Prolog
Das grelle Sonnenlicht zerrte mich unsanft aus dem Schlaf. Unter meinen geschlossenen Lidern fraß sich jeder einzelne Strahl durch meine Nervenbahnen bis zum Gehirn und schlug dort im Schmerzzentrum ein, wie eine Bombe.Ich wollte die Augen nicht öffnen, wollte mich noch fünf Minuten der Illusion meiner perfekten Traumwelt hingeben.Ich hatte dieses befremdliche Gefühl. Dieses Gefühl, das man immer dann hat, wenn man sich morgens nicht ganz sicher ist, was einen erwartet, wenn man die Augen aufschlägt. Dieses “Wo-bin-ich“- und “Was-mache-ich-hier“-Gefühl.Langsam versuchte ich, meine Gedanken zu sortieren, erfolglos. Mein zeitgeschaltetes Gehirn hing wohl noch im Sleep-Modus. Also zu Hause war ich nicht, so viel war klar. Vorsichtig öffnete ich meine Augen einen kleinen Spalt…. Argh… Schocktherapie. Das helle Sonnenlicht brannte mir in den Höhlen und machte die geplante Umfeldanalyse zu einem schmerzhaften, beinahe unmöglichen Unterfangen.
Die plötzliche Erkenntnis, dass ich nicht alleine war, traf mich wie ein Schlag ins Gesicht. Ein starker männlicher Arm hatte sich um mich gelegt und ich spürte eine warme Hand, die auf meinem Bauch ruhte. Warum war mir das nicht schon vorher aufgefallen?
Als wäre ich gerade aus einem Koma erwacht, prallten die einzelnen Eindrücke um mich herum wie ein Hagelschauer auf mich ein. Ich nahm den seltsam vertrauten Geruch der Matratze wahr, den gleichmäßige Atem, der meinen Nacken wärmte, das monotone Brummen eines elektrischen Gerätes, das ich nicht zuordnen konnte und meinen eigenen Herzschlag, der mehr an einen Trommelwirbel erinnerte.
„Mist… Ina, was hast du gemacht? Reiß dich zusammen!“, ermahnte ich mich stumm. Erneut öffnete ich meine Augen behutsam. Anscheinend hatten sie sich bereits an das grelle Licht gewöhnt. Ich blickte direkt auf einen klobigen Schreibtisch aus Kiefernholz, auf dem achtlos einige Blätter und ein paar Stifte verstreut lagen. Misstrauisch ließ ich meinen Blick durch das sonnendurchflutete Zimmer schweifen. Über den grau-blauen Teppichboden zog sich eine Spur des Chaos. Überall lagen Kleidungsstücke verstreut und hier und dort stand eine Bierflasche oder ein, noch halb gefülltes Glas.
Es nützte alles nichts. Ich musste mich umdrehen, musste wohl oder übel herausfinden, mit wem ich mir hier wie selbstverständlich ein fremdes Bett teilte. Aber die Angst lähmte mich kurzzeitig. Die Angst, die in mir aufkeimte, als ich feststellte, dass die meisten der Kleidungsstücke auf dem Boden meine eigenen waren.
Ganz ruhig, ich musste das Ganze rational betrachten. Theoretisch gab es nur zwei mögliche Lösungen. In Zeitlupe drehte ich meinen Kopf nach hinten und blickte unmittelbar in ein paar vertraute Augen.
„Morgen Schlafmütze“ nuschelte er und zog mich näher an sich heran.
Verdammt, verdammt, verdammt. Ina, du bist so dumm.
Alles auf Anfang
"Aber was soll das denn...?“, fassungslos wandte ich mich an meine Mutter, die in aller Seelendruhe eine Porzellan-Tasse nach der anderen in altes Zeitungspapier wickelte. "Lernen Sie, sich durchzusetzen" prangte mir in großen schwarzen Lettern von einem der vergilbten Papiere entgegen. Wurde ich gerade von einer alten Zeitung verspottet?
„Ach Ina. Ich hab keine Lust mehr, mit dir zu diskutieren!“
Ihr Tonfall verschärfte sich allmählich. Konnte ich gar nicht verstehen, wo ich ihr doch erst seit ca. einer dreiviertel Stunde auf die Nerven ging und ihr immer und immer wieder die gleichen Fragen stellte.
„Du bist echt grausam. Zerstörst mein Leben, ohne mit der Wimper zu zucken."
„Ina.....Findest du nicht, dass du ein wenig übertreibst?"
Als Antwort hätte ich mir am liebsten den Karton mit den kostbaren Tassen gegriffen und ihn aus dem zweiten Stock geworfen. Hätte mich schon interessiert, ob das Zeitungspapier den Aufprall ausreichend dämpfen würde.
„Ich übertreibe kein bisschen. Übertreiben würde ich, wenn ich mich vor den nächsten Milchlaster werfen würde. Aber weißt du was, ich bleib einfach hier.“
„Gut, mach das! Nach zwei Tagen hättest du das Haus eh abgefackelt, beim Versuch dir eine Pizza in den Ofen zu schieben.“
„Tja, da hättest du mir besser mal das Kochen beigebracht, Super-Mom" erwiderte ich spitz.
„Als ob ich das nicht versucht hätte. Im übrigen ein sehr überzeugendes Argument. Du benimmst dich wie eine fünfjährige. Die sagen auch direkt alles, was ihnen in den Kopf kommt!!“
Da hatte sie wahrscheinlich Recht. Ich hatte das begnadete Talent, alles auszusprechen, was ich dachte. Manchmal sogar, bevor ich es dachte.
„Du entscheidest auch über mein Leben, als wäre ich fünf. Warum sollte ich mich dann nicht so benehmen?“
Mein Gezeter stieß auf taube Ohren. Es wurde wohl Zeit für einen Strategiewechsel.
„Ok Mom, irgendwie seh ichs ja ein. Du musst als Mutter deine Entscheidungen so treffen, dass wir alle davon profitieren. Ich sollte nicht immer so selbstsüchtig sein.“
Also das war wirklich die schlechteste und armseligste Strategie, die ich mir hätte ausdenken können. Da wäre das Vor-den-Milchlaster-werfen wahrscheinlich noch effektiver gewesen.
Meine Mutter schien meine Meinung zu teilen. Sie blickte mich nur gelangweilt an.
„Ina, sag mal für wie dumm hältst du mich?“
Nicht antworten, Fangfrage! Wenigstens warnte mein Hirn mich noch rechtzeitig, bevor ich eine Antwort geben konnte, die meine Lage noch mehr verschlimmert hätte.
„Ich therapiere tagtäglich schwer verhaltensgestörte oder suizidgefährdete Jugendliche…und du kommst mir ernsthaft mit umgekehrter Psychologie? Ich bitte dich...“
Womit hatte ich denn so eine Mutter verdient. Reichte es nicht, dass ich tagtäglich ihre ständig wechselnden Therapie-Versuche über mich ergehen lassen musste? Und mit Therapie-Versuchen meinte ich nicht irgendwelche harmlosen "folge-dem-Pendel"-Spielchen....
Ich spreche von seelischer Folter. Feste Rituale, nach denen ich sogar Samstags um sechs aus dem Bett geworfen wurde, um zusammen mit Mama und Schwester am Tisch zu sitzen und pappiges Müsli runterzuwürgen. Ein drei Seiten umfassendes Regelwerk am Kühlschrank, bei dessen kleinster Verletzung ich stumm in der Strafzone ausharren musste.
Ich war wahrscheinlich auch das erste Kind, das ernsthaft in Erwägung zog, sich an der stillen Treppe zu erhängen.
„Ok, wenn es so nicht geht... Warum tust du mir das an? “
Stille...
