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... wird Schmerz den Anfang meiner Geschichte prägen



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Eins


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OLANGE E

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EGNET


… wird Schmerz den Anfang meiner Geschichte prägen



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Es regnete.
Dicke Wassertropfen fielen von dem von bizarr geformten, dunklen Wolken durchzogenen Himmel und fielen auf den bereits aufgeweichten, lehmigen Boden, wo sie Pfützen bildeten, die immer größer wurden.
Nichts war zu hören in den Straßen Amegakures, nichts, als das monotone Prasseln des Regens, das manchmal von einem grollenden Donnerschlag irgendwo in der Ferne durchbrochen wurde.
Fast das ganze kleine Dorf lag verlassen da, die Häuser warfen gespenstische Schatten an die anderen Hauswände und nicht eine einzige Menschenseele war auf den Straßen auszumachen.
Es gab kaum Familien mehr, die das Kriegsgebiet, wo die Großmächte um Ame no Kuni, das Land des Regens, kämpften, nicht längst verlassen hatten, nur noch sehr wenige Zivilisten waren in ihren Häusern geblieben und kämpften nun verbittert darum, ihr Überleben zu sichern.
Nagatos Familie gehörte zu dieser handvoll Leute.

Nagato zitterte am ganzen Körper, die beängstigende Stille, die sich über die nun in völlige Dunkelheit getauchte Wohnung gelegt hatte, lastete schwer wie Blei auf seinen schmächtigen Schultern. Er klammerte sich hilfesuchend an den Arm seiner Mutter und biss sich so fest er nur konnte auf die Lippe, bis er glaubte, den metallischen Geschmack von Blut zu schmecken.
Aus dem angrenzenden Raum, der in die Küche führte, fiel ein kleiner Lichtstrahl aus der einen Spalt weit geöffneten Tür.
«Bewegt euch nicht und bleibt ganz still», flüsterte Nagatos Vater so leise, dass man es kaum verstehen konnte. Die starke und stets unerbittliche Maske hatte er längst fallen gelassen, selbst er konnte das Beben in seiner Stimme nicht unterdrücken. «Dann wird alles gut. Ganz bestimmt ...»
Nagato drückte seinen zierlichen Körper noch fester an die Wand und machte sich so klein wie möglich. Sein Blick fixierte das vor Angst verzerrte Gesicht seiner Mutter, das er durch das wenige Licht, das aus dem Türspalt in den Flur fiel, nur schemenhaft erkennen konnte. Dunkle Schatten lagen darauf, die die Spuren, die zahlreichen Kriege, die bereits im Land des Regens geführt worden waren, hinterlassen hatten, deutlich hervor treten ließen.
Würden die feindlichen Ninja, die in das Haus seiner Familie eingedrungen waren – vermutlich, um nach etwas Essbaren zu suchen –, die Tür öffnen und den Flur betreten, würde selbst die imposante hölzerne Kommode, hinter der der kleine Junge sich mit seinem Vater und seiner Mutter versteckte, wenig Schutz bieten.
«Hast du etwas gefunden?»
«Ja, eine Dose!»
«Das ist die erste Mahlzeit seit vier Tagen ...»
«Nein, seit drei Tagen.»
«Egal, essen wir schnell! Ich bin am Ende meiner Kraft.»
Nagato spürte, wie er zusammenzuckte, als er die Stimmen der unbekannten Männer hörte. Er hörte seinen Herzschlag, so schnell wie der eines kleinen Vogels, der im letzten Moment den Fängen einer Katze entgehen konnte, und hatte Angst, selbst die fremden Ninja könnten ihn hörten. Er ballte die Hände zu Fäusten, so fest, dass feine blaue Äderchen aus seinen bleichen Knöcheln hervortraten. Am ganzen Körper zitterte der Junge wie Espenlaub, eine fürchterliche Kälte schien aus der angrenzenden Küche zu entweichen, schien Nagato mit ihren eisigen Krallen zu packen.
