Cover

I`m back



Flinke Finger huschten über die leuchtenden Tasten. Verharrten plötzlich in der Luft, abwartend, bis die Augen mit der einfachen Bedienungsanleitung in der anderen Hand nachkamen. Schon drückten sie sorgfältig den neuen Code ein. Überprüfte, die siebenstellige Zahl, mit den Augen zweimal, dreimal. „Safina, Safina“, ermahnte sich die junge Frau selber. „Hab doch mehr Selbstvertrauen!“
„Klappt es, Mama?“ Safina zuckte zusammen. Kein Wunder neben ihr stand auch nicht ein Menschenkind sondern ein dreieinhalb Jahre alter Windhundwelpe. Ein leicht tollpatschiger hellbeige Welpe wohlgemerkt, denn sein Wachstum verzögerte sich so aussergewöhnlich wie die Tatsache das er wie ein Mensch zu reden verstand. Ein Umstand dem er einem geheimen Labor verdankte das mit Genen experimentierte. Aus vierzig Zentimeter Höhe blickten Grosse dunkle Tieraugen vertrauensvoll in braunen sanften Menschenaugen hoch. „Alles klar, Pasta. Das schaffe ich schon. Weist du diese Knöpfe sind für weniger schlaue Leute konstruiert. Versuchskaninchen dürfen nicht all zuviel denken. Nur als ich damit das erst mal geflogen bin da haben sie schon alles vorprogrammiert. Und ich will ja mindestens ein Jahr später dorthin zurück. Bis dahin sollten sie die Suche nach mir längst aufgegeben haben.“
„Mama,“ fragte der junge aufgeweckte Welpe. „Was heisst konstruiert.“
Verwirrt sah Safina nach unten. Schulterlanges offenes, glattes Haar streifte ihr Gesicht. Glänzte Golden im grellen künstlichen Licht der leeren Industriehalle. Ausser ihrer menschlichen Freundin und zwei weiteren Welpen welche es für interessanter hielten nach unvorsichtigen Mäusen zu Jagen, gab es niemanden in dem stillgelegten Gebäude. Es herrschte eine kühle Atmosphäre da wegen mangelndem Geld die Heizung abschaltete blieb.
„Ach Pasta, das heisst bauen. Mel! MEL!“ Safina rief ihre jüngere Freundin heran, „Kannst du mal Pasta ein bisschen beschäftigen.“
„Mama“, schrie Pasta auf einmal ganz traurig, „Du darfst uns nicht verlassen. Du hast es versprochen.“
„Pasta“, beruhigte Safina ihre aussergewöhnliche Tochter, „Wenn ich die Maschine von der anderen Seite bediene kann ich nur einen Tag später als heute zu euch zurückkehren. Das heisst selbst wenn ich dort für mehrere Jahre lebe, dass dann hier nur ein Tag vorbei gegangen ist. Und… im schlimmsten Fall sehen wir uns in einem Jahr wieder. Diese hartnäckige Maschine war letztes Mal schon falsch programmiert dass sie, bei meiner Rückkehr, statt ein Jahr gleich drei übersprang. Jetzt hoffe ich sehr dass es mir gelungen ist das automatische Programm zu überlisten. “
Kritisch blickte der schräge Hundekopf. „Wenn du wieder kommst, bist du dann ein Jahr älter?“
„Mel, bitte?“ Auf diese intelligente Frage wusste sie nämlich selbst keine passende Antwort. Sie machte ihr sogar ein bisschen Angst.
Mel eine unauffällige Person mit dunklenbraunen langen gelockten Haaren schlenderte gelassen heran. Gerade erst achtzehn, aber mit ein paar nervigen Geschwister als wertvolle Hintergrunderfahrung, nahm sie sich dem unruhigen Welpen an. „Safina, ich weiss du willst um jeden Preis zurück. Zu deinem Geliebten Maximilian. Wie oft habe ich am Abend dein sehnsuchtsvolles Seufzen gehört“, übertrieb Mel um ihre lieb gewonnene Freundin aufzulockern. „Bei jedem Liebesfilm.“ „Hör auf“, unterbrach sie Safina lachend, deren Finger vor Nervosität zitterten, "Du übertreibst masslos. So werde ich ja nie fertig.“
„Nein, mal im Ernst Safina. Wirklich ich wünsche dir nur das allerbeste, aber du weist das dein Freund das letzte mal sehr schwer verletzt war...Kommst du dann gleich zurück, im schlimmsten Fall, oder...“ Mel wagte nicht weiter zu sprechen.
Safina wagte überhaupt nicht an den schlimmsten Umstand zu denken. Wischte sich die feuchten Hände mit einem dunkelgrauen Putzlappen ab bei dem es sehr schwierig war noch einen sauberen Flecken zu finden den nicht Schmierfett eroberte. Blickte besorgt auf ihre wieder wachsenden Fingernägel. Mehrmals litten ihre Finger unter ihren zerstörerischen Attacken. Die Sorge die Angst, Ungewissheit. Sieben ganze Monate hatte es gedauert bis sie die stillgelegte Zeitmaschine verstand zu bedienen. Nicht den eigentlichen Zylinder aus Plexiglas, eben den bediente jeder Idiot. Das war die Reisekapsel für richtige Idioten, oder genauer ehemaligen Insassen der Irrenanstalt die als Versuchskaninchen dienten. Nein, fast unmöglich war die simple Stromversorgung in einem hoch verschuldeten Industriegebäude wieder in Schwung zu bringen. Das kostete ausser Fingerspitzengefühl auch eine Menge Geld. Kostbares Geld welches eine gewöhnliche, unausgebildete Verkäuferin schwer aufbrachte. Ausserdem verschlangen drei junge Hunde auch einen Berg Futter. Hinzu kam die kostbare Zeit für die wissbegierigen, verspielten Welpen. Genauso wie kleine Kinder liebensbedürftig an ihrer allein erziehenden Mutter hingen, so hielten gleich drei Energiebündel Safina ständig auf Trab. Allerdings, Pasta, deren Namen eigentlich schon die Vorliebe für italienische Küche verrät, verhielt sich auch sonst am Genügsamsten. Tellin ihre kränkliche schlanke Schwester brauchte da schon mal einen Tierarzt. Casan der gerne hinter schönen Frauen her sabberte, kaute genau so ausgiebig verträumt an einem blanken Knochen herum. Casan, darauf kam Safina als Abkürzung für Casanova. Der einzige männliche Welpe reagierte hauptsächlich nur auf weibliche Stimmen. Männliche Konkurrenten pinkelte er gelegentlich, heimlich, an die teuren Hosen. Da die drei speziellen Welpen vermutlich aus einer weiten zukünftigen Welt kamen, galt für alle ausnahmslos ein strenges Redeverbot sollte sich jemand anders als Mel oder Safina sich in ihrer Nähe aufhalten.
Voller Stolz sah Safina auf ihre, überstürzt Adoptierten Schützlinge. Erleichtert dass ihre übereilte Flucht sie erst drei Jahre später zurück in ihre alte, jetzige Welt beförderte. Drei Jahre die eine verborgene Firma in den Ruin stürzte. Ein veraltetes Gebäude, bei dem ein unerwarteter Brand fast das streng gehütete Geheimnis lüftete. Die skandalträchtige Wahrheit dass man wehrlose Irre zu einem unverstandenen Experiment verleitete. Mittlerweile fand Safina heraus dass sie die erste erfolgreiche Testperson nach enormen zahlreichen Versagern war. Soviel dumme Versuchskaninchen steckte man auf nimmer wieder sehen in diese gläserne Reisekapsel, dass es sie enorm wunderte wie man erfolgreich diese hohen Verluste vertuschte. Einundzwanzig Patienten in vier Jahren zu opfern ohne dass Angehörige je misstrauen äusserten. Vermutlich leistete man hohe Schweigegeldzoll. Genau dass was die Firma am ende wirklich ruinierte. Um genauer den wahren Ablauf zu recherchieren fehlte Safina die Zeit. Sie drängte nur ein Wunsch voran, so schnell wie möglich in diese zweite Welt zurück zu kehren. Dennoch dankte sie im Hinterkopf ihrem seltsamen Glück dass der geheimen Firm kein Erfolg bei den Experimenten verzeichnete. Denn die letzten drei Jahre Untergang verdankten ihr ein erleichtertes Leben. Sonst hätte man sie bei ihrer Ankunft schonungslos auseinander genommen. Alleine schon wegen ihren Hunden. Lebendige Beweise für eine Existenz, auf der andern Seite der Zeitmaschine. So aber fand sich die mittlerweile vierundzwanzig Jährige in einem leeren Labor wieder, für das sich nur Ratten und Mäuse interessierten. Für deren nagenden Schaden Safina auch mit einer Menge Überstunden zahlte. Abermals brauchte es fast zwei volle Jahre bis sie die empfindlichen Kabelverbindungen ersetzte.
„Ich glaube ich kann starten“, flüsterte Safina mit wenig Begeisterung. Obwohl sie lange sich auf diesen bedeutsamen Tag vorbereitete, schmerzte sie bereits der Gedanke an die Trennung von den vertrauten, lieb gewonnen Kindern. Aber Kinder gehörten in eine sichere Welt und kaum in eine wo man gejagt wurde wie der grösste Staatsfeind. Allerdings rechnete Safina diesmal kaum damit dass sie wieder eine so grosse Aktion auslöste wie bei der letzten Reise. Die kompetenten Hellseher auf der anderen Seite würden wissen dass nur ein harmloser Besucher kam und kein gefährlicher Spion. Dennoch wollte sie ihre jungen Schützlinge vor jedem Stress beschützen.
Vorfreude bald ihren Lebensgefährten Maximilian wieder zusehen liess ihre gütigen, sanften Augen erstrahlen. Fast ein bisschen Neidisch beobachtete Mel die fortschrittlichen Veränderungen ihrer aufgeregten Freundin. In den letzten Jahren lernte sie ihre Verletzlichkeit hinter der starken Fassade kennen. In der letzten Woche bröckelte es von diesem gespielten selbstbewussten Auftreten immer mehr herunter. In dieser letzten Stunde vor ihrem technischen Durchbruch kämpfte Safina sogar mit der Kotrolle über ihre zittrigen Finger. So offensichtlich nervös zeigte sich die mütterliche Frau sonst nie. Selbst wenn die drei übermütigen Hunde sie tagelang auf Trab hielten. Für eine Geschwisterlose Person ohne verwandtschaftliche Hilfe alles andere als ein Kinderspiel. An Mel richtete sie ihre Freundschaft anfangs nur weil sie ihre technischen Kenntnisse benötigte. Erst nach dem ausgereiften Entschluss Safinas, die drei jungen Hunde in der alten zeit zu lassen, weihte Mel in das restliche sensationelle Geheimnis ein. Einzig der Grund dass die Hunde mit ihr redeten wie gewöhnliche, aufgeweckte Kinder, liess sie nicht an ihrem Verstand zweifeln. Zuerst verdächtige sie nämlich irgendwelche giftige Dämpfe, an diesem unheimlichen stillen Ort, die eventuell schlimme Halluzinationen auslösten. Zweifelte ob sie tatsächlich seit einem Jahr tatsächlich auf Jointrauchen vollkommen verzichtete. Diese empfindlichen Hundenasen schnüffelten sonst tagelang in ihrer Nähe herum und mieden sie wie die Pest. Safina, welche wachsam ihre Schützlinge beobachte, rätselte dann über das seltsame Verhalten. Eines Tages erspähte sie dummerweise einen achtlos zurück gelassenen Joint, in einer alten Jeans. Da sie auf eine Verbindungskabel, Postlieferung, abwartete übernahm sie and diesem Wochentag spontan die Hauptwäsche. Am Abend lag dann der Joint auf dem Nachtisch von Mel. Ein kurzer intensiver Blickwechsel beim Abendessen war alles was die heimlich inhalierte Droge auslöste. Erst Tage später gestand Mel dass sie früher ein kleines Drogenproblem ausstand. Seit sie jedoch (Familienanschluss) genoss dies nun nicht mehr vermisste. Irgendwie fand sie keine Zeit bei dem komplizierten, faszinierenden Rätsel um die Zeitmaschine, welche ihre, und nur ihre Fachkenntnisse benötigte. Das erfüllte sie mit einem gewissen Stolz denn sie sonst im langweiligen Alltag auf den überfüllten Strassen vermisste.
Dann an einem Tag konfrontierte Safina sie sachlich und direkt mit der vollen Wahrheit über die herausragende Intelligenz der Tiere. Mel empfand es sogar ein bisschen Gedankenlos in das schwere Geheimnis eingeweiht zu werden, denn ihre schon zweifelnde Weltansicht veränderte sich haarsträubend radikal. Mit dem einmaligen Wissen hätte sie allein mit Gastauftritten in erstklassigen Shows ein Vermögen verdient. Das wertvolle Vertrauen dass Safina auf einmal in ihre Hände legte, klare Worte der Verantwortung über drei selbstständig denkende Wesen, weckten in Mel den bis dahin unbekannten Beschützerinstinkt. Unter ihren wachsamen Augen, mit welche nicht nur über kleinste elektronischen Mikrochips herrschten, beschützte sie auch mit ihrem kämpferischen Talent über die viel zu vertrauensselige Safina. Zudem lag die ehemalige Irrenanstalt in einem ziemlich herunter gewirtschafteten Viertel der Stadt. Ein anziehendes dunkles Nest für hungrige Obdachlose so wie aggressive Arbeitslose. Safina mit ihrem schlichten unauffälligen Verhalten belästigte man zwar eher selten. Wenn es trotzdem geschah rettete sie sich mit überraschender Schnelligkeit ihrer flinken Beine. Etwas was sie beim häufigen Spielen von den Hunden unbemerkt antrainierte und weiterentwickelte. Weite bequeme Kleider verstärkten den Eindruck einer molligen Figur. Zugegeben besass sie für Mels hoch gestellte, perfekte Ideale ein bisschen zu breite Hüfte. Allgemein ein paar Kilos zuviel. Makellos dafür der wohlproportionierte Busen. Eine einfache typische Weibliche Frau mit einem bezaubernden Lächeln. Was in letzter Zeit Safina selten verschönerte.
Mit Safina würden die herausfordernden Neckereien aus Mel Leben verschwinden. Traurig reichte sie ihr die freie Hand zum Abschied und in der anderen einen kleinen schwarzen Rucksack. Warme Tränen bahnten sich Wege über die ungeschminkten Wangen. Auch eine geschätzte Gemeinsamkeit die sie mit ihrer Freundin teilte. Natürlichkeit und keine Eitelkeit.
Schlecht überspielte Safina ihre innere Aufgeregtheit mit äusserer Gelassenheit. Verriet sich unter anderem indem sie unbewusst an einem ihrer Fingernägel kaute. „Mel, sieh es nicht so tragisch. Wenn mir bei der Programmierung Fehler unterlaufen sind, verzögert sich der Besuch halt um wenige Jahre. Ansonsten bin ich ja vielleicht schon morgen wieder da. Pasta, mein Schatz, sieht mich nicht so streng an. Es wird schon klappen. Ich will schliesslich miterleben wenn ihr euch das erste Mal verliebt.“ Übermütig grinste Safina dem kritischen Hundeblick entgegen. „Saf“, fragte die zu kluge Pasta ernst. „Was wenn du in einer anderen Zeit landest? Im Steinzeitalter!“
„Dafür habe ich mein Gasfeuerzeug dabei. Damit scheuche ich die Neandertaler umher und gründe am Ende als gefürchtete Königin einen grossen Staat.“
Kopfschüttelnd spottete Casan. „Wer glaubt das? Wahrscheinlicher jagen sie dich weil du ihnen das Essen weggeschnappt hast.“ Darauf reagierte Safina mit zusammengekniffenen Augen, „und du würdest es keinen Tag aushalten weil alle Frauen ein dickes Fell tragen. Die siehst du nie in einem knappen Bikini und schon gar nicht baden. Ausserdem gibt es keinen Fernsehern.“ Worauf gleich alle Kinder entsetzt reagierten. Ja, ja, die verwöhnte Jugend!
Bedrückt kauerte Safina nieder. „Also. Wir haben alles letzte Woche durchgesprochen. Kurz und schmerzlos. Ich werde euch vermissen und freu mich aufs wieder sehen. Werdet mir nicht zu schnell erwachsen.“
Jeder stürzte sich kurz in eine liebevolle Umarmung. Wobei die wagemutige Pasta ihr ins Ohr flüsterte. „Darin haben wir dich ja längst überholt.“ Handelte sich dafür ein leichtes zupfen an ihren weichen Ohren ein. Erwartungsvoll drehte Safina ihnen schliesslich den Rücken zu. „Mel, wenn du Geld brauchst…“ „Ich weiss“, winkte sie unbekümmert ab. „Dann lass ich Tellin ein paar Rennen laufen.“ Für ihre schnellen Beine war die schlanke Hündin weit herum bekannt. Erleichtert schritt Safina in die Enge der beleuchteten Plexiglas Kabine. Wandte sich ein letztes mal um. Winkte. Ihre Lippen formten ein – ich liebe euch. Nervöse Finger drückten einen blinkenden Schalter hinunter. Sie verschwand augenblicklich als jedes ihrer Atome sich in Luft auflöste.
Zurück blieben vier stumme Freunde. Verwirrt, traurig, verwundert über das Wunder der unerklärlichen Technik.

Dunkelheit flutete die Kabine. Oder existierte es nur in meinen Gedanken? Jedenfalls für einen Moment verschwand das künstliche Licht. Nichts blieb erkennbar, fühlbar.
Dann der wunderbare Morgen. Anders konnte ich es nicht beschreiben. Es verstrich kaum eine Sekunde schon entdeckte ich den unbeschreiblichen Morgen. Meine Kabine stand noch immer auf dem heiligen Berg von Mischlin. Für ihn zu bezwingen brauchte man schon eine Stunde Fussmarsch allerdings ohne bedeutungsvolle Anstrengungen. Auf diesem Hügel thronten tonnenschwere Felsbrocken wie bei dem zeitlosen, berühmten Monument aus “Stone henge„ Genauso heruntergekommen und geheimnisvoll. Umringt von diesen bis zu Fünf Meter hohen Felsen färbte sich der Himmel in einem milden Rot. Tönte Steine am Wegrand und den feinkörnigen Sandboden. Geriebener feiner Sand über den einst unzähligen Schuhen Heilkundige hier hinauf pilgerten. Kommandant Dongard, der oberste Chef aus dem Lager, sollte mir mehr über diesen speziellen Ort erklären. Besonders den unglücklichen Umstand warum man das einstige heilige Monument auf einmal mied. Schon vor meinem letzten Besuch erfuhr ich von der Verlassenheit dieses gut erhaltene Monument. Worin lag seine wahre Bedeutung? Rätselte man wie bei uns um seine Bedeutung?
Leuchtende Farben des Morgens färbte das angrenzende Gras von einem satten dunklen Grün in ein helles lebendiges Grasmeer. Wirklich phantastisch. Staunend stand ich bewegungslos da. Liess die ganze Weite auf mich einwirken. Verbannte bewundernd jeden nebensächlichen Gedanken aus meinem Hirn. Erst als eine grelle Sonne mich blendete Erinnerte ich mich daran dass hier eine anderen Sprache anwenden musste. Vor allem bei Maximilian der einen leichten Akzent betonte. Wie es ihm wohl ging, nachdem ihn der gewissenlose Krieger die drei Pfeile verpasste. Bohrten sich tief, bedenklich in die Nähe des Herzens. Erinnerte mich an die zuversichtlichen Worte der Heilerin. Welch ein glücklicher Zufall dass sie überhaupt so schnell… Innert Minuten erschien sie am Unfallort. Wirklich ein Zufall? Jedenfalls zählte für mich nur ob mein Freund überhaupt überlebte. Sollte er leben, er musste es einfach, konnte ich ihn vielleicht mit meiner übersinnlichen Kraft fühlen.
Vorsichtig öffnete ich die Schiebetür. Leise zischte der Mechanismus. Ungewohnt frische kühle Luft strömte in meine gewärmte Kabine. Ich musste raus. Raus aus diesem einzwängendem Gefängnis. Bedrückender Enge. Ein altes leiden das mich nach der Zeit in der Irrenanstalt verfolgte. Trat hinaus mit meinen bequemsten Turnschuhen auf den sandigen heiligen Boden. Frösteln kreuzte ich die Arme vor meinem Busen zusammen. Ausser der einfachen Leinenkleidung die ich am eigenen Leib trug hatte ich ja noch meinen praktischen Rucksack. In dem lag ein Taschenmesser, Kompass, Füllfeder mit Ersatzpatronen, Tagebuch mit jede menge leere Seiten, aufgetanktes Feuerzeug, weniger auffällige altmodische Streichhölzer, für Notfälle ein modernes Gasfeuerzeug, ein paar getrocknete Getreideriegel (falls mich Maxim wieder auf jagt schickte und ich nichts fand) nur so für den Notfall. Selbstverständlich ein paar exzellente Schweizer Schokoladen in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Sollte ich erneut in Dongard Lager geraten so verwahrte ich die teuren Pralinen als Gastgeschenk. Schmuck oder gar Geld (man hätte meine zeitgemässen Münzen hier höchstens als wertlose Antiquität angesehen) liess ich alles bei Mel. Einzig meine billige Armbanduhr liess ich an meinem dünnen Handgelenk. Obwohl hier zählte ein Tag oder eine Nacht fast eine Stunde länger. Eigentlich zählte ein Tag genau gerechnet statt 24 Stunden seine 25 und eine halbe Stunde. Anderthalb Stunden länger als gewohnt, so durfte ich keinesfalls vergessen meine Uhr täglich vor dem Frühstück umstellen. Ausserdem gab es hier bereits Armbanduhren und um nicht aufzufallen ersetzte ich mein Plastik einfach in ein Lederarmband. Zusätzliche Kleidung versuchte ich gar nicht erst diesem Zeitalter anzupassen denn hier gab es einen eigenen Stil. Maximilian konnte mich früh genug mit Einheimischen Artikel passend ausstatten. Oder die Sachen selber herstellen indem wir erlegte Waldtieren gegen Stoff eintauschten. Ausserdem hielt ich es für ratsam wenige Beweise aus meiner Zeit in diese rückständige Epoche zu schleppen. Darüber hatte ich vor meiner Reise tagelang mit Mel verhandelt. Sie wollte mir unbedingt eine kleine Pistole aufschwatzen. Mit dem Wissen um die zahlreichen begaben Sehern, welche kompetent über das Königreich wachten, hielt ich es alles andere als Ratsam etwas Feindliches bei mir zu tragen.
Letztes Mal geriet ich ja mitten in ein Ausbildungslager für die Verteidigung des Reiches. Glücklicherweise rettete mich die Wissbegierigkeit von Kommandant Dongard. Er hielt es für klüger etwas ausführlicher mich und meine wahren Absichten auszukundschaften als mich einfach blind den königlichen Soldaten auszuliefern.
Ob Maxim nach seiner schweren Verletzung im Ausbildungslager blieb? Zwischen ihm, dem Ausgestossenem, und dem Ranghohen Kommandant, gab es eine respektvolle Akzeptanz. Dongard bot ihm sogar eine Stelle mit folgender Auszeichnung an.
Maximilian, braune Haare, sanfte Hundeaugen, wofür hast du dich entschieden?
Erst kurz vor meiner Einweissung ins Irrenhaus bemerkte ich eine schwache Gabe gewisse Dinge im Voraus zu wissen. Ob es ein späterer Geldgewinn war oder ein Unfall. Je nach Dringlichkeit liess es mich dem entsprechend schlafen. Vor meiner Einweisung in die Anstalt litt ich einen Monat unter Schlafstörungen. In den letzten Tagen vor meiner Reise plagte mich nur die gewöhnliche Augregung. Ausserdem funktionierte das ganze Wachsystem nur über reine Gefühle. Klare Bilder konnte ich nicht sehen wie, zum Beispiel, ausgebildete Wahrsager. Also tat ich nun was meinem Talent entsprach. Fühlte.
Horchte in mich hinein. Sandte meine Sensoren aus wie ein feinfühliger Radar.
Maximilian, mein geliebter Freund. Formte sein Gesicht in meine Gedanken fest. Maximilian. Ein Mensch mit einem Hundekopf. Was für unwiderstehliche, sanfte Augen. Sein feines rotbraunes Fell wie Seide. Weiche langhaarige Ohren die ihm Seitlich bis zu den Schultern herunter hingen. Starke Schultern. Überhaupt sein sehniger, robuster Körper.
Himmel, ich musste mich gefälligst auf das Gesicht konzentrieren und nicht auf sündige Gedanken. Wo steckst du? Wie geht es dir?
Mehrmals wiederholte ich die Frage. Versuchte alles um mich herum zu vergessen. Lies mich mit dem Wind gleiten, verschmelzen wie ein Tropfen Wasser im unendlichen Meer.
Erhielt nach intensiver Anstrengungen eine schwache Antwort. Nun bestand die grösste Schwierigkeit darin heraus zu filtern wohin sie gehörte. Zu den Guten oder schlechten Nachrichten. Eindeutig gut. Ich fühlte mich irgendwie erleichtert. Er musste also noch leben. Wo?
Automatisch schwenkte mein Kopf Richtung Westen. Merkwürdig. Was waren die letzen Worte von meinem schwer verletzten Freund; das wir uns in einem Jahr hier wiedersehen werden, auf diesem heiligen Berg. Gewiss, wir rechneten beide damit dass sich dieser wichtige Termin um ein paar wenige Tage verschieben könnte. Kann immer was ungewollt dazwischen treten. Hier gab es keine Busse oder technischen Hilfsmittel was das Reisen betraf. Als erfahrener Wanderer errechnete er aber den Zeitraum spielen um den abgemachten Termin sogar Stündlich zu treffen.
So weit entfernt. Wäre er in der Nähe so fühlte ich die bekannte Unruhe, die Vorfreude des Wiedersehens. Leere. In diesem Windstillen Moment fühlte ich nur eine Leere, unangenehme Enttäuschung.
Da stimmte doch was nicht!
Während die Sonne langsam aufstieg, sich gelb- weisslich verfärbte, suchte ich fieberhaft die Felsmonumente nach Hinweisen ab. Eine versteckte Botschaft. Nein, Maxim konnte nicht schreiben. Den sandigen Fussboden. Ausser meinen frischen vertieften Abdrücken, fehlten sogar tierische alte Spuren. Ratlos tastete ich mit den Händen über die kalten Steine. Irgend etwas! Eine unauffällige Kleinigkeit die jedermann übersah ausser mir.
Fassungslos kauerte ich eine halbe Stunde später auf dem kahlen Boden. Vergrub meine steifen Fingerspitzen im schweigenden Sand als ob sich etwas herauszupressen lohnte. Hinterliess er keine versteckten Hinweis? Verunsichert dachte ich nach. Gedanken überschlugen sich. Wo war mein Freund? Meine Zukunft?
Unregelmässig mein Atem.
Denk vernünftig, mahnte ich mich wiederholend.
Wie... wie... bedeutete er das ganze Leben für mich und verpasste den vereinbarten Termin. Mit der Zeitmaschine war alles in Ordnung. Wohl zum vierten oder fünften Mal stand ich auf um sie erneut zu prüfen. Irren ist ja bekanntlich menschlich. Nutzte die günstige Zeit gleich den neuen Zeitplan einzutippen. Sie funktionierte einwandfrei.
Verloren stand ich ratlos da und starrte die abgeschaltete Maschine an. Zermarterte mein Gehirn. Suchte mit meinem schärfsten Blick zu allen Seiten ins Tal hinunter. Wo lange natürliche Wiesen ungehindert ihre ganze Vielfalt entfachten. Kleine dichte Wälder durchbrachen sie in unregelmässigen Parzellen. Alle Anzeichen deuteten auf einen frühen Sommer hin. Von meiner günstigen Position entdeckte man, mit Geduld, einen Reisenden, sofern er sich bewegte, bis zu zwei Kilometer Entfernung. Doch nicht mal ein harmloser Bauer, der neue Felder bestellte, zeigte sich zu der frühen Stunde bei der Arbeit. Soweit ich mich zurück erinnerte, besiedelte man diesen Landesteil sehr spärlich. Obwohl der grüne Wiesenboden auf eine günstige Grundlage hin deutete. Dennoch bevorzugte die Menschen hier die Nähe der Königsstadt. Dort wo man durch fleissigen Handel praktisch alles erhielt ausser technischen Geräten. Dennoch hatte ich schon mal einfache Generatoren zur Lichterzeugung gesehen. Allerdings nur in amtlichen Häuser. Wo war mein Maxim? Wieder gefangen in der Stadt ? Auf keinen Fall in der abgelegenen Hüte in seinem Sumpf. Seit ich in sein Leben trat, lebte er dort nicht mehr gerne alleine.
Am Ende meiner Weisheit stellte ich mich sicher hin. Arme seitlich ausgestreckt. Entfachte, horchte auf jedes Geräusch. Senkte meinen Kopf in den Nacken, schloss meine Augen. Schrie mit jeder Faser meines Körpers empört „Maxim!“
Trocken brannte meine strapazierte Kehle. Schreien habe ich mich noch nie selber gehört. Schwere zehrte an meinen ausgestreckten Armen. Ich stand ja da wie eine arme Irre, schoss es mir durch den Kopf. Dennoch bewusst langsam senkte ich meine müden Arme. Dieser Schmerz tat weniger weh als der in meiner innersten Seele.
Gemächliches Flügelflattern. Nicht die eines aufgeregten Vogels sondern welches von einem Riesigen, mächtigen Vogel... Drachen!
Sofort suchte ich den wolkenlosen Himmel ab. Klar flog da, mit der Trägheit eines Jumbos, ein brauner geschuppter Drache entgegen. Obwohl ich wenig von Drachen verstand. Dieser fast zwanzig Meter lange Drache mit der schweren Eleganz schindete eine Menge Eindruck. Wissend dass diese Tiere von Menschenhand gezüchtet wurden, stand ich furchtlos, vertrauensvoll da. Gewahrte bald den schmächtigen Reiter auf dem breiten Rücken. Wirklich aussergewöhnlich klein.
Geduldig wartete ich in gebührendem Abstand bis das grosse geschuppte Tier landete. Staub und Sandkörner wirbelten unter seinen schlagenden Schwingen auf. Sobald seine langen, knochigen Beine den Boden berührten faltete er seine schmalen, erdfarbenen Flügel zusammen. Flügel die ausgestreckt eine Länge von seinem kleineren Kopf bis in die weit entfernte Schwanzspitze erreichten. Wahrhaftig ein königliches Tier, wenn auch ein bisschen schwerfällig. Gegensätzlich kletterte von seinem Rücken ein flinker Winzling. Eine junge Frau kaum über der 1 Meter 20 Zentimeter Grenze. Ich mit 1,57 Meter fand mich selbst gelegentlich ungenügend. Sie tänzelte wie eine leichte Feder auf mich zu. Dunkelhaarig, auffallend eine runde grosse Nase. Alles andere als vergleichbar ein Engel der vom Himmel kam. Ihr aufgesetztes Lächeln verstärkte zudem ihr unsicheres Auftreten. „Willkommen in unserem Land .“ Begrüsste sie mich in ihrer Sprache. Mutig, jedenfalls sah es so aus als ob sie eine Menge Mut dazu brauchte, streckte sie mir die kleine Hand entgegen. Standhaft nahm ich ihr Angebot an.
„Kommandant Dongard schickt mich für den Empfang voraus. Der Rest folgt später in wenigen Minuten“, erklärte sie mir knapp ihre Anwesenheit.
„Aha“, war mein kurzer Kommentar. Dafür dachte ich umso mehr den restlichen Teil.
Sie trug eine prall gefüllte Ledertasche an einem Taillengurt. Beschäftigt bemühte sie sich davon zu befreien als wollte sie diese unbedingt loswerden. Hielt Ausschau nach einem gemütlichen Lagerplatz. Himmel, ich wollte hier kein gemütliches Picknick veranstalten.
„Einen Moment“, störte ich sie bei ihrer emsigen Ausschau. „Gibt es eine Nachricht von Maximilian?“
„Maximilian“, zögerte sie sichtlich hinaus. „Ja, nein. Darüber darf ich weiter nichts sagen. Dongard will das höchst persönlich übernehmen.“
Misstrauisch sah ich sie von der Seite an. Das ganze stank nach einer Verschwörung. „Können sie mir wenigstens bestätigen dass er noch lebt“ fragte ich leise.
„Ich weiss es nicht“, log sie ziemlich schlecht. Ausweichen in den dunklen Augen. Nun stellte ich mich direkt vor ihren Weg. „Ich will sofort wissen ob er lebt“, forderte ich drohend die Bestätigung ein.
„Ich habe meine Befehle“, wisperte sie ausweichend.
Für solche Kindereien besass ich keine Geduld. Dongard war nicht mein Vorgesetzter. Packte dieses Fliegengewicht an ihrem Uniformkragen, höher auf meine Gesichtsetage. Blickte sie mörderisch funkelnd an. Und das will bei meiner versauten Kindheit was heissen. Wenn ich mal wirklich ernsthaft drohte, schwitzten meine Gegner und seien sie doppelt stärker gewesen. Denn ich strahlte nicht nur mit den Augen tödliche Boshaftigkeit aus sondern mein ganzer Körper spannte sich wie eine gefährliche, unberechenbare Raubkatze.
„Ich weiss es nicht! Ich weiss es nicht!“ Kreischte sie mir auf einmal sehr kräftig die empfindlichen Ohren. „Dongard hat uns nur oberflächlich in deine Geschichte eingeweiht aber nicht wie ...wie...die ganze Sache vor einem Jahr endet.“
Im Moment wirkte sie wie ein kleines Kind das in einer furchtbaren Klemme steckte obwohl sie mindestens mein alter zählte. Leicht beruhigt stellte ich sie auf ihre Beine zurück. „Wie heisst du überhaupt?“ Fragte ich gefasst.
„Kaja. Safina wirklich. Kommandant Dongard hat ausdrücklich erwähnt dass nur er mit dir darüber redet.“
„Dein Kommandant“, sagte ich eindrücklich und rückte mit meinem Gesicht ziemlich nahe das sie freiwillig zurückwich. „Ist nicht mein Kommandant. Ausserdem..“ schnell hob ich den Kopf für einen raschen bestätigenden Überblick. „Ausserdem ist er momentan nicht hier um dir zu helfen. Also was wird im Lager hinter seinem Rücken gemunkelt.“
„Hä“, begriffsstutzig sah sie mich an.
„Kaja, was wird im Lager über mich getuschelt. Was für Gerüchte schweben herum“, fragte ich eindrücklicher.
„Ach so. Ich weiss nicht. Ich bin nur ein unscheinbarer Aussenseiter. Unser Anführer hält sich auch an seine strikte Schweigepflicht“, gestand sie erleichtert. Denn die Wahrheit sprach sich immer am einfachsten aus.
Warum zum Geier wusste nur der oberste Chef Bescheid? Dann stimmte etwas mit Gewissheit nicht. Erneut stürzte mein wackeliges Kartenhaus ineinander. Was wenn mein eigener Wunsch meine vorrau sehende Gabe betrog. Mit den Nerven am Ende kniete ich mich auf den Boden. Meine Zitternden Beine gaben einfach nach.
„Safina“, fing Kaja vorsichtig an. „Möchten sie etwas erfrischendes trinken? Nach diesem weiten Weg den sie auch hinter sich haben... wir sollten so etwas feiern.“
„Ist das ein Scherz“, entfuhr es mir ungewollt scharf. Begegnete jedoch höchst aufrichtigen, unschuldigen dunkelbraunen Augen. Sie setze sich neben mich auf eine saubere Felsenplatte.
„In unserem Lager geht es ziemlich streng zu. Dongard lässt uns kaum ausgelassenen Freiraum. Da nutzten wir jede kleine Gelegenheit um zu feiern. Und du scheinst mir sogar ein grosser Grund. Wir bekommen ein neues Mitglied.“
„Mh“, brummte ich unwillig vor mich hin. Von wegen Mitglied! Unvergessen war mir die letzte harte Trainingswoche geblieben. Vor allem die Strafen in dunklen, feuchten Bunker abzusitzen! Schlimmer als im Irrenhaus. Während sie mir einen gefüllten Metallbecher reichte verzog ich das Gesicht. Nicht wegen dem Getränk. Schmeckte wie erfrischender süsser Traubensaft, sondern die Vorstellung Freiwillig unter Kommandant Dongards Fuchtel zu stehen.
„Also, Kaja. Ich entschuldige mich für mein unhöfliches Auftreten denn ich glaube kaum das meine Zukunft in deinem Arbeitslager weitergeht.“
„Wow“, sagte sie ziemlich wortgewandt. Nahm einen grossen Schluck und ich tat es ihr gleich.
Wir sahen uns kaum eine Minute nur stumm abwartend an.
Bemerkte nicht meinen dummen Anfängerfehler. Nicht den Hauch eines Verdachtes als ich müde den Kopf, an die kühle Felsplatte in meinem Rücken, senken lies. Innert Sekunden wegtrat.