„Du zerstörst mein Leben!!“
Totale Ignoranz.
Meine Mutter räumte weiter in aller Seelenruhe einen Teil des Küchenservices in einen großen Umzugskarton.
Noch genau zwei Tage hatte ich Zeit, sie davon zu überzeugen, dass die Idee mit dem Umziehen totaler Schwachsinn war.
Doch wie sollte ich das anstellen? Ich hatte bis jetzt soviel bewirkt, wie ein Stück Glas, das auf einen Diamanten einhämmert.
Meine guten Ideen und Tricks waren alle aufgebraucht. Ich hatte es mit Diskussionen versucht, hatte das Haus mit Bannern und Plakaten gepflastert und hatte sogar fremde Menschen auf der Straße angeheuert, meiner Mutter ein "Der Umzug ist eine schlechte Idee - du tust deiner Tochter im Herzen weh"-Ständchen vorzutragen.
Das einzige was mir jetzt noch einfiel, war ihr so lange auf die Nerven zu gehen, bis sich irgendetwas an der Situation änderte... nicht grade produktiv, aber wirkungsvoller als Nichtstun.
„Außerdem, warum soll das eigentlich meine Schuld sein?“
Nicht aufgeben Ina, es geht um deine Zukunft.
„Ich hab nicht gesagt, dass das deine Schuld ist, ich hab nur...“
Ich unterbrach sie barsch.
„Ich zitiere “Hier in Phoenix wirken zu viele schlechte Einflüsse auf dich ein. Du bist in einem entscheidenden Alter, das dein ganzes Leben prägen wird und deswegen finde ich, eine neue Umgebung würde dir und auch der ganzen Familie mal gut tun. Ich wünsche mir doch nur, dass du dich normal entwickelst.“, äffte ich sie nach, "da schreit ja der Subtext förmlich: es ist alles deine Schuld!“
Darauf konnte sie wohl nichts mehr erwidern. Sie widmete sich wieder ihrer Arbeit.
So schnell würde ich mich nicht geschlagen geben.
„Was hab ich denn so schlimmes gemacht...?“
„Was du gemacht hast?“ Meine Mutter schaute mich fassungslos an.
„Kind, du hast einen Lehrer dazu gebracht zu kündigen und...“
„ ...aber doch nur durch gezielte Anwendung des psychologischen Wissens, das ich hier jeden Tag vermittelt bekomme...“ unterbrach ich sie und imitierte dabei erneut ihren Tonfall.
„Selbst wenn du ihn mit deinem dummen Gequatsche verjagt hättest, es geht hier um deine bösen Absichten und nicht um die Durchführung.“
Touché...
„Aber die ganze Schule war mir dafür dankbar. Sie hätten mich wahrscheinlich als Statue auf dem Schulhof verewigt, würde da nicht schon dieser Kerl stehen, der die Schule gegründet hat “
„ Du denkst, dass du mehr geleistet hast als euer Gründervater???“
„Du hörst mir wieder nicht zu. Würde ich das denken, hätte ich verlangt, dass sie die Statue abreißen sollen. Aber bescheiden wie ich bin...“
„Zugegeben, das war jetzt nur noch reine Provokation. Aber irgendwie musste ich meinen Standpunkt ja klar machen.
„ Ina du bist totalitär und intolerant …“
„Los, erschlagen wir sie mit einem Fremdwörterlexikon...“ unterbrach ich sie sarkastisch.
„Inajia es reicht jetzt. Ich hab mich entschieden und damit basta...“
Gut, dann würde ich mir eben Unterstützung suchen. Zu zweit ließ sich doch bestimmt mehr ausrichten, und sei es nur durch Stereo-Gequengel.
Dann fiel mir ein, dass ich mit meiner Meinung ja völlig alleine auf weiter Flur stand.
Mein Vater war seit meinem zweiten Lebensjahr tot und meine neunzehnjährige Schwester Akina würde mir mit großer Wahrscheinlichkeit auch nicht zur Seite stehen. Da sie ab diesem Semester die Louisiana-State-University in Baton Rouge besuchen würde, kam ihr der Umzug mehr als gelegen. So konnte sie nach Belieben zwischen ihrer eigenen Wohnung dort und dem Einfamilienhaus, das meine Mutter für uns in Coan City auserkoren hatte, pendeln.
Damit fiel sie als Mitgespielin für meinen Lebenserhaltungs-Plan schon mal weg.
Mein Leben war zerstört... was sollte ich in dieser kleinen Stadt, in der ich keinen kannte und in der ich auch niemanden kennen wollte.
Die zwei Tage die ich noch hatte vergingen wie im Flug. Ehe ich mich recht entsann, saß ich bereits mit verschränkten Armen im Auto und warf meiner Mutter über den Rückspiegel jedes Mal einen hasserfüllten Blick zu, wenn sie ihre Augen von der Straße hob.
Coan City, ich wusste nicht einmal genau, wo auf der Landkarte das liegen sollte. Louisiana war groß, warum ausgerechnet musste es ein Ort sein, der mehr nach Seniorenresidenz klang, als nach Kleinstadt?
Ich hoffte inständig, dass meine Mutter den Ort erfunden hatte und im letzten Moment aus dem Wagen sprang und Überraschung brüllte, während ein verstecktes Fernsehteam aus einem Busch sprang.
Doch dem war nicht der Fall.
Meine engsten Freunde waren alle gekommen, um mich zu verabschieden und es trieb mir die Tränen in die Augen, sie hier zurück lassen zu müssen. Meine große Schwester legte mir tröstend den Arm auf die Schulter und selbst das eiskalte Herz meiner Mutter schien ich erweicht zu haben.
Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten wir besagte Seniorenresidenz. Schien sich allerdings doch um eine Kleinstadt zu handeln.
Während der ganzen Fahrt hatte ich mich bemüht, einen möglichst elenden Eindruck zu erwecken. Jetzt war ich vom ständigen Mitleid-erregen so erschöpft, dass ich nur noch ins Bett fallen und den Tag vergessen wollte.
Nach einigen Stunden sinnlosem Rumsitzen im Wohnzimmer waren die Möbelpacker endlich fertig mit ihrer Arbeit und zum ersten Mal betrat ich den Raum im oberen Stock, den ich natürlich nur vorübergehend als Unterkunft akzeptieren würde. So lange, bis ich meine Mutter wieder zur Vernunft gebracht hatte.
Aber selbst durch meine nachtschwarze Sonnenbrille der schlechten Laune sah das Zimmer - ich weigerte mich, es als meines zu bezeichnen, das wäre zu endgültig - einigermaßen bewohnbar aus, geradezu gemütlich. Der Boden war mit hellem Parkett ausgelegt und bildete einen perfekten Akzent zu meinen Möbeln aus dunklem Holz.
Mein Bett stand direkt vor den großen Fenstern, die fast bis zum Boden reichten. Irgendjemand, ich nehme an meine Mutter, hatte bereits rote Vorhänge daran befestigt, die dem ganzen Zimmer einen gewissen Stil verliehen. Obwohl fast all meine Sachen noch in Kisten verstaut in der Ecke standen, schrie alles geradezu „hier bist du jetzt zu Hause“
“Ich bin NICHT in einer Stadt zu Hause, die den Namen eines Senatoriums trägt!“, wandte ich mich vorwurfsvoll an den Raum.
Ok, jetzt war es vorbei mit mir... ich redete mit Gegenständen. Sollte meine Mutter mal sehen, was sie mit meiner Psyche angerichtet hatte.
Frustriert warf ich mich aufs Bett und schloss die Augen, bevor ich den Möbeln noch Namen geben konnte.
