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Prolog:



Die Stadt Alriccich-oindo lag wie jede Stadt der Dunkelelfen unter der Erde. Alriccich-oindo allerdings war nicht wie die anderen Dunkelelfenstädte. Es war nicht nur die Hauptstadt eines riesigen Reiches, sondern hing von der Höhlendecke. Die gesammte Stadt war aus ausgehöhlten Stalaktiten entstanden die durch Brücken und Gänge im Deckengewölbe verbunden waren. Der größte Stalaktit, in der Mitte der Stadt, war zu einem Palast mit etlichen prunkvollen Balkonen ausgebaut worden. Im Kreis um den Palast herum befanden sich die Villen der berühmten Adelsfamilien. Unter den Villen war auch noch eine gewaltige Tempelanlage. Der höchste Tempel der Blutschwesternschaft. Um diesen Bezirk herum erstreckten sich die restlichen Wohnhäuser der anderen Bewohner und auf Balkonen, mitten in der Stadt, wuchsen aus dem bisschen fruchtbarer Erde die Pflanzen die, die gesammte Stadt mit Nahrung versorgten.
Am Rande der Stadt hing noch ein besonders dünner Stalaktit dessen äußeres von Säulengängen voller Statuen geprägt war.
In diesem befand sich die Schule zum schwarzen Mond. Eine Eliteschule für magisch begabte Kämpfer. Um Mitglied in der Königlichen Leibwache zu werden, musste man diese Schule abgeschlossen haben.
Doch das bemerkenswerteste war wohl der Anblick den die Stadt bot, wenn man sie von weiter weg betrachtete. Sie spiegelte sich nämlich in dem gewaltigen See der unter der gesamten Stadt lag. Die Stadt Alriccicho-oino war nicht wie andere Dunkelelfenstädte. Und zum beginn der Regentschaft von König Parscha Ogiccarahchi sollte sich dies wieder einmal zeigen...


Kapitel 1

„Du wirst schon besser, aber du musst noch besser werden wenn du überleben willst!“Die große Gestalt ragte gefährlich nahe vor ihm auf. Die braunen Dornenrankentätowierungen auf seiner linken Wange näherten sich dem jungen Mann bis auf wenige Zentimeter.
Der bleichhäutige alte Mann schlug mit einem Holzstock auf Marccichos unbedeckte Brust ein. „Da sollst du dich nicht treffen lassen!“ Der Stock knallte auf Marccichos Schulter „Und da auch nicht!“ ein drittes Mal traf der Stock hart auf nacktes Fleisch. „Und was glaubst du was passiert wenn dir einer deine niedlichen Zehen abhackt? Ja genau! Dann hast du kein Gleichgewicht mehr und fällst hin! Dann bist du so gut wie tot!“ Der junge Mann hatte bei keinem der Schläge auch nur mit der Wimper gezuckt, doch der letzte Satz seines Lehrers traf ihn härter als alle Schläge. „Bei aller Freundschaft Jaccori aber dieser Junge wird bei der Initiation als erster sterben.“ Marccicho senkte beschämt den Blick sagte aber kein Wort. Jaccori der älteste der Carnofach, einer der mächtigsten Adelsfamilien in Alriccicho-oino, sah mit seinen gelben Augen auf seinen Sohn herunter. Seine schwarzen Dornenrankentätowierungen zogen sich vom Kinn über den Hals hinunter unter sein weites Gewand doch Marccicho wusste das sie sich auf der Brust und der linken Schulter vortsezten. „Er darf nicht sterben! Trage dafür Sorge! Wenn es sein muss, so soll er seine anderen Studien zurückstellen und nur noch im Kampf unterrichtet werden. Mein einziger Sohn wird mir keine Schande machen!“ Das Familienoberhaut wandte sich an den jüngsten Anwesenden. „Einverstanden Marccicho?“ Der junge Krieger sah wieder auf. Mit seine ebenfalls bleichen, ebenmäßigen Züge und seine leuchtendgelbe Augen, die Haare zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden, sah er aus wie sein Vater vor vielen Jahren. Wie eine zum Leben erweckte Erinnerung. „Ja, Vater!“ Marccicho nickte. Als der Familienälteste gerade den Raum verlassen wollte, sah ihm Marccicho nach und flüsterte „Danke!“ Der Alte lächelte und verschwand durch die Tür. Jaccirt der Waffenmeister des Königs und enger Freund der Familie Carnofach hob seinen Gehstock drohend vor Marccichos Gesicht. „Schwert hoch!
Marccicho gehorchte. Und Hieb… Schulter höher!...und Stich… Arm tiefer!...und Hieb…“