Schwere Schritte näherten sich dem heiligen Ort. Tief presste das eigene Gewicht die Sohlen in den trockenen, weichen Untergrund.
Ein erlöstes Lächeln zauberte sich in Kajas Blick als sie den langen Schatten gewahrte. „Schön dass du da bist. Zum Glück hat der Plan geklappt. Dongard hatte Recht mit seinem Beruhigungsmittel. Bringen wir sie schleunigst nach Hause solange Wirkung anhält.“
Ein scharfer Blick von dem Hünen. “Gab es Schwierigkeiten?“
Kaja nickte respektvoll Dongards Stellvertreter zu. „Ein wenig. Aber wie Dongard vorhersagte. Schickt das schwächste Mitglied damit sie am wenigsten Verdacht schöpft und am wenigste widerstand leistet. Was er wohl mit ihr vorhat?“
Derek ein strenger Verbündeter von Dongard schwieg. Ein wenig wusste er vom Versprechen das Dongard am Sterbebett von Maximilian abnahm. Sich um Safina zu kümmern. Von diesem privaten Geheimnis allerdings durfte keiner seine Schüler je erfahren. Safina musste später behandelt werden wie eine von ihnen. Ohne speziellen Vorurteile oder Mitleid.
Ohne die geringste Anstrengung hob er die schlafende Safina hoch in seine kräftigen Arme. Zu viel Gewicht, war das erste was Derek dachte. Zu viel Gewicht für einen mittleren Drachen. Er mit seinen hundert Kilo durfte sich nie auf einen der fliegenden Ungeheuer setzen und das war im auch ziemlich recht so. Bevorzugte lieber die kräftige neue Rasse der Dulies. Eine von grösstenteils ähnlichen Pferderasse. Extrem ausdauernd, zäh und leider auch manchmal störrisch. Aber die kleine Kaja brauchte ja Hilfe um Safina auf den Drachen zu befördern. Deswegen brach er schon vor einem Tagen auf um sich an den Heiligen Berg heran zu pirschen. In einem weiteren Tagen würde er wieder im Lager sein. Herrlich zwei Tage Urlaub. Obwohl er höchst zufrieden mit seiner zweiten Stelle war, genoss er die äussert seltene Freiheit. Dongard konnte sehr streng sein. Manchmal wunderte es ihn dass überhaupt von den zwanzig Leuten höchstens vier den Kurs frühzeitig abbrachen. Vor allem die jungen Frauen liessen sich leicht von Dongards hübschem Melfengesicht täuschen. Egal wie streng er sich gab, ein sanfter Blick genügte und die Damen verziehen ihm.
„Derek“, riss ihn Kaja aus den Gedanken. „Glaubst du wir können es erlauben Dongard um eine Feier für das neue Mitglied zu bitten.“
„Mach dir keine Hoffnungen.“ Es klang düsterer als gewollt. Mit zusammen gepressten Lippen schnallte er Safina hoch am Drachensattel fest. Hob Kaja hinter ihr hoch. Innert fünf Stunden musste der zweitälteste und stärkste Drache es ins Lager zurück schaffen. Solange reichte höchstens das Betäubungsmittel. Sonst versuchte Dongard mit seiner möglichen Magie sein Bestes. Später brauchte er sie eh um Safina zu beruhigen. Ja, undenkbar das gefeiert wurde sollte bekannt werden das Safinas Freund Maximilian nach langem Kampf völlig unerwartet gestorben war.

Als ich aus meinem unfreiwilligen Schlaf aufwachte vernahm ich als erstes das jemand hastig aus dem Zimmer stürzte. Träge öffnete ich meine schweren Augenlieder. Fand mich in einer bekannten Umgebung. Dieselben halbdunklen Räume als ich das letze Mal mit Maximilian hier in der umgebauten Höhle wohnte. Mit einem kleinen Unterschied dass ich diesmal nicht in der grosszügigen Gästesuite landete. Dennoch die kühlen, fensterlosen Felswände verrieten mir sofort dass ich mich in Dongards Lager befand. Ausserdem roch es so typisch muffig wie eine einem unterirdischen Raum den nie Sonnenlicht berührte.
Verwundert stellte ich mir im Moment nur eine Frage. Wie kam ich hierher?
Da klapperte Geschirr im Gang draussen. Etwas ungeschickt schob jemand die Tür, mit nur einem Fuss, zu Seite. Kein Wunder sie hielt auch ein schweres Tablett in den Händen. Es duftete gleich herrlich süsslich nach Honigmilch. „Hallo, Ascha“, begrüsste ich erfreut das bekannte Gesicht. Noch halb benommen richtete ich mich auf. Rieb mir überglücklich die Hände. Pah, nicht wegen dem Essen sondern weil mir noch gut in Erinnerung blieb was für ein unübertreffliches Plappermaul in Ascha steckte. Keine Information oder Geheimnis war vor ihr sicher. Da hatte mir Dongard genau die Richtige geschickt.
„Hallo“, hauchte sie verschmitzt. Warf ihre hellblonden Engelslocken zurück. Auf einmal meinte sie ernst besinnend. „Du sollst zuerst essen. Der Chef kommt gleich.“ Die ausserordentlich Hübsche setze sich zu mir an den Bettrand. Schob den mit dem Mittagessen beladenen Teller einladend näher. Zuerst sah ich mir das Mittagessen an, jemand hat sich viel Mühe mit dem Gemüse gegeben, und dann nahm ich eindrücklich Ascha unter die Lupe. Erwartungsvoll sah Sie mich eigentlich mit ihren grossen dunkelblauen Augen an. Hungrig wie ein bettelnder Hund. Meinerseits enttäuscht, verlangte sie doch möglichst viel über mich zu erfahren. Ihre unstillbare Neugierde lechzte danach das man sein schweres Herz ausschüttete.
Dennoch dies war nicht Ascha die ich vor einem Jahr verliess. Die hätte schon hundert Fragen in einer Minute gestellt. An diesem vorbereiteten Braten stank etwas gewaltig.
Uninteressiert schob ich das unangetastete Tablett zu Seite.
„Ascha. Mal im Ernst. Was ist hier eigentlich los?“
Ihre runden, hellblauen Augen vergrösserten sich. „Ich... du weist ich darf nicht darüber sprechen. Erzähl mir lieber was du alles in dem einen Jahr erlebt hast.“
„Nun für mich sind fast drei Jahre vergangen. Man kann die Maschine programmieren, die Zeit manipulieren.“ Ich beugte mich zu ihr vor, sprach ganz leise. „Du hast bestimmt etwas über Maximilian erfahren. Nur eine winzige Kleinigkeit. Bitte! Einen andeuteten Hinweis. Bitte!“
Obwohl sie ihr Gesicht verzog sah sie immer noch beneidenswert wie ein unschuldiger Engel aus. „Ich darf nicht“, flüsterte sie flehend. „Ich hab leider den Befehl..“
„Uch“, stöhnte ich aufheulend. „Ich kann diesen verfluchten Satz nicht mehr hören. Dieser Tyrann sperrte euch doch nicht gleich in die Folterkammer. Oder ist es einfach zu Unbedeutend was du überhaupt weiss. Gib es zu, du weist überhaupt nichts“ ,forderte ich sie trickreich heraus. Empört schnappte sie nach Luft. Aha, demnach wusste sie also doch etwas. Sperrte ihren Mund mit den formvollendeten vollen Lippen auf. Gespannt wartete ich auf den nächsten Laut der herauskam. Bedauerlich, ein hohes unverständliches krächzen. Jemand stand im Türrahmen. Elegant gekleidet, ebenmässiges, bleiches Gesicht und mit einer mächtigen Autoritären Ausstrahlung. Alles andere als Begeistert denn seine eisigen, dunklen Augen zwangen Ascha zu dem merkwürdigen abgewürgten Ton.
„Der Tyrann“, betonte Dongard gedehnt und etwas schneller, schärfer zu Ascha, „Hat Ascha befohlen nichts zu verraten und sie wird auch schweigen.“
Die Arme zuckte wie ein wehrloses Mäuschen zusammen. „Ich glaube ich kann in der Küche helfen“, sagte sie um ihre überstürzte Flucht zu rechtfertigen.
Dongard wartete eine Weile bis ihre Schritte verklangen dann schloss er die Tür energisch. Wandte sich herum mit seinem typischen geraden Rücken.
Verflixt ich hatte völlig vergessen wie perfekt er aussah es würde schwierig ihm was auszuschlagen besonders sollte er seine Stimme milde senken.
Ich beschloss demnach lieber einen Frontalangriff. „Hallo Dongard“, sagte ich ziemlich wenig förmlich. Eigentlich sollte ich ihm ja sehr dankbar sein da er mir damals bei der Flucht mit Maximilian mit allem half was ihm zu Verfügung stand. Nur diese jetzige Geheimnistuerei belastete mich schwer. Warum liess er mich so lange in Unwissenheit. „Also was ist los? Warum befiehlst du jedem zu schweigen? Überhaupt, wer hat den heimtückischen Überfall geplant?“
Ruhig setzte er sich eben an die noch warme Stelle von Ascha. „Eine Menge Fragen. Tatsächlich bist du nur an einer anderen interessiert.“ Er sah in mein tiefstes inneres und ich wich schleunigst seinen violetten Augen aus. Erinnerte mich zu genau wie spielend leicht er damit Frauen um den Finger wickelte.
„Dann sag es mir“, forderte ich mit gesenktem Blick. Gewahrte aus dem Augenwinkel dass seine Hand sich tröstend nach meiner streckte. Mit einem direkten, bösen Blick warnte ich ihn gleich aufs schärfste. Er quittierte es mit einem zucken im strengen Mundwinkel. „Immer noch dieselbe. Direkt und abweisend sobald es persönlich wird. Nun was ich dir sagte wird dir überhaupt nicht gefallen. Mir fällt es auch schwer die richtigen Worte zu finden. Es kam wirklich völlig unerwartet.“
Meine Kehle trocknete. „Diese Heilerin hat gesagt es sei kein Problem.“
„Dorin“, allein wie er den Namen gefühlsvoll aussprach macht mich kurz nachdenklich. Sie stand ihm nahe, denn so hatte ich Dongard nie erlebt. „Sie hat nicht gewusst dass der Murokrieger seine Pfeile vergiftete. So etwas ist äusserst unüblich. Sie vertrauen ihrer Treffsicherheit. Maximilian hat so leid es mir tut ...nicht überlebt.“
Es war ein harter Schock. Trotz allem wie sie mich behandelten, trotz dem erahnen, alleine dieser verräterischen Massnahmen, hatte ich immer Hoffnung. Blieb mir doch dieses eine, mein Gefühl das mir sagte dass er lebte. Dieses ziehen... ich verlor nicht meinen Glauben daran.
Fast lautlos flüsterte ich, „ Du lügst. Er ist nicht Tod.“
Darauf gab es ein bedenkliches Stirnrunzeln von meinem Gegenüber. Sein Gesicht, seine Haltung drückte Mitgefühl aus. Erwartete, dass ich in Tränen ausbrach oder anfing hysterisch zu schreien.
Beides gehörte nicht zu meinen Eigenschaften. Traurig ja, aber keine Tränen in der Öffentlichkeit. Niemals in Gesellschaft oder vor anderen Leuten. Niemand hat mich seit meiner Kindheit je eine Träne gesehen. Bei keinem noch so schmerzhaften Abschied. Ich hatte gelernt das Tränen keine Beachtung, Verständnis oder mehr Mitgefühl auslösten. Wenn ich je weinte, dann nur für mich selber im stillen. Meine Mundwinkel zuckten leicht unkontrollierbar, aber ich behielt meine vernünftige Fassade aufrecht. Trotzig widersprach ich entschieden diesem unerschütterlichen Dongard, „Ich weiss dass er lebt.“ Es rebellierte alles in meinem aufgewühlten Inneren.
Dafür erntete ich ein Trauriges Lächeln. „Gewiss, er wird immer in deinen Gedanken weiter..“
„Nein“, fauchte ich ihn an. Bereute sofort meinen scharfen Ton. „Ich weiss es. Ich weiss es“, flüsterte ich leise, stur.
„Safina. Überlege einmal. Wie willst du das wissen. Wenn ein Teil von dir Melfenblut wäre, ja dann könntest du mich sogar überzeugen, aber ....“ Versank Gedanklich innerlich. Für einen Bruchteil entnahm man seinen geschlossenen Augen einen gequälten Ausdruck. „Nein, Safina, ich kann nichts sehen. Du musst es einfach akzeptieren.“
Nun war ich es die ihn mit Mitgefühl begegnete. Mein Wissen war stark, unerschütterlich. Dennoch war ich unendlich traurig. Begriff einfach nicht weshalb mein Geliebter lebte und sich trotzdem fern hielt. Wieso? „Ich werde ihn finden “, sagte ich überzeugt.
„Du bist völlige durcheinander. Beruhige, entspann dich.“ Dongard sprach mit diesem verlockenden, singenden Tonfall.
Setzte seine Magie ein um mein aufgewühltes Innern abzukühlen.
„Dongard das ist nicht nötig. Ich weiss selber dass ich momentan kaum klar denken kann. Wenigsten für dieses feinfühlige Zeug. Aber innert wenigen Tagen werde ich aufbrechen um ihn selber zu suchen. Ich kann es schaffen.“
Nachdenklich lehnte ich in das weiche Kissen zurück.
Verständnisvoll nahm Dongard das unberührte, abgekühlte Tablett an sich und stellte es abseits auf eine Kommode. „Mal allgemein“, fragte er harmlos,„wie geht es dir?“
„Gut.“ Wunderte mich über den belanglosen Ton. Dongard stellte selten sinnlose Fragen.
„Bist du nie krank gewesen? Wie war so das Leben in deiner … Zeit?“ Bohrte er vorsichtig. Was steckte da dahinter?
Hellhörig setzte ich mich auf. „In meiner Zeit sind fast drei volle Jahre vergangen, bis ich endlich verstanden habe die komplizierte Technik zu reparieren. Und Nein, ich war...“ , dachte noch einmal scharf nach, „absolut nie krank! Überhaupt bin ich eine Ausnahme was Krankheiten anbelangt.“ „Wie darf ich den letzten Punkt verstehen?“
Was ritt er auf meinem tadellosen Gesundheitszustand herum? Misstrauisch musterte ich ihn offen. Also begann er mich auf zu erklären, „Du hast die letzten zwei Tage durchgeschlafen, dabei war die Dosis der Betäubung nur auf maximal sieben Stunden angesetzt!“
„Aha“, dämmerte es mir. Daher also mein schwerer Kopf von dem überlangen Schlaf. Allerdings wunderte ich nicht um diese Kleinigkeit. „Kann schon sein. Die letzte Zeit war ziemlich stressig. Hab bis Abends spät…?“ Wie erklärt man was Mikrochips sind, in einem Land wo man keine technischen Geräte herstellte? „Kleine Maschinenteilchen musste ich austauschen. Die sind allergisch auf Feuchtigkeit und leider fehlte mir das Geld um den Raum zu heizen indem der Transporter steht.“
„so, so das klingt aber nicht sehr anstrengend.“
Bitte! Geschockt sah ich ihn an. „Was willst du andeuten? Als ob du eine Ahnung hast wie anstrengend es ist unter tausenden Kabeln das richtige heraus zu fischen. Ständige Konzentration und wenn du das falsch erwischt kannst du alle durch geschmorten Kabel neu ersetzen. Ganz zu schweigen von den vielen unfreiwilligen Stromschläge…“ Es zuckte ungewollt in meinem Gesicht. Allerdings vor unterdrückter Heiterkeit. Einmal erwischte es mich dermassen dass sogar meine Kopfhaare leicht aufstanden. Tellin, welche damals den Mäusesäuberungsdienst schob, bemerkte das. Eher fasziniert über das seltene Ereignis fragte sie unschuldig neugierig. „Mama, kannst du das noch mal machen?“
„Von wegen“, murmelte ich eher für mich. „Ausserdem arbeitete ich tagsüber in einem Lagerhaus. Auch nicht ungefährlich wenn einem beim Job schwere Kisten fast aufs Dach fallen!“
„Wieso baut ihr dann nicht von Anfang an stabilere Dächer?“
Ach du Schande. Auch ein grosser Unterschied zu meiner alten Zeit. „Dach… mein Dach.“ Damit deutete ich auf meinen Kopf. Eine Redenswendung.
„Aha.“ Bestätigte er kurz das Begreifen. „Und was ist mit deiner Bildung?“
„Bildung?“ „was hast du in den drei Jahren gelernt?“
Unbegreifend blinzelte ich sogar kurz gestört mit den Augen. Natürlich, dieser strenge Lagerchef dachte selbstverständlich in erste Linie nur ans fleissige Streben. Ungewollte wechselte ich aufgeregt in meine Sprache hinüber. „Bist du bescheuert! Dafür..“
Er winkte mit einer Hand vor meinem Gesicht worauf ich nervös zurückwich.
Gelassen meinte er ruhig. „Gewisse Dinge haben sich nicht verändert. Immer noch so schreckhaft. Beginne langsam, damit ich dich auch verstehen kann.“
Egal wie gerne ihn die andern Frauen im Lager anhimmelten. Von mir erntete er weiterhin einen finsteren Blick. „Du bist…“ Dann deutete ich mit der schwenkenden Hand eine klare Bewegung an die unmissverständlich als IRRE aufgefasst wurde. Er reagierte mit einem schiefen, schelen Blick der mir sagte- ich höre dir zwar zu aber das heisst noch lange nicht dass ich dir alles glaube.
„Drei Jahre war ich weg“, wetterte ich, „Und du denkst ich studiere in nutzlosen Bücher herum. Wozu? In erster Linie war wichtig die Maschine zu reparieren. Dein Gold Geschenk hat gerade mal ein Jahr für die Miete gereicht. Mit meiner Freundin habe ich zudem auf drei Kinder aufgepasst die sonst nur auf der Strasse verwildern. Weißt du wie schwierig es ist drei Kinder zu Unterhalten. Zur Schule kann ich sie nicht schicken, da man keine Ausländer aufnimmt…“
Mich erst nehmend, wollte er besorgt wissen. „Die drei Hunde, die dich damals begleiteten, was ist mit denen?“
Zwar redete ich die ganze Zeit über genau diese Tiere aber er durfte den Zusammenhang nicht wissen. Tiere als Menschen zu betrachten bedeutete für viele Bewohner eine krankhafte Neigung. Besonders in dieser neuen Zeit. Damit sich Dongard mit den drei sprechenden Wunderkindern nicht auseinander zu setzen brauchte, trennte ich einfach die Wahrheit. „Ja, das kommt hinzu. Weißt du was drei hungrige Welpen alles hinunter schlingen? In meiner Welt ist das Fleisch teuer! Da Jagt keiner draussen in den Wäldern, weil es verboten ist und die wenigen Tiere geschützt sind. Hier ist es so…“ Ich suchte nach Worten. Dabei viel mir die Stille in diesem überbauten Ort auf. „So wunderbar Still“, rutschte es mir halb abwesend heraus.
Dongard schmunzelte über meine entspannte Atempause. Mit einem gewissen Stolz meinte er, „ woran liegt das wohl?“
Weil er mit eiserner Disziplin ein Lager von ca. 20 Leuten leitete! Das rieb ich ihm nicht unter die hübsche, gerade Nase. Stattdessen liess ich ihn wissen. „Weil du mal nicht deine Befehle herumbrüllst!“
„Bitte!“ Seine violetten Augen weiteten sich entsetzt, verfärbten sich dunkel. Selbst ein Aussenstehender wie ich deutete die Anzeichen auf zunehmenden Sturm. Also winkte ich unbedeutend ab. „Kleiner Scherz. Selbstverständlich weil hier keine Kinder nach Aufmerksamkeit schreien und keine übermütigen Hunde alles anknabbern. Es surren keine Maschinen. Weder ein lauter Fernseher vom Nachbar noch ein klingelndes Mobiltelefon.“ Geniesserisch schloss ich meine Augen. Horchte in den unterirdischen Gang hinaus. Als ich meine Augen wieder öffnete sah ich dass er mich die ganze Zeit milde beobachtete. So als ob ihm gefiel was er sah. In dem Moment wirkte er wie ein vertrautes Familienmitglied und trotzdem wie ein fremder Mensch. Wer war Kommandant Dongard eigentlich wirklich. „Und, was hast du im letzten Jahr so alles angestellt?“
Über meine unverbesserliche Offenheit schüttelte er leicht protestierend den Kopf. „Nun, da wäre meine zusätzliche Ausbildung. Hat mich fünf Monate von meinem Lager getrennt. Zu meinem Glück habe ich Derek als Kompetenten Ersatzmann. Das hat mich gerettet.“
„Was für eine Ausbildung? Etwas mit deinen Melfenkräften?“
„Ja.“ Selbst Äusserlich wirkte er bedrückt. Irgendwas verfolgte ihn noch immer. „Damals versagte meine Gabe als ich dich beschützen sollte. So was darf weder bei dir noch für jemand anderen wieder geschehen. Meine Schüler stehen als treue Mitglieder unter meiner Obhut. Und…“ Sein Versagen von damals lag ihm immer noch schwer auf der ehrlichen Seele. Tröstend gab ich ihm zu verstehen. „Vergiss nicht, gegen einen echten Melfen hast du eh keine Chance. Das ist eine unwiderrufliche Tatsache und du bist nun mal nun nur ein halber Melf. Hast Du dir je gewünscht ein richtiger Melf zu sein?“
Ausweichend hielt er sein Augenmerk auf den kahlen Boden gerichtet. Genauso folgten seine unbedeutenden Worte. „Mit ein wenig handwerklichem Geschick kannst du eine Strohmatte flechten, dann ist es hier viel gemütlicher…
Nein, das ist ja die… grosse Schande. Dieser mysteriöse Melf der uns damals überfallen hat, ist kein echter Melf. Alle meine heimlichen Nachforschung verlaufen im nichts. So als hätte dieser böse Geist niemals existiert. Ganz selten hinterlässt er eine schwache Spur… wie ein… negativer Nebel der umherwandert.“ Aufgeschreckt sah er auf einmal hoch. „Darüber reden wir ein anderes Mal. Beginnen wir mit dem wichtigsten. Es ist ein ertragreicher Sommer und wir haben viel zu tun. Immerhin habe ich es geschafft eine Ausbildung für ein ganzes Jahr in der Hälfte der Zeit zu absolvieren.“
„Prüfungen bestanden?“ Reizte ich unnötig.
„Selbstverständlich“, verteidigte er sich empört. „Allerdings nur knapp über dem Durchschnitt.
Also“, begann er gnadenlos sachlich. „Du wirst ein paar Tage ausspannen. Einfacher Dienst auf dem Nordturm, mit weiter Sicht über die Ebene. Dort kannst du ungestört deine Gedanken ordnen. Dich an unser Klima eingewöhnen. Über Mittag wird dich jemand ablösen. Wenn du jemanden brauchst um zu reden darfst du jederzeit in mein Büro kommen oder in mein privates Zimmer. Sei willkommen.“
Er streckte mir als Friedensangebot die Hand entgegen. Voller Ehrfurcht ergriff ich sie. Dongard bereitete mir irgendwie Angst. Seine ganze gebildete Ausstrahlung. Wusste gleich dass er mir weit überlegen war. Nicht nur im Streit sondern auch mit unendlicher Weisheit. Ich steckte wörtlich in seiner warmen, festen Hand und das beunruhigte mich enorm.
Alleine in meinen Wänden starrte ich unentschlossen die nächste Wand an. Ich, in meinem neuen Zuhause. Einzig eine orange gefärbte Kerze verwandelte den dunklen Raum in einen warmen, angenehmen Ort. Mir viel Dongards entsetzlichen Nachricht in Erinnerung. Maxim, mein Freund, mein geliebter Gefährte soll wahrhaftig Tod sein. Melfen besassen einen zuverlässigen Sinn fürs Übernatürliche. Auf Dongards Urteil war verlass. Trog mein Wunschdenken dermassen über die traurige Wahrheit hinweg. Je länger ich nachdachte umso mehr brach meine gefasste Fassade zusammen. Mein wahres Ich liess sich nicht verleugnen. Langsam sickerte die grausame Realität zu mir durch. Zehn Minuten lang heulte ich schliesslich verzweifelt. Da reichte kein dünnes Frauentaschentuch, ich nahm gleich einen saugkräftigen Waschlappen in die Hand. Danach fühlte ich mich besser.
Im halbdunklen Gang draussen, neben der Tür, lehne Dongard an die kühle, raue Wand. Niemand da, der seinen aufgewühlten Konflikt bemerkte. Schwer lag ihm die Last auf der Seele, so erlaubte er sich kurz an der Wand abzustützen. Seinen Kopf in den Nacken sinken. Ausgerechnet ihm, der kürzlich sogar eine anspruchsvolle Ausbildung, welche sonst nur echten Melfen bevorstanden, erfolgreich abschloss, musste den erlernten, strengen Codex, der Ehrlichkeit, jetzt schon brechen. Stärker als die wissende Wahrheit band ihn jedoch das letzte Versprechen das er dem todkranken Maximilian persönlich gab. Damals als Maximilian lebensgefährlich in den Armen seiner Heilerin lag. Dank ihrer raschen Hilfe verabschiedete sich der vorprogrammierte Todesweg. Doch im geschwächten Freund schien trotzdem etwas sich verabschiedet zu haben. Ohne unterstützende Safina, an seiner Seite, begannen seine Zweifel erneut. Schwankend sein Glaube an das unfassbar Glück der geschenkten Liebe. Zulange prägte ihn schlechte Erfahrungen das Menschen ihn verabscheuten. Ihn, einen Tiermensch mit einem Hundekopf. Verfolgt, gejagt, allein mit seinem aussergewöhnlichen Aussehen zur Verbannung lebenslänglich verurteilt. Intelligent meisterte er sein einsames Leben am Rande der Gesellschaft. Verkleidete sich öfters als Bewahrer. Diese königlichen Angestellten durften verhüllt Reisen da sie als Ratgeber und Bewahrer manches Geheimnis, Beichte hüteten. In einer schlichten Robe mit weiter Kapuze bewegte sich Maximilian unerkannt. Gerade weil er wusste das er nur zu solch einem Reisen gezwungen war, ein unruhiges, unsicheres Leben… Gerade aus diesem Grund wählte er den unglücklichen Vorfall aus um die Trennung von Safina unwiderruflich einzuleiten. Wünschte sich das sie zu einem erträglicheren, normales Leben fand. Liebte sie so innig das er ihr so einen unruhigen Lebenswandel nicht zumutete. Schweren Herzens erinnerte sich Dongard an die letzten matten Worte. „Pass auf Safina auf.“ Eine überflüssige Bitte. Zum damaligen Zeitpunkt wusste, fühlte Dongard bereits, das Safina später eine wichtige Rolle in seinem eigenen Leben spielte.
Teilweise blieb seine Ehrlichkeit sogar bewahrt, denn er blieb nicht bis zum kritischen Schluss. Da er Safina auf einem seiner gezüchteten Drachen nach Mischlin eskortierte, blieb er über Maxims Zustand im Ungewissen. Dorin, die erfahrene Heilerin wusste allein ganz genau wie es um Maximilian stand. Später als sie Dongard im Lager besuchte erwähnte sie nur flüchtig. „Eine traurige Liebesgeschichte.“ Schwieg beharrlich über den bedeutsamen Rest.
Danach blieb ihm nur ein paar Monate Zeit um seine überfällige Ausbildung zu beenden. Ein seltenes Geschenk was ihm die Ältesten Melfen zukommen liessen, da alle seine melfischen Vorfahren einen ehrenvollen Ruf besass. Dieser unbezahlbaren Auszeichnung wollte er auch seine Leistung hinzufügen. Was für weniger begabte Echtmelfen sogar bis zu zwei Jahren dauerte, verarbeitete er in einem halben Jahr. Kein Wunder das es ihm daher so leicht fiel wertvolle Kenntnisse zu verschweigen. Dongard schalt sich selber. Betrug, hämmerte es in seinem auf Gerechtigkeit geeichtes Hirn. Er von dem man stets die volle Wahrheit erwartete, enttäuschte sein melfisches Blut bitter.
Leise Weinen empfingen seine empfindlichen Ohren. Einerseits erleichterte ihn Safinas natürlichen Ausbruch. Vermehrt beunruhigte ihn ihre andere sensible Gabe. Schon bei ihrem letzen Besuch schaffte sie es seinen Willen zu umgehen. Nach diesem harten Jahrestraining war Dongard zweifellos überzeugt das seine weiter entwickelte Macht die der aussergewöhnliches Safina weit übertraf. Ihn wurmte nur der eigenwillige Protest gegen seine aufgestellte Prognose. Safina besass eine schlummernde Gabe. Ansatzweise die eines Melfen. Besorgt fragte er sich wie weit sie ihren hinweisenden Gefühlen vertraute? Hoffentlich kam sie der halb verschlüsselten Wahrheit nicht zunahe. Ein endgültiger Tod, Abschied war leichter zu verkraften als eine hinaus gezögerte Trennung. Ihm lag viel an Safina. Gegen alle Vernunft fühlte er sich von ihrer Anwesenheit angezogen.
Und die Zeit ihres Vergessens bekam eine neue Bedeutung.