~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~
Ich wurde durch die ersten Sonnenstrahlen geweckt, die durch die großen Fenster auf mein Gesicht fielen. Vielleicht täuschte ich mich, aber die Sonne schien hier viel aggressiver zu scheinen als in Phoenix. Abgesehen davon war hier sowieso alles viel schlimmer.
Allerdings war die Aussicht, die ich morgens direkt nach dem Aufstehen hatte, wirklich verlockend. Geradewegs konnte ich durch die Scheiben in unseren kleinen Garten blicken.
Kopfschüttelnd verbannte ich die positiven Gedanken aus meinem Kopf. Selbst wenn Micky Maus und Pluto im Garten Walzer tanzten und Brad Pitt sie dazu auf dem Klavier begleitete: Die Hölle konnte unmöglich zum Paradies werden.
Ich schwang meine Beine aus dem Bett und machte mich auf den Weg zur Küche.
Allerdings musste ich dazu wohl erst einmal herausfinden, wo genau die Küche überhaupt war. Nach der Ankunft gestern hatte ich weder die Lust noch die Nerven dazu, mir die einzelnen Räume anzusehen.
Nachdem ich in das Schlafzimmer meiner Mutter und dann in das meiner Schwester geplatzt war, fiel ich noch in die Besenkammer und der Tag war gelaufen.
Fluchend rieb ich meinen schmerzenden Fuß. Nachdem ich im oberen Stock alle Räume durch hatte, fand ich sie schließlich direkt neben der Eingangstür im Erdgeschoss.
Nachdem ich mir ein Frühstück zubereitet hatte, kehrte ich wieder zurück in mein … in das Zimmer und übte mich darin, schlechte Laune aus jeder Pore meines Körpers auszustrahlen.
So gegen drei, ich hatte aus Langeweile schon jegliches Zeitgefühl verloren, klopfte es an meiner Tür und meine Schwester betrat mein Zimmer.
„Sag mal willst du jetzt den ganzen Tag in deinem Zimmer verbringen?“
„Hast du etwa ne bessere Idee?“, blaffte ich sie an.
„Jetzt mach mich nicht für deine schlechte Laune verantwortlich. Was hältst du davon, wenn wir ins Schwimmbad gehen? Ich hab gehört, dass hier ganz in der Nähe eins sein soll.“
Die Sommerferien neigten sich bereits dem Ende zu und ich war noch nicht einmal im Schwimmbad gewesen, vielleicht war die Idee gar nicht so schlecht. Wahrscheinlich sinnvoller, als hier Spinnweben anzusetzen.
„Na von mir aus“, erwiderte ich so gelangweilt wie möglich.
„Na dann mach dich mal fertig, ich leih mir Moms Auto und fahr uns beide, ok?“
Übers ganze Gesicht strahlend verließ sie den Raum.
Wenn Optimismus menschlich gewesen wäre, würde sein Name bestimmt Akina lauten.
Warum hatte ich mich noch gleich darauf eingelassen?
Wenigstens war es eine willkommene Ablenkung von meinem unüberwindbar großen Trennungsschmerz, der mich schon den ganzen Tag verfolgte.
*Darin, in schrecklichem Selbstmitleid zu versinken, war ich übrigens ganz groß...*
Woher hätte ich auch wissen sollen, dass diese tolle Stadt nicht nur einen richtig dummen Namen, sondern auch total verblödeter Einwohner vorzuweisen hatte.
*******
Ich lag gerade in aller Seelenruhe in der Sonne und ließ mich braten, als mich etwas Hartes am Kopf traf.
Was um Himmels Willen...
Ich riss die Augen auf und blickte mich suchend um. Meine Schwester war gerade im Wasser, auf sie konnte ich die Schuld also schon mal nicht schieben.
„Hey du?!“
Ich wandte mich erstaunt um und mein Blick fiel auf einen groß gewachsenen Dunkelhaarigen, der langsam auf mich zuschlenderte. Er sah aus, als hätte man ihn aus einem Model-Magazin ausgeschnitten. Schwarze Haare, ozeanblaue Augen und einen nicht zu verachtenden Körper.
Vom ersten Moment an war mir dieser braungebrannte Schwimmbad-Playboy mehr als unsympathisch .Vielleicht lag es aber auch an meiner außerordentlich schlechten Laune.
Er blieb unmittelbar vor mir stehen und schaute mich erwartend an.
„Was wi...“ setzte ich an, brach jedoch ab als er auf einen großen Volleyball deutete, der direkt neben mir auf dem Handtuch lag.
Für einen kurzen Blick starrte ich ihn fassungslos an, dann verstand ich, was er von mir wollte.
„Sag mal, kannst du nicht mal Entschuldigung sagen, wenn du mich schon halb totschlägst“,
blaffte ich ihn an.
„Für eine halb Tote siehst du aber noch ziemlich lebendig aus“, stellte er grinsend fest.
War das etwa sein ernst? Erst erschlug er mich und jetzt machte er sich über mich lustig? Danke Mom, für dieses wahnsinnig tolle neue Umfeld.
Ich schnappte mir den Ball und warf ihn dem Dunkelhaarigen ins Gesicht.
Zu meinem Bedauern fing er ihn rechtzeitig ab und funkelte mich wütend an.
„Sag mal, was sollte das denn? Kannst du nur nicht werfen oder wolltest du mir tatsächlich einen Ball ins Gesicht knallen?“
„Zweiteres“, murmelte ich schlicht und wollte mich gerade wieder auf den Bauch drehen, als er vor mir in die Knie ging.
„Was sagst du dazu, wenn wir einfach noch mal von vorne anfangen. Vielleicht hatten wir nicht den besten Start“.
Er streckte mir seine Hand entgegen. „Hi, mein Name ist Daniel“
Wo war ich hier bloß gelandet?
Ich packte seine Hand und schüttelte sie.
„Hallo Daniel. Ich bin das Mädchen, das gleich wahnsinnig wird, wenn du nicht bald verschwindest“, entgegnete ich mit gespielter Liebenswürdigkeit.
Anscheinend war das nicht die Antwort, die er gerne gehört hätte.
Er machte auf dem Absatz kehrt.
Ich kochte vor Wut. Was fiel dem denn bitte ein? Wenn hier alle so drauf waren, kamen wohl schwere Zeiten auf mich zu.
Mammons Seelenjagd
Eine halbe Woche war bereits vergangen und langsam gab ich auch das letzte Fünkchen Hoffnung auf, dass ich doch nur einer skurrilen Version von "Verstehen sie Spaß" zum Opfer gefallen war. Wenn das so weiter ging, konnte ich mich wohl bald selbst zur Wahl des einsamsten Menschen auf Erden nominieren. Obwohl meine Erde im Moment ohnehin nur aus dem Deckenabschnitt bestand, der in meinem Blickfeld lag, wenn ich mit verschränkten Armen auf meinem Bett lag. Ein sehr schöner Deckenabschnitt, aber das machte das Ganze auch nicht besser.
Mir blieb wohl wirklich keine andere Wahl. Ich schwang die Beine aus meinem Bett und erhob mich. Wenn ich mich jetzt nicht zusammenriss, war ich bei Schulbeginn evolutionär wahrscheinlich schon so weit zurückgefallen, dass ich lediglich mit Fellkleid, Keule und einem "Ugga-Ugga" auf den Lippen erscheinen würde.
Ich musste definitiv unter Menschen. Da ich die in meinem Zimmer wohl nicht finden würde, entschloss ich mich zum ersten Mal seit Tagen das Haus zu verlassen. Hallo Schicksal, mach dich bereit für eine neue Runde "Die Leiden der Ina Y."!
Hoch motiviert und ein wenig planlos irrte ich also einige Zeit durch die viel zu breiten Fernsehvorstadt-Flair-Straßen.
