Nun hatte Harry einen kleinen, wenn auch teilnahmslosen Begleiter. Liebevoll nahm er ihn mit in seine Räumlichkeiten. "Schau mal, mein Schöner, dass ist für die nächste Zeit dein Heim. Ich hoffe es gefällt dir." Liebevoll streichelte Harry über den kleinen Drachenkopf, wiegte Kleiner Drache hin und her. Jedoch kam von diesem noch immer nicht die geringste Reaktion. Doch so leicht ließ Harry sich nicht entmutigen. Sanft legte er Kleiner Drache auf dem Sofa ab. "Ich muss dich kurz allein lassen, damit ich dein Reich herrichten kan, aber keine Sorge, ich bin gleich wieder bei dir."
Als er sich jedoch abwenden wollte, griff Kleiner Draches Pfote nach seinem Umhang, krallte sich darin fest. "Nanu, du willst wohl nicht allein sein?" Lächelnd nahm Harry ihn wieder auf den Arm. "Na, dann komm mit, ich werde das auch so hinbekommen." Gemeinsam verließen sie das gemütliche Wohnzimmer, um in Harrys Schlafraum zu gehen, das von einem großen ebenholzfarbenen Bett dominiert wurde. Das Schlafgemach strahlte Behaglichkeit aus. Ein kleiner Kamin in der Ecke steuerte erheblich zum Wohlfühlfaktor bei. Nun schwang Harry seinen Zauberstab, und neben seinem Bett erschien ein kleineres Dublikat. "Was sagst du? Darin wirst bestimmt gut schlafen können."
Da nun das Wichtigste geregelt war, konnte Harry den restlichen Tag mit seinem neuen Mitbewohner genießen. Es machte ihm sichtlich Spaß ihn durch Hogwarts zu führen, ihm sein neues Zuhause zu zeigen. Langsam konnte er auch die ersten Reaktionen bei seinem kleinen Schützling bemerken. So kam es vor, dass dieser das eine oder andere Mal seine Augen öffnete, sich vorsichtig umsehend. Dennoch ließ der krampfhafte Griff in Harrys Robe nicht ein Mal locker. Der kleine Drachenkörper strahlte eine beinahe panische angst aus, allein gelassen zu werden. Immer wieder redete Harry beruhigend auf ihn ein.
Schließlich war die Zeit für das Abendbrot heran. Harry stellte fest, dass schon seit langer Zeit kein Nachmittag mehr so schnell vergangen war, genauer gesagt seit einem bestimmten Moment. Einen Augenblick lang spiegelte sich tiefe Trauer in seinem Antlitz wieder, bevor er sie erneut in seinem Innersten verschloss. Er spührte, dass dieses kleine Wesen, dass so dringend seine Hilfe brauchte, auch ihm gut tat. Liebevoll strich er über den kleinen Körper in seinen Armen. Ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht, als sich dieser vertrauensvoll in die Liebkosung schmiegte.
Den gesamten Weg zur großen Halle, spielte dieses sanfte lächeln um seinen Mund. So mansch einer der Schüler freute sich über diesen Anblick, war es doch schon lange her, dass man ihn fröhlich gesehen hatte. Als Harry schließlich in die große Halle trat, beobachteten die Schüler und Lehrer neugierig seinen Schützling. Harry spürte, wie der kleine Körper bei dieser Aufmerksamkeit zu zittern begann. Scheinbar hatte sein Kleiner Angst vor all diesen vielen Zauberern und Hexen. Mit einem kurzen Blick verständigte Harry sich mit Albus, und verließ dann die Halle wieder. dobby würde ihm sicherlich eine kleine Mahlzeit in seine Räumlichkeiten bringen. Beruhigend redete er auf dem gesamten Weg auf Kleiner Drache ein, was jedoch nur langsam Wirkung zeigte. Dennoch war der Kleine wieder ein wenig ruhiger, als sie sich schließ auf dem Sofa nieder ließen. Wie bereits erwartet, stand ein Teller mit einigen broten auf dem Tisch, bereit vernascht zu werden. Still dankte Harry seinem Hauselfenfreund und machte sich ans Werk.