Mit meinen geröteten Augen wagte ich mich nicht aus meinem Zimmer. Sollte ich doch auf ein Mittagessen verzichten. Das schmerzliche Gefühl des Verlustes verdrängte andere Emotionen. Unwichtig der Magen wenn das geprüfte Herz blutete. Weigerte mich die schlimme Nachricht anzunehmen. Mein wacher Verstand kämpfte gegen das vage Gefühl, welches was unsichtbares sendete, an. Sollte ich denn die letzte Hoffnung kampflos aufgeben?
Erst bei fortgeschrittener Dunkelheit verspürte ich einen zunehmenden Drang nach frischer Luft. Allmählich zwängte das enge ungewohnte Höhlenzimmer ein. Während die anderen in der grossen Stube ungeduldig auf ihr Abendessen warteten, schlich es sich am leichtesten nach draussen. Vorbei an den bekannten Wachttürmen, welche seit letztem Jahr unverändert die Stellung hielten. Ein warmer Sommertag, gewürzt mit dem satten Blütenduft von Blumen und Bäume. Bekannte alte Sternenkonstellationen funkelten am dunkelblauen Himmel. Riefen mir bereits eine flüchtige Sehnsucht an meine alte Welt hervor. An die tröstliche Gesellschaft meiner geliebten Kinder. Bedauerte jetzt dass ich hier so ohne meine haltgebende Familie sass, allein. Wenn ich doch nur eines meiner treuen Welpen bei mir hätte. Tellin liebte es so ihren müden Kopf auf einem meiner Oberschenkel abzustützen. Wie wohl die sensible Tellin die Trennung aushielt? Sie würde es hier lieben, die saubere naturreine Luft. Den Blick verträumt in die Weite gerichtet wo ein rötlicher Dunststreifen die sinkende Sonne begleitete. Wahrlich ein schöner Abend. Schade genoss ich ihn alleine. Alte Erinnerungen schossen hervor. Schon landeten meine Gedanken bei den gemeinsamen, romantischen Abenden mit Maximilian.

Die untätigen, langweiligen Nachmittage sind am schlimmsten. Da kroch die Zeit im Schneckentempo vorüber und liess einem über alles unmögliche Nachdenken. Die nächsten zwei Tage verbrachte ich bei jeder Gelegenheit draussen. Ausserhalb des Lagers bei den quadratischen Steinen. Berge von unermesslichem Gold. Schön getarnt, umhüllt mit einem dicken Belag aus Gips und gepflastertem Steinmehl. Es sah aus als ob ein Riese plante seine chinesische Mauer zu bauen. Für den späteren Arbeitsbeginn lagerte er die losen Steine auf der rechten und linken Seite der Strasse. Schichtete diese, von hundert Kilo bis zu einer Tonne schweren Blöcke bis zu fünf Meter Höhe, wahllos aufeinander. Eigentlich wirkte es von weitem betrachtet wie ein gewolltes Kunstwerk. Diese Rechteckigen Blöcke inmitten der Wildnis. Schon ein eigenartiger Standort für ein Bildungslager. So weit abgelegen von den anderen Siedlungen. Wenn man bedachte das ausgerechnet hier der wertvollste Schatz des Landes lagerte… Anderseits dachten hier die Einheimischen anders über Gold. In erster Linie zählte das soziale Verhalten. Gute Beziehungen, hervorragende Geschäfte. Statt Geld zählten hier gepflegte Freundschaften. Eine völlig andere Welt und trotzdem kränkelte sie bereits wie meine alte Zeit. Nirgendwo herrschte der perfekte Frieden.
Zehn Minuten vom Lager entfernt, mit einem einzigen Sandwich für den ganzen Tag ausgerüstet setzte ich mich, während einer Morgenpause, erneut auf einen der höchsten Quader. Nebelfetzen verdunsteten bei den rasch ansteigenden Tagestemperaturen. Bizarre Bilder formten die von der Wärme hinauf gedrückten Wolken. In wenigen Minuten erwartete ich die ersten direkten Sonnenstrahlen die bald meine empfindliche Haut zwickte. In den ersten Minuten genoss ich die angenehme Wärme welche herrlich entspannte. Dann als es zu brennen begann, bevorzugte ich einen schattigen Ort. Zweifel stiegen in mir hoch ob ich nicht lieber zurück, in meine alte Welt, gehen sollte. Wo wenigstens Freunde mich sehnlichst erwarteten. Anderseits spukte ein schreckliches Fragezeichen in meinem Kopf herum. Wenn Maximilian lebte, weshalb hielt er sich dann versteckt. Hatte ich ihn irgendwie enttäuscht? Hätte ich ihn damals besser beschützen können? Verliebt und Blind war ich gewesen. Nun machte ich mir langsam Vorwürfe dass ich den Murokrieger nicht angriff. Nach dem ersten Pfeil wäre es mir möglich gewesen. Die Zeit reichte. Nur ich war eben kein Krieger. Dachte und handelte nicht wie einer. Schockiert und fassungslos verharrte ich neben meinem sterbenden Maximilian. Eigentlich blöd! Umso länger ich Nachdachte, verurteile ich mein damaliges blockiertes Verhalten. Wenn ich damals mehr Willen eingesetzt hätte, wäre es vielleicht möglich gewesen die Panik zu unterdrücken und…
Lustlos kaute ich an einem körnigen Bissen der mein Frühstück bedeutet. Würziger Käse, Salatblatt und rustikales Brot. Was einfacheres konnte ich nicht zusammenstellen bei meiner Flucht vor dem Frühstück. Mit den anderen zusammen Essen, sie lachen zu hören. Alles schmerzte wenn ich die eingespielte Harmonie in der Runde entdeckte. Dazu kam, dass ich mich ständig von Dongard beobachtet fühlte. Da bevorzugte ich es lieber hier, auf einem der höchsten Goldsteine, hinauf in den grenzenlosen Himmel zu schauen. Mit einer unerklärlichen Gewissheit wusste ich dass Maxim nicht dort oben ruhte. Das gab einem Trost, Hoffnung weiter zu machen. Das grosse Fragezeichen aufzulösen.
Plötzlich vernahm ich ein entferntes Schnaufen einer fordernden Kraftanstrengung. Verstimmt runzelte ich die Stirn. Eigentlich wollte ich alleine in der Stille mein Essen geniessen. Wozu schickte mir Dongard einer seiner Handlanger? Um mich zum Frühstück einzuladen? Verschwendete Zeit.
Bedächtig setzte ich mich von meiner entspannten Rückenposition auf. Ohne mich umzudrehen erwartete ich den überflüssigen Besucher.
Überrascht hörte ich das ärgerliche Murmeln vom Kommandanten höchstpersönlich. Es klang wie; „ausgerechnet an den höchsten Stellen versteckt sie sich.“
Ja, ja , Dongard ich mache es dir nicht leicht, lachte ich stumm in mich hinein. Ah, endlich empfing ich wieder einmal ein bisschen Freude. Das tat unendlich wohl. Weit weniger begeistert war ich über die fremde Hand, die gut gemeint der besorgte Dongard, auf meine Schultern legte.
Mit einem unwirschen Murren drehte ich mich hastig von ihm ab.
„Safina“, sagte er bekümmert leise.
„Was“, herrschte ich ihn zurück an.
„Du verwirrst mich. Was ist nun wieder los?“ Er stemmte seine Hände in die Hüften.
„Fass mich einfach nicht an“, erklärte ich ihm eindrücklich.
„Ach ja, und warum lässt du dir nicht einfach helfen?“ Setzte sich abwartend auf die Knie hinter mich.
„Hör zu Dongard. Auch wenn du ein beliebter Anführer bist, trotzdem will ich nicht dass du dich bei mir einmischt.“ Gewagte Worte an einen strengen Kommandanten und ich wagte berechtigt nicht mich umzudrehen um seinen verengenden Augen zu begegnen.
„Na hör mal. Anscheinend scheint es dir besser zu gehen, wenn du niemanden brauchst. Du stehst unter meinem persönlichen Schutz darum mache ich mir Sorgen. Besonders wenn du wortlos verschwindest ohne jemanden zu Informieren. Als Kommandant habe ich schliesslich die Verantwortung ein Lager ordentlich zu leiten. Mit meinem gegeben Versprechen, an Maximilian, trage ich sogar die doppelte Verantwortung über dich aufzupassen“, erklärte er ausführlich wie ein strenger Lehrer.
„Dongard“, sagte ich in weichem, beinahe singendem Tonfall. Er sollte sich erleichtert fühlen wenn ich umso schärfer zuschlug. „Weist du eigentlich wohin du deine Verantwortung über mich hinschieben kannst?“ Damit meinte ich in seinen Arsch, oder sollte ich ziemlicher ausdrücken, Gesäss. Erstaunlicher weise reagierte er in keiner Weise. So fuhr ich ein wenig erleichtert weiter, „ Ich vergass dass einige Redewendung aus der alten Zeit in Vergessenheit geraten sind.“
Diesmal lohnte es sich sein hübsches Gesicht anzusehen. Zu verfolgen wie sein fleissiges Gehirn angestrengt arbeitete. In alten Erinnerungen wühlte und fündig wurde.
„Was soll das heissen...Verflixt“, stiess er ziemlich verblüfft aus. „Ich kann es mir denken.“ Damit war seine Zurückhaltung vorüber als er losbrüllte. „Safina !!! Was hast du nur in deiner Welt gelernt. Muss ich dir auch noch Manieren beibringen!“
Oh Mann. Ziemlich aufgebrachter Mann. Musste mir fast die Ohren zuhalten so wie der Schrie.
„Erspare dir das. Ihr lebt hier garantiert nicht wie die Heiligen“, verteidigte ich mich siegesgewiss.
„In meinem Lager ist alles in bester gepflegter Ordnung!“
„Pah, dein Stellvertreter hat mit vier Freundinnen ein Verhältnis gleichzeitig. Das nennst du Ordnung?“ Steif wandte ich Dongard meinen abweisenden Rücken zu. Von hinten blieb es merkwürdig Still. Dann vernahm ich ein leises unterdrücktes Lachen. „Meine Leute meldeten mir ständig dass du unablässig vor dich hingrübelst. Verträumt Löcher in die Luft starrst. Dabei beobachtest du uns die ganze Zeit genau.
Allerdings, du hast richtig erkannt. Wie soll ich anfangen? Safina in unserem Land sieht man dies lockerer. Zuzeit haben wir viele Frauen im Lager. Zwei Jahre Dienst, oder sogar mehr, dass ist lange. Besonders in einem gemischten Lager entwickeln sich gewisse anziehende Neigungen.
Da arrangierten wir eben diese praktische Lösung. Man verstösst gegen keine Regel solange man keine Person anmacht die ein öffentliches Versprechen seinem Partner abgegeben hat. Bisher ist geschlossenes Bündnis nie vorgekommen und die Frauen sind äusserst Zufrieden mit diesem gelockerten Abkommen. Ganz selten entstehen mal kleinere Eifersüchteleien.
Es ist merkbar einfacher mit entspannten Frauen zu arbeiten. Verhilft zu einem bedeutend ausgeglichenem Arbeitsklima...“ Zögerlich fuhr er weiter. „Ich weiss es ist ungeeignet, zu Früh, doch solltest du mal ein Verlangen ...“
Mit erweiterter Pupille ahnte ich da sein gutgemeintes Angebot. Auch seine, wohl mehr Mitgefühl, unterstützende Hand auf meiner Schulter. Bevor er den Satz beendete rammte ich meinen spitzen Ellbogen nach hinten in seine Brust.
Reflexartig wich er aus und wusste vor Überraschung für einen Moment nicht weiter. „Safina“, mahnte er mich.
„Wenn du unbedingt jemanden zum Anfassen brauchst, dann geh gefälligst zu einer deiner Geliebten.“
Er setzte sich ruhig auf die Fersen zurück. „Du musst noch viel lernen. Ab Morgen will ich dich wie die anderen voll im Dienst einsetzen.“
„Was“, entfuhr es mir entsetzt. „Vergebliche Mühe. Ich weigere mich. Ich bin doch nicht einer deiner ergebenen Sklaven!“
Scharf wies er mich zurecht, „Das darf doch nicht wahr sein. Du stehst in meinem Dienst! Wir haben einen mündlichen Vertrag auf den ich ausdrücklich bestehe. Dafür habe ich fast die ganze Mannschaft als Zeugen. Du kannst dich hierbei nicht herauslösen! Keine Sorge, wir beginnen mit dir ganz unten und glaube mir ich bringe dich in eine gute Stellung hoch. Aus dir wird mal was Vernünftiges!“
Er stand auf. Eine Hand hinter seinem steifen Rücken, die andere zu einer Faust geballt. Entschlossenheit seine ganze Energie geladene Haltung.
Als sei es eine beiläufige Kleinigkeit erwähnte ich gefasst, „Ich lege dir viele Steine in den Weg. Verstehst du diese Redewendung?“
Seine Stimme drückte dieselbe lockere Überlegenheit aus, „Was denkst du weshalb ich meine hohe Position ausführe und seit Jahren den Job erfolgreich behalten kann.“ Dann ziemlich eindrücklich scharf, „Ab Morgen wird gearbeitet. Dabei würde ich es vorziehen wenn du das ganze ein wenig Positiver angehst, als einen meiner auserwählten Schüler und nicht geknechteter Sklave.“
Uch, damit hatte ich ihn wohl tief getroffen.
„Und wenn ich streike. Du kennst meinen durchhalte Willen vom letzten Jahr. Da wo ich im dunkelsten Bunker erfolgreich in den Hungerstreik trat. Willst du mich wieder einsperren?“
Das letzte betonte ich zuckersüss.
Das gab ihm schlimm zum Nachdenken. Bis er erfreut ausstiess, „Da habe ich was besseres. Du wünschst dir die vollkommene Isolation. Nicht wahr? Dagegen gibt es was. Solltest du morgen nicht antreten, schleppe ich dich überall hin wo ich hingehe. Ich kette dich sogar an eine Leine wenn es sein muss. Du kennst ja meine übersinnliche Gabe. Körperlich wird dir von aussen kein Leid anzusehen sein. Also, nimmst du morgen FREIWILLIG am Unterricht teil?“
Äusserst raffiniert zahlte er es mir mit derselben Münze zurück. Was blieb mir anderes zu sagen als. „Scheis..“
„Safina,“ unterbrach er scharf und deutlich. Bestimmt hörte man ihn bis zum Lager. Ich verdrehte nur meine Augen. „Mal sehen,“ gab ich klein bei.
Gelassen ging er zurück zu seinen Leuten. Ich habe ihm nicht angesehen wie erleichtert er damals war.