Nach kurzer Zeit stieß ich auf eine große Wiese, auf der einige Mädchen in meinem Alter Volleyball spielten.
Etwas zögerlich schlenderte ich auf die Gruppe zu.
„Habt ihr noch Platz für nen Spieler?“
Ich wurde einige Sekunden lang gemustert wie das achte Weltwunder. Anscheinend gab es in dieser Stadt nicht besonders oft Neuzugang.
„Ähm, ja klar!“ Ein zierliches Mädchen mit blonder Mähne trat langsam auf mich zu. Ihre hellen Locken hatte sie achtlos in einen Pferdeschwanz gepresst.
„Ich bin übrigens Leah!“, fügte sie nach kurzem Zögern hinzu und reichte mir lächelnd die Hand, „Du bist neu hier oder?“
Sollte es hier tatsächlich noch normale Menschen geben?
„Ja, ich bin vor einer Woche mit meiner Mutter und meine Schwester von Phoenix hergezogen.“
„Wow, von Arizona nach Louisiana und dann auch noch in eine Kleinstadt. War bestimmt erst mal ein Schock oder?“ Sie warf mir einen mitfühlenden Blick zu.
„Du hast ja keine Ahnung“, entgegnete ich zwinkernd.
Nach einer kurzen Vorstellrunde, bei der mir lediglich Leahs Name im Gedächtnis blieb, spielte ich einige Zeit mit den drei Mädchen. Im Volleyballspielen war ich nicht übel und mein Team, das nur aus Lea und mir bestand, gewann haushoch gegen die Mannschaft der zwei anderen.
Nach drei weiteren Spielen verabschiedeten sich die zwei Mädchen, deren Namen ich mir nicht behalten konnte und Leah und ich blieben alleine zurück.
Wir unterhielten uns noch einige Zeit, bevor ich schließlich auch den Heimweg antrat. Leah war mir auf Anhieb sympathisch. Sie hatte eine Art an sich, die ich eigentlich nur als süß beschreiben konnte. Gestik und Mimik erinnerten ein wenig an die, eines unschuldigen Kindes und die blonden Haare und die blauen Augen verstärkten dieses Bild noch.
Sie besuchte die selbe Schule, auf die auch ich nach den Sommerferien gehen würde – nicht verwunderlich, da es in der näheren Umgebung nur diese eine High School gab - und wohnte nur einige Minuten von mir entfernt.
Nach meiner ersten Begegnung mit dem Schwimmbad-Playboy hatte Leah es in kürzester Zeit geschafft, die Stadtbevölkerung doch wieder in ein halbwegs humanes Licht zu rücken.
Nichts im Vergleich zu Phoenix, aber doch nicht ganz so schlimm, wie der erste Eindruck versprach.
Kaum hatte ich das Haus betreten, schien meine Mutter meine halbwegs gute Laune zu spüren.
„ Ina-Schatz, da bist du ja", flötete es mir entgegen, als ich noch keinen Fuß in die Tür gesetzt hatte. "Wir bräuchten noch Butter, Milch, Käse und was zum Trinken. Wärst du wohl so nett und läufst schnell zum nächsten Supermarkt?“ Sie wedelte ungeduldig mit einem Zwanziger vor meiner Nase herum.
"Mom, woher bitte soll ich wissen, wo in dieser blöden Stadt ein Supermarkt ist?".
"Ina, sei kein kleines Kind. Ich hab irgendwo an der Hauptstraße einen entdeckt. Den wirst du schon finden", erwiderte sie und ignorierte meine fassungslose Miene.
Ich verdrehte die Augen und riss ihr den Schein aus der Hand.
"Eine klasse Idee Mom, soll ich meinem Entführer in Spe vielleicht noch etwas von dir ausrichten?", entgegnete ich sarkastisch, als ich das Haus verließ.
"Ja, nenn ihm bitte die Adresse, zu der er dich zurückbringen kann, wenn du ihm den letzten Nerv geraubt hast"
Wutentbrannt schlug ich die Tür hinter mir zu. Das war doch unglaublich.
Manchmal hatte ich wirklich das Gefühl, dass die einzige Handlungsgrundlage meiner Mutter die war, mein Leben in einen Scherbenhaufen zu verwandeln, bevor die Zeit in der Sanduhr abgelaufen war.
Nach einer guten halben Stunde, in der merkwürdigerweise noch niemand versucht hatte, mich zu entführen, fand ich endlich ein großes Schild mit der Aufschrift „Coan City Supermarkt". Obwohl "dagegen laufen" wahrscheinlich der treffendere Ausdruck gewesen wäre.
Dem Schild folgend betrat ich ein kleines Lebensmittelgeschäft, griff mir einen Einkaufswagen und warf schnell einige Lebensmittel hinein. Penibel achtete ich darauf, nur die teuersten Produkte auszuwählen.
An der Kasse warf ich noch ein Päckchen Zigaretten auf das Laufband. Eigentlich war ich Nichtraucher, aber irgendwie musste ich das Geld meiner Mutter ja unters Volk bringen. Sollte sie das nächste Mal ruhig zweimal überlegen, ob sie sich einen Einkauf ihrer Tochter leisten konnte.
Nachdem ich alles bezahlt hatte und der Verkäuferin den eigentlich verbleibenden Dollar als Trinkgeld gab, hatte ich mein Ziel erreicht.
Nicht wenig stolz packte ich das Gekaufte in einer Tüte und verließ den Laden.
Ich war gerade damit beschäftigt, die Zigaretten demonstrativ oben und gut sichtbar zu positionieren und achtete nicht auf den Weg. Prompt knallte ich gegen eine harte Barriere. Die Tüte glitt mir aus den Fingern und fiel zu Boden. Ihr gesamter Inhalt ging auf Tuchfühlung mit dem Asphalt, während ich darum kämpfte, mein Gleichgewicht wieder zu finden um es ihr nicht gleich zu tun.
Als ich meinen Blick hob, um zu überprüfen, gegen wen oder was ich da gerade gerannt war, blickte ich direkt in ein mir gut bekanntes Gesicht.
„Oh nicht schon wieder!“, stöhnte ich.
Anscheinend hatte mein Schicksal von den anderen Opfern abgelassen und sich wieder voll und ganz der Zerstörung meines Lebens gewidmet.
Direkt vor mir stand der Dunkelhaarige, der mich im Schwimmbad fast mit einem Volleyball erschlagen hatte. Auch im angezogenen Zustand sah er gar nicht mal übel aus, musste ich feststellen. Seine Haare waren, wahrscheinlich gewollt, in alle Richtungen gestylt und als ich zu ihm hochblickte, merkte ich, dass er einen guten Kopf größer war als ich.
Wütend riss ich mich aus meinen Gedanken. Sein Aussehen gab ihm trotz allem nicht das Recht, sich mir einfach so in den Weg zu stellen... oder mich mit Bällen zu bombardieren.
„Hey diesmal kann ich echt nichts dafür „ verteidigte er sich und hob schützend die Hände vor die Brust.
Ich funkelte ihn wütend an und begann dann, meine Einkäufe wieder vom Boden aufzusammeln.
„Tut mir echt Leid, Mädchen, das gleich wahnsinnig wird, wenn ich nicht bald verschwinde“
Er bückte sich ebenfalls und half mir beim Aufsammeln.
Merkwürdig... eine Geste, die fast so etwas wie Anstand voraussetzte.
„Sag mal hab ich dir irgendwas getan? Erst hämmerst du mir einen Volleyball gegen den Kopf und jetzt das?“
Eigentlich hatte er eine solche Antwort nicht verdient. Immerhin war ich diejenige gewesen, die nicht auf den Weg geachtet hatte und ihn fast umgerannt hatte. Aber die ganze Wut, die sich seit dem Umzug in mir angestaut hatte, entlud sich mit einem Mal. Dieser Kerl schaffte es durch seine bloße Anwesenheit, mich auf die Palme zu bringen.
