeiten, haben uns geküsst, das ist jetzt auch schon ewig her und seit dem nichts, überhaupt nichts. Wir wissen beide, dass da was ist, wir reden nur nicht darüber. Wir kommen abends heim, essen zusammen, er geht in sein Bett, ich in meins. Traurig nicht?“
„Überhaupt nicht, bei uns läuft es grad auch nicht so berauschend. Er hat irgendein Geheimnis, das er mir nicht sagen will, weißt du irgendwas?“
„Das soll er dir schon selbst sagen“, entschied Erica geheimnisvoll.
„Er will doch keinen Rückzieher machen, oder?“
„Ach quatsch, er liebt dich über alles. Es ist was anderes“, bestritt Erica ihre Aussage kräftig.
„Komm schon, ich bin doch bald deine Schwägerin du kannst mir alles sagen“, erwiderte Jorie und Erica hielt an.
„Wir sind da, bis morgen beim Essen, wir kommen sicher etwas später“, wollte Erica sie loswerden.
„Du willst es mir nicht sagen?“, streckte sie noch ein Mal den Kopf in die Tür.
„Nein!“
„Gut, dann prügle ich es halt aus deinem Bruder raus. Bis morgen“, knallte sie Tür zu.
Es roch nach Alkohol als Jorie sich an diesem Weihnachtsmorgen im Bett umdrehte. Da lag er, ihr Verlobter in sein Kissen gedrückt und laut schnarchend. Sie strich ihm nachdenklich übers Gesicht und setzte sich auf.
Sie genoss die Ruhe, bis das Telefon klingelte.
„Hey Süße hab ich dich geweckt. Frohe Weinachten“, begrüßte sie Finley mit guter Laune.
„Morgen, Finn“, erkannte sie schlaftrunken.
„Hey, du erinnerst dich noch an mich?“
„Muss ich ja wohl, ich hab dich zu meiner Hochzeit eingeladen. Also kommst du?“ fragte sie und kuschelte sich an Shawn.
„Ja, aber Grace kann nicht, das hat der Arzt verboten“, konterte er und sie setzte sich wieder auf.
„Warum das, ist sie krank?“
„Ach richtig, ihr wisst das ja noch gar nicht, wir bekommen ein Baby, dank den netten Pillchen. Bei euch ist doch alles klar, oder?“ erklärte er.
„Ich bin nicht schwanger wenn du das meinst. Welche Pillchen?“
„Shawn hat es dir nicht gesagt?“, wurde er auch geheimnisvoll.
„Nein und ich will es endlich wissen verflucht noch mal. Mir sagt hier ja keiner was“, bat sie mit fester Stimme.
„Nein, das sollte dir Shawn schon selber sagen“, druckste er herum.
„Finley!“, wollte sie es unbedingt wissen und Finley atmete ein Mal tief ein bevor er es erzählte.
„Warum erzählt er mir das nicht, verdammt noch Mal. Man“, wurde sie wütend und mit einem stumpfen Schlag landete Shawn auf dem Boden.
„Was war das?“, wunderte sich Finn.
„Ach nichts, ich hab ihn grad nur aus dem Bett geschmissen“, bemerkte sie mit gereiztem Unterton.
„Geht es dir jetzt besser?“
„Etwas, man der pennt einfach weiter, das sieht ihm mal wieder ähnlich. Also du hast das mit dem 13. kapiert?“ kletterte sie zu ihm auf den Boden.
„Ja, war seine Idee, nicht? Grace gibt mir euer Geschenk mit, ich werde da sein, wenn du ihn bis dahin nicht umgebracht hast, die Kaution können wir dann leider aber nicht aufbringen, unser gespartes Geld ist dann für das Geschenk drauf gegangen“, scherzte Finn.
„Gut, dann gib mir einen Tag vorher die Daten wann, wo und wie du ankommst etc. Frohe Weihnachten“, erkannte sie und legte auf.
Brutal zog sie ihn wieder hoch ins Bett.
„Hey Mäuschen, nicht jetzt“, murmelte er, als er langsam wach wurde.
„Doch jetzt“, drehte sie ihn auf den Rücken und setzte sich auf seine Brust.
„Baby, ich hab Kopfschmerzen, jetzt nicht“, machte er die Augen auf.
„Soll ich dir vielleicht ne Aspirin holen?“
„Das wäre lieb danke“, erkannte er und sie schlug ihm auf den Hinterkopf.
„Autsch, was soll das?“, war er plötzlich hellwach und zog sie zur Seite.
„Finn hat angerufen“, bemerkte sie und setzte sich an die Bettkante.
„Oh!“
„Ja, oh! Wann bitte wolltest du es mir sagen“, stand sie auf.
„Bald!“
„Wann bald!“
„Heute, nein eigentlich schon gestern Abend, ich hab mir Mut angetrunken, ein bisschen zu viel wie mir scheint“, fuhr er durch seine Haare. Er hatte einen echt miesen Kater.
„Du hast mit Arturo einen Saufwettbewerb gemacht, nennst du das Mut antrinken?“
„Ist wohl ein bisschen aus dem Ruder gelaufen. Wie hab ich es eigentlich heim geschafft?“
„Sagen es wir mal so, Erica wird von dir ein ziemlich großes Weihnachtsgeschenk bekommen, unter anderem eine Innenreinigung für ihr Auto“, ging sie Richtung Küche.
„Kann ich dir irgendwie bei dieser Sache helfen?“ fragte Shawn vorsichtig und näherte sich ihr in der Küche.
„Stopp, keinen Schritt weiter, ich hab grad eine ziemliche Wut und möchte die lieber nicht an dir auslassen“, hielt sie ihn auf Distanz.
„Es tut mir echt, ehrlich leid“, versuchte er zu erklären.
„Das muss es nicht, doch eigentlich sollte es dir leidtun. Warum hast du es nicht gleich gesagt, als du mich da weg geholt hast? Glaubst du, ich hätte es nicht verkraftet?“
„Unter anderem ja, aber ich hab nie die richtigen Worte gefunden. Wie fühlst du dich?“ ging er nur noch vorsichtig ein paar Schritte weiter.
„Ich hab so einige Gefühle in meinem Bauch, unter anderem Zorn, aber auch Ohnmacht. Es ist schließlich meine Mutter von der wir hier reden. Meine Stiefmutter klar, aber sie hat mich aufgezogen und auf irgendeine verkorkste Art und Weise hatten wir eine Beziehung zueinander. Warum macht sie das?“
„Keine Ahnung, du weißt doch, dass ich dir bei allem beistehe“, bemerkte er und versuchte sie zum Umarmen.
„Ich geh’ eine Runde Joggen“, murrte sie, nahm ihre Jacke, und schon war sie weg.
10 Minuten später klingelte es.
„Hey, hast du deinen Schlüssel vergessen?“, rief er ihr zu und öffnete. Doch vor der Tür standen Erica und Arturo.
„Nein, wir sind’s. Du stehst schon wieder, ich dachte ich sehe nur eine Punsch-Leiche“, frotzelte Erica und Arturo grinste.
„Nein, ich bin auf den Beinen. Wackelig, aber ich bin hellwach. Mehr oder weniger. Wollt ihr einen Kaffee, bevor wir essen?“, band Shawn seine immer länger werdenden Haare zusammen und setzte seine Brille auf.
„Warum trägst du wieder deine Brille?“ wunderte sich Erica.
„Weil mir meine Augen brennen, Menschenskind. Stellt doch nicht so viele Fragen. Also wollt ihr Kaffee?“, schien Shawn genervt.
„Der Kater danach. Wie ich gehört hab, hast du ziemlich gereihert gestern, ich nicht“, erkannte Arturo und sie folgten ihm in die Küche.
„Gratulation. Also ich frag nicht noch Mal. Kaffee oder nicht?“
„Ich nehme gern einen Kaffee. Wo ist Jorie?“
„Sagte ich nicht keine Fragen mehr?“
„Sie ist doch nicht weg, oder?“
„Sind wir hier bei Jeopardy? Nein, sie ist nur joggen. Sie weiß es jetzt, dank Finley. Mir wäre es rechter gewesen, wenn ich es ihr gesagt hätte, aber kann man halt nichts machen. Jetzt setzt euch bitte, bevor mir den´r Kopf platzt“, stellte er den Kaffee an.
„Wie hat sie es aufgenommen?“ fragte Erica und setzte sich hin.
„Sie ist mir überglücklich um den Hals gefallen. Stinkig wie denn sonst. Sie hat ihre Ruhe gebraucht, wenn sie jetzt gleich kommt, versucht sie bitte nicht darauf anzusprechen. Also der Kaffee ist an, ich steig schnell noch unter die Dusche, macht ihr Jorie bitte die Tür auf, wenn sie kommt“, bat Shawn und verschwand im Badezimmer.
Als Shawn mit frisch gewaschenen Haaren, Kontaktlinsen, aber immer noch mit einem Pferdeschwänzchen zum Tisch kam, diskutierten die drei schon heiß über das Thema.
„Für was braucht man Feinde, wenn man die Freunde und Familie hat. Entschuldige Schatz, ich hatte ihnen gesagt sie sollen nicht darüber sprechen. War das Jogging gut?“
„Gut du bist da, dann kann ich ja duschen gehen“, stand sie auf und verließ die Runde.
„Puh, ist es hier kalt geworden, oder bild ich mir das nur ein?“ tat Erica als wäre ihr kalt.
„Eiskalt. Ich werde den Sheppard’s Pie in den Backofen stellen, den Jorie gestern vorbereitet hat. Hier sind Kekse“, holte er eine Schachtel Oreos hervor.
„Du glaubst doch nicht tatsächlich, dass ich diese Kalorienbomben esse“, pustete Erica gereizt.
„Sie sind zumindest aus deiner Vorratsschachtel. Du könntest übrigens mal dein restliches Zeug holen, am besten noch vor der Hochzeit und den tausend Toastern die wir sicher geschenkt bekommen. Bis gleich“, erwiderte er grinsend und ging in die Küche.
„Ich weiß gar nicht von was der da redet. Ehrlich!“
„Also ich esse die gern. Wann willst du ihnen eigentlich sagen, dass wir jetzt ein Paar sind?“. biss er in einen Keks.
„Später Süßer, später. Lass sie erst mal ihre Probleme lösen. Shawn, wo steckst du?“ ging sie in die Küche. Dort saß Shawn auf dem Boden, den Kopf in seinem Schoss vergraben.
„Hey Bruderherz, alles klar?“ beugte sie sich zu ihm runter. Er sah auf. Er schien geweint zu haben.
„Hey, alles klar?“, setzte sie sich mit hilfsbereiter Stimme neben ihn.
„Warum schaffe ich es nie, eine Frau nicht zu enttäuschen?“, schniefte er und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
„Du hast sie nicht enttäuscht. Tja, vielleicht ein bisschen, hey das macht jeder Mann durch. Wir Frauen sind eben kompliziert. Diese Frau verlässt dich ganz sicher nicht, sie liebt dich und sie verzeiht dir ganz sicher. Du musst jetzt stark sein für sie“, beruhigte Erica ihren Bruder und er legte seinen Kopf auf ihren Schoß.
„Shawn hast du meinen Fön gesehen. Baby, was ist los?“ kam Jorie in die Küche.
„Ich werde mal sehen, ob ich Arturo ein Football-Spiel oder so anstellen kann. Redet bitte darüber“, stand Erica wieder auf und Shawn lehnte sich zwischen die Küchenzeile.
„Danke, Erica“, sagte sie leise und setzte sich neben Shawn.
Arturo sah schon fast verhungert aus, als Shawn und Jorie nach einer halben Stunde Arm in Arm aus der Küche kamen.
„Habt ihr da drin gepoppt, oder wie?“ sah er über das Sofa zu ihnen.
„Erica, danke dass du den Tisch gedeckt hast. Wir können jetzt essen“, erkannte Jorie erledigt. Sie schienen beide geheult zu haben.
„Alles wieder in Ordnung bei euch?“
„Wir versuchen damit klar zu kommen, aber über das „warum“ sind wir noch nicht hinweggekommen. Also wer will Sheppard’s Pie?“, spielte Jorie die gut gelaunte und lächelte matt.
„Ist dass das Rezept von unserer Mutter?“
„Ja, magst du das nicht?“
„Doch schon, nur seltsam, dass sie es mir nie gegeben hat“, erwiderte Erica und sie setzten sich an den Tisch.
„Kann vielleicht daran liegen, dass Jorie im Gegensatz zu dir kochen kann“, entgegnete Shawn und grinste.
„Ja, richtig. Also lasst uns essen“, bemerkte sie und so begann das Essen friedlich und harmonisch.
Silvester kam und ging wieder. Das neue Jahr begann und die Wochen bis zur Hochzeit flossen nur so dahin. Die Frauen waren immer noch wild am Planen, die Männer eher weniger. Sie verbrachten die Zeit bis sie eine neue gescheite Stammkneipe gefunden hatten im Mulligans, obwohl da wirklich die seltsamsten Leute herumhingen.
„Du hast jemanden, richtig?“, musterte Shawn seinen besten Freund als sie gerade mit Bierkrug in der Hand zu ihrem Platz gingen.
„Wie kommst du denn jetzt da drauf?“, fragte Arturo etwas ablenkend und senkte seinen Kopf.
„Nur geraten. Es sind fast ein Dutzend Frauen mit Miniröcken hier und du bist noch keinem hinterher gerannt. Kenn ich sie?“, war Shawn neugierig und klemmte sich auf die Eckbank.
„Ich denk nicht“, druckste er herum und nahm einen großen Schluck Bier.
„Warum erzählst du mir nichts von ihr, sonst machst du das doch in ausführlichen Märchen“, frotzelte Shawn und Arturo knabberte an einer Salzstange.
„Ach komm schon, eine kleine erotische Phantasie, ich brauch das grad“, bettelte Shawn.
„Läuft es mit Jorie im Bett grad nicht so gut?“
„Lenk nicht vom Thema ab. Komm schon, lass mich sabbern!“
„Ich glaub, das willst du dir wirklich nicht vorstellen“, erkannte er weiter sichtlich nervös.
„Iss sie so hässlich, nein vergiss die Frage, sie ist ne echt scharfe Braut. Eine von denen die einen wahnsinnig machen, wenn man nur in ihrer Nähe ist. Man, du Glückspilz“, entgegnete Shawn und klopfte ihm auf die Schulter.
„Hör auf damit, bitte“, hielt Arturo sich die Ohren zu.
„Die muss echt scharf sein, also wirklich“, flachste er weiter.
„Also ich geh’ mal auf die Toilette“, verschwand Arturo Richtung Toiletten.
„Das ist wirklich seltsam, wirklich seltsam“, wühlte Shawn in Arturos Sachen herum und fand seinen Geldbeutel. Kreditkarten, jede Menge Belege und ein Bild von Erica im Bikini.
„Oh man“, klappte er den Geldbeutel wieder zusammen und steckte ihn zurück.
„Noch irgendwelche Fragen?“ kam Arturo zurück.
„Behandelst du sie gut?“
„Wen?“
„Die Königin von England. Du weißt wen ich meine“, versuchte er es aus ihm heraus zu kitzeln.
„Wie die Königin von England. Wenn ich mich erinnere ist in den Taschen von anderen Leuten zu wühlen nicht die feine englische Art, oder wie siehst du das?“
„Keine Ahnung ich bin Schotte. Wenn du sie nur ein Mal falsch berührst, töte ich dich, das weißt du hoffentlich“, packte er ihn am Nacken.
„Ich weiß, deshalb werde ich sie auch weiter auf Händen tragen. Ich hätte es dir früher sagen sollen, tut mir leid“, entschuldigte sich Arturo.
„Du behandelst sie gut und wir haben kein Problem miteinander, okay?“, sagte Shawn nur und damit war das Gespräch beendet.
„Hallo, hallo ihr Königinnen von England“, lallte Shawn als er die Tür spät an diesem Abend aufmachte und stolperte über die Treppenstufe.
„Was machst du nur ständig mit ihm?“, hielt Erica ihrem Freund eine Standpauke und der stieg über Shawn um zu ihr zu kommen.
„Gar nichts, wir haben uns nur mal unterhalten, von Mann zu Mann verstehst du. Ihm ist jetzt einiges klarer, das mit dir und mir zum Beispiel. Guck mich nicht so an, ich hab ihn nicht gezwungen 12 Guinness zu trinken. Wo ist Jorie?“ erklärte er und sah sich um.
„Bei uns, ich bin nur was holen gegangen. Bring ihn schleunigst ins Bett, morgen haben sie den Termin mit dem Pfarrer und da sollt er nicht aussehen wie ein Zombie. Wart mal, das wollt ich sowieso schon lang machen“, ging sie auf ihren Bruder zu und hob seinen Kopf hoch.
„Du willst doch nicht etwa?“, protestierte Arturo.
„Nein, heute nicht. Hilf mir ihn ins Badezimmer zu bringen“, nahm sie den linken Arm ihres Bruders.
„Will ich es wissen?“, war Arturo etwas verwirrt.
„Nein, einfach anpacken“, gab sie eine einfache Anweisung und so schleppten sie ihn in die Badewanne.
Die erwarteten Kopfschmerzen stellten sich bei Shawn am nächsten Morgen nicht ein, was ihn eher beruhigte, ihn aber eher Sorgenfalten machen sollte. Er drehte sich im Bett um. Jorie lag nicht neben ihm.