Ein Schwert schlug gegen seinen Schild aber das konnte er abwehren und einen eigenen Schlag führen, gegen den Bauch des Gegners. Der Soldat torkelte hart getroffen zurück. „Sehr gut mein Prinz!“ die beiden Berater wirkten zufrieden. „Ihr werdet ohne Zweifel der beste sein der den Initiationsritus durchläuft! Euer Vater wird zufrieden sein.“ Der geflochtene Zopf aus weißen Haaren hing zwischen den gepanzerten Schulterblättern. Elcorrso der Trohnerbe von Alriccich-oindo füllte die gesammte Rüstung mit seinen jugentlichen Muskeln aus. Seine kräftigen Hände umfassten den vergoldeten Schild und das hölzerne Übungsschwert mit geübten Griff. Sein aristokratisches Gesicht spiegelte seine Entschlossenheit und Anstrengung, verrieten jedoch nichts von der in ihm lauernten Brutalität und Verschlagenheit. Seine goldgesprenkelten Augen zeigten kein Anzeichen der Hinterlist die hinter ihnen am Werk war.
Der junge Mann in der goldenen Rüstung lächelte amüsiert. Wenn er den Initiationsritus durchlaufen hatte, würde er seine eigene Dornenrankentätowierung haben und zwar in königlichem Gold. Nicht wie diese beiden Berater. Freigekaufte Sklaven aus menschlicher Gefangenschaft. Nie in die Gemeinschaft der Dunkelelfen aufgenommen. Ohne Dornenrankentätowierungen. Er würde ein Erwachsener sein und dürfte sich eine Frau wählen. Er würde seinem Vater bei den Regierungsgeschäften helfen und… Der junge Prinz malte sich seine rosige Zukunft grimmig lächelnd aus. „Der Nächste!“ brüllte er ohne die beiden ehemaligen Sklaven zu beachten die auf Wunsch seines Vaters über ihn und seine Vortschritte im Waffentraining wachen sollten. Mallando und Mallanscha die beiden Zwillinge standen am Rand des königlichen Parks und beobachteten den Prinzen dabei wie er einen Krieger der königlichen Leibwache nach dem anderen niederzwang. Mit Holzschwertern bewaffnet musste jeder seiner Leibwächter gegen ihn antreten. Die junge Frau die gerade gegen ihn kämpfte war flink und geschickt mit dem Schwert, aber Elcorrso war einfach stärker und ebenso geschickt mit der Waffe wie sie. Ein Schlag auf den Hinterkopf und sie fiel zu Boden. Kaum hatte sie sich abgerollt, folgte der nächste Schlag direkt in ihren Magen. Als sie sich vor Schmerzen krümmte trat Elcorrso sie kräftig in den Rücken. Die besiegte Leibwächterin blieb liegen. Der Prinz hechelte aber er hatte gewonnen, ohne auch nur getroffen worden zu sein. Wieder applaudierten die Berater seines Vaters und die Leibwache sah schockiert auf eine der Ihren, wie sie da zu Füßen des Prinzen lag. „Der Nächste!“

