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Was wäre, wenn ...?


Halt dich daran fest und lass nicht wieder los. Behalte es immer bei dir, erinnere dich. Denn jeder Augenblick ist vergänglich. Und wir mit ihm.



■ ■ ■

Früher war meine größte Sorge, was passiert, sollte Ichirakus jemals dichtmachen – jetzt frage ich mich ehrlich, wie naiv ich damals sein konnte.


Kushina hielt Naruto, der bereits jetzt, im zarten Alter von zwei Wochen, herausgefunden hatte, wie genau er sein lautes Stimmorgan zu benutzen hatte, um sie in den Wahnsinn zu treiben, in den Armen und wiegte ihn immer wieder hin und her. Ihre Nerven lagen blank. Dunkle Schatten untermalten ihre erschöpft drein blickenden, blauen Augen und ihr langes, rotes Haar schien seinen üppigen Glanz verloren zu haben und wirkte stumpf.
Das blonde Kind in ihren Armen schrie unentwegt weiter, trat mit seinen kleinen, plumpen Füßen weiter um sich. Dicke Tränen rannen aus seinen dunkelblauen Augen, zudem hatte Narutos Gesicht eine rötliche Färbung angenommen.
Kushina war ratlos. Fühlte sich so hilflos wie schon lange nicht mehr. Fühlte sich betrogen. Und zwar von ihrem verdammten Glauben, sie könne alles selbst schaffen! Und jetzt, bei allen Göttern, die sie kannte, stand sie hier, ihren neugeborenen Sohn in den Armen haltend, und war die wohl furchtbarste Mutter, die dieser Planet je gesehen hatte!
»Was Mikoto Uchiha kann, kann ich doch schon lange!«


Beinahe hätte Kushina laut aufgelacht. Vor Verbitterung. Vor Verachtung. Hatte sie sich doch wirklich an solche Gedanken geklammert, nur um sich bei jedem Tritt, den sie während ihrer Schwangerschaft in ihrem Bauch spürte, die Gewissheit zu verschaffen, dass sie in ihrer künftigen Rolle nicht versagen würde!
Die Realität sprach das Gegenteil von dem, was die Rothaarige sich neun Monate lang immer wieder eingeredet hatte.
Sie liebte ihren Sohn, ja, Naruto bedeutete ihr alles und sie wusste, sie würde alles in ihrer Macht stehende tun, um ihn zu beschützen und ihm ein glückliches Leben zu schenken.
Aber diese Liebe schien nicht auf Gegenseitigkeit zu basieren. Im Gegenteil wurde dieses kleine, süße Baby mit dem blonden Haarfusseln auf dem Kopf, zu einem kleinen Monster, sobald es nur mit ihr, Kushina, seiner Mutter

, in Berührung kam. Wenn Minato nur mit ihm redete, nun, dann lachte Naruto sofort und schien in Sachen Wärme ausstrahlen selbst die Sonne in den Schatten zu stellen (was ja schon fast wieder eine Ironie ist, aber dieses Kind ist ja auch nicht normal, ha!).
Davon, wie entzückend niedlich das blonde Baby sein konnte, wenn sein Pate nur den Raum betrat, wollte Kushina gar nicht erst anfangen. Ganz im Gegenteil verdrängte sie diese Tatsachen geübt in den hintersten Winkel ihres Kopfes, um ja nicht noch frustrierter zu werden, als sie es ohnehin schon war.
Und, verdammt noch eins, das Kind schrie immer noch!
Die Rothaarige raufte sich die Haare und lief, Naruto auf dem Arm, immer wieder in der Küche auf und ab.
Hatte er Hunger? Nein, definitiv nicht. Nach einer Stunde konnte

