An das, was vor dem Anfang dieses Buches war, kann ich mich nicht wirklich erinnern. Ich versuche mit diesem Buch, einen gewaltigen Abschnitt meines Lebens nieder zuschreiben, damit jeder daran Teilhaben kann.
Dieses Buch fängt mit einem sieben Jährigen Mädchen an. Was davor war, das wage ich nicht zu erzählen, aus der Angst, ich könne etwas Falsches schreiben.
Ich schreibe dieses Buch aus einem Grund, den ich nicht beim Namen nennen möchte. Ich hoffe nur, dass ich vielen Leuten mit diesem Buch etwas Glauben gebe, an alle die an mir zweifeln. Denn es wird die Wahrheit veröffentlicht
Pegasus beruhigte sich schnell wider, tänzelte jedoch weiter, als ich ihn trocken ritt. Dennoch wölbte er stolz den Hals, weil er sich sicher war, das er gewonnen hatte. Als ich Pegasus absattelte, und ihm eine blaue Abschwitzdecke auflegte, hörte eine unbekannte Männerstimme, die sich mit Daniel unterhielt. Ich versuchte beide zu ignorieren. Das schaffte ich auch nach ein paar Minuten. Ich dachte nach. Warum hatte ich diesen verdammten Vorschlag nur gemacht? Was hatte ich mir dabei gedacht? Jetzt musste ich Tagein, Tagaus mit Daniel auskommen! Nun ja, aber ich wäre immer noch in der Nähe von Melinda und Fairy. Plötzlich unterbrach eine lauter werdende Stimme meine Gedanken. Es war die unbekannte Männerstimme, die sich mit Daniel unterhielt.
Ich blickte schneller als der Blitz nach oben. Jetzt sah ich ihn, den Mann, bei dem ich mir sicher war, dass ich seine Stimme nicht leiden könne. Es war ein riesiger Mann, etwa zwei Meter groß. Sein Gesicht war hässlich, voller Narben und sehr angespannt. Seine Miene wirkte ärgerlich, nein sogar richtig wütend. Ich war mir bei einem wirklich sicher, dieser Mann machte mir Angst. Sein Körper war drahtig. Er hatte schwarze Haare, so wie ich, nur seine hingen struppig und ungepflegt an seinem Kopf herunter. Unwillkürlich ging ich einen Schritt zurück, als er langsam auf mich zukam. Ich stieß sanft gegen Pegasus, der ruckartig den Kopf hob und ein schrilles, aggressives Wiehern ausstieß. Es hörte sich an, als wolle er sagen ‚lass mein Mädchen in ruhe, oder du bekommst es mit mir zu tun’.
Unter anderen Umständen hätte ich darüber gelacht, hätte Pegasus sofort beruhigt. Jedoch war ich wie gelähmt, ich konnte mich nicht von der Stelle bewegen. Zugleich spürte ich, wie alles Blut aus meinem Gesicht wich. Ich kannte diesen Mann. Ja, ganz ohne Zweifel. Aber was wollte er hier von mir? Und wie war sein Name? Gesehen hatte ich ihn schon mal aber wo?
Er ging weiter auf mich zu und ich spürte, obwohl ich Pegasus noch nicht mal berührte, wie er sich anspannte. Dann plötzlich, ohne Vorwarnung, stieg er hoch in die Luft. Ich blieb stehen wo ich war. Dann stand plötzlich Daniel neben dem Mann und zog ihn aus meiner reichweite. Ich sackte in mich zusammen und ging vor Schmerzen, die sich in meiner Brust ausbreiteten in die Knie. Bis heute weiß ich nicht, woher die Schmerzen kamen. Pegasus riss sich los und galoppierte aus dem Stall. Ich wusste nicht, wie lange diese Schmerzen angehalten hatten, ich weiß nur noch. Dass sie unerträglich waren, so dass ich kaum noch Luft bekam. Etwas nasses lief mir über das Gesicht. Ich weinte! Ja ich weinte wirklich, dabei hatte ich gedacht, dass ich gar nicht mehr weinen könnte, dass ich die ganzen Tränen von zehn Jahren aufgebraucht hatte. Plötzlich saß Elli neben mir und knurrte wütend den Mann an, an dessen Name ich mich jetzt wieder erinnerte. Jacob Denelli! Ja genau, er war es, der meiner Mutter das Leben schwer gemacht hatte. Und es ihr immer noch schwer machte. Aber was wollte er hier?
Zu diesem Zeitpunkt wusste ich es noch nicht, aber dieser Tag sollte mein glücklichster und mein traurigster zugleich werden. Ich verlor heute erstmals meinen geliebten Vater.