«Kommt, lasst uns besser abhauen ...», flüsterte Nagatos Vater plötzlich, nahm die Hand seines Sohns und half im möglichst lautlos auf.
«Too-san*, ich hab Angst!», wisperte Nagato, der sich fest auf die Zähne biss, um das verräterische Schluchzen, das aus seiner Kehle zu dringen drohte, zu unterdrücken.
«Es wird alles gut, mein Schatz», murmelte Nagatos Mutter, wobei sie die Angst und Unsicherheit in ihren Zügen allerdings nicht verstecken konnte. Dennoch umspielte ein aufmunterndes Lächeln ihre Lippen.
Vorsichtig setzte Nagato einen Fuß vor den anderen, konzentrierte sich völlig darauf, bloß kein einziges Geräusch zu machen –
– und stieß so versehentlich die alte Vase um, die auf der Kommode stand und mit einem dumpfen Aufschlag in tausende Scherben zerbrach.
Eine schreckliche Sekunde lang, die sich für den Jungen wie eine Ewigkeit anfühlte, war alles totenstill. Nagatos Eltern waren wie zur Salzsäule erstarrt, den Blick angstvoll auf die leicht geöffnete Tür zur Küche gerichtet, ihr Sohn, zitterte unkontrollierbar am ganzen Körper und widerstand dem Drang, zu schreien, um seiner grausamen Angst freien Lauf zu lassen.
«Wer ist da?», hörte Nagato plötzlich die Stimme des einen Mannes, dicht gefolgt von zwei fast beängstigend laut widerhallenden Schritten. Das Herz des Jungen setzte einen Schlag aus, er war unfähig, sich zu bewegen, und wusste nicht, was er tun sollte. Seine Gedanken rasten förmlich; das war alles seine Schuld, nur seine! Was, wenn jetzt –
In diesem Moment wurde die Tür so weit von einem der beiden Ninja, die, wie die Stirnbänder, die sie trugen, verrieten, aus Konoha stammten, geöffnet, dass Nagatos Familie keine Chance mehr hatte, sich zu verstecken. Das gleißende Licht, das von der Lampe in der Küche her strahlte, leuchtete wie anklagend, ja fast schadenfroh darüber, dass sie letzten Endes doch entdeckt worden waren, in ihre Gesichter und blendete Nagato, sodass er die Augen fest zusammenpresste, während seine Hände sich automatisch zu Fäusten ballten.
Als die Augen des Jungen sich an das grelle Licht gewöhnt hatten, bemerkte er, dass die Konoha-Ninja beide mit scharfen Kunai bewaffnet waren. Der Ausdruck ihrer Gesichter machte schmerzhaft deutlich klar, dass die beiden Männer nicht zögern würden, ihre Waffen sofort einzusetzen, völlig ohne Skrupel, ganz so, wie die Bürger Amegakures es schon zu oft am eigenen Leib erfahren mussten.
In diesem Moment stürzte Nagatos Vater sich auf einen der beiden Ninja, die im nächsten Moment völlig überrascht zu sein schienen. Einer der beiden Konoha-Ninja, ein etwas kleinerer Mann, dessen fettiges braunes Haar ihm fast gänzlich die Sicht raubte, konnte dem Schlag von Nagatos Vater nicht ausweichen, und wurde so direkt im Gesicht getroffen. Blut klebte an der Hand des Vaters, dessen Sohn noch immer wie erstarrt vor den Scherben der alten Vase stand, als der Ninja zurück taumelte und gegen die Anrichte stieß.
«Verdammt, ein Feind!», schrie der andere der beiden Männer aus Konoha, während sein Kamerad sich mühsam aufrichtete, eine Mischung aus Zorn und unterdrückter Angst loderte in seinem Blick.
Noch im selben Moment sah Nagato mit weit aufgerissenen Augen zu, wie der Ninja mit seinem Kunai ausholte und, bevor der Vater des Jungen rechtzeitig reagieren konnte, mit diesem direkt in die Brust des schwarzhaarigen Mannes stieß. Nagatos Vater hatte die Augen weit aufgerissen, während er auf die Knie fiel und sich ein blutroter Fleck auf seinem weißen Hemd ausbreitete, ausgehend von dem Kunai, das tief in seiner Brust, direkt dort, wo das Herz lag, steckte.
