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1. Die drei Brüder

Es war einmal, vor langer Zeit, da lebte ein König mit seinen drei Söhnen. Eines Tages sagte er zu ihnen „Meine Kinder, es ist an der Zeit für euch, dass ihr erwachsen werdet. Geht dazu in den Wald, neben welchem unser Schloss steht, und verbringt dort eine Nacht. Wenn ihr wohlbehalten zurückkehrt so will ich denjenigen, der mir das wertvollste mitbringt, zu meinem Nachfolger bestimmen.“
Also warteten die Brüder bis der Abend dämmerte um sich zusammen in den Wald zu begeben. Bald schon brach die Nacht herein. Auf einmal schien der Wald zum leben zu erwachen. Um ihr Lager herum fing es an zu rascheln und zu rumoren. Nervös blickten die drei Jungen um sich. Doch keiner hätte vor dem anderen zugegeben, dass sie sich fürchteten.
Der älteste von ihnen sprach: „Lasst uns uns auf die Suche nach unserer Gabe für Vater begeben. Jeder von uns geht in eine andere Richtung. Hans, du gehst nach Süden. Karl du nach Westen und ich selbst werde nach Norden gehen. Im Osten liegt unser Schloss. Auf dem Weg dorthin gibt es nichts besonderes, den kennen wir bereits.“ Hans und Karl waren einverstanden und so machte sich ein jeder von ihnen auf sein Glück zu finden.

Gustav, der älteste, ging viele Stunden einfach gen norden. Auf seinem Weg begegnete er nichts und niemandem. Doch auf einmal sah er einen Feuerschein durch die Bäume schimmern. Langsam ging er darauf zu. Vor ihm lag eine Lichtung, auf der ein Lagerfeuer bannte. Neben dem Feuer lag ein Drache. Und noch etwas anderes. Gustav erkannte die Silhouette einer Truhe. Einer Schatztruhe, dessen war er sich sicher. 'Oh was was wird Vater stolz auf mich sein, wenn ich ihm den Schatz eines Drachen bringe. Sicherlich werde ich der nächste König.' dachte er bei sich.
Trotzdem flößte ihm die Gestalt des Drachen gehörigen Respekt ein. Leise schlich er um das Feuer und den Drachen zu der Truhe. Als er sie öffnen wollte um nachzuschauen, ob das, was sie enthielt auch wirklich wertvoll war, musste er feststellen, dass sie mit einem schweren Schloss versehen war. Ohne einen passenden Schlüssel wäre an kein Herankommen zu denken gewesen. Er blickte herüber zu dem Ungeheuer und sah den Schlüssel an einer Kette um seinen Hals baumeln. Da ihm nicht mehr viel Zeit bis zum Morgen blieb und er bezweifelte, dass er noch etwas wertvolleres fände, entschloss er sich, den Schlüssel zu klauen.
Langsam näherte er sich der großen Echse und zog sein Messer aus der Scheide um das Band, an welchem der Schlüssel hing, zu zertrennen. Dabei war er so vorsichtig und nervös wie noch nie zuvor in seinem Leben.
Schließlich aber hielt er den Schlüssel in seinen Händen. Ein prüfender Blick zu dem Drachen versicherte ihm, dass dieser immer noch friedlich schlief.
Er kehrte zurück zu der Truhe und lies das Schloss aufschnappen. Als er die Truhe öffnete entfuhr ihm ein erstaunter Ausruf. In ihr lagen die allerschönsten und wertvollsten Dinge, die er je gesehen hat.
Mit seinem Staunen weckte er jedoch den Drachen, der laut gähnte und sich streckte. Der junge Königssohn erschrak und zog sein Schwert. Als der Drache verstand, dass er davon geweckt wurde, dass man versuchte seinen teuersten Schatz zu stehlen, erschrak er noch mehr als der Königssohn selbst.
„Bitte Herr“ sprach er „nehmt mir nicht meinen Schatz. Er ist meine einzige Möglichkeit den Fluch von mir zu nehmen. Seht, ein furchteinflößender Drache bin ich nur bei Nacht. Als ich geboren wurde, hat mich ein böser Zauberer mit diesem Fluch belegt und gesagt ich müsse ihm die wertvollsten und schönsten Schätze des Landes bringen. Dann erst werde der Fluch sich auflösen. Mein ganzes Leben habe ich damit verbracht diese Schätze zu finden. Wenn ihr sie mir jetzt nehmt, werde ich für immer ein ausgestoßener bleiben.“
Doch Gustav war geblendet von den Kostbarkeiten und nachdem er begriff, dass von diesem Drachen keine Gefahr zu befürchten war, lachte er nur höhnisch.
„Ha! Du glaubst diese Schätze gehören dir? Ich bin der Sohn des Königs und dies gehört in unsere Schatzkammer! Niemals werde ich sie dir lassen!“
Der Drache, welcher eigentlich ein friedliebender Mensch war, sah nun jedoch keine andere Möglichkeit als seine Schätze mit seinem Leben zu beschützen. Er baute sich zu seiner ganzen Größe auf und machte sich bereit zum Kampf. Doch dies war kein langer oder fairer Kampf, denn der Drache hatte noch nie zuvor gekämpft und Gustav war ein geübter Schwertkämpfer. Er tötete ihn mit einem gezielten Stich ins Herz.
Als der Drache starb, verwandelte er sich wieder zurück in einen Menschen.
Gierig nahm Gustav die schwere Truhe auf die Schultern und machte sich auf den Rückweg ohne sich noch einmal umzudrehen.
Unterdessen wanderte Karl, der zweitälteste nach Westen. Schon nach wenigen Minuten hörte er ein bitterliches Weinen. Er ging der Stimme entgegen und sah auf einem umgekippten Baumstamm ein kleines Männchen sitzen, das schrecklich schluchzte und wimmerte.
„Was ist geschehen? Wieso weinst du?“, fragte der ehrlich mitfühlende Junge.
„Ach“, weinte das Männchen „Ich habe etwas verloren.“ „Was hast du verloren?“, hakte der junge Prinz nach.