er doch gar nicht wieder hungrig sein! (Das bewies auch ein kleiner Fleck auf Kushinas Kleidung, der davon zeugte, wie viel dieser kleine Mann wie ein Verhungernder getrunken hatte.)
War er müde? Sicher nicht. Sonst würde er ja schlafen und nicht so laut schreien, als würde er gerade zu Tode gefoltert. Oder?
Waren seine Windeln voll? Kushina rümpfte die Nase, hob Naruto hoch – und roch (wenn auch nicht gerade begeistert). Nichts. Völlig normal. Ganz so, wie ein in Windeln gepackter Babypopo zu riechen hatte, wenn alles im grünen Bereich war. Glaubte Kushina zumindest. Sonderlich festgefahren in ihrem neuen Beruf war sie ja noch nicht wirklich.
Vermisste er seinen Vater und hasste er seine Mutter abgrundtief? Kein Zweifel – ja. Ja, verdammt noch eins, und sie hasste es! Hasste ihre eigene Unfähigkeit als Mutter und hasste Minato dafür, dass er, bei den Göttern, ein so perfekter Vater war, dass dieses kleine blonde, süße Kind gar nicht anders konnte, als in seiner Gegenwart so brav zu sein, als wäre die Welt ein Planet, der nur aus Süßigkeiten besteht und einem Kinderherz alles zu bieten hat, was … was ein Kinderherz eben verlangt!
Naruto schrie immer noch, als im selben Moment an der Haustür klingelte. Das Klingeln, das in dem unentwegten Weinen des Kindes nur schwer an das Ohr der Rothaarigen drang, klang wie die Erlösung selbst –
– und als der kleine, blonde Mann den großen, weißhaarigen Mann mit einem breiten Grinsen im Gesicht sah, verebbte das Schreien und die Sonne brach durch die dunklen Gewitterwolken. Nur über Kushina ergoss sich ein kleiner Regen direkt über ihrem Kopf – so war es ihr zumindest. Regen in Form von Frustration und einem unerträglichen Gefühl von Unfähigkeit. Dass sie das letzte Mal an ihrem eigenen Wert gezweifelt hatte, schien so weit zurückzuliegen, dass es Kushina gar nicht mehr wirklich vorkam.
Hätte sie gewusst, dass kleine, süße Kinder nicht gleich Segen bedeuten, nur weil sie ein Segen sind, hätte sie sich Zeit gelassen und … und verdammt, dann hätte sie genauso versagt wie jetzt!
»Na, wo ist denn mein kleines Lieblingspatenkind?« Jiraiyas Stimme klang genauso aufgesetzt wie die aller anderen auch, wenn sie mit kleinen Kindern sprachen. Er strahlte, ebenso wie Naruto, übers ganze Gesicht, während er das kleine blonde Baby kitzelte.
Ein leises, glockenhelles Lachen erklang.
Vielleicht hätte ich die Nummer mit dem »Dutzidutzidu« doch mal ausprobieren sollen,

dachte Kushina verbittert.

□ □ □

»Komm, Naruto, sag Ramen! Ra-men!« Kushina kniete vor ihrem kleinen eineinhalbjährigen Sohn, der etwas überfordert mit der Situation schien. Naruto drückte sich den braunen, bereits aus den Nähten gehenden Stoffhasen fest an die Brust, während seine blauen Augen zwischen den drei Personen, die sich um ihn herum im Kreis niedergelassen hatten, hin und her schwenkte. Skepsis (die ein Kind doch wohl unmöglich fühlen konnte, oder?) lag in seinem Blick.
»Nein, nein«, unterbrach Jiraiya Kushina, umfasste mit zwei Fingern die kleine Hand Narutos und sah den kleinen blonden Jungen flehend an. »Sag Frau-en. Frau-en!«
»Jiraiya!«, fuhr die Rothaarige unwirsch dazwischen und bedachte den weißhaarigen San-nin mit einem vernichtenden Blick. »Du kannst ihn doch nicht schon jetzt zum Spanner der nächsten Generation erziehen, du notgeiler, perverser –«
»Hey, hört auf, ihr Zwei«, fuhr Minato ruhig dazwischen, sein Blick ruhte auf Narutos Augen, in denen bereits erste Tränen schwammen, während er sprach. »Komm, mein Kleiner – sag Papa. Pa-pa!«
Der kleine blonde Junge schien überfordert. Auch der braune Stoffhase wusste keine Antwort auf seine stumme Frage, die er ja noch nicht aussprechen konnte.
»Ra-men!«
»Frau–«
»Jiraiya!«
»Halt dich da raus, Kushina!«
»Ra-men! Sag Ramen, Naruto!«
So ging das eine ganze Weile lang. Während Jiraiya und Kushina erbittert darum zu kämpfen schienen, dass Narutos erstes Wort ihres würde, saß Minato nur grinsend daneben und betrachtete die Szene, die sich ihm bot, mit Zuneigung im Blick seiner grünen Augen.
Im Gegensatz zu seinem Sohn, der vielmehr völlig überfordert aussah und den Eindruck erweckte, viel lieber sein Plüschtier zu nehmen und in den nächsten Schlupfwinkel zu kriechen.
»Ramen.« - »Frauen.« - »Ramen, Naruto, Ramen!« - »Hör nicht auf sie, Naruto! Frauen!«
Schließlich öffnete der kleine Naruto den Mund, riss die Hände nach oben, und schrie so laut, als wäre es ihm nun endgültig zu viel: »Verrückt. Verrückt!«
Und lief auf seinen kurzen Beinen in erstaunlicher Geschwindigkeit in den angrenzenden Raum.
Zurück ließ er nur eine völlig verdutzte Kushina, einen komplett fassungslosen Jiraiya und einen vor sich hin lachenden Minato.

