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Epilog

 

Hi, mein Name ist Sandra. Ich bin 17 Jahre alt und lebe in Seattle. Dort lebe ich noch nicht sehr lang, ich bin erst vor einer Woche hierher gezogen. Hier lebe ich jetzt bei meiner liebenswerten, nervigen und doch tollen Tante Jane. Früher, da war alles anders, ich lebte in New York, mit meinen Eltern und meinem großen Bruder Felix. Wir waren eine ganz normale Familie, eigentlich schon, aber meine Eltern waren nie wirklich da. Mein Dad als Finanzminister in New York City, meine Mom war Modedesignerin, also war sie immer wo anders, in Mailand, Madrid, Paris, London, Peking, Los Angeles. Aber wenn sie mal da war, dann hatte sie nie Zeit für uns. Entweder sie arbeitete oder sie schlief. Das war auch der Grund, warum ich mit 6 schon waschen, kochen und bügeln konnte, ja, ja, bügeln konnte ich erst mit 7, früher war ich zu klein um an das Bügelbrett zu kommen. Aber trotzdem, mein Bruder war in der Schule, zu Hause am lernen oder bei seinen Mini Jobs. Ja, das mag komisch klingen, aber ja, mein Bruder musste arbeiten, damit bei uns, also meinem Bruder und mir, etwas Essbares auf den Tisch kam. Weil meine Eltern ja nie Zeit für uns hatten, konnten sie auch nicht einkaufen gehen. Außerdem waren meine Eltern sehr geizig, was glaube ich erklärt, wieso ich den Haushalt machen musste und wir kein Dienstmädchen oder so hatten. Von dem ganzen Geld, was meine Eltern verdienten, sahen wir nicht viel. Vor etwa 2 Monaten waren meine Eltern zusammen bei einer Preisverleihung. Dort geschah dann das, was mein ganzes Leben verändern sollte. Es sollte sich verändern, für immer und ewig. Wenn ihr euch fragt, was denn so schlimm sein konnte, dass es mein ganzes Leben verändern sollte, ganz einfach, meine Eltern wurden umgebracht! Dort, am roten Teppich hatte sich ein Amokläufer versteckt und hatte sich und die ganzen umstehenden in die Luft gesprengt. Meine Mom gab gerade der Frau, die neben diesem Mörder stand, ein Autogramm, also starben sie. Mein Bruder war schon 18, also übernahm er die Verantwortung für mich, nein, er übernahm sie nicht, es wurde ihm aufgedrängt. Mit allen Pflichten, zum Beispiel der Hausmiete, Steuern und so weiter. Es wurde zu viel für ihn. Er wollte nicht mehr Leben, also stürzte er sich von der Freiheitsstatur. Er dachte sich dabei, dass das der Weg in die Freiheit ist, also war ich allein, weil das natürlich nicht ging, wurde ich zu meiner Tante Jane gesteckt. Dort lebe ich jetzt, morgen muss ich offiziell zur Schule, vorher bekam ich Zeit ,,alles zu verarbeiten“. Das waren sage und schreibe neun Tage. Hatten die Beamten überhaupt eine Ahnung, wie es mir ging? Nein. Natürlich nicht. Wie auch? Sie haben ja nicht gerade ihre Familie verloren. Als ich heute schlafen gehen wollte war ich so aufgedreht und hibbelig, dass ich die ganze Zeit nicht einschlafen konnte. Ich hatte Panik. Vor Allem! Vor den Lehrern, den Mitschülern und, und, und. Ich wusste, Morgen begann mein Leben ,,neu“, ein ,,Neuanfang“, so nannten es die Typen von der Behörde. Wie ich sie hasse! Ich konnte nicht schlafen, solange ich das Bild von der Behörde vor Augen hatte, wie sie mir sagten, dass ich morgen zur Schule muss! Ich war dann viel zu aufgewühlt. Ich wusste nicht, ob ich wütend, ängstlich, aufgeregt oder einfach nur traurig sein sollte. Natürlich fielen mir irgendwann die Augen zu, aber da war es schon seeeehr spät.

Kapitel 1

 

Ich wurde langsam wach. Ich sah auf die Uhr und stöhnte. Es war schon 6 Uhr 45, ich hätte vor 15 Minuten aufstehen müssen. Also musste ich mich jetzt beeilen, ich hasse Hektik am frühen Morgen. Ich bin ein absoluter Morgenmuffel. War ich schon immer. Aber seit ich hier in Seattle bin, ist es noch schlimmer. Früher, in New York, da gab es etwas auf das ich mich freuen konnte. Ich hatte Freunde, ein schöne und belebte Stadt, sehr oft Sonnenschein und in Seattle? Nichts! Außer Regen, ein paar blöde Typen von der Behörde, die mir sagten was ich zu tun hatte, keine Freunde, gar nichts.

Aber ich konnte leider nichts daran ändern….also stand ich auf, wusch mich, putzte Zähne, nahm meine Tabletten, weil die Ärzte meinen, ich wäre manisch depressiv. Was für ein Scheiß. Ich nenne das einfach nur Trauer. Hatte ich erwähnt, dass gerade erst meine Familie gestorben ist und ich mit siebzehn Jahren schlagartig Waise geworden bin. Danach ging wieder in mein neues Zimmer. Ich machte meinen Kleiderschrank auf und …Nein! Das konnte nicht sein, Nein! Oh Nein, Jane hatte meine Klamotten umgeräumt und alle schwarzen Sachen ganz hinten, in die letzte Ecke des Schrankes gepackt. Super! Ich müsste mich also durchwühlen müssen. Denn ich trug nur noch schwarz. Früher, da war das nicht so, damals, vor dem Tod meiner Familie, trug ich viele bunte Farben. Ich liebte besonders, rot, blau, lila, pink, grün, halt alle Farben, die auffällig sind. Jetzt hasste ich es aufzufallen, am liebsten würde ich mich den ganzen Tag in mein Zimmer einschließen und nur zum Essen und Toilette gehen rauskommen. Als ich endlich meine schwarze Lieblings Röhrenjeans, die leider etwas zu klein geworden ist am Hintern, aber das ist mir egal, mein Po ist das Einzige, was ich ganz okay finde an meinem Körper. Ich fand noch mein neues schwarzes T-Shirt mit dem V-Ausschnitt. Ich schnappte mir meinen Rucksack, der selbstverständlich auch schwarz ist, für die Schule und ging aus dem Zimmer. Es roch nach frischem Kaffee. Unten in der Küche sah ich meine Tante Jane. Ich weiß, es ist nicht meine Tante, es ist nur eine Freundin meiner Eltern gewesen. Aber sie war meine Patin, die sich bereiterklärt hat mich aufzunehmen. Naja, Jane ist besser als ein Kinderheim, dabei bin ich gar kein Kind mehr! Ich bin 17 Jahre alt! ,,Sandra, jetzt musst du dich aber mal beeilen ! Dein Bus kommt in 10 Minuten und du gehst nicht ohne Frühstück aus dem Haus.“ Sagt Jane zu mir als sie sah, dass ich in die Küche gekommen bin. ,,Ja, ja!“gab ich muffelig zurück. ,,Wenn du in die Schule kommst, dann gehst du ins Sekretariat. Dort sind Jasmin und Leonie. Sie arbeiten da, von ihnen bekommst du dann deinen Stundenplan und so weiter.“ Sagte Jane zu mir. Ich gab keine Antwort, dann machte ich mich über ein Toast mit Marmelade her und trank einen Kaffee. Als ich fertig war, zog ich schnell meine Schuhe und Jacke an. Muss ich noch erwähnen, dass die auch schwarz sind? Und rief ,,Tschüss!“ und ließ die Haustür hinter mir zufallen. Ich ging zur Bushaltestelle, dann fuhr ich zur Schule. Womit die Hölle begann….

 

Als ich aus dem Bus ausstieg, war ich erst einmal geschockt. Es war der genaue Kontrast zu meiner alten Schule in New York. Die Seattle High School war nichts anderes als viele kleine Klumpen aus Backstein. Alle Häuser hatten einen Buchstaben und eine Zahl über der Tür stehen. Über einem stand Verwaltung, also ging ich hinein. Ich fand mich in deinem großen Raum wieder, der orange getupfte Wände hat. Rechts von mir war ein großer, bis zur hinteren Wand durchgezogener Tisch, dort saßen zwei Frauen, auf ihren Namensschildern, die sie auf dem Tisch stehen hatten, stand Sekretariat/ Leonie Green und auf dem andreren Stand Sekretariat/ Jasmin Smith. Ich ging zu Leonie ,,Hallo, ähm…ich bin neu und ich soll hier meinen Stundenplan und so abholen.“. ,,Ja, du musst Sandra sein, Jane hat schon angerufen.“ Sie kramte in einem großen Stapel Zettel rum. Schließlich zog sie drei Zettel heraus. ,, Hier, das ist dein Stundenplan“ sie zeigte auf den einen Zettel ,, und das hier ist eine Liste, wo du welches Fach hast. Damit du weißt, wo sich welcher Raum befindet, ist hier ein Lageplan.“ Sie schob noch zwei weitere Zettel über den Tresen. Ich bedankte mich und ging aus dem Haus. Draußen schaute ich mir die Zettel an, okay, zunächst habe ich Erdkunde in A3. Das war nur drei Häuser weiter. Ich ging hinein und war froh, dass der Lehrer und viele andere Schüler noch nicht da waren. Nur vier Leute waren schon da. Zwei Mädchen saßen auf einem Tisch und tratschten und lachten. Ein Junge mit Nerdbrille, fettigen Haaren und vielen Pickel. Ich meine, meine Haut ist jetzt auch nicht markellos, aber man kann doch trotzdem ein wenig darauf acht geben… In der Ecke saß ein anderer Junge. Er hatte dunkelbraunes Haar, dunkle Augen. Sie sahen aus als ob sie schwarz wären. Aber nein, es gibt keine schwarzen Augen. Es müssen Dunkelbraune sein. Seine Nase war ganz gerade, seine Lippen waren voll und rot. Er sah aus dem Fenster, dabei sah er voll gut aus. Da kam unser Lehrer rein, Mr. Franklin. Er war offensichtlich noch jünger. Ich ging zu ihm und fragte ihn, wo ich mich hinsetzen soll. Er meinte ich könne mich hinten in der letzten Reihe hinsetzen. Neben diesen hübschen Jungen. Als ich mich hinsetzte zuckte er zusammen, rutschte mit seinem Stuhl an den äußersten des Tisches und rutschte an den Rand des Stuhles. Er hielt sich eine Hand vor die Nase. Hä? Ich roch an meinen Haaren, sie rochen frisch gewaschen. Meine Kleidung war auch sauber. Also was für ein Problem hatte er?! Er saß die ganze Zeit nur an der Ecke seines Stuhls und bewegte sich nicht. In den restlichen Unterrichtsstunden sah ich ihn nicht mehr.