«H...haut schnell ab … Nagato!», röchelte er atemlos, während er mit stark zitternden Händen das Messer aus seiner Brust zog, ehe er kurz darauf mit einem dumpfen und endgültigen Schlag auf dem Boden aufschlug.
«Too-san!», schrie Nagato und wollte auf den leblosen Körper seines Vaters zu stürzen, wurde allerdings von seiner Mutter, deren Mund zu einem stummen Schrei aufgerissen war, zurückgehalten.
«Lauf, Nagato, schnell», sagte sie fast tonlos und stieß ihren Sohn in Richtung Tür, der daraufhin unter unkontrollierbarem Schluchzen der Länge nach auf den Boden fiel.
«A...aber Kaa-san* …», schluchzte er, das schreckliche Bild des blutigen Leichnams seines Vaters noch deutlich vor Augen.
«Geh, Na–» Doch noch bevor sie den Satz zu Ende sprechen konnte, stürmte auch der andere Konoha-Ninja, dessen Lippe stark geschwollen war und unaufhörlich blutete, auf Nagatos Mutter, sein Kunai gezückt, und rammte es ihr, ebenso wie sein Kamerad schon zuvor, ohne den Hauch eines Zögerns in die Brust.
Der letzte Schrei, den die Mutter des Jungen ausgestoßen hatte, als sie dem Tod direkt ins Auge blickte, versiegte und endete in einem grausamen Röcheln, ehe Nagato erneut einen dumpfen Aufschlag hörte und seinen Kopf herumriss, direkt in die Richtung, in der er den leblosen Körper seiner Mutter erblickte. Ihr langes rotes Haar verdeckte ihr lebloses Gesicht, dennoch verbargen sie nicht den glasigen Blick der vor Angst weit aufgerissenen Augen seiner Mutter. Seiner toten Mutter.
Tränen brannte in Nagatos Augen, während er sich langsam zu dem Leichnam seiner Mutter, seiner geliebten Mutter, schleppte, und rannen unaufhörlich seine Wange hinab, während ein heiseres Schluchzen aus seiner wie ausgedörrten Kehle drang.
Den Ninja, der sich ihm lautlos näherte, das Kunai, an dem bereits dunkelrotes Blut klebte, gezückt, bemerkte Nagato erst, als er direkt vor ihm stand. Der Mann riss erschrocken die Augen auf und taumelte zurück.
«Scheiße! D...das ist ein Kind!», stammelte er aufgebracht, sein Kunai glitt ihm aus der Hand und schlug mit einem lauten Klirren auf dem Boden auf. «Das sind keine Ninja! Das sind Zivilisten!»
«W...was sagst du da?!»
Nagato hörte schnelle sich nähernde Schritte, während sein schmächtiger Körper noch immer unkontrollierbar zitterte und er wie gelähmt über den toten Körper seiner Mutter gebeugt da saß.
«Wie konnte uns das passieren?! Wie konnten wir sie für Feinde halten?!» Das musste der Ninja sein, den Nagatos Vater geschlagen hatte. «Was sollen wir jetzt machen?!», setzte er noch eine Spur aufgebrachter hinzu.
Sein Kamerad biss die Zähne zusammen und ging langsam, mit erhobenen Händen, vor Nagato in die Hocke. «W...wir wussten nicht, dass noch Zivilisten im Kriegsgebiet sind … Junge», sagte er, die Furcht und auch das schlechte Gewissen schwangen deutlich in seiner Stimme mit. Vorsichtig streckte der Ninja seine Hand aus, und wollte sie auf die bebende Schulter des noch immer vor sich hin schluchzenden Jungen legen –
Doch in diesem Moment riss Nagato den Kopf hoch und starrte wutentbrannt direkt in das Gesicht seines Gegenüber. Seine Augen hatten eine violette Farbe angenommen, wie eine Art Strudel waren feine schwarze Linien um die stark geweitete Pupille kreisförmig angeordnet.
Rinnegan, die Gottesaugen.