„Wo ist sie?“, kam er ins Wohnzimmer gerauscht.
„Wo ist wer?“, wunderte sich Arturo der in Seelenruhe die Zeitung las und dabei die Füße auf dem Tisch hatte.
„Die Nutte die ich mir bestellt habe. Was denkst du wen ich meine? Meine Verlobte natürlich. Also wo ist sie?“
„Bei uns. Du siehst übrigens nett aus“, versuchte sich Arturo das Lachen zu verkneifen.
Ruckartig drehte sich Shawn zum Spiegel um. Er hatte kurz geschorenes Haar, was ihm aber stand.
„Ich sehe aus wie David Beckham, nicht auf die gut aussehende Art, eher auf die „ich bin metrosexuell weil ich mich nicht outen will“ Art. Ich geh’ Recht in der Annahme, dass meine Schwester da dahinter steckt“, schnaubte Shawn und fuhr sich über seine rappelkurze Mähne.
„Denk daran, dass Jorie sie noch als Trauzeugin braucht“, versuchte Arturo ihn zu beruhigen.
„Okay, das reicht, sie bekommt ganz sicher keinen Schlüssel mehr zu dieser Wohnung. Oh nein, du hast einen und da du sie regelmäßig flachlegst hat sie automatisch auch einen. Ich bin verflucht“, war Shawn außer sich.
„Du weißt es also noch. Gott sei Dank, ich dachte schon ich muss das noch mal sagen. Es ist übrigens schon kurz vor zehn um halb elf trefft ihr den Pfarrer. Besser gesagt wir treffen den Pfarrer. Meine Freundin killt mich, wenn du da nicht rechtzeitig auftauchst, also kusch mach dich fein“, brach Arturo in schallendes Gelächter aus.
„Nicht wenn ich dich zuerst kriege. Ich hoffe du sitzt schon schweigend im Auto, wenn ich wieder komme“, fuchtelte Shawn mit seinem Zeigefinger herum und ging ins Badezimmer.
20 Minuten nach diesem Anfall saß Shawn immer noch etwas gereizt neben seiner Verlobten und hielt ihre Hand.
„Darf ich fragen, was du mit deinen Haaren gemacht hast?“, fragte sie vorsichtig und hörte nur ein Schnauben von ihrem Partner.
„Sieht er nicht einem englischen Fußballspieler verblüffend ähnlich?“, frotzelte Arturo und erntete einen feurigen Blick von seinem besten Freund.
„Er fragt ja nur, ich meine eine klitzekleine Ähnlichkeit ist doch schon da“, griff Erica ein.
„Sei du bloß still, Weib!“
Just in diesem Moment trat der Pfarrer ein.
Sofort sprangen Erica und Shawn auf.
„Vater, vielen Dank das sie Zeit für uns haben“, war Shawn plötzlich lammfromm und auch Erica neigte ihren Kopf.
„Ist doch selbstverständlich. Wie ich sehe schlägt bei Ihnen beide die katholische Schule durch, sehr lobenswert. Setzen Sie sich, bitte“, ließ der Pfarrer sie wieder Platz nehmen.
„Katholische Schule. Das erklärt so einiges“, erkannte Arturo als sie nach dem Gespräch zusammen im Café Amerika saßen.
„Wenn du darauf anspielst, dass katholisch erzogene Kinder es später faustdick hinter den Ohren haben, das ist Schwachsinn“, verteidigte sich Erica.
„Wenn du das sagst Liebes. Also, jetzt ist es nicht mehr lange hin, Muffensausen?“ sah er in die nervösen Gesichter seiner Freunde.
„Komm schon lass sie, sie sind nervös genug, auch ohne das. Mir tut das Leid mit deinen Haaren, ich hatte wohl gestern mal wieder meine verrückten 5 Minuten. Oder auch 10 Minuten. Keine Sorge, wenn das auf den Hochzeitsfotos scheiße aussieht, retuschier ich das mit dem Computer. Jetzt lach mal wieder, es wird Frühling“, versuchte Erica ihren Bruder aufzumuntern.
„Du hast mir meine Haare abrasiert“, konterte er tonlos.
„Sieht gut aus, ehrlich“, log Jorie aus Höflichkeit.
„Danke, Liebling. Erinnere mich dran, dass wir noch eine neue Kappe kaufen gehen“, schien Shawn nicht zufrieden zu sein.
„Wir müssen noch zum Bluttest, wir sollten möglichst bald einen Termin ausmachen“, sprach Jorie das heikle Thema an.
„Du denkst wohl mit meiner schlechten Laune kann ich keine schlechtere bekommen. Falsch gedacht. Ich treffe dich zu Hause, ich geh’ mir jetzt ne Kappe kaufen“, ging er stinkig von dannen.
„Er hat eine echt miese Laune, aber wir müssen da hin. Nehmt er mich mit? Ich fahr sicher nicht seine Schrottkarre“, bat Jorie und Arturo nickte.
„Ich weiß aber nicht, ob er mehr sauer darauf ist, dass er jetzt kahl rum rennt, oder das wir beide ein Paar sind. Ich bin nicht der Hauptgewinn für Erica, seh’ ich auch ein, aber das heißt nicht, dass wir jetzt keine Freunde sein können“, erklärte Arturo und Erica nahm seine Hand in ihre.
„Habt ihr euch gestern noch arg gezofft?“ fragte sie mitfühlend.
„Ich denk mal, ihr solltet mal einen anderen Trauzeugen einplanen, nur für den Notfall“, bemerkte er etwas traurig.
„Schatz, weißt du was?“ fragte Erica.
„Was?“
„Du bist der Hauptgewinn, in vielerlei Hinsicht. Apropos Hochzeit wie werden die Brautjungferkleider aussehen, ich muss meine Haare noch daran anpassen lassen“, plante Erica wieder die Hochzeit.
„Ich hab an Minze gedacht“, erklärte Jorie.
„Minze? bin ich nen Kaugummi? Ich dachte da eher an eine Trendfarbe wie rosa oder hellblau“, konterte Erica und fuchtelte wild mit den Armen herum.
„Das sind Babyfarben und passen nicht zu meinem Kleid. Und mein Kleid muss zu Shawns Kilt passen und der ist grün. Kapierst du dass, das ist ne Kettenreaktion. Ist eins falsch sieht das alles bunt gewürfelt aus. Minze oder Moos“, erklärte Jorie weiter.
„Dann eher Minze. Sag du auch mal was dazu, Süßer?“, bat Erica ihren Freund.
„Ihr müsst mich schon mit nem Fass Guinness abfüllen bevor ich nen Tuntenrock anziehe“, grummelte er und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Dann brauchen wir wohl oder übel dieses Fass, denn du wirst einen Kilt tragen, basta. Okay, die Klamotten wären dann schon mal geklärt. Warum braucht Shawn eigentlich ne Kappe?“ plante Jorie und schlug dann plötzlich um.
„Keine Ahnung, um seine Platte zu verdecken?“ prustete Erica plötzlich und fing schallend an zu lachen.
Das war ansteckend. Plötzlich lachten alle.
Tage vergingen. Shawns Laune besserte sich nicht wirklich. Er hatte sich eine New York Yankees Kappe gekauft, die er tief im Gesicht trug. Eines Abend Ende Januar kam er mal wieder schlecht gelaunt nach Hause. Die Mädels waren bester Laune, trafen sie schließlich die letzten Vorbereitungen der bevorstehenden Traumhochzeit.
„Der Grummelpapst ist wieder da“, pries Arturo Shawns Ankunft an und die Mädels kamen laut kichernd aus dem Schlafzimmer.
„Danke für das Entree. Schätzchen, wir wollten doch zusammen fahren, wo bist du heut Morgen so früh hin?“ fragte Shawn und setzte sich aufs Sofa.
„Ich war noch in der Bäckerei, die unsere Hochzeitstorte macht. Es geht alles klar. Wie war die Arbeit?“, erklärte Jorie gut gelaunt und kuschelte sich an ihn.
„Prima. Die Direktorin hält mich für Krebskrank, die Kollegen lachen und es ist wirklich ein beschissener Zeitpunkt die Nazizeit im zweiten Weltkrieg im Unterricht zu machen, wenn man selbst so aussieht wie einer. Hab ich dir eigentlich schon mal dafür gedankt, Schwesterchen?“, erklärte er gereizt.
„Armer Schatz, hey da sind doch schon ein paar Härchen. Ich find das gar nicht schlecht“, nahm Jorie ihm die Kappe ab und fuhr über seinen Kopf.
„Aber die Platte juckt so furchtbar“, konterte er grimmig.
„Warte mal, ich hab da so eine Creme, die mach ich immer auf meine Beine drauf“, rannte Erica ins Badezimmer.
„Ich schmier mir sicher keine Creme drauf, dass ich nachher aussehe wie Kojak“, erwiderte er und versuchte aufzustehen Jorie legte aber ihre Beine auf seine, dass er es nicht mehr konnte.
„Ihr Weibsbilder ihr“, fluchte er, als Jorie ihn festhielt und Erica seine Platte eincremte.
„Du bist so ein Kameradenschwein“, wütete Shawn. aber jetzt auch lachend, als Arturo nur zusah.
„Ich trage einen Rock zu deiner Hochzeit, das ist Bruderliebe genug, Bruder!“
Bald waren es nur noch Tage bis zur Hochzeit. Und dann Stunden. Dann kam der große Tag. Shawn war nicht mehr so nervös, doch Jorie schon. Es waren nur noch 23 Stunden bis zur Hochzeit als Shawn spät am Abend noch beim Juwelier vorbei fuhr. Ihm war in letzter Minute eingefallen was er Jorie in den Ehering eingravieren lassen wollte. Nun hatte der Juwelier es fertig. Er parkte an der Straße. Sein Wagen war wirklich eine Geschichte für sich und deshalb störten ihn seine kleinen Macken kaum. Die Glocke zum Juwelier klingelte als er eintrat. Ein Kerl mit einer Lesebrille stand am Tresen und gravierte. Alles in allem eine ganz normale Szenerie.
„N’ Abend ich wollt die Ringe für Fitzpatrick abholen“, kam er cool hinein geschlendert.
„Da ist ja unser Manchester Boy wieder. Die Ringe sind fertig. Richtig so?“ fragte der Juwelier und legte ihm die Ringe hin. Shawn las die Gravierung und schmunzelte.
„Vollkommen korrekt. Und er spielt jetzt in Spanien nur so nebenbei. Also wie viel schulde ich Ihnen?“
„140 Mäuse, aber bitte bar“, entgegnete der Juwelier etwas brummig weil Shawn ihn verbessert hatte.
„Kommt sofort, Chef. Man, ziemlich happig, aber für meine Süße ist mir nichts zu teuer“, entschied er verträumt und bezahlte.
„Dann hoff ich mal, sie haut nicht mit dem Ring und Ihrem Geld ab. Schönen Abend noch“, entließ der Juwelier ihn.
„Komischer Kauz, aber echt“, redete er mit sich selbst und stieg in seinen Wagen. Sein Wagen sprang nur mit Mühe an. Er hoffte nur dass er noch heimkam.
Er fuhr nur noch bis auf die Schnellstraße von Salt Lake City nach Hause. 200m nach der Einfahrt versagte sein Wagen.
„Komm schon, spring an, spring an bitte, bitte“, flehte er und drückte den Schlüssel fest herum, dass seine Hand schon wehtat. Doch nichts passierte.
„Verfluchte Scheißkarre“, gab er auf und setzte sein Alarmlicht auf dem Seitenstreifen. Inzwischen war es fast neun Uhr. Seine Mutter würde in 2 Stunden landen. Er packte die Ringe weg und stieg aus dem Wagen aus um zu trampen, oder Hilfe zu holen.
Über eine halbe Stunde passierte gar nichts. Niemand hielt, niemand fragte was los sei. Doch dann hielt ein schwarzer Wagen mit getönten Scheiben.
„Vielen Dank Sir, ich frier mir hier meinen Allerwertesten ab. Können Sie mich ein Stück mitnehmen?“ freute sich Shawn und ging auf den Wagen zu.
Unerwartet sprang die Hintertür auf und er wurde hineingezogen.
„Was in Drei Teufels …“ konnte er noch fluchen bevor er ohnmächtig wurde.
Shawn fühlte sich wie auf Wasser, als er aufwachte. Er drehte sich um und riss seine Augen auf.
Er lag in einem Bett. Der Boden schwankte.
„Schau mal wer da wach ist“, konterte eine Stimme hinter ihm.
„Wer sind Sie?“ nuschelte er benommen.
„Viele Leute sagen, ich sehr ihr ähnlicher als meinen eigenen Kindern. Ich hab so gehofft, dass sie es packt. Und dann schleppt sie dich an“, bemerkte die Stimme leicht nasal und säuselnd.
„Mrs. Janson?“, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.
„Du hast es erfasst, Junge. Willkommen auf meiner bescheidenen Yacht“, kam Mrs. Janson in sein Blickfeld.
„Was hab ich da an?“, sah er an sich herunter.
„Einen Anzug meines Mannes. Steht dir gut. Du müsstest nicht so schlampig rum rennen, ich könnte dir kaufen was auch immer dir steht“, kniete sie mit ihrem Kleid auf das Wasserbett.
„Schickes Kleid. Wo ist Jorie?“, setzte er sich auf. Er war an Handschellen ans Bett gefesselt.
„Nicht hier, Sweetie. Wir sind ganz allein“, kroch sie auf seinen Schoß.
„Mrs. Janson, bitte“, versuchte er sich zu wehren.
„Nenn mich Elenora“, säuselte sie und begann seine Hose zu öffnen.
Er wehrte sich nicht. Sie ließ ab, stand auf und ging an Deck. Shawn wimmerte leise. Er sah auf die Uhr an der Wand. Es war kurz vor 9 Uhr in der Früh.
„Hey Schlampe, ich hab Durst“, schrie Shawn mit letzter Kraft.
„Wer wird denn hier so grob werden, ich komme schon“, säuselte sie lieblich und kam mit einer Kanne hinunter.
„Was hast du mit Jorie gemacht, du Schlampe?“, fluchte er herum.
„Die arme Jorie wird sich bald die Augen ausheulen, weil sie ihr Verlobter am Hochzeitstag sitzen gelassen hat. Bu hu. Und dann werde ich auftauchen und sie trösten. Sehe ich nicht schön aus viel zu jung für eine Brautmutter“, zog sie sich ein Kostüm an. Er zog an den Handschellenketten, erfolglos.
„Du tust dir nur weh’, mein Schatz. Ich hab hier eine nette Akte von deiner Schule. Du bist Koffein-unverträglich sehr interessant. Du bist ja noch ein größerer Loser als ich dachte. Ich frag mich was passiert wenn ich dir diese Koffeinlösung spritze“, zog sie eine Spritze auf.Shawn hatte noch gar nicht geantwortet, da hatte er schon die Nadel im Arm. Shawn fantasierte schon, als Elenora sich zur Hochzeit fertig machte und weg ging.
Jorie ging auf und ab. Rhythmisch schnaufte sie bei jeder Wende.
„Jorie, Süße setz dich bitte hin“, bat Arturo und Erica zog ihre Schwägerin in spe aufs Sofa.
„Wo ist er?“, fragte sie und Erica legte den Arm um sie.
„Vielleicht nur nachdenken, keine Sorge!“
„Er hat den Junggesellenabschied verpasst, da stimmt irgendwas nicht“, erklärte Arturo.
„Du bist keine große Hilfe, Baby“, murrte Erica und Jorie kuschelte sich an sie.
„Ich wüsste nicht wo ich ihn sonst noch suchen sollte!“
„Liebling, mach uns mal eine Kanne Tee, bitte“, wollte Erica ihren Freund loswerden.
„Glaubst du, er hat gekniffen?“ fragte Jorie plötzlich.
„Nein, dieser Kerl liebt dich abgöttisch. Ich kenne meinen Bruder, er tut so etwas nicht. Irgendwas muss ihm passiert sein. Wie war er drauf, als er gestern Abend wegfuhr?“
„Seit langem wieder sehr gut. Er wollte nur die Ringe abholen und dann wollten wir zusammen deine Mutter abholen. Jesus Christus wir haben Mase ganz vergessen abzuholen“, fiel es Jorie plötzlich ein.
„Ich hab sie abgeholt, sie ist im Holiday Inn. Soll ich sie her holen?“
„Nein, halt sie hin. Wir müssen ihn finden, bevor wir es ihr sagen. Ich werde nach Salt Lake City fahren, bei dem Juwelier vorbeischauen, irgendjemand muss ihn doch gesehen haben“, wurde Jorie aktiv.
„Er ist nicht weg gegangen, vergiss das niemals“, versprach Erica und Jorie stand auf.
„Ich weiß. Ich ruf euch an, wenn ich was weiß. Danke“, nahm sie ihre Jacke und verschwand aus der Tür.
Jorie fuhr ziellos durch die Stadt. Sie wollte schon aufgeben und fuhr zurück nach Hause. Doch dann stand sein Wagen dort auf dem Standstreifen. Die Tür war auf und das Alarmlicht blinkte immer noch.
Sie hielt an und ging langsam auf das Auto zu.