Als die Schule zu Ende war, fuhr ich zurück zu Jane. Ich dachte die ganze Zeit über diesen Typen nach. So etwas mache ich eigentlich nie!! Mich interessieren Jungs eigentlich nicht. Ich hatte mal einen Freund, aber er hatte mich verlassen, wegen so einer Cheerleaderin. Seit dem mag ich Jungs nicht mehr. Aber was war mit diesem Typen los? War er gestört? Hatte er Angst, dass ich ihn beiße oder was? So in Gedanken versunken, bekam ich gar nicht richtig mit, das Jane mich zuhause voll redete. ,,Was ist mit dir los? Ist etwas passiert? Du wirkst so abwesend.“ ,,Hä? Was? Was hast du gesagt?“ ich schreckte aus meinen Gedanken hoch. ,,Ich wollte fragen, was mit dir los ist?“ ,,Oh, nichts, nichts…“ Ich wusste nicht, warum ich ihr nicht die Wahrheit sagte. Ich ging in mein Zimmer, schmiss mich auf mein Bett und hörte Musik. Was ist bloß mit diesem Typen los? Ich meine er ist süß, aber wieso fand er mich abstoßend? Tat er das überhaupt? Und wenn ja, warum? Hasst er mich vielleicht? Aber wieso? Die Schule war eigentlich ganz okay, aber was ist mit diesem Typen?? Der verdirbt mir die ganze Laune! Der Tag war weniger in die Hose gegangen, als ich gedacht hatte. Aber was passiert? Irgend so ein Spinner taucht auf und macht alles kaputt.

Meine Gedanken kreisten immer weiter und weiter. Irgend wann zog ich mich um und schlief ein.

 

Als ich am nächsten Morgen aufgewacht war, zog ich den Beschluss, dass ich mit ihm reden würde. Ich sagte mir, dass ich ihn in der Pause, wenn ich ihn sehe, zur Rede stellen würde. Ich stand ganz normal auf und ging wie am Tag davor in die Küche. Jane redete nicht mit mir, sie sah mich nur sorgenvoll an. Ich ging zum Bus und saß gleich darauf im Unterricht, Mathe. Ich setzte mich an den Platz in der letzen Reihe, so wie gestern. Aber der komische Typ war nicht da. Aus war es mit dem zur Rede stellen. Den Tag darauf wartete und suchte ich ihn. Aber er war nicht da. Super, naja, dann suche ich ihn halt einfach morgen. Der restliche Tag verlief ganz normal. So normal wie es als Waise an einer neuen Schule in einer neuen Stadt nun mal sein kann.

Am nächsten Morgen stand ich auf dem Schülerparkplatz und wartete auf ihn, aber er kam nicht, ich dachte mir einfach nur, okay, vielleicht hat er erst später Unterricht, oder er ist beim Arzt oder so. Aber wenn ich an dem Tag gewusst hätte, wo er war, ich hätte es nie geglaubt. Ich wär wahrscheinlich nicht einmal im Traum darauf gekommen, warum er nicht da war…

 

Am nächste morgen war er mal wieder nicht da, langsam fragte ich mich wo er den nur sein könnte. Ich hatte wieder Mathe. Wie ich dieses Fach hasse. Der Typ mit der Nerdbrille war im Übrigen auch wieder da. Und er ist einer der größten Streber und Klugscheißer, den ich je gesehen hab. Nach der Mathestunde ging ich zu unserem Mathelehrer und fragte, ob er wüsste wo dieser Junge ist. Der, der neben mir sitzt. Von ihm erfuhr ich nur, dass dieser Junge zum einen Jackson heißt und zum anderen, das er die restliche Woche krankgeschrieben war. Also war es das mit dem zur Rede stellen. Warum wollte ich ihn überhaupt zur Rede stellen? Vielleicht hab ich mir das ja auch einfach nur eingebildet.

Nach dem Unterricht fuhr ich mit dem Bus zurück zu Jane. Als ich die Tür öffnete, schoss mir sofort ein leckerer Geruch von Pfannkuchen und Ahornsirup in die Nase. Jane kochte offenbar und dann auch noch mein Lieblingsessen. Sie war einfach zu gut. Seit dem ich bei ihr war, hatte sie sich wirklich um mich bemüht, sie versuchte mich zu trösten, kochte mir Tee oder Kaffee und machte mir das zu Essen, was ich wollte. Sie besorgte mir alles was ich brauchte, sei es auch nur die aller kleinste Kleinigkeit. Ich hatte es ihr am Anfang echt nicht leicht gemacht. Als ich zu ihr kam, hatte ich immer Albträume. Jeden Abend. Manchmal fing ich an zu weinen, aber manchmal fing ich einfach an zu schreien. Mitten in der Nacht schrie ich im Schlaf, ohne das ich davon wach wurde. Oder ich wachte plötzlich auf, dann saß ich stocksteif, Schweißgebadet und keuchend auf meinem Bett. Jeden Abend kam Jane in mein Zimmer um nach mir zu sehen. Wenn ich schrie weckte sie mich aus diesem Albtraum auf. Auch wenn es drei Uhr morgens war. Jane war immer nett zu mir, egal was ich gemacht habe. Sie ist einfach super. Ganz ehrlich, manchmal glaube ich, dass Jane eine bessere Mutter währe, als meine Mutter es war. Auch wenn ich mich für diesen Gedanken schämen sollte. Meine Mutter ist gerade mal zwei Wochen tot…ich vermisse sie so schrecklich. Selbst wenn ich sie nur selten gesehen hab. Sie war doch meine Mutter. Wie könnte ich sie nicht vermissen?

Als ich die Küche betrat, wendete Jane gerade einen Pfannkuchen. ,,Hallo!“ sagte ich fröhlich. ,,Ach, Hallo Sandra, wie war die Schule? Ich habe Pfannkuchen gemacht. Ich hoffe du hast Hunger.“ Antwortete Jane. ,,Ja, ich verhungere gleich. Deine Pfannkuchen riechen echt super. Die Schule war ganz okay, außer, dass mein Sitznachbar in Mathe die gesamte Woche krank ist. Also sitze ich momentan allein. Der Typ ist aber auch komisch, am ersten Tag, als ich mich neben ihn setzte, war er irgendwie abweisend. Auch wenn ich nicht weiß wieso, aber er hat sich sogar die Nase zugehalten. Ist das nicht komisch? Der ist voll komisch. Ich wollte ihn fragen was mit ihm los ist, aber er war ja, wie gesagt, nicht da. Er heißt übrigens Jackson. Das hat zumindest mein Mathelehrer gesagt.“ Ich plapperte die ganze Zeit, während Jane die Pfannkuchen auf einen großen Teller stapelte und den Tisch deckte. ,,Naja, ich kenne diesen Jackson nicht. Vielleicht hat er sich die Nase zugehalten, weil er erkältet war und nicht die ganze Zeit niesen wollte und vielleicht war er so abweisend zu dir, weil er dich nicht anstecken wollte. Seine Erkältung ist vielleicht stärker geworden und deswegen ist er die gesamte Woche nicht da. Aber das ist nur so eine Idee.“ sagte Jane, während ich mir einen Pfannkuchen nahm und Ahornsirup drüber schüttete. ,,Gott war ich blöd. Da hab ich noch gar nicht dran gedacht. Und ich Esel mach mir die ganze Zeit irgendwelche Gedanken. Was ist denn los mit mir?“

Nach dem Essen räumte ich noch mit die Küche auf und ging dann in mein Zimmer um Hausaufgaben zu machen. Natürlich Mathe, in der ich eine Niete bin. Ehrlich mal, wozu braucht man später Wurzeln ziehen? Oder Bruchrechnen? Geschweige denn Integralrechnung! Die Hausaufgaben waren so ermüdet, dass ich einfach nur noch schlafen wollte. Ich legte mich ins Bett und war schon nach kürzester Zeit weg.