„Ich hab doch schon gesagt, dass es mir Leid tut.“
Er grinste mich schief an.
„Vielleicht kann ich das irgendwie wieder gut machen? „
"Oh ja sicher. Gib mir die fünf Minuten zurück, die ich bereits an dich verschwendet hab".
Einen kurzen Augenblick sah er mich fassungslos an.
"Oh und dann verschwinde aus meiner Welt"
Ich beobachtete zufrieden, wie sein Gesichtsausdruck von fassungslos zu ziemlich sauer wechselte.
"Prinzessin, du bekommst deine fünf Minuten gerne zurück. Soll ich sie dir bar auszahlen oder reicht es, wenn ich mich morgen einfach stellvertretend für dich fünf Minuten an den Spielplatz stelle und kleine Kinder fresse", entgegnete er trocken.
Nicht schlecht. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sich irgendwo hinter der geballten Ansammlung von Arroganz noch ein Gehirn versteckte.
"Nein danke, das mach ich immer gerne selbst.", erwiderte ich kalt.
"Aber du könntest in den fünf Minuten schon mal anfangen, dir in meinem Namen alles gegen den Kopf zu knallen, was du hier so findest. Ich mach dann anschließend damit weiter."
"Wo liegt eigentlich dein Problem, Mammon? Lässt Papa Luzifer dich erst wieder nach Hause, wenn du zwanzig Seelen im Schlepptau hast? Oder findest du einfach nur deine Erfüllung darin, unschuldigen Menschen, die dir im Übrigen nur helfen wollten, dafür verantwortlich zu machen, dass du nicht auf dich aufpassen kannst?“
„ Also erstens: "Unschuldig" und "Hilfsbereit" würden dich wahrscheinlich nicht mal grüßen, wenn du durch sie hindurch läufst. Aber vielleicht hast du die ja mit "Unattraktiv" und "Hohl" verwechselt. Das passiert schon mal, wenn man der deutschen Sprache nicht mächtig ist“, setzte ich keifend zum Gegenschlag an.
Der Dunkelhaarige blickte mich in grimmiger Erwartung an.
„Und weiter, Prinzesschen?“
Ich warf ihm einen irritierten Blick zu.
"Da du dich ja schon selbst zum Verfechter der korrekten deutschen Sprache ernannt hast, hab ich eigentlich erwartet, dass auf dein "Erstens" auch noch ein "Zweitens" folgt. Du könntest mich vielleicht noch mal darauf hinweisen, was für ein arroganter Idiot ich bin.", bemerkte er schelmisch grinsend.
Mein Puls beschleunigte sich um weitere fünfzig Schläge in der Minute.
Scheinheilig trat ich einen Schritt auf ihn zu und schaute ihn unverwandt an. Ich musste mich auf die Zehenspitzen stellen, um ungefähr auf seiner Höhe zu sein.
"Nicht jeder Zug im Leben fährt auf der verbalen Schiene", hauchte ich ihm liebenswürdig ins Ohr. Einen kurzen Moment sah er mich verständnislos an. Dann stieß ich gezielt meine Einkaufstüte gegen sein Bein.
"DAS war Zweitens".
Anschließend stolzierte ich davon und ließ ihn total perplex und umgeben von einigen Konservendosen, die mir beim Zusammenstoß mit ihm aus der Tüte gefallen waren, stehen.
Ein Opfer für den guten Zweck, dachte ich, als ich die nur noch halb volle Tüte betrachtete.
Der Abgang wäre wahrscheinlich nur halb so würdevoll gewesen, wenn ich hätte noch mal umdrehen und alles aufsammeln müssen.
Wenigstens hatte ich hierüber die Auseinandersetzung mit meiner Mutter fast vergessen. Was ich allerdings auch vergessen hatte, war der Weg, den ich auf dem Hinweg gegangen war.
Ich folgte also einer Straße, von der ich mir einbildete, sie zu erkennen. Das redete ich mir so lange ein, bis ich schließlich vor dem Ortsausgangs-Schild stand.
Die Stadt war zwar eher klein, aber für meinen in keinster Weise vorhandenen Orientierungssinn immer noch zu groß… Dabei musste ich mir eingestehen, dass ich mich selbst auf einem Fußballfeld auf dem Weg von einem zum anderen Tor verlaufen würde, wären am Rand keine weißen Linien gezogen. Ein paar grelle Scheinwerfer rissen mich plötzlich aus meiner nachtschwarzen Gedankenwelt. Neben mir kam quietschend ein Auto zum Stehen.
Anscheinend hatte mein Entführer doch noch zu mir gefunden.
Eine Scheibe wurde langsam heruntergefahren und eine Frau in den mittleren Jahren, mit auffälligen rötlichen Haaren, blickte mich von oben herab an.
Kein typisches Verbrechergesicht, aber es waren schließlich immer die, von denen man es am wenigsten erwartete.
„ Sag mal… ist alles ok bei dir?“
Sie blickte mich besorgt an. Kein Wunder, seit gefühlten fünf Minuten stand ich vor dem Ortsausgang-Schild und starrte es mit offenem Mund in Grund und Boden. Ich musste den Eindruck einer Psychopathin erweckt haben.
„Also irgendwie hab ich´s wohl geschafft, mich zu verlaufen“, antwortete ich nach einer kurzen Pause, in der ich die Situation erst einmal vollständig erfassen musste.
Mit einem lauten Zischen öffnete sich die Beifahrertür und die Frau grinste mich belustigt an.
„Na steig ein. Solange du den Namen deiner Straße nicht vergessen hast, kann ich dir auf jeden Fall weiterhelfen.“
Das hatte ich glücklicherweise nicht und offensichtlich lag sie genau auf ihrem Weg… oder sie war einfach zu höflich um zuzugeben, dass sie wegen mir einen Umweg fahren musste.
Es schien ja doch noch hilfsbereite Menschen in dieser Stadt zu geben.
Doch jedes Mal, wenn ich es wagte, so etwas zu denken, stieß das Schicksal mir ein Messer in den Rücken um mich eines Besseren zu belehren. Ich schaute mich misstrauisch um… noch kein Messer in Sichtweite.
Die verschollene Tüte
Während der kurzen Autofahrt berichtete die Rothaarige von ihren zwei Kindern und erzählte mir, dass sie gerade Einkäufe in einer benachbarten Stadt erledigt hatte.
Ich musste feststellen, dass mich diese Frau, sowohl vom Äußeren, als auch von der Art wie sie redete an jemanden erinnerte.
„ Sagen sie mal, ist ihre Tochter zufällig in meinem Alter?“ fragte ich sie, da ich so langsam eins und eins zusammenzählte.
„ Also erstmal, ich bin Marie und du kannst mich ruhig duzen. Ich komm mir immer furchtbar alt vor, wenn mich die Leute mit „Sie „ ansprechen. Aber ja, meine Tochter müsste ungefähr in deinem Alter sein. Ihr Name ist Leah. Kennst du sie? „
Rätsel gelöst. Gedanklich klopfte ich mir selbst auf die Schulter für meine geschickte Kombinationsfähigkeit.
Als Marie mich vor meinem Haus absetzte, stand meine Mutter bereits mit verschränkten Armen und finsterer Miene an der Eingangstür. Mein körpereigenes Alarmsystem schrillte in den höchsten Tönen, als ich aus dem Auto stieg und mich von meiner Lebensretterin verabschiedete. Winkend fuhr sie davon und einen kurzen Moment überlegte ich, ob ich mich hinten an die Stoßstange hängen sollte.