„Bitte lass ihn nicht drin sein, bitte, bitte“, flehte sie leise wie Shawn seinerseits. Jorie atmete zwei Mal tief durch und sah hinein. Auf dem Beifahrersitz lagen noch seine Tasche und seine Jacke. Sie setzte sich in den Wagen und öffnete die Tasche. Sie fand die Ringe vor, zusammen mit dem Beleg. Da sie nicht wusste, was in die Ringe eingravierte war, lies sie die Inschrift zum ersten Mal. Gefolgt von ihrem Schluchzen.
„Ich hab seine Sachen gefunden, ihn nicht, nur seine Sachen“, rief sie schniefend bei Erica an.
„Wo bist du?“ fragte Erica besorgt.
„Irgendwo zwischen Salt Lake City und zu Hause. Er ist weg“, war sie verzweifelt.
„Bleib da wo du bist, ich hol dich ab“, versprach Erica und fuhr sofort los.
Von weitem sah Erica schon den Wagen ihres Bruders. Dahinter Jories Wagen. Sie hatte schon fast keinen Platz mehr auf dem Standstreifen um zu halten. Es war fast gespenstisch. Beide Autos waren offen, ihre Sachen lagen darin und sonst gab es von ihnen keine Spur. Als sie die Polizeisirenen hörte, brach auch Erica in Tränen aus.
Erica tigerte wie wild auf der Polizeistation von Salt Lake City auf und ab.
„Baby, ich brauch‘ dich jetzt, beruhig‘ dich“, beruhigte Arturo schon die zweite aufgebrachte Frau an diesem Tag.
„Es ist kurz vor 3 Uhr, sie hat schon vor 5 Stunden mit mir telefoniert. Wo sind die beiden hin? Die können doch nicht einfach verschwunden sein“, erkannte sie und biss auf ihren Fingernägeln herum.
„Hör auf, auf deinen Nägeln zu herum zu kauen, man das hast du ja ewig nicht mehr gemacht. Komm her“, zog er sie auf seinen Schoß. In dem Moment kam ein Polizist auf sie zu und sie sprang wieder auf.
„Ms Fitzpatrick, wir haben die Vermisstenanzeigen aufgeben, jetzt können wir nur noch warten. Könnte es nicht der Fall sein, dass ihr Bruder und seine Verlobte einfach durchgebrannt sind? Ich meine sie sind jung, gesund was spricht dagegen?“, entgegnete der Polizist in aller Seelenruhe.
„Ich weiß nicht, vielleicht die Tatsache, dass heute Abend ihre Hochzeit sein sollte, ich einen Rock trage und warum sollten sie abhauen ohne irgendetwas bei sich zu haben?“, mischte sich Arturo in das Gespräch ein.
„Denken sie nicht mal dran aufzustehen, Highlander. So viel will ich auch nicht sehen“, hielt der Polizist ihn davon ab aufzustehen.
„Will ich wissen, warum du das Ding angezogen hast?“
„Genau aus dem Grund, weil du ein Brautjungfern-Kleid trägst, weil die beiden verdammt noch mal heute Nacht heiraten. Und sie werden dafür sorgen, dass wir Braut und Bräutigam schleunigst wiederhaben“, konterte Arturo mit fester Stimme und ballte die Fäuste.
„Ich werde tun, was ich kann, Sir“, war der Polizist eingeschüchtert und huschte davon.
„Du kannst ja richtig bestimmend sein, gefällt mir, obwohl das in einer Hose wesentlich männlicher ausgesehen hätte. Ich werde dir eine holen, du bedrängst den Polizisten schön weiter. Aber ich will dich nicht hinter den Gittern sehen, wir verstehen uns“, erkannte sie, küsste ihn und ging nach Hause. Keine 15 Minuten später war sie zurück.
„Jories Stiefmutter hat auf ihrem Handy angerufen. Das ist seltsam. Ist sie nicht diejenige die Jorie vergiften wollte?“, begrüßte Arturo seine Freundin als sie zurückkam.
„Sie, verdammt warum bin ich nicht gleich auf die gekommen? Sie hasst Jorie aus irgendeinem unerfindlichen Grund. Sie muss sie haben. Vielleicht ist sie sauer, dass sie nicht zur Hochzeit eingeladen wurde. Ja, sie muss es sein. Officer, Sir ich weiß jetzt wer die beiden hat. Mrs. Janson Jories Mum“, lief sie zu dem Polizisten.
„Wir haben grad einen jungen Mann der auf die Beschreibung passt aus dem Großen Salzsee gefischt. Er lebt, ist zwar halb erfroren, aber er lebt. Und er hält sich wie es aussieht für Superman“, erkannte der Polizist der grad am Telefon hing.
„Auf was warten wir dann noch? Holen wir ihn da ab“, freute sich Erica und zog Arturo hinter sich her, der immer noch seine Hose in der Hand hielt.
Mit dem Streifenwagen fuhren sie zum Hafen. Dort standen ein Notarztwagen, ein Streifenwagen und ein paar Schaulustige. Der Polizist hupte und sie konnte durch die Menschenmenge fahren. Erica stürzte auf ihren Bruder zu. Er war blau gefroren, trug einen altmodischen Anzug und war in eine Decke gewickelt.
„Hey, hey da ist ja das Dream-Team. Barbie und Highland-Ken“, bemerkte er voll neben der Kappe.
Dann riss er seine Augen auf. Seine Pupillen waren weit geöffnet.
„Mein Gott, der Mann steht ja völlig unter Drogen. Sie haben mir nicht gesagt, dass er ein Junkie ist“, erkannte der Polizist.
„Weil er keiner ist. Er trinkt nicht mal Kaffee, Menschenskind. Das muss diese Hexe ihm angetan haben. Shawn Brüderchen ich bin hier, sag doch was“, klammerte sie sich an Shawns Trage.
„Du siehst aus wie eine Barbie, so wunderschön. Wo ist Jorie, meine Königin?“, säuselte er immer noch sehr benommen.
„Zu Hause Shawn, sie ist zu Hause und wartet auf dich“, versprach Erica und sie luden ihn in den Krankenwagen.
„Darf ich mitfahren, ich bin die Schwester“, bat Erica.
„Sicher, steigen Sie ein“, entschied der Sanitäter.
„Bring Mum ins Krankenhaus, wir treffen uns dann am Eingang“, rief Erica ihrem Freund noch zu, während sie wegfuhren.
Vier weitere quälende Stunden vergingen. Mase war stinkig, dass sie ihr nichts gesagt hatten. Arturo, inzwischen wieder mit Hosen an, hing am Telefon um herauszufinden wo sich Mrs. Janson aufhielt während die beiden Frauen an Shawns Bett wachten.
„Sie konnten ihm nichts geben um das Koffein zu minimieren, wir können nur warten. Mum er zittert so, ich hab Angst“, war Erica voller Sorge und ihre Mutter nahm liebevoll ihre Hand.
„Das ist nur das Koffein, keine Sorge. Arturo sieht nicht glücklich aus, ich denk er hat nichts herausgefunden. Du bist also jetzt mit ihm zusammen“, wechselte sie das Thema.
„Ja, aber noch nicht lang. Shawn sieht das nicht so gern“, erklärte sie und ging zu Shawn hin.
„Das hab ich nie so gesagt, Baby. Ich hab mich langsam daran gewöhnt, dass du nicht den perfekten Mann hast“, murmelte Shawn und schlug die Augen auf.
„Shawn, hey da kann ja jemand wieder einen klaren Gedanken fassen, wurde auch langsam Zeit“, freute sich Erica und legte ihren Kopf auf seine Brust, sein Herz raste.
„Ich krieg keine Luft“, keuchte er.
„Entschuldige. Wir haben uns solche Sorgen gemacht“, stand sie wieder auf.
„Ich mir auch. Diese Schlampe hat mir eine Koffeinlösung gespritzt. Wie kam die an meine Schulakte?“ setzte er sich auf. Seine Hände schmerzten.
„Das werden wir herausfinden, Schätzchen. Das wichtigste ist erst mal, dass du wieder ganz gesund wirst“, kam seine Mutter zu ihm hin.
„Mum, Gott sei Dank, ich hatte schon Angst dass du immer noch am Flughafen sitzt“, witzelte Shawn matt.
„Gut, du hast deinen Humor nicht verloren. Schatz, sie haben Jorie entführt“, entgegnete Mase vorsichtig.
„Es gibt keine sie. Es ist Elenora, Jories Stiefmutter“, erwiderte er mit einem Hauch von Hass in der Stimme.
„Was will sie von ihr?“, fragte Erica und Shawn schüttelte den Kopf.
„Ich hab keine Ahnung. Sie hat sie versucht zu vergiften, ich denke sie wollte mich töten um sie zu quälen um sie dann zu töten. Aber ich hab keine Ahnung wieso. Wir müssen sie finden, sonst ist sie bald tot“, entschied er und versuchte aufzustehen.
„Du bleibst schön liegen, Junge. Wir werden alles tun, um das zu schaffen. Aber du bist noch zu schwach. Wir brauchen dich mit all deiner Kraft. Wo hat sie dich fest gehalten?“ drückte Mase ihn auf das Bett zurück.
„Ich hab keine Ahnung, ich denk mal es war eine Yacht oder so. Ihr könntet bei der Küstenwache in Charleston anrufen und fragen, ob Elenora Janson eine Yacht angemeldet hat“, schlug er vor.
„Ich werde es Artie sagen. Ich bin froh, dass du noch lebst, Brüderchen. Wir alle sind das“, erkannte Erica und eilte zu ihrem Freund.
„Sie hat Recht, du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Es tut mir leid, dass ich dich nicht beschützen konnte“, fuhr ihre Mutter über seine noch feuchten Haare.
„Ich bin mir gar nicht mehr sicher, ob ich Jorie noch heiraten kann. Ich konnte sie auch nicht beschützen, obwohl das eigentlich meine Aufgabe war“, wurde er traurig.
„Ach, red nicht so. Du hättest nichts tun können. Jetzt konzentriere dich erst mal auf deine Genesung du hast hier einen Haufen Leute die deine Verlobte sicher wieder zu dir zurückbringen. Und wie ich sehe bekommt ihr bald Unterstützung“, zeigte Mase auf Erika. Was Shawn noch gar nicht aufgefallen war, war dass sie schwanger zu sein schien.
„Ich brauch gerade dringend jemand der meinen besten Freund den Hals umdreht“, bemerkte er und hustete.
„Da kommt schon jemand“, erkannte Mase und zeigte auf zwei Männer in Schottenröcken die angerannt kamen.
„Finley und Aidan, ihr seid spät dran. Warum seit ihr denn schon umgezogen, es gibt heute keine Hochzeit“, begrüßte Mase die beiden mit einer Umarmung.
„Ist uns ja erst in der Kirche gesagt worden. Wir haben gehört Shawn hatte einen Unfall, was ist denn passiert?“ fragte Finley und Aidan küsste Mase was Shawn wieder missfiel.
„Es hat mit kleinen Fesselspielen und Wasser zu tun, mehr sag ich nicht“, entschied Shawn müde.
„Ist da ein kleines Sexspielchen aus dem Ruder gelaufen? Ich hoff du hast Jorie nicht umgebracht. Wo steckt denn die glückliche Braut?“ sah Aidan sich um. Plötzlich fing Shawn an zu weinen.
„Ich erzähl es dir draußen, Schatz. Finley, bleibst du bitte kurz bei Shawn?“, zog Mase ihren Freund auch nach draußen.
„Shawn, was ist los?“ war Finley überfragt in dem was er tun sollte.
Shawn drehte sich zur Wand und Finley ließ ihn allein. Draußen wurde er dann aufgeklärt.
Shawn schwieg den ganzen Nachmittag. Als der Abend einbrach und sich die ganzen Pärchen auf den Stühlen räkelten um etwas Schlaf zu finden stolzierte plötzlich eine Frau mit schwarzer Perücke. schwarzen Lackstiefeln und einem sehr freizügigen Kleid durch die Krankenhausgänge und direkt auf Shawns Zimmer zu. Sie trug eine schwarze Sonnenbrille, aber man konnte noch erkennen, dass es Jorie war.
Neugierig ließ Camelot seine Freundin auf den Sitz gleiten und stand auf um der Frau nachzugehen. Er erkannte sie nicht.
„Shawnie?“ fragte die Stimme säuselnd und Shawn drehte sich um.
„Hi Layla. Nettes Outfit“, bemerkte Shawn fast ohne Emotionen.
„Hab gehört was passiert ist, dumme Sache. Wollt dir nur sagen, dass dein kleines Frauchen jetzt weg ist, endlich sie hat ganz schön genervt. Hab gehört ihr seid jetzt verlobt, schön für euch, mich stört es eher. Wird dich kaum stören, wenn ich dir den zurückgebe. Versuch es ein anderes Mal wieder, den Körper brauch ich noch. Schönen Abend noch“, lüfte Layla ihre Sonnenbrille. Es waren Jories Augen doch keinen Schimmer von ihrer Seele mehr in ihnen. Lustlos ließ sie den Verlobungsring auf das Bett gleiten und stolzierte zur Tür.
„Hey Schlampe, wo willst du hin?“, packte Arturo sie grob am Arm.
„Lass sie gehen Arturo, das ist sie nicht mehr“, drehte sich Shawn wieder zur Wand und der Ring fiel dabei auf den Boden.
„Du hast den Mann gehört, Junge. Schönen Abend noch in eurer schönen Runde“, konterte sie rechthaberisch und stolzierte weiter Richtung Ausgang.
„Was sollte das? Wir hätten sie aufhalten sollen“, konnte Arturo die Ignoranz seines Freundes nicht so ganz kapieren.
„Folge ihr mit Mums Leihwagen, der ist unauffällig. Ruf dann die Polizei an, wenn du weißt wo sie ist“, erklärte Shawn und drehte sich wieder zu ihm.
„Du bist ein echt helles Köpfchen weißt du das eigentlich?“, schmunzelte Arturo.
„Jetzt geh, sonst entwischt sie dir noch“, bat Shawn und Arturo rannte los.
20 Minuten vergingen. Nun saßen alle um Shawns Bett herum und warteten auf den ersehnten Anruf.
„Was ist, wenn sie ihn auch hat?“, warf Erika plötzlich in die Ruhe.
„Er lässt es die Polizei machen, keine Sorge“, versprach Shawn und in dem Moment klingelte das Handy.
„Shawn, ich hab sie. Sie sind in der Schule. Ich geh’ jetzt rein“, flüsterte Arturo in den Hörer.
„Von wegen, du bleibst schön da wo du bist. Wart auf die Polizei“, rief Shawn.
„Sie macht die Fliege, sie räumen grad ihren Spint aus. Und das macht man sicher nicht als erstes wenn man verschwinden will. Die ist bald weg“, flüsterte Arturo und schlich sich ran.
„Warte auf die Polizei“, bat Shawn.
„Die sind jetzt schon ewig hier drin und bis jetzt keine Bullen in Sicht. Ich werde das jetzt selbst in die Hand nehmen, das sind nur zwei Weiber und wie ich sehe unbewaffnet“, entschied Arturo.
„Arturo leg nicht auf, Art …“, hörte er nur noch das Tuten.
„Warum hört denn nie jemand auf mich? Finley rufst du bitte noch mal bei der Polizei an“, war Shawn genervt und Finley ging mit dem Handy nach draußen.
„Sie wird ihm auch irgendwas antun“, war Erika besorgt.
„Jetzt denk mal fünf Minuten an euer Kind. Reg dich nicht so auf“, beruhigte ihre Mutter sie.
„Woher weißt du davon? ich weiß es ja erst seit einer Woche“, war Erika verwundert.
„Eine Mutter weiß das eben. Deine Modelkarriere wirst du wohl jetzt auf Eis legen“, versuchte Mase ihre Tochter etwas abzulenken.
„Ich bin schon seit fast einem Jahr keine Nomadin mehr“, erklärte Erika und setzte sich auf Shawns Bettkante.
„Du könntest mich mit dem Kind mal besuchen kommen“, sagte Mase plötzlich.
„Natürlich. Wenn du uns auch mal öfters besuchst“, erwiderte Erika. Zum ersten Mal seit langer Zeit schien auf diesem Krankenbett die Familie wieder zueinander gefunden zu haben.
Wieder 20 Minuten den Schweigens. Erika schlief schon fast auf dem Schoss ihres Bruders, als das Handy wieder klingelte. Erika schreckte auf und griff nach dem Handy, so hektisch, dass es runter fiel.
„Ja“, meldete sie sich hektisch.
„Was schnaufst du so? Alles in Ordnung?“, meldete sich Arturo von der anderen Seite der Leitung als wäre nichts gewesen.
„Das könnte ich dich fragen. Wir warten sehnsüchtig auf deinen Anruf. Was ist passiert?“ atmete Erica tief durch.
„Ich war gerade etwas gefesselt. Ich glaub ich hab mir mein Handgelenk gebrochen. Sie sind weg. Ich werde niemals mehr eifersüchtig auf Shawns und Jories kleine Fesselspielchen sein, das verspreche ich. Ich bin grad auf dem Weg zu euch. Man, tut meine Hand weh, sagt draußen schon mal, dass ich komme. Die Polizei hier ist ein Dreck, wirklich. Ich liebe dich das weißt du doch, oder?“ erklärte er mit Schmerz in der Stimme.