Von Salemeth wusste er, dass Kleiner Drache das gleiche essen konnte, wie er selbt. So zerteilte er eines der Brote in kleine Häppchen und begann den Drachen auf seinem Schoß zu füttern. Freudig nahm Harry war, dass Kleiner Drache dies ohne Wiederspruch geschehen ließ. Innerlich hatte er schon befürchtet, dass dieser vielleicht nichts essen wollte. Es zeigte sich jedoch, dass wohl noch ein wenig Lebenswille in dem Kleinen steckte. Und Harry nahm sich vor,alles zu tun, damit dieser funken auflodern würde.
Nach dem Essen begab er sich mit einem Buch und seinem kleinen Begleiter ins Schlafzimmer, machte es sich auf dem Bett gemütlich und begann mit leiser Stimme vorzulesen. Von der leisen, sanften Stimme getragen schlief Kleiner Drache schließlich ein, das erste Mal seit seiner Wandlung fiel er in einen ruhigen und erholsamen Schlaf.Harry brachte es nicht über sich, den entspannten Körper umzubetten. So zauberte er sich selbst schnell seinen Pyjama an, und kuschelte sich mit Kleiner Drache unter die Decke. Kurze Zeit später war auch er in Morpheus Armen versunken.
Am nächsten morgen wachte Harry ausgeruht wie schon lange nicht mehr auf, spürte den warmen Körper an seiner Seite. Ein Lächeln legte sich auf sein Gesicht. Sanft zog er den kleinen Drachenkörper näher zu sich heran. Verbarg seinen Kopf an dem weichen Rücken, seufzte zufrieden.
Noch eine ganze Weile lang, döste er vor sich hin, bis langsam Leben in den kleinen Körper kam. Lächelnd sah Harry zu, wie sein neuer Freund erwachte. Schmatzend drehte der Drache sich auf den Rücken, öffnete seine silbernen Augen. Wach nahm er seine Umwelt wahr.
Freude durchströmte Harrys Herz. „Hey, geht’s dir wieder gut?“ Er konnte es kaum glauben, sollte es ihm gelungen sein so schnell zum Ziel zu kommen?
Einen Moment lang musterte Kleiner Drache ihn, dann schüttelte er traurig den Kopf. Eine sanfte Stimme schlich sich in Harrys Innerstes. „Ich bin Kleiner Drache, die Drachenseele. Mein zweites ich will leider immer noch nicht an die Oberfläche kommen, aber ER hat mir die Kontrolle überlassen.“
„Schade, ich hatte schon gedacht, ich könnte euch richtig kennen lernen.“, wisperte Harry.
„Es tut mir Leid, aber das wird wohl noch dauern. So lange wie ER sich weigert, darf ich dir nichts über IHN erzählen.“ Geknickt schaute der Drache ihn an.
„Was kann ich tun, um euch zu helfen?“
„ER braucht Nähe, lass IHN wissen, dass ER nicht allein ist, dann wird alles wieder gut, da bin ich sicher.“
„Das werde ich gerne tun.“, versprach Harry.
Dankbar nickte Kleiner Drache. „Es tut mir Leid, aber ich muss mich wieder zurück ziehen. Es kostet zu viel Kraft, so mit dir zu reden. Sollte jedoch etwas sein, so kannst du mich jederzeit rufen. ... Kümmere dich gut um uns, ich bitte dich.“ Nach diesen Worten verschwand der Glanz aus den silbrigen Augen, stumpf und leer blickten sie nun wieder in die Welt.
Es tat Harry im Herzen weh, den Kleinen erneut so zu sehen, fest nahm er sich vor, alles in seiner Macht stehende zu tun, um zu helfen. Seufzend löste er sich von dem Kleinen, und stand auf. Schnell ging er ins Badezimmer, machte sich frisch.