„Inaja!“ Sie hatte meinen vollen Namen genannt. Ein eindeutiger Indikator dafür, dass ich irgendetwas Schlimmes verbrochen haben musste. Aber was? Angestrengt durchforstete ich mein Gehirn. Das Licht im Badezimmer angelassen? Nein! Den Teller nur auf die Spülmaschine anstatt hinein gestellt? Nein!
„Inaja, wo warst du? Und wo sind die Einkäufe, die du erledigen solltest?“
Überprüfend blickte ich erst zu meiner linken, dann zu meiner rechten Hand. Tatsächlich, keine von ihnen hielt die Tüte mit den Lebensmitteln. Ich musste sie wohl im Wagen der Rothaarigen vergessen haben. Dumm nur, dass ich keine Ahnung hatte, wo genau diese Marie wohnte und ich auch ihren Nachnamen nicht kannte.
„Ina?“, meine Mutter blickte mich weiterhin erwartungsvoll an.
„Ähmm, ich… ich hab sie vergessen“, entgegnete ich kleinlaut. Seltsamerweise war das wohl nicht die Antwort, die sie hören wollte.
„Du hast was? Wo denn bitte?“ Sie sah mich fassungslos an.
„Na in dem Wagen, dessen Besitzerin mich gerade nach Hause gefahren hat“ Ich deutete auf das Fleckchen Luft, das eben noch von dem silbernen Sportwagen verdrängt worden war.
„Warum lässt du dich überhaupt von irgendwelchen Fremden die fünf Meter vom Supermarkt bis nach Hause fahren?“ Langsam erlangte ich meinen Mut zurück. Schließlich war es nicht meine Idee gewesen, mitten in der Nacht – zumindest begann es allmählich zu dämmern – ohne Orientierungssinn und Navigationsgerät einkaufen zu gehen.
„Das ist eine tolle Frage. Vielleicht weil meine eigene Mutter mich barfuß in den Schnee geschickt hat, um Streichhölzer zu verkaufen? Und das, obwohl ich sie darauf hingewiesen habe, dass ich wahrscheinlich den Heimweg niemals finden werde.“, entgegnete ich bissig.
„Was fällt mir auch ein?“, gespielt reumütig schüttelte sie den Kopf, „meiner fast achtzehnjährigen Tochter zuzutrauen, dass sie die fünf Meter zum Supermarkt und zurück unbeschadet übersteht, ohne sich zu verlaufen oder etwas zu verlieren?“
Wieder ein Punkt für sie, damit stand es 254 zu 0.
„Reicht es, wenn ich mich morgen auf die Suche nach der Tüte mache, oder willst du dein geplagtes Kind heute noch ein wenig leiden sehen?“, wechselte ich das Thema. Die Chancen, die Debatte doch noch für mich zu entscheiden standen schließlich irgendwo bei 0, also war es sinnlos, sie endlos lange fortzuführen.
„Tu das. Allerdings bin ich mal gespannt, wie du das anstellen willst. Wie ich dich kenne, hast du keine Ahnung, wo diese Frau wohnt. Ihren Nachnamen kennst du wahrscheinlich auch nicht?“ Damit wiederholte sie all das, was ich bereits gedanklich festgestellt hatte.
„Hältst du mich für total bescheuert? Natürlich weiß ich, wo das ist.“ Improvisation war alles.
Der nächste Morgen begann genau so einladend, wie jeder vor ihm. Es war ein sonniger Tag, die Vögel zwitscherten und meine Mutter – die Königin der Gedankenmanipulation - hatte zwei große Sonnenliegen genau ins Sichtfeld meines Fensters geschoben. Zwanghaft versuchte ich mich an dem Gedanken festzuhalten, wie schlimm alles war. Allerdings begann meine Mauer aus Ironie und Pessimismus langsam zu bröckeln.
Ich warf einen Blick in den Spiegel, der an meinem Wandschrank befestigt war. Meine dunklen Locken standen wie üblich in alle Himmelsrichtungen. Wenigstens eine schlechte Eigenschaft, die mir dieser Bilderbuch-Vorzeige-Ort noch nicht aus dem Gehirn gepustet hatte. Allerdings lag in meinen Augen bereits ein glücklicher Schimmer. Ihr blau wirkte irgendwie heller und funkelnder. Auch meine Haut hatte einen gesunden Braunton angenommen, da hier so gut wie immer die Sonne schien. Oh mein Gott, ich war gefangen in Stepford. Diese Bestätigung durfte ich meiner Mutter nicht schenken. Sobald sie sah, dass sie mit dem Umzug richtig lag, würde sie weitere „Lebensverbesserungs-Pläne“ in Angriff nehmen. Ehe ich mich versah, tanzte ich in einem rosa Tütü bei dem Nussknacker mit.
Sonne und Vogelgezwitscher verblassten, als mir wieder einfiel, dass ich mich ja noch um die Wiederbeschaffung der verloren gegangenen Tüte zu kümmern hatte. Ich schoss meine Stepford-Theorie in den Wind. Dort schickte man keine unschuldigen Kinder durch den Wald zur Großmutter, um Wein zu bringen.
Noch ehe ich mir wirklich Gedanken darüber machen konnte, wie ich ohne den geringsten Anhaltspunkt das Haus oder die Wohnung von Leah und ihrer Mutter finden sollte, bahnte sich die Tüte bereits ihren Weg zu mir.
Als es an der Tür klingelte, erwartete ich eigentlich nur meine große Schwester. Sie karrte im Moment eine Wagenladung Möbel nach der anderen in ihr Appartement in Baton Rouge, damit sie noch vor College-Beginn vollständig ausgerüstet war.
Ich öffnete die Eingangstür. Auf der Höhe, auf der ich das Augenpaar meiner Schwester erwartete, erblickte ich nur ein rotes T-Shirt. Ich hob meinen Kopf und starrte unverwandt in Daniels blaue Augen. Einen Moment verschlug es mir die Sprache. Ihm schien es genau so zu gehen. Mit offenem Mund starrte er mich an wie eine Außerirdische und wedelte mit MEINER Einkaufstüte vor meinen Augen. Das ist nicht dein Ernst, wandte ich mich gen Himmel?
„Was machst DU hier?“. Ich fand als erste meine Stimme wieder.
Auch er löste sich aus seiner Schockstarre und grinste breit.
„Ich hab da so eine Stalkerin. Sie verfolgt mich auf Schritt und Tritt und lässt es immer wie einen Zufall aussehen. Erst legt sie sich im Schwimmbad genau in mein Sichtfeld, dann läuft sie mir beim Einkaufen in die Arme und - Achtung, jetzt kommt das Beste – passt sie meine Mutter beim Einkaufen ab und platziert, gut versteckt, eine Tüte in ihrem Wagen.“
Während seiner Rede ballte ich meine Fäuste und funkelte ihn wütend an.
Allerdings schien ihn meine Angriffslust nur noch weiter anzuspornen.
„Hätte sie doch einfach gesagt, dass sie mich wieder sehen will. Ich hätte ihr den Wunsch bestimmt nicht abgeschlagen.“, fügte er hämisch hinzu.
Ich holte tief Luft und zählte bis drei.
„Jetzt hör mir mal gut zu, Mister-Ich-Bin-So-Toll. Hätte ich gewusst, was mich hier erwartet, wär ich lieber im Wald geblieben, hätte mich von Klee ernährt und mich von den Rehen großziehen lassen, als zu deiner Mutter ins Auto zu steigen.“
Das war doch echt ein Witz. Ich kannte genau drei Leute in dieser Stadt mit Namen und die sollten alle miteinander verwandt sein? Hatte diese Familie die verdammten Ausmaße einer Fußballmannschaft oder konnte ich das alles meinem unglaublichen Glück zuschreiben?