Mallanchia betrachtete sich kritisch in ihrem Spiegel. Die Obsidianoberfläche an ihrer Zimmerwand leuchtete matt und warf Mallanchias Spiegelbild zurück. Ihr langes Haar war wie bei allen Dunkelelfen von Natur aus weiß. Ihre gelben Augen waren leicht verengt und musterten sich selbst fragend im Spiegel. Ihr Körperbau war nahezu perfekt nur ihr Hintern gefiel ihr nicht. „Du bist zu breit mein Kleiner…“ tadelte sie sich. Die schwarze Dornenrankentätowierung die sie nach einsetzen ihrer Regel bekommen hatte, schmeichelten ihrem Körperbau. Über die rechte Seite ihres Rückens zog sich die Tätowierung bis zum Nacken und dann hinter ihr rechtes Ohr.
Auf der linken Schläfe und in der linken Handfläche waren ihre anderen beiden Tätowierungen zu sehen. Das rückenfreie, silbergraue Kleid das sie für heute Abend ausgewählt hatte ließ den Blick auf beinahe alle Tätowierungen zu. Heute musste sie einfach perfekt aussehen. Heute gab das Haus Carnofach ein Fest, um zu feiern, dass ihre Schwester nun ihre Zeichnung erhalten sollte. Mallanchia strich sich mit beiden Händen durchs Haar um zu überprüfen ob es hielt. Sollte sie es offen lassen oder zusammenbinden? Noch ein kritische Blick in den Spiegel. „Ich sollte es offen lassen!“ Sie nickte sich selbst im Spiegel zu. „Ja das solltest du!“ Meldete sich eine junge Mädchenstimme. Plötzlich stand Achsini, die jüngste Tochter des Hauses Carnofach in der Türöffnung. Mallanchia drehte sich auf dem Absatz um und starrte ihre kleine Schwester an. „Was machst du hier, du solltest dich doch auch schön machen. Schließlich ist das heute dein großer Tag!“ Ohne auf Mallanchia zu achten antwortete Achsini.
„Offen sieht es besser aus und du bist dann viel hübscher.“ „Danke, aber solltest du nicht…?“ Mallanchia winkte ihre Schwester mit der Hand hinaus. „Was?“ „Du solltest dir doch dein bestes Gewand anziehen und dann in deinem Zimmer warten, bis du allen präsentiert wirst!“ Achsini verdrehte entnervt die Augen und kehrte ihrer älteren Schwester den Rücken zu. „Wenn du mich nicht mehr ohne Tätowierungen sehen willst dann geh ich halt!“

Weit entfernt von Alriccich-oindo, an der Oberfläche, Im Reich des alten Königs Melwin, auf einem Feld eines reichen Bauern, knallten Peitschen und wurden weißhaarige und hellhäutige Wesen zusammengetrieben. „Lauft ihr Stinker! Schneller!“ Sieben grobschlächtige Knechte ließen ihre Peitschen sausen und dirigierten die etwa zwanzig Dunkelelfensklaven vom Feld ihres Großbauern in den Stall. Zwischen dem Schweinestall und dem Schafsstall war ein dritter Verschlag für die in Kämpfen gefangengenommenen Dunkelelfen errichtet worden. Josso hielt die Tür auf und trieb die Gefangenen mit dem Holzschaft seiner Mistgabel hinein. „Da und nicht drum streiten!“ Akil und Reut kippten ihnen das alte Brot und das übrig gebliebene Gemüse aus dem Abfalltrog auf den Scheunenboden. Kaum waren alle Sklaven drinnen und die beiden Knechte wieder draußen, schloss sich die Tür schwungvoll. Drei schwere Riegel wurden vorgeschoben und die Hunde direkt vor dem Verschlag angekettet. Erst dann gingen die Knechte in die Speisehalle des Horrenzen-Hofes. Recksch rollte sich auf einem Haufen Heu zusammen und knabberte an dem Apfel und an der Brotkruste die er sich von Essenshaufen erkämpft hatte. Der junge Dunkelelf starrte durch eines der zahllosen Löcher im Dach in den sich zunehmend verdunkelnden Himmel. Gedankenverloren strich seine Hand über sein schmales Gesicht. Drei parallele Narben zogen sich quer darüber. Recksch erinnerte sich an den Kampf als wäre es gestern gewesen. Ein Nachtschleicher, ein violettpelziger Säbelzahntiger, in der Dunkelelfensprache Recksch genannt, hatte ihn als kleines Kind angefallen und ihm dieses Markenzeichen und damit seinen Namen beschert. Das Dorf, in dem er gelebt hatte, war von den Menschen aus Rache für frühere Überfälle der Dunkelelfen angegriffen worden. Männer und Frauen die sich wehrten wurden gnadenlos erschlagen. Er und etwa fünf andere Bewohner des Dorfes, die er vorher nur selten gesehen hatte, waren von den Menschen einfach gefesselt und mitgenommen worden. Er war dann irgendwie über zwei Sklavenmärkte und einen Steinbruch zu diesem Bauern gekommen. Dem Horrenz Bauern. Dieser Bauer war reicher als alle anderen in der Umgebung und konnte es sich daher leisten sich einen Verschlag voller Sklaven zu halten, denen er alle Arbeiten aufzwang die kein Knecht übernehmen wollte. Oder einfach alle Arbeit, weil sich die Knechte nach ein paar Jahren an nichts mehr die Hände schmutzig machen wollten. Recksch warf das Kerngehäuse gegen die Wand. „Irgendwann hau ich hier ab und dann werd ich mich an diesen Menschen rächen… für jeden Peitschenschlag und für jeden Tag voller Arbeit und ohne Essen.“

