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Es ist früh morgens am einunddreißigsten März. Ich bin aufgeregt. Sehr. Morgen ist der große Tag. Schon seit Monaten klopft mein Herz wie wild, wenn ich an den Tag denke, denn morgen wird es passieren. Ich werde meinen Vater mit meiner eigenen Maschine überraschen.
Vor etwa einem Jahr fing alles an. Ich entschloss mich dazu, meinen Motorradführerschein zu machen und meldete mich an einer Fahrschule an. Die Theorie verflog wie im Flug und ich genoss die Fahrstunden. Meinem Vater, der selbst langjähriger Motorradfahrer ist hatte ich nichts erzählt. Nichts von der abschließenden Prüfung, die ich fehlerlos meisterte, nichts von den Fahrstunden und meinen Problemen darin. Nichts von der Theorieprüfung, nichts von der Anmeldung, ja, auch nichts darüber, das ich überhaupt vor habe, den Schein jetzt zu machen. Er wusste, das ich ihn machen werde. Irgendwann. Nur das dieses „irgendwann“ jetzt schon gut sechs Monate zurück lag wusste er nicht. Ebenso wenig wie meine gesamte Verwandtschaft, Mutter und Bruder ausgenommen, die das Ganze mitbekommen und meinem Vater alles verschwiegen haben.
Mit vor Aufregung zitternden Gliedern steige ich auf mein Motorrad. Mein Herz klopft und ich rufe mich innerlich zur Ruhe. Die über dreihundert Kilometer Wegstrecke bis zu meiner Mutter überwinde ich beinahe in einem Zug diesen Vormittag. Natürlich weiß mein Vater nicht, das ich überhaupt da bin, aber mein Bruder hat dafür gesorgt, das er daheim ist.
Den ganzen restlichen Tag kann ich kaum an mich halten. Nervös muss ich immer wieder an den folgenden Tag denken. Was wird mein Vater sagen? Was wird er tun? Wird alles gut werden? Ich hoffe es.
In dieser Nacht schlafe ich gut und tief. Bis heute ist das für mich ein kleines Wunder. Am nächsten Tag – es ist der erste April – fiebere ich der Begegnung entgegen. Es regnet, aber das ist mir egal. Heute ist der Tag.
Nach dem Frühstück schlüpfe ich in meine Motorradkombi und schwinge mich auf die schwarze Maschine. Meine Mutter wird hinter mir her fahren in ihrem roten Honda, meinen Bruder auf dem Beifahrersitz. Ich traue mich noch nicht, ihn hinten als Sozius mitzunehmen. Während der Fahrt kämpfe ich mit der Aufregung, plane immer wieder die Begegnung und beruhige mich. Es wird schon alles gut werden. Sicher.
Dann endlich biege ich in die Straße ein, in der mein Vater wohnt. Der kritische Punkt wird die Straße vor seiner Garage sein, denn das ist die einzige Stelle, an der er mich sehen kann. Erkennen wird er mich nicht, schließlich kennt er weder Helm, noch Kombi, noch Motorrad.
Ich biege mit zitternden Händen auf den Parkplatz vor der Garage ab und bin froh, als ich den Motor ausstellen kann und das Gefährt nach dem Absteigen noch nicht umgefallen ist. Ich bin aufgeregt, wie noch nie in meinem Leben, als meine Mutter aussteigt und mir mitteilt, das mein Vater am Fenster steht und auf die Straße blickt. Jetzt gibt es kein Zurück, er hat mich gesehen. Zitternd nehme ich meinen Helm ab, während Mutter und Bruder neben mir auf dem Weg zur Haustür stehen bleiben und mir sagen, das mein Vater gerade herunter kommt. Ich kann ihn nicht sehen, höre nur die Schritte, wie sie näher kommen.
„Da war doch gerade ein Motorrad“, höre ich meinen Vater sagen, schon nahe. Dann blickt er endlich um die Ecke der Garage und erstarrt augenblicklich, als eine verschüchterte, aufgeregte, unendlich glückliche und stolze Tochter ihn anblickt, den silbern schimmernden Helm in der zitternden Hand, die andere auf der feucht glänzenden Maschine an ihrer Seite. Dieser Moment, der ist es. Dieser Sekunde habe ich ein Jahr lang entgegen gesehnt und es soll noch ein paar weitere Dauern, ehe mein Vater überrascht einen Satz ausspricht, der für eine Weile sein Letzter sein sollte: „Ich glaub´s nicht, ne Fazer!“.
Ein strahlendes Lächeln macht sich auf meinem Gesicht breit, ich spüre die Erleichterung, die ich nötig habe und Stolz schwillt in meiner Brust heran. Meine Mutter zückt eine Digitalkamera, als mein Vater die letzten Stufen zum Parkplatz herab kommt und um die Maschine herum geht. Väterlicher Stolz zeigt sich auf seinen Zügen, Worte sind nicht nötig, ich kann fühlen und sehen, wie sehr er sich freut. Ich bin begierig, ihm alles zu berichten, was ich im vergangenen Jahr gemacht habe und erzähle ihm grob, was gewesen ist.
Mein Vater hört sich alles an und setzt sich schließlich selbst auf die Kleine Schwarze, ein breites Grinsen auf dem Gesicht freut er sich, wie es nur ein Papa kann. Ich kann nur erahnen, was er gefühlt hat in diesem Moment, doch es muss großartig gewesen sein.
Nachdem er meine Maschine in die Garage neben die Seine geschoben hat verbringen wir noch einige Zeit in der Wohnung, denn es regnet noch immer. Ich erzähle ihm noch einmal alles. Endlich kann ich frei heraus reden ohne mich selbst zu beobachten, das ich bloß nichts verrate. Die Aufregung hat sich gelegt, ich fühle mich gut und gemeinsam planen wird eine Tour zu meiner Großmutter am folgenden Tag.
Aber das ist eine andere Geschichte.

Impressum

Texte: Das Coverbild "Black and Chrome" gehört mad1dave auf deviantart.com Das Copyright des Textes liegt bei mir.
Tag der Veröffentlichung: 21.03.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
meinem Vater

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