Im Wald rannte ich, ich rannte so schnell ich konnte. Ich rannte vor etwas weg. Es verfolgte mich. Ich rannte und rannte und rannte. Plötzlich merkte ich etwas direkt hinter mir. Ich schaute hektisch über die Schulter. Da war nichts außer Dunkelheit. Mit einen mal stolperte ich und fiel. Ich fiel und fiel, mit einen mal war ich auf einer kleinen Lichtung. Der Vollmond schien genau auf die Lichtung. Ich schaute mich um. Plötzlich hörte ich ein Rascheln. Ich drehte mich um. Am Waldrand der kleinen Lichtung war ein dunkler Schatten. Ich schrie und stolperte Rückwerts. Aus dem Wald kam Jackson! Ich schaute ihn verwundert an. Er ging weiter bis er im vollen Mondschein war. Um seinen Mund war rote Farbe. War es Farbe? Wieso sollte er Farbe um den Mund haben? Ich schaute ihn genauer an. Mein Herz stockte. Jetzt schrie ich wieder. Um seinen Mund war Blut. Ich schrie nach Hilfe und ob mich jemand hören könnte. Doch ich erhielt keine Antwort. Ich schrie noch lauter. Jackson kam immer näher. Ich drehte mich um und rannte in den Wald zurück, ich schrie und rannte so schnell ich konnte.

 

Plötzlich wachte ich auf. Mein Herz schlug wie wild. Ich knipste meine Nachttischlampe an. Ich schaute mich hektisch in meinem Zimmer um. Oh Gott. Es war nur ein Albtraum. Ich legte mich wieder auf mein Kopfkissen. Ich machte das Licht aus und dachte darüber nach. Was war das denn bitte? Warum hab ich von Jackson geträumt? Und was zum Teufel war das für ein Traum? Irgendwann schlief ich wieder ein.

 

Als mich das nervige Piepen meines Handys weckte, brauchte ich lange, um richtig wach zu werden. Ich erinnerte mich an den Albtraum. Was hatte das nur zu bedeuten? Vor allem, wieso tauchte Jackson darin auf? Wieso dieser komische Typ? Ich stand auf und machte mich für die Schule fertig. Ich frühstückte schnell ein Toast und ging zum Bus. Heute ist Freitag. Das Wochenende lang vor mir. Ich überlegte auf dem Hinweg zur Schule, was ich am Wochenende machen könnte. Ich überlegte ob ich vielleicht in eine Bar oder so gehen sollte. Vielleicht treffe ich da ja ein nettes Mädchen, mit dem ich mich anfreunden könnte. Bisher hatte ich noch niemanden so richtig gefunden. Der Bus hielt und ich stieg aus. Ich kramte in meiner Tasche und zog den Stundenplan heraus, da ich mir immer noch nicht merken konnte. Jetzt habe ich gleich Englisch. Englisch geht so. In meiner alten Schule hatte ich dort eine zwei. Dank meinem Bruder. Er hatte mir immer geholfen, wenn ich irgendetwas nicht wusste. Ich schüttelte den Kopf. Ich durfte jetzt nicht an meinen Bruder denken. Sonst würde ich mich nicht im nächsten Unterricht konzentrieren können. Ich betrat den Raum und setzte mich auf meinen Platz.

 

Als der Unterricht vorbei war, sah ich wieder auf meinen Stundenplan. Ich hatte nach der Pause Französisch. Ich hoffte, dass der Unterricht nicht von einer allzu strengen Lehrerin abgehalten wurde. Die meisten Französischlehrer waren in der Regel Lehrerinnen, die total streng sind. In der Pause stand ich eigentlich nur vor dem Französischraum und wartete, dass der Unterricht begann. Als ich gerade überlegte, was wir in Französisch machen könnten, kam meine Lehrerin, ich glaubte zumindest, dass sie es war. Sie holte ein großes Schlüsselbund raus und schloss die Tür auf. Sie ging rein und setzte sich an den Lehrertisch. Ja, es konnte nur meine Lehrerin sein. Ich ging ihr nach in den Raum und zu ihr. „Ich heiße Sandra und bin neu hier. Ich wollte fragen wo ich mich hinsetzen soll.“ Fragte ich schüchtern. ,,Oh hallo Sandra. Mir wurde schon Bescheid gesagt, das ich eine Neue in meinem Unterricht habe. Setz dich doch an den mittleren Tisch in der zweiten Reihe. Neben dir sitzt dann Ann. Ich hoffe ihr versteht euch. Sie ist eigentlich ganz nett.“ Ich setzt mich an meinen Platz und kaum das ich saß, kamen schon die ersten meiner neuen Mitschüler rein. Es waren zwei Mädchen und drei Jungen. Die Mädchen waren offensichtlich Cheerleader, denn sie hatten so eine Uniform an, also ein Top und einen kurzen Rock. Ich fragte mich, wie man sich in so einen Rock hinsetzen konnte. Die eine war blond und die andere hatte braune Haare. Die Jungen mussten Footballspieler sein, denn sie hatten riesige Muskeln und sahen irgendwie so aus, als ob sie irgendwie hohl in der Birne waren. Sie sahen genauso aus, wie man sich eben solche Leute vorstellt. Die Gruppe sah aus, als ob sie gerade Wegs aus so einem Highschool Film entsprungen wären. Während ich sie so betrachtete, dachte ich an Toni zurück. Das Arschloch von Ex-Freund aus New York. Er hatte mich wegen einer Cheerleaderin versetzt. Ich meine, wir waren zwar erst zwei Wochen zusammen, aber seitdem reagiere ich allergisch auf Cheerleader. Sie können noch so nett sein, ich mag sie nicht. Während ich meinen Gedanken so nachhing kam der Rest meines Kurses rein. Es kam ein weiteres Mädchen her rein. Sie hatte schwarze Haare mit knallblauen Strähnen. Sich hatte einen schwarzen Rock an und da drunter eine schwarze Netzstrumpfhose. Sie hatte schwarze Leinenschuhe und ein dunkelblaues T-Shirt, passend zu ihren Strähnen an. Sie setzte sich neben mich hin. Sie musste Ann sein. Ich fand das irgendwie komisch. Ann war so ein braver Name und sie sah so rockermäßig aus. ,,Hi, ich bin Sandra. Ich bin neue hier.“ Ann drehte sich zu mir und lächelte mich an. ,,Hey, ich bin Ann. Ich weiß wer du bist. In der Schule wurde schon viel über dich erzählt. Man sagte mir, dass man dich leicht daran erkennen könnte, dass du nur schwarz trägst und dich immer zurück ziehst. Aber ganz ehrlich, schwarz ist doch nicht schlimm oder? Ich meine schwarz ist doch nur eine Farbe, wobei es ja heißt, dass schwarz ja eigentlich gar keine Farbe ist. Also ich mag Schwarz, du offensichtlich auch.“ Plapperte Ann los. Ich mochte sie von Anfang an. ,, Ja, das mit dem Schwarz find ich auch komisch, aber egal. Was meinen die anderen mit damit, dass ich mich nur zurückziehen würde?“ fragte ich. „Naja, sie meinen damit, dass du keine Freunde hast. Keinen ansprichst. Dich im Unterricht nicht meldest und so was halt. Wieso eigentlich? Wieso seid ihr eigentlich hierher gezogen?“ sagte Ann. „Ach so. Das ist eine schwere Frage. Wahrscheinlich, weil das alles hier noch so neu ist für. Ehrlich, ich habe noch nie so eine kleine Stadt gesehen. Falls du dich fragst wieso. Ich bin aus New York . Diese Stadt ist im Verglich zu New York so winzig. Außerdem sind wir nicht hergezogen…“ Unser Gespräch wurde schlagartig beendet, als unsere Französisch Lehrerin uns bat leise zu sein, weil sie mit dem Unterricht anfangen wollte. Nach dem Unterricht, wo ich fest stellen musste, dass nicht alle Französisch Lehrer streng sind, gingen Ann und ich zusammen aus dem Unterricht in die Pause.