Er lachte laut auf.
„Eine klasse Idee. Vielleicht hätten die es noch geschafft, dir Benehmen einzuprügeln. Hat bei Mogli ja auch funktioniert. Allerdings hatte der auch die tolle Eigenschaft, nicht reden zu können. Würde dir auch nicht schaden, wenn du mich fragst… und mir schon drei Mal nicht.“
„Ohhh,“, ich sah ihn gespielt mitleidig an, „gefällt es dir etwa nicht, dass Cinderella dich auf den bitteren Boden der Tatsachen zurückholt? Du bist nicht der Kaiser dieser verdammten Stadt! Allerdings könnte man mit deinem Ego wahrscheinlich ein ganzes Land ernähren.“
„Und mit deinem Gezicke könnte man ein ganzes Land in den Tod treiben“, äffte er meinen Tonfall nach.
Verdammt, das durfte nicht wahr sein. Egal was ich ihm an den Kopf warf, er hatte die passende Munition bereits geladen.
„Ok, es reicht. Ich wünsch dir noch ein schönes Leben in deinem kleinen Königreich, aber ich kann das meinen Nerven nicht länger zumuten.“ Mit diesen Worten riss ich ihm die Tüte aus der Hand und knallte ihm die Tür vor der Nase zu.
Kaum hatte ich die Tür unsanft geschlossen, spürte ich den neugierigen Blick meiner Mutter in meinem Rücken. Ich drehte mich langsam um. Sie stand mit verschränkten Armen in der Küchentür und blickte mich neugierig an. Oh nein, ich konnte förmlich hören, wie sich die Rädchen in ihrem Hirn drehten. Gleich würde sie eine perfekte Psycho-Analyse ihrer Tochter ausspucken, die kilometerweit von der Wahrheit entfernt war und mich zur Weißglut bringen würde.
„Ina, du bist doch kein kleines Kind mehr“, wandte sie sich mit ruhiger Stimme an mich. “Wenn man jemanden mag, dann schlägt man ihm doch nicht die Schippe auf den Kopf oder tritt seine Sandburg kaputt. Du musst dich deinen Gefühlen stellen. Es ist keine Schande, jemanden gern zu haben.“ – Und ich lag wie immer richtig. Wer legte mir bloß immer diese Felsklumpen in den Weg?
„Mom, wenn ich mal einen Jungen finde, den ich mag, dann werde ich ihm bestimmt den schönsten Sandkuchen backen, den die Welt je gesehen hat. Aber bis dahin hab ich das Recht allen anderen arroganten Idioten so viel Sand in den Mund zu stopfen, wie ich mag. Das nennt sich natürliche Selektion. Wo würde die Menschheit denn enden, wenn man diesen Leuten die Möglichkeit gibt, sich beliebig fortzupflanzen.“
Erst dort bemerkte ich, dass ich die Einkaufstüte immer noch in Händen hielt. Ich warf einen kurzen Blick in die Tasche und hielt inne. Ganz oben lugte ein kleiner Zettel heraus, der mit einem Küchengummi an dem Zigarettenpäckchen befestigt war.
Neugierig entfernte ich den Gummi und faltete den Zettel auseinander.
Hey Ina,
meine Mom hat mir erzählt, dass sie dich gestern – total desorientiert - am Ortsausgang aufgesammelt hat. Ich musste so lachen, dass ich die Milch, die ich eigentlich trinken wollte, durch die halbe Küche gespuckt hab. Zum Glück haben wir eine Putzfrau ;-) Auf jeden Fall hab ich auch gemerkt, dass wir weder Nummer noch Adresse ausgetauscht haben. Also falls du mal Lust auf eine Partie Volleyball oder auf Schwimmbad hast, meld dich einfach unter meiner Handynummer: 0153/375687217 oder komm vorbei. Ich hab dir ne Wegbeschreibung auf der Rückseite aufgemalt. Mit der Adresse könntest du ja wahrscheinlich nicht besonders viel anfangen.
Darunter war in kaum leserlicher Handschrift eine weitere Nachricht zugefügt.
Liebe Unbekannte, wegen der ich heute am frühen Morgen aus dem Bett geworfen wurde – und das von einer Frau, die halb so groß ist wie ich, muss ich dazu sagen – dafür bist du mir echt was schuldig.
Achso, und lass das mit dem Rauchen. Es gibt einfachere Wege sich schnellstmöglich unter die Erde zu bringen!
Schon wieder war ich innerlich am brodeln. Ich warf mich auf mein Bett und griff nach dem mit Sand gefüllten Bällchen auf meiner Kommode, einem Geburtstagsgeschenk einer alten Freundin.
So fest ich konnte, warf ich es gegen die Decke und fing es anschließend wieder auf. Der Sand gab beim Aufprall ein lautes Puffgeräusch von sich. Nicht besonders befriedigend, aber meine Überlebenschancen standen wahrscheinlich schlecht, wenn ich jetzt anfing, Porzellan an die Decke zu werfen, um mich abzureagieren.
Das durfte doch alles nicht war sein. Wie bitte war es möglich, dass ein nettes Mädchen wie Leah ausgerechnet mit diesem verzogenen Macho verwandt war. Auf die Erziehung konnte man es wohl kaum schieben. Marie erschien mir zumindest auf den ersten Blick, wie eine vollkommen normale Mutter. Sie wirkte nicht wie eine Frau, die ihre Kinder mit seltsamen Regeln strafte oder auf stille Möbel verbannte. Wenn ich so recht darüber nachdachte, wie hatte ICH es eigentlich fertig gebracht, mich so normal zu entwickeln? Bei der Erziehung grenzte es doch an ein Wunder, dass ich nicht den ganzen Tag mit einem Kochlöffel auf Möbeln rumtrommelte oder mit einem Trichter auf dem Kopf Eisenbahn spielte.
Und woher hatte Daniel seine Manieren, wenn man es schon nicht auf die Erziehung schieben konnte? Hirnprobenentnahme bei Entführung durch Außerirdische, Adoption, eine unheilbare Krankheit? Es gab viele Möglichkeiten, aber keine schaffte es, mich wirklich zu überzeugen. Nach gefühlten hundert Würfen begann mein Arm zu schmerzen. Als mich das Bällchen schließlich hart am Kinn traf, weil ich es nicht rechtzeitig abfangen konnte, sah ich das als Zeichen, mich nicht so in meiner schlechten Laune zu vergraben. Obwohl ich zugeben musste, dass ich darin wirklich talentiert war.
Mir blieb auch keine andere Wahl, denn kurze Zeit später wurde ich von meiner großen Schwester genötigt, sie beim Kartons schleppen zu unterstützen. Hatte mich ohnehin schon gewundert, dass sie nicht früher nach Hilfe verlangt hatte.
Als ich abends ins Bett fiel, schmerzte jeder einzelne Muskel in meinem Körper. Darunter sogar ein paar, die bis zum heutigen Tag noch nie zum Dienst antreten mussten. Ich sollte mal in Erwägung ziehen, so schnell wie möglich eine ausgeprägte Treppenphobie zu entwickeln. Als mich meine Schwester um Hilfe bat, hatte sie nämlich vergessen zu erwähnen, dass sie im fünften Stock wohnte und das Haus natürlich nicht über einen Aufzug verfügte. Sie hatte auch ein wenig untertrieben, als sie von zwei drei kleinen Kartons sprach. Gemeint war nämlich ein ganzer LKW voller Möbel und sperriger Schränke.
Definiere Familie: Ein kleiner Personenkreis mit gleichem Genpool, der über die Macht und den Willen verfügt, dein Leben nachhaltig zu ruinieren und das alles unter dem Deckmantel der familiären Liebe. Ich schloss die Augen und tröstete mich mit dem Gedanken, dass ich das Schlimmste bereits hinter mich gebracht haben musste.