Dann zog mich jemand sanft aber mit einer Kraft wieder auf die Beine. Es war Dad, der neben mir stand. Er schaute mich an, ich schaute zurück. Dann wandte er den blick Denelli zu. Er fragte mit unterdrückter Wut: „Was machst du denn hier? Du solltest doch bei Marian, meiner Frau bleiben. Bei ihr, Mike und Ayleen.“
Denelli antwortete nicht sofort. Ich sah meinen Vater entsetzt an und rief dann, bevor Denelli überhaupt was sagen konnte: „Wie kannst du nur? Ich dachte du liebst uns! Dabei schickst du meine Familie in die Hölle. Weißt du eigentlich was du uns damit antust? Hast du jemals auch nur einen einzigen Gedanken an uns Verschwendet? Nein sicher nicht! Ich hasse dich! Du, ja du alleine bist der grund, warum unsere Familie für immer auseinanderbrach. Ich will dich nie, wirklich NIE wieder sehen! Was denkst du, wie viel Mom wegen dir geheult hat? Ich hätte das nie von dir gedacht. Du bist nicht mein Vater, du Bastard!“
Bevor mich jemand abhalten konnte stürmte ich, gefolgt von Elli, aus dem Stall hinaus. Ich wusste, was meine Worte angerichtet hatten, aber das war mir egal. Ich hatte gesehen wie er bleich wurde, aber ich scherte mich kein bisschen darum. Ich fing wieder an zu weinen. Pegasus, der wie verrückt auf dem Hof herum lief, sah mich, wieherte laut und galoppierte auf mich zu. Direkt vor mir blieb er stehen. Ich nahm ihn fest in die arme und schwang mich auf ihn hinauf. Ich ritt ohne Sattel und ohne Trense weg. Weg vom Turnier und weg von Dad. Immer weiter!
Jetzt, ein paar Jahre später, staune ich nur noch, wie viel ich Dad an den Kopf geschmissen hatte.
Pegasus ging ganz lieb unter mir. Er wusste, dass es so am besten war. Er galoppierte ruhig, in einem mittleren Galopp, weg vom Turnierplatz, weg von dem Verräter, den ich einmal meinen Vater nannte. Ich war so in Gedanken vertieft, dass ich weder ihn noch sein Pferd herannahen hörte. Dann plötzlich war er neben mir. Ich blickte nicht auf. Auch wenn ich es gewollt hätte, ich hätte es nicht gekonnt. Elli bellte laut und ich musste aufblicken, ob ich wollte oder nicht. Ich blickte auf und sah ihm tief in die Augen und er meinte: „Es ist Zeit zurückzukehren. Komm schon, dein Dad ist weg. Deine Worte haben ihn ziemlich verstört, aber er wird dir verzeihen.“ Ich sah in noch mal an und dann nickte ich langsam und flüsterte tonlos: „Es ist jetzt eh egal. Es ist nichts mehr von Bedeutung.“ Er sah mich sanft an, und ich fing wieder an zu weinen. Ich schluchzte immer noch, als wir am Hof ankamen.
Daniel half mir, Pegasus für die Weide fertig zu machen, da das Turnier schon zu Ende war. Daniel ging neben mir her zur Weide und sagte dann etwas munterer: „Dad meint, wir sollten Taladdin und Pegasus zusammen auf die Koppel stellen.“ Ich nickte nur traurig, unfähig zu reden und er verstand. Das war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft und auch noch mehr. Aber dazu kommen wir viel später.