„Also, du hast noch nicht darauf geantwortet, wieso ihr hierher gezogen seid.“ Sagt Ann. „Ganz ehrlich Ann, sei mir bitte nicht böse, aber ich würde nicht so gerne darüber reden. Du würdest es wahrscheinlich entweder nicht verstehen, oder du hattest Mitleid mit mir und das kann ich nicht ab. Ich hasse es bemitleidet zu werden, das gibt mir immer das Gefühl, das ich ein Schwächling bin. Ganz ehrlich, keine will doch absichtlich ein Schwächling sein, oder?“ antwortete ich wahrheitsgemäß. Ich hatte nämlich während der Französisch Stunde festgestellt, dass ich es lieber nicht so gerne sagen würde. Außerdem kenn ich Ann ja auch erst seit circa zwei Stunden. Ich bin zwar ehrlich zu ihr, weil sie nett ist, aber das mit meiner Familie muss sie ja nicht wissen. „Ach so, schade, aber egal. Was hast du als nächstes? Ich habe Sport.“ Ich fand es faszinierend, wie Ann so schnell Themen wechseln konnte. Ich schaute auf meinen Stundenplan „Hey, ich habe auch Sport als nächstes, wie gut das ich Sportsachen im Schließfach habe für den Notfall. Ich kann mir nämlich meinen Stundenplan noch nicht merken. Weißt du wo wir Sport haben?“ „Ja, wir haben in der Turnhalle 2, aber wir werden wahrscheinlich raus gehen, da wir Momentan laufen. Ich mag laufen nicht, ich bin total langsam und habe null Kondition, egal was ich mache. Unser Sportlehrer ist nett, es ist Mr. Coleman. Kennst du ihn? Jedenfalls, wir laufen momentan zwei Meilen, meinst du nicht das ist ein bisschen übertrieben?“ Ich war schon wieder erstaunt, dieses Mal darüber wie viel Ann reden kann in so kurzer Zeit. „Nein, ich kenne ihn nicht. Ich mag laufen. In New York war ich sogar Schulbeste. Naja, jedenfalls finde ich laufen ist toll. Wir können ja mal zusammen laufen, wenn du Lust hast. Zwei Meilen sind eigentlich ganz okay finde ich. Ich meine, ich musste schon einmal vier Meilen laufen, das ist anstrengend!“ Sobald ich den letzten Satz von mir gegeben hatte, starte Ann mich an. „Du musstest vier Meilen laufen?! Ich bin ja schon nach einer kaputt. Hier, falls es dich interessiert, wir haben ein Schulteam, unteranderem auch fürs laufen. Da sind aber nur Jungs drin. Aber vielleicht ist das ja gar nicht so schlecht.“ Ann zwinkerte mir verschwörerisch zu. „Ne, lass mal, da will ich nicht rein, vor allem nicht, wenn da nur Jungs drin sind. Gegen die habe ich außerdem bestimmt keine Chance.“ ,,Hä? Wieso, ich dachte du warst Schulbeste. Da musst du doch auch Jungen geschlagen haben.“ Ann war offensichtlich verwirrt. Also stellte ich klar: „Ich war auf einer reinen Mädchenschule, dass heißt, da war kein einziger Junge, gegen den ich laufen musste.“ Ann schaute mich an: ,,Du bist auf eine Mädchenschule gegangen, wieso das denn?“ Ich dachte an meine alte Schule zurück. „Meine Eltern, okay eigentlich mein Vater meldete mich dort an. Er wollte nicht, dass ich auf eine gemischte Schule gehe. Er wollte nicht, dass ich einen Jungen kennen lerne und dann irgendetwas anstelle.“ Bei den letzten zwei Worten machte ich Anführungsstriche in die Luft. „Ach so, jetzt hat dein Vater nichts mehr dagegen?“ Ann schaute mich fragend an und wartete. Doch ich schaute nur zu Boden. Ich überlegte, ob mein Vater heute etwas dagegen gehabt hätte, wenn er noch leben würde. Doch er lebt nicht mehr. Ich hatte ihn damals selbst nicht verstanden, warum er das tat. Bis mein Bruder, der auf ein gemischte Schule gehen durfte, mir erzählte, das gleich vier Mädchen aus seinem Jahrgang schwanger waren. Er erzählte es so, als ob es lustig sei. Mein Bruder schaffte es immer nicht so schöne Sachen lustig zu verpacken. Er war lustig. Ab da hatte ich verstanden, wieso mein Vater das tat. Er wollte mich beschützen. Mir lief eine Träne über die Wange. Ich wischte sie schnell weg. Ann sah mich zuerst nur traurig an und sah dann betreten zu Boden. Sie hatte meine Träne gesehen. Leider. Da klingelte auch schon die Glocke und wir gingen zu Sporthalle.

Als der Sportunterricht begann, sammelten wir uns tatsächlich draußen auf dem Sportplatz. Mr. Coleman verkündete uns, dass wir jetzt, wie Ann es schon prophezeit hatte, zwei Meilen laufen müssen, nachdem wir ein Aufwärmspiel spielen mussten. Als die meisten schon in Richtung Startlinie schlenderten, ging ich zu Mr. Coleman um ihm meinen Namen zu nennen und zu sagen was ich hier machte. Er schrieb meinen Namen mit auf seine Liste und ich ging zu den anderen zur Startlinie. Mr. Coleman gab das Zeichen und wir liefen los. Einige Mädchen joggten nur, währen zwei große Jungen gleich los spurteten. Ich rannte hinter ihnen her. Sie waren sehr schnell. Wahrscheinlich gehörten sie zur Schulmannschaft, da alle anderen langsamer waren als ich. Nach circa einer Meile schaffte ich es auf die selbe Höhe wie einer der Jungs zu kommen, er sah mich leicht erschrocken an. Er war es offensichtlich nicht gewöhnt, dass ihn ein Mädchen einholt. Ich rannte noch ein bisschen schneller und überholte ihn. Ich hörte ihn leise Fluchen. Ich musste grinsen. Jetzt war nur noch ein Junge vor mir und der Abstand wurde immer kleiner und kleiner. Jetzt war ich direkt neben ihm, er atmete schwer. Offensichtlich konnte er nicht mehr. Das war meine Chance, es waren nur noch wenige Meter bis zu Ziellinie. Ich rannte noch schneller, mein Herz schlug wahnsinnig schnell und ich hatte höllische Seitenstiche, doch mich packte ein Ehrgeiz und ich wollte gewinnen. Allen zeigen was ich drauf hatte. Also rannte ich noch schneller. Als ich die Ziellinie überquerte war ich Erster. Mr. Coleman sah mich verblüfft und leicht schockiert an. Ich hatte es ihm gezeigt. Ich grinste, weil ich so ein super Gefühl hatte, aber ich war ein bisschen schockiert, da ich nicht damit gerechnet hatte, tatsächlich so schnell sein konnte. Als ich endgültig stehen blieb, weil ich mich auslaufen musste, weil ich so schnell war, ging ich keuchend zur Ziellinie zurück. Da kam auch schon der schnellste Junge, den ich zum Schluss noch überholt hatte. Er sah mich feindseelig an. Aber es war mir egal und ich grinste ihn einfach breit an. Er schaute weg. Als alle eingetroffen waren, irgendwann auch Ann, sie hatte nicht übertrieben mit dem, dass sie langsam sei, versammelten wir uns wieder alle in einem Kreis. Mr. Coleman las die Zeiten vor, vom Langsamsten bis zum Schnellsten. ,,So und nun die ersten drei Plätze. Auf dem dritten Platz mit einer Zeit von genau fünf Minuten ist Nick. Auf dem zweiten Platz ist Jacob mit einer Zeit von vier Minuten und 48 Sekunden. Somit geht der erste Platz an Sandra mit drei Minuten 56 Sekunden.“ Der Kurs klatschte, einige sahen mich wieder mal leicht schockiert oder entgeistert an und unser Lehrer schickte uns in unsere Umkleiden. Als ich und Ann gerade auch gehen wollten rief Mr. Coleman: „Sandra, ich würde gern noch einmal mit dir sprechen.“ Ich schickte Ann vor und bat sie auf mich zu warten, wenn sie fertig ist. Ich drehte mich um und ging wieder zu Mr. Coleman. „Sandra, hast du irgendwelche Drogen oder so genommen oder bist du wirklich so schnell?“ Ich war schockiert über die Frage und verneinte. Ich erzählte ihm, dass ich schon immer, auch in meiner alten Heimat, so schnell war. „Okay, wenn das so ist, dann würde ich dich gerne in meinem Schulteam haben. Die beiden Jungen, die du zum Schluss eingeholt hast waren schon meine Schnellsten. Du hast sie tatsächlich überholt. Also, würdest du gerne im Schulteam dabei sein und bei Wettkämpfen unsere Schule repräsentieren?“ Ich dachte darüber nach, Ann hatte mir ja schon vor dem Unterricht gesagt, dass da nur Jungs sind. Aber andererseits wären Mr. Coleman garantiert enttäuscht, wenn ich sein Angebot ausschlagen würde. Außerdem würde ich dadurch vielleicht auch einen netten Jungen kennen lernen. „Okay, ich möchte gern dabei sein, aber es gibt doch bestimmt eine Art extra Training, wenn ja, wann ist dieses Training?“ fragte ich ihn. „Also, Training ist mittwochs um 16.00 Uhr. Schaffst du das? Eigentlich ist dann kein Unterricht mehr.“ Ich sagte ihm, dass das kein Problem sei und ich ging in die Umkleidekabine. Dort wartete Ann schon. „Was wollte er? Worüber habt ihr geredet? Ging es darum, dass du so schnell gelaufen bist? Oder worum ging es?“ Kaum dass ich den Raum betreten hatte, löcherte Ann mich mit Fragen. „Er hat mich tatsächlich gefragt, ob ich Drogen nehme, oder warum ich so schnell rennen konnte. Als ich sagte, dass ich das nicht tun würde, fragte er mich, ob ich Lust hätte, in der Schulmannschaft mit zu laufen, weil ich schneller war, als sein schnellster Läufer. Ich meinte, dass ich schon Lust hätte und jetzt bin ich in der Schulmannschaft! Ist das zu fassen!?“ Ann freute sich mit mir. Ich konnte es kaum fassen, heute Morgen noch war ich allein und hatte nichts, was ich in meiner Freizeit tun könnte und jetzt habe ich eine Freundin, ich hoffe jedenfalls, sie ist es, und ich bin in der Schulmannschaft. Ich zog mich schnell um und wir verließen die Turnhalle. „Hey Sandra, ich weiß wir kennen uns erst seit heute morgen, aber es steht das Wochenende an und ich würde mich freuen, wenn wir etwas zusammen machen könnten. Was hältst du davon, wenn wir Samstag ins Kino gehen und danach noch in eine Bar gehen oder so?“ Fragte Ann irgendwie leicht schüchtern, das war irgendwie ganz anders als sonst. „Klar, gerne, ich wollte dich auch noch fragen. Was läuft denn für ein Film?“ Ann dachte nach: „Also, es läuft so eine Komödie mit Ben Stiller. Wenn du willst, können wir den schauen.“ „Nein, ich steh mehr auf Horror oder so. Was hältst du von Welcome to the Future? Das ist ein Horrorfilm. Ich weiß, Horror ist nur etwas Männer, aber ich mag es.“ Ann schien von meinem Vorschlag begeistert. „Super! Ich dachte schon es gibt kein Mädchen auf dieser Welt die Horror auch mag.“

Ann und ich tauschten Nummern aus und Ann versprach anzurufen. Als ich von der Schule wieder kam erzählte ich Jane begeistert, dass ich in der Schulmannschaft war und das ich am Wochenende mit Ann ins Kino gehe und wir zusammen noch in eine Bar gehen. Jane freute sich riesig. Als ich am Abend ins Bett ging, schlief ich mit einem Lächeln im Gesicht ein.