Marccicho ließ das Schwert kreisen. Ein Schlag von links. Leicht Abgewehrt. Zwei kurze Hiebe von Rechts. Geblockt. Ein Stich gegen seinen Bauch. Gerade noch abgeleitet. Der alte Mann fuchtelte mit seinem Gehstock. Das erste Mal während seiner Ausbildung hörte Marccicho die Worte „Ja, so geht das! Gut gemacht!“ Sein Lehrmeister nickte zufrieden. „Und jetzt zeig mir ob das auch noch schneller geht!“ Auf einen Wink von Jaccirt griff Hagschirrt, ein Soldat des Hauses Carnofach, noch wilder an. Der junge Adelige hatte Mühe die schnellen, harten Schläge abzuwehren aber es gelang ihm einigermaßen. Marccicho begriff das Muster, in dem Hagschirrt angriff, lenkte seinen nächsten Stoß ab und hielt ihm die Klinge an den Hals. „Sieg!“ Marccicho lächelte, mit sich und seiner Leistung mehr als zufrieden, bevor er seinen Schwertarm sinken ließ und sich schwer atmend setzte. „Jetzt haben wir dich soweit das du kämpfen kannst…“ Jaccirt rang sich ein Lächeln ab. „Und jetzt kommt der anstrengende Teil! Ich werde dir beibringen wie du länger und vor allem effektiver kämpfst! Mache dich nun bereit für das Fest deiner Schwester. Und feiere nicht zu viel, ab morgen werden wir doppelt so lange trainieren. Der Initiationsritus findet schon in einer Woche statt.“ Als ob er Marccicho daran hätte erinnern müssen. Hagschirrt verabschiedete sich standesgemäß und ging. Jaccirt sah ihm kurz nach dann nickte er seinem Schüler knapp zu und verließ ebenfalls die Kammer. Marccicho hob sein Schwert noch einmal und wiederholte die letzten drei Sequenzen, die er heute gelernt hatte. „Ich werde meinen Vater nicht enttäuschen… Ich werde leben.“ knurrte er als er das Schwert mit dem schon die längste Zeit schmerzenden Arm wieder hochhob.