□ □ □

Während das komplette Wohnzimmer, sowie Kinderzimmer und Küche, nur so in bunten Girlanden und Luftschlangen unterzugehen schien, rannte Naruto, einen blauen Partyhut auf dem Kopf, quer durch die Wohnung. Die beiden hölzernen Doppelschwerter, die er anlässlich seines fünften Geburtstags von Minato bekommen hatte, weil der kleine blonde Junge natürlich schon längst davon zu träumen angefangen hatte, seinen Vater als Hokage abzulösen und als großartiger Ninja an der Spitze zu stehen, sausten wild durch die Luft, während Naruto gegen alle möglichen Feinde kämpfte, die keiner der anwesenden Gäste sehen konnte.
Weder Jiraiya, dessen volle Aufmerksamkeit einzig Tsunades ausladendem Dekolletee galt, noch eben diese blonde Kunoichi, die bereits das vierte Stück Kuchen aß. Auch Kushina und Minato nicht, die ihrem Sohn dennoch liebevoll bei seinem Spiel zusahen, während sie ihre Teller unberührt ließen und die Geburtstagstorte nicht anrührten.
Ein ganzer Haufen noch immer verpackter Geschenke stand zudem auf einem kleinen Tisch im Wohnzimmer, den der kleine Naruto allerdings gar nicht wahrzunehmen schien. Oder besser: Den er ganz vergessen hatte, seit er die Schleife samt Papier von seinem ersten Geburtstagsgeschenk gerissen und die beiden Doppelschwerter darin entdeckt hatte.
Jiraiya konnte aufgrund dieses Verhaltens nur den Kopf schütteln. »Da hab ich ihm extra ein Geschenk ausgesucht, nach dem jedes dieser kleinen Kinder förmlich schreit, und er ignoriert es eiskalt! Das ist mindestens doppelt so groß als diese ollen Schwerter und viel besser!« Der missbilligende Blick des San-nin streifte den nun fünfjährigen Naruto, der noch immer wild durch die Wohnung tobte. Schließlich seufzte der weißhaarige Shinobi und verschränkte die Arme vor der Brust. »Sollen wir ihn vielleicht an den Haufen Geschenke erinnern? Wenn er sich dann nämlich nicht bedankt, war das das letzte Geburtstagsgeschenk, das er von mir bekommen hat.«
Tsunade hob nur eine Braue. »Lüg dich nicht selber an, Jiraiya. Du bist so vernarrt in den Jungen, dass du das gar nicht übers Herz bringen könntest, das musst du dir eingestehen.« Kurz darauf fügte sie mit finsterem Blick hinzu: »Meinen Geburtstag hast du jedes Jahr vergessen und über Narutos zerbrichst du dir schon Monate vorher den Kopf!«
»Höre ich da einen Hauch Eifersucht, Lady Tsu–«
»Halt besser dein vorlautes Maul, du Idiot! Oder soll ich –«
In diesem Moment stürmte ein seltsame Kampfgeräusche von sich gebender Naruto in die Küche und riss versehentlich die halbe Tischdecke und den Kuchen vom Tisch. Hätte Minato die Torte nicht rechtzeitig aufgefangen, genau wie seinen kleinen Sohn, der anderenfalls mit voller Wucht kopfüber auf dem Boden aufgeschlagen wäre, hätte dieser Geburtstag nun wohl sein jähes Ende genommen.
Tsunade allerdings war weniger glücklich darüber, dass diese Katastrophe verhindert werden konnte. Ihr selbst klebte nun nämlich ein halbes Stück Torte im Gesicht, die Farbe ihrer Haut hatte unter der dicken Schicht Sahne eine rötliche Färbung angenommen.
»Du kleiner, verdammter Blonds–«
»Also Tsunade«, brachte Jiraiya unter Lachen hervor. »Krieg dich wieder ein. Das ist doch nur ein bisschen Sahne!«
»Ein bisschen Sahne?!« Die blonde Kunoichi war völlig außer sich. Als sie ein leises Kichern von Seiten Kushina hörte, warf sie dieser einen vernichtenden Blick zu. »Meine komplette Frisur ist ruiniert!«
Naruto starrte Tsunade nur mit einer Mischung aus Überraschung und reiner Verblüffung an. Dann kicherte er schließlich leise vor sich hin, sprang auf ihren Schoß und schnappte sich eine kleine Kirsche, die zwischen all der Sahne im Gesicht der blonden Kunoichi klebte. Er schob sich die kleine rote Frucht in den Mund, lachte so vergnügt, wie nur Kinder es können, und rannte wieder aus der Küche (natürlich nicht, ohne seinem Vater vorher die zwei Doppelschwerter aus der Hand gerissen zu haben und den blonden Hokage damit zu bedrohen).
»Aber das Geschenk behalte ich trotzdem, Tsunade!«, rief der kleine blonde Junge vom Wohnzimmer her. Im nächsten Moment hörte man ein lautes Reißen, gefolgt von einem freudigen Aufquieken.
»Deine Geschenke sind die besten, Tsunade!«, war aus dem Nebenzimmer zu hören. Erneut schien der kleine Junge ein Geschenk von seiner lästigen bunten Hülle befreit zu haben. »Viel besser als die von Jiraiya, echt jetzt!«
Während Jiraiya nur wütend das Gesicht verzog und seinen Kuchen beleidigt von sich wegschob, grinste Tsunade nun triumphierend.
Die Sahne und die ruinierte Frisur hatte sie schnell vergessen.