Als wir zur Koppel gingen, war mein schluchzen verebbt und meine Tränen getrocknet. Daniel sagte zu mir: „Mir gefällt dein Temperament. Manchmal machst du so auf steinhart, dass man denkt, dein Herz wäre aus Eis, dann wiederum bist du so verletzbar, dann merkt man das du ein weiches Herz hast.“ Ich blickte ihn grinsend an: „Bei einer Familie wie meiner muss man sich eben abhärten.“ Darauf hin lachten wir beide. Dann fiel mir etwas ein und ich fragte: „Warum bist du so fies zu Melinda? Ich meine, ja sie ist nicht wirklich die beste Reiterin, aber trotzdem, du könntest ein wenig netter zu ihr sein. Warum droht ihr Onkel eigentlich Fairy zu verkaufen? Ich meine, er ist doch reich und kann sie locker behalten.“
Daniel blickte mich an und sagte leicht sauer: „Fairy ist das Pferd meiner verstorbenen Schwester. Meine Schwester war mit ihr regelmäßig auf Turnieren und sie mochte Melinda und hat sie immer zu den Turnieren mitgenommen. Melinda sollte sich vor und nach dem Turnier um Fairy kümmern, was sie auch gut machte, da sie sich in dieses Pferd verschaute. Meine Schwester Susan, hat Melinda Fairy immer warm- und abreiten lassen. Doch bei Susans letztem Turnier, sie ritt immer Springen, durfte Melinda Fairy nicht warmreiten, da die Leute von der FN da waren. Melinda durfte nur Satteln und Trensen. Jedoch passte sie beim Satteln nicht richtig auf, und sie überprüfte die Satteldecke nicht. Das war der große fehler. Unter der Satteldecke waren ein paar Kieselsteine, weil sie Melinda zuvor heruntergefallen war. Diese kleinen Kieselsteine drückten Fairy in den Rücken und deswegen bockte sie während Susan ihre Prüfung ritt. Fairy schleuderte Susan in ein Hindernis und stürzte auf sie drauf. Susan brach sich alle Rippen und den Schädel. Sie lag vier Tage im Krankenhaus bevor sie starb. Susan und ich, wir standen uns näher als es normale Geschwister tun. Deswegen konnte ich es Melinda nie verzeihen. Ich weiß zwar, dass sie es nicht mit Absicht tat aber der Schmerz sitzt noch immer tief.“ Er blickte mich gequält an und ich nahm ihn in die Arme. Dann sah er mich mit schmerzerfülltem Blick an und redete weiter: „Dad wusste nicht, was er mit Fairy machen sollte und da niemand sie nach de Unfall haben wollte, wollte er sie zum Schlachter bringen. Doch dann schaltete sich Melindas Onkel ein, er hat zwar keine Ahnung von Pferden, dennoch weiß er wie man Geschäfte macht. Dad stimmte dem Verkauf zu jedoch nur unter der Bedingung, dass Fairy weiterhin Turniere geht. Melindas Onkel Charlie war einverstanden, dennoch hat er damals Melinda eingeschärft, dass er Fairy nur behalten wird, wenn Melinda mit ihr gewinnt. Jedoch ist uns allen doch bewusst, dass sie nicht hart genug trainieren, nicht so hart wie du und ich. Melinda reitet lieber aus. Hin und wieder muss ich sie eben an die Abmachung mit Charlie erinnern.“
In diesem Moment kam Melinda den Weg hinunter gerannt und rief keuchend: „Ihr müsst das sehen. Kommt schnell es ist Zeit für die Siegerehrung. Was macht ihr eigentlich hier zusammen?“ Als sie den letzten Satz gesagt hatte, verspannte sich Daniel unmerklich. Ich legte ihm beruhigend eine Hand auf die Brust und sagte: „Elester Moy. Das heißt beruhige dich.“
Ich spürte das Daniel etwas sagen wollte, doch ich schnitt ihm schnell das Wort ab: „Melinda, danke das du uns bescheid gesagt hast. Daniel hat mir nur etwas erzählt. Können wir beide später reden?“ Melinda nickte langsam und sah Daniel ängstlich an, der warf Melinda einen zynischen Blick zu. Dann gingen wir zur Siegerehrung. Melinda warf mir ein paar ängstlich Blicke zu, dann fragte sie leise: „Was war das mit deinem Vater?“ Ich blickte sie lange an und meinte dann genauso leise: „Später Mel. Elli, bei Fuß!“
Als wir bei den wartenden Reitern angekommen waren, sah ich ein bekanntes Gesicht, jedoch habe ich mir das auch einbilden können, denn sicher war ich mir nicht. Aber ich spürte ihn, am ganzen Körper. Es war ein angenehmes Gefühl. Plötzlich knackte der Lautsprecher und ich zuckte erschreckt zusammen. „ Wie ich sehe warten alle Teilnehmer schon auf unsere Ergebnisse. Also die Gesamtplatzierungen werden jetzt genannt. Macht euch bereit um eure Preise abzuholen. Wir fangen an mit dem 10. Platz: Sina Müller mit Patchero! Herzlichen Glückwunsch euch beiden. Den 9. Platz hat belegt: Tom Denwey mit Lord! Herzlichen Glückwunsch! Den 8. Platz belegt: Melinda Daniels mit Fairy! Auch euch beiden Herzlichen Glückwunsch! Den 7. Platz belegt Simon Bayer mit Pharao Kings! Den 6. Platz belegt Jacob Maus mit Lieschen. Auf dem 5. Platz ist Melanie Solven mit Lucky! Auf dem 4. Platz landete Manuel Lions mit Seventen. Und der 3. Platz geht an einen noch unbekannten Reiter, Stefan Zeller mit Selvano. Der 2. Platz geht an den hier heimischen Daniel von Guttenberg mit seinem einfach fantastischen Pferd Taladdin. Und der 1. Platz geht an unsere Jüngste Reiterin dieses Tages, hier in Deutschland noch unbekannt, aber zu Hause bei ihr in den Staaten, ist sie ein Star. Samantha Darcy mit ihrem prachtvollen jungen Hengst Pegasus, der seinem Namen heute wieder einmal alle Ehre machte! Einen ganz großen Applaus an die Platzierten bitte!“
Ich erstarrte, blickte zu Boden und dann strahlte ich. Ich drehte mich um, damit mich die applaudierenden Mitstreiter sehen konnten und prallte gegen einen Körper. Ich wusste wer es war, bevor ich sein Gesicht sah. Blitzschnell sah ich hoch und warf mich dann in die Arme des Mannes, der vor mir stand. Er wirbelte mich lachend herum. Der Mann war groß, hatte ein wunderschönes Gesicht und schwarze Haare, seine Gesichtszüge waren entspannt, aber ich wusste, dass er auch ziemlich schnell grimmig aussehen konnte.