Der Palast lag während der Abendstunden genauso hell erleuchtet da wie am Tag, obwohl diese Tatsache hier unter der Erde bedeutungslos war. Wachen, in verziehrten Rüstungen und geschliffenen Waffen, standen steif auf ihrem Posten, Diener eilten durch die langen Gänge und selbst drei Gärtner kümmerten sich jede Nacht um die Palastterrassen. Selbst der junge Prinz schien nach seinem langen Trainingstag nicht müde genug um sich schlafen zu legen. Musik drang aus einer der vielen kleinen Hallen im unteren Bereich des Palastes. Versunken in die süßen Klänge der Gezzahil, zuckten drei Körper im Takt des Seiteninstrumentes. Gierig belauerte Elcorrso jede ihre Bewegungen. Obwohl die drei Tänzerinnen nur für ihn gekommen waren, verhielt er sich als könnten sie ihm jederzeit wieder weggenommen werden. Elcorrso verschlang jede ihrer Bewegungen mit weit aufgerissenen Augen. Jedesmal wenn sich die Brüste vom gebogenen Rücken abhoben wagte er nicht zu zwinkern, jedesmal wenn sie sich in aufreizenden Posen vor ihm auf dem Boden räkelten durchfuhr ihn nur ein Gedanke. Eine kurze Woche noch dann würde er sich jede dieser Tänzerinnen ins Bett rufen können. Dann hatte er seine Zeichnung, dann war er ein Mann.

Der große Saal im Hause Carnofach wurde seinem Namen wahrlich gerecht. Er war groß genug um über hundert Leuten Platz zu bieten. Heute Abend waren nicht ganz so viele geladen, aber es wurde ja immerhin auch noch eine Tanzfläche benötigt. An einer Wand war ein üppiges Buffet aufgestellt worden und Girlanden aus Feuerblüten hingen von der Decke und zierten die Wänden. Die großen Buntglasfenster im großen Saal zeigten wichtige Ereignisse in der Geschichte der Carnofach. Die ruhmreiche Schlacht um Norrif-oindo, in der Leccir Carnofach als mutigster Soldat der Armee ausgezeichnet worden war, und viele andere familienhistorische Geschehnisse. Der Boden war frisch geschrubbt worden und roch noch verführerisch nach Schwarzbissblatt. Das ganze Haus Carnofach war von diesem süßlichen, beruhigenden, schweren Duft von Schwarzbissblatt durchzogen. Im Eingangsbereich waren dicke Teppiche ausgelegt worden und Diener warteten um die Gäste in Empfang zu nehmen. Jescho der junge Küchenchef war schon seit Stunden damit beschäftigt die Speisen für das Buffet, den normalen Hausbetrieb und das Festessen heute Abend zu koordinieren. Routinemäßig wischte er sich mit seinem rauen Küchentuch über die schweißnasse Stirn. Die kurzen Haare standen ihm borstenartig in alle Richtungen ab. So sah er noch um einiges verspielter und jünger aus als er wirklich war. Auch er würde in einer Woche den Initiationsritus durchleben müssen. Mit weit weniger Chancen als die Söhne der Adeligen, die sich darauf vorbereiten konnten oder die Söhne von Soldaten die natürlich ebenfalls im kämpfen Erfahrung hatten. Am ärmsten waren immer die Bürgersöhne und die Kinder der Diener und Bauern gewesen.
„Wie sieht es aus?“ Die Frage seines Meisters ließ Jescho mitten in seinen Überlegungen innehalten. „Meister Jaccori!“ er verneigte sich. „Für das Essen im Saal ist schon gesorgt und die Speisen für die Tafel werden gerade zubereitet. Die Wachmannschaft hat ihre Ration schon erhalten und so steht die zweite Küchenzelle nun auch ihren Gästen zur Verfügung. Wünschen sie noch eine weitere Suppe oder Soße? Der Kessel ist jetzt wieder frei.“ Jaccori schüttelte zufrieden den Kopf. „Ich denke es wird alles reichlich genug vorhanden sein. Wascht den Topf lieber aus und macht dann aus den Resten des Festmahls einen kräftigen Eintopf für die Diener und die Wachmannschaft.“ „Ja Meister!“ Jescho verschwand in seinem kleinen Reich. Der Älteste des Hauses Carnofach lächelte gütig. „Was für ein fleißiger Junge…“ murmelte er dann wandte sich Jaccori ab und widmete sich den Gästen die jeden Augenblick eintreffen sollten.