Innerfamiliäre Umlaufgeschwindigkeit
Am nächsten Tag ging ich Leahs schriftlicher Einladung nach und verabredete mich mit ihr im Schwimmbad. Zum einen, weil sie mir wirklich sympathisch war und ich hier ohnehin sonst keinen kannte. Zum anderen konnte ich so Reißaus vor meiner Schwester nehmen. Die hatte es sich nämlich bereits den ganzen Morgen zur Aufgabe gemacht, mich mit sinnlosen Aufgaben wie Sofakissen beziehen und Gläser in Zeitungspapier einwickeln zu terrorisieren. Auch meine Mutter schien sich meiner persönlichen Inszenierung von „es kann nur besser werden“ zu fügen. Sie bot mir an, mich zum Schwimmbad zu fahren, da es laut ihr ohnehin auf dem Weg zu ihrer neuen Arbeit lag. Sie hatte in Coan City einen Job als Schulpsychologin in einer, bzw. der einzigen Grundschule angenommen. Da nächste Woche die Ferien endeten, war sie seit zwei Tagen damit beschäftigt, ihren Arbeitsplatz optimal einzurichten. Optimal hieß allerdings nicht nur, die richtigen Möbel und Arbeitsutensilien bereit zu stellen. Diese Erfahrung durfte ich bereits als Sechsjährige machen. Als lebendes Versuchskaninchen musste ich die schrecklichsten Tapetenfarben über mich ergehen lassen, nur damit meine Mutter dokumentieren konnte, dass kleine Kinder in einem Intensiv-Rosa-Zimmer seltener mit Bauklötzen warfen, als in einem blauen oder gelben. Ergebnis dieser frühkindlich Farbfolter war, dass die Wände in ihrem neuen Büro in Knatsch-Rosa gestrichen werden mussten. Das Rosa, das vor zwei Tagen die Wände zierte, war ihr zu blass, das Rosa von gestern zu intensiv. Also war sie erneut mit Farbeimern bewaffnet auf der Suche nach dem perfekten Farbton. Das Elend wurde weitergegeben an die nächste Generation. Wenigstens durfte ich mir meine Wandfarbe mittlerweile selbst aussuchen.
Als meine Mutter mich vor einem kleinen Gebäude etwas abseits der Innenstadt herausließ, erblickte ich Leah bereits von weitem. Mit schwarzen Shorts und rotem Tank-Top sah sie aus, wie der Innbegriff von Sportlichkeit. Das erinnerte mich auch daran, dass ich seit meinem Umzug hierhin keinen Finger krumm gemacht hatte, wenn ich meinen Treppenmarathon für meine Schwester mal außer Acht ließ. Neben ihr stand ein mir unbekanntes Mädchen in unserem Alter. Sie hatte glatte schwarze Haare, die sie mit einem roten Haarband und einigen silbernen Spangen aus dem Gesicht hielt. Einzelne Strähnen hatten sich bereits aus der Konstruktion gelöst. Mit ihrer schimmernden Alabasterhaut erinnerte sie mich stark an ein modernes Schneewittchen. Abrupt wurde ich aus meinen Gedanken gerissen.
„Hey Ina, da bist du ja. Das ist Claire, eine Freundin von mir“ Sie deutete auf die hübsche Schwarzhaarige, die grinsend eine Hand zur Begrüßung hob.
„Soso, du bist also die Neue, die es tatsächlich schafft, sich in einem Ort mit zwei Straßen zu verlaufen?“, wandte sich Claire spöttisch grinsend an mich.
„Ja, die bin ich wohl. Wies aussieht ist mein Ruf mir schon vorausgeeilt?“, ich warf Leah einen gespielt vorwurfsvollen Blick zu.
„Na ich musste dich doch möglichst treffend beschreiben.“
„Das nette brünette Mädchen von nebenan hätte nicht gereicht?“
Claire lachte laut auf.
„Also damit hätte sie mein Interesse bestimmt nicht geweckt.“
„Naja, wies aussieht, muss mich wohl erst noch an diese Sensationsgeilheit in Kleinstädten gewöhnen.“, stellte ich belustigt fest.
„Oh warte mal ab, bis du erst die Gerüchteküche hier kennen lernst.“, entgegnete Leah euphorisch, „die Umlaufgeschwindigkeit liegt im Moment nur noch bei durchschnittlich 34 Stunden. Und das bei einem Streuverlust von gerade mal 10 Prozent.“
„Nicht schlecht“, kommentierte ich anerkennend, während ich den beiden durch die Eingangshalle des, nennen wir es mal überschaubaren Schwimmbads folgte.
„… wenigstens eine, die meine Arbeit hier zu würdigen weiß.“ Gespielt gerührt warf mir Claire dankend eine Kusshand zu. Eins war sicher, für Unterhaltung war mit den beiden auf jeden Fall gesorgt.
„Ja Claire, wir sind mehr als stolz auf dich!“ Leah legte ihrer Freundin beschwichtigend eine Hand auf die Schulter und führte uns zur Kasse.
Nachdem wir gezahlt und uns einen guten Platz auf der Wiese ausgesucht hatten, ließen wir uns ein bisschen in der Sonne braten.
„So Ina, dann erzähl mal.“, riss mich Leah irgendwann aus meiner Sonnenstarre.
„Was willst du denn hören?“, entgegnete ich leicht irritiert und drehte mich zu ihr.
Die Blonde hielt sich eine Hand vor die Augen, um sie von der Sonne abzuschirmen.
„Wie gefällts dir denn bis jetzt hier?“, fragte sie und ich hatte das Gefühl, dass das nicht die Frage war, auf die sie eigentlich hinaus wollte.
Auch Claires Interesse schien geweckt. Sie schob ihre Sonnenbrille auf den Kopf und blickte mich neugierig an.
„Ganz gut“, antwortete ich zögernd, „warum fragst du?“
„Ach, nur so. Hast du denn hier schon ein paar Leute kennengelernt?“
Langsam ahnte ich, worauf sie hinaus wollte.
„Ja, mit zweien von ihnen liege ich gerade hier.“, erwiderte ich spöttisch. Ihr zu liebe entschloss ich mich dann doch, das Gespräch auf die beabsichtigte Bahn zu lenken, bevor sie sich noch weitere unverfängliche Fragen ausdenken musste.
„Außerdem habe ich schon deine halbe Familie kennen gelernt. Wie viele Geschwister hast du denn noch, nur damit ich schon mal vorgewarnt bin?“ Die Augen der Blonden blitzten neugierig auf. Volltreffer!
„Ach, du hast meinen Bruder kennengelernt?“, entgegnete sie gespielt überrascht.
„Nein hab ich nicht.", antwortete ich trocken, "als er mir die Einkaufstüte gebracht hat, hab ich die Tür mit verbundenen Augen und Ohren geöffnet, warum fragst du?“ Leah zögerte und studierte verlegen die Beschaffenheit der Wiese.
„Meine Güte Leah, du bist echt schlecht im Ausfragen.“, warf Claire belustigt ein und wandte sich dann an mich.
„ Wir fragen uns, wie du zu Leahs Bruder stehst?“, brachte die Schwarzhaarige es auf den Punkt.
„Und ich frage mich, warum ihr euch das fragt!“, antwortete ich irritiert.
Texte:
Die Geschichte ist meinem wirren Kopf entsprungen,
das Coverfoto leider nicht.
Danke in diesem Sinne an den kreativen Kopf da draußen:
http://browse.deviantart.com/photography/people
/?order=9&offset=24&offset=24#/d2jih76
Tag der Veröffentlichung: 01.01.2011
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