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Schwarzer Schnee.

Schwarzer Schnee: Willkommen, Arbeit …

Die Luft wellte sich durch Fensterritzen.
Hier war der Tag wie die Nacht. Die Bäume hatten ihren Halt verloren.

Unter den Fingernägeln der Männer hing Schwarz wie am Hemdkragen der Staub. Die Nachtgesichter waren auch bei Tageslicht im Schatten.

Hier perlte der Schweiß auf der Stirn und an den Rücken der Männer klammerte sich die Last der Arbeit, krallten sich Spuren hustend in die Haut.

Hier war Beginn – Anfang und Ende und jeder wusste es. Jeder war dankbar. Sie warteten auf eine Tüte Existenz mit Scheinen zum Ende vom Monat. Erwartungsvoll zum Monatsanfang.

"Hoffnungsland". Wieder Arbeit.

Hier fuhr mit Blaulicht der Krankenwagen ein. Im Hintergrund verkuppelten sich Wägen. Die rostigen Poller trommelten bei der Berührung: Willkommen, Arbeit.

Die Nacht war schwarz, der Morgen sank grau in ihre Arme. Mir war kalt. Auf der Liege wurde Blümchen kreideweiß in den Transporter geschoben. Das Blaulicht wirkte wie Himmel auf ihrem Gesicht. Ich drückte ihr die Finger sacht, wir bekommen das hin.

Sie lächelte, die Türen knallten zu. Einer der rotweißen Herren reichte mir ein Blatt Papier. Klinik soundso.

Anschrift plus die Aufforderung, was ich noch in das Krankenhaus bringen sollte. Danke. Weg sind sie.

Unter meinen Stiefeln knirschte der Schnee. Ich hörte Kohlengeschippe. Auf den Verladegleisen schufteten um 4 Uhr morgens Hilfsarbeiter.

Mir fiel auf, dass der Schnee schwarz war
– hier –

Aber eben nur hier.

 

 

 

und dann fass` ich wieder Hoffnung …

Und dann fasste ich wieder Hoffnung … Wir hatten Adventzeit, Mist … ja.

Sie trat wütend mit dem Fuß gegen den Setzkasten und kehrte mir den Rücken zu. Ihre schwarz-rot gestreifte Jacke warf Falten.

„Viel zu groß“, dachte ich. Die schwarzen, fettigen Locken kringelten sich um den Schalkragen.

„Du … ich habe Pfannkuchen gebacken und heißen Schwarztee aufgebrüht, kommst du?“ Sie sah mich nicht an.

„Hast du Kümmel dabei … oder was zum Rauchen?“

„Nein – aber was zum Essen.“

„Scheiß Weihnachten“, knurrte sie. Die Glasfenster, übersät mit Eissternchen, hier im Gewächshaus, funkelten.

Über ihr verpufften Atemwolken. „Bitte komm, es ist eisig kalt heute Nacht, du kannst nicht hierbleiben.“

Ihre Fingernägel ritzten ein Herz zwischen die Eisblumen.

„Ich brauche Stoff, verdammt.“

Sie drehte sich langsam um. „Ich suche mir einen Freier.“ Es klang drohend.

„Sie ist 13“, schoss es mir durch den Kopf. 13 … 13 … Dreizehn. Letztes Jahr sah sie besser aus, letztes Jahr war sie 12. Sie wurde von Monat zu Monat schmaler und blasser.

„Es ist warm dort und Essen gibt es auch und einige Bekannte von dir sind dort.“

So wollte ich nicht gehen.

„Bitte komm, es sind noch andere da, du kannst dann immer noch abhauen …“.

Sie fing plötzlich an zu heulen.

„Warum hast du nichts mitgebracht?“

Unter ihren großen schwarzen Augen waren dunkle Ringe. „Warum? Scheiße …“

„Blümchen, ich warte auf dich dort.“ Mit einer Hand griff ich ihr unter das Kinn. Sie sah viel älter aus.

Viel, stellte ich bestürzt fest. Viel älter.

„Bitte komm, wir warten auf dich.“ Sie reagierte nicht.

 

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: © Chr.v.M.
Bildmaterialien: © Chr.v.M.
Tag der Veröffentlichung: 25.11.2015
ISBN: 978-3-7396-2491-4

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Den großen und kleinen Kindern der Strasse meine Worte und meinen Dank an Euch. Ihr bleibt ALLE unvergessen in meinem Herzen.

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