„Muss das sein Vater?“ Chirosnat und sein Zwillingsbruder Arboch zupften an ihren feierlichen Roben herum. „Ich wäre auch lieber in meiner Rüstung hier…“ knurrte der alte General Tschirrt seinen beiden Söhnen zu. Da meldete sich sein ältester Sohn zu Wort. „Vater ich weiß ihr seid nicht gerade ein Freund von solchen Anlässen, aber sie sind nötig.“ lenkte er diplomatisch wie er war ein. Roccori, der älteste Sohn des Hauses Palichon trug seinen nagelneuen roten Umhang, der an den Enden zu schwarz-goldenen Flammen ausfranzte, mit sichtlichem Stolz. „Es ist nötig um Gesellschaftlich angesehen zu werden, zu erfahren was politisch vorgeht…“ Der alte General brachte seinen Ältesten mit einer einzigen Handbewegung zum schweigen. Er betrachtete seine Söhne kritisch. Roccori mit seinem erfahrenen Gesicht, den langen weißen Haaren in denen rote Bänder eingeflochten waren. Sein Diplomatensohn, dachte er verächtlich, mit den Dornenrankentätowierungen die sich von der Stirn über das rechte Auge bis über die Wange zogen und am Kinn die drei dünnen Tätowierungen die wie Flammenflüsse durch den kurzen Kinnbart flossen.
Chirosnat, sein Lieblingssohn, ein wahrer Kämpfer. Chirosnat hatte immer schon genau die gleiche Statur wie sein Vater besessen. Klein und stämmig, muskulös aber nicht übermäßig aufgeplustert. Ein zäher kleiner Bursche der lieber in voller Rüstung Tag und Nacht kämpfen und töten übte, als sich zu waschen oder zu lernen wie man die Gezzahil spielt. Und dann war da noch Arboch. Arboch war seinen Brüdern immer schon an Kraft unterlegen gewesen, schon als kleines Kind, doch er war listig, flink und besser als jeder Bogenschütze den Tschirrt jemals unter seinem Befehl gehabt hatte. Die Zwillinge hatten beide militärisch kurzes Haar. Chirosnat zupften an seinem Festtagsgewand herum, weil er lieber seine Ledertunika oder gar seine Rüstung getragen hätte. Arboch folgte seinem Vater und seinen Brüdern wie immer mit leicht gesenktem Kopf und zusammengezogenen Schultern. Der alte General strich sich durch seinen Bart. „Arboch! steh gerade! Nimm dir gefälligst ein Beispiel an Chiro!“ Roccori sah mitleidig zu seinem Bruder hinüber. Er haßte es wenn sein Vater Arboch immer dazu drängte sein Zwilling zu sein. Aber er wusste, das mit seinem Vater zu Diskutieren war genauso sinnvoll wie einen gereitzten Recksch das Futter zu stehlen. „Kommt schon, erweisen wir den Carnofachs die Ehre.“ grummelte Tschirrt. Der General hasste festliche Anlässe über alles, aber es gehörte sich nun mal für einen Edelmann an solchen teilzunehmen.