Der Ninja aus Konoha riss erstaunt die Augen auf und wich vor dem Jungen, dessen rotes Haar fast genauso wie seine Augen zu glühen schien, so weit zurück, bis er die Wand in seinem Rücken spürte.
Das letzte, was der Mann wahrnahm, ehe er in unendliche Finsternis fiel, war ein so heftiger Schmerz, als würde ihm bei lebendigem Leibe das Herz herausgerissen.
Kurz darauf war der bis ins Mark erschütternde Schrei seines Kameraden zu hören, dessen Weste völlig mit seinem eigenen Blut befleckt war. Die eisigen Krallen des Todes griffen nach dem Ninja, dessen letzter Blick allein dem kleinen Jungen, der mit erhobener mit Blut verschmierter Hand direkt vor ihm stand, galt. Als sein Herz den letzten Schlag tat und der Mann wie eine Marionette, deren Schnüre man durchtrennt hatte, in sich zusammen sank, legte sich beinahe erdrückende Stille über die kleine Wohnung.
Mit vor Angst geweiteten Augen starrte Nagato den Leichnam direkt vor sich an, seine mit Blut befleckte Hand –
Ein lauter Schrei durchbrach die völlige Stille, ehe der Junge beinahe panisch aus dem Haus flüchtete, die Haustür aufriss und draußen in den vom vielen Regen aufgeweichten Boden stützte.
Dicke Regentropfen fielen von dem dunkelgrauen Himmel und vermischten sich mit den Tränen, die ungehindert aus Nagatos Augen liefen. Der Junge bebte am ganzen Körper, während er sich zitternd aus dem Schlamm erhob, sein Mund war zu einem Schrei aufgerissen, doch kein Ton drang aus seiner Kehle, die wie zugeschnürt schien.
Und dann begann Nagato zu rennen. So schnell ihn seine Beine nur trugen rannte er durch die Straßen Amegakures. Er wusste nicht, wohin, doch das war egal. Hauptsache weg, weg von dein Leichnamen seiner Mutter, seines Vaters und der beiden Ninja. Weg von all dem Schmerz und dem Blut.
Der Regen wurde stärker, bis die Kleidung des Jungen bereits schwer an seinem mageren Körper klebte, doch er rannte weiter. Als ein grollender Donnerschlag den schwarzen Himmel durchbrach, hielt Nagato abrupt inne.
Und schrie.