Kapitel 2

 

Als ich am Samstagmorgen aufwachte, spürte ich die warmen Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht, die durch meinen Vorhang fielen. Ich streckte mich und gähnte noch einmal, bevor ich mich aufsetzte. Ich schlüpfte aus meiner warmen Decke und stand auf. Ich ging zur Tür und öffnete sie, mir kam ein leckerer Geruch von frischen Brötchen, Kaffee und frischgepresstem Orangensaft entgegen. Ich ging die Treppe herrunter und schlurfte noch ein wenig verschlafen in die Küche. ,,Morgen" murmelte ich und setzte mich auf einen Stuhl am Tisch. ,, Guten Morgen Sandra, wie geht es dir? Na, was hast du heute vor? Wolltest du nicht heute mit Ann ins Kino oder so? Wann trefft ihr euch denn? Welchen Film wollt ihr den schauen?" Jane bestürmte mich mit Fragen. ,,Warte, warte. Nicht so schnell. Ich bin immer noch sau müde und ich habe voll Muskelkater vom Sport gestern. Also alles von vorne. Ja, ich gehe heute mit Ann ins Kino und danach in eine Bar oder so, keine Ahnung, sie wollte mir noch eine SMS schreiben, oder ich ihr. Wir sehen wahrscheinlich Welcome to the Future, sagt dir gar nichts. Oder?" Jane und ich unterhielten uns noch eine Weile und frühstückten. Als wir fertig waren half ich noch den Tisch abzuräumen und ging aus der Küche. Auf dem Weg in mein Zimmer hörte ich schon, dass ich eine SMS bekommen habe.

 

Als ich die Haustür öffnete sah ich gleich den roten Wagen von Ann, sie winkt mir durch die Autoscheibe hindurch zu und ich winkte zurück. Da sie ein Jahr älter war als ich, konnten wir zum Glück allein fahren. Ich rief noch schnell ins Haus, dass ich jetzt weg sei und lief auf Anns Auto zu. Ich öffnete die Tür und ließ mich auf den Beifahrersitz fallen. ,,Hi Ann." sagte ich und sah sie an. Ich stockte. Ich sah sie noch einmal genauer an. ,,Was ist? Du glotz so blöd!" Ann sah mich jetzt fragen an. ,,Auch nichts, nichts. Ich fühle mich jetzt nur so dähmlich, weil du dich so herausgeputzt hast und ich nur im Schlabberlock durch die Gegend laufe. Aber du siehst echt gut aus. Wo hast du das Shirt her, es ist echt cool." Ihr Shirt war tiefrot mit einem großen Eifelturm aus vielen schwarzen Pajetten . ,,Oh, danke, das Shirt hab ich von L&L." und wir fuhren los zum Kino.

 

,,Man, der Film war echt Hammer! Gut das wir in den gegangen sind, sonst hätten wir echt was verpasst." Ann sah mich begeistert an als wir aus dem Kino kamen. ,,Ja, er war echt cool. Wo gehen wir jetzt hin? Hast du eine Lieblingsbar? Ich wohne ja noch nicht so lange hier, deswegen habe ich keine Ahnung." fragte ich Ann und sie sagte:,,Oh, Leo´s ist cool. Das ist auch gleich hier um die Ecke. Komm, ich lade dich auf den Cocktail ein, oder was magst du eigentlich?" Ich erzählte ihr, das ich gerne, auch wenn es komisch klingt, Bier trinke. Also gingen wir los und betraten die Bar mit dem Namen Leo´s. Es war es stickig und voll. Doch wir sahen noch zwei freie Plätze direkt an der Theke. Wir freuten uns, nahmen Platz und bestellten uns etwas zu trinken.

 

 

Ich spürte warme Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht und ich sah leicht den Sonnenschein durch meine geschlossenen Augen. An sich mag das ja schön sein, doch ich hatte verfluchte Kopfschmerzen. Ich wusste nicht wieso und versuchte mich zu erinnern. Doch dort war nichts, ich wusste noch, das ich gestern mit Ann im Kino war und hinterher in einer Bar. Doch mehr war da nicht. Außer noch mehr Kopfschmerzen. So mehr ich mich konzentrierte, desto mehr tat es weh. Okay, ich gähnte und schlug die Augen auf, und dann der Schock! Ich lag unter freiem Himmel. Auf unserm Hausdach!

Ich schüttelte den Kopf und dachte nur, das kann nicht wahr sein. Ich blinzelte noch einmal. Aber ich lag tatsächlich auf unserem Hausdach. Ich wunderte mich wie ich darauf gekommen sei, doch da sah ich schon das offene Fenster, wodurch ich wohl geklettert sein musste...Ich stand auf. Mir tat echt alles weh. Ich klettert wieder, wenn auch ziemlich ungeschickt, wieder durch das Fenster ins Haus. Es war mein Zimmer, dass war mir klar, aber ich fragte mich, was hier passiert war...das Bett war zerwühlt, ein Kissen war zerrissen und überall flogen die Federn durch die Gegend. Mein Kleiderschrank war aufgerissen und alle Klamotten lagen zerstreut auf dem Fußboden. Der Schreibtisch war umgekippt, die Blumenvase, die dort einmal drauf stand, lag nun zerbrochen am Boden. Es sah aus wie ein Schlachtfeld. Alle Bilder und Fotos an der Wand waren herunter gerissen und die Rahmen waren zerbrochen. Ich stieg vorsichtig über die am Boden liegenden Sachen und ging zur Tür. Als ich sie öffnete, sah ich es, es war mir eigentlich schon klar, aber ich erschrak trotzdem. Das gesamte Haus war verwüstet. ,,Jane? Bist du hier irgendwo?" rief ich und wunderte mich, wo meine Tante sei. Es kam keine Antwort. ,,Jane?" rief ich erneut und ging langsam die Treppe herunter. Ich hörte einen erstickten laut aus der Küche. Ich rannte dorthin. Die Küche sah noch schlimmer aus, als das, was ich eh schon gesehen hab. In der Ecke der Küche lag Jane. Sie war Blut überströmt, ich sah aber, dass sie noch lebte, da sich ihr Brustkorb langsam hob und wieder sengte. Ich stieg vorsichtig über die ganzen Scherben die am Boden lagen, die vermutlich mal Geschirr gewesen waren. ,,Jane?" fragte ich sanft. Sie zuckte zusammen und keuchte. Ich dreht sie vorsichtig um und war geschockt. Ihr ganzes Gesicht war Blut überströmt und sie hatte viele blaue Flecke im Gesicht und am ganzen Körper. Ihr Arm stand in einem merkwürdigen Winkel ab und sie hatte sich vermutlich eine Rippe gebrochen. ,,Was ist hier passiert?", das war so ziemlich das einzige, was ich sagen konnte. Jane schüttelte nur den Kopf. ,,Was soll das heißen?"fragte ich sanft weiter. Sie zeigte auf das Telefon, das halb unter einem zerbrochenen Teller lag und formte mit dem Mund die Worte ,,Notarzt". Ich rannte zum Telefon, dieses Mal achtete ich nicht auf die Scherben. Ich zog es unter dem Teller hervor und wählte die Nummer von Notdienst. Es tutete ein Paar mal. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit. Dann klickte es und ich hörte die gelangweilte Stimme einer Frau, an der anderen Seite der Leitung. ,,Hallo. Hier ist das St. Marien Krankenhaus. Wie kann ich ihnen behilflich sein?" Ich fragte mich, wie jemand so gelangweilt klingen kann, wenn an der anderen Seite fast jemand stirbt. ,,Hallo. Ich heiße Sandra. Ich...ich...ich weiß nicht was passiert ist. Das ganze Haus ist verwüstet...und meine Tante liegt da in der Ecke, sie müssen schnell kommen!" stotterte und schrie ich in den Hörer. Ich wurde langsam echt panisch. Die Frau auf der anderen Seite sagte mir, dass alles gut wird, ich tief durchatmen soll, dabei klang sie so gelangweilt, dass ich fast aufgelegt hätte. Aber in dem Moment hustete Jane. Sie würgte und aus ihrem Mund kam etwas rotes, blutiges. Ich brachte es noch über mich, der Frau die Adresse zu nennen und dann den Hörer wieder hinzulegen. Dann rannte ich wieder zurück zu Jane, die dort immer noch würgend und hustend auf dem harten, kalten Boden lag. ,,Jane! Jane! Wer war das? Was ist hier passiert?!" Ich rüttelte an ihrer Schulter ,,Jane!" Sie drehte sich wieder zu mir um. Ihre Augen waren geschlossen. Sie antwortete nicht. Ich sah aber, dass sich ihr Brustkorb immer noch bewegte. Sie lebte noch. ,,Jane! Verdammt bleib bei mir!" ich sah sie erneut an. ,,Ich kann nicht noch jemanden verlieren!" Bei dem Gedanken, dass Jane sterben könnte wurde mir eiskalt. Dann hätte ich niemanden mehr. Keine Mutter. Kein Vater. Keinen Bruder. Keine Jane. Ich, allein. Ich schluchzte. ,,Jane, ich kann dich nicht verlieren, bleib bei mir! Hörst du? Bitte, wenn du mich hörst, öffne doch bitte die Augen. Oder mach irgendetwas anderes, so dass ich weiß, dass du noch bei mir bist. Hörst du?!" Ich sah sie erwartungsvoll an. Sie musste doch irgendetwas machen. Jane hustete, ein erneuter Blutschwall kam aus ihrem Mund, ich sah nichts mehr. Alles war rot. Alles war voller Blut. Ihrem Blut. Sie musste so viel verloren haben. Diese Notärzte mussten doch langsam mal kommen! Während ich das dachte, zitterten ihre Augenlieder. Langsam, ganz langsam öffnete sie ihre Augen. Sie waren rot, blutrot. Alle kleinen Adern in ihrem Auge waren geplatzt. Das Zeichen, purer Panik stand in ihren Augen. Ich erschrak noch mehr. ,,Verdammt, Jane, sag mir wer das war!" Jane sah mich durch ihre blutgetränkten Augen an. Ganz langsam begann sie ihren Kopf zu schütteln, ganz langsam und vorsichtig. Sie schüttelte ihn immer schneller. ,,Oh mein Gott! Was ist passiert?!" Ich drehte fast durch vor Sorge. Ich hörte eine näher kommende Sirene. Vor unserem Haus verstummte sie. Schritte kamen auf uns zugelaufen und man hörte es klappern. Eine Trage wurde aufgebaut. Es läutete an der Tür, die Ärzte klopften auch schon. Aber ich war zu sehr von dem Anblick von meiner sterbenden Tante geschockt, als dass ich mich irgendwie zur Haustür hätte bewegen können. Ich schrie nur in Richtung Tür, sie sollen die Tür einfach aufbrechen. Es würde keinen Unterschied machen. Ich hörte eine Art Scheppern und ein Klicken, dann, wie die Haustür aufgeworfen wurde und sie reinkamen. ,,Wo sind sie?" rief eine männliche Stimme. ,,In der Küche. Die erste Tür rechts!" schrie ich zurück. Ich starrte aber weiter weinend meine Tante an. Sie war wie eine Mutter für mich. Ich hatte niemand anderen. Es gab nur noch sie. Ohne ihr bin ich allein. Plötzlich wurde die Küchentür aufgeworfen, ich konnte mich nicht daran erinnern, sie irgendwie angelehnt zu haben. Nun kamen sie mit ihren rot-weißen Uniformen herein gerannt.