Enthüllungen


Die Enthüllung
Erleichtert schlenderte ich zum verlassenen Wassertrog hinüber. Dabei vermied ich möglichst in eine der unzähligen schlammigen Pfützen zu treten welche meine eiligen Vorgänger hinterliessen. Merkte wieder mal deutlich meine verweichlichte Herkunft. Statt stossdämpfende Hightech Turnschuhe verteilte man mir weiche Lederschule. Obwohl ich diese sogar einer zweiten Ledereinlage polsterte, drückte jeder kleine Kieselstein empfindlich in die weichen Fusssohlen. Das alleine dämpfte meine sportliche Begeisterung auf den Nullpunkt. Jedenfalls was das morgendliche Joggen anbelangte. Schade war es nicht erlaubt in den weitaus stabileren Lagerstiefel Sport auszuüben. Bei Dongard vielen sie bedauerlich in die Kategorie „Bremsklötze“ und er mahnte mich stattdessen wieder mal laut, vor der ganzen Mannschaft, gefälligst die Kleiderordnung einzuhalten. Dementsprechend wenig Motiviert leistete ich meinen sportlichen Beitrag. Ausgerechnet heute wählte der unerbittliche Chef den steinigen Weg durch den schweisstreibenden Backofen. Die morgendliche Frische verhinderte zwar die abschreckende Funktion der wärme speichernden Felsen aber der holprige Talboden beanspruchte meine volle Aufmerksamkeit. Öfters rutschte ich auf dem losen Untergrund und stiess mir dabei heftig die kaum geschützten Zehen an eine der grossen herumliegenden Steine an. Trotz meiner anfänglichen Absicht mich nicht anzustrengen, benötigte ich ungewollt viel Energie. Erlöst, mit Schweissperlen auf der Stirn steuerte ich schlussendlich auf die dringend gewünschte Abkühlung zu. Fast unheimlich still der menschenleere Platz. Einzig ein paar Vögel zwitscherten, für mich nicht sichtbar, auf der rückwärtigen Seite der Steinhügel. Längst verteilten sich die anderen fleissigen Schüler an ihre zugeteilten Arbeitsprogramme. Seit meiner (Entlassung) aus der Anstalt, Inhaftierung einer Einzelzelle, verspürte ich nie wieder so eine fröstelnde Ausgrenzung. Drei Jahre trennten mich von der damaligen Zeit und doch wiederholte sich gerade das unangenehme, schreckliche Gefühl. Man gehörte zu einer Gruppe und … diesmal lehnte ich die Isolation ab. Was ich früher bevorzugte, erschreckte mich heute zutiefst.
Gedankenverloren starrte ich lange auf das trübe, aufgewühlte Wasser das mir die überlegenen Schüler zurückliessen? Als Letzte blieb mir kaum was anderes übrig als sich damit abzufinden. Besser so, als auf meinen besonderen Appetit zu verzichten. Auf eine Diät hatte ich wenig Lust, ausserdem lohnte es sich bei fünf bis sieben Kilo Übergewicht kaum damit anzufangen. Nun zugegeben es wurmte mich ein wenig als letzte in der Reihe abgestempelt zu sein. Vielleicht sollte ich heimlich meine Muskeln mehr auf Ausdauer trainieren. Allerdings fühlte ich mich momentan körperlich Pudelwohl.
Mit dem Handrücken fegte ich über die obersten Wellen. Schleuderte ertrunkene Mücken über den Rand hinaus. Dann erst schöpfte ich nach dem sehr kühlen Nass. Vorsichtig liess ich die Kälte an meine heisse Stirn, langsam über die Wangen tropfen.
Beim Joggen verlor ich schon nach einem Kilometer den Anschluss. Nach zwei Kilometer rasselte mein Asthma los. Den letzten Kilometer verbrachte ich damit meine geplagten Füsse vor grösserem Schaden zu bewahren. Minimum zwei Jahre verpflichtete ich mich diesem Ausbildungsort. Wie sollte ich das ohne meine Kinder durchstehen. Gesenkt hielt ich den Kopf. Obwohl mich bestimmt niemand sah, wollte ich meine aufkommende Traurigkeit verstecken. Zuhause joggte ich öfters. Durchschnittlich zwei Stunden, einmal in der Woche. Immerhin! Dort genügte das den jungen Welpen. Sie bevorzugten alleine, selbständig über die weiche Finnenbahn zu flitzen bis ihnen die Tränen in die Augen schossen. Mit der Stoppuhr mass ich, an der Ziellinie, ihre freiwilligen Erfolge.
Scheppern eines Metalleimers schreckte mich auf. Vertrieb die heraufbeschworenen Bilder. Kühle Tropfen rutschten an meinem Gesicht hinunter, platschten ins breite aufgeschlitzte Fass zurück. Nähernde Schritte und ich staunte nicht schlecht als ich das Spiegelbild unter mir erkannte.
Automatisch, so wie ich es in letzter Zeit lernte, schnellte ich hoch und richtete mich gerade auf. Eigentlich kam ich mir dabei sogar ziemlich dämlich vor so wie in einer Armee zu salutieren. Dongard sah mir gelassen entgegen. Sein lockerer Anzug längst gegen eine tadellose Uniform umgetauscht. Sanfte violetten Augen begegneten meine erwartungsvollen. Glaubte ich doch schon eine strafende Ermahnung für mein Trödeln zu empfangen. Dann erst entdeckte ich das dunkle Handtuch über seinem Arm.
„Für mich“, kam es ganz erstaunt.
Seine Augen lächelten milde. „Für wen sonst.“
„Vielen Dank. Was verschafft mir die Ehre?“
Er streckte mir den Arm entgegen. Sehr unsicher, als ob dahinter eine verborgene Attacke lauerte, zog ich das Frottiertuch herunter. Er merkte mein nervöses Verhalten. Presste freudlos seine Lippen zusammen.
„Wir müssen uns Unterhalten. Du bist schon zehn Tage hier. Länger als je sonst. Also muss ich dich in gewisse Sachen einweihen. Schliesslich gehörst du nun zur Familie und ich will dass du dieselbe Ausbildung erhältst wie alle anderen. Also das was ich dir zeigen möchte fällt unter Geheimhaltung. Von Kommandant zu Lehrling – ist das dir klar?“
„Jawohl“, sagte ich gespannt. Darüber sah er mich schief, energisch an.
„Jawohl was?“ Fragte er mich tödlich ernst. Diesmal sprachen seine zusammengekniffenen Augen eine andere Sprache.
Rasch verbesserte ich mich. „Jawohl, Kommandant“, schrie ich fast über den Platz. Himmel, ich erschrak selber über meine ungewollte laute Stimme.
Erheitert schmunzelte er mich an. „Das brüllen steht mir zu. Also begleite mich ein Stück in die hinteren Hallen!“
Hintere Hallen? Bisher durfte ich nie die hintern, verschlossenen Hallen betreten. Eifrig rubbelte ich mein nasses Gesicht trocken. Legte das Tuch ungeachtet auf den feuchten Trogrand und rannte dem entfernenden Dongard nach. In gemütlichen Schritten schlenderte er über den Kies. Seine schwarzen Stiefelsohlen knirschten über die lockeren Steine. Wie immer hielt ich mich einen Schritt hinter ihm. Den gebührenden Respekt vor dem Kommandanten. Heute schien es sehr ernst zu werden. Anderseits liebte ich diesen Abstand. So konnte man ungestört seine langen, schlanken Beine bewundern und erst das fettlose, knackige Hinterteil in den engen Hosen. Für meinen Geschmack seine Statur eine Spur zu Mager. Fünf Kilo mehr und er hätte die Festigkeit eines geschmeidigen Jaguar. Dann wäre er perfekt und wie Maximilian nirgendwo mehr sicher vor mir.
Beinahe stolperte ich so abgelenkt über einen bedeutungslosen Stein. Er warf ein nachdenklich Schmunzeln nach hinten. Manchmal verdächtigte ich ihn dass er meine Gedanken lass. Oder versuchte sie wahrzunehmen. Mit einer Handbewegung beorderte er mich an seine Seite. „Du hast Angst vor Höhen. Man hat mir gemeldet wie vorsichtig du Leitern benutzt.“ Demnach verriet mich jemand von den anderen. Einer der mich einmal auf einen hohen Wachtturm klettern sah. Nur Angst vor unsicheren Leitern und Höhe auf Dächern ist nicht dasselbe. Doch liess ich Dongard gerne in dem Glauben sofern es mich vor weiteren Leitern fernhielt. Ich nickte leicht.
„Ausserdem kann ich mich gut an die Nacht erinnern, letztes Jahr, als du das erste mal geflogen bist. Freunde dich schon mal mit dem Gedanken an diese Angst abzugewöhnen“, kam es knallhart. Diesem Punkt wollte er durchsetzen. Himmel, für mich war es zwei Jahre her und ich hatte diesen schreckliche Erfahrung weit weg verbannt. Jetzt rief er diese Ängste wieder hoch. Was hatte mein Kommandant vor?
Neben der eingebauten Wohnhöhle führte ein schmaler Weg hinten um den ausgehöhlten Hügel herum. Drei Meter Entfernung trennten die feuchten Blöcke von einander. In der Höhe türmten sie sich auf gute Sieben Meter. Darum hielt sich auch die Feuchtigkeit in den dunklen Seiten fest. Sonnenlicht drang nur kurze Zeit über Mittag auf den mit feinen Steinen ausgelegten Boden. Da und dort wucherte schon überlebensfähiges Unkraut. Einmal entdeckte ich einen seltsamen langgezogenen Kratzer in der Wand als ob eine Fuss mit Krallen den verursachte. Ich rückte näher an Dongard heran.
Dann auf einmal standen wir vor einem hölzernen Tor. Auf den ersten Blick sah es aus wie eine angrenzende Wand, mit all dem getarnten Farbanstrich. Zum ersten Mal stand ich im Lager vor einer gewöhnlich Schwingtüre wie ich sie kannte. Durch eine kleine Türe im grösseren Stalltor trat man in dunkle innere. Dongard spazierte zielstrebig hinein ohne vorher anzuklopfen und tatsächlich bewachte niemand das innere streng gehütete Geheimnis. Unnötig denn kaum trat man ein Schnaubte ein gewaltige Tier im Dunkel. Zögerlich, wachsam trat ich über die Schwelle. Dongard quittierte da mit einem anerkennenden Lächeln. „Sehr richtig. Wärest du ohne Begleitung hier rein geschlichen, kämmst du hier nicht mehr heraus. Darf ich dir unsere liebste, geheimste Züchtung präsentieren.“ Sagte er wie ein stolzer Zoodirektor. Drückte einen Schalter und etwa zehn Fackel flammten automatisch auf. Erhellten die lange Halle mit ihren eingebauten Boxen. In jeder dieser Ausbuchtungen hauste ein „Drachen“, entfuhr es mir Beeindruckt.
„Schieh“, Dongard deutete neben den Eingang wo der eigentliche Wächter getarnt ohne Absperrkette sass. Gespannt äugte der wachsame stattliche Drache besonders mich an. Dabei fühlte ich mich als wäre ich sein nächstes Futter. „Den kennst du ja eigentlich schon. Der hat uns damals nach Mischlin transportiert. Ein Transporter der leichten Klasse.“ Leider schien selbst der misstrauische Drache mich kaum wieder zuerkennen. Für mich selbst blieb er Langezeit als nur ein unheimliches Monster der Nacht. Dongard deutete schon zum nächsten gegensätzlichen Exemplar. Doppelt so verschrumpelt und voller Falten präsentierte er mir Krag. „leider halb blind. Krag, unser ältestes Fossil. Verzeih mir Alter, “ entschuldigte sich Dongard hastig im Nachhinein. „dreissig Jahre alt. Den habe ich damals als ersten gezähmt. Stand nur als Schauobjekt untätig im königlichen Institut herum. Mit ihm ist überhaupt die Idee entstanden Drachen zur Verteidigung der königlichen Stadt Einzusetzen. Darum ist er mit Abstand der älteste. Erst als er sich als zähmbar bewährte begann man mit der eigentlichen Zucht. Dam`tam gilt als zuverlässiger, für Anfänger am besten geeignet ist. Und die restlichen sieben Geschwister die werden hauptsächlich für leichte Transporte eingesetzt. Ach, ja. Sehr wichtig. In der hintersten Boxe sei immer vorsichtig. Di`jon ist mit seinen 2 Jahren unserer Jüngste, er macht uns leider sehr oft ärger. Aggressiv und unberechenbar. Bitte leise an ihm vorübergehen.“ Dongard winkte mich zu sich heran. „immer schön in der Mitte im Gang dort hinten gehen dann bist vor seinen groben Neckereien am sichersten. Nun zeige ich dir noch wo die Arbeitsgeräte stehen und die erkläre dir die Futtereinheiten.“
Ziemlich düster blickte ich den Gang entlang. Das sollte mein morgendlicher Arbeitsplatz sein? Ausmisten und füttern! Nicht gerade erstrebenswert um solche Tiere herum zu putzen welche die Grösse eines Elefanten erreichten. Zudem noch eine Gefahr darstellten. Drachen, Fabelwesen. Dennoch leuchtete ein Funke von Interesse auf. Neugierig fragte ich, „Können die auch Feuer speien?“
Bereits in mehreren Meter Entfernung trat Dongard an eine weitere verschlossene Türe. „Was, nein. Zu gefährlich. Allerdings weiss ich nicht was die Hauptarmee so züchtet. Wir besitzen mit unseren Zehn den Hauptanteil. Es soll aber auch andere geben, hat man mir zugeflüstert, welche durchaus dazu imstande sind. Mit denen umzugehen wird jedoch nie unser Problem sein. Wo hat Monat nur den Schlüssel versteckt. Safina warte mal kurz hier ich geh mal rasch in den Lagerraum.“ Er verschwand hinter der hintersten ausgebesserten Boxenwand. Anscheinend gab es dort noch mal einen engen Durchgang.
Gespenstisch in einem Raum zu stehen mit lebenden Legenden. Die Fackel verstärken die unheimliche Atmosphäre als befinde man sich in einer anderen Zeit. Einzelne Strohhalme raschelten trotz meinen weichen Sohlen. Es roch seltsam, ungewohnt, nach Tieren und frischem Dung. War ich wirklich in der Zukunft oder weit zurück in der Vergangenheit. Es schien so als wiederholte sich die Geschichte mehrmals. Beides war möglich.
Ein schnauben weckte meine Aufmerksamkeit. Es kam aus der berüchtigten hintersten Box. Unschlüssig trat ich mit kleinen Schritten auf das halb dunkle Abteil zu. Mir war als zog mich eine Macht dorthin. Die anderen Drachen schwenkten ihre langen Hälse, verloren bei meiner Geschwindigkeit jedoch bald das Interesse. Dösten oder begann ihr Essen wiederzukäuen. Hoffentlich handelte es sich um reine Vegetarier.
Wirklich etwas zog mich an genau die verbotene Box. Hier versperrte eine starke Kette den Ausgang. Di`jon hielt sich ganz hinten. Als einziger. Auf gleicher Höhe entdeckte ich den jungen Drachen. In der Grösse unterschied er sich minimal von den anderen. Vor allem durch sein ziemlich faltenloses, rundliches Gesicht und den milchigen grünen Farbton seiner winzigen Schuppen. Überhaupt machte keiner der Drachen einen bösen Eindruck, so wie man dass von den gegossenen Drachenfiguren kennt. Di`jon besass nicht mal ansatzweise die zwei Hörner auf der oberen Stirn. Nur beim alten Krag entdeckte ich bis zu Handteller grosse Schuppen. Ausserdem zwei auffällig zurückgebildete Vorderbeine die kaum einen halben Meter massen. Ausnahmslos stand jeder Drache auf den Hinterbeinen. Nun wunderte mich kaum mehr die umständlich langen Boxen. Das brauchten sie um mit ihrem langem Schwanz und der Platte am Ende das Gleichgewicht auszupendeln. Überhaupt unterschied sich auch ihre Flügelformen. Zur Norm band man ihnen die Flügel über dem Rücken mit einem gepolsterten Strick zusammen. Anderen band man mit einem breiten Riemen die Flügel direkt an den Körper fest. Unmöglich dass bei verschiedenen Gewichtsklassen alle einer Familie angehörten. Schade dass man in diesem schlechten Licht so wenige Details bemerkte. Um genau hinzugehen besass ich noch zu wenig Mumm. Höchstens einen einzigen Schritt der die zwei Meter bis zu Di`jons Linie trennte. Einen Schritt von der Mitte auf ihn zu. Innert Sekunden schnellte der Kopf im inneren wachsam nach oben. Wendig trat der kleine Riese an den Ausgang. Bis auf den letzten Millimeter, den die stabile Kette zuliess. Reckte seinen Hals. Hastig wich ich eine Schritt zurück. Gerade mal so dass er mit seinem Kopf eine handbreit vor meinem Gesicht stoppte. Angelegte Ohren verrieten sein Missstimmung. Aggressivität strahlte seine ganze Haltung aus. Nüstern blähten sich und schlossen sich wieder. Auf einmal wich sein Kopf zurück als ob er überlegte. Tat danach so als sei er abgelenkt. Mutig trat ich wieder näher. Irgendwie erinnerte er mich an die grosse, freche Fledermaus vor zwei Jahr. Fledermaus?! Das war bestimmt auch ein kleiner Drache gewesen.
„Warum bist du nur so böse“, fragte ich ihn leise. Sein Kopf schwenkte erneut heran. Liess aber einen gewissen Abstand freiwillig offen. Schnupperte erneut diesmal an meinem Hosenbein. Ehe ich mich versah biss er unverschämt in den Stoff. „He“, stiess ich überrascht auf. Automatisch klatschte ich ihn strafend an die unachtsamen Ohrensegel. Wie vom Blitz getroffen zuckte er zurück. Kam genauso schnell wieder nach vorn um mir zu drohen. Schnell hüpfte ich knapp ausser seine Reichweite. Jedoch keinen Zentimeter mehr. Lausejunge. Das war haargenau der kleine Drache vor einem Jahr der hatte dieselben Flausen schon im Kopf als er mich damals ins Bein biss. Als ich mich halb abwandte streckte mir das freche Vieh sogar seine lange Zunge hinaus. „Na, warte“, flüsterte ich erbost. Ohne Nachzudenken zuckte meine Hand vor und packte die feuchte raue Zunge. Diesmal war er der völlig überrumpelte. Seine Ohren stellten sich ratlos nach vorne. Vergebens versuchte er seine Zunge zurück zu ziehen. Gnadenlos hielt ich sie mit aller Gewalt fest. Mein Zeigefinder zuckte drohte vor seinen ausdrucksvollen Augen. „Merk dir mein lieber Di`jon, mir darfst du nicht drohen. Ich bin der Meister der Streiche und ich finde immer ein Weg mich zu revanchieren. Ist das klar!“
Seine Ohren schwenkten wie geraffte Segel aufgebend zu Seite. Bestätigten seine Niederlage. Schritte neben seiner Box ertönten. Hastig liess ich seine Zunge los. Wischte mir die feuchten Hände rasch an den Hosenbeinen ab. Tat so als sei gar nichts geschehen. Absolut harmlos gelangweilt. Als Dongard mit dem Schlüssel um die Ecke trat. Verharrte er einen Moment. Ahnte für eine Sekunde etwas. Ein scharfer Blick zu Di`jon und der suchte sofort hastig nach einem Büschel Stroh. Nun wurde Dongard noch Misstrauischer. „Was hat er? Normalerweise benimmt er sich nicht so brav.“ Meinte er Nachdenklich als er den kurzen Abstand zwischen der Box und mir ausrechnete. „Egal, komm ich zeig dir das Futter.“
Ausgiebig erklärte er mir meine Arbeit dass ich mich am Ende nur fragte. „Wer kümmert sich eigentlich um Di`jon?“
„Nur ich. Ausser mir getrauen sich die wenigsten überhaupt in seine Nähe. Dabei sollte er jetzt schon vorbereitet werden damit man nächstes Jahr mit ihm starten kann. Mir fehlt einfach die Zeit um ihm die üblen Flausen auszutreiben. Also lassen wir ihn solange drin bis er sich automatisch ruhig verhält. Ausser füttern brauchst du gar nichts mit ihm zu machen. Erleichtert?“
Ich versuchte ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Irgendwie ... mit bedauern sah ich den gestörten Drachen an. Er tat mir einfach leid.

Die nächste Woche verlief in regelmässigen Zügen. Ohne nennenswerte Vorkommnisse. Jeden Tag nach dem Joggen kümmerte ich mich um die Drachen. Innerhalb einer Stunde erledigte ich den Job eher gelangweilt. Dann in den letzten fünf Minuten. Di`jon schon ganz zappelig, begann ich mit ihm harmlos zu spielen. Als erstes benutzte ich ein einen roten Kleber den ich mir auf den Handrücken klebte. Dann genau in diese Hand versteckte ich ein Bonbon aus Karamel oder ein Stück süsse Brot. Schon nach wenigen Augenblicken dämmerte mir wie Intelligent Di`jon war. Er vergass das aufwendige Riechen und steuerte automatisch den Kleber an. Selbst wenn ich auf der anderen Hand einen blauen Kleber zu Verwirrung benutzte er unterschied nach wenigen Minuten Rot von Blau. Dasselbe Spiel versuchte ich auch mit Dam`tam. Vergebens, er blähte nur seine Nüstern und schaltete nie das Gehirn ein. Di`jon war also schon mal sehr schlau. Dasselbe wenn ich Papierkegel auf einen Tisch legte. Wenn ich immer den mit der selben Farbe benutzte fand er ihn nach den anfänglichen Schwierigkeiten. Langsam dämmerte mir auch das Di`jon vermutlich weil er unterbeschäftigt war sich dumme Sachen ausdachte. Jedenfalls mistete ich nach drei Tagen problemlos bei ihm aus.
Besonders liebten wir beide das Spiel mit dem Apfel den ich an einem elastischen Faden band und ihn spicken liess. Wie ein übermütiger Hund polterte Di`jon in der Box herum wenn er versuchte ihn mit dem Kopf zu fangen. Die Flügel selbst band man mit einem Seil, bei allen Drachen, zur Sicherheit nach hinten, unten zusammen. Und die kleinen zurückgebildeten Vorderbeine waren Di`jon bei seiner Fressgier von keinem Nutzen. Mehrmals schleuderte der begehrte Apfel an seinen harten Kopf. Für einen Moment hielt er dann ausser Reichweite, verwirrt ein paar Sekunden innen, um klar wie ein Falke zuzustossen. Seine Ungeschicktheit löste mir manchen Lacher aus. Er erinnert mich stark an meine Kinder. Eigentlich fehlte ihm nur die menschliche Stimme um fast auf ihrer Entwicklung zu stehen. Mit einer ausgeprägten Kommunikation und seiner Intelligenz wäre ich ihm in kürze Unterlegen. So einfach, wirkte Di`jon wie gute Medizin auf mein trauriges Heimweh und er wirkte mit jeden Tag ausgeglichener.
Dongard plante jedoch anderes. Schickte mich nach der zweiten Woche, wohl als gutgemeinte Abwechslung, in ein zweites verborgenes Lager wo sie Dulis hielten. Über diese neue Rasse hatte ich so meine argen Zweifel. Ein mutiertes Maultier kann man diese Schimmel eher nennen. So gross wie ein Pferd, mit schlanken stählernen Beinen, Klauen und meistens mit einem bläulichen Farbton in der kurzen Stehmähne. Ein zäher, ausdauernder Windhund unter den Pferden. Das waren die positiven Eigenschaften. Die schlechten waren leider auch vorhanden. Enorm bissig. Bei denen musste ich höllisch aufpassen. Da war Di`jon direkt ein harmloses Schosshündchen. Launisch. Jeden Moment hatte ich das Gefühl das diese Kraftpakete explodierten. Diesen Job hasste ich. Nach dem täglichen erfüllen meiner Pflicht schlich ich weiterhin zu Di`jon um mit meinem Training fort zu fahren.
Dann fing ein neues Kapitel in meinem Leben an. Was das Autofahren in meiner alten Welt den Horizont erweitert so bedeutete dies in dieser Welt das Fliegen.
Schon vor dem Frühstück warnte mich Dongard das ich nur die Hälfte essen sollte. Deswegen plazierte er mich, bei Tisch, schon an seine Seite, was mir sehr unangenehm war. Lieber versteckte ich mich neben der zwanglosen Ascha oder in die Nähe von Stari. Eine dunkelhaarige Küchengehilfin, mit einem ebenso offenen Gemüt wie Ascha. Auf jeden Fall hütete ich mich davor neben N`toki zu sitzen. Dieses eifersüchtige Bist. Unübertrefflich in der Kampfkunst. Am besten hielt sie mit einem Vergleich von Dulis stand. Jedenfalls was das denken betrifft. Mit ihrem; komm mir gar nicht zu nahe, Getue. Auf jeden Fall erfuhr ich von Ascha dass sie hauptsächlich die Geliebte von Dongard sei oder wahr. Aktuelles war selbst schwierig für Ascha zu erkennen. Denn die beiden, Anführer und Kämpferin hielten ihre Treffen anscheinend immer äusserst diskret. Deutlich jedoch beanspruchte N`toki, die schwarzhaarige Asiatin ihren Dongard eifersüchtig für sich. Jetzt wo Dongard mich beaufsichtigte, das gab natürlich N`toki Anlass für wilde Spekulationen. Sie verachtete mich wie einen überflüssigen Wurm. Wenn ich mal nicht aufpasste in der Gruppe stellte sie mir schon mehrmals einen hinterhältigen Haken oder hämmerte unauffällig den Ellbogen in meine Richtung. Das mit dem gemeinen Haken klappte bei mir nie. Aber die grünen Flecken an meinem Arm hatte ich ihrem heimtückischen Angriffen zu verdanken. Ausserdem hatte ich auch Monat, ein Bürolist, im Verdacht dass er mich mied. Na ja, man kann halt nicht nur Freunde haben. Zwei, drei die auf der gegensätzlichen Seite stehen ist bei einer Gruppe von zwanzig Leuten in Ordnung. Durchaus zum aushalten. Jedenfalls achtete ich schon wer gerade in meiner Nähe Platz nahm und zwischen Dongard und N`toki gezwungen fühlte ich mich alles andere als wohl. Erst Recht als kaum nach der Hälfte des Frühstücks Dongard mir den Teller wegzog. Protestieren durfte ich so vor seinen Leuten kaum. N`toki lachte still vor sich hin als ich entsetzt meinem entschwindenden Teller mit den gierigen Augen folgte. Als ich mich getraute eine Hand auf den Tisch zu heben, funkelten mich Dongard Augen drohend an. Hungrig sah ich den anderen beim Essen zu. Fragte mich, was Dongard mit mir, wieder erneut plante. „Fliegen“, raunte mir der Kommandant zu.
Alleine das Wort reichte das sich der Magen mir halb umdrehte. Dennoch verschwinden durfte ich nicht. Erst wenn Dongard die Tafel aufhob durfte man aufstehen. Kalte Schauder jagten mir über den Rücken.
Fliegen. Zwar kletterte ich früher mit Freude auf jeden Baum. Das sind Dinge wo ich auf meine eigene Kraft und Geschicklichkeit verlassen konnte. Hier sollte ich mich einem Drachen anvertrauen. Seiner Ausbildung.
Bange wartete ich bis sich die Tischrunde auflöste. Die letzten Standen auf als ich mich langsam auch auf die Beine bemühte. Dongard sprach ganz ruhig zu mir, „Safina du bringst Di`jon und Krag nach vorne.“ Sofort herrschte Stille. Alle verharrten mitten in ihrer Bewegungen. Viele Staunten ungeniert mit ihren Blicken auf mir. Natürlich ahnungslos sagte ich gewöhnlich. „Mach ich.“ Denn wenn Dongard etwas aufträgt muss man es irgendwie bestätigen. Damit ich also nicht weiter auffiel verdrückte ich mich rasch in die Gänge. Dennoch achtete ich scharf auf was man so flüsterte.
Di`jon, alleine, Dongard ist verrückt. Ohne Aufsicht. Letztes Mal alles verkratzt.
Warum fürchteten sich alle nur vor diesem einen jungen Drachen. Er hing mir immer mehr ins Herz. Ohne auf die anderen zu achten schlenderte ich zum Stall als sei es ein Tag wie jeder andere. Dabei spürte ich die verborgenen Blicke.
Zuerst band ich dem lieben Krag das Halfter über. Seine ausstrahlende Ruhe färbte allmählich auf mich über. Dann erst holte ich Di`jon. Da er anscheinend sich so im engen Gang draussen fürchtete beschloss ich kurzerhand beide zusammen zu führen. Krag am kurzen Strick vorne und Di`jon am langen hinterher. Etwas aufgeregt und achtsam zog ich den alten Krag hinter mir her. Alles verlief ohne Vorkommnisse.
Vorne wo die Sommmerboxen standen wartete schon Dongard mit seinem Stellvertreter. Dem hing sogar der Kiefer locker runter. Mann ? Was sollte das?
Dongard schmunzelte äusserst zufrieden den schockierten Derek an. „Hab ich doch richtig etwas in die Richtung vermutet. Safina hat Talent mit Tieren. Ein Grund mehr weshalb ich sie zur Fliegereinheit auszubilden wünschen. Noch irgendwelche Einwände.“
Derek schüttelte mit wenig Begeisterung den Kopf.
„Dann nenn mir einen Grund und sei es ein schwacher“, forderte Dongard zu wissen. Um hier und jetzt die Sache sauber abklären.
„Safina bringt Unruhe, “flüsterte Derek gedämpft. Wollte wohl nicht dass ich seine persönliche Meinung hörte.
„Was hat das mit ihren Leistungen zu tun“, flüsterte sein Chef spöttisch zurück. „Wir bilden jeden mit seinen gegebenen Fähigkeiten voll aus.“
„Ich halte es dennoch für ein Risiko. Diese seltenen Drachen sind sehr kostbar, “ öffnete Derek seine Bedenken.
„Seit wann sind Drachen mehr Wert als Menschenleben“, erinnerte ihn Dongard im tadelnden Tonfall.
Seufzend gab sich sein aufstrebender Schüler geschlagen. Hielt inne. „Dongard“, sagte er seinen letzten Mut fassend. „Es wird Ärger geben. Andere sind schon länger hier und warten darauf dass sie eine Flugstunde bekommen. Und sieh sie dir an. Safina will nicht mal eine Flugstunde. Warum... Ich verstehe es einfach nicht.“
Das war mir zu ehrlich. „Soll ich mal kurz verschwinden“, fragte ich höflich den ich wollte keinen in Verlegenheit bringen.
„Nein“, befahl Dongard barsch. „Wir klären das mit den Beteiligten zusammen. Ich habe es satt das so viel hinten herum geflüstert wird. Safina du hast Talente wie jeder andere. Da ich dich für begabt halte zu fliegen bin ich auch überzeugter Meinung dass du es wenigstens versuchen musst. Ausserdem nachdem ich sehe wie du dich um Di`jon bemühst halte ich es für Verdienter als, “ er blickte eindrücklich Derek an. „Diejenigen welche auf der Warteliste stehen !“
Diesmal löste sich der verknotete Frust in Derek auf. Ein Lächeln umrahmte seine Augen. „Danke Kommandant Dongard. Jetzt habe ich es verstanden und ich hege keinerlei Einwände mehr. Als oberster Sprecher der Gruppe habe ich auch mein Bestes gegeben.“
Oh je. Mir leuchtete auch einiges ein. Besonders das es vielleicht ein Verschwörung gegen mich gab. Oder Missgunst weil mich einige für Bevorzugt hielten da Dongard höchst persönlich über mich wachte. Keine schönen Aussichten. Zum ersten Mal verspürte ich deutlich den Wunsch das Lager zu verlassen. Sehnsucht die einmal nicht Maximilian in mir wachrief sondern schlichtes Heimweh.
„Safina, als erstes binden wir deine Haar hinten zusammen. Mir ist egal wie du es machst aber offene Haare sind beim Fliegen aus Sicherheitsgründen...“
Weiter hörte ich gar nicht zu. Befehle, Befehle. Ich wollte nur weg. Wirklich ein mieser Tag. Zuerst muss man mitanhören dass man unerwünscht ist und dann soll man noch gehorchen.
„Safina“, herrschte mich Dongard an. Ich zuckte zusammen. „Ja. Kommandant Dongard, “ sagte ich ziemlich lasch.
„Du wirst mit Drachen arbeiten. Du hast die Kraft und Liebe über sie zu herrschen...“
„Was ist mit meiner Höhenangst“, fuhr ich dazwischen. „Fragt mich keiner ob ich überhaupt das will. Muss ich unbedingt fliegen? Reicht es nicht wenn ich nur am Boden mit ihnen arbeite?“
„Nein“, kam es ziemlich eindrücklich. „Wir machen hier keine halben Sachen.“ Er duldete keinen Widerspruch. Von Derek selber kam auch kein Mitgefühl. „Von jetzt an wirst du dich ausschliesslich um Krag kümmern. Ich bringe Di`jon mal in seine Aussenbox. Er soll zusehen und lernen.“
Ziemlich hastig griff er nach Di`jons Seil. Di`jon hasst schnelle Bewegungen. Innert Sekunden wirbelte der schwere Derek statt nach vorne, abrupt nach hinten. Fein gesponnenes Seil rutschte brennend durch die Finger. Aufschreiend liess er los. Di`jon ein eleganten Satz zur Seite versteckte sich gleich neben dem alten Krag auf die gegenüberliegende Seite.
Ohne grosses Aufheben trat Dongard ruhig neben mich. Langsam näher zu Krag. Fast unerkennbar fasste er mit lockerer Bewegung nach dem Seil. Wie ein geübter Magier mit seinen Tricks. Ein wenig Neidisch sah ich ihm nach wie er Di`jon problemlos zurück in seinen Stall führte.
Derek fühlte sich fast ein wenig Beschämt so zurück gelassen. „Ich hab noch im Büro zu tun. Monat, “ schrie er über den ganzen Platz. Der Bürogummi zottelte mit seinem ungelenkigen Trab über den Platz.
„Monat, erklärte mal Safina den ersten Flugtag.“ Mit finsterer Miene marschierte er entschlossen ins Lager zurück.
Himmel, Nein ! Nicht Monat ! Allein sein fieses Lächeln lies mich schlimmes ahnen. Am liebsten hätte ich mit geballter Faust auf seine grosse griechische Nase geschlagen.
Nein, Gewalt lag mir nicht. Genauso wenig Feigheit. Mein Misstrauen würde einfach alles doppelt prüfen was er sagte damit er mir keinen Streich spielte. Bedauerlicher Weise hielt er sich sehr wortkarg und höchst einfältig dazu. „Krag fliegt höchstens einen Kilometer. Hier ist der Sattel. So schnallt man ihn fest. Das sind Sicherheitsriemen an denen man den Oberschenkel an den Sattel sichert. Falls irgend eine Gurte zuwenig angezogen ist, rutscht das ganze, du fällst und bist Tod. Man lenkt den Drachen über die Zügel. Du musst nur daran ziehen. Wenn es Probleme gib sprich mit ihm. Vielleicht hört er dir ja zu und gehorcht. Noch irgendwelche Fragen. Nein ? Na gut, dann ab in den Sattel mit dir.“
„Und wenn er mir nicht gehorcht?“
„Darin ist Di`jon die einzige Ausnahme.“ Aufmunternd lächelte er mir zu. Es sah zum ersten Mal ehrlich aus oder eine Winzigkeit... Er verheimlichte mir etwas. Zu meinem Erstaunt bildete er mit seinen Händen eine Hilftstufe so dass ich leichter mich nach oben zog. Äusserst behutsam legte ich meine Schuhe in den Bügeln zurecht. Steif und ungelenkig fühlten sich meine Finger an als sie die Sicherheitsgurte um die Oberschenkel zurten. Als ob sie protestierten. Dann rutschte ich unruhig im ungewohnten Sattel herum. Suchte die richtige, bequeme Position. Alles war bereit, klar. Ausser meinem Kopf.
„Mir ist heute gar nicht nach fliegen, “ gestand ich Monat ehrlich.
„Wir wollen doch nicht Dongard verärgern.“ Es klang wie eine versteckte Drohung. Das letzte was ich in diesem nervösen Moment brauchte. Monat trat zu Krags Kopf. Kraulte ihn unter den Ohren. „Es wird bestimmt ein schöner Ausflug“, sagte er zu mir und flüsterte Krag etwas in die Ohren. In diesem Moment wusste ich das er mit dem Streich zuschlug. Was immer er unhörbar sagte, ich würde darunter leiden. Mir blieb keine Zeit mehr.
„Los geht es“, forderte er Krag auf sein Bestes zu tun. Wich schnell vor den ausbreitenden Schwingen zurück. Mordsdinger welche sich den Luftzug untertan machten. Kraftvoll peitschte der Wind um meine Ohren. Krampfhaft hielt ich die Zügel umklammert. Dann setzte sich Krag schaukeln in Bewegung. Unverhofft Ruckartig. Es durchzog ein schmerzhafter Blitz mein Genick. Betäubte mich fast für eine Sekunde. Möglichst Regungslos hielt ich mich einfach fest bis sich Krag endlich mit einem kräftigen Satz vom Boden löste.
Wie ein kleines, hilfloses Schiff auf schwerem Seegang gondelte ich steuerlos in hundert Meter Höhe. Soviel stürmte auf mich hinein. Entfernung vom Boden, der unsichere Halt, die kühle Luft und ein schrecklicher durchgegangener Drache der auf keinen meiner Zügel reagierte. Allerdings wagte ich auch kaum meine Finger vom Sattelpolster zu lösen. Millimeter weit zog ich die weichen Lederriemen heran. Mein Kiefer schmerzte vom festen zusammenbeissen der Zähne. Tränen zwang der ungewohnte strenge Luftzug hervor. Konzentrieren viel mir äusserst schwer.
Auf einmal senkte sich der alte Drachen. Sein Hinterteil schob sich nach unten. Die langen, dürren Beine fuhren herab wie ein Laufwerk. Doch nicht etwa auf den sicheren Boden sondern ausgerechnet auf einem bunten, buschigen Blätterbaum. Erneut quälte ein unsanfter Ruck. Seine Krallenfüsse umklammerten einen der festeren Verzweigungen. Wie bei einem Trampolin federte Krag fünf Minuten rauf und runter. Seine Flügel entspannt halb hängend ausgebreitet.
Ein farbiger Regen trockener Blätter raschelte zu Boden. Unentschlossen fragte ich mich was ich nun überhaupt weiter tun sollte. Da auf einmal durch die Gewichtsverschiebung ausgelöst, schaukelte Krag zünftig fester. Nutzte den Schwung aufwärts, streckte seine Flügel und auf ging es ein paar Meter senkrecht. Holte weit aus, verstärkte den Druck der Schwingen. Allerdings sehr kurz. Merkwürdig kurz. Es reichte kaum auf doppelte Baumhöhe. Sein neugieriger Kopf schwenkte etwas zur Seite. Augen schielten nach hinten. Ich fühlte mich sofort beobachtet und studiert. Es folgte auch das schlimmste.
Sein Hinterteil senkte sich schon wieder. Zuerst freute ich mich den unter uns gab es nur die Goldenen Plattenhügel. Sicher wollt er Landen um sich auszuruhen. Weit gefehlt.
Krag hüpfte wie ein unfähiger Vogel von Stein zu Stein. Sprünge bis fünf Meter Länge. Himmel war ich Froh das mein abgebrochenes Frühstück so knapp ausfiel. Übelkeit plagte mich genauso wie Schwindel. Unentwegt auf und ab. Jeder Knochen schüttelte es. Zähne klapperten. Mein Hintern knallte manchmal hart in den Sattel zurück. Beine scheuerten an den pendelnden Riemen. Steife Arme und taube Finger hielten kaum der Belastung stand. Fünf quälende Minuten, die schlimmsten in meinem Leben bisher, abgesehen von Maximilians Tod, und endlich erlöste mich das alte Schlitzohr mit einem hohen Schwenker nach oben.
Krag peilte bereits den nächsten Baum an. Kurfte in grosszügigen Kreisen hinunter. Von diesem Moment an schloss ich für die nächsten drei Minuten die Augen. Liess mich treiben. Verfolgte die unruhigen Bewegungen. Versuchte mich zu entspannen. Fühlte das unregelmässige Schaukel und passte mich wenn möglich der Bewegung an. Als ich die Augen wieder öffnete war ich ein anderer Mensch. Entschlossen.
Schliesslich lag der dritte Baum schon hinter uns. Mindestens vier Kilometer trennten uns vom Lager. Höchste Zeit was zu ändern.