„Natürlich, Liebling. Jetzt komm erst mal wieder zurück, dann reden wir“, legte sie auf.
„Tut mir leid, dass ich Jorie eine Schlampe genannt habe“, entschuldigte sich Arturo, als seine Hand versorgt wurde.
„Schon gut, sie ist auch eine jetzt, irgendwie. Tut’s arg weh?“ rollte Shawn mit seinem Rollstuhl auf den Untersuchungstisch zu, auf dem Arturo saß und seine Hand geschieht bekam.
„Es geht. Wie bist du da eigentlich raus gekommen, ohne dir was zu tun?“, wollte Arturo wissen.
„Volle Konzentration und Selbstbeherrschung!“
„Ehrlich?“
„Nein, ich hab Glück gehabt, ich hab Vaseline auf dem Tisch zu fassen bekommen. Ich will gar nicht wissen, für was sie die brauchte. Wie auch immer hat ewig gedauert du hast es mit Gewalt gemacht. Jetzt wo du Vater wirst, sind wir wohl auch bald verwandt“, erwiderte Shawn und lächelte.
„Ich werde Vater? Davon wusste ich noch gar nichts. Aber heute wundert mich gar nichts mehr. Wir werden sie lebend wieder finden, das verspreche ich, wir werden diese verdammte Hochzeit feiern, es ist noch keine Hochzeit geplatzt, auf der ich Trauzeuge war“, entgegnete er und guckte gespielt streng.
„Immer der Trauzeuge niemals der Bräutigam, was?“ scherzte Shawn. Das erste Mal seit 24 Stunden dachte er mal 5 Sekunden nicht an Jorie.
„Sie hat mich vergewaltigt“, platzte es plötzlich aus Shawn heraus.
„Ich weiß, sie hat vor mir damit angegeben, wie „toll“ du warst. Das tut mir leid“, entgegnete Arturo fürsorglich.
„Die Mädchen und vor allem Mum dürfen nichts davon erfahren, ja?“, bat Shawn und Arturo nickte ohne ein weiteres Wort.
„Was dürfen wir nicht erfahren?“, kam Erica in den Raum.
„Was für ein schlechter Verlierer dein Bruder ist. Er rastet doch ständig aus beim Monopoly spielen. Hey, du hast mir was zu trinken gebracht, nett“, zog Arturo sie zu sich auf den Untersuchungstisch.
„Ah ja, ihr müsst es mir ja nicht sagen. Nein, das Wasser ist für meinen Bruder. Hier“, gab sie ihm das Wasser. Shawns Hände zitterten noch furchtbar, so dass er nicht trinken konnte.
„Ich halt es, ist schon gut“, erwiderte sie fürsorglich und hielt es ihm an den Mund.
„Diese Schlampe hat mich zum Gottverdammten Krüppel gemacht“, wurde Shawn wütend, kickte den Becher auf den Boden und rollte aus dem Zimmer.
„Wir müssen sie für ihn finden“, sah Erica ihren Freund an.
„Ich weiß!“, entgegnete er tonlos und legte den Arm um sie.
Shawn starrte aus dem Fenster. Es regnete. Hoffentlich saß Jorie irgendwo im Trockenen. Er sah auf die Uhr. Beinahe Mitternacht. Um Mitternacht hätte ihre Trauung stattgefunden. Er konnte nicht glauben, dass er den Valentinstag allein feiern sollte. Die Nachtschwestern hängten kleine Herzgirlanden am Tresen auf. Als eines der Herzen riss, wusste er, dass das seins symbolisierte.
„Hey Shawn, komm es wird Zeit fürs Bett, das war ein langer Tag“, stand seine Mutter plötzlich hinter dem ganz in Gedanken versunkenen Shawn.
„Ich bin nicht müde, Mum“, erkannte Shawn und starrte die Wand an.
„Doch bist du. Komm ohne Kräfte kannst du gar nichts ausrichten. Du wirst diese Frau heiraten, dafür gebe ich dir mein Mutter-Ehrenwort. Weil ich dieses Mädel vergöttere. Komm“, gestand Mase und schob ihn zurück ins Bett.
Es war die erste Stunde am Valentinstag als die gesamte Fitzpatrick Familie samt Anhang und Freunden friedlich in einem Zimmer einschliefen.
Dank Finleys Versprechen Shawn medizinisch zu versorgen durfte er schon am nächsten Morgen wieder aus dem Krankenhaus raus.
„Wissen die, dass du heut Nachmittag wieder heim fliegst?“
„Wenn du das nicht verrätst, sag ich auch nichts von deinem Herzstillstand vor nicht mal 6 Monaten. Mal sehen, vielleicht komm ich zu deiner Hochzeit diesmal mit meiner Familie. Ihr geht es nicht so gut, deshalb muss ich so bald wie möglich wieder heim. Aber ich bring dich noch heim. Mein Leihwagen ist unauffälliger. Nur für den Fall das sie noch mal auf die Idee kommt“, schob er ihn Richtung Ausgang.
In ihrer Wohnung warteten schon die anderen. So war die Wohnung verdammt voll.
„Ich werd’ ins Bett gehen“, war Shawn nicht in bester Laune und wankte Richtung Schlafzimmer.
„Shawn, was ist denn los?“ fragte Erica und Shawn knallte die Tür vor ihrer Nase zu.
„Lass ihn, ist immer noch kein guter Tag heute. Ich klemm mich wieder ans Telefon und versuch die Küstenwache von Charleston zu erreichen. Irgendwo muss doch diese Yacht zu finden sein“, erklärte Arturo und ging zum Telefon.
„Lorelai“, stieß Arturo plötzlich aus und knallte den Hörer auf.
„Gesundheit“, bemerkte Aidan aus der Ecke regungslos der gerade die Zeitung las.
„Sie heißt Lorelai. Die Yacht die jetzt auf Elenora Jansons Namen läuft. Sie wurde vor zwei Wochen aus dem Hafen in Charleston in den Großen Salzsee transportiert. Als wäre das gar nicht auffällig eine Yacht in dieser Kloake. Aber heute Morgen um 6 Uhr lief sie wieder in ihrer Anlaufstelle in Charleston ein und steht jetzt dort“, erzählte Arturo freudestrahlend.
„Ganz toll, sie hat das Boot wieder auf ihren alten Platz gestellt, Wahnsinn“, war Erica, die auch las, nicht begeistert.
„Shawn wurde auch auf dem Boot festgehalten, warum nicht auch Jorie“, schlussfolgerte er.
„Weil sie dort nicht festgehalten wird, sie ist freiwillig dort“, war Shawn von dem Krach wach geworden. Er schien wieder geweint zu haben.
„Sie wird unter Drogen gesetzt, das ist doch kaum freiwillig“, verteidigte Erica sie und senkte ihre Zeitung.
„Ich hab sie gehen lassen, wegen einer meiner blöden Idee. Wenn sie stirbt, werde ich mir das nie verzeihen“, gestand Shawn und setzte sich aufs Sofa.
„Jetzt hör auf so zu reden, wir werden uns jetzt etwas frei nehmen und nach Charleston fahren. Wir finden sie, dafür sorg ich schon“, erwiderte Erica mit einer ernsten Stimme, die einem Angst machen konnte.
„Ich hab noch eine Woche Urlaub wegen den Flitterwochen. Ich werde allein gehen“, entgegnete Shawn und stand auf. Dabei wurde ihm schwindelig und er fiel zurück aufs Sofa.
„Kommt gar nicht in die Tüte, du bist grad aus dem Krankenhaus raus. Ich werde mitfahren, ich hab eh’ noch Urlaub“, konterte seine Mutter.
„Von wegen ich geh’ doch nicht mit meiner Mutter die mich am Händchen hält“, wurde Shawn wütend.
„Dann geh’ ich mit. Ich bin schließlich dein bester Freund. Ich werde den Wagen auftanken gehen und packen, wir treffen uns in zwei Stunden wieder hier“, stürmte Arturo aus dem Zimmer.
„Ich muss nicht bemuttert werden, verflucht“, stand Shawn auf und sackte auf die Knie.
„Aber wir machen es doch so gerne“, entschied Erica etwas ironisch und half ihm auf.
„Ihr solltet die Polizei das erledigen lassen, sie hat euch schon fast umgebracht, sie wird nicht zögern es noch zu tun“, schlug Mase vor und Shawn versuchte fest auf seinen Beinen zu stehen.
„Diese scheiß Polizei macht doch überhaupt nichts. Sie haben mich ja nur gefunden, weil ich an Land gespült wurde und da musste ich noch laut schreien, dass mich die Küstenwache gesehen hat. Ich hab keine Angst vor dieser Frau. Nicht mehr. Ich hab eine Stinkwut in meinem Bauch und ich werde das regeln. Du passt auf meine Schwester auf, verlasst am Besten das Haus in den nächsten Tagen nicht, oder nur in Begleitung. Ich ruf euch an, wenn wir angekommen sind“, versuchte er weiter stehen zu bleiben, seine Beine zitterten aber immer noch wie Wackelpudding.
„Junge, du kannst kaum stehen“, erkannte Mase.
„Das heißt nicht, dass ich meinen Mann nicht stehen kann, Mum. Meine Frau ist vermutlich in größter Gefahr und keine Schwiegermutter dieser Welt kann mich davon abhalten, sie jetzt da raus zu holen“, wurde er richtig wütend.
„Frau? Gibt es da was, was ich wissen sollte“, wurde Erica hellhörig.
„Also gut, ja wir sind schon verheiratet. Ungefähr zwei Wochen. Wir hatten schon vermutet, dass ihre Mutter so etwas abzieht. Tut mir leid, wir wollten nur sicher gehen, dass ich im Fall des Falles zu ihr kann, falls was passiert. Hey, guckt mich nicht so schockiert an, auch ich mach manchmal spontane Sachen. Ihr beide vergöttert sie, seit bloß nicht böse, dass wir das ohne euch gemacht haben, wir haben ja schon eine Hochzeit für alle geplant. Ich bin zu erledigt um eure Standpauke zu bekommen“, setzte er sich müde aufs Sofa.
„Du bist schon verheiratet?“ fragte Mase.
„Das wollt ich damit sagen, ja!“
„Sei bloß froh, dass du grad krank bist, sonst würde ich dich übers Knie legen. Herzlichen Glückwunsch“, umarmte seine Mutter ihn.
„Das ist ein Trick, sei vorsichtig“, beäugte Erica die Situation.
„Sei du bloß still, wenn du noch nicht verheiratet bist, bis das Kind geboren bist, wird Mum dich sicher auch übers Knie legen“, bemerkte Shawn und Mase nickte.
„Immer auf die Kleinen, aber echt hey“, murrte sie und Sekunden später lagen sich die Familie in den Armen.
Eine halbe Stunde später standen alle vor Arturos Auto und packten die Sachen weg.
„Warum fahren wir eigentlich nicht mit meinem Wagen?“, motzte Shawn und lehnte sich aus dem alten Dodge seines Kumpels.
„Weil dein Wagen noch auf der Polizeiwache steht und hoffentlich auch da stehen bleibt. Kopf rein“, drückte Arturo ihn in den Beifahrersitz und knallte die Tür zu.
„Lass ihn nicht fahren, auch wenn er das will“, lehnte sich Erica zu ihrem Freund.
„Sicher nicht. Schöner Valentinstag noch, Schatz“, küsste er seine Freundin und düste los.
„Warum sind wir eigentlich nicht geflogen?“ fragte Shawn, als er zum dritten Mal auf die Toilette rannte. An der Kalkwand standen Gedichte auf dieser hässlichen Toilette.
„Weil, mein Freund und Helfer, ich bald Vater werde und gerade mal 200 $ gespart habe. Kommst du jetzt mal zu Potte?“, war Arturo etwas gereizt.
„Es brennt, verdammt“, murrte Shawn kleinlaut.
„Hast du dir nenn Tripper geholt, oder was?“
„Ich bin müde, ich pinkele grad daneben und ich brauch ein Bier, also nerv mich nicht“, machte er seine Hose zu.
„Sorry, ich hab heut Nacht auch nicht viel geschlafen. Du weißt doch, dass ich deine Schwester wirklich liebe“, wurde Arturo plötzlich sentimental und Shawn wusch sich die Hände.
„Das will ich auch hoffen. Fahren wir weiter“, schüttelte er seine Hände trocken und ging aus der Tür.
„Wirkt dein Nikotinpflaster nicht mehr?“, fragte Shawn als sie wieder eine Weile gefahren waren.
„Weil ich so unausstehlich bin?“
„Nein, weil du seit geschlagenen 100 Meilen auf dem Armaturenbrett herum trommelst. Du machst mich wahnsinnig“, sah er aus dem Fenster.
„Ich hab es schon länger nicht gewechselt. Du hast recht“, suchte er zwischen Shawns Knien herum.
„Hey, was zum Henker machst du da?“, war Shawn erbost.
„Ich hab die Pflaster im Handschuhfach“, erklärte Arturo und Shawn drückte seine Beine zur Seite.
„Sag doch was, ich geb sie dir“, konterte Shawn und holte sie ihm heraus.
„Machst du mir das Pflaster drauf?“, krempelte Arturo seinen Ärmel hoch.
Sein Arm zierte eine große Narbe.
„Wo ist deine Tätowierung?“, fragte Shawn etwas irritiert.
„Ich hab sie wegmachen lassen. Hat mir nicht mehr gefallen“, erklärte Arturo kühl.
„War dir zu schwuchtelig was?“
„Nein, war einfach nicht mehr schön. Klebst du jetzt, oder nicht?“, wurde Arturo einsilbig.
„Da steckt doch was anderes dahinter“, war Shawn neugierig.
„Nein, gar nichts. Man, tut das gut“, lehnte sich Arturo zurück.
„Hab ich dir schon mal gesagt, wie toll ich das finde, dass du das Rauchen aufgeben hast?“, sagte Shawn plötzlich.
„Hab ich nicht dir zu liebe getan, nur wegen Erica. Trotzdem danke“, steckte er sich ein Kaugummi in den Mund.
„Das ist hoffentlich kein Nikotinkaugummi“, hoffte Shawn.
„Hältst du mich für total dämlich, das ist Pfefferminz. Ich brauch dringend ein Nickerchen, ich fahr mal raus“, erklärte Arturo und tat dies.
Shawn schaltete das Licht an. Es wurde langsam dunkel. Eine klare Nacht lag vor ihm. Sehnsüchtig dachte er an seine Frau. Er hoffte so, dass es ihr gut ging. Arturo schlief schon einige Stunden. Er hatte nicht gemerkt, dass Shawn weitergefahren war. Er zitterte nicht mehr sehr, aber Arturo zuckte ab und zu. Vielleicht träumte er auch. Irgendwie war es seltsam. Zum ersten Mal konnte sich Shawn, Arturo als Schwager vorstellen. Erica hatte ihn verändert. Er trank nicht mehr, hatte das Rauchen aufgehört und liebte nur eine Frau. Hoffte er zumindest.
Es war fast 2 Uhr nachts, als er in Charleston einfuhr. Im gleichen Hotel wie das letzte Mal fiel er todmüde ins Bett. Arturo schlief friedlich weiter im Auto. Da konnte er auch bleiben. Er fror furchtbar. Während er den Shopping-Sender laufen ließ schlief er ein.
Lautes Hämmern weckte Shawn am nächsten Morgen. Er öffnete die Augen und sah in die Glotze. Seine Augen brannten.
„Shawn, mach auf, sofort“, rief Arturo von draußen.
„Schrei doch das ganze Hotel zusammen“, murrte Shawn und öffnete in Boxershorts die Tür.
„Hast du nicht was vergessen?“, trat Arturo ein.
„Du hast so friedlich geschlafen“, rieb sich Shawn die Augen.
„Das mein ich nicht, du solltest doch nicht fahren“, ging er Richtung Badezimmer.
„Wir sind nicht auf Urlaubsreise, wir müssen zum Boot“, entschied Shawn und zog seine Hose an.
„Lass mich erst mal duschen, nur nicht hetzen“, schlug er die Tür vor ihm zu.
Als Arturo endlich aus der Dusche kam, war Shawn schon fast wieder im Wagen.
„Warte mal, Highlander. Wie stellst du dir das vor, du gehst da einfach rein und holst sie raus?“
„Ja, so hatte ich mir das vorgestellt. Oder was hast du vor?“
„Also ich hatte eigentlich nicht vor Rambo zu spielen. Einerseits, weil ich weiß wie verrückt die Alte ist, andererseits weil ich gehandicapt bin. Und du auch. Wir sollten die Polizei einschalten“, schlug Arturo vor.
„Und dann verhaften sie beide. Das ist Familiensache“, konterte er mit fester Stimme.
„Deine Schwiegermutter ist eine Wahnsinnige, das können wir wohl kaum hinter verschlossenen Türen regeln, glaubst du nicht auch?“, entschied Arturo.
„Warum zum Teufel sind wir dann hier?“
„Wir holen sie da raus, aber ohne Gewalt. Okay, vielleicht ein bisschen Gewalt, ich hab grad so eine Lust dieser Armani-Tussi kräftig in ihr Hinterteil zu treten. Fahren wir zur Küstenwache, wenn sie noch auf See sind, können die sie am besten raus holen. Guck mich nicht so an, ich werde Vater, ich muss auf meine Gesundheit achten“, entschied er und Shawn grinste.