 

Einer packte mich am Arm und wollte mich von Jane wegziehen. ,,Nein!!!" ich klammerte mich weiter an Jane. ,,Um ihr zu helfen müssen wir zu ihr kommen!" Ich ließ mich schluchzend von dem Notarzt wegziehen. Nun, von weiter weg, stürzte die Situation auf mich ein. Die Sanitäter, die sich um Jane scharten, die zerstörte Küche um uns herrum, die Blutlache um Jane und den Ärzten, meine Tante, die blutend, halb sterbend am Boden lag und die wilden, lauten Schreie, die die Notärzte von sich gaben. Das Alles stürzte so unerwartet auf mich ein, dass ich nicht anders konnte. Ich schrie, ich schrie aus Leibeskräften. Jetzt bekamen sie endlich mit, dass ich auch noch da war. Eine blonde, kleine Ärztin kam auch mich zugelaufen und hockte sich vor mich hin. ,,Alles wird gut." versuchte sie mich zu beruhigen. Sie packte meine Hände, mit denen ich sie wegschieben wollte, sie versperrte mir den Blick auf meine wahrscheinlich sterbende Patin. Sie hatte einen erstaunlich starken Griff, also gab ich auf und ließ meine Hände fallen. Die Ärztin, die, laut ihres Namensschildes, Mary hieß, ließ meine Hände los und packte mein Gesicht. Dadurch zwang sie mich, sie anzusehen. Sie sah mir tief in die Augen und sagte:,, Hör mir zu, alles wird gut, sie wird überleben! Hörst du? Sie wird es schaffen, okay? Du darfst jetzt nur nicht in Panik verfallen!" Ich verfiel nicht in Panik, ich fiel in Ohnmacht. Das war einfach alles viel zu viel für mich.

 

Kapitel 3

 

 

 