„Die goldene Spieluhr meiner Großmutter. Sie ist wunderschön und wenn sie spielt schlägt sie alle, die sie hören in ihren Bann und verzaubert sie. Doch eine gierige Elster hat sie mir aus der Hand gerissen und hinauf in ihr Nest gebracht. Aber ich bin zu klein um die untersten Äste zu erreichen.“

Ein Plan begann sich in Karls Gedanken zu formen. Denn obwohl er ein äußerst netter und hilfsbereiter junger Mann war, so hatte er doch nicht vergessen, dass es heute Nacht darum ging zum König auserkoren zu werden.

„Ich kann sie dir wiederholen“ sagte er zu dem Männchen. „Würdest du das wirklich tun?“, fragte dieses erstaunt. „Als Dank für deine Hilfe würde ich dich belohnen so gut ich kann.“ „Darüber lass uns später reden“, sagte Karl.
Geschwind kletterte er in die höchsten Zweige des Baumes, in dem die Elster ihr Nest hatte. Als er in eben dieses hineinblickte verschlug es ihm die Sprache. So viele wunderschöne Dinge lagen dort drin. Goldene und silberne Ringe, Ketten, Armbänder und... natürlich die Spieluhr. Sie war wahrlich das schönste was er je zu Gesicht bekommen hatte. Nun war ihm auch klar, was er tun würde. Er packte alles andere in seine Taschen und hielt nur die Spieluhr in der Hand, als er wieder hinab zu dem Männchen kletterte. „Ist dies deine Spieluhr?“, fragte er.
„Ja! Ja genau die ist es! Vielen Dank lieber Mensch. Ich will dich reich belohnen.“
„Das wirst du in der Tat.“, sprach Karl und lies die Spieluhr spielen, während er selbst sich die Ohren zuhielt. Auf dem Gesicht des Männchens spiegelte sich entsetzen, als es realisierte, in was für ein Irrtum es geraten war, doch es war zu spät. Der Zauber der Spieluhr zeigte seine Wirkung und das Männchen fing an wie besessen im Kreis herumzulaufen. Karl war geblendet von der Macht, die ihm die Spieluhr verlieh und dem Wunsch König zu werden. Laut lachte er über seinen Erfolg und als die Spieluhr aufhörte zu spielen, nahm er die Hände von den Ohren. Das Männchen jedoch stand still da und schaute mit leerem Blick durch Karl hindurch. Dieser nahm seinen neuen Schatz und machte sich auf den Weg zurück.
Hans, der jüngste unter ihnen hatte sich aufgemacht in Richtung Süden. Wie er so vor sich hin wanderte, hörte er plötzlich aufgeregte Schreie. Er eilte ihnen entgegen und blieb vor einer Ansammlung alter Eichen stehen. Erst konnte er in der Dunkelheit niemanden sehen, doch als er in die Baumwipfel schaute, sah er, dass es dort schwirrte und summte. Hunderte von kleinen Elflein flatterten aufgeregt auf und ab. Sie schienen auf der Suche nach etwas zu sein.
„Was ist los mit euch?“, fragte Hans. Als die kleinen Flügelwesen ihn bemerkten, flogen sie auf ihn zu und plapperten alle durcheinander. Hans verstand kein einziges Wort. „So seid doch ruhig, ich kann ja nichts verstehen!“ Rief er über das Flügel und Stimmengewirr hinweg. Und tatsächlich, die Elflein verstummten. Schließlich begann eines zu sprechen.
„Oh“ klagte es „Wir haben das Königskind verloren. Es ist bei seinem ersten Flugversuch abgestürzt und in ein Loch gefallen. Seitdem ist es nicht mehr hervorgekommen.“
„Wieso fliegt ihr dann nicht einfach hinterher und helft ihm?“, fragte Hans.
„Wir würden ja, aber wir sind ein Volk der Lüfte. Unter der Erde können wir nicht fliegen und schon gar nichts sehen. Bitte Herr, helft uns. Ihr seid groß und könnt unseren Prinzen zurückholen.“
„Selbstverständlich helfe ich euch“, antwortete Hans „zeigt mir nur das Loch“