Endlich fühlte sich Mallanchia bereit. Nach zweieinhalb Stunden der Vorbereitung und Pflege war sie bereit. Anmutig schritt sie über dir lange Wendeltreppe hinunter in den großen Saal. Kaum setzte sie ihren Fuß auf die letzte Treppenstufe, da hätte sie ein Bote fast umgerannt. „Verzeihung!“ keuchte er und hechtete weiter. Mallachia sah im nur einen Wimpernschlag lang empört nach. Dieser Augenblick reichte ihrem Vatervollkommen um lautlos hinter sie zu treten. „Hübsch siehst du aus meine Blume!“ „Vater?...“ Mallanchia versuchte ihre Überraschung zu überspielen. „…Sind schon viele Gäste da?“ Jaccori schüttelte leicht den Kopf. „Bis jetzt ist nur das Haus Achischiliba und einige der höher gestellten Bürger da. Aber das Haus Palichon müsste jeden Augenblick eintreffen und selbst der König hat meine Einladung angenommen also erwarte ich ihn heute in Begleitung seines Sohnes.“ Würde Mallanchia ihren Vater nicht so kennen wie sie es tat, hätte sie schwören können, der sonst so strenge und ernste Mann hätte ihr verschmitzt zugezwinkert. „Vater, sollte das eine Andeutung sein?“ Die älteste Tochter des Hauses Carnofach suchte nach einer Antwort, in dem gütigen aber ernsten Gesichtszügen ihres Vaters. Nach einer endlosen Sekunde gab sie es wieder einmal auf. Sie wollte sich schon den Gästen zuwenden als ihr Vater sie zurückhielt. „Bevor du feiern gehst, bitte suche noch kurz nach deinen Bruder. Er wollte schon längst hier sein.“ Mit einem verhaltenen Seufzer machte sich Mallanchia auf den Weg. Sie wusste genau wo sie Marccicho suchen musste. Mit gerafftem Kleid stieg sie die Treppen zu den Übungsräumen der Wachleute hinunter. Sie musste einfach nur dem Geräusch von Schwertschlägen folgen.

Marccicho schlug mit dem Schwert einmal von links, dann zweimal kräftig von rechts zu. Ein wuchtiger Hieb von oben. Ein graziöser Stich von vorne. Ein letzter Treffer quer über die Brust. Dieser Angriff hätte einen Mann ohne Rüstung in zwei Hälften gehauen, aber die Übungspuppe blieb völlig unbeeindruckt von den wuchtigen Schlägen mit denen Marccicho sie bearbeitete. Schnaufend hielt der junge Mann inne als er Schritte hörte. Die Schrittgeräusche von oben kamen schnell näher. Jemand schien es eilig zu haben. Ein leises Klirren verriet den Soldaten der den Übungsraum betrat, kurz vor dem Sohn seines Herren salutierte und sich dann in die nebenan liegenden Soldatenquartiere davonmachte. Marccicho hob wieder das Schwert, doch als er es niedersausen lassen wollte erklang die Stimme seiner Schwester Mallanchia. „Marcci kommst du bitte, Vater lässt dich rufen.“ Der Erstgeborene der Carnofach Sippe drehte sich auf dem Absatz um. „Ich komme ja schon, aber nenn mich nie wieder so!“ Mallanchia lächelte unschuldig. „Eine kurze Woche darf ich noch… dann ist der kleine Marcci ein Mann geworden.“ Marccicho drehte sich um und ging hinauf ins Badezimmer. Mallanchia ging ebenfalls, jedoch zurück in die Eingangshalle. Sie wollte wegen ihrem Bruder doch nichts von der Feier verpassen.

Recksch erwachte aus seinem leichten, unerholsamen Schlaf. „Aufstehen, ihr Bleichlinge!“ Akil hämmerte mit einer Keule gegen die Tür zum Sklavenverschlag. Josso und Reut ließen die Peitschen knallen. Die Dunkelelfensklaven erhoben sich widerwillig. „Kommt schon! Nicht so langsam!“ Wer nicht schnell genug aufstand wurde von den Peitschen der Knechte hochgescheucht. Der ganze Pulk Sklaven wurde von Akil und Reut auf die Felder getrieben. Hoch zu Pferd und Peitschen schwingend, überwachten sie die arbeiteten Dunkelelfen. Recksch und die anderen gruben mit ihren Holzwerkzeugen Äcker um, sammelten das geschnittene Getreide ein und trugen es in den Speicher. Recksch wischte sich mit der flachen Hand über die verschwitzte Stirn. Rachegedanken griffen nach seinem Herzen, Schreckensvisionen in denen er seine Peiniger tötete, verstümmelte und sie so leiden ließ wie er hatte leiden müssen. Aber noch nicht, noch war die Zeit nicht reif. Er würde den perfekten Zeitpunkt wählen… er war ein Jäger er war wie ein Recksch!
Er war Recksch!


Fortsetzung folgt...

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 15.11.2010

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