„Kein Bier mehr nach Feierabend?“
„Hast du was an der Backe, das trägt zu meiner seelischen Gesundheit bei. Jetzt komm, bevor wir keinen mehr erwischen“, schmunzelte Arturo und so gingen sie festen Schrittes zur Zentrale der Küstenwache.
Entweder sie hatten schon auf sie gewartet, oder sie sahen so mitgenommen aus, nicht mal eine Stunde später düsten sie mit einem Boot der Küstenwache der Yacht entgegen.
Als sie sich der „Lorelai“ näherten jauchzte Shawn fast auf.
„Hegen Sie nicht so viel Vorfreude, es sieht verlassen aus“, ermahnte einer der Offiziere ihn.
„Sie sind vermutlich unter Deck, mich hat hier auch keiner gefunden“, wollte Shawn nicht so leicht aufgeben.
„Okay, einen Versuch ist es wert. Lorelai, hier ist die Küstenwache. Bitte kommen Sie an Deck, ansonsten müssen wir reinkommen“, sprach der Offizier über den Lautsprecher. Keine Reaktion. Er versuchte es noch zwei Mal. Dann enterten sie das Schiff.
Shawns Herz raste, als er dem Küstenoffizier hinter her schlich. Er wagte kaum zu atmen. Er spürte Arturos Atem aber dafür deutlich.
„Könntest du einen kleinen Schritt nach hinten gehen bitte?“, zischte er und schupste ihn zur Seite.
„Hey“, wurde er wütend und schupste ihn zurück. Schnell geriet der Streit in eine Prügelei. Arturo war stärker und knallte Shawn gegen einen Schrank. Dabei löste sich die Tür und fiel ab. Etwas Schweres knallte mit der Tür auf ihn.
Shawn wurde bewusstlos. Als er sekundenspäter aufwachte, ragte ein Arm von der Tür herunter. Er packte den Arm. Er war eiskalt.
„Artie, bist du das?“ fragte er benommen.
„Dann wär ich ganz schön eiskalt, man“, keuchte Arturo einen Meter weiter an der Wand gelehnt.
„Das ist ne Leiche, richtig?“
„Jep!“
„Dann mach ihn runter, verdammt“, zeterte er und die Last wurde von ihm genommen. Es war der Offizier der ziemlich bös drein sah.
„Kann einer der Herren mir verraten, was das sollte?“, fragte er gelassen.
„Eine Prügelei, sollten sie auch mal versuchen. Befreit echt“, stand Arturo auf.
„Ich wollt eigentlich grad sagen, mit dem Lärm weckt ihr Leichen auf, aber das hat sich dann wohl erledigt. Ne Ahnung wer der Kerl ist?“, half der Offizier Shawn auf.
„Ihr Butler, denk ich mal. Hab ihn nicht so richtig gesehen. Gab wohl ein wenig Streit unter Liebenden. Direkt in die Brust, sehr nett. Da sieht wohl jemand dunkelrot“, tat Shawn gefasst, ihm schlotterten aber immer noch die Knie.
„Mrs. Janson liegt im Wohnzimmer. Ihre Serie endet wohl hier mit einer unspektakulären Reihe von Schlaftabletten. Hier ist keiner mehr am Leben. Das ist nun ein Tatort, ich bitte sie diesen jetzt zu verlassen“, bat der Offizier und Shawn sah Richtung Wohnzimmer.
„Und meine Frau?“, fragte er stockend.
„Sie ist nicht hier“, bemerkte der Kerl trocken.
„Heißt das, dass sie tot ist, oder dass sie einfach nicht hier ist?“ fragte er mit zitternder Stimme.
„Wir haben sie hier nicht gefunden, keine Ahnung, ob sie noch lebt. Wir geben Ihnen dann Bescheid“, versprach der Offizier.
„Wir geben Ihnen Bescheid, das ist alles. Hören Sie mal zu, ich hab seit mindestens 3 Tagen nicht mehr geschlafen und hab grad mal so einen Mordanschlag überlebt, ich lass mich nicht einfach mit „Wir geben Bescheid“ abwimmeln. Was werden Sie jetzt unternehmen?“, wurde Shawn stinkwütend.
„Sie haben schon viel zu viel gesehen, bitte verlassen Sie jetzt den Tatort“, entgegnete der Offizier mit ernster Stimme.
„Komm Shawn, lass uns gehen“, versuchte Arturo seinen Freund zu beruhigen.
„Das ist nicht das Ende. Sir, das ist nicht das Ende“, murmelte Shawn und ging ziemlich durcheinander zurück auf Boot der Küstenwache.
Drei Monate gingen ins Land. Shawn dachte jede Sekunde an seine Frau. Er rief so oft bei der Küstenwache in Charleston an, dass sie ihn gar nicht mehr durchstellten.
Shawn knallte seine alten Joggingschuhe in eine Umzugkiste. Er hatte in seinen Anfängen als Lehrer oft zu Frustabbau gejoggt. Jetzt hatte er keine Zeit mehr dafür gefunden. Vielleicht sollte er nun wieder damit anfangen.
„Kannst du mir mal verraten was du da machst?“, kam Erica zu ihm. Ihre Schwangerschaft wurde langsam deutlich sichtbar.
„Ich räum meinen Schrank aus, nach was sieht es denn sonst aus?“
„Das seh’ ich schon. Aber warum tust du das?“
„Ich arbeite nicht mehr hier, sie brauchen den Schrank. Solltest du nicht in der Bücherei sein?“
„Und du im Unterricht. Was willst du damit beweisen?“
„Gar nichts, ich brauche jetzt Zeit für mich. Ich werde rechtzeitig zum Baby zurück sein, versprochen“, verabschiedete sich Shawn von seiner Schwester.
„Das ist alles?“
„Sieht ganz so aus. Ist Arturo im Unterricht? Ich will mich noch von ihm verabschieden“, erwiderte Shawn kühl.
„Wohin willst du?“, fragte Erica, den Tränen nahe.
„Das willst du nicht wissen, Kleines. Ich hab dich lieb“, umarmte Shawn sie mit der Kiste in der Hand und ging Gedanken versunken den langen Gang hinunter zum Ausgang.
Die Schulklingel schellte. Shawn stieß sich von seinem neuen Wagen ab. Er hatte sich einen einfachen Chrysler gekauft. Jorie hatte nach dem Tod ihrer Stiefmutter alles geerbt und solang sie verschwunden war, verwaltete er das Geld. Er lebte jetzt nicht in Saus und Braus. Nur den Wagen hatte er sich gekauft. Sein Wagen war nicht mehr angesprungen.
„Du wolltest mich sprechen?“, kam Arturo auf Shawn zu.
„Ich wollt mich nur verabschieden“, bemerkte er mit der gleichen Kühle wie er seine Schwester verabschiedete.
„Hab ich gehört. Wohin willst du?“
„Keine Ahnung. Weg eben. Du passt auf meine Schwester auf, ja?“, entschied Shawn und Arturo nickte.
„Wir werden dich hier alle vermissen“, wurde Arturo sentimental.
„Nein, werdet ihr nicht, aber ist trotzdem lieb. Ich werde mal anrufen, wenn ich Telefon habe. Jetzt geh, du verpasst sonst deine Kaffeepause“, wollte Shawn los.
„Du bist so ein Blödmann, ich hoffe du weißt das“, entgegnete Arturo und nahm ihn in die Arme.
„Ja, ich weiß“, wischte Shawn sich eine Träne aus dem Auge und stieg in den Wagen.
Shawn fuhr lange Zeit einfach so in der Gegend rum. Er besuchte Cape Canaveral, weil er dort schon in seiner Studienzeit gewesen war, verbrachte den Sommer über in Fort Lauderdale wo er sich mit jede Menge Drinks und langen Partynächten ablenkte, bis er an einem Tag im Oktober wieder in Charleston einfuhr. Er hatte jetzt wieder lange Haare, die er mit einem Haushaltsgummi zurück gebunden hatte. Er hatte seine Kontaktlinsen vor einer ganzen Weile in irgendeinem Pool verloren und musste sich so eine Brille aus dem Supermarkt kaufen, die nicht grad schön aussah. Er war nicht gerade eine Augenweide. Er betrachtete sich im Spiegel des Diners. Seine Augen waren verquollen. Er war gerade fast 1000 Meilen gefahren und saumüde. Er setzte seine Brille ab und reinigte sie.
„Junge, du brauchst dringend Schlaf“, redete er mit sich selbst.
„Das brauchst du wirklich. Hast ziemlich lang gebraucht bis hier her“, entschied eine bekannte Stimme und er drehte sich um. Da stand niemand.
„Ganz dringend“, murmelte er und drehte sich wieder zum Spiegel.
„Führst du schon Selbstgespräche?“, war die Stimme wieder da. Doch jetzt stand er neben ihm.
Shawn erschreckte sich furchtbar und ließ seine Brille fallen. Sie sprang in alle Einzelteile.
„Ich seh’ zwar nicht mehr so viel, aber ich trau meinen Ohren nicht. Kenzie, bist du das?“, kniff er die Augen zusammen.
„Begrüßt man so seinen großen Bruder, also echt“, entschied Kenzie Fitzpatrick, Shawns 4 Jahre älterer Bruder seinen halbblinden Blutsverwandten. Shawn hatte ihn eine halbe Ewigkeit nicht mehr gesehen.
„Ist Mum was passiert?“ fragte Shawn verwirrt.
„Nein Mum geht’s blendend. Ich mach mir Sorgen um dich, Mum schickt mich. Also macht sie sich eher Sorgen um dich. Das mit deiner Frau tut mir leid, aber du kannst doch nicht einfach aufhören zu arbeiten. Du liebst deinen Job doch“, versuchte Kenzie seinen kleinen Bruder von etwas zu überzeugen.
„Du weißt gar nichts über mich, großer Bruder. Ich hab meinen Job gehasst, diese ganzen arroganten amerikanischen Kids, die keine Ahnung von der Geschichte ihres Landes geschweige denn von Europas Geschichte haben. Ich werde irgendwo arbeiten, wo man mich respektiert, vielleicht geh’ ich zurück nach Hause, wer weiß“, wusch er sich sein Gesicht im Waschbecken.
„Du hast eine Amerikanerin geheiratet, das glaub ich eher nicht. Meine Einladung zu dieser Hochzeit ist wohl in der Post verloren gegangen wie es aussieht. Übrigens für jemanden der gerade 20 Millionen Dollar geerbt hat, siehst du echt elend aus“, sah Kenzie an seinem Bruder herunter. Kenzie trug wie immer einen schicken Drei-Teiler.
„Ich hab das Geld nicht geerbt, ich verwalte es nur bis meine Frau wieder auftaucht. Du glaubst doch nicht etwa, dass ich das geplant hab, oder?“ wurde Shawn wütend und drängte ihn gegen die Wand.
„Hab ich nicht gesagt. Man, du bist echt am Ende, Bruderherz. Komm lass uns heimfahren“, entgegnete Kenzie und rückte seine Krawatte zurecht.
„Von wegen, er wird jetzt nicht nach Hause fahren, wenn er schon mal hier ist“, kam noch eine bekannte Stimme in die Toilette.
„Was soll das werden, eine Invasion, wer weiß noch, dass ich hier bin?“ fragte Shawn, Arturo.
„Nur noch Erica, sie wartet draußen, ist schließlich ne Männertoilette“, erkannte Arturo.
„Ist hier sonst noch jemand drin? Die Damentoilette ist belegt und ich muss dringend mal“, steckte Erica den Kopf hinein.
„Erica, was soll das, du könntest jeden Tag dein Kind bekommen“, ärgerte sich Shawn.
„Also ganz sicher nicht hier auf der Toilette, dafür ist es hier zu dreckig. Jetzt lass mich durch, meine Blase drückt“, schob sich Erica mit kugelrundem Bauch zwischen den Männern hindurch in die Toilette.
„Oh man, ich hab gar nicht gemerkt wie schön ruhig es ohne euch war. Also ich muss jetzt los“, wollte Shawn von dem Gedränge fliehen.
„Haltet ihn auf“, rief Erica von drinnen und Kenzie und Arturo verbarrikadierten die Tür.
„Leute, ich kann meine Frau nicht finden, wenn ihr wie eine Klette an mir hängt. Ich muss das allein machen“, entschied Shawn standfest.
„Netter Wagen, der ruckelt wenigstens nicht so wie Arturos Laube“, entschied Erica, als sie ein paar Minuten später neben Shawn in seinem Auto saß.
„Versteh’ mich nicht falsch, ich freu mich riesig dass ihr da seid, aber ich will euch nicht dabei haben“, konterte Shawn und Arturo lehnte sich zu ihnen zur Seite.
„Du wiederholst dich, Kumpel. Du wirst das nicht allein durchstehen, wir werden so lang dabei sein, bis sie wieder bei dir ist. Das sind wir dir schuldig und da ich grad ein wenig Urlaub hab, ist mir eh’ langweilig“, erklärte Arturo.
„Das kann ja was werden. Aber ihr haltet euch im Hintergrund ja“, entschied er.
„Von wegen, das kannst du vergessen, ich brauch Action“, war Arturo voll in Fahrt. Blitzschnell hatte er Shawns 9mm an der Schläfe.
„Shawn, das ist ne Knarre“, keuchte er erschreckt.
„Ach wirklich, du wolltest doch Action“, ließ er die Waffe wieder sinken.
„Wo hast du die denn her?“
„Aus dem Second Hand Shop, was denkt du wohl?“, erwiderte er sarkastisch.
„Du kannst doch mit Waffen gar nicht umgehen!“
„Ich hab in Florida meine Zeit nicht nur auf Partys vertrödelt. Ich will sie zurück, gegen jeden Preis“, stand Shawn die Vernunft nicht grad ins Gesicht geschrieben.
„Shawn das Ding macht mir Angst“, bekam Erica Panik.
„Gib sie mir, bitte“, bat Arturo vorsichtig. Shawn gab sie ihm und er nahm sie an sich.
„Kriegt ihr euch da hinten wieder ein, oder muss ich dazwischen gehen“, fauchte Kenzie der den Wagen fuhr.
„Alles klar, Kenzie, ich brauch nur Schlaf“, rieb sich Shawn die Augen und Kenzie bog in den Parkplatz des Microtels ein.
Shawn schlief fast 12 Stunden bis Erica ihn sanft damit weckte, indem sie ihm über die Stirn fuhr.
„Hey Schlafmütze, es ist schon Mittag, wir sollten los“, säuselte sie und er grinste zufrieden.
„Nur noch fünf Minuten, Mum“, murmelte er schlaftrunken.
„Mum? Ich geb dir gleich eine. Jetzt steh’ auf, Kenzie ist schon im Auto unten“, wurde sie ärgerlich und er öffnete die Augen.
„Oh man, ihr seid ja immer noch da, ich dachte ich hätte nur schlecht geträumt. Euch ist schon bewusst, dass wir alle drei in einem Bett liegen?“, sah Shawn sich um.
„Ist nur eins da“, umschlang Arturo mit seinem Arm den Bauch seiner Verlobten.
„Ja, klar. Ich werde mich anziehen gehen“, entschied er verwirrt und sah dem Pärchen zu, wie es sich auf dem Bett knutschte.
„Habt ihr das heut Nacht auch gemacht?“, fragte er etwas angeekelt.
„Klar!“
„Ich brauch ein eigenes Zimmer, das steht fest“, knallte er die Tür des Badezimmers zu.
„Seit wann ist er so verklemmt?“, wunderte sich Arturo.
„Seit seiner Geburt glaub ich. Wo wollen wir jetzt eigentlich hin?“
„Wir gehen nirgendwo hin, ich gehe, du bleibst schön hier“, entschied Arturo und stand auch auf.
„Nein falsch, ich gehe und du passt schön auf meine Kleine auf. Und meinen Neffen auch, ja“, kam Shawn mit nackten Oberkörper aus dem Badezimmer.
„Wir sagten doch, wir helfen dir. Und das bedeutet auch beim Suchen. Aber du bleibst hier, ich will nicht, dass Adam auf irgendeinem Rücksitz zur Welt kommt. Du bleibst hier in diesem Bett liegen, lässt dich von irgendeiner Talkshow berieseln und eh’ du dich versiehst, sind wir schon wieder zu Hause“, versprach Arturo.
„Du hast wohl ne Macke, ich bin kein Krüppel“, murrte sie.
„Jetzt gerade schon. Man, Adam klingt irgendwie nicht so gut, wie wär’s mit Arturo Junior“, schlug Arturo als Namen vor.
„Bringt mir Eiskrem mit“, gab sie nach.
„Bist ein braves Kind. Ich liebe dich“, küsste er sie und sie gingen, nachdem Shawn sich ein T-Shirt übergezogen hatte. aus dem Hotelzimmer.
„Also, wo willst du anfangen zu suchen?“, fuhr Kenzie los.
„Ich will sie nicht suchen, ich will nur in ihrer Nähe sein“, philosophierte Shawn.
„Fahren wir zum Haus, vielleicht wissen ihre Schwestern was!“
Sie mussten nicht lang fahren um zur Villa der Jansons zu kommen.
„Okay, wir sind da, wie willst du hier rein kommen?“ fragte Shawn nicht begeistert.