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* Too-san: Japanische Bezeichnung für den Vater
* Kaa-san: Japanische Bezeichnung für die Mutter
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... werden wir kämpfen, egal, was auch kommen mag


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Zwei


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… werden wir kämpfen, egal, was auch kommen mag.



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«Das ist das letzte Stück ...», murmelte Nagato, der in einen blassgelben Regenmantel unter einem Felsvorsprung saß, welcher ein wenig Schutz vor dem stetigen Regen und der Kälte bot. Der Junge steckte das winzige Stück Brot zurück in seine Jackentasche und versuchte, das laute Knurren seines Magens zu ignorieren. Seit Tagen schon hatte er kaum etwas gegessen, da alles, was er sich beschaffen konnte, bisher nur aus ebendiesem bisschen altem Brot und einigen wilden Beeren bestanden hatte.
Nagato zog seine Knie fest an seine Brust und stützte sein Kinn darauf. Ihm tat alles weh und er war völlig erschöpft und ausgelaugt. Die bittere Kälte fraß sich beinahe schmerzhaft durch seinen dünnen Regenmantel, und die Haare des Jungen sowie seine Schuhe und seine Hose waren komplett durchnässt und klebten ihm an seinem ausgezehrten, schmächtigen Körper. Nagato selbst wusste, dass er bald sterben würde, wenn er kein warmes Zuhause fände und sich etwas Vernünftiges zu Essen besorgen würde.
Mühsam richtete er sich also auf und zog sich die Kapuze über die nassen roten Haare. Erst, als er seinen zerschlissenen Rucksack aufheben wollte, bemerkte er den kleinen braunen Hund, dessen Schnauze in dem Beutel steckte; vermutlich, weil auch er nach etwas Essbarem suchte. Ein Blick auf den ausgehungerten Körper des Tiers bestätigte dies; unter dem zerzausten Fell traten deutlich die einzelnen Rippen hervor, außerdem hinkte der Hund, weshalb er eine Pfote nutzlos hinter sich her schleifte. Als das kleine Tier Nagato bemerkte, hob es den Kopf und blickte den Jungen neugierig aus seinen dunkelbraunen Augen an und öffnete das Maul zu einer wortlosen Frage.
«Ich kann dir nichts geben. Ich hab ja selbst nichts zu essen», sagte Nagato und ging vor dem Hund in die Hocke. Langsam streckte er die Hand aus und strich dem Tier vorsichtig über den Rücken, wobei er die einzelnen Knochen unter dem dünnen Fell deutlich unter seinen Fingern spüren konnte. Der Hund gab einen leisen Laut von sich und schmiegte sich an Nagatos Hand. Der Junge lächelte schwach, ehe er nach seinem Rucksack griff und eine dreckige Bandage heraus kramte.
«Ich werde dich nicht verletzen», sagte er, mehr zu sich selbst als zu dem Hund, der ihn noch immer forschend musterte. Denn seit jenem Tag, an dem er die beiden Konoha-Ninja getötet hatte, nachdem seine Mutter und sein Vater zu Unrecht ermordet worden waren, durchwanderte Nagato die Hölle auf Erden; nicht nur, dass er zwei Männer getötet hatte in seiner unbändigen Wut und seinem lodernden Hass, sondern auch, dass seine Eltern tot waren. Diese Erkenntnis, dass sie nie wieder bei ihm sein würden. Keine frisch gebackenen Kuchen mehr von seiner Mutter, kein Shogi* mehr mit seinem Vater.
Nur noch diese Schmerzen, die sich wie Säure in sein Herz gefressen hatten und ihm nun keine ruhige Nacht mehr ließen. Es war immerhin seine Schuld, nur seine Schuld, und jetzt war er ganz allein auf der Welt, hatte niemanden mehr.
Denn die Menschen, die er geliebt hatte, waren seinetwegen gestorben.
Nagato spürte, wie seine Hand zu zittern begann und Tränen sich in seinen Augenwinkeln sammelten, während er vorsichtig die verwundete Pfote des Hundes nahm und den Verband darum wickelte. Das Tier winselte leise, doch ließ den Jungen gewähren, als verstünde es, was er da tat. Nagato ließ die Pfote des kleinen Hundes los und spürte, wie erste Tränen seine Wangen hinab liefen, ein leises Schluchzen drang aus seiner schmerzenden Kehle.
Abermals winselte das Tier leise, ehe es seine Schnauze in einer tröstenden Geste auf Nagatos Hand legte. Der Junge blickte etwas verdutzt auf und musterte den kleinen Hund, der seinen ausgezehrten Körper nun an ihn presste.
Und dann lächelte er leicht.
«Ich werde dich Chibi nennen, ja?», sagte Nagato und wischte sich die Spuren seiner Tränen aus dem Gesicht. «In Ordnung, Chibi?»
Der Hund bellte wie zur Bestätigung und humpelte langsam in Richtung Dorf, wobei er seine bandagierte Pfote mitleiderregend hinter sich her schleifte. Man konnte deutlich sehen, was für eine Anstrengung das kleine Tier wohl kosten musste.
«Wo willst du hin, Chibi?» Nagato stand langsam auf und spürte, wie der Boden sich unter ihm zu drehen schien, und hatte große Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten. Genau in diesem Moment wurde ihm auch klar, warum der Hund ihn nach Amegakure führen wollte. Sie brauchten Essen. Sie mussten etwas finden, wenn es sein musste, an jede Tür klopfen, bis sie jemanden fanden, der ihnen etwas von seinen Vorräten abgab. Sie mussten kämpfen.
«Warte auf mich, Chibi!», rief der Junge und schnappte sich seinen an einigen Stellen bereits notdürftig geflickten Rucksack. Der Hund blieb stehen, blickte sein neues Herrchen aus seinen dunkelbraunen Knopfaugen an und bellte erneut. Als Nagato direkt neben ihm zu stehen kam, hob er das Tier vorsichtig hoch und steckte es in seinen Rucksack, sodass nur noch der Kopf hervor lugte. «Du musst deine Pfote schonen, Chibi, also bleibst du jetzt in meinem Rucksack, ja?»