□ □ □

»Mama, Papa – aufstehen!«
Kinder, die um fünf Uhr morgens beginnen, Terror an deinem eigenen Bett zu machen, bringen selten gute Nachrichten.


Naruto, der, trotz einer Zeit am Morgen, in der er eigentlich noch selig schlafend in seinem orangen Pyjama in seinem Bett liegen sollte, bereits auf den Beinen war, sprang wild auf dem Bett seiner Eltern herum und versuchte mit allen Mitteln, diese zu wecken.
Während Kushina sich nur genervt wegdrehte und versuchte, weiter zu schlafen (was natürlich unmöglich war, aber sie gab die Hoffnung trotzdem nicht auf), öffnete Minato müde die Augen, schwang sich aus dem Bett und schmiss sich seinen Sohn von gerade sieben Jahren über den Rücken als wäre er ein Sack Kartoffeln und nicht sein eigenes Kind.
Naruto protestierte lautstark, doch der blonde Hokage reagierte nicht darauf. Wortlos platzierte er seinen Sohn auf einem Stuhl in der Küche und ließ sich ihm gegenüber nieder. Zunächst war der Blick seiner grünen Augen ernst –
– dann allerdings grinste Minato über das ganze Gesicht. Sein Sohn erwiderte dieses Grinsen.
»Na, schon aufgeregt?«
»Und wie!«, rief Naruto, während er wild mit den Händen gestikulierte. »Aber die anderen machen mir nichts vor, echt jetzt! Ich werde sie alle –«
»– nach der Reihe in jeder schriftlichen Prüfung schlagen und schneller Hokage der Fünften Generation werden, als sie Ramen sagen können?« Kushina stand nun breit grinsend im Türrahmen und musterte ihren Sohn stolz. »Natürlich wirst du das. Sonst wird deine Zufuhr an Ramen gekürzt. Von mir persönlich!«
Ein Ausdruck von Angst trat in Narutos blaue Augen. »D...das …«, setzte er an. Dann allerdings wurde sein Blick entschlossen. »Dir zeig ich's noch, Mama, echt jetzt!«
Kushina verwuschelte das blonde Haar ihres Sohnes. »Weiß ich doch«, sagte sie, ehe sie mit einem Blick auf die Uhr ergänzte: »Aber wenn ich du wäre, würde ich mich beeilen – du hast noch fünf Stunden Zeit, den Weg zur Ninja-Akademie zu finden!«
»Scheiße! Dann muss ich ja –« Naruto sprang völlig außer sich auf und wollte sofort in sein Zimmer gehen, um seine Sachen zu packen –
– blieb aber aufgrund des leisen Lachens, das definitiv von seinem Vater stammte, stehen, und musterte diesen missbilligend. »Du findest das auch noch lustig, wenn ich zu spät komme, oder was, Papa?! Was bist denn du für ein Hokage?!«
Minato grinste. »Na, wenn du mich bald ablöst, brauchen sich die Bewohner von Konohagakure ja keine Sorgen mehr zu machen.«
Der blonde Junge nickte energisch. »Genau!«
Kushina lächelte.
Du wirst es noch einmal weit bringen, Naruto. Daran glaube ich.



□ □ □

Und das tat Kushina auch. Minato ebenfalls.
Auch wenn sie keinen dieser Augenblicke je miterlebt hatten – Naruto hatte dennoch jeden Augenblick seines Lebens in ihrem Beisein verbracht.
Imaginär.

□ □ □

Impressum

Texte: Alle Charaktere gehören dem genialen Masashi Kishimoto; ich locke sie nur mit Keksen, besabbere sie und gebe sie dann besabbert wieder zurück, um sie später wieder mit Keksen zu locken und zu besabbern. Ich verdiene hiermit kein Geld. Die Geschichte erzählt nicht canon-getreues; lediglich ist sie ein fluffig-süßes Hirngespinst meines kranken Kopfes, das in Worte gefasst werden wollte.
Tag der Veröffentlichung: 23.02.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Gewidmet Verena, der allerbesten Freundin, die ich jemals haben werde.

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