„Klingeln wär nicht schlecht“, entgegnete Arturo und grinste.
„Mach das, sie ist sowieso nicht dort“, war das Shawn eigentlich ziemlich egal.
„Dein Ehrgeiz ist wirklich erschlagend. Beweg deinen Arsch aus dem Wagen und komm“, wurde Arturo sauer und schupste ihn aus dem Wagen.
„Hey, du brauchst gar nicht so grob zu sein, ich komm ja schon“, rappelte er sich auf.
„Wir werden jetzt deine Frau zurückholen, dass du wieder in dein Leben zurückehren kannst“, zerrte er ihn zur Tür.
Shawn atmete zwei Mal tief durch und dann klingelte er.
„Shawn, was willst du?“ fragte Adriana, die ihn schon kommen gesehen hatte.
„Adriana, ich muss mit euch reden“, bat Shawn. Sekunden gab es nur Schweigen.
„Kannst du mir vielleicht Isabel her holen?“
„Schwager, ich bin 18, ich kann für mich selbst sprechen. Also gut, komm hoch. Und bring deinen Knackarsch von Freund mit“, sprach sie durch und die Tür ging mit einem Tuten auf.
Shawn war noch nie in der Villa gewesen. Legal zumindest. Sie war protzig, aber nicht zu sehr. Adriana saß auf dem Sofa des offenen Wohnzimmers und las eine Zeitschrift.
„Also, was willst du?“ fragte sie ohne aufzusehen.
„Wo ist sie?“
„Einkaufen, du kannst aber auch mit mir reden“, senkte sie die Zeitschrift.
„Ich red nicht von Isabel, wo ist Jorie?“
„Sie ist deine Frau, was weiß ich“, reagierte sie ziemlich arrogant.
„Hey, du kleine Nutte, deine Arroganz gefällt mir gar nicht. Sag es“, wurde Arturo wütend und ging auf sie zu.
„Lass sie Artie, sie hat kein Geld mehr und ihre Mutter ist tot, sie braucht was zum aufgeilen“, griff Shawn sie an und das mit dem gleichen arroganten Ton.
„Ach, wir haben liebe Gäste. Ach nein, nur die schrecklich liebe Verwandtschaft. Hi Shawn, ist dir die Knete schon ausgegangen?“, kam Isabel mit Einkaufstüten durch die Tür.
„Kann es sein, dass ihr euch schon mal getroffen habt?“ war Arturo verwundert.
„Er ist unser Schwager, natürlich. Die drei Millionen Mal die er bei uns angerufen hat, ich weiß auch, dass du bei der Beerdigung von Mum warst. Plagen dich etwa immer noch diese Schuldgefühle deswegen. Armer Schwager!“ erklärte Isabel und kam auf sie zu.
„Sie hat mich vergewaltigt und beinahe umgebracht, ich wollte nur sichergehen, dass sie wirklich tot ist. Gott sei Dank, sie ist es. Wie es aussieht ist sie nicht hier, also schönen Tag noch“, erwiderte er cool und ging vor Arturo zurück nach draußen.
„Wer bist du, und was hast du mit unserem Shawn gemacht?“, war Arturo erstaunt, dass Shawn gar keine Hilfe benötigt hatte.
„Oh man, diese Weiber machen mich stinkwütend. Die sind ganz so wie ihre Mutter. Möge sie in der Hölle schmoren. Komm, ich weiß jetzt wo sie ist“, erkannte er und Arturo ging etwas betreten hinter ihm her.
„Shawn, jetzt sag doch was du weißt, du machst mich wahnsinnig“, marschierte er hinter Shawn her, der sich an das Fenster des Hotelzimmers setzte und etwas aufschrieb.
„Er hat diesen Blick, wow den hab ich schon lang nicht mehr bei ihm gesehen. Du musst ihn lassen, wenn er das macht“, erklärte Erica und Arturo setzte sich zu ihr aufs Bett.
„Ich hab den Blick noch nie gesehen, was bedeutet das?“ war Arturo neugierig.
„Im Moment weiß ich das nicht so genau. Shawn, hey großer Bruder was schreibst du da?“, versuchte Erica an Shawn ran zu kommen.
Shawn faltete seinen Zettel zusammen und ging aus der Tür.
„Der macht mir Angst … irgendeine Sicherung ist doch bei dem durch geknallt“, entschied Arturo und beide sahen sich an.
5 Minuten später kam er wieder hoch.
„Ich muss kurz weg, bestellt was zu essen“, sagte er nur kurz und gab ihnen seine Kreditkarte.
„Soll ich ihm nachfahren?“ fragte Arturo seine Verlobte.
„Nein, er weiß was er will, da störst du nur“, konterte Erica und griff zum Telefon.
Eine Stunde später saßen die beidem im Schneidersitz auf dem Bett und aßen ihr Abendessen als Shawn wieder zurückkam. Er wirkte steif und noch mehr verschlossen.
„Shawn, alles klar?“, befragte Erica ihn.
„Bestens, ich geh’ schnell mal ins Bad“, entgegnete er tonlos und verschwand im Badezimmer.
„Ist das mal wieder einer seiner Phasen, hoff ich mal. Shawn hast du Hunger? Dann bestell ich noch etwas“, rief sie ihrem Bruder zu.
„Ich hab schon gegessen, danke“, rief er zurück.
„Shawn, komm da raus und red mit uns“, rief Arturo.
„Mir geht’s bestens. Aller bestens. Hör auf mich so anzusehen“, stand er breitbeinig in der Tür.
„Hey Macho-Man wir können dir nicht helfen, wenn du dich verschließt“, entschied Erica und stand schwerfällig auf.
„Ich wollte nicht, dass du mir hilfst“, erklärte er erneut und mit durchdringendem Ton.
„Hast du schon erwähnt. Was hast du da drin gemacht?“, lugte sie durch den Spalt in der Badezimmertür.
„Gar nichts“, knallte er die Tür vor ihrer Nase zu.
„Ich muss auf die Toilette, darf ich mal?“, wollte sie durch.
„Geh’ woanders“, reagierte er abweisend.
„Du spinnst doch wohl. Lass mich durch“, wurde sie wütend und drückte die Tür auf.
„Was ist mit dir los, Shawn sag es mir endlich?“, konnte Arturo es nicht mehr mit ansehen wie Shawn sich benahm.
„Du wirst das schon früh genug kapieren. Ich geh’ noch aus, wartet nicht auf mich“, zog er seine Jacke an.
„Shawn, hey wo willst du hin?“
„Aus, hab ich doch gesagt“, murrte er und knallte die Tür hinter sich zu.
„Jetzt kannst du ihm hinterher gehen“, bemerkte Erica müde und Arturo folgte ihm unauffällig.
Arturo hatte Pech. Shawn hängte ihn in einer Nebenstraße ab.
Shawn zog seine Kapuzenjacke tief ins Gesicht. Er nahm einen großen Schluck aus seiner Tequila-Flasche bevor er um die Ecke ging. Die Neonleuchten brannten in seinen Augen als er langsam auf ein Gebäude mit roten Lichtern zuging.
Das Metall in seiner Hand war kalt. Wenn es sein musste, würde er schießen.
Jetzt stand er davor. Kittys Kitchen. Er hatte eine ganze Stange Geld dafür ausgegeben jetzt hier zu sein. Er hoffte nur seine Informationen waren richtig und sie war dort.
Langsam, fast schwebend, ging er zu dem schmutzigen Tresen des Bordells. Er atmete schwer.
„Hi …“, sagte er lässig und legte die Waffe mit seiner Hand schräg auf den Tresen vor die Nase eines schmuddeligen Zuhälters.
„ … ich hab da mal ne Frage und wenn sie kein Loch im Bauch haben wollen, beantworten sie mir diese sachgenau“, bemerkte er mit tiefer und beängstigender Stimme und der Typ lehnte sich ungerührt zu ihm rüber.
„Kein Rabatt für Verbrecher“, entschied er kühl.
„Oh nein Meister, ich bin kein Verbrecher. Noch viel schlimmer. Ich bin Geschichtslehrer. Ich bin der einzige im Land der jede Foltermethode von Henry dem Fünften kennt. Also noch mal für Lahme. Wo ist Layla?“, drückte er seine 9mm dem Mann an die Schläfe. Er hatte Mühe, seine Hand ruhig zu halten.
„Layla, lass mich mal überlegen, ich habe eine Tiffany, Amber, Janice nein keine Layla“, war der Typ knallhart und mit schmerzender Hand löste Shawn die Sicherung.
„Muss ich noch mal fragen?“
„Das Zimmer hinten am Gang“, gab der Kerl nach, aber ohne Angst zu zeigen.
„Warum nicht gleich so. Danke“, knallte er ihm die Waffe ins Gesicht und ging den Gang runter zu der besagten Tür.
Er zitterte, als er den Gang langging. Er riss den Kopf nach hinten aus Angst, er könnte von hinten erschossen werden. Aber der Kerl stand nur verdattert da und wischte das Blut aus seinem Gesicht.
„Was zum Henker mach ich hier?“, fragte er sich, bevor er die Tür aufmachte. Da saß sie. Ihre blonden Haare fielen über ihren Rücken, sie trug einen Seidenbademantel der geöffnet war. Darunter kam ein Body zum Vorschein. Sie sah aus wie ein altes Filmsternchen.
„Layla“, sagte er leise, fast vorsichtig.
„Heute nicht, bitte“, bat sie genauso leise.
„Ich bin’s“, entgegnete er und trat aus dem Schatten.
„Hab schon gehört, dass du mich suchst. Wir haben doch Schluss gemacht, ich dachte das wäre klar“, kam sie auf ihn zu. Ihr Bademantel ging auf.
„Ich hab ne kleine Überraschung für dich Layla. Sie ist meine Ehefrau. Ob es dir gefällt oder nicht. Und ich nehme sie jetzt mit“, sprach er von ihr wie von einer anderen Person.
„Wir sind ein und dieselbe Person Shawn, das will ich sehen“, machte sie schadenfroh.
„Beweg dich am Besten nicht, ich will sie nicht abknallen müssen“, zog er seine Waffe.
„Ziemliches Dilemma was. Erschießt du den Feind, tötest du auch die Liebste. Kleiner Handel, du vögelst mich gleich hier, bezahlst mich und hast einen kleinen Freiflug mit deiner Kleinen. Niemand wird verletzt und kein Blut kommt auf meinen schönen Mantel“, ließ sie den Mantel galant fallen.
„Auf dem beigen Body würde sich Blut auch nicht schön machen“, kam er mit der Waffe nah an sie dran.
„Man, du hast schon ganz schön getankt, was?“, entschied sie mit Angst in der Stimme.
„Und ich hatte nur 4 Wochen Zeit das Ding aus zu probieren. Das ist nicht wirklich lange. Wie verlockend dein Angebot auch ist, ich hab mein Geld im Hotel. Genau dahin gehen wir jetzt beide. Ist auch viel gemütlicher als hier. Los“, schnappte er sich ihre Jacke, wickelte sie damit ein und zerrte sie nach draußen.
„Ich nehm sie jetzt mit Kumpel, keine Sorge sie kriegen Ersatz, hab paar nette Stiefschwägerinnen“, eilte er zum Ausgang.
Er zerrte sie weiter zum Auto und setzte sie ans Steuer.
„Du fährst“, konterte er mit harschem Ton und die Reifen quietschte als sie mit den nackten Füßen auf das Gaspedal trat.
Er war etwa in der halben Zeit wieder daheim. Als sie gehalten hatten, drehte er sich zu ihr.
„Hände auf dem Lenkrad lassen“, drohte er und ließ die Handschellen klicken, die er mitgenommen hatte.
„Unsere kleines Liebesspielzeug, hab sie schon vermisst. Und jetzt?“, fragte sie unschuldig.
„Klappe“, schnauzte er und stieg aus.
„Shawn, du machst mir Angst“, wimmerte sie.
„Gut, hab ich auch vor“, lud er sie auf seine Schulter.
Die Tür zum Hotelzimmer sprang auf.
„Bin da, wer noch?“, rief er und lud Layla auf dem Sessel neben dem Bett ab.
„Shawn, bist du das?“, machte Erica Licht. Sie lag schon im Bett.
„Ganz richtig, Schwesterherz, ich bin es. Ich hab sie gefunden, eingepackt und hergebracht. Und jetzt geh’ ich schlafen“, säuselte er betrunken, fiel aufs Bett und schlief ein.
„Glaubt ihr, dass er tot ist?“, frage Layla und Shawn machte schwermütig die Augen auf.
„Nein, da ist er wieder. Da ist er ja, der Depp vom Dienst. Ich hoff mit einem echten Breitschädel. Du weißt hoffentlich, dass ich durch die halbe Stadt gefahren bin um dich zu suchen“, kam Arturo zu den Frauen aufs Bett.
„Oh man, wie ich Tequila hasse“, grummelte Shawn benommen.
„Behalt dir das in bleibender Erinnerung, mein Freund. Wie bist du wieder an die Waffe dran gekommen, die hat ich doch im Safe einschließen lassen“, wunderte sich Arturo.
„Sagen wir es mal so, der Portier hält dich aus irgend einem unerfindlichem Grund für selbstmordgefährdet“, murmelte Shawn und drehte sich um.
„Du bist so ein Depp, echt jetzt. Dir ist echt nicht zu helfen. Jetzt schleppst du mir hier auch noch Dornrösschen an. Sie ist jetzt vollkommen Layla, es ist zu spät“, riss Arturo ihn hoch.
„Oh man, nicht so laut. Es ist nichts zu spät, sie ist hier, das kriegen wir hin“, sah er zu Layla. Sie kräuselte sich gerade mit dem Finger die Haare auf. Sie trug immer noch die Handschellen.
„Ist zwar schwere Arbeit, aber das schaffen wir“, konterte er und musterte sie. Sie trug ein paar von Ericas Schwangerschaftsklamotten, die an ihr herunterhingen.
Die weiteren Stunden verbrachten sie damit sich einen Plan auszudenken, aber ihnen viel nichts ein. Gegen Abend bekamen Arturo und Erica plötzlich Hunger auf chinesisches Essen und da Shawn Layla nicht allein lassen wollte, blieb er bei ihr.
Als die beiden eine Stunde später zurückkamen, saß Shawn nur in eine Decke gewickelt auf dem Bett mit den Handschellen ans Bett gefesselt.
„Wie in alten Zeit was?“, kam Arturo schon grinsend hinein.
„Ein Wort und ich erschieß dich“, grummelte er ertappt.
„Will ich wissen wie du das geschafft hast?“
„Nein!“
„Gut, wie viel Vorsprung hat sie?“
„Etwa 15 Minuten. Lasst sie gehen, ich hab eine Idee wie ich es auch so schaffe. Jetzt macht mich schon los“, bat er und Arturo machte ihn los.
„Dann spuck es aus“, entgegnete Erica neugierig.
„Die Idee klappt nicht, wenn ich es euch jetzt erzähle. Keine Sorge, die Sache ist nicht lebensgefährlich, hoffe ich zumindest. Ich zieh’ mich nur schnell an, dann werde ich das machen“, wurde er mysteriös und ging wieder zurück ins Bad.
„Wenn er nicht grad Sex gehabt hätte, könnt ich mir schon vorstellen was er da ständig im Bad macht“, schlussfolgerte Arturo und Erica verzog angeekelt das Gesicht.
„Fahren wir ihm hinterher?“, fragte Erica als er wieder mit steifem Schritt aus der Tür gegangen war.
„Natürlich, ich ruf nur noch schnell mal Kenzie an, nur falls was passiert“, schlug Arturo vor. Kenzie war in einem Zimmer unter ihnen, hatte aber bis jetzt keine großen Anstalten gemacht, ihnen zu helfen.
Der Tag neigte sich mal wieder zu Ende, als Arturo und Erica Shawn erneut im Getümmel der Stadt verloren hatten.
„Man, hat der Kerl Stuntfahren gelernt, oder warum ist der ständig so schnell weg“, ärgerte sich Erica und fasste sich an den Bauch.
„Schatz, was ist?“ fragte Arturo besorgt.
„Nichts Baby, Klein Adam strampelt nur furchtbar“, erklärte sie mit schmerz verzerrtem Gesicht.
„Nein, irgendwas ist doch, hast du Wehen?“
„Könnten auch Blähungen sein, es ist gar nichts“, entgegnete sie und atmete wieder auf.
„Du hast doch Wehen, verdammt“, wurde Arturo laut.
„Nein, ich weiß verflucht genau, wann ich Wehen hab und das sind keine“, schnaubte sie zurück.
„Okay, das reicht, wir fahren ins Krankenhaus“, konnte Arturo dem Getue seiner Verlobten nicht so ganz trauen.
Gerade als er zum Krankenhaus abbiegen wollte, klingelte sein Handy.
„Artie, ich brauche deine Hilfe, komm bitte“, bat Shawn. Er klang konsterniert.
„Das geht jetzt grad sehr schlecht, ich glaub bei deiner Schwester haben grad die Wehen eingesetzt“, druckste Arturo herum.
„Gar nicht wahr“, konterte Erica und lächelte verkrampft.
„Du hörst ja, ihr geht’s gut. Komm her“, erwiderte Shawn der am Ende seiner Kräfte schien.