Nachdem er sich angezogen hatte, ging er wieder auf das Bett zu. Kleiner Drache lag in der gleichen Position wie zuvor, als ob er sich nicht einen Millimeter bewegt hatte. Nur ein leichtes Zittern zeigte, dass er wach war. Erschüttert schaute Harry ihn an, hob ihn auf seine Arme, streichelte sanft über seinen Rücken. Nur langsam nahm das Zittern wieder ab, schmiegte sich der Drachenkörper wieder entspannt an ihn. „Du magst es wohl wirklich nicht, allein zu sein ...“, wisperte Harry ihm sanft entgegen.
Seufzend nahm er an seinem kleinen Schreibtisch platz, kraulte dabei ununterbrochen die Ohren des Kleinen. Da er sich sicher wahr, dass ein Frühstück in der großen Halle die Situation nur verschlimmern würde, rief er kurzerhand Dobby herbei. Der aufgedrehte Hauself war überglücklich ihm das Essen servieren zu dürfen. So verbrachte Harry einen geruhsamen Vormittag mit seinem neuen kleinen Freund.
Am Nachmittag kam Albus die Beiden besuchen. Der neugierige Direktor wollte sicher gehen, dass es seinen beiden Schützlingen gut erging. Die Geschichte von Draco rührte sein Herz, nur zu gerne wollte er ihnen helfen. „Nun, Harry, wie geht es voran?“ Albus kristallklare Augen musterten wohlwollend das friedliche Bild des schlafenden Drachen in Harrys Armen.
Angesprochener seufzte tief. „Er hat Angst, wenn ich ihn mal nicht festhalte, dann beginnt er zu Zittern. Aber heute morgen hat die Drachenseele in ihm mit mir gesprochen. Sie hat gesagt, dass ich mich gut um ihn kümmern soll, für ihn da sein soll. Allerdings durfte sie mir nichts über den Schmerz in seinem Herzen berichten.“ Wehmütig strich er über Kleiner Draches Schuppen.
„Das ist verständlich. Nur wenn die Beiden Seelen im Einklang sind, darf die Drachenseele Näheres verraten. Du wirst dich also noch ein wenig gedulden müssen. Wenn ich dir einen Rat geben darf ...“ Albus wartete auf das bestätigende Nicken von Harry, ehe er fortfuhr. „Am Besten erzählst du ihm ein wenig aus deinem Leben. Wenn du willst, dass er sich dir anvertraut, dann musst du zuerst Etwas von dir preisgeben. Nur so kann er Vertrauen zu dir fassen.“
Nachdenklich musterte Harry Kleiner Drache. Sollte er wirklich einem so kleinen Wesen aus seinem schweren Leben berichten? Es gab so viele schreckliche Dinge in seiner Vergangenheit, aber wenn Kleiner Drache durch ein ähnlich trauriges Ereignis in diesen Zustand geraten war, dann konnte ihm vielleicht genau das helfen. Zögernd nickte Harry. „Ich werde es versuchen.“
„Fein ...“, freute Albus sich. „Solange du dich noch derart intensiv um ihn kümmern musst, bist du selbstverständlich von deiner Arbeit befreit. Lass dich ruhig durch nichts von dieser Aufgabe ablenken. Ich habe volles Verständnis dafür.“ Kurz strich er über Kleiner Draches Kopf und dann über Harrys Haare, bevor er sich wieder zurück zog.
Erst am Abend, als Harry wieder mit Kleiner Drache im Bett lag und kuschelte, fand er den nötigen Mut, seine Lebensgeschichte zu erzählen. Er hatte beschlossen gleich alles zu berichten, wenn er schon einmal damit begann. So dauerte es bis tief in die Nacht, ehe er wieder schwieg. Die ganze Zeit über hatte er Kleiner Drache nicht einmal losgelassen, beruhigend strich er über die glatten Schuppen.
In dieser Nacht dauerte es lange, bis Harry einschlief, und dann begleitete ihn die Vergangenheit bis in seine Träume. So bekam er nicht mit, wie sich die silbernen Augen langsam klärten. Ein einzelner Gedanke schwirrte durch den Drachenkopf; "Harry!"
Tag der Veröffentlichung: 20.05.2011
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