Zögernd klopfte Nagato an die Tür eines Hauses, das in einem Teil des Dorfes lag, in dem für gewöhnlich die etwas wohlhabenderen Leute lebten.
Es kam ihm vor, als liefe er schon seit Ewigkeiten durch die Straßen Amegakures, auf der Suche nach Jemanden, der ihm etwas zu Essen geben konnte. Die meisten Teile des Dorfes lagen immerhin verlassen da, wegen des Krieges waren nicht viele Leute hier geblieben. Und die, die noch zuhause waren, hatten selbst kaum genug, um sich und ihre Familie zu ernähren.
Als die Tür des Hauses einen kleinen Spalt breit geöffnet wurde, sah Nagato einen älteren Mann darin, dessen stellenweise graues Haar notdürftig nach hinten gekämmt worden war. Tiefe Furchen durchzogen sein misstrauisch drein blickendes Gesicht.
«Entschuldigung, könnten Sie mir bitte etwas zu Essen geben?», setzte Nagato stockend an. Chibi in seinem Rucksack winselte leise, als wollte er seine Not und die seines neuen Herrchens noch einmal unterstreichen. «Ich … hab schon länger nichts mehr gegessen.»
«Tut mir leid, meine Familie und ich können dir leider nichts geben», antwortete der Mann schlicht. «Wir haben es alle schwer. Wir können gerade noch uns selbst durchfüttern … Frag jemand anderes.»
Nagato nickte langsam, kurz darauf fiel die Haustür vor ihm wieder ins Schloss. Es klang fast endgültig, ganz so, als wäre sein Todesurteil nun unterzeichnet worden. Nagato wusste, dass es niemanden mehr gab, den er nach etwas zu Essen fragen konnte. Dieser Mann war seine letzte Hoffnung gewesen.
Als der Junge sich abwandte und das Dorf wieder verlassen wollte, blieb sein Blick für einen kurzen Augenblick an dem einzigen Fenster des Hauses haften, vor dem nicht die Vorhänge zugezogen waren.
Nagato spürte, wie seine Hände zu zittern begannen, und ballte sie fast automatisch zu Fäusten. Er biss sich auf fest auf die rissigen Lippen, bis er glaubte, Blut zu schmecken, um den Schrei, der aus seiner schmerzenden Kehle zu dringen drohte, zu ersticken.
Durch das Fenster sah man nämlich direkt in einen kleinen Raum, der wohl die Küche bildete. Und auf einem kleinen Holztisch standen so viele Lebensmittel, dass eine ganze Familie sich mindestens einen Monat davon hätte ernähren können. Jede Menge frisches Brot, Obst, Gemüse und sogar ein wenig Fleisch und Fisch konnte der Junge ausmachen. Nagatos Magen zog sich bei diesem Augenblick schmerzhaft zusammen, Chibi in seinem Rucksack winselte leise.
«Ich verstehe das nicht ...», murmelte er und trat mit seinen aufgeweichten Sandalen gegen die rissige Mauer des Hauses, woraufhin er vor Schmerz zusammenzuckte. Nagato kniff die Augen zusammen und umklammerte seine aus den Nähten gehende Tasche fester. Der kleine Hund darin gab noch immer einen mitleiderregenden Laut von sich und ließ die Ohren hängen.
«Was sollen wir denn jetzt machen, Chibi?»

Beinahe schmerzhaft kroch der eiskalte Wind unter Nagatos durchnässte Klamotten und ließ ihn am ganzen Körper zittern, jeder Schritt kostete ihm mehr und mehr Kraft. Der extrem starke Regen prasselte unablässig von dem von schwarzen Wolken durchzogenen Himmel und ließ immer größere Pfützen entstehen und weichte den lehmigen Boden auf, sodass die Beine des Jungen schon bald bis über die Knöchel im Schlamm standen.
«Ich … kann nicht mehr», murmelte er, kurz darauf wurde er von einem heftigen Hustenanfall geschüttelt, der ihn das Gleichgewicht verlieren und so direkt in eine Pfütze fallen ließ. Der kleine Hund sprang aus seiner Tasche und landete direkt neben Nagato im Schlamm. Das Tier winselte leise vor Schmerz, als es mit seiner verwundeten Pfote, die sich bereits entzündet hatte, direkt auf dem Boden aufkam.
Nagato versuchte, sich aufzurichten, doch gerade, als er mit den Fersen wieder den Boden unter seinen Füßen spürte und sich aufrichten wollte, rutschte er auf dem völlig durchweichten Untergrund aus, kam ins Wanken und fiel kraftlos vornüber. Sein Magen zog sich vor Hunger schmerzhaft zusammen, die beißende Kälte fraß sich in den ausgemergelten Körper des Jungen.
Doch Nagato nahm all das nur noch vage war, sein ganzes Fühlen und Denken war wie betäubt. Er wusste, dass er bereits an der Schwelle zum Tod stand.
Chibi winselte erneut leise und drückte seine feuchte Schnauze in das nasse Haar seines Herrchens, das diesem in seinem leichenblassen Gesicht klebte.
Der Junge lächelte schwach. «Bestimmt … sehe ich … Too-san und Kaa-san … gleich wieder», presste er unter enormer Anstrengung hervor, seine ganze Kehle schien wie ausgetrocknet und brannte bei jedem Wort, das Nagato sprach, wie Feuer. In der Ferne war das laute Grollen eines Donners zu hören, der starke Wind ließ die Äste der umstehenden Bäume beinahe ehrfürchtig in die Knie gehen. Der kleine Hund zuckte erschrocken zusammen, erneut gab er einen leisen Wehlaut von sich.