Ich rief: „Bey, was machst du denn hier? Ich habe dich so vermisst.“
Er sah mich an und lachte: „Mit so einer stürmischen Begrüßung hatte ich gar nicht gerechnet. Und Herzlichen Glückwunsch zu deinem ersten Sieg in diesem Land. Auch ich habe dich vermisst.“
Dann setzte er mich wieder auf dem Boden ab und fragte nüchtern: „Und wer sind deine Freunde dort drüben, stellst du sie mir vor?“
Ich müsste lächeln, das war der Bey den ich kannte, der immer in meiner Nähe war und einer meiner einzigsten Freunde ist, die ich seit meiner Geburt habe. Dann bot ich ihm meine Hand und er nahm sie galant wie die einer Lady. So gingen wir zu Daniel und Melinda. Melinda schaute mich so verdattert an, dass ich kichern musste: „Also Daniel, Melinda, das hier ist Beowulf, bitte nennt ihn Bey, er ist mein langjähriger Freund und er ist froh euch endlich kennen zu lernen, nicht wahr Bey?“ Bey sah mich an und nickte: „Also Daniel, Melinda, meine kleine Fee hier hat schon sehr viel von euch erzählt und geschrieben, ich freue mich wirklich euch endlich kennen zu lernen.“ Melinda sah mich an und ich gab ihr zu verstehen, dass ich nicht darüber reden wollte.
Wieder wendete ich mich an Bey: „Wie geht es Mom, Rothgar? Und deinen Geschwistern? Ich vermisse euch alle so!“
„Deiner Mom geht es prächtig. Und Meinen kleinen Rackern ebenfalls. Ich hörte dass dein Vater hier sei?!“
„Ja das stimmt. Er und ich haben wieder einmal gestritten. Ich hoffe er ist jetzt weg. Ich möchte ihm heute nicht noch einmal über den Weg laufen.“ Bey schaute mich fragend an, dann verstand er und bückte sich um Elli zu begrüßen. „Meinetwegen, aber ich muss dennoch ein paar Worte mit ihm Wechseln“, sagte er grimmig, aber dennoch ruhig. Ich wusste, jetzt war er am gefährlichsten. Schnell wechselte ich das Thema: „Sind Cyrl und Elfled immer noch so schwierig? Und ist Mac jetzt ins Familiengeschäft eingestiegen?“ Bey sah mich dankbar an, dann zuckten seine Mundwinkel: „Du kleine Hexe, du schaffst es immer wieder mich vom eigentlichen Thema abzulenken“, lachte er. „Cyrl und Elf haben sich kaum gebessert, aber Cyrl ist zur Armee gegangen, auch gegen meinen Willen“, sein Gesicht verdüsterte sich einen Augenblick lang, „Aber Elf ist zu einer schönen Frau geworden. Jedoch vermisst sie Cyrl sehr. Cyrl und ich haben uns leider Gottes verstritten.“ Ich machte ein bekümmertes Gesicht und sah ihn an: „Weil er weg wollte?“ Bey nickte.
Ich schlug die Augen auf und sah auf die Uhr. Kurz vor sechs. Also hatte ich noch genug Zeit mich um Pegasus zu kümmern. Ich stand auf und lief in den Stall. Doch Pegasus war nicht da. Ich erschrak und dachte nach. Konnte er gestohlen worden sein? Denn wo sollte er denn sonst sein! Schnell lief ich zu den Weiden und rief nach ihm, doch er tauschte nicht auf. Ich war verzweifelt und hatte Angst. Wo war Pegasus? Was war geschehen? Plötzlich riss mich ein Geräusch aus den Gedanken und vor mir stand Daniel. Er sah mich an und fragte dann: „Pegasus ist weg? Etwas anderes würde dich nie so zum verzweifeln bringen.“ Ich nickte nur, reden konnte ich nicht. Daniel meinte dann: „Er wird schon wieder zurück kommen. Komm wir müssen zur Schule, er wird bis heute Mittag wieder da sein.“ Ich hoffte nur dass es recht hatte.
Tag der Veröffentlichung: 10.01.2012
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