Als ich langsam wieder zu mir kam, blendete mich ein grelles weißes Licht. Ich blinzelte ein paar Mal, bis sich meine Augen an das Licht gewöhnt hatten. Ich fand den Übeltäter. Es war eine helle Neonröhre direkt über mir. Wo war ich eigentlich? Ich sah mich um und fand mich in einem Krankenzimmer wieder. Wann war ich hier denn gelandet? Ich sah an mir herunter und sah, dass in meiner linken Hand eine Braunüle steckte, die mich mit einem komischen Beutel mit klarer Flüssigkeit verband. Ich versuche mich aufzusetzen, doch in dem Moment durchzog mich ein stechender Schmerz in meinen Schläfen und es drehte sich alles. Hatte ich etwa einen Kater? In dem Moment viel mir alles wieder ein. Wie ich auf dem Hausdach aufgewacht bin. Wie Jane in einer Blutlache lag und starb. Wie Ärzte um sie rumwuselten. Mary die mich beruhigen wollte. Oh mein Gott. Was ist mit Jane? Lebt sie noch? Verdammt warum ist denn keiner hier? Ich merkte, wie sich mein Herzschlag beschleunigte. Eine Maschine neben mir, mit der ich offenbar auch noch verbunden war, begann wie wild zu piepen. Wie dieses Geräusch in meinen Ohren weh tat. In dem Moment kam eine mir unbekannte Krankenschwester herein gerannt und drückte mich zurück in die Kissen. „Wir haben uns schon gewundert, wann du wohl wieder aufwachen wirst. Ich bin Susanne. Bleib liegen, während ich den Arzt hole, damit er nochmal nach dir sieht.“ „Wie geht es meiner Tante?!“ Platze es nur aus mir heraus. Ich musste es verdammt nochmal erfahren. „Immer mit der Ruhe Sandra. Wer ist denn deine Tante?“ Sie sprach mit einer ruhigen Stimme, die mich sofort runterkommen ließ. „Jane. Jane Miller.“ „Der geht es den Umständen entsprechend. Ich behandele sie auch. Sie ist stabil und auf dem Weg der Besserung. Mrs. Miller wird vollständig genesen.“ Ich atmete erleichtert auf. Es war als viele mir ein Stein von Herzen. Erleichtert ließ ich mich zurück in meine Kissen sinken. „Ich bin gleich wieder da.“ Sagte Susanne noch, bevor sie wieder aus dem Raum flitzte.“ Ich starrte an die Decke. Jane lebt doch noch. Aber was war das? Warum war das ganze Haus so verwüstet? Was hat Jane angegriffen? Oder vielleicht sogar wer…? Ich hatte so viele Fragen auf die ich einfach keine Antwort wusste. Warum hatte ich eigentlich so einen krassen Filmriss? Ich war mit Ann trinken. Oh mein Gott Ann! War ihr auch etwas passiert? Ich muss hier endlich raus! Durch das ganze Denken tat mein Kopf schon wieder weh. Das kann ja was werden. Ich drehte meinen Kopf zur Seite, in dem Moment, wo der Arzt mein Krankenzimmer betrat. Er leuchtet mit einer Lampe in meine Augen, um meine Pupillenreflexe zu untersuchen, stellte mir ein paar Fragen, nachdem Motto wie es mir geht und ob mir irgendwas weh tut und so weiter. Ich erzählte ihm von meinen Kopfschmerzen und er wies die Krankenschwester, die mich gerade abkabelte, an mir etwas dagegen zu geben, meine Entlassungspapiere fertig zu machen, meine Freundin mit meinen Sachen vorbei zu schicken und mich danach zu meiner Tante zu bringen. Was für eine Freundin? Aber in dem Moment, wo der Arzt der Raum verließ kam mir eine völlig aufgewühlte Ann rein gestürmt. „Oh mein Gott Sandra ich hab mir ja solche Sorgen gemacht! Du glaubst ja nicht, wie ich mich gefühlt habe, als ich den Anruf erhalten hab. Gott sei Dank geht es dir ja wieder gut. Hier“ sie hielt eine kleine Tasche hoch „ich hab ein paar Sachen eingepackt, die du jetzt anziehen kannst. Sie müssten dir passen.“ „Okay. Danke. Aber woher haben die eigentlich deine Nummer?“ fragte ich, setzte mich vorsichtig auf die Bettkante und nahm der Krankenschwester dankbar die Kopfschmerztablette und das Glas Wasser entgegen. Ich nahm sie, während Ann erzählte:„ Hey, du darfst jetzt aber nicht sauer sein… als wir gestern in der Bar waren und ich merkte, dass du schon ordentlich angeheitert warst, hab ich mich als Notfallkontakt in deinem Handy eingespeichert… Ich weiß ich hätte nicht einfach so an deine Sachen gehen dürfen, aber ich hatte mir nur Sorgen gemacht und als du kurz auf die Toilette verschwunden bist hab ich die Chance ergriffen.“ „Hey kein Problem“ antwortete ich „war ja echt ganz praktisch. Sonst hätte ich jetzt nichts anzuziehen“ ich griff nach der Tüte „und ich wüsste nicht, was ich jetzt machen sollte. Das heißt ich bin dankbar dafür. Ich verstehe, dass du dich um mich gesorgt hast und das zeigt wieder nur, was für eine gute Freundin du bist.“ Ich lächelte meine einzige Freundin aufmuntert zu. „Okay…ich dreh mich einfach mal kurz um, dann kannst du dich umziehen.“ Sagte Ann nur und tat selbiges auch. Aber ich sah, wie sie bei meinen Worten lächelte. Die Krankenschwester fragte mich, ob ich Hilfe bräuchte und als ich verneinte sagte sie, dass sie vor der Tür auf mich warte, um mich dann zu Jane zu bringen. Ich griff in Anns Tasche und fing an zu lachen. Es war unteranderem ein schwarzes Tshirt mit einem dicken Smiley aufgedruckt, der wie ein Vampir gestaltet war. Ann drehte sich um, um den Grund meiner Belustigung zu finden. Dann grinste sie auch. „Ja tut mir leid. Du bist nun mal einfach kleiner und deutlich dünner als ich und das war das einzige, was ich halbwegs in deiner Größe aus meinem Schrank zaubern konnte. Bei den Hosen war das schon schwieriger. Ich hab aber noch eine Jogginghose mit Gummibund gefunden. Gott sei Dank hatten wir wenigstens die gleiche Schuhgröße.“ Ich holte besagte Kleidungsstücke raus und grinste sie an. Sie hatte nur schwarze Klamotten mitgebracht, selbst die Socken. Die schwarzen Chucks die ich zu Tage förderte waren der Hammer, außerdem erinnerten sie mich stark an die Schuhe, die sie bei unserer ersten Begegnung getragen hat. „Ja ich dachte mir dass du bisher nur schwarz getragen hast und dann dachte ich, dass dir das wahrscheinlich besser passt, als wenn ich irgendwas Buntes mitbringe. Ich meine ich hab zwar selbst eh nicht so viele bunte Sachen, aber ich dachte ich mache dir damit eine kleine Freude.“ Ich strahlte sie an „Danke Ann, du bist die Beste!“ Ann lächelte verlegen und drehte sich wieder um. Ich zog hastig dieses hässliche Krankenhaushemd aus und schlupfte in die geborgten Sachen. „Fertig!“ sagte ich und stand auf. Ann drehte sich um verkniff sich ein Lachen. „Ich weiß ich sehe super heiß darin aus.“ Dann prusteten wir beide über mein Aussehen los. Das Vampir-tshirt war super albern und die Hose zwei Nummern zu groß. Dank des Gummibunds hielt sie halbwegs auf meinen Hüften, aber sie war auch mehrere Zentimeter zu lang, weshalb sie über dem Knöchel, wo ich das Hosenende in die Schuhe gesteckt hatte, mehrere Falten schlug. Ich sah einfach komplett bescheuert aus. Ich wollte gar nicht wissen, wie meine Haare aussahen. Ann reichte mir nur wortlos ein Haargummi und ich machte mir einen lockeren Dutt. „Okay wollen wir gehen?“ fragte ich sie und drückte ihr die leere Tasche in die Hand. Ann folgte mir aus dem Krankenzimmer und ich sah mich nach Susanne der Krankenschwester um. Sie stand ein paar Meter weiter und füllte irgendwelche Zettel aus. Das waren wahrscheinlich meine Entlassungspapiere, die der Arzt vorhin angesprochen hatte. Ich ging zu ihr rüber und sprach sie an:„Hallo. Ich würde jetzt gerne Jane besuchen.“ Susanne blickte von ihrer Arbeit hoch:„ Natürlich, hier ich bin gerade mit deinen Papieren fertig geworden. Da du keinen lebenden Vormund hast und Jane momentan nicht fähig ist, musst du dort kurz unterschreiben.“ Ich riss mich zusammen und unterschrieb an der gezeigten Stelle. Hatte sie eben ernsthaft vor Ann das einfach so ausgeplaudert? Ann wusste nicht, was in meinem Leben passiert ist. Sie weiß nur, dass mich der Gedanke an meinen Vater traurig macht und ich bei Jane wohne, die ich als meine Tante bezeichne. Sehr schön Susanne. Doch als ich endlich Ann ansah, lächelte die mich nur verständnisvoll an. Hä? Wusste sie etwa schon davon? Ach verflixt, ich weiß ja nicht mehr, was genau in der Bar passiert ist, oder was ich im Suff vielleicht alles ausgeplaudert hab. Ich bin unberechenbar, wenn ich betrunken bin. Oh verdammt. Jedenfalls liefen wir Susanne durch verschiedene Flure hinterher, einen Fahrstuhl rauf und weitere Gänge entlang…ich hatte schon längst den Überblick verloren…aber irgendwann hielten wir vor einer Tür mit der Nummer 125. Sie guckte mich kurz an und drückte dann die Klinge herunter und ließ mich herein. Ich trat ein und starrte auf das Bett. War das Jane? Sie war an viele Schläuche und Kabel angeschlossen und gefühlt jeder Zentimeter von ihr war in Gips oder Verbände eingepackt. Ich schaffte es nicht näher heran zu treten. Ich starrte sie nur an. „Es sieht schlimmer aus, als es ist. Ihre Wunden heilen gut und sie wird von Stunde zu Stunde stärker.“ sagte Susanne mir „Aber wir würden trotzdem gerne wissen was passiert ist.“ Sie wande sich mir zu. Ich wusste, dass diese Frage bald kommen würde. „Ich…ich weiß es nicht. Ich erinnere mich an gar nichts. Als ich heute Morgen aufgewacht bin war das ganze Haus verwüstet und dann…hab ich sie gefunden…“ bei den letzten Worten versagte mir die Stimme. Ich hatte noch genau das Bild von Jane vor Augen. Sie auf unserem Boden. Blutverschmiert zwischen all den Scherben. „Alles okay. Das ist nicht schlimm. Vielleicht erinnert sie sich ja an das, was passiert ist, wenn sie wieder aufwacht. Das sollte auch im Laufe der nächsten Tage geschehen. Wir haben deine Nummer von ihrer Freundin bekommen und wir melden uns bei ihnen, sobald wir etwas Neues wissen.“ beruhigte mich Susanne. Ann legte ihren Arm um meine Taille, dreht mich um und zog mich aus dem Raum. „Komm wir gehen jetzt besser.“ Ich nickte stumm und ließ mich von ihr aus dem Raum ziehen. Susanne begleitete uns den Weg zum Ausgang und Ann führte mich zu ihrem Auto. Wir setzten uns herein und sahen uns an. „Was mach ich denn jetzt?“ fragte ich sie völlig hoffnungslos. „Wir fahren erst mal kurz zu dir. Dort packst du ein paar Sachen ein und wohnst dann eine Weile bei mir. Meine Mutter hat nichts dagegen und sie möchte auch nicht, dass du alleine bist. Da gibt es auch nichts zu diskutieren. Wir machen das jetzt so.“ Ich nickte und bedankte mich ein wenig betreten bei mir. Ich war gerührt davon, dass sie sich so liebevoll um mich kümmern wollte. Jetzt musste ich es nur noch schaffen, Janes verwüstetes Haus zu betreten.

Kapitel 4

 