Konan hatte große Mühe, den kleinen zartrosa Regenschirm, den sie vor einiger Zeit herrenlos in der Nähe des Dorfes gefunden hatte, nicht los zu lassen, da der starke Wind ihn ihr mit jeder eisigen Böe aus der Hand zu reißen drohte. Das Mädchen kniff die Augen zusammen und beschleunigte seine Schritte. Sie musste sich beeilen, sonst würde der heraufziehende Sturm sie einholen.
Die schulterlangen blauen Haare des jungen Mädchens waren trotz des Schirms bereits völlig nass und klebten ihm im Gesicht, seine Hände zitterten vor Kälte und klammerten sich beinahe hilfesuchend an den hölzernen Griff des Regenschirms.
Als Konan kurze Zeit später, nicht weit entfernt von der kleinen Höhle, ihrer notdürftigen Unterkunft, in der sie mit ihrem Freund Yahiko lebte, seit ihre Eltern im Krieg gefallen waren, allerdings mitten in einer Pfütze die Gestalt eines Jungen, dessen abgemagerter Körper in eine übergroßen blassgelben Regenmantel steckte, entdeckte, blieb sie abrupt stehen. Sie zögerte einen Augenblick und presste den noch immer warmen Leib Brot, den sie hatte stehlen können, fester an ihren Körper. Dann biss sie die Zähne zusammen und rannte auf die reglose Gestalt des Jungen zu.
Er bewegte sich nicht, nur das Winseln des kleinen braunen Hundes an seiner Seite konnte Konan durch das stetige Pfeifen des Windes hören. Sie spürte, wie ihr Herz sich zusammen zog, bei dem Gedanken, der Junge könnte längs tot sein. Bezwungen von dem grausamen Hunger, der alle Menschen in Ame no Kuni heimsuchte, seit die Großmächte dort erneut Krieg um die Vorherrschaft führten. Dann wäre er nichts weiter als ein weiteres Opfer, das den eisigen Fängen des Todes nicht hatte entkommen können.
Genau wie Konans Eltern.
Das Mädchen spürte, wie ihre Augen zu brennen begannen, und war dankbar für den stetigen Regen, der ihre Tränen sofort wieder wegspülte, wenn sie aus ihren Augenwinkeln zu liefen drohten.
Konan ging vor der reglosen Gestalt des Junge vorsichtig in die Hocke und strich ihm das feuerrote Haar aus dem Gesicht. Erst von Nahem erkannte sie, wie sein Brustkorb sich schwach hob und senkte. Er lebte.
Das Mädchen hielt ihm den warmen Laib Brot hin. «Hier, iss das», sagte sie leise.
Einen Augenblick passierte nichts, der Junge, der noch immer auf dem völlig durchweichten Boden lag, reagierte nicht. Doch dann öffnete er mühsam die Augen und blickte Konan beinahe ungläubig an. Ein gequältes Lächeln zeichnete sich auf seinen bleichen Zügen ab.
«D... darf ich wirklich?», flüsterte er heiser und schaffte es mit letzter Kraft, seinen Kopf leicht zu heben.
«Ja.»

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* Shogi: Die japanische Form des Schachspiels.
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Impressum

Texte: Sämtliche Charaktere, Schauplätze, sowie die größten Teile der Handlung gehören dem genialen Masashi Kishimoto. Nur einige wenige Charaktere gehören mir, die anderen leihe ich mir nur aus und lege sie anschließend [mehr oder weniger] unbeschadet wieder zurück. Ich verdiene hiermit [leider] kein Geld, diese Geschichte dient nur eurer und auch meiner Unterhaltung.
Tag der Veröffentlichung: 10.12.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Gewidmet Masashi Kishimoto, meinem absoluten Vorbild, in Sachen Zeichnen. Ohne ihn gäbe es diese Geschichte erst gar nicht. Und ich danke ihm dafür, dass es durch ihn diese geniale Manga-Reihe gibt, hinter der so viel mehr steckt, als nur eine klischeehafte Geschichte über einen jungen Ninja. (:

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