„Shawn, wir müssen ins Krankenhaus!“
„Wenn ihr nicht gleich kommt, könnt ihr mich auch gleich mitnehmen“, stöhnte er mitgenommen. Reifen quietschten und los ging die Fahrt.
5 Minuten später waren sie bei ihm angekommen. Sie trauten ihren Augen nicht. Da standen Adriana und Isabel. Isabel hatte eine Waffe auf ihn gerichtet und er war mit dem Scheinwerferlicht seines eigenen Wagens geblendet.
„Verflucht Isabel, kannst du mir mal verraten, was du da machst?“ rief Arturo ihm zu.
„Ich knall ihn ab, nach was sieht es denn sonst aus?“ fragte Adriana cool.
„Darf ich fragen wieso?“, rief er zu ihr rüber.
„Er hat meine Knete, brauchst du noch nen Grund?“
„Was machst sie hier?“, rief Arturo jetzt Shawn zu.
„Wenn ich’s weiß, sag ich’s dir“, rief er zurück. Er schwitzte furchtbar.
„Können wir nicht darüber reden. 50/50 ganz gerecht“, wurde auch Arturo nervös und kam auf Adriana zu.
„Er ist ein Erbschleicher, also nein“, klickte die Sicherung.
„Du bist doch keine Mörderin“, rief Arturo und kam immer näher.
„Bleib stehen“, rief Shawn und Arturo erstarrte.
„Kannst du mir mal erklären, was ihr da macht?“, trat Layla aus dem Schatten heraus.
„Gott sei Dank, Layla Schätzchen. Könntest du deiner Schwester erklären, dass das immer noch dein Geld ist?“ fragte Shawn nervös und zog sie schützend an sich.
„Zwei zum Preis von einem, hab ich nichts dagegen“, ging Isabel auf ihn zu, um besser zielen zu können.
„Adriana, tu doch was!“ rief Arturo dem stocksteifen Mädchen zu.
„Ich will aufs College gehen“, erwiderte sie trocken.
Doch dann tat Isabel etwas was Arturo überraschte. Sie drückte Layla die Waffe in die Hand und zerrte sie zu sich.
„Erschieß ihn“, befahl sie und legte ihrer großen Schwester die Waffe richtig in die Hand.
„Das kann ich nicht, nein!“ wurde die toughe Layla plötzlich butterweich.
„Wenn du es nicht tust, mach ich es, aber dann in den Kopf“, zog sie die Waffe hoch an seinen Kopf.
„Okay, ich tu es“, erwiderte Layla zitternd und richtete die Waffe wieder auf Shawns Brust.
„Du kleine Schlampe machst das eh’ nicht“, machte Shawn sie wütend.
„Hör auf, Shawn“, flehte Arturo.
„Stirb du Bastard“, grummelte Layla und drückte ab. Ein Schuss hallte durch die sonst ruhige Nacht. Shawn fiel zu Boden.
„Shawn, Schatz, Shawn“, wimmerte Jorie und beugte sich über ihren Mann. Blut floss über seine Brust. Er lag da wie tot. Isabel sank auf die Knie.
„Du hast ihn umgebracht“, wurde sie kreidebleich. Jorie beugte sich über ihn.
„Er atmet nicht mehr“, keuchte sie und zog ihn an sich.
„Shawn, nein“, rannte Arturo der erst jetzt aus seine Starre erlöst wurde und rannte zu ihm hin.
„Arturo? Wie kommen wir hier her?“, fragte Jorie die wieder völlig bei Sinnen war.
„Jorie, du bist wieder da?“, war Arturo erstaunt.
„Ja, ich hab ihn getötet“, stotterte sie genau so kreidebleich wie ihre Schwester.
„Lasst uns verschwinden die Bullen müssten jeden Augenblick da sein“, zog Adriana ihre große Schwester von seinem Leichnam weg.
„Wir können ihn nicht einfach hier liegen lassen“, bemerkte Arturo unter Tränen.
„Wenn ihr den Bullen erklären könnt was hier passiert ist, macht das, aber ich bleib nicht hier“, zerrte Adriana ihre Schwestern weg und sie fuhren weg.
„Ist sie weg?“ fragte eine Stimme plötzlich.
„Shawn?“, fragte Arturo und schniefte.
„Das hat verdammt weh’ getan, mehr als ich dachte“, setzte er sich auf.
„Was zum Henker sollte das?“, wischte er sich die Tränen aus den Augen.
„Schocktherapie. Sie sollte eigentlich weiter hinten stehen, aber hat ja funktioniert. Oh, hilf mir mal hier raus“, zog er seine Jacke aus. Darunter war eine kugelsichere Weste die er sich vom Körper riss.
„Eine kugelsichere Weste, du trägst eine kugelsichere Weste?“, war Arturo platt.
„Ja, sicher sonst hätte das ziemlich wehgetan. Tut es jetzt schon, aber zumindest hab ich keine Kugel im Herz. Wie ich erwartet hatte, fast ins Herz. Leidenschaftsschuss nennen die Experten das wohl. Gut, dass du Erica vorher abgesetzt hast“, stand er schwermütig auf.
„Hab ich nicht. Mein Gott was ist mit ihr?“, stürzte er zum Wagen. Da saß seine Verlobe ohnmächtig auf dem Beifahrersitz und war an die Tür gelehnt.
„Mach die Tür auf schnell“, hetzte Arturo und Erica fiel Shawn in die Arme.
„Der Sitz ist feucht, ich glaube ihre Fruchtblase ist geplatzt“, rief Arturo.
„Fahr los, sofort“, lud er sie auf den Rücksitz und sie düsten los.
Arturo wippte hin und her. Er redete wirres Zeug und hatte seinen Kopf in seine Beine gesteckt.
„Ganz ruhig, es wird alles gut“, beruhigte Shawn ihn und lehnte sich zurück. Er hatte sein Hemd geöffnet um seinen Brust zu kühlen.
„Sie ist schon ewig da drin“, sprach er im Singsang.
„Es ist ein Kaiserschnitt, was erwartest du? Das dauert etwas“, versuchte er ihn zu beruhigen, obwohl er selbst total nervös war.
„Wer von Ihnen beiden ist der Vater dieses Prachtjungen?“, kam der Arzt einigen Minuten später mit einem Baby auf dem Arm aus dem Kreißsaal.
„Arturo, er meint dich“, stupste Shawn seinen besten Freund an.
„Es ist ein Junge? Natürlich ist es ein Junge. Ich hab einen Sohn“, strahlte Arturo erleichtert und nahm seinen Sohn liebevoll in die Arme.
„Lass dich mal ansehen. Hey, ich bin dein Onkel“, griff Shawn gerührt nach den kleinen Fingerchen von seinem Neffen.
„Wie geht es meiner Freundin?“ sah Arturo auf.
„Sie schläft noch, aber sonst ist alles in bester Ordnung!“
„Wunderbar, das klingt wunderbar. Darf ich zu ihr?“
„Sie wird gleich aufs Zimmer gebracht, genießen Sie solang noch ihren Sohn“, schmunzelte der Arzt und Arturo setzte sich wieder hin.
„So ungern ich hier auch weg will, ich muss meine Frau suchen“, stand Shawn auf und Arturo gab ihm seine Autoschlüssel.
„Sie wird dich einen Kopf kürzer machen, für das was du gemacht hast. Willst du nicht lieber die Weste wieder anziehen?“, witzelte Arturo.
„Wird schon gehen, gib der Kleinen einen Kuss von mir und ja ruf Mum an, und Kenzie. Am besten erst Kenzie. Mum schläft sicher schon. Ich bin so schnell wie möglich wieder da. Herzlichen Glückwunsch“, knöpfte Shawn sein Hemd zu und huschte zum Ausgang.
„Du bist verdammt spät“, öffnete Adriana ihrem Schwager nicht grad gut gelaunt die Tür.
„Auch schön dich zu sehen, Schwägerin. Du kannst jetzt mit dem Schauspiel aufhören, jeder glaubt jetzt, dass wir uns hassen. Wo ist meine Süße?“, kam er in den Flur.
„In ihrem Zimmer, sie schläft. Warum hast mir nicht gesagt, dass du echte Kugeln benutzt?“, umarmte sie ihren Schwager.
„Unechte hätten nicht so toll geknallt, oder?“ kam Isabel die Treppen runter. Hinter ihr her Kenzie.
„Hey Brüderchen, verbindest wohl nützliches mit Spaß. Danke noch mal für die kugelsichere Weste, jetzt hat sie leider eine Kugel drin“, gab Shawn ihm die kugelsichere Weste zurück.
„Mein Bekannter wird sich nicht freuen, aber ich werde ihm irgendwas spendieren, dann ist das ganz schnell vergessen. Wie geht’s Erica?“
„Dein zukünftiger Schwager wird dich bald anrufen, ich muss langsam zu meiner Frau“, hatte es Shawn eilig.
„Man, ich hab mir fast in die Hosen gepisst, als du die Waffe auf meinen Kopf gerichtet hast. Warum warst du so sicher, dass sie auf meine Brust zielen würde?“, umarmte er auch sie.
„Leidenschaftsschuss hab ich doch gesagt. CSI ist echt lehrreich bei solchen Sachen. Tolle Serie übrigens. Sei vorsichtig, wenn du zu ihr hoch gehst, ich weiß nicht wie sie reagiert“, bat Isabel und Shawn ging hoch zu seiner Frau.
Shawn zog seine Schuhe aus. Sie lag so friedlich in ihrem Bett, als wäre das Ganze nicht passiert. Als hätte sie gerade ein Buch zu enden gelesen und wäre friedlich eingeschlafen.
Er kuschelte sich an sie und schlief ein.
Es schien, als hörte sie die Stimme ihrer Mutter, die sie leise rief. Sie kräuselte die Nase und drehte sich im Bett um.
„Hi, Schatz“, säuselte der Mann neben ihr schlaftrunken.
„Ich hatte einen furchtbaren Alptraum, ich hab dich erschossen“, murmelte sie und kuschelte sich an ihn.
„Seltsam, den gleichen Traum hatte ich auch“, erwiderte er und zog sie an sich.
„Shawn?“, war sie plötzlich hellwach und sprang aus dem Bett.
„Wow, so eine heftige Reaktion im Bett hatte ich eigentlich nicht vor unserem 10. Hochzeitstag erwartet“, schmunzelte er schlaftrunken.
„Du bist tot, ich hab dich da gesehen, du warst tot“, stotterte sie.
„Süße, du hast schlecht geträumt. Komm zurück ins Bett“, bestritt er was am Tag davor passiert war.
„Nein, dein Hemd, da ist Blut dran. Was zum Henker ist hier los?“, wollte sie es genau wissen.
„Reg dich nicht auf, Liebling“, setzte er sich auf und sie schnaubte.
„Okay, reg dich nicht noch mehr auf. Ich musste das tun“, druckste er herum und versuchte mit der Decke seinen blauen Fleck zu verbergen.
„Nein, ich hab auf dich geschossen, genau hier in die Brust. Du hast nicht mehr geatmet. Wir mussten vor der Polizei fliehen. Du sagst mir jetzt sofort was passiert ist“, hielt sie sein blutiges Hemd in der Hand.
„Setz dich, bitte“, bat er ruhig.
„Okay, ich sitze, was ist los?“, setzte sie sich auf den Sessel wo vorher das Hemd gelegen hatte.
„Das ist nicht einfach zu erklären, also ich versuche es einfach mal. Erinnerst du dich noch an unseren Hochzeitstag?“ begann er.
„Den am Standesamt, mitten in der Nacht, oder den verpatzten in der Kirche?“
„Das Zweite. Weißt du noch, ich war plötzlich verschwunden …“
„Natürlich weiß ich das noch, war einer der schlimmsten Tage meines Lebens. Spul doch etwas vor, bitte“, bat sie ungeduldig.
„Okay, deine Mutter hat mich entführt, gequält und dann über Bord geschmissen. Ich bin in dem Wasser fast krepiert. Aber nur fast“, begann er.
„Ich dachte, du seist tot, ich hab dich fallen sehen, du bist nicht mehr aufgetaucht“, erkannte sie.
„Ich weiß nicht mehr, wie ich an Land kam, zumindest kam ich mit Erfrierungen in Salt Lake City ins Krankenhaus. Darauf folgte meine stundenlange Ernüchterung, weil ich auf Koffein war. Und dann bist du gekommen und hast mit mir Schluss gemacht. Jetzt nicht du direkt, Layla, das war einer der schlimmsten Tage meines Lebens. Natürlich auch der Zeitpunkt, als ich dachte, du seist tot, weil ich dich nicht wieder gefunden habe. Ich habe solang nach dir gesucht. Du weißt nicht wie lang. Dann hat mich deine Schwester vor kurzem angerufen und sagte mir, wo du bist. Ich bin fast wahnsinnig geworden vor Bestürzung. Du musstest da unbedingt raus. Es ging nicht anders“, erklärte er stockend und sie kam auf ihn zu.
„Sie hat gesagt du bist tot, ich wollt als Jorie nicht weiterleben“, schluchzte sie und Tränen liefen ihr die Backen runter.
„Ich lebe Schätzlein, ich lebe. Wie konntest du das bloß denken?“, griff er nach ihrem Gesicht und küsste sie auf die Backe.
„Ihr seid doch wahnsinnig. Warum habt ihr echte Munition verwendet? Ich hätte dich erschießen können“, berührte sie seinen blauen Fleck auf der Brust liebevoll.
„Das Risiko bin ich eingegangen. Kannst du das glauben, ich Mr. Vorsichtig hab mich abknallen lassen. Autsch, das tut weh“, verzog er das Gesicht.
„Mach das nie wieder, ja?“, sagte sie leise.
„Versprochen, nächstes Mal sag ich es dir“, schmunzelte er und hielt sie ganz fest.
Als sie grade wieder beim Eindösen waren, rief Adriana aus dem Flur nach Shawn.
„Shawn, Artie ist dran, deine Schwester ist grad am Ausklinken“, erklärte sie und Shawn stand auf.
„Ihr hast du hoffentlich gesagt, dass du noch lebst“, ermahnte Jorie ihn.
„Ja, so in etwa. Bin gleich wieder da“, ging er nach unten.
„Hey Daddy, alles klar?“, machte Shawn auf cool und gelassen als er den Hörer entgegen nahm.
„Komm sofort her, deine Schwester dreht hier am Rad. Sie glaubt mir nicht, dass du nicht tot bist. Und bring Jorie mit, wir sollten sie untersuchen lassen“, bat Arturo und atmete dann tief durch.
„Gott sei Dank, sie haben ihr Valium gespritzt, sie schläft jetzt“, war Arturo erleichtert. Er klang so furchtbar müde.
„Hey, meine Schwester hat grad ein Kind geboren, hört auf sie mit Drogen voll zu pumpen. Ich bin gleich da“, legte Shawn auf.
„Kenzie ist übrigens schon weg, er hat ein wichtiges Meeting. Ich soll dir ausrichten, dass er was gut bei dir hat“, erklärte Isabel und Shawn grinste.
„Wann wolltest du mir sagen, dass ich jetzt Tante bin“, stand Jorie im Nachthemd in der Küchentür.
„Schatz Hey, bist du auch aufgestanden. Schön! Tja, jetzt weißt du es ja. Zieh’ dich an, wir müssen los“, druckste er herum und drückte das Telefon wieder in die Ladestation.
In der Sekunde erreichte ihn eine schallende Ohrfeige.
„Man, das hat jetzt gut getan“, rieb Jorie ihre Hand und er seine Backe.
„Die hat ich wohl verdient. Wenn es dir jetzt besser geht, zieh’ dich bitte an“, bat er und lächelte, obwohl sein Gesicht schmerzte.
Als sie wieder oben waren und sie anzogen, betrachtete Shawn sein blutiges Hemd.
„Wessen Blut ist das eigentlich?“, fragte sie plötzlich.
„Theaterblut, ist gut dass bald Halloween ist. Adriana wollte eigentlich, dass ich Schweineblut nehme, war aber nicht mehr zu bekommen. Ich hab nichts anzuziehen, fällt mir grad auf“, legte er das Hemd wieder ab.
„Ich werde dir einen Pulli von meinem Vater raussuchen. Warte, einen Moment“, ging sie aus der Tür.
Sie brachte ihm einen edlen Kaschmir‑Pulli den er frierend überzog.
Auf dem Weg ins Krankenhaus erzählte er ihr alles, was sie wissen wollte.
Shawn kaufte noch Blumen im Krankenhauscafe um seine Schwester zu besänftigen.
Als sie das Krankenzimmer der jungen Mutter betraten, telefonierte der junge Vater grad mit Sohn auf dem Arm lautstark mit jemandem. Er sprach italienisch.
„Hey Casanova, hier sind wir. Telefonierst du mit deiner Mutter?“, fragte Shawn als er ihn begrüßte.
„Ci, ich meine ja, ich komm gleich zu euch, setzt euch“, begrüßte er sie und sie traten ein.
„Könnt ihr ihm mal Adam abnehmen, ich fürchte wenn er noch mehr mit seinen Händen gestikuliert, wirft er den Armen noch aus dem Fenster“, schmunzelte Erica müde die ziemlich benommen im Bett lag.
Shawn eilte hin und nahm seinem Kumpel seinen Neffen ab.