Anns Wagen hielt vor unserem Haus. Sie sah mich erwartungsvoll an, so dass ich schnell ihrem Blick auswich. Da muss ich jetzt wohl durch. Ich atmete tief durch öffnete die Beifahrertür und stieg aus. Ich war ein bisschen wackelig auf den Beinen, aber Ann war schon ausgestiegen, um das Auto herum gekommen und hatte sich bei mir eingeharkt. Ich lächelte sich vorsichtig an und wir überquerten die Straße. „Wir müssen um das Haus rum gehen. Im Garten ist ein Schlüssel versteckt.“ Sagte ich ihr, als wir das Grundstück betraten. Gesagt getan. „Du hast jetzt einfach vergessen, dass der da lag.“ „Ich weiß gar nicht was du meinst. Was hat wo gelegen?“ fragte Ann unschuldig zurück. Wir gingen zusammen zur Haustür und der Ernst der Lage stürzte wieder auf mich ein. Ich wusste nicht, was mich drinnen erwarten würde… mein Puls beschleunigte sich und meine Finger begannen zu zittern, so dass ich die Tür einfach nicht aufschließen konnte. Vorsichtig nahm Ann mir die Schlüssel aus der Hand, schloss die Tür auf und öffnete sie. Ich atmete tief durch, bereitete mich auf das Schlimmste vor und betrat Haus. Was ich sah war…nichts. Es war aufgeräumt worden. Es lag nirgendswo mehr auch nur eine einzige Scherbe oder Blutstropfen. Es war zwar leerer als vorher, da auch die zerstörten Möbel verschwunden waren. Ich drehte mich mit großem Mund zu Ann um, die im Eingangsbereich stehen geblieben war. „Ich dachte mir, dass es so wie so schon schwer genug sein wird für dich, hierher zu kommen. Ich dachte, wenn das alles weg wäre, wäre es leichter für dich…“ sagte meine Freundin. „Aber wie hast du…“ mir fehlten einfach die Worte. „Als ich den Anruf aus dem Krankenhaus bekommen habe, wurde mir gesagt, dass die Polizei noch zur Beweisaufnahme hier sei. Also bin ich hierher gefahren und als die Polizei mit ihrer Arbeit fertig war hab ich hier aufgeräumt. Ich hab mich aber auf hier unten beschränkt, weil ich auch gerne ins Krankenhaus wollte um nach dir zu sehen. Deswegen ist dein Zimmer leider immer noch ein Schlachtfeld. Ich hab lediglich dein Fenster zu gemacht.“ Ich fiel ihr um den Hals „Du bist die beste Freundin die man sich nur wünschen kann. Danke.“ Sie lächelte mich nur liebevoll an und wir gingen zusammen die Treppe rauf. Sie hatte nicht übertrieben. Mein Zimmer glich tatsächlich einem Schlachtfeld. Auch wenn es nicht so schlimm war, wie ich es erwartet hatte. „Was hältst du davon? Du fängst an deine Sachen zu packen und ich suche unten Müllbeuteln und dann räumen wir hier auch noch schnell auf.“ Sagte Ann, ich nickte und sie verschwand schon wieder aus dem Raum. Ich ging zum Bett und zog eine große Reisetasche hervor, die ich darunter verstaut hatte, öffnete sie und legte sie auf meine Matratze. Jetzt musste ich nur von meinem Kleiderschrank hin und her laufen und die Klamotten in die Tasche stopfen. Danach sammelte ich alles wichtige, was sonst noch in meinem Zimmer lag ein und verstaute sie zwischen den Kleidungsstücken. Durch das fiele hin-und-her-Gelaufe wirbelte ich viele Federn auf, die überall auf dem Boden verstreut waren. Als ich deswegen gerade heftig niesen musste kam Ann mit einer Rolle Müllbeutel und einem Kehrblech wieder. Sie lachte sagte Gesundheit. Ich streckte ihr zur Antwort nur frech die Zunge raus. „Ich bin fast fertig und muss nur noch die Sachen im Bad holen und, da ich vermute, dass ich jetzt etwas länger nicht hierher kommen werde, muss ich auch noch meine Schulsachen einpacken.“ Sagte ich ihr und sie antwortete: „Alles klar, ich sammel in der Zeit dann schon mal die kaputten Sachen ein und versuche dein Zimmer nicht mehr wie einen Hühnerstall aussehen zu lassen.“

Nach einer weiteren halbe Stunde war alles eingepackt und aufgeräumt, so dass wir das Haus verließen und ich die Tür wieder hinter mir abschloss. Wir stiegen in Anns Wagen und fuhren los. Da wir beide ein bisschen Hunger bekommen hatten, hatten beschlossen auf dem Weg zu Anns Wohnung bei einem Café anzuhalten. Da ich noch nicht lang genug hier bin, um einen Favoriten gefunden zu haben, fuhren wir zu einem, von dem Ann mir schon einmal berichtet hatte.

Wir betraten das Luna Park Cafe, bestellten uns jeder einen großen Milchshake und sicherten uns einen Tisch am Fenster. Kaum das wir saßen, kamen unsere Getränke schon und ich probierte. Ann hatte nicht übertrieben, hier gibt es wirklich den besten Milchshake in Seattle. Wir schwiegen eine Weile und jede rührte mit ihrem Strohhalm in ihrem Becher rum. „Ist alles okay Sandra?“ fragte mich Ann irgendwann. „Ich weiß einfach nicht genau, was ich machen soll. Das alles überfordert mich irgendwie…“ sagte ich. „Das kann ich mir vorstellen. Ich kann mir auch vorstellen, dass du diese Frage schon mehrfach gehört hast, aber kannst du dich an irgendwas erinnern, was passiert ist? Warum euer Haus so aussah? Was mit Jane passiert ist? Irgendwas?“ fragte sich mich, doch ich antwortete wahrheitsgemäß: „Ich weiß gar nichts Ann. Ich erinnere mich lediglich daran, mit dir in eine Bar gegangen zu sein und dann“ ich schnippte mit den Fingern „Filmriss. Gar nichts mehr. Weder was wir getrunken haben, noch worüber wir geredet haben, wie lange wir da waren, wie ich nach Hause gekommen bin oder was dann passiert ist. Ich weiß nur, dass ich auf dem Hausdach aufgewacht bin, durch das Fenster wieder ins Haus geklettert bin und das ganze Haus verwüstet war. Als ich runter gegangen war hab ich Jane gefunden, den Notarzt gerufen und den Rest der Geschichte weißt du ja schon.“ Ann schürzte kurz die Lippen und antwortete dann: „Okay, vielleicht kann ich dir ein bisschen auf die Sprünge helfen. Ich erzähl dir einfach alles bis zu dem Punkt, den ich weiß. Wir sind in die Bar gegangen und haben uns beide ein Bier bestellt. Ich war froh, dass du nicht auch so eine Cocktail-Schlürferin bist, wie die meisten anderen Mädels. Dann haben wir uns über den Film unterhalten, den wir gerade im Kino geguckt hatten und dann sind wir auf Jungs gekommen. Wir haben beide über die Jungen im unseren Jahrgang ab gelästert, dass die immer nur auf das Aussehen achten und am liebsten mit Cheerleadern zusammen wären. Du hast als Beispiel deinen Ex Toni aus New York genannt. Dann sind wir auf New York zu sprechen gekommen, als ich meinte, dass ich dort gerne mal hinreisen würde und meinte, du könntest ja mein Reiseführer auf zwei Beinen werden, sagtest du, dass du dort nie wieder hinwillst. Da waren wir übrigens schon beim dritten Bier. Auf meine Frage warum, hast du mir von deiner Vergangenheit erzählt. Wie du mit deinem Bruder mehr oder weniger alleine aufgewachsen bist, wie deine Eltern gestorben sind und kurz darauf dich auch dein Bruder verlassen hat. Das du dann zu Jane gekommen bist, die eine gute Freundin von deinen Eltern war und du die Typen von der Behörde nicht leiden kannst.“ Ich wollte gerade etwas sagen als sie die Hand hob und mich unterbrach „Du hast auch gesagt, dass du darüber nicht weiter sprechen möchtest und dass du nicht willst, dass ich dich jetzt anders behandele vor lauter Mitleid. Sandra für mich bist und bleibst du eine wundervolle Person und wirklich gute Freundin, deswegen berücksichtige ich deinen Wunsch und respektiere das. Du brauchst dir deswegen also keine Sorgen zu machen. Wir haben dann noch ein bisschen über Schule, deinen Sonderstatus bei Mr Coleman gesprochen, da du ja jetzt im Schulteam bist, außerdem über ganz normalen Kram wie Bücher, Fashion, irgendwelche Promis und einfach Klatsch und Tratsch. Nachdem wir beide langsam müde wurden und beide schon mehr als genug intus hatten, hatten wir beschlossen nach Hause zu gehen. Du bist kurz aufs Klo gegangen, ich hab meine Nummer in dein Handy eingespeichert, was sich ja tatsächlich als ganz sinnvoll ergeben hat, und wir haben die Bar verlassen. Ich hab das Auto stehen lassen und wir sind beide zu Fuß nach Hause gelaufen. Wir hatten uns verabschiedet, ich bin in die eine und du in die andere Richtung gegangen. Ne halbe Stunde später hab ich dir eine Nachricht geschrieben und kurz darauf hast du geantwortet, dass du gut zu Hause angekommen bist und jetzt schlafen gehen wirst. Mehr weiß ich nicht.“ Ich ließ die ganzen Informationen erst mal sacken und schlürfte meinen Cocktail weiter, dann fragte ich Ann: „ Kannst du mir die Nachricht vielleicht mal zeigen? Ich hatte mein Handy zwar vorhin im Krankenhaus wiederbekommen, aber der Akku ist leer und ich konnte es noch nicht aufladen.“ Sie kramte in ihrer Handtasche und holte es hervor „Klar, hier. Aber wieso willst du die nochmal sehen?“ Ich antwortete nicht sofort, sondern starrte nur auf die Nachricht. „Ann. Die Nachricht hab nicht ich geschrieben. Zum einen achte ich nicht auf Groß- und Kleinschreibung oder Rechtschreibfehler, wenn ich müde oder betrunken bin und zum anderen schreibe ich niemals Zwickersmileys, besonders keine mit Nase. Ich finde Smileys mit einem Bindestrich als Nase total blöd. Bist du dir sicher, dass ich diese Nachricht geschrieben hab?“ Ann gucke mich geschockt an. „Die SMS kam von deiner Nummer, weshalb ich davon ausgegangen war, dass sie von dir kam, aber ich kann natürlich nicht genau sagen, wer sie getippt hat. Ich weiß ja nicht, ob jemand bei dir war und sie an deiner Stellegeschrieben hat… aber wer auch immer bei euch für das Chaos verantwortlich ist, warum sollte der eine SMS an mich schreiben?“ „Ich hab keine Ahnung… Ich weiß nur, dass ich jetzt eine weitere unbeantwortete Frage auf einer viel zu langen Liste an Fragezeichen hab.“ Meinte ich mürrisch. Ann trank mit einem großen Schluck ihren Milchshake aus und sagte: „So, jetzt fahren wir erst mal zu mir, du packst deine Sachen aus und machen Hausaufgaben. Du vergisst offenbar, dass morgen Schule ist.“ Ich stöhnte, verdrehte die Augen, trank meinen Becher leer und folgte ihr aus dem Cafe. Hausaufgaben. Was für eine unnötige Kleinigkeit auf der Liste all meiner Probleme.

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Tag der Veröffentlichung: 16.09.2011

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