Gesagt getan. Das Loch war nicht besonders groß, aber für eine kleine Elfe, die nicht fliegen konnte, ein unüberwindbares Hindernis. Ganz vorsichtig steckte Hans seinen Kopf hinein. Doch es war so dunkel, dass er die Hand vor Augen nicht sehen konnte. Also entzündete er ein Streichholz und hielt es vor sich, als er sich langsam über den Rand des Lochs hinauslehnte. Und tatsächlich. Dort unten auf dem Boden kniete der kleine Prinz und weinte bitterlich.
„Hey du! Ich helfe dir herauf!“ Rief Hans und streckte dem jungen Prinzen seinen Arm entgegen. Dieser hielt sich an einem Finger fest und lies sich nach oben ziehen.
Als die anderen sahen, dass ihr Prinz wohlbehalten zurückgekehrt war, brachen sie in einen Jubel aus.
Das Elflein, das schon zuvor zu Hans gesprochen hatte, kam zu ihm und sprach: „Oh lieber Junge, wie können wir dir nur danken? Nenne uns deinen Preis und du wirst alles bekommen was du willst.“
„Aber das war doch eine Selbstverständlichkeit.“, wehrte Hans ab „aber ich muss nun schnell weiter. Der Morgen graut bald und ich muss noch etwas wertvolles finden, damit mein Vater zufrieden ist“

Der Elf überlegte eine Weile, besprach sich mit seinen Freunden und flog schließlich zurück zu Hans. „Wir haben uns beraten und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir dir ein Geschenk machen wollen, welches das wertvollste und seltenste auf dieser Welt ist.
In dieser Truhe befinden sich alle Weisheit und alles Wissen dieser Welt. Bewahre sie gut auf und bringe sie sicher zu deinem Vater.“ Hans nahm die schmucklose Holztruhe an sich, bedankte sich recht freundlich und so machte auch er sich auf den Rückweg um sich mit seinen Brüdern an ihrem Lager zu treffen, wo sie den Morgen abwarteten. Alle sprachen sie kein Wort miteinander bis die ersten Sonnenstrahlen durch das Blätterdach fielen.
„Die Nacht ist vorüber. Lasst uns uns auf den Rückweg zum Schloss machen. Möge der beste gewinnen.“ Sprach Gustav und so geschah es. Gemeinsam kehrten sie zu ihrem Vater zurück, welcher sie gespannt erwartete.
Er bat jeden seiner Söhne einzeln zu sich und lies sich zeigen was sie gefunden hatten und wie sie es bekamen.
Gustav erzählte von der Truhe und dem Drachen, welchen er eigenhändig niederstreckte und als der König in die Truhe blickte war er wahrlich angetan von der Herrlichkeit der Schätze.
Karl berichtete ihm von dem kleinen Männchen welches er hereingelegt und dessen Spieluhr er ergattert hatte. Der König war beeindruckt von der Schönheit und Zauberkraft.
Schließlich kam sein jüngster Sohn zu ihm und brachte ihm die Truhe, welche keinerlei Besonderheiten aufwies. Der Vater sah ihn fragend an, denn er verstand nicht, was an ihr wertvoll sein sollte. Doch da erzählte Hans ihm von den Elflein und was sich in der Truhe befand. Da war der König stolz auf seinen Sohn und er ernannte ihn sogleich zum Nachfolger, denn, so sagte er, es gäbe nichts wertvolleres als Wissen und Weisheit in den Händen eines gütigen und liebevollen Königs.
Als der alte König starb und Hans seine Nachfolge antrat, herrschte er über das Land mit Güte und Weisheit und so taten es all seine Kinder und Kindeskinder.

Ende

Impressum

Texte: by Saliha Torney
Tag der Veröffentlichung: 12.01.2014

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