„Gute Idee das zu machen, mit meinem Kind auf dem Arm kann ich dich nicht verprügeln. Artie hat mir versucht zu erklären, was ihr da gemacht habt, ist aber besser wenn du es mir noch mal erklärst“, entschied sie und Shawn setzte sich zu ihr.
„Du Arme, tut mir leid er kommt immer auf diese dummen Ideen. Geht’s dir gut?“ fragte Erica ihre Freundin die müde aussah.
„Nachdem ich ihm eine geknallt habe schon. Artie will unbedingt, dass ich mich untersuchen lasse, das mach ich dann mal. Herzlichen Glückwunsch zum Baby“, erwiderte Jorie und stand auf.
„Sag der Schwester auf Ebene 2, dass ich dich schicke, dann geht’s schneller“, hielt Arturo die Hand auf die Handymuschel und Erica sah ihn böse an.
„Sie ist 60 und auch aus Mailand, wir haben uns eine Weile unterhalten, während du geschlafen hast, hör auf mich so anzusehen“, grinste Arturo und telefonierte weiter.
Während Jorie das Zimmer verließ schaute Shawn seinem Kumpel beim Telefonieren zu.
„Telefonierst du immer noch mit deiner Mutter, wird das nicht zu teuer?“, fragte er etwas besorgt.
„Nein, jetzt hab ich deine am Rohr. Nein Mase, ich hab sie nicht dazu gezwungen mitzufahren, ja sie wird hier bestens versorgt, wir kommen heim sobald es ihr besser geht, das kann aber noch ne Weile dauern, sie ist ja operiert worden. Was sagst du, du willst Aidan heiraten?“, telefonierte Arturo weiter und Shawn riss ihm den Hörer aus der Hand.
„Mum, du wirst diesen Doktor nicht heiraten“, tönte er ins Telefon und übergab seinen Neffen wieder seinem Vater.
Als die Untersuchung seiner Frau nicht zu enden schien, ging Shawn mal in den zweiten Stock um nachzufragen. Sie schickten ihn in einen Untersuchungsraum.
Jorie lag auf einem Untersuchungstisch und bekam gerade Blut abgenommen.
„Hey, da bist du ja, ich dachte schon du lässt mich hier allein schmoren. Ich hab keine Ahnung, was Arturo der Schwester erzählt hat, aber die machen jede erdenkliche Untersuchung die ich kenne hier. Sogar einen Schwangerschaftstest der übrigens negativ ist, falls du dich das gefragt hast. Ich hoff mal das Zeug, was ich jetzt ständig geschluckt habe, ist nicht krebserregend oder so, das würde mir grad noch fehlen. Wie geht es Erica so?“ plapperte sie wild drauf los.
„Gut, etwas erledigt, aber gut. Und wie geht es meiner Frau?“, fragte er den Arzt.
„Sie haben Sie einer Schocktherapie unterzogen ohne ärztliche Zustimmung was denken Sie denn?“, hielt der Arzt ihm vor.
„Hat doch funktioniert, oder?“ fragte er verschmitzt.
„Wie es aussieht, aber Sie hätten sonst noch was damit bewirken können. Wie geht es Ihrer Brust?“
„Ein blauer Fleck, sonst nichts, Gott sei Dank. Wie lang dauert das hier noch?“
„Die Gynäkologin will sie sich noch ansehen, dann kann sie gehen“, konterte er etwas schroff, zog die Blutampulle ab und ging aus dem Zimmer.
Eine Woche später konnte Erica und der kleine Adam entlassen werden. Sie wollte auch sofort nach Hause fahren und dass natürlich mit Shawns Wagen, denn der Wagen ihres Verlobten war eine Todesmaschine, fand sie. So standen sie alle vor dem Janson Anwesen um sich zu verabschieden.
„Ihr kommt doch zu unserer Hochzeit?“, fragte Shawn als er seine Schwägerinnen verabschiedete.
„Sicher, wenn ich Brautjungfer bin“, witzelte Adriana.
„Das musst du noch mit deiner Schwester absprechen, denk aber schon“, umarmte er sie und dann auch ihre Schwester.
„Pass ja auf unsere große Schwester auf, sie braucht jetzt jede Hilfe die sie bekommen kann“, erwiderte Isabel und er nickte.
Als er in den Wagen gestiegen war, und einen prüfenden Blick durch den Rückspiegel zu seiner Frau und seiner Schwester gemacht hatte, düste er los.
„Shawn, kannst du uns endlich mal sagen, wieso du mit meinen Schwestern zu gut auskommst?“, fragte Jorie neugierig, als sie in einem Diner saßen und etwas aßen.
8 Monate zuvor
Ein vermummter Mann schlich über den Friedhof in Charleston. Er sah zum trüben Himmel auf, seine Augen waren müde und leicht verheult. Er sah sich um, sah eine Trauergesellschaft und schloss sich an. Etwas abwesend verfolgte er die Trauerfeier und sah sich ständig um. Es war die Beerdigung von Elenore Janson. Die Beerdigung war pompös, aber schlecht besucht. Der Mann sah zwei junge Frauen in der Ecke stehen, wie er selbst in schwarz. Er ging zu ihnen rüber.
Er ließ seine Mütze fallen. Es war Shawn und er stand vor den beiden Waisen Adriana und Isabel.
„Wir müssen reden“, stellte er sich zwischen die beiden.
„Wer sind Sie?“ fragte Adriana.
„Shawn!“
„Shawn wer?“
„Shawn der gerade euer Vermögen besitzt“, erklärte er.
„Der Mistkerl, der unsere Mutter in den Tod getrieben hat und unserer Schwester bumst“, erklärte Isabel und Adriana ermahnte sie leiser zu sein.
„Ja, genau der. Treffen wir uns in einer halben Stunde vor eurem Haus?“ fragte Shawn.
„Oh nein, du Säufer kommst nicht in unsere Gegend, gehen wir hinters Krematorium“, entschied Adriana und sie gingen hinter ein Haus mit hohen Türen.
„Okay, reden wir“, begann Isabel.
Sie standen sich ein paar Sekunden schweigend gegenüber.
„Irgendjemand muss schon damit anfangen und da du das willst, denk ich da an dich“, entschied Adriana und Shawn atmete ein.
„Ich will euch nicht mittellos hier lassen“, entgegnete Shawn stockend.
„Das hoff ich, wir brauchen so einiges. Die Beerdigung hat sie Gott sei Dank schon vor ihrem Tod geregelt, ich brauch nur etwas Geld für Lebensmittel, Sprit, so Sachen halt“, erklärte Adriana und Shawn zog einen Umschlag aus seiner Jackentasche.
„Hier, das ist ein Scheck über die Hälfte des Geldes. Ich brauch nicht so viel, ich brauch nicht mal die Hälfte, aber ich werde meinen Job aufgeben, um meine Frau zu suchen, da brauch ich etwas Geld. Ich hab mir auch einen Wagen gekauft, nur weil mein alter den Geist aufgegeben hat. Ich will, dass wir in Kontakt bleiben, ihr gehört schließlich jetzt zu meiner Familie. Und wir haben alle gerade jemanden verloren, den wir sehr lieben, also können wir uns gegenseitig Trost spenden. Hier ist meine Handynummer, die Nummer meines Anwaltes und meines Steuerberaters. Ich hab eure Mutter nicht umgebracht, bitte hört auf das zu denken“, übergab er ihnen alles.
„Denkst du, dass sie tot ist?“ fragte Adriana stockend.
„Ich hoffe es nicht, aber man kann nie wissen. Ich werde sie suchen, bis ich sie gefunden habe, tot oder lebendig. Es tut mir echt leid, die Sache mit eurer Mutter“, bemerkte er und kondolierte ihnen bevor er durch sie durch Richtung Wagen ging.
„Shawn“, rief Adriana ihm hinterher.
Er blieb stehen.
„Was?“ fragte er verwundert.
Sie kamen auf ihn zu und umarmten ihn beide.
„Wir wissen, dass du sie nicht umgebracht hast, sie war aber ein Mensch, der nur geliebt werden wollte, denk daran“, erklärte Adriana und Shawn sah ihr in die Augen.
„Was meinst du damit?“
„Sie war eine Prostituierte, bevor sie Dad kennen lernte. Immer auf der Suche nach Liebe, sie hat sich ständig neu verliebt. Vorzugsweise in unsere Bekanntschaften. An dir scheint sie einen Narren gefressen zu haben. Sie hat ständig von dir geredet. War schon fast etwas lästig. Als Jorie dann am Tag euer Hochzeit anrief und nach dir fragte, wussten wird, dass sie dich auch hatte. Sie hat Dad getötet, hatte es auch mit Jorie vor, als Dad grad tot war. Doch als das ihr zu kompliziert schien, hat sie das mit den Tabletten gemacht. Ich weiß nicht, was sie getan hat, aber danach führte sie sich seltsam auf. Sie zog sich freizügiger an, hatte einige Männerbekanntschaften und blieb über Nacht weg. Damals war sie 15, wir waren zu jung um zu kapieren. Dann ging sie aufs College, ich weiß nicht, wie sie sie damals über diese Distanz vergiften konnte. Sie kam nie nach Hause, ich hab sie erst drei Jahre später wieder gesehen. Sie wirkte immer noch abwesend. Als sie mir von dir erzählte, war ich so glücklich, ich dachte jetzt wird alles anders. Aber dann verschwand sie“, erzählte Adriana und Shawn konnte nicht von ihren Augen ablassen.
„Sie war einsam, so wie Jorie es jetzt ist. Ich glaub ich hab ne Ahnung wo sie sein könnte“, entschied er, küsste Adriana auf die Stirn und ging weiter.
„Shawn?“
„Was noch?“
„Wir melden uns, wenn wir was wissen“, entschied Isabel und Shawn ging davon.
„Die Armen, tut mir so leid für sie. Wir werden sie öfters besuchen, wir haben den gleichen Dad und sie haben dir geholfen“, entschied Jorie als sie die Geschichte ihres Mannes gehört hatte.
„Sicher, das tun wir. Komm fahren wir weiter. Erica Mäuschen alles klar?“ fragte Shawn, Erica die erschöpft aussieht als sie aus der Toilette kam.
„Kannst du Adam für eine Weile nehmen, ich bin so müde“, erklärte sie matt.
„Sicher. Ich mach es. Wie geht’s deiner Wunde?“
„Tut noch ziemlich weh. Wo ist mein Freund?“ setzte sie sich auf den Hocker am Tresen.
„Zigaretten holen“, erklärte Jorie und nahm ihr Adam ab.
„Was?“
„Kleiner Scherz, er ist am Kiosk Kaugummi kaufen. Hey Süßer, bist du ein Braver“, redete sie mit ihrem Neffen, der friedlich auf ihrem Arm weiterschlief.
„Ist alles klar bei euch?“, sah Erica die beiden an.
„Ja, wir sind auch etwas müde. Lass uns gehen“, legte er den Arm um die Schulter seiner Frau und sie gingen zu Arturo.
Die Frauen schliefen die ganze Fahrt zurück nach Hause. Dort warteten schon Aidan und Mase auf die Zurückkommenden.
„Ihr seid so Scherzkekse, da zieh’ ich mal extra zu euch und ihr fahrt einfach weg. Ist schön, dass du wieder da bist, Sohn“, nahm Mase seinen Sohn in die Arme.
„Ist schön wieder zu Hause zu sein. Obwohl ich hier eigentlich kein zu Hause mehr hab. Dafür hab ich dir deine Familie zurückgebracht“, zeigte er auf die zwei Frauen und Arturo.
„Jorie, Liebes mein Gott du hast sie tatsächlich gefunden. Wo warst du Kind?“, nahm sie auch Jorie in die Arme.
„Ich war …“, begann Jorie.
„ … bei ihren Schwestern, sie haben sich gut um sie gekümmert. Hier ist jemand, den ich dir vorstellen will“, beendete Erica Jories Satz und gab ihr ihren Enkel.
Danach hatte Mase vergessen, was sie fragen wollte.
„Danke … Schwester“, bedankte sich Jorie bei ihrer Freundin.
„Wir sind doch eine Familie, ist doch Ehrensache“, schmunzelte Erica und sie gingen ins Haus.
Genau ein Jahr nach ihrer geplatzten Hochzeit heirateten Jorie und Shawn zusammen mit Arturo und Erica.
„Es ist kurz nach 9 Uhr, wo stecken die? Wir wollen anfangen“, schaute Arturo nervös auf die Uhr, als er mit seiner Braut mit Sohn im Schlepptau, Aidan und Mase, Finley, Kenzie, Isabel und Adriana vor der Kirche stand. Er trug einen grünen Schottenrock, den Mase extra für ihn anfertigen ließ.
Doch dann kamen sie angehetzt, auch Shawn trug einen Kilt in grün. Als sie näher kamen, versuchten sie etwas an ihren Handgelenken zu verstecken.
„Da seid ihr ja, was ist das?“, zog Erica etwas aus Shawns Ärmel heraus. Es war ein Teil von Handschellen.
„Dumme Geschichte“, schmunzelte er ertappt.
„Ihr braucht mal Abwechslung im Bett, wirklich“, zog sie eine Haarnadel aus ihren Haaren und entfernte das Handschellenstück von beiden.
Nach der Feier führte Jorie sie in eine sehr bekannte Bar. Die Frauen verschwanden erst mal auf Toilette um sich frisch zu machen.
„Zwei Bier“, bestellte Arturo und der Barkeeper drehte sich um.
„Was sehen meine müden Augen, mein Lieblingspärchen“, drehte sich Daniel Lobster um.
„Wir sind deiner nicht würdig, um das vorweg zu sagen“, entschuldigte sich Shawn über das Fehlen.
„Weiß ich schon, Hey ihr seid ja so schnieke was ist der Anlass? Haben sie euren Antrag zur gleichgeschlechtlichen Ehe endlich angenommen?“, witzelte Daniel und Arturo stellte demonstrativ Adam in der Babytrage auf den Tisch.
„Wie ihr das hinbekommen habt, müsst ihr mir jetzt aber erklären“, war er etwas verwirrt.
„Dan, hör auf meinen Mann zu ärgern“, kam Erica im schlichten ärmellosen Hochzeitskleid an den Tresen.
„Ach ihr habt so eine Dreiecksgeschichte, verstehe, ist sie nicht deine Schwester?“, kapierte Daniel jetzt überhaupt nichts.
„Jetzt bin ich aber beleidigt, Danny-Boy“, kam auch Jorie aus der Toilette. Sie trug ein sehr weit ausgeschnittenes Kleid in sanftem Rosè.
„Majorie, Schönheit, hast du ihn mir doch vorgezogen, was für ein Jammer. Nein, im Ernst, war schön dich am Telefon zu hören. ich hab einen ganz tollen Tisch für euch reserviert. Ja, ich besitze auch Tische, nur diese Trottel wussten das nie“, küsste er ihre Hand und sie setzte sich zu ihrem Mann.
„Bis du immer so freundlich zu deinen Gästen?“ fragte Arturo.
„Nur zu den, die ich gern hab. Kommt, da hinten ist der Tisch“, führte er die Frischangetrauten Paare zu ihrem Tisch.
„Okay, jetzt will ich es genau wissen, wieso hast du die Tätowierung entfernen lassen?“, wollte Shawn es endlich wissen, als Arturo nach dem Nachtisch seine Hemdsärmel hochkrempelte.
„Soll ich es sagen?“ sah Arturo zu seiner Frau.
„Meinetwegen“, gab sie nach.
„Beim Sex hat sie die Tätowierung zu arg an dich erinnert“, gestand Arturo.
„Okay, mehr als ich wissen wollte, trotzdem danke“, entschied Shawn etwas angewidert.
Die Minute des Schweigens wurde durch Gelächter der vier durchbrochen. Adam wachte dabei auf und weinte.
Da Shawn keine Flitterwochen machen konnte, weil er eine neue Stelle antrat, begab sich Jorie tagsüber auf Wohnungssuche. Sie arbeitete jetzt abends im Lobsters. Shawn fand eine Stelle in einer Schule für schwererziehbare Jugendliche. Erica konnte es kaum fassen, aber er wollte es versuchen. Zu seinem ersten Tag trug er Lederjacke und grüne Kontaktlinsen.
Laute Stimmen tönten ihm schon entgegen, als er den Klassenraum betrat. Er sah sich um. Entschlossen packte er sein Messer heraus und rammte es auf den Tisch vor ihn. Plötzlich war es totenstill.
„Geht doch. Tag, ich bin Shawn Fitzpatrick, ich werde den Namen nicht an die Tafel schreiben, weil er auf den Arbeiten genug stehen wird. Ich unterrichte Geschichte, was auch klar sein sollte, schließlich ist das hier nen Geschichtsraum. Wer hier nicht mitmachen will, mir auch egal, dann sehen wir uns in den Winterferien zum Nachholen. Für die Ladies hier, ich bin verheiratet, die Männer die versuchen meine Frau im Lobsters an den Hintern zu grabschen, lasst es lieber, meine Frau weiß sich zu verteidigen. Also fangen wir an, Geschichte zu machen, sonst sind wir auch bald in dieser“, erklärte er, zog das Messer wieder heraus und schlug das Geschichtsbuch auf. Als er es an sein Gesicht hielt grinste er dahinter. Das würde ihm verdammt viel Spaß machen, das wusste er schon.
Tag der Veröffentlichung: 16.09.2010
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