Entschlossen riss ich die Zügel abrupt nach hinten. Legte zu Kräftigung mein ganzes Gewicht hinein. Sagte zu mir überzeugt. „Ich bin stärker!“
Nach all dem anstrengenden Misten und Strohballen heben der letzte Woche spürte ich schon einen deutlichen Fortschritt. Ich zog und zog, verbissen.
Ziemlich krass senkte sich das Hinterteil von Krag dem Boden zu. Staub und Steine wirbelten auf als seine harten Krallen den Boden aufkratzten. Senkrecht , leicht nach hinten Schräg, korrigierte er mit einem kräftigen Flügelschlag, im letzten Augenblick, sein Gleichgewicht. Ratlos, den langen Hals gebogen so weit es meine Zügel verlangten, stand er auf der Stelle. Senkrecht mit seinem Rücken, wohlgemerkt. Dank meinen Sicherheitsbändern hielt es mich im Sattel fest. Mein schwacher Rücken allerdings gab dem Druck schnell nach so hing ich etwas verärgert nach unten fest. Murmelte stinksauer: „Drachenreiten soll ja so spannend sein. Darum schlagen und neiden mich auch noch die anderen. Ach ja...elender Mist.“
Liess die Zügel behutsam locker. Allmählich senkte sich Krag in die Horizontale. Erleichtert umklammerte ich wieder die Lederriemen fester. Zog auf einer Seite energisch den Kopf von Krag heran. „Krag willst du wirklich Krieg? Ich riegele so lange mir den Zügel bis es dir unendlich weh tut ! Also sei lieber vernünftig. Fliege brav knapp über Baumhöhe damit ich mich an die Höhe gewöhne.“ Etwas argwöhnisch blickte ich in die starren Augenpupillen des alten Drachen. Ob er mich überhaupt verstand ? Ich kam mit ein bisschen blöd vor. Fast als ob man schon im Alter senile Selbstgespräche führt.
Zögerlich liess ich die Zügel locker. Minuten später funktionierte alles bestens. Die herrschaftlichen Rollen vertauschten sich.
„Na, los Krag. Da vorne ist ein interessanter Hügel. Dehne mal deine Flügel etwas weiter aus. Jawohl ! Streng dich mehr an !“
Zwanzig Minuten später gab ich auf. Oder besser ich sah ein dass mein altes Frack das Ende seiner Kräfte erreichte. Mühselig flatterte tief über dem Boden hundert Meter weit, keuchte, strampelte mit den Beinen, holte erneut Anlauf. Er gab sich wirklich Mühe der Alte und dabei lag noch nicht einmal die Hälfte des Wegs auf den Hügel zurück. Kurzerhand legte ich gezwungenermassen eine Pause ein.

Indessen im Lager läutete die Glocke für das fertige Mittagessen. Von allen Richtungen strömten die zwanzig Leute in den unterirdischen Tunnel hinein. Hinein in die gemütliche kühle Stube. Nach einem Arbeitsreichen, warmen Herbsttag genau die richtige Erholsame Pause.
Sobald sich alle mit ihrem Kommandanten hinsetzten begann das heimliche Getuschel. Dongard spürte schnell die ungewöhnliche Unruhe. Deren Mittelpunkt, höchst Ungewöhnlich, der eher unscheinbare Monat , schien. Misstrauisch verengte er seine Augen. Innert Sekunden herrschte Ruhe. Ahnungslos beobachtete er weiter seine sich harmlos stellenden Schäfchen. Ein fragender Seitenblick zu Derek. Der hob kurz seine Schultern. Er wusste auch nichts. Monat landete im kritischen Visier.
Auf einmal atmete Derek aussergewöhnlich scharf ein.
Da fiel es selbst dem letzten auf, das der grösste Esser am Tisch fehlte. Obwohl das vorige Gedeck heimlich von Monat unter der Bank versteckt verschwand.
Dongard begann seinen Teller zu füllen. Er wirkte völlig gelassen nur der Tonfall alles andere als milde „Sie ist hoffentlich nicht in einer gefährlichen Situation?“
„Mit Krag“, rutschte es Monat ungewollt lachend heraus. „Die kommen im schlimmsten Fall höchstens zu Fuss nach Hause.“
Allgemein schmunzelte man über den holperigen Schleicher. Den wollte eh keiner mehr Fliegen. „Monat, Derek in mein Büro nach dem Essen. Den übrigen einen guten Appetit!“ Sagte Dongard unbeeindruckt. Die beiden Schuldig gesprochenen zuckten zusammen.
Begannen zu Essen. Alle ausser Ascha. „Was ist wenn ihr doch was passiert ist? Ihr kennt doch Safina. Zum Essen ist sie immer pünktlich?“
„Ascha,“ fragte Dongard, „willst du morgen Holz sammeln gehen?“
Erfreut lächelte ihm Ascha zu. „Gerne.“ Bei dem schönen Wetter eine leichte Arbeit draussen. Ohne zu lernen, unbeaufsichtigt, das war fast wie ein freier Tag.
„Mach dir keine Sorgen. Safina geht es ....,“ Dongard überlegte kurz. „Entsprechend gut. Soweit ich es fühlen kann ist nichts passiert.“
Alle wussten von seiner übersinnlichen Gabe als Melf. Ehrfürchtig und erleichtert senkten sie ihre Blicke, konzentrierten sich auf ihre Teller.
Monat flüsterte leise, „Sie futtert eh für zwei. Eine Malzeit auszulassen wird ihr nur gut tun.“
Selbst Dongard schmunzelte, „Ausnahmsweise gebe ich dir recht und jetzt lasst uns endlich in Frieden essen.“

Fünf Stunden später. Den letzten Kilometer der mich vom Lager trennte spazierte ich mühsam zu Fuss. Mühsam da ich Krag, mit seinem ausgestreckten müden Hals, ständig hinter mir herzog. Mit der Zeit schmerzten sogar meine Oberarme. Schweiss perlte mir an diesem warmen Herbsttag auf der Stirn. Das obligatorische Fliegerhemd verknüpft mit seinen langen Ärmeln an Krags Sattel und hinten baumelten sogar meine ledernen Stiefel. Welche ich mit einem geflochtenen Seil aus elastischen Grashalmen festband.
Barfuss mit braunen Hosen voller Grasflecken und einem zu weiten, offenen Männerunterhemd, das mal weiss blendete, jetzt aber gräulich abschoss, einem roten BH der über die Ränder hinaus leuchtete und meine perfekten Formen genau schmeichelte, traf ich ziemlich wütend im Lagerplatz ein. Junge Frauen, Mädchen kicherten über mein abgeschossenes Aussehen. Die anderen blieben stehen und gafften. Selbst Derek der einen sauberen Platz wohl zum X- mal kehrte, verschlug es für einen Moment die Sprache. Anscheinend erledigte er diesen interessanten Job damit er nur mein interessantes Eintreffen überwachte. Auf jeden Fall liess er bald einmal seinen Besen in die Ecke fliegen und genauso hurtig verschwand er hinter der Eingangstür.
Als erstes wäre ich gerne hinterher, auch in Dongard Büro um mal laut zu schreien. Doch in den wenigen Tagen Unterricht lernte ich das man in unserer Gesellschaft einige Regeln zu befolgen hatte. Eines davon die übertragene Verantwortung zu beenden. In meinem Fall der mir zu getragene Krag zu versorgen. War mir auch Recht, das würde meine zornigen Gedanken abkühlen. Ausserdem erreichte ich ja endlich mein Ziel. Und ich wollte ein besseres Beispiel abgeben als dieser hinterhältige Monat.
Hunger hatte ich vergessen nur die trockene Kehle plagte mich als ich die heissen Geröllfelder durchquerte. In diesen weitläufigen Talgruben verstärkte sich die gespeicherte Hitze des Mittags doppelt. Zudem lief ich ein paar mal vergebens einen falschen Weg. Mein Ziel, den Hügel, hatte ich nie erreicht. Krag zeigte zwar den Willen aber seine schlaffen Flügel sackten immer öfters zusammen. Obwohl ich seine Kräfte einteilte erholte er sich auf dem Rückweg in keinster Weise. Eine kleiner Fehler in der Orientierung und schon landete ich in der Steinwüste. Ausgerechnet da wo ich von oben die Sicht brauchte brach mir Krag zusammen und mir blieb nur der schweisstreibende Marsch übrig. Ärgerlich auf mich selbst, meine Unfähigkeit, gereizt wegen der verschwendeten mörderischen Zeit in diesem unerträglichen Backofen der unerwünschten Besuch von unserem Lager abhielt und Enttäuschung über Dongard, der sooo perfekte Führung die mir das ganze Einhandelte, kochte in mir.
Da half selbst die schattige, kühle Höhle kaum in der Krags leere Box mit frischem Futter wartete. Nur eine tiefe Müdigkeit überfiel mich plötzlich als ich in das erfrischende Dunkle trat. Vielleicht weil ich endlich mein Ziel erreichte. Für ein paar Minuten verharrte ich vor der geschlossenen Kette, welche verhinderte das Krag aus seinem persönlichen Revier ausbrach. Eigentlich unnötig da er als älteste am besten wusste wo sein Platz hin gehörte. Kraftlos lehnte ich mich für eine schwache Auszeit an den stützenden Pfosten. Da ich kein Licht im Raum entfachte achtete ich besser auf alle Geräusche. Vernahm die Schritte lange bevor sie den Stallraum erreichten. Wusste dass es sich um einen Boten handelte, kannte seine Worte bevor er sie aussprach. Dongard wollte mich in seinem Büro sehen. In seinem Revier, wie ich es bevorzugt ausdrückte. Oder sollte ich besser sagen das man zu ihm kriechen sollte in sein herrschendes Reich. Nur ganz wenige fürchteten sich nicht vor diesem geladenen Raum in dem alle oberwichtigsten, persönlichsten Entscheidungen gefällt wurden. Man kam sich vor als werde man einem strengen Richter vorgeführt. Es widerstrebte mir sehr mich dort einzufinden. Besonders wenn Dongard scharfe Augen einem in alle Einzelteile zerlegte. Dieser Melf besass manchmal einen so durchdringenden Blick das es mich im innersten Mark erzitterte. Trotz seinem hübschen, ebenmässigen Gesicht, diesen Kommandanten Blick hasste ich in seinem Anblick. Für meinen Geschmack besass Dongard einfach zu wenig Humor. Immer total ernst und voll beschäftigt. Keinen Fehler, keine Schwäche zu erkennen. Wie schaffte dieser Mann das nur durchzuhalten ohne draufzugehen. Ich fragte mich wozu er überhaupt sich diesen Stress antat. Für welches Ziel?
Maximilian hatte immer, egal in welcher bedrohlich Situation, ein aufmunterndes Lächeln für mich übrig. Sein Mut, seine Stärke und besonders seine kleinen Schwächen fehlten mir. Seine verzagten sanften Augen als er mich anfangs nicht getraute anzufassen obwohl er sich nichts sehnlichster Wünschte. Bei ihm las man alles aus seinen Augen, seiner elastischen Bewegung. Bei Dongard wirkte alles steif und aus seinem aufgesetzten Poker Gesicht durfte man jede Vermutung einschliessen.
Ich hörte kaum hin als der junge Bote mir die schlechte Nachricht übertrug und sich hastig entfernte. Wieder einmal würden die Buschtrommel heftig wirbeln. Innert Sekunden die Gerüchte Küche brodeln. Die Zeiten standen eh schlecht für mich. Mitten in die halb abgeschlossene Lehre der anderen platzte ich hinein. Stand als einziger Aussenseiter da. Der Gedanke an ein Jahr verschwinden drängte sich auf. Dann wieder erscheinen wenn neue Schüler auftraten um mit ihnen am selben Strang zu ziehen. Komisch .... das überraschte mich selbst...mein nächster unerwarteter Gedanke... Dongard zu verlassen, dabei empfand ich etwas.... bedauern. Woher kam das? Ich meine, ausser seinem blendenden Aussehen reizte mich dieser Kerl gar nicht. Gerne würde ich mit diesem Kerl einmal eine gemeinsame Nacht im Bett verbringen. Aber niemals mit diesem unerbittlichen Lehrmeister eine ernste Beziehung anfangen. Himmel, bewahre mich davor. Anderseits reizte es mich ihn aus seiner geschützten Reserve zu locken. Dieser Melf hielt sich für den Besten im Lager. Das schrie förmlich danach ihn von seinem hohen Sockel zu stossen. Eine Schwäche zu entlarven.
Vergnügt und mit neuer aufkeimender Zuversicht begab ich mich zu meinem strengen Zuchtmeister. Mal sehen. Vielleicht gab es eine neue Aufgabe für mich.

Leere gähnte mir aus dem Vorzimmer entgegen. So wie der Luftzug aus dem Rachen vernahm ich aufgeregte Stimmen die bis zu mir drangen. Klar und deutlich Dongards scharfer Ton. „Monat du bist für alles verantwortlich. Es war deine Aufgabe und du hast sie so lausig ausgeführt. Ich kenne dich, deine zuverlässigen Arbeiten für mich. Warum dieser ... ich kann es nur Leichtsinn nennen. Krag ist ein Drache dem man Vertrauen kann. Trotzdem soll man Unglück nicht herausfordern. Besonders nicht wenn es um unser kostbarste Forschung handelt. So etwas will ich nie wieder von dir erleben sonst muss ich eine klare Bestrafung ausführen.“
Für einen Moment wurde es ruhig. Klar. Deutlich sah ich Gedanklich Monat, mit hängenden Schultern, vor mir wie er sich nicht getraute nun den Mund aufzumachen. Nachdenklich verdaute ich das Gesagte. Demnach büsste Monat für diesen Streich rein gar nichts. Dafür bezahlte er später und zwar von mir persönlich. Irgend etwas raffiniertes fällt mir dazu bestimmt ein. Dongard selbst sollte genauso eine Quittung erhalten. Wieder geladen und trotzdem müde klopfte ich energisch an die Tür bevor mich der Mut verliess. Ausserdem gab die günstige Schweigeminute keinen Verdacht das ich vorher was mitbekam.
„Ja,“ forderte der Befehls gewohnte Kommandant auf sich zu melden. Also trat ich in den weit gefürchteten Raum. Blieb auf der Schwelle stehen um die Aufforderung zu bleiben abzuwarten. Die kam sehr schnell, deutlich, in dem er Monat schickte das Zimmer unverzüglich zu verlassen.
Nun stand ich alleine in dem eigentlich kleinen Zimmer. Acht Meter , vier Meter Breite. Dennoch strahlte es ganz von Dongards persönlichem Reich aus.
„Setz dich,“ bat Dongard mit einem flüchtigen Blick von seinen Papieren gelöst. Ein Menge sammelte sich schön geordnet zu seiner linken Seite, auf dem breiten Schreibtisch.
Aus dem beiläufigen Augenschein wurde nach einem Bruchteil einer Sekunde eine recht lange Musterung. „Hmm... Deine Erscheinung ist wie immer..“
Da platzte mir ungewollt der Kragen. Spürte wie mir das Blut in den Kopf schoss und weg war meine ganze Zurückhaltung.
„Du wagst es noch zu Kritisieren. Mir ist ja schliesslich nicht mal Zeit geblieben mich umzuziehen. Ich habe verflucht noch mal einen verdammten Scheissnachmittag hinter mir,“ schrie ich ausser mir über den Schreibtisch ihn an, worauf er sich schnell im Stuhl zurücksetzte um mich äusserst achtsam betrachtete als sei ich eine Bombe mit brennender Zündschnur.
„Dieser verfluchte Krag ist ja das hinterletzte Vieh. Wenn du mich nochmals mit dem losschickst, ich verspreche dir hoch und heilig röste ich ihn am Mittag als Mahlzeit. Da bricht man sich fast die Knochen, verirrt sich.“ Von da an äffte ich kurz Monat überspitzt nach, „Ach Krag, mach dir keine Sorgen der fliegt nicht weit.“ Schon erhob ich meine Stimme erneut. „der landet auf den unmöglichsten Orten der hat keine Verstand und so was gibst du Anfängern. Ausserdem schafft er nicht mal den lausigen Rückweg. Jedes andere Vieh hat wenigstens Stalldrang oder das ...das. Gefühl wo er zu finden ist...aber Krag ...“ ich formte meine Hände zu krallen als wollte ich Krag mit Genuss den Hals würgen.
Dongard blieb völlig gelassen. „Bist du fertig.“
Mir blieb die Spucke weg in meinem sonst schon ausgetrockneten Hals. „Du,“ brüllte ich erneut los. Wusste das ich ihn kaum damit beeindruckte also entschloss ich eine wirksamere Wendung für meinen Frieden einzuschlagen. „Ich fange erst an,“ sagte ich mit geballtem Ärger gefasst, drohend. „Als erstes mit Monat. Dem drehe ich den Hals um.“ Schon drehte ich mich ab um auf den schuldigen Kerl zünftig zu vermöbeln. Mindesten ein Knochen musste Brechen und wenn es nur der kleinste Finger war. Normaler Weise bin ich in keinster Weise gewalttätig. Aber nach diesem durchstanden Strapazen und ohne Verpflegung über den halben Tag verlor ich irgendwie die Kontrolle. Besonders wenn der Chef noch auf einem herum haken will wegen Missachtung einer unwichtigen Kleiderordnung. Absolut lächerlich. Niederträchtig. Da ich von vornherein wusste das ich gegen Dongard null Chance hatte, kam mir der schwächliche Monat der den Streich eh ausdachte gerade recht.
Allerdings kam ich bloss bis zur Tür. Da zerrte mich ein grobe Hand ,unsanft am Hemd, nach hinten. Verd.., ich hatte vergessen wie schnell Dongard sein konnte. Als ausgebildeter Melf verfügte er eh übermenschlich Kräfte. Trotzdem reagierte ich automatisch mit einem verzweifelten Versuch, mit dem spitzen Ellbogen nach hinten mir Freiraum zu schaffen.
Seine Hand war vor mir schützend vor dem Gesicht. Ohne Gewalt, fast ohne mich überhaupt zu berühren. Es war als schlug ich selbst Schuldig in eine unsichtbare Wand. Als ob man gegen weichen Gummi hämmerte. Etwas federte meinen Schwung ab und ich hatte stark den Verdacht das diese abgemilderte Handlung nur für mich galt. Also hielt ich nach diesem kräftemessenden Akt, und seiner gezeigten Gnade, inne. Funkelte ihn nur bitterböse an. Er wartet bis sich meine Atmung beruhigte, behielt seinen festen Griff bei.
„Setz dich hin.“
Mir blieb keine andere Wahl. Seine berüchtigten Augen und der eben überlegene Beweis. Er begleitete mich zu meinem Stuhl. Ganz ruhig wollte ich allerdings nicht sein, „Wenn du glaubst..“
„Sei still,“ herrschte er mich an. „Du bleibst hier schön sitzen und rührst dich nicht von der Stelle.“
Niedergeschlagen verdrehte ich nur die Augen. Dongard selber verschwand aus dem Zimmer. Ratlos starrte ich auf den massiven Schreibtisch. Erinnerungen stiegen hoch als ich das erste mal vor über einem Jahr zum ersten mal hier als Gefangene eintrat. Damals hatte ich auch gekämpft, sogar mit mehr Erfolg, das ich Dereks Nase brach. Bei so einem überlegenen Kasten brauchte es eine wirksame Jdee und wie damals dachte ich erst später genau nach. In erster Linie wollte ich nur raus um Maximilian zu helfen.
Und nun, was tat ich hier? Mir war vor lauter Erschöpfung zum Weinen. Meine Hände zitterten. Mir wurde in der Stille plötzlich unendlich Müde.
Hastig öffnete sich die Schiebetür. Dongard, dachte ich zuerst verächtlich. Das verächtlich schob ich völlig überrascht weg als ich gewahr wurde das er ein beladene Platte mit köstlichem Aufschnitt bei sich trug. Zu trinken und zwei Handtücher. Ehe ich wusste was geschah legte er das Tablett vor mir auf den Tisch. Ein Handtuch faltete er über meinem Schoss aus, das andere.. Zu meinem Schrecken kniete er nieder um besser das feuchte Tuch um die staubigen, schmerzenden Füsse zu wickeln.
Völlig perplex starrte ich Dongard erschrocken an als er sich mir gegenüber wieder hinter den Schreibtisch setze. Diese führsorgliche Seite an ihm war mir völlig unbekannt. Wie sollte ich darauf reagieren. Hauchte ergeben, „Danke.“ Mehr viel mir nicht ein. Wagte mich auch gar nicht zu rühren, damit der Traum nicht platzte. Er allerdings gab mir einen deutlichen Wink, mich zu bedienen.
Überrascht keuchte ich auf. Wer war das der vor mir sass... dann senkte ich den Blick. Zu Trinken... und weg war die Welt um mich herum.
Wohl eine viertel Stunde brauchte ich damit ich wirklich satt wurde. Erschöpft und zufrieden lehnte ich mich im Stuhl zurück. Ausdruckslos sah Dongard auf das leer geputzte Tablett auf dem höchstens ein paar unwichtige Krümel Brot zurück blieben. „Erstaunlich“, bemerkte er gelassen und mit mehr Interesse, „Und wie geht es dir jetzt ?“
„Gut“, seufzte ich zufrieden.
„Irgend ein Problem?“
Nach kurzem Überlegen gestand ich ehrlich, „Nein, eigentlich keine Probleme mehr. Jetzt darfst du wieder ungestört kritisieren und meckern.“
Es blieb eine ganze Weile ruhig. Gespannt wartete ich seine Reaktion ab. Er faltete die Hände über dem Tisch zusammen neigte den Kopf, so das man nicht in sein Gesicht sah, als er ihn wieder hob sah ich ihn zum ersten mal lachen. Leises lockeres Lachen. „Verzeihung“, sagte er während sich seine Hand eine verstohlene Träne aus dem Auge rieb. „Ich wünschte mir ich könnte mir all meine Probleme so einfach vom Hals schaffen. Safina.“ Er holte tief Luft. „Safina erzähl mir genau der Reihe nach was alles passierte. Wie ging es überhaupt mit deiner Höhenangst?“
Zum ersten Mal fühlte ich mich als wäre ich hier wirklich zu Hause. Setzte mich bequem hin, damit sich mein Gesäss, auf dem harten Stuhl, entlastete und begann das wichtigste in Kurzform zu erwähnen. Interessiert hörte mir Dongard zu. Ein verwandelter Dongard den ich nie zuvor sah. Erstaunlich. Als ich meinen Bericht beendete setzte er sich Nachdenklich in seinem Bürostuhl zurück.
„Gut , ab morgen...Wärst du mit einem Bürojob glücklicher ?“
„Nein,“ kam es ziemlich schnell. In dieser kühler Höhle wollte ich auf keinen Fall eingeschlossen sein. „Lass mich einfach weiter den Stall versorgen.“
„Nein,“ sagte er ausdrücklich entschlossen. „Du hast eine seltene Gabe für Anspruchsvolleres.“
„Bitte, ich will nur eine einfache Arbeit,“ bat ich mit flehenden Augen.
„Nein,“ unerbittlich, „Dann denkst du nur zufiel nach und ich will dich von der Vergangenheit lösen. Du brauchst kreative Beschäftigung. Ich lasse mir in der Zwischenzeit bis morgen was einfallen... Ach ja, Safina !“
Ich horchte sofort auf.
„Geh früh schlafen. Heute brauche ich dich nicht mehr. Du siehst aus als könntest du eine Erholung brauchen...“ Auf einmal kam ihm ein Einfall. Verwarf ihn wieder. „Einmal werde ich dir unseren Baderaum vorführen, oder lass dir von der eifrigen Ascha alles genau erklären was es damit auf sich hat. Du gehörst schliesslich zu Familie und ich teile dich nach Wunsch in eine Gruppe ein. Also wir werden uns jeden Fall morgen wieder sehen. Und Saf, sei bitte pünktlich.“
Mir blieb nur ein Wort hängen. „Baden, was ...ich verstehe nicht ganz. Oh je, ich stinke.“ Daher die vorsichtige ausgedrückte Anspielung.
„Safina, mir geht dabei nur um Entspannung. Lass dir den Rest von der allwissenden Ascha erklären damit du erst Recht keine falschen Vermutungen anstellst. Ach, ja. Da du es schon erwähnst. Ja, man soll meinen Befehlen unverzüglich nachkommen und es ist mir ziemlich egal wie sehr du im Moment.... schlecht riechst. Das nehme ich gerne in Kauf solange man meine Gesetze respektiert. Bis Morgen, dann.“
Damit war ich entlassen. „Bis morgen...Pünktlich,“ murmelte ich beim hinausgehen. Stolperte beinahe über das Tuch unter meinen Füssen. Las es schnell auf und verschwand. Beim schliessen der Türe viel mir auf das Monat mich beobachtete und ein gezwungenes Lächeln aufsetzte. Ich tat es ihm gleich....Ging sein Atem nicht erstaunlich schnell...Hatte er vielleicht an der Türe gelauscht.. Mhm, Monat der Spion. Den behielt man besser im Auge.
Zufrieden und müde begab ich mich zu meinem Quartier. Das Nachtessen hatte ich ja bereits hinter mir und ich beschloss mal Dongards Rat brav zu folgen. Genau da viel mir ein das ich Ascha unbedingt wegen dem Bad befragen musste. Morgen.

Unscheinbar harmlos begann der neue Tag. Wunderschön gefärbt mit einem feurigen Rot am Horizont. Gleich nach dem Frühstück hängte sich Derek an meine Seite. Während die restliche Gruppe vollzählig den morgendlichen Appell durch schwitzte begleitete ich den forschen Derek. Gelassen liess ich ihn Hantieren. Gehorchte widerstandslos seinen Befehlen. Es funktionierte wie ein eingespieltes Team. Wenn auch seine Eile ich für überflüssig hielt. Manchmal bekam ich den Eindruck als ob er sich sogar freute, denn ein kurzes Lächeln huschte über die sonst ernsten Züge. Allerdings versuchte er es zu verbergen. Spinner, wenn ich mich freute, zeigte ich es auch offen. Soll doch die ganze Welt ruhig wissen das es mir gut ging. Warum wollte er es vor mir verstecken.
Rüde drückte er mir die Zügel von Di`jon in die Hand. „Den lassen wir erst oben in der Wiese frei!“
Die anderen Tiere führte er nach draussen und liess sie frei. Wirklich frei sogar die Flügelriemen entfernte er. Wie stolze Schwäne die ihre Stärke präsentierten schwangen die Drachen erst einmal ihre mächtigen Flügel, ohne vom Boden abzuheben. Hüpften übermütig im kleinen engen Hof umher, wobei es sich kaum vermeiden liess das der eine oder andere seinen Nachbarn neckisch zu einem kleinen Machtwechsel aufforderte. Bevor es ernst wurde marschierte Derek mit dem Leitdrachen Krag voran. Aufgeregt sprangen die jungen Drachen hinterher. Als letztes bildete ich das Schlusslicht. Di`jon zupfte mehrmals übermütig am Seil das es mich fast von den Füssen riss. Unheimlich wie dieser halb ausgewachsene Drache schon so eine Kraft besass welche die wenigsten zu bändigen verstanden. Einzig allein die Süssigkeiten, in meiner Hose versteckt, veranlassten ihn aufmerksam an meiner Seite zu bleiben. Von der Schokolade wusste Derek jedoch nichts. Auch ich besass meine Geheimnisse und Tricks.
Steil und enge Pfade führen einen gehüteten Pfad durch die grossen Steinblöcke. Mehrmals hielt Derek auf einem höheren Punkt an um sich zu vergewissern das ich mit Di`jon zurecht kam. Mit dem übermütigen Jungtier war es nicht so einfach. Vieles wurde beschnuppert, oder unachtsam über Steine, Kanten gestolpert, gekratzt. Nach gut einem halben Kilometer wurden wir von den einzwängenden Blöcken befreit. Schon der blumige Duft alleine verriet die kleine Wiese die sich vor uns ausbreitete. Zu der rechten Seite wildes Gestrüpp welches am kurzen Hang in den zwanzig Meter breiten Fluss mündete. Ungeduldig flatterten die Drachen aufgeregt mit ihren Flügeln. Derek drängte erneut zur Eile. Ein schwach ansteigender Weg weiter vorne von gewöhnlichen Felsbrocken umsäumt. Daneben donnerte der Fluss die drei Meter abrupten Höhenunterschied herunter. Ein kleiner schäumender Wasserfall dessen Feuchtigkeit den Duft der Pflanzen verstärkte. Alles was ausserhalb der fünfzig Meter Grenze des Dunstes lag, schmachtet halb verdorrt in der Herbstsonne vor sich hin. Heute versprach es wieder ein unwahrscheinlich heissen Tag zu werden. Gemächlich trottete ich den anderen nach. Oben auf dem Erdwall dann die grosse Überraschung. Dank alljährlichen Überschwemmungen wuchsen hier unzählige Wildblumen auf dem fruchtbaren Boden. Mindestens einen Quadrat Kilometer weit präsentierte sich die schon halb abgegraste Fläche. Auch einzelne zähe Grasbüschel welche die wählerischen Drachen verschmähten wucherten dazwischen. Mein Vorgesetzter beschloss die Gruppe ganz nach hinten in den eingeschlossenen Talkessel zu treiben. Krag blieb an der Spitze während sich Derek bis zu mir zurückfallen liess.
„Verspricht ein heisse Tag zu werden“, begann er mit der Kommunikation. Mal etwas neues. Für gewöhnlich hielten wir uns eher von einander fern.
Ich nickte zustimmend.
„Kannst du schwimmen?“ Er lächelte verheissungsvoll. Nun dämmerte es mir worauf er sich schon den ganzen Tag freute. Hier oben wo der Fluss fast eben mit dem Land floss, ohne das kratzende Gestrüpp, würde es herrlich sein den heissen Nachmittag sich mit einer Abkühlung zu versüssen. Erfreut bestätigte ich seine Frage.
„Wunderbar, denn was jetzt kommt darauf warte ich schon eine halbe Ewigkeit.“
Ehe ich so ganz seine Worte begriff, riss er mir die Zügel aus der Hand. Zwei Meter trennten uns vom Ufer. Di`jon scheuchte durch die schnelle Bewegung zurück und Derek bekam freie Bahn. Nach einem harten Schubs in meine Rippenseite, flog ich hilflos mit rudernden Armen auf die Böschung zu. Feuchter Boden liess meine glatten Sommerschuhe rutschen. Unter anderen Umständen hätte ich es sonst geschickt geschafft mich zu retten, trotz dem überraschendem Angriff. Nur dieser ungünstige Boden versaute mir den Rest. Wie ein geschleuderter Stein plumpste den halben Meter tief, ungebremst ins morgendlich kalte Wasser.
Luftblasen blubberten meinem Körper hoch. Über die Kälte entsetzt brauchte ich eine Sekunde um mich zu orientieren wo ich überhaupt aufzutauchen hatte. Oben schüttelte ich mir erst die Haare aus dem Gesicht. Mit all den Kleidern die sich in den Sekunden schwer zog brauchte ich mehr Kraft als eigentlich geplant. Besonders der Pullover gegen die morgendliche Frische hemmte meine Bewegungen ein. Zudem war ich ein schlechter Schwimmer. Also nichts wie ans Ufer. Allerdings wartete dort ein lachender Derek.
Stetig riss ich die Strömung gegen den Wasserfall. Zögernd rang ich mit mir, denn was Derek nicht wusste, ich hatte panische Angst davor, dass mich jemand unter Wasser drückte. Nach diesem eben heimtückischen Racheakt war das eigentlich sehr gut möglich das er weiter mich zappeln liess. Entschlossen drehte ich ihm den Rücken zu und versuchte an gegenüberliegende Ufer zu schwimmen.
„Hey,“ brüllte Derek herüber. „komm schon hierher. Jetzt sind wir wieder quitt. Das mit der Nase habe ich jetzt vergessen. Safina !“
Ich vertraute ihm einfach nicht. Schon Monat hatte mich verarscht. Derek traute ich das durchaus ein zweites mal zu. Nur einfach weg wollte ich.
„Safina,“ schrie Derek mit deutlicher Angst. Vielleicht schaffte ich es doch ans andere Ufer bevor der Wasserfall mich hinab riss. Je näher, desto schneller der Sog der Tiefe. Nur noch drei Meter, zwei.
Fühlte wie ich einfach in der Luft schwebte. Anders als ein geübter Springtaucher liess ich mich einfach wahllos fallen. Ahnungslos wie ich den Sturz hätte abfangen können. Die Zeit blieb für mich stehen. Dauert das wirklich so lange, dachte ich noch, als plötzlich ein harter Schlag mit die Augen vor Schmerz verdunkelte. Danach dachte ich überhaupt nichts mehr.

Wie lange ich wohl schon so dalag. Halb auf einer hervorstehenden Felsenplatte. Höllisch schmerzte meine Schulter und der restliche gequetschte Arm. So sehr dass ich kaum wagte mich zu bewegen. Nicht mal tief zu atmen. Minutenlang horchte ich in das tosende Wasser hinaus ohne mich zu rühren. Meine kalten Beine, schon mein gekrümmter Rücken hing in den fallenden Vorhang hinaus. Literweise schüttete es kaltes Wasser stetig an mir hinunter. Grund genug endlich meine unbequeme Stellung zu ändern. Sofort als ich das Körpergewicht verlagerte rutschte ich automatisch den schiefen Stein hinunter. Vollkommen in den Fluss zurück. Dennoch ein letzter Blick verriet mir das es hinter diesem nassen Vorhang eine grössere Einbuchtung in den Felsen gab. Eine Höhle ?
Erneut schlug das Wasser über meinem Kopf zusammen. Diesmal liess ich mich von der Wassermasse treiben. Schnell kam ich nach oben. Wobei ich zuerst nur meinen rechten Arme zum Schwimmen gebrauchte. Alles andere tat zu weh. Erst nach einigen Minuten zwang ich meine geschundene Seite zu einer schwachen Aktion. Endlich erreichte ich das Gestrüpp wo ich ausnahmsweise mich gut an den hängenden Zweigen festhielt. Liess meine Seite abtreiben das mich alleine das Netz der Äste auffing. Mit meinen Schuhen fand ich Halt zwischen den Wurzeln. Mehrmals blieb ich mit meinem tropfenden gedehnten Hemd irgendwo hängen. Es dauerte eine Ewigkeit bis ich endlich frei kam. Zittern stand ich schliesslich in der morgendlichen Frische am sicheren Ufer. Verstört. Was sollte ich als nächstes tun. Dongard Benachrichtigen. Das verwarf ich mal lieber, denn wenn er sich ärgerte ging er auf die anderen los, die wiederum liessen es mich büssen. Verflixter Kreislauf.
Müde da ich letzte Nacht auch nicht besonders schlief, von Maximilian träumte, Traurig, weil ich nicht wusste wohin ich mich nun wenden sollte stand ich wie ein verlorenes Schaf da. Das wurde mir selber Bewusst und ich sagte mir ernst; das muss endlich aufhören.
Wütend, schon besser, stampfte ich auf Lager zu. Diese verfluchte hinterhältige Bande hing mir aus dem Hals. Maximilians alte Hütte im Sumpf viel mir ein. Ein sicherer abgelegener Platz um sich zu erholen. Irgendwie würde ich es schon schaffen. Da gab es ja Dulies. Genau so einen besorgte ich mir. Sorgsam achtete ich darauf dass niemand mein peinlichen durchnässtes Erscheinen entdeckte. Wusste ja wo die Posten einfach zu umgehen waren. Huschte wie ein Schatten über die Steinwände ohne den direkten Pfad zu benutzen. Im Stallgebäude selber arbeitete niemand mehr.
Zwanzig Minuten später sass ich zum dritten mal auf einem waschechten Dulie. Das knochige Fundament schüttelte einem bedenklich. Tapfer hielt ich mich im rutschigen Sattel fest. Schuld daran besonders die feuchten Hosen welche das Leder aufweichte. Umzuziehen blieb mir keine Zeit. Ein ausgefranster Sonnenhut aus Stroh, gepolsterte Wolldecke, scharfes Messer und wichtig Streichhölzer das reichte mir völlig. Maximilians hartes überlebenstraining hatte mich gelehrt auf überflüssiges zu Verzichten. Eigentlich fehlte nur eine speichernde Wasserflasche, da ich genügsamer als viele andere Menschen war und mit einem Glas pro Tag spielend eine Woche auskam, versuchte ich es gar nicht erst mit einem überflüssigen Abstecher in die Küche. Dort würde nur Stari an Vorbereitungen des Mittagsmahls arbeiten. Sobald sie anfinge mit mir zu plaudern wäre mein Willen zur Flucht gestrichen. Nein, jetzt oder nie. Ich schaffte das, mit Überzeugung, auch ohne Dongard.
Erneut auf Umwegen zwischen den trockenen, steilen Hügelzonen schmuggelte es sich herrlich mit einem unübertrefflichen trittsicheren Dulie. Wie eine elegante Gemse spazierte er an den Hängen quer entlang. Selbst zu Fuss hätte ich enorme Schwierigkeiten an diesem Steilhängen. Mehrmals schloss ich entsetzt die Augen ab der schnellen Tiefe zu meiner rechten Seite. Furchtlos mit ungeheurem Vorwärtsdrang stapfte das kräftige Tier durch trockenes Gras, sowie lose Steine. Falls er mal stolperte fing er sich geschickt. Dagegen schaukelte ich mehrfach in schiefer Seitenlage.
Sobald die nasse Kleidung einigermassen trocknete schwitzte ich vor Anstrengung auf diesem wild schaukelnden Kamel. Höllisch schmerzte meine Oberseite. Ja, ja meine Hinterteil selbstverständlich auch. Fluchte unbeherrscht, hier draussen hörte mich eh keiner. Hieb meine Faust unbeherrscht an eine Felswand um mich durch erträglich Schmerz abzulenken. Trieb weiter meinen unsicheren Dulie an, der ab meiner Schwäche mehrmals einfach stehen blieb, wartete das ich mich einigermassen erholte. Merkwürdig sonst sind Dulies alles andere als liebenswürdig. Es gab mir bedeutsam zu denken. Die Sonne brannte eh ihre unerträgliche Strahlen herunter, also hielt ich unter einem schönen buschigen Birnbaum an. Selbstverständlich auf der Schattenseite. Blieb ab der Müdigkeit schön bewegungslos im Sattel. Lehnte mich befreit, erschöpft an den rauhen Stamm. Vorher achtete ich das ja keiner der Ameisenbahnen in meiner Nähe krabbelten. Mir reichte meine geprellte Seite, da benötigte ich keinen weiteren Anreiz durch Ameisensäure. Friedlich stützte ich meinen Kopf ab. Schloss die Augen. Eine hungrige Amsel wühlte im niedrigen Gras nach Insekten. Frösche quakten in der Ferne. Ah, das bedeutete eine eher sumpfige Wasserquelle. Ein Weiher in dem vielleicht mit etwas Glück ein paar grosse Forellen tummelten. Allmählich plagte mich mein leerer Magen. Einzig meiner geschundenen Seite liess mich das nötigste Vergessen.
Schritte, scharfe Zehentritte. Müde entdeckte ich einen einfachen Bauern mit einem Packesel und einen leicht behinderten Gefährten. Ungelenkig marschierte der junge sabbernde Bursche hinter dem Esel her.
Um ein seriöseres Bild zu bieten schwang ich mein Bein vorne über den Sattel und rutschte an der Seite hinunter wo ich nicht in Gefahr lief den harten Stamm zu streifen. Steif hantierte ich unauffällig mit einer Hand am Sattel. Tat so als sei ich beschäftigt. Grüsste mit einem Nicken das ausdauernde Pärchen das sich von der gleissenden Sonne nicht unterkriegen liess. Genauso achtlos schlenderte der Bauer weiter. Sein nicht gerade helle Geselle grüsste schon ausgiebiger, wünschte mir einen herrlichen Tag. Den konnte ich wirklich noch gebrauchen. Erfreut gab ich seinen Wunsch zurück. Einige Meter marschierten die beiden weiter. Der Bauer hielt an, ohne sich umzudrehen. Horchte.
In diesem Moment zuckte mich eine weit grössere Furcht ins Herz als der Schmerz im Arm. Verflixt, es war passiert. Unfassbar. Die Worte mit denen ich mich mit dem Halben Irren unterhielt, ich verstand sie...eine anderer Sprache... aus einer anderen Zeit. Ein bekannter früherer Irrer aus meiner Anstalt ? Bekannt kam mir das Gesicht nicht vor, doch nach dem Halt winkte er verdächtig fröhlich. Als ob er jemanden trifft der ihn endlich versteht. Meine Stirn schlug über die eigene Dummheit an den harte Sattel. „Verdamm...,“ beherrschte mich im letzten Moment. Heute ging aber auch alles schief. Aufmerksam visierte der Bauer mich an. Scharfe klare Augen die einen hohen, aussergewöhnlichen Verstand verrieten. Kalter Schweiss rann über meinen Rücken. Das war kein gewöhnlicher Bauer sondern ein höher gestellter Bewahrer. Erneut hämmerte ich meine feuchte Stirn aufs Leder. Wirklich sehr scheussliche heute die angehäuften Überraschungen. Bisher kannte ich nur harmlose Bewahrer die ihre Gesichter verbargen. Dieser hier trug seine Kapuze unten. Gepflegte halblange dunkle Haare in einem mit leichten Falten gezeichneten Gesicht das einem Mann ende Vierzig gehörte. Schmales lang gezogenes Gesicht, hager seine dünne Gestalt. Dennoch seine kräftigen Schritte besagten das beim langjährige Reisen sich da einige Kräfte ansammelten.
Zum Kämpfen fühlte ich mich überhaupt nicht aufgelegt. Mal sehen vielleicht schaffte ich es mit Reden. Höflich grüsste er erneut, diesmal streckte er mir die kräftige Hand entgegen. Einige Blutbahnen zeichneten sich deutlich ab. Schlimm, ein Bewahrer mit hohen Erwartungen. Einer der sein Amt Gewissenhaft führte und seine Position nicht mit Bequemlichkeiten ausnutzte. Meine Verlegenheit viel mir schwer zu verbergen. Sein kräftiger Händedruck selbstbewusst.
„Sie verstehen ihn,“ fragte er vorsichtig höflich. Dabei plagten ihn mehrere Hintergedanken. Ein schlauer Fuchs erkennt einen anderen. Daher riskierte ich nicht direkt zu lügen. „Selbstverständlich. Mehrere Sprachen, darunter diese eigentlich längst vergessene.“ Nachdenklich versank der Bewahrer in einer schweigende Minute. So wandte ich mich an den Spinner. „Was haben sie dir versprochen, auch eine Insel?“
Er fuchtelte mit seinen Armen winkend vor meinem Gesicht. „Du versteht mich, du verstehst mich. Ich will meinen Traktor. Ich hab Gold gesehen...“ er sah nachdenklich hoch in die Luft, deutete danach auf sein Handgelenk und Hals. „Da, und da. Wo ist mein Traktor?“
„oh je,“ seufzte ich. „ Bewahrer, wo haben sie den gefunden.“
„In einem abgelegenen Dorf. Sie haben ihn für schwere Arbeiten ausgenutzt und abends angebunden damit er nicht flüchtete.“
„Was haben sie mit ihm vor?“
„was würden sie tun?“
„Vermutlich da lassen wo sich Leute um ihn kümmern. Auch wenn es nur für schwere Arbeit ist.“
Grausamkeit vermutete er wohl nicht hinter meinem lächelnden Gesicht. Meine direkte Aussage schockierte ihn sichtlich. „Nun, ich dachte ich bringe ihn mal zum königlichen Palast damit ihn sicher einer wenigstens Versteht. All die vielen Gelehrten. Nur frage ich mich ob es nicht besser ist etwas wichtigeres Abzuliefern.“
Kurz verzehrte ich meine bisher freundliche Fassade zu einem übertriebenen Grinsen. Machte keinerlei Anstalt zu fliehen. Selbstverständlich wusste dieser erfahrene Bewahrer längst dass ich einst auf der obersten Liste für dringend Gesuchte stand. Schliesslich bin ich zu stolz auf meine ungewöhnlich seltene Haarfarbe als das ich sie färbte. Rötliche Haare gab es hier noch seltener als damals zu meiner geborenen Zeit.
Standhaft wehrte ich mich gegen seine höfliche Ankündigung. „ Nun das ist schon über ein Jahr her. Seither änderte sich viel. Oder haben sie schon vergessen das man mich längst nicht mehr sucht.“ Ein gewagtes Spiel einfach so ins Blaue zu spekulieren. Bewahrer sind lange, teilweise mehrere Monate unterwegs, da könnte es doch passieren dass der aktuelle Stand sich veränderte.
„Wirklich? Meinen Informationen zufolge hat der Aufruf an keiner Verjährung eingebüsst!“ Hartnäckig wie jemand der nicht mit sich Verhandeln lies sah er mich an.
„Was soll das? Wenn sie kämpfen oder mir nachrennen wollen haben sie sich die Falsche ausgesucht. Es wird Zeit das sich dieser schreckliche Irrtum klärt. Letztes Jahr, ja da wollte ich unbedingt in Freiheit bleiben damit ich und mein Freund eine Zukunft hatten.
Heute stehen die Dinge wieder komplizierter, aber ich bin nicht und werde auch zukünftig kein Feind... unseres Königs sein.“
Eindrücklich liess ich ihn einen tiefen Blick in meine Seele gewähren. Man erzählte mir dass einige Bewahrer auch Hellseherische Fähigkeiten besassen. Aufrecht duldete ich seine durchdringenden Augen. Anscheinend gefiel ihm was er sah. Mit einem leichten Nicken zog er sich zurück. Faltete die rauhen Hände ineinander. „Dann sei Friede mit dir.“
Bevor er sich abwandte riet ich ihm, „lass ihn ja nie unbeaufsichtigt!“ Deutete auf seinen Begleiter der weiterhin verträumt Löcher in die Luft starrte.
Annehmend nickte der Bewahrer.
„lass ihn auf keinen Fall in die Nähe wo man ihn gefunden hat! Er wird versuchen zurück zu gelangen.“
Die staubigen Sandalen blieben auf dem heissen Boden haften. Interessiert kehrte der Bewahrer zu mir zurück. „Wozu diese aussergewöhnliche Sorge ?“
Mir zuckte ein Mundwinkel nach oben. „meine Zukunft hier ist noch nicht beendet. Es besteht noch Hoffnung das ich meinen Freund finde, obwohl mein,“ ich verdrehte verabscheuend die Augen, „Chef mir weismachen will er sei gestorben. Erst wenn ich Maximilians Grab finde gebe ich Ruhe. Das kann jedoch eine Weile dauern.“
„Wie heisst dein Chef?“ Bemerkte sofort meinen Widerstand und fügte hinzu, „Es kann mein Urteil nur bestärken dich nicht zu verraten !“
„Glaube kaum das er sich freut, sollte ich seine Unterstützung verraten. Ausserdem will ich sein Rang als Kommandant nicht gefährden. Sie verstehen?“
„Du beschützt ihn. Weswegen ? Du bist ja jetzt von ihm davon gelaufen.“
Schüttelte leicht meinen Kopf, „nein, nicht direkt vor ihm sondern vor seiner fast ausbildeten Mannschaft. Es ist der falsche Zeitpunkt mich ihnen anzuschliessen. Zuerst suche ich meinen Freund dann kümmere ich mich darum das ich mit anderen zusammen den Anfang in diesem Ausbildungslager richtig beginne.“
Er begab sich in den Schatten neben mich. „Du willst also zurück, später?“
„ich denken schon. Wenn er mir nicht allzuviele Schwierigkeiten macht.“
„Dann möchte ich mal mit ihm reden.“
Beeindruckt sah ich ihn an. „mit.. dem Kommandant. Der macht jeden zur Schnecke. Sparen sie sich ihre Zeit für was nützlicheres.“ Lehnte mich allmählich erschöpft an den Stamm zurück.
„Wie schlimm ist es?“
Mürrisch sah ich ihn an. „ Ich komme schon klar. Erträglich.“
„Darf ich?“
Entsetzt zuckte ich einen Schritt zurück. Starrte ihn einen Moment finster an und gelangte zu dem vernünftigen Entschluss dass er Ungefährlich sei. Entspannt verlagerte ich mein Gewicht auf ein Bein. Gewährte ihm die Erlaubnis mit deutlicher Furcht, Überwindung in den Augen. Schlimmer konnte es eh kaum werden. Gemächlich schlenderte er um mich herum. Faltete seine weiten Ärmel zurück. Die von der Sonne gebräunte Arme hatte ich nicht erwartet. Behutsam berührten seine Handflächen meine Schultern. Überraschender Weise blieb mein sonst nervöses Zucken aus. Einzig ein kühler Schauer jagte über mein Unterarme. Feine Häärchen stellten sich ab dem ungewöhnlichen Energieschub auf. Wärme dagegen breitete sich in meiner verletzten Stelle aus. Verwundert schielte ich nach hinten. „Sie haben doch keine Melfischen Verwandten, oder?“
Er drückte meinen Kopf gerade, verbesserte zudem meine krumme Rückenhaltung. „man muss kein geborener Melf sein um heilende Fähigkeiten zu besitzen. Viele Vergessen das diese überlegene Rasse einst aus uns einfachen Leuten entstanden ist. Kein Grund sich davor zu fürchten.
Allerdings kann ich nicht alles so gründlich Heilen wie ein ausgebildeter Melf. Bei mir dauert es bedeutend länger...“
„ich habe heute alle Termine abgesagt,“ sagte ich erleichtert über das verschwinden des Lästigen Pochen in meiner Schulter. „Mhm, es wirkt tatsächlich. Ohne das Singen zu hören fühlt man sich viel weniger Manipuliert.“
„Demnach hat dein Kommandant seine angeborenen Fähigkeiten schon mal bei dir eingesetzt ,“ stellte er vergnügt fest.
„D... ja gelegentlich. Meistens weil ich Schlaf benötigte und schlecht meine Nervosität abstellten kann,“ rettete ich mich in letzter Sekunde. Dongards Name war mir allgegenwärtig. Seine eindrückliche Autorität lies sich kaum verdrängen. Himmel, ich sehnte mich fast nach seiner eingeschränkten Sicherheit, im finsteren Bunker.
Flügelschlag schreckte mich aus meinen abwesenden Träumen. Sofort strafte ich meine Schultern. Wachsam suchten meine Augen den wolkenlosen Himmel ab. Zog den auffälligen Duli näher unter das dichte Laubdach. Dabei verspürte ich in meinem Arm nur einen schwachen schmerzlosen Protest. Dankbar blickte ich meinen erfreuten Begleiter an, wechselte jedoch rasch in eine kriegerische Abwehrstellung als ein mächtiger Schatten über die Felder streifte. Unverkennbar ein fliegender Drache. Zutiefst Bewundernd beobachtete der Bewahrer den ungewöhnlichen Anblick. Steif, zitternd drückte ich mich an den Stamm. Betete verzweifelt das grüne Blättermeer möge das helle Fell des Dulies verschlucken. Dongard war wohl verrückt mit einem geheimen Drachen in aller Öffentlichkeit nach mir zu suchen. So viel Aufmerksamkeit war ich doch überhaupt nicht wert. Lauter peitschte der schwere Flügelschlag. Es klang fast müde, soweit ich das mit meiner weniger Erfahrung diagnostizierte. Schwerfällig näherte sich der riesige Schatten. Vergrössernd beim ausbreiten der riesigen Flügel. Nervös schnaubte mein Dulie, kratzte mit den harten Zehen ganze Grasbüschel aus der trockenen Erde. Zitternd zerrte der aufgeregte Esel den kräftigen Gesellen Meterweise in die gemähte Wiese hinaus. Heulte wie ein heiserer Hund der seinen letzten Untergang befürchtete.
Vielleicht lag es daran oder einfach die faszinierende Neugierde. Jedenfalls umkreiste der Schatten in einer engen Rundung um den Baum. Landete ziemlich ungewöhnlich abrupt in rasenden Sturzflug auf dem Stoppelfeld. Dichte Staubwolke wirbelte bei dem Luftzug auf. Schweres Gewicht löste ein schwaches Erdbeben aus, sosehr das die reifsten Birnen wie kleine Bomben auf den Boden schmetterten.
Meine Hand streifte über traurigen Augen. Tatsache lies sich nur feststellen das einer von Dongards Leuten mich aufspürte. Aufgebend wagte ich mutlos einen Blick über den Stamm hinaus. Merkwürdig. Der Drachen landete mit dem Rücken abgewandt so entdeckte ich das keiner auf seinem Rücken sass. Sogar ein Sattel fehlte. Wer liess einen wertvollen Drachen unbeaufsichtigt los fliegen. Dongard bestimmt als letzter. Ohne mich überhaupt zu beachten putzte er mit seinem Kopf über den Staub bedeckten Rücken. Streifte sich die kratzenden, ausgetrocknete Grashalme hinunter.
Der Bewahrer wagte sich nicht zu bewegen. „Wenn wir uns still verhalten wird er uns bestimmt verschonen. Einfach ruhig bleiben und bitte nicht schreien...“
Mit Humor sah ich seine verzweifelte Angst. Tat etwas was ihn absolut schockierte. Winkte mit meinem Arm. Abrupt hielt das scharfe Auge des riesigen Kolosse inne. Schwerfällig schwenkte er herum um besser zu sehen.
„Bist du wahnsinnig,“ fauchte mich mein entsetzter Begleiter an. Ich erwartete jeden Augenblick das er mich ansprang um festzuhalten. Also hielt ich mich Still.
Laut schmetterte der Drache seinen Ruf hinüber. Es hallte in den Wäldern hinter uns sein verzehrter Nachruf. „Di`jon komm her,“ rief ich dem einsamen Zögernden. Vermutlich erwartete er eine strafende Predigt über seinen unerlaubten Ausriss. Reumütig trat er einen unsicheren Schritt rückwärts. „komm her. Es freut mich dich zu sehen.“ Öffnete meine Arme. Was ich schnell bereute. Wie eine geladene Pistole sprintete der erleichterte Di`jon auf uns zu. Kreidebleich stellte sich der Bewahrer hinter mich als ob ich sein Schutzschild bedeutete. Wenigsten erriet er das mir keine Gefahr drohte. Allerdings riss mir der in Panik geratene Dulie die Zügel aus der Hand. Raste in gestrecktem Galopp heimwärts. Dem störrischen Esel erging es gleich, schloss sich seinem grösseren Gefährten an. Beide verschwanden auf dem selben Weg. Laut schreiend folgte der Irre.
Mir drohte ein anderes Schicksal. Aufgeregt mit seinen Flügel flatternd schossen mir davon Staub und Kieselsteine scharf um die Ohren. Ausserdem zermatschte eine der saftigen Birnen auf meinem Kopf so wuchtig das mein Bild vor Augen flackerte. Bevor ich die Arme abwehren hob schoss Di`jons grosser Kopf nach vorne. Besorgt schnappte er ausserordentlich geschickt nach der süssen Frucht bevor sie sich tiefer in meine Haare verteilte. Als seine lange Zunge den zuckerigen Leckerbissen schmeckte zermalmter er sie genüsslich. Erneut schoss sein Kopf vor, schnupperte, hauchte mir seinen warmen Atem ins Gesicht. Prüfte meine Personalien. Leckte, zupfte mir an den gesüssten Haaren. Erleichtert klopfte ich lobend seinen Hals. „Schön hast du mich gefunden. Wirklich das hast du gut gemacht. Brav.“ Nie sah ich ein Tier mit diesem bewegten Ausdruck. Gewiss sie deuten unsere Stimmlage, doch bei Di`jon grenzte es an ein bedeutende Erkenntnis. Seine ausdrucksvollen Augen schlossen sich. Genüsslich rieb er seinen Kopf an mir und ich benötigte alle Kraft um mein Gleichgewicht zu halten. Testend knabberte er meine Hemd an worauf ich schleunigst sanft seine Ohren rieb. Erfasste die Warnung, hielt mit seinem Knabbern inne und richtete sich erwartungsvoll auf.
Meine Besorgnis galt zuerst dem Bewahrer der sich an sein Herz griff.
„Sie tun gut daran. Ohne meine schützende Anwesenheit ist dieser ausgerissene Schlingel unberechenbar. Aber so brauchen sie wirklich keine Angst zu haben. Di`jon hat eine Menge Respekt vor mir. Aus gutem Grund. Wir spielen beide gerne Streiche.“
Nach dem erstaunlich schnellen Erholung wuchs die Besorgnis des Bewahrers über seinen entflohenen Gesellen. „Was ? Jetzt ? Wir sollten ihm nach !“
Es bedeutete das ich selber den Rückweg antrat. Musste ich wirklich zurück ? Gab es keinen anderen Ausweg ? Mit einem Dulie erregte ich schon teilweise unbeliebte Aufmerksamkeit. Wer bediente schon die königlichen Boten gerne die selten Hilfe als Gegenleistung boten. Ständig reisten sie unter Zeitdruck. Nahmen und verschwanden im Dienste der Regierung, die geizig Tauschte.
Mit einem furchterregenden Drachen brauchte ich gar nicht erst eine besiedelte Gegend zu überqueren. Man würde mich aus Furcht angreifen oder meiden als verteilte ich schlimmeres als die Pest. Anhänglich würde Di`jon mir überall hin folgen. Unmöglich ihn allein nach Hause zu schicken. Das verstand er nicht nachdem ich als einzige ihn richtig Beschäftigte.
„Okay, gehen wir nach Hause. Auf mich kann Dongard verzichten aber Di`jon wird er bis ans Ende des Königreiches verfolgen.“
Traurig tätschelte ich den langen Hals der neben mir vorbeizog. Sofort packte ich nach dem kurzen Halfterstrick, zog Di`jon warnend zurück damit ich nicht gegen seine breiten Flügelknochen prallte. Wie ein braver Hund folgte er meinen Anweisungen. Der Bewahrer selber hielt sich im sicheren Abstand ausserhalb der Flügelspannweite. „suchen wir einen Fluss, es wird bald Abend,“ riet er mir. Vielleicht würde seine Anwesenheit mich vor Dongard Zorn beschützen oder wenigsten ein bisschen Ablenken. Hoffte ich sehnlichst.

Neuer Anfang



Neuer Anfang

Bis an die Grenze meiner Kräfte erschöpft, strebte ich am Morgen die grösste mögliche Entfernung vom Lager an. Mitten im heissen Nachmittag lag ich kraftlos im weichen Waldboden. Neben mir harrte hartnäckig der Bewahrer aus. Damit zu hoffen das er einschlief und ich mich davon schlich, viel mir gar nicht ein. Im Gegenteil vielleicht stimmte er Dongards Urteil milder. Den zweifellos musste ich irgendwann dorthin zurück, besser also mit einer respektierten Rückendeckung.
Gegen Abend stolperte ich sogar über meine eigenen Füsse. Für jemand der seit über einem Jahr keine zwanzig Kilometer an einem Tag lief und heute fast das doppelte leistete eine beeindruckende Leistung. Mein ständiger Begleiter dagegen zog sportlich immer ein paar Meter voraus. Di`jon passte sich allmählich mir an. Besorgt denn als aus eigener Anstrengung. Öfters stiess er mich aufmunternd mit seinem kräftigen Kopf an. Was mich einmal in die Knie schickte. Sachte packte der Drache das weite Hemd und zog am Rücken hoch. Eine Seitennaht platzte ab der groben Belastung doch ich fand mich staunend sachte auf meinen schwachen Beinen wieder. Ein Blick zurück und Di`jon zog reumütig seinen Kopf ein. Anscheinend ahnte er seine überschätzten Kräfte. Als ich ihn an die Seite winkte verstellt er mir sonderbar den Weg. Drückte mir unerklärlich seinen dicken Hals an den Magen. Was wollte er damit bezwecken? Erst als er seinen langen Flügel einzog um mit dem stabilen Knochen mich von hinten einquetschte verstand ich seinen undeutlichen Wink. Er wollte das ich auf seinen Rücken kletterte. Dankbar zog ich mich ungeschickt hoch. Rutschte mehrmals auf dem glatten Flügel aus bis Di`jon mit einem kräftigen, harmlosen Biss in meinen stabilen Hosenrand nachhalf. Müde setzte ich mich auf seinem Rücken nach zurecht. Umklammerte mit meinen Armen stützend seinen Hals. Müde lies ich mich dahin gleiten. In einem federnden Trab schloss Di`jon zum drängelnden Bewahrer auf. Vertraute den beiden das sie den richtigen Weg auch im halbdunkeln fanden.
Mitten in der Stille ein störender Aufschrei. Bemühte mich schwach aufzurichten. Eine laute Stimme durchdrang ungewöhnlich die allgemeine nächtliche Ruhe. Demnach fanden wir den alt bekannten Irren der die Erleichterung gleich unbeherrscht hinausbrüllte. Musste das zu dieser sonst friedlichen Stunde sein.
„Meister Jens, Meister Jens!“ schrie er schrill. Da wünschte ich mir zum ersten Mal die ruhige, abgeschlossene Kammer im Lager zurück. Verordnete Nachtruhe, die keiner wagte zu stören. Obwohl ich bereits halbwegs schlief vernahm ich bewusst das leise Singen das mich begleitete. Sehr zurückhaltend, gedämpft. Demnach spionierte Dongards Sinne mir nach. Sobald er feststellte das ich mich auf dem Heimweg befand, hielt er sich diskret zurück. Nur eine schwache Schwingung verriet das er mich weiter überwachte, vielleicht sogar beschützte. Jedenfalls bat ich Meister Jens endlich zu Rasten. Meine Schulter zog mich erneut unangenehm. Ausserdem wollte ich richtig schlafen. Gnädig half mir der Bewahrer aus dem Sattel. Träge streckte ich mich genügsam auf dem weichen Grasboden aus. Ein schwaches Erdbeben verriet das Di`jon sich dicht neben mir niederlegte. Ein dunkler Schatten verschluckte die funkelnden Sterne. Schweres Gewicht drückte mich auf die Seite, schützte aber vor dem frischen Nachtwind. Erstaunlich wie feinfühlig mein gefürchteter Drache seine Flügel sorgfältig über mich ausbreitete. Aussergewöhnlich da sonst die Tier immer mit gefalteten Flügel schliefen. Dichter kuschelte ich mich an seine warmen Rumpf. Sein warmer Atem kitzelte mich fast schon am Hals. Von allen Seiten fühlte ich mich beschützt. Zufrieden.

Aggressives Fauchen schreckte mich aus meinem Schlaf. Das erst Licht grenzt die unzähligen Schatten undeutlich ab. Dennoch am auffällige Springen erkennt man deutlich das der erschrockene Irre aufgeregt vor Di`jon flüchtete. Schmunzelnd legte ich meinen Kopf zurück auf den Arm. Schliesslich kannte ich Di`jons Eigenart schon mal jemanden unsanft ins Bein zu schnappen der unvorsichtig nahe vorbei marschierte. Büsste, vergass das er nicht die Gunst des launischen Drachens besass.
Wie ein Wasserfall sprudelten bei dem nervösen Verrückten seine undeutlichen Selbstgespräche vor sich hin. Was schliesslich auch seinen Begleiter weckte. Schade. Vorbei der ausgelassene Morgen. Protestierend schmerzte meine Schulter als ich mich unter Di`jons Flügel hervor robbte. Aufmerksam verfolgte der junge Drache meine Bewegungen. Ausdrucksvolle Augen bettelten nach Futter! Oh, je, woher sollte ich sein vegetarisches Frühstück besorgen. Bestimmt würden wir heute wieder auf einen wilden Obstbaum treffen. Ansonsten ... Er schnappte sich schon einen Büschel Gras. Aha, dachte ich erfreut, dann nachdenklicher, denn seine Blicke folgten mir weiterhin. Gab es das wirklich; ein Drache der sich um seinen Besitz sorgte? Allerdings unterschied sich Di`jon in vielem von Dongards heraus gegebenen Lehrmittel. Fragte mich, ob ich tatsächlich die Auserwählte des ungestümen Drachen war, der es wagte sich selbst über seinen obersten Meister hinwegsetzte. Dongards Autorität zu missachten war ein selbstmörderisches Spiel. Dennoch fühlte ich mich zu dem freiheitsliebenden Tier hingezogen, wie zu einem langjährigen Verbündeten. Sollte ich diesem Gefühl nachgeben, es später nie bereuen?
Beiläufig schlenderte ich an Di`jons Seite. Klar das er mich aus den Augenwinkel überwachte. Selbst als ich ihn hinter den fächerförmigen Ohren kraulte. Grüner Grassaft tropfte aus seinem entspannten Maul. Langsam den Kopf senkte um an meinem Bein zu schnuppern. In dem Moment wo er spielerisch nach meinem Bein zupfte, kniff ich ihn einen Bruchteil zuvorkommend in die Ohren. Überrascht schnellte er hoch. Voraussehend wich ich einen Schritt zurück, bevor er mich mit seiner ruckartigen Bewegung wegschleuderte. In seinen Augen flackerte ein drohender Funke. Unbeeindruckt schnappte ich mir seine seitlichen langen Tasthaare. Rasch merkte er das es ziemlich unklug war seinen Kopf zu bewegen. Er sass gezwungenermassen fest. Also benutzte er schlauerweise seine langen Beine. Schwang die Flügel achtsam nach hinten. Ein unachtsamer Schlag reichte eigentlich um mir mehrere Knochen zu brechen. Feineres Werkzeug war gefragt. Auf einem Bein balancieren, schwang er das andere nach vorne, um mich wie ein lästiger Floh wegzukratzen. In dem Moment kam mir eine dumme Idee. Schnappte mir den weichen ballenartigen Fuss mit einer Hand. Nun steckte sein Kopf und Fuss fest. Ungläubig zwinkerten seine aufgeregten Augen. Überrumpelt vergass er seine Vorsicht. Automatisch klappten seine mächtigen Schwingen nach vorn um sein Gleichgewicht zu finden und sich zu befreien. In dem Moment wo ich meine Dummheit begriff, riss ich ihn an seinem Bein aus dem Gleichgewicht. Knapp verfehlte mich die kräftigen Knochen des Flügels, als er seitwärts hinfiel. Strampelte. Irgendwie erwischte mich sein Hals. Ebenfalls landete ich rückwärts auf dem Boden. Es endete im aufwirbelnden Staub. Für meinen gelungenen Streich wollte er sich rächen, meine kräftigen Beine hielten seinen schnappendes Maul in Schach. Einmal streifte mich die dünnerer Spitze des Flügel übers Gesicht. Nahm die Gelegenheit wahr meine Macht der Zähne zu demonstrieren. Quietschend hüpfte er weit zur sicheren Seite. Aus mehreren Meter abstand blinzelte er mich wachsam an. Mit zerzausten Haaren lag ich mit dem Bauch auf der trockenen, staubigen Erde. Den Kopf auf meinen Händen abgestützt. Meine Beine bewegte ich munter als sagte sie; schon genug?
Lachend rollte ich mich übermütig herum. Gleichsam mit der geschmeidigen Bewegung stand ich fliessend auf. Erst jetzt viel mir die aussergewöhnliche Stille auf. In einigen Meter Abstand stand breitbeinig der Bewahrer. Drohend umklammerte er seinen Stock, entschlossen sich zu Verteidigen sollte Di`jon sich später ihm zuwenden. Sein verängstigter Gefährte kauerte im selben Busch eingeklemmt wie der verschreckte Esel. Sollte der zum äussersten gespannte Strick reissen würden beide übereinander fallen.
Mein Lachen entschärfte Di`jons abwartende Position. Schmeicheln tänzelte er auf mich zu wie ein aufgedrehter Hund der gerne die aufregende Übung wiederholte. Seine heraushängende Zunge signalisierte; noch mal, noch mal!
„Wir müssen auf unserer Begleitung Rücksicht nehmen,“ wehrte ich seine bettelnden Versuche ab. Gleich einem Kind schmollte er mit hängendem Kopf. Solange bis er frisches Gras schnupperte.
Ausgelassen trat ich zu den Verunsicherten Leuten. „Wirklich, es ist absolut harmlos. Wenigstens für mich. Das gehört zur morgendliche Aufwärmübung. Nur... Bitte erwähnen sie Dongard davon kein Wort. Er teilt meine Begeisterung in dieser Hinsicht weniger.“
„Das kann ich durchaus verstehen. Eine übersehenen Unachtsamkeit und du hast mehr als eine harmlose Quetschung. Ein riskantes Spiel diese morgendliche Übung.“
Beruhigend winkte ich ab. „keine Sorge. Di`jon wird schnell erwachsen, dann denkt er nicht mehr ans Spielen. Manchmal denke ich einfach das er es noch braucht um zu festzustellen wer der Stärkere ist. Alle anderen im Lager haben Angst vor ihm. Ausser Dongard natürlich. Bei mir braucht er anscheinend Bestätigung das ich anders bin als was er sonst kennt. Wie ein junger intelligenter Hund der testet wo seine Grenzen sind. Aber allmählich kapiert er es. Solche Einlagen wie eben werden immer seltener.“
„Wollen wir hoffen. Ist man ihn überhaupt noch für etwas anderes gebrauchen als nur zum fliegen?“
Ratlos sah ich den Abstand haltenden Bewahrer an. „wie meinen?“
Er deutete hinaus auf den Fluss. „Kann er Fische fangen mit seinem langen Hals?“
Abwägend musterte ich meinen jungen Freund. „Vielleicht. Muss man ihm zuerst beibringen!“
In der nächsten Viertelstunde bemühten wir vergebens einen Schnellkurs in Fischen durch zuführen. Gezeichnete Fische in den trockenen Sand und eine Deutung aufs spiegelnde Wasser überstieg sein Fassungsvermögen. Er hüpfte am seichten Ufer umher und betrachtet nur sein Spiegelbild. Dann versuchte ich es mit einem Lappen den der geschickte Bewahrer mit einer Nadel bearbeitete das er einem Fisch glich. Der Bewahrer zog ihn durch das seichte Ufer mit einem dünnen, fast unsichtbaren Faden. Lauernd wartete ich mit hochgezogenen Hosen im Wasser bis er Stoff in Reichweite kam. Packte blitzschnell zu. Hielt den gespielten zappelnden Fisch in meinen Händen und warf ihn ans Ufer. Gespannt verfolgte Di`jon jede meiner Bewegung. Wissend dass etwas neues aufregende von ihm verlang wurde. Auf mein Deuten ins tiefere Wasser blinzelte er mich ratlos an. Schliesslich kam dem Bewahrer die rettende Idee. Schmiss den tropfende Attrappe, immer noch an der Schnur, weit ausholend in die Mitte des Flusses.
Erfreut streckte Di`jon seine langen Flügel. Mit einem mächtigen Satz hob er ab. Reagierte, verstand was wir wollten. Landete mit einem schweren Plumps, vollem Gewicht im Wasser. Zu spät realisierte mein Begleiter und ich die grosse Flutwelle. Wie bei einem schweren Schiff rollte sie auf uns zu. Bevor ich das Ufer ereichte, riss es mich von den Beinen. Spitzte über mich hinweg bis hin zu meinem Bewahrer. Vollkommen nass kletterte ich auf die getränkte Wiese hinaus. Mein Kollege lachte heiter, denn er bekam nur ein paar harmlose Spritzer an die Hosen ab. Allerdings blieb ihm das Lachen plötzlich im Hals stecken, hustete. Hinter mir brodelte der Fluss. Di`jon trabte munter auf mich zu. Erfreut streckt er mir den nassen Stofflappen vors Gesicht. Lobend nahm ich ihn in empfang. Erfreut wirbelte Di`jon mit seinen mächtigen tropfenden Schwingen. Nun erreichte die unfreiwillige Dusche selbst den Bewahrer.
Ungeachtet dessen zappelte Di`jon wie ein begeisterter Hund herum. Verlangte mehr von dem neuen Spiel. Zu seiner Freude warf ich den Spielball erneut weit hinaus. Diesmal brachten wir Menschen uns in Sicherheit vor der nächsten Flutwelle.
Leichter Wind veranlassten uns mit den nassen Kleider die Nähe des schützenden Waldes zu suchen. Hungrig und mit nassen Kleider am Morgen wollte wir keinen Erkältung riskieren. Schmählich begann an diesem Morgen die Oberfläche zu erwärmen. Hohe Dunstwolken kündigten ein baldiges Gewitter an.
Stolz folgte uns Di`jon mit seinem zerfetzten erlegten Schatz. Als sei er kostbar legte er ihn mir am Waldrand zu Füssen. Die schwachen morgendlichen Sonnenstrahlen ausnutzend legte sich Meister Jens und ich an ein aufgewärmtes Holzklafter. Es duftete herrlich nach Harz. Di`jon beobachtete unsere erholende Geste. Nach dem kühlen Bad liebte er genauso die Wärme, tat es uns gleich, schmiegte sich ans wärmende Holz. Wobei die Wand, bei seinem anlehnenden Gewicht, bedenklich nachgab. Unterdessen näherte sich vom Rastplatz her der neugierige Irre. „Meister, Meister?“ Rief er vorsorglich aus Entfernung. „Darf ich es versuchen.“ Damit hielt er die Schnur hoch. Trennte sie durch um an einem Ende einen Haken zu platzieren.
„Ja, Probier es mal ob du mehr Glück hast,“ rief ihm der Bewahrer zu. Dann verriet er mir leise. „Bisher hat er nie was gefangen. Sobald meine Kleider einigermassen trocken sind liegt es wohl an mir sich um Frühstück zu kümmern. Eine ungewohnte Arbeit. Nur mit dem seltenen Monster dürfen wir nicht mal in die Nähe von Bewohner. Es sei denn wir wollen das Drachenfleisch auf dem Speiseplan steht.“
„Auf keinen Fall,“ protestierte ich entsetzt. „ Er ist mein zuverlässigster Freund ausserdem würde Kommandant Dongard fürchterlich toben und dabei...“
Es knackte hinter uns im Unterholz. Ein rasendes flinkes Tier näherte sich. Uns versteckte das gestapelte Holz. Dieses eilende Ding hüpfte auf das Ende von Di`jons Seite. Bevor er aufsprang dirigierte ich seinen nervösen Kopf herum. „Hinsehen,“ flüsterte ich fordernd. Klopfte auf seinen kräftigen, sehnigen Schwanz. Bisher hielt er ihn an seinem Körper geschützt. Aufmerksam vor der drohenden Gefahr zitterte sein breite Spitze. Aufgeschreckt sprang das verletzte Reh achtlos von seinen bisherigen bekannten Jägern weg, hinaus auf die Wiese. Brach vor Schwäche nach dem Sprung fast zusammen, Stolperte. „Los,“ gab ich Befehl.
Di`jon sehnige Schwanzspitze erlöste es von seinem Leiden bevor es überhaupt die neue Gefahr realisierte. Der wuchtvolle Schlag auf dem Kopf schmetterte es zu Boden.
Stolz meinte ich zum Bewahrer. „Mein Drache kann wirklich mehr als Fliegen.“
Ganz anders sah es Di`jon der eher traurig das blutende Opfer betrachtete. Das Blut floss jedoch von einer offenen Wunde die ein feiner langer Pfeil verursachte. Dieser steckte sogar noch zu Hälfte drin. „Oh, Gott,“ stammelte der rasch begreifende Bewahrer. „wir bekommen ungünstigen Besuch. Wir sollten verschwind...!“
Mit einem Wink deutete ich an still zu sein. Horchte in den leise rauschenden Wald hinein. Zögernd hastete ich zum Klafterende, spähte um die Ecke. Keine hastige Bewegung, keine ungewöhnliche Farbe entdeckte ich im lichten Laubwald.
Beruhig wandte ich mich an den Bewahrer. „So schnell sind die nicht. Solange sie keine Hunde haben wird es schwer für sie sein das Reh zu finden. Haben sie Hunde wird ihr Bellen uns von weitem warnen.“
Um mein trockenen zu beschleunigen wrang ich mein Hemd erneut aus. In Begleitung eines Bewahrer durfte ich riskieren kurz nur im BH dazustehen. Dienstbewusst kümmerte sich der königliche Angestellte auch bereits um den erhalt der Gesundheit. Nahm das Reh aus. Erschreckender daher als eine fremde Gestalt vor mir, neben dem geschichteten Holz auftauchte. Lautlos, mit fliessender Bewegung wie ein Geist. Meine erste Reaktion; bedecke dich selber! Beim Anblick des stabilen Pfeilbogens für den man eine kräftige, zielsichere Hand benötigte, überfiel mich weitere Furcht. Versteckte lieber den Drachen vor diesem unheimlichen schiesswütigen Kerl. Statt das Hemd vor meinen halbnackten Oberkörper zu halten, hielt ich es ausgesteckt in die Höhe. Stellte mich tapfer vor den hübschen auffälligen Jäger. Auffällig nur sein ebenmässiges Gesicht. Unverkennbar das eines völlig überraschten Melfen der mich mit wachsender Sorge betrachtete. Hellblonde Haare, wachsame blaue Augen, eher kräftige Nase. Der ganze Ausdruck die eines schlanken Jägers und mehr noch eines gebildeten Kriegers. So schätzte er mich gleich als eine unwichtige Anwesenheit ein. Besonders bei meiner blöden, unbegreiflichen Stellung. Dennoch umklammerte er sicher seinen kostbar geschnitzten Bogen als er den weiteren Bewahrer sichtete. Dieser arbeitete konzentriert an seinem Wild. Also richtete dieser in feinstem grün- brauen Wildleder getarnte Melf seine Aufmerksamkeit erneut auf mich. Eine seiner Hände streckte sich zu Seite, deutete in den Wald hinein, zu warten. Demnach besass er weitere Gesellschaft. Danach deutete er mir mit dem Zeigefinger an seinen Mund an, zu Schweigen. Lautlos trat er den Rückzug an. Erleichtert begann ich meine langsam schweren Arme zu sinken. Als er mich erneut mit diesem rätselhaften Ausdruck bedachte. Rasch zuckten meine Arme wieder nach oben, streckte die Segel. Leise, flüsterte er in einem singenden Tonfall. „Hat das eine irgendeine besondere Bedeutung?“ Er stellte sich so das der Bewahrer nur mich entdeckte sollte er einen Blick rüber werfen.
Ich wusste das ihn meine seltsame Reaktion verwirrte. Meinte mit einem Blick in den Wald. „Warten andere Verwandte oder gewöhnliche Menschen?“
Zuerst suchte er selber nachdenklich nach einer Lösung. Wollte sogar um die Ecke meines Hemdes blinzeln. Gerissen versteckte ich Di`jon meisterhaft, rückte mit meinem feuchten Hemd genauso zu Seite. Was ihn überrascht blinzeln liess. Wie kam eine gewöhnliche Frau dazu ihm wohl keinen Gefallen zu tun.
„Deine nackten Schwestern,“ versuchte er es mit Humor.
„Ne, ein Alptraum den du lieber nicht kennen lernen willst. Also verschwinde oder verrate mir zuerst wer deiner Begleitung ist! Mensch oder Melfen?“
„Was macht das für einen Unterschied?“
„Einen Gewaltigen. Euch hielt man lange auch für nur eine Legende. Also ich will nur nicht jemand einen Schock bekommt.“
Neugierig rückte er einen Schritt näher. Nicht nur er. Auch Di`jons warmer Atem blies mir zu nahe in den unbedeckten Rücken. Wenn er jetzt auf eines seiner kleinen rauen Spiele gelaunt war hatte ich bald mehr als ein paar blaue Flecken. Nach ein paar bedenklich Sekunden bemerkte ich das ihn auch nur Neugierde plagte. Jedoch eine gänzlich andere als den Jäger. Seine Neigung zielte auf das elastische farbige Bande in meinem Rücken, das meines BHs. Darauf schluckte ich einmal leer. Kicherte denn seine Tasthaare kitzelten in meinem Rücken. „Di`jon,“ herrschte ich ihn laut an. „Hör sofort auf! Willst du mich blamieren? Ich beschwere mich bei Dongard sobald wir zuhause sind!“ Aufgebracht schlug ich mit einem Bein nach hinten. Das lenkte ihn vorläufig ab.
„Dongard,“ wiederholte nachdenklich der Melf. „vom vierten Regiment? Der Dongard?“
„Ja,“ kam es langsam verzweifelt von mit. Di`jon schnappte sich meinen Fuss, hielt ihn fest.
Ein Freundliches Lächeln zauberte sich auf das bisher ernste Gesicht. „Bring ihm Grüsse von Hiomir, und er soll sich doch einmal in unserer Heimat melden. Kannst du ihm das ausrichten?“ Er drückte sich zurück in den Schatten des Holzes.
„Haben wir besuch?“ Wunderte sich der Bewahrer über mein aussergewöhnliches Verhalten. Da Hiomir hinter dem Holz steckte, schleuderte ich ausgiebig mein Hemd über Di`jons Kopf. „Aufhören, lass mich los!“ Endlich befreit sagte ich erschöpft atmend. „Ein paar echte Melfen. Allerdings sehr scheu. Ist doch schön wenn wenigstens jemand Angst vor uns hat,“ sagte ich vielleicht einen Ton lauter. Hielt schon mal voraus ahnend das Hemd wieder hoch. Nicht ohne vorher meinem Drachen einen finsteren Blick zuwerfend.
Der Bewahrer nahm es gelassen. „Schade das sie keinen Teil der Beute fordern. Für uns zwei ist soviel Fleisch verschwendet. Bist du sicher das Di`jon Vegetarier ist ?“
„Absolut,“ versichtete ich. Wie erwartet stand der Jäger erneut vor mir, als ob er imstande schien zu schweben. Diesmal folgte ein jüngeres Gesicht um die Ecke. Bedeutend langsamer, vorsichtig. Ab meinem kuriosen Verhalten grinste er. „Du hattest Recht.“
Ich grinste breit zurück. „Pah, ich hatte Recht!“ Ein weiterer Melfenbruder, verborgen hinter seinen Älteren, zeigte sich. „Menschen,“ flüsterte er abwertend. Mahnend sah ihn der älteste an. Di`jon streckte seine neugierige Nase unter dem Hemd hindurch. Betrachtete das ganze für ein amüsantes Spiel. Seine grossen geblähten Nüstern schnupperten laut.
Mit düsterer Vorahnung wich der Jäger zurück.
„He,“ fuhr ich ihn sofort an. „Versprecht mir sofort das ihr ihn nicht angreift!“ Alle drei zögerten. So blieb mir keine Wahl. „ich dachte ihr Melfen handelt vernünftig, weise! Ihr habt doch nicht Angst um ein harmlosen, seltenes Tier einfach auszurotten? Das machen eigentlich nur Menschen!“ Erinnerte ich sei an einen bekannten Unterschied zwischen den beiden Rassen. Mit zusammen gekniffenen Augen musterte mich der älteste. „Du, du wählst scharfe Worte. Wir tun deinen Verbündeten nichts wenn sie uns nichts tun. Reicht dir das?“
Mit einem Seufzer liess ich meine schweren Arme sinken. Meine alte Wunde tat wieder weh und ich verzog dementsprechend das Gesicht. Di`jon schüttelte seine gefalteten Ohren. Musterte eindringlich die neuen Gäste weniger als diese mit grossen Augen entsetzt ihn anstarrten. Keiner in der Gruppe wagte sich zu rühren.
„Tag miteinander,“ begrüsste sie der Bewahrer. Deutete auf Di`jon, „Solange Safina in der Nähe ist hat keiner was zu befürchten. Der Rest ist alleine Gewöhnungssache. Hat jemand Hunger?“ Mit einem schiefen Blick, der zutrauenden gefährlichen Bestie nicht aus den Augen zu lassen, nickte Hiomir. „Sehr sogar.“
„Gut, wir brauchen nämlich Holz für ein Feuer. Meldet sich einer Freiwillig!“ Zwei junge Melfen stürzten sich freiwillig in den Wald hinein. Mit einer Falte in der Stirn verfolgte Hiomir den fluchtartigen Abgang. „Vegetarier,“ wollte er genauso bestätigt wissen wie der Bewahrer.
In dem Moment knabberte mich Di`jon ausgerechnet in die schlecht verheilte Schulter. Aufschreien schleuderte ich ihm das Hemd ins Gesicht. Diesmal ohne erbarmen. Trieb ihn wie eine Furie zurück. „Verdammt noch mal,“ schrie ich ihn an. „Hast du nichts gelernt! Benimm Dich! Wehe du beist mich noch mal an. Ich bin doch nicht irgendeine Praline zum testen! Such dir gefälligst anderes Futter!“ Fuchtelte mit meinem Hemd wild. Respektvoll zog sich der arme, übermütige zurück. Zog wie ein geschundener Hund den Kopf ein. Hüpfte ein paar Sprünge in Sicherheit vor meiner übertriebenen Attacke. Aber er musste einfach einsehen das er Vorsichtiger handelte oder er richtete schlimmes an. Erst als er beschämt mich auf Distanz betrachtet, tat als ob ihn das Gras interessierte, gab ich nach. Mit einer Hand massierte ich mir über die neue geschwollene Stelle. Zwei staunende Gesichter verfolgten meine Bewegung. Hiomir meinte verschwörerisch zum Berater. „Wer genau ist eigentlich die unberechenbare Bestie?“ „Tja, das wüsste ich selbst auch gerne...“ Merkte wie ich ungeschickt ins Hemd schlüpfte. „Safina. Du solltest ihm mal die Verletzung zeigen.“
Das vorhin, mit der Bestie, verstand ich noch als Scherz. Dieses Untersuchen von Fremden bereitete mir keine Freude. Mit eindeutig finsterem Blick gab ich zu verstehen. „Von wegen, ich lasse mich doch nicht von jedem anfassen?“
„Bedenke er kann viel intensiver heilen in wenige Sekunden als ich ihn mehreren Tage.“ Gut gemeint näherte er sich. Wachsam sorgte ich diesmal ausweichend für Distanz. Der Bewahrer schüttete den Kopf. „Du bist mir ein Rätsel. Je eher wir Dongard treffen umso schneller wird sich alles klären. Bin gespannt was er mir da über seine neuen Züchtung erzählt.“
Aus dem Wald schlenderten die zwei jungen Melfen herbei. In ihren Armen dicke, trockene Äste. Genau richtig für eine kräftiges Glut eine ganzen Rehs. Sobald sie Di`jon erblickten, veränderte sich ihre normale Gangart. Fliessender, lockerer, leise glitten sie über den Boden. Vermieden jedes überflüssige Geräusch, damit der ausgewachsene Riese weiterhin friedlich graste.
Sobald sie ihren Anführer erreichten unterhielten sie sich in der eigene Sprache mit weichen Worten. Lachten unbeschwert. So getraute ich mich wiederum ihn ihre Nähe. Allerdings bemerkte sie rasch meine Anwesenheit. Mich wiederum zog ihre angenehme Ausstrahlung an. Man fühlte sich einfach wohl in ihrer familiären Gesellschaft.
Unbeschwert half ich dem Bewahrer beim Würzen der zerkleinerten Fleischstücke. Als mich jemand an den Haaren zupfte. Zuerst verdächtigte ich den frechen Di`jon. Dafür blieben die Gäste zu gelassen. Verwundert wandte ich meinen Kopf, es zuckte in den Muskeln, sprang beinahe auf die Beine, überlegte es im letzten Moment anders. Schliesslich bedeutet ein junger Melf keinerlei Gefahr. Setzte mich bequem zurück, nieder. Fassungslos hielt der Attentäter immer noch meine Strähne in den Händen. „Etwas vergleichbares habe ich noch nie gesehen.“ Es war unklar ob er meine Überreaktion oder mein seltenes Haar meinte. Sein ältester Kollege warnte vorsorglich mit einem scharfen Blick. Was wenig auf Gehorsam stieg. Jungendliche Neugierde siegte. „lässt du dich immer so ungern anfassen?“
„Hamir,“ drohte sein Chef unmissverständlich. Beschämt senkte Hamir seinen Kopf. Lange blonde Haaren rutschten nach vorne. Damit er ungestört sah, hatte er und sein Bruder auf den Seiten die ersten langen Haare zu einem dünnen Zopf geflochten. Seine jungendliche Offenheit verdiente eine Erklärung. Mühsam suchte ich nach dem richtigen Anfang. „Ausser... meinem Freund lasse ich niemand gerne in meine Nähe.“
Er legte ein Stück Holz sehr langsam ins Feuer. Man sah das ihn etwas beschäftigte. „Und wo ist er jetzt, dein Freund?“
Selbst der beschäftigte Jens hielt in seiner Tätigkeit inne. Ich schalt mich selber. Brachte ich schon den Stein ins Rollen so musste ich es nun auch durchziehen. „Manche, eigentlich alle ausser mir, halten ihn für Tod. Mir... ich kann es einfach nicht glauben. Da ist irgend etwas...“ Mein scharfer Blick suchte unruhig in der Ferne aus der wir kamen. Unbemerkt steigerte sich mein Atmen. Alles in mir zog mich in diese Richtung. Der undeutliche Schatten in der Nacht.
Hamir schenkte mir ein verständnisvolles Lächeln. „Wie sieht er den aus? Beschreib ihn mal!“ Hiomir schnippte ein Stück Rinde an den jüngeren. „Das geht zu weit! Lass Dinge ruhen wenn du nicht das Ausmass einschätzen kannst was deine Gabe auslöst.“
Gespannt setzte ich mich auf die andere Seite, diesen jüngeren Melfen zu. „Was soll das heissen. Kannst du eventuell, ist es möglich das du jemanden finden kannst den du gar nicht persönlich kennst.“ Dabei liess ich sein hübsches Gesicht nicht aus den Augen. Nun wusste er deutlich das er in der Klemme sass. Verlegen lächelte er. „Es ist sehr unwahrscheinlich. Aber ich kann es ja mal versuchen, nur versuchen.“
Damit gab ich mich zufrieden. Bevor ich loslegte zupfte ich am Hemd des Bewahrers. „Sie haben doch so was wie Schweigepflicht?“ Verlangte ich voraus denkend zu wissen. Unbekümmert sah er mich seitlich an. „Wenn es nicht die direkte Sicherheit des Königs gefährdet, ist bei mir alles sicher. Wenn ich voraus vermuten darf geht es zurück bis zu der Zeit wo du als der grösste Staatsfeind galtest. Dein Begleiter soll sehr auffällig gewesen sein.“
Verstimmt grinst ich ihn an. Wussten eigentlich alle Bescheid? Alle ausser den Melfen welchem mich anstarrten als seien mir plötzlich gefährliche Hörner gewachsen.
Hamir stammelte ungläubig. „Staatsfeind!“
„Ja, ja,“ beschwichtige ich im weichen Ton. „Schon lange vorbei. Sie haben den Irrtum bemerkt. Wie dem auch sei, mein Freund stammt aus dem Labor. Ich habe ihm damals bei der Flucht geholfen. Es ist ein Mensch mit einem... Hundekopf.“
Mir einem Aufschrei sprangen die jungen Männer auf. Weiterhin strömte nur Hiomir Gelassenheit auf. Zum ersten Mal staunte ich. Er lächelte kurz, erklärte. „Wenn uns die Menschen sehen reagieren sie entweder mit einer willkommenen Aufforderung oder mit spürbarem Misstrauen. Selten nimmt es einer so Unbekümmert wahr wie du. Demgemäss nahm ich an das was in deiner Vergangenheit liegt von weit bedeutenderem Erfahrung. Du bist so durchschaubar wie ein klarer Kristall und doch verbirgst du weit mehr als es je den Anschein hat.“
Was bedeutete diese Aussage genau?
„Man sieht genau was du Denkst, was du fühlst. Nur das was in der Vergangenheit liegt, all die Jahre, davon erkennt man nichts. Bisher entdeckte ich immer gewisse Anzeichen, in den Falten eines Gesichtes, in dem Glanz der Augen. Bei dir bemerkt man es erst an der Bewegung, das ein wichtiges Detail fehlt.“ Nachdenklich betrachtete er mich erforschend.
Ich deutete nach hinten zum Fluss wo der Irre mit ausgiebiger Geduld fischte. „Wir kommen aus der selben Firma,“ lieferte ich einen Hinweis.
Unbegreifend meinte Hiomir. „Aber es fehlt ihm an Verstand...?“
Trotz der Entfernung zum Fluss entging ihm keine Kleinigkeit. „Ja,“ stimmte ich zu. „Trotzdem waren wir im selben Haus eingesperrt. Bei sein harmlosen Verwirrung dürfte er allerdings in einem ungesicherten Sektor bewegt haben.“
Nun horchte der Bewahrer auf. „Ach ja und in welchem warst du.“
Mit Schadenfreude verriet ich verschwörerisch. „Im Hochsicherheitssektor.“
Erschaudernd wichen die zwei Brüder einen Schritt zurück. Lachend hielt ich dem Bewahrer meine nach oben gewendeten Handgelenke hin. Deutlich sah man noch die erhöhten Narben. Bleibende Zeugnisse vergeblicher Selbstmordversuche. Verstehend schluckte der Bewahrer leer. Fragend sahen die in einer harmonischen Erziehung aufgewachsenen Melfen mich erwartungsvoll an. „Da wo ich herkomme..“ Ein finster warnender Blick des Bewahrers folgte, das ich dieses heikle Thema ruhen liess.
„Da ist es nicht so ruhig wie hier. Es ist hektisch. Leute sterben schon jung an Stress. Entweder man hat Erfolg, oder spielt brav das Schäfchen. Bei manchen treten dann kleine Störungen bis hin,“ ich spielte auf den Irren an. „Oder versucht kurzerhand das ganze zu beenden indem man sich selbst...,“ ich deutete mit dem Finger das durchschneiden der Kehle an. „ein paar Male versuchte ich es hier,“ ich hielt die vernarbten Gelenke hoch. „aber diese zähen Sehnen hier halten mehr stand als angenommen.“
Geschockte Augen der Melfen sprachen mehr als Worte. Einzig Horim bewahrte seine stetige Ruhe. „Das erklärt zwar einiges. Nur warum schleppst du einige Gewohnheiten immer noch mit dir herum? Fällt es dir schwer dich diesem Land anzupassen?“ Nachdem er wusste woher ich stammte viel es ihm anscheinend leicht mich weniger respektabel zu beachten. Nun denn, heute fühlte ich mich diesem Angriff gewachsen. Mochte er auch streng sein wie Dongard als Lehrer. Ihm erteilte ich gerne eine Lektion. Höflich wollte ich wissen . „Wie alt bis du?“
„zweiundfünfzig Jahre.“
Unerwartet reizte es mich zu Husten und es lag nicht am Rauch des Feuers. Himmel er sah höchstens aus wie Dreissig! Wie war das möglich! Wie alt war wurde Dongard in dessen Adern auch Melfenblut floss?
„Also, mein lieber Hiomir. Ich bin erst vierundzwanzig und ich würde dir empfehlen mich erneut zu fragen ob ich mich gut anpasse wenn ich auch mal zweiundfünfzig bin. Mal sehen wer in den knapp dreissig Jahren mehr Fortschritte zu bieten hat!“
Giftig duellierten wir uns mit unseren Blicken. Seine zwei Begleiter lachten, versteckt hinter ihren feingliedrigen Händen.
Meister Jens streckte uns die ersten dünn geschnittenen Fleischstreifen vor die Nase. Sofort lenkte sich meine Aufmerksamkeit, bei dem verführerischen Duft, auf wichtigeres. Vorsichtig knabberte ich an dem heissen Stück. Einzig Hamir starrte abwartend seine dampfend Portion an. Merkwürdig das die anderen ihn in Ruhe liessen. Kein Wort an den abwesenden richteten. Auf einmal wanderte sein starrer Blick auf mich, dann in die Ferne wo wir heute morgen herkamen. „Sie hat Recht,“ keuchte er. „Tatsächlich sind ihre Vermutungen wahr. Vater, wie ist das möglich? Ein Mensch...!“
Hiomir meinte schlicht. „Manchmal ist das Band zwischen zwei Partner aussergewöhnlich stark. Das kann selbst bei gewöhnlichen Menschen passieren.“
„Aber die Richtung stimmt! Woher kann sie das wissen.“
Diesmal verschluckte ich mich arg, denn ich vergass richtig zu atmen. Bevor mir einer wohlgesonnen auf den Rücken hämmere, rollte ich auf die Beine hoch. Versuchte zu das unfassbare zu Begreifen was mir ein hellsichtiger Melf beiläufig verriet. Lebte mein geliebter Maximilian tatsächlich? Durfte ich unbedenklich hoffen?
Rasch riet Hiromi, „Sei bitte vorsichtig, mit dem was du sagst. Bedenke die verborgenen Gründe.“
Verärgert über die Störung verlangte ich genauer zu wissen, „Was für verborgenen Gründen?“
„Nun dein Freund scheint zu leben. Er versteckt sich...“ Hamir verbesserte, „Sobald mich seine ausgeprägten Sinne wahrnahmen ist er weiter geflüchtet. Sehr schnell, es war schwierig ihm überhaupt eine Zeitlang zu folgen. Ihn einigermassen zu erkennen. Wie ein erfahrener Jäger der erkennt das er plötzlich zum Gejagte wird und handelt dementsprechend klug.“
Dankbar nahm ich das Kompliment meines abwesenden Freundes entgegen. Ja, das entsprach genau dem Verhalten meines geliebten Maximilian.
Hiomir dämpfte meine aufkeimende Freude. „ Zurück zu den leicht vergessenen Gründen. Viele halten ihn für Tod. Warum Beweist er seinen besten Freunden nicht das Gegenteil? Verheimlicht es sogar seiner Freundin? Partnerin, darf ich doch annehmen?“ Mit seinem weit Vorauswissen schien mir Hiomir ein wenig Arrogant.
Mir viel nur das naheliegendste ein. „Weil er denkt, das er nicht genug Wert ist an meiner Seite zu sein,“ flüsterte ich bewegt vor mich hin. Zu genau erinnerte ich mich an seine lange Abweisende Haltung. Sein ewiges Zögern ob jemand mit seinem absurden Aussehen überhaupt eine Beziehung wagen sollte. Nur schon Hoffen durfte, auf zusammensein mit einem normalen Menschen. Maxim wusste das ich sogar ein abgeschiedenes Leben mit ihm bevorzugte. Alles stimmte überrein. Bis zu den seltsamen Fragen bevor der grausame Überfall geschah. Damals sprach er auf einmal über Kinder. Sein zweifelnder Ausdruck der dunkelbraunen Augen, daran erinnerte ich mich genau. Er konnte keine Kinder zeugen, jedenfalls nicht mit mir. Zu verschieden seine manipulierten Gene. Ob er deswegen sich von mir Fernhielt? Rechnete er damit das ich jemanden anderen den Vorzug gab der eine richtige Familie zu gründen anbot? Zuzutrauen war es Maximilian das er bei all seiner Liebe mir das beste Wünschte, mir diesen Weg offen lies. Dieser Dummkopf! Wie konnte ich ihn je vergessen. Bedeutete er mir alles. Er zeigte mir was Leben hiess.
Meine Traurigkeit veranlasste wohl die Melfen zu schweigen. Ein paar einsame Worte stammelte nur der Irre vor sich hin. Als einziger wandte er häufig nervös den Kopf um meinen ungeheuren Drachen zu beobachte. Überhaupt, was hinderte mich daran einfach auf den Drachen zu steigen und meiner Sehnsucht zu folgen?
„Dongard,“ räusperte sich der Jens. Zerplatzte meine Träumerei. „Hat dich also später aufgenommen?“
„Gewissermassen. Maxim war tödlich verletzt und wollte mich versorgt sehen.“
„und ...,“ er zögerte lange. Verständlich nachdem er andeutete. „Dongard ist nun...,“ sehr leise kamen ihm die letzten Worte aus dem Hals, „dein Freund?“
Das Fleisch schmeckte auf einmal sehr zäh. Besonders als ich die gesenkten, heimlich gespannten Blicke um mich realisierte. Knirschen meiner Zähne kündigte den Sturm an. „Darauf kann der lange warten,“ kam es gepresst heraus und schon ziemlich lauter. „Mit diesem Tyrann lass ich mich doch nicht ein! Bin ich den Blöd! Der hat absolut keinen Humor! Dem fehlt die Zeit um eine tiefergehende Beziehung einzugehen, deswegen hat er auch schon seit Jahren eine feste Freundin. Keiner wird es offen zugeben aber die Bewacht ihn wie eine eifersüchtige Ehefrau. Jemand der einigermassen Vernunft besitzt wird sich nie mit dieser gereizten Kriegerin anlegen.“
Ordnungsliebend meinte der Bewahrer. „Gab es ein offenes Versprechen zwischen den Beiden?“
„nein, aber das ist auch nicht nötig bei ihrem wachsamen Auge.“ Die Vorstellung das der strenge Kommandant eigentlich unter ihrem heimlichen Regiment diente, reizte mich zum Schmunzeln. Meine Begleiter zogen dagegen finstere, verständnislose Gesichter.
Also warf ich einen fragenden Blick in die Runde. Hiomirs Mundwinkel zuckte verächtlich. „In all meinen Jahren habe nie gehört das ein Melf je von einer Frau unterjocht wurde. Keiner lässt sich rückgradlos um den Finger wickeln.“
„Du musst ein bisschen weiter denken,“ klärte ich ihn auf. „N`toki ist raffiniert. Sie unterstützt Dongard in jeder Hinsicht. Nur an uns anderen demonstriert sie ihre Macht. Wenn sich unser Chef mal ärgert kann man sich darauf verlassen das N`toki im Nachhinein auf den Schuldigen losgeht, ohne Zeugen.“
Begreifend meinte der Bewahrer. „Lass mich raten! Da du gerne Streiche spielst, hackt N`toki besonders oft auf dir herum?“
„so ungefähr,“ stimmte ich dem zu. „Manchmal habe ich allerdings mehr im Verdacht. Vielleicht weil ich die einzige bin, von den Frauen, die nicht vor ihr zittert. Sie ist enorm stark und wendig, aber ich bin vorsichtiger. Wenn man ihre Gewohnheiten kennt ist es einfach sie auszutricksen.“
„Von ihr bist du also nicht weggelaufen!“ Vermutete er richtig.
„Nein, mein Grund wiegt mindestens das doppelt von N`toki. Zumindest erwartete ich von seiner Seite keinen Angriff. Schon gar nicht Vergeltung wegen einer alten Sache die über ein Jahr zurückliegt.“ Erst die neugierigen Augen liess mich gestehen. „Damals brach ich ihm die Nase.“
Hörbar schnappte Hamir nach Luft. Jens sah besorgt zu Boden, „Mich überrascht gar nichts mehr.“
Abwehrend hob ich die Hände. „Man darf nicht vergessen das ich vor einem Jahr ständig auf der Flucht war. Derek war selbst schuld schliesslich versuchte er mich aufzuhalten. Ich bin absolut harmlos solange ich mich nicht bedroht fühlte,“ versicherte ich mit gutem Gewissen.
Hiomir schmunzelte ab seinen Gedanken, liess die anderen teilhaben, „du bist nur absolut harmlos wenn du schläfst. Kein Wunder hat Dongard viel zu tun.“
„Pah,“ verteidigte ich zurück. „ich habe ihn nicht um eine Militärische Ausbildung gebeten. Es reicht ihm nicht das ich einfach im Lager helfe, nein ich muss gleich fliegen lernen obwohl andere darauf schon ungeduldig warten. Dabei habe ich Höhenangst.“
„Indem Fall,“ viel Hiomir auf. „Scheint er es sogar sehr gut mit dir zu meinen. Warum bist du nicht dankbar das er dir neue Horizonte bietet.“
Kein Wunder das Melfen zusammenhielten, eine Familie. Darum kam es unerwartet als ihn sogar der Bewahrer zusätzlich Unterstützte. „Jedenfalls gehst du zurück ins Lager oder du kannst damit rechnen das ich deine eingestellte Verfolgung zeitgemäss auffrische. Was ist dir lieber, Lager oder Flucht?“
„Das klingt schwer nach gemeiner Erpressung. Nur so viel. Da wo ich hingehen könnte findet mich nicht einmal ein Murokrieger. Allerdings wäre es mit der Zeit auch sehr einsam. Lieber unterhalte ich mich mit ein paar...ahnungslosen Mitgliedern aus Dongard Lager. Macht mehr Spass!“
„Oje,“ seufzte Hiomir schwer. Gemeinsam warfen die Melfen ihre abgenagten Knochen ins Feuer. Deuteten an fertig mit dem Mahl zu sein. Verwundert sah ich den zweiten jungen Melfen der ewiges Schweigen pachtete. „Kannst du überhaupt reden,“ wollte ich zum Schluss von dem zurückhaltenden Bruder wissen. Hilfesuchend warf der einen bittenden Blick zum Vater. „Der darf nicht reden!“ Liess er mich streng wissen. „Gahnir büsst mit einem Schweigemonat weil ich ihn erwischte das er mich anlog.“
Unbegreiflich starrte ich Hiomir ungebührlich lange an. Wahnsinn, was wenn in meiner Zeit jedes Kind das ertragen müsste! Was für strenge Sitten! Anderseits bestand so nie die Gefahr das man sich je vor dem eigenen Kind fürchtete. Was in meiner alten Welt stetig zunahm. Mich nahm ein anderer persönlicher Vergleich wunder. „Wie würde er den die Bestrafung ausfallen wenn er von zu Hause wegläuft?“
Einen Moment lang studierte mich Hiomir. Fragte sich wohl nach meinen Hintergedanken. Leider traf, der Schlaue, durchaus den Kern. Übernahm die mahnende Vaterrolle. „Kommt ganz darauf an, wie er zurückkommt. Falls er eine Beute heimbringt, die ihm zu ehren reicht, dann nehme ich die Entschuldigung an. Wenn mir eine gute Tat zu Ohren kommt, dann feiern wir seinen Erfolg. Erscheint er aber wie in deinem Fall mit einer Eskorte, dann würde ich ihn kurzerhand übers Knie legen. Einen Monat müsste er ausserhalb vom Lager allein verbringen, ohne jede Hilfe. Für einen Monat behandelt ihn das ganze Dorf wie einen Ausgestossenen.“ Seine anklagenden Worte trafen mich. Schuldig blickte ich zu Di`jon hinüber und sein Anblick erleichterte gewaltig. „Dongard wir froh sein wenn er meine Beute zurück hat. Di`jons Ausriss wird ihm mehr schlaflose Nächte bereiten als meine unbewilligter Ausflug.“
Unerwartet beugte sich Hamir vor. „zwei aussergewöhnliche Schäfchen zu verlieren, das ist hart für einen Kommandanten sein. Sei froh das du nicht allein ins Lager zurück kehrst sonst erlebst du ein unbeschreibliches Donnerwetter. Kommandant Dongards strenger Ruf ist weite über die gewöhnliche Grenzen hinaus bekannt. Erst recht wird er sich aufregen wenn er so was seltenes verliert.“ Dabei lächelte er verschmitzt und angelte sich erneut eine meiner langen Haarsträhnen.
Unbekümmert reagierte ich. „Wenn Meister Jens nicht wäre, würde ich gar nicht zurück kehren. Das ist mehr gezwungener Massen. Ohne seine Erpressung suchte ich längst auf den frischen Spuren von Maximilian.“
Wiedersprechend schüttelte Hiomir den Kopf. „Schäme dich. Du solltest dem Respekt zollen der deinen Wert kennt. Warum folgst du einem entschwindenden Geist? Dein früherer Gefährte hält eine klare Abweisung aufrecht. Warum quälst du dich da weiter? Ist es nicht klüger sich auf was anderes zu konzentrieren. Auf jemanden der um dein Wohlergehen sorgt. Sogar persönlich Wert darauf legt deine Sicherheit zu überprüfen.“
Darauf rollte ich mit den Augen. „Dongard legt überall Wert auf Sicherheit.“
„schaut er immer persönlich nach oder schickt er seinen Stellvertreter. Da siehst du was du ihm wert bist!“
Unbegreiflich folgte ich seinem deutenden Zeigefinger. Was gab es da draussen an der Ecke des Waldrandes gab. Tatsächlich stand da, in fast einem halben Kilometer Abstand, eine Person. Sobald sie die blankgeputzten Stiefel in Bewegung setzen, erkannte ich an den energischen, unvergleichlichen Gang, meinen Chef. Nach seiner Handbewegung, rückwärts folgte ein dunkler Drachen seinem Schatten. Aus diesem Grund landete er also in so weiter Entfernung. Vorsicht gegenüber dem unbekannten Volk, meine Begleiter. Di`jon Anwesenheit entschärfte die Überraschung eines weiteren Drachens. Dieser folgte brav im Rücken seines Meisters wie ein gut ausgebildeter Hund. Selbst Di`jons aufgeregtes Begrüssungsrufen entlockte dem gleichartigen keinen Ton. Begeistert eilte der junge Drache los, bis ihm dämmerte was der steife Gang Dongards bedeutete. Auf einmal hielt er es für klüger sich zu verstecken. Mit gesenktem Kopf stellte er sich hinter mich. Dabei war ich wahrlich keine grosse Unterstützung. Unerbittlich stapfte Dongard, ohne Eile auf uns zu. Mein geübtes Auge erkannte seinen gereizten Zustand. Selbstbewusst marschierte er auf unsere Runde zu. Hiomirs Anwesenheit löste sogar ein erfreutes Lächeln aus. Ganz seiner alten Familien Tradition Bewusst begrüsste er ihn begeistert. Wobei ich ihn das erste Mal in einer gänzlich anderen Sprache reden hörte. Demnach besassen die Melfen unter sich eine eigene Kommunikation. Lachend nahmen sie sich in den Arm und klopften sich auf die Schultern. So eine enge Freundschaft hatte ich bei Dongard nie entdeckt. Danach schüttelte er dem Bewahrer ausgiebig die Hände. Sie stellten sich einander kurz vor. Unter dem prüfenden Auge Jens behielt Dongard seinen Freundlichen zug.
Mit nur einem flüchtigen Blick bestätigte Dongard das er mich zur Kenntnis nahm. Genau das was mir Hiomir prophezeite trat ein. Ein kalter unangenehmer Schauer überfiel meinen Rücken. Zum ersten Mal fühlte ich mich wirklich betroffen von meinem Ausreissen. Ahnte was für einen Kummer ich da meinem Chef auslöste. Es tat mir selber weh. Was für eine Lawine löste ich aus? Zum ersten Mal beschäftigte mich auch Gedanken darüber was wohl seine Mannschaft, meine Arbeitskollegen, über mich dachten. Besser ich hielt mich im Hintergrund. Wollte mich neben Di`jon hinsetzten. Kurz streifte sein Blick zu mir hinüber. Es fühlte sich an wie wenn Krallen sich um mein Herz zusammen zogen. Eine schlichte Handbewegung- Hierher, setz dich neben mich.
Unsicher biss ich auf meine Unterlippe. Folgte seiner Order. Setzte mich aber lieber hinter ihn. Meister Jens bediente meinen Kommandanten. Zu meiner Enttäuschung redete selbst der Bewahrer in der mir unbekannten Sprache. Ich verstand kein Wort. Manchmal sah man mich kurz an, oder ein Kopf deutete kurz in meine Richtung. Es war klar was im Mittelpunkt behandelt wurde. Ein kalter Schauder fuhr mir über den Rücken. Äusserst schlecht standen die Prognosen für mich da sie mich nicht einweihten.
Einmal bekam ich den Anschein das Meister Jens mit Dongard schimpfte. Jedenfalls hörte sich sein energischer Tonfall dementsprechend an. Ungewohnt senkte Dongard betroffen sein Haupt. Was? Es war schliesslich alleine meine Schuld. Ungewollt schaute ich finster den Bewahrer an. Meine Reaktion heiterte ihn jedoch auf. Nun verstand ich die Welt nicht mehr. Als Dongard nach mir schaute, setzte ich rasch eine gleichgültige Miene auf. Danach sagte der Bewahrer verständlich zu meinem Chef. „Es besteht Hoffnung. Aber ich will eine deutliche Veränderung sehen. Dafür nehme ich mir nächstes Jahr persönlich Zeit um das Abzusichern.“ Er überprüfte den Stand der Sonne. Entschuldigte sich mit seinen engen Terminen. Zum Abschied zeigte seine Hand ein fliessendes Bewegungsmuster vor seinem Oberkörper. Vermutlich ein Melfisches Ritual. Und zu mir sagte er nur. „Wir werden uns wiedersehen. Es ist nicht leicht für Dich, das wissen wir alle. Doch es wäre schön wenn du uns beweist das wir uns in deiner Stärke nicht täuschen. Bis bald.“
Er kehrte mir den Rücken zu. Verwundert über den seltsamen Abgang sah ich ihm nach. Seine Worte hallten in mir. Es freute mich das mich einer zu verstehen schien und wie geschickt er mich herausforderte brav zu sein. Meister Jens bedeutete eindeutig, das er ein Klasse über mir stand. Sogar eine Klasse höher als Dongard. Bedauernd betrachtete ich sein unscheinbares verschwinden. Als ich wieder in die verbliebene Runde sah wunderte ich mich da nur noch Dongard übrig war. Wo? „Man sind die aber schnell,“ entfuhr es mir gänzlich überrascht. Wie kann man nur leiser als der Wind verschwinden. Es entstand der Endruck, Zweifel ob sie überhaupt je existierten. Einzig die im Feuer schwellenden Kochen bewiesen das hier ein paar Leute mehr rasteten.
Mein werter Kollege rührte sich kaum. Er starrte abwesend in die züngelnden Flammen. Wenn ich so Dongards Rücken betrachtete bekam ich es auf einmal mit der Angst zu tun. Nicht meinetwegen. Das Irrenhaus hatte mich auf fast alles im Leben abgebrüht. Dafür sorgte ich mich sehr um Dongards Gedanken. Ein halber sensibler Melf steckte ihn ihm. Gut, oft spürte man im Lager davon selten etwas. Gelegentlich beschlich mich eine Ahnung das er gewisse Hoffnung in mich legte... Hoffnung? Jens redete von Hoffnung! Ich wusste einfach das ich in Dongard Augen eine tiefen Rückschlag erlitt. Sollte ich ihm schmeicheln? Dafür fehlte es mir an richtigen Worten. Wenn ich so seine leicht gebeugte Rücken betrachtete, hielt ich es für ratsamer einfach stumm abzuwarten. Bis sein Urteil feststand.
Zunehmend viel es mir schwer still hinter ihm zu sitzen. Wohl eine Stunde versank er einfach bewegungslos in seinen Gedanken. Als ich wieder einmal die Seite, der angewinkelten Beine wechselt, sah er mich endlich an. Ein milder Ausdruck der mir dennoch kaum Erleichterung schenkte. Mit einer fliessender Bewegung stand er auf. Auf dem selben Niveau folgte ich. Mit seinen Stiefelsohlen kratzte er Erde über die letzten glühenden Holzstücke. Wieder winkte er mich an seine Seite. „Ich will dich sehen. Wissen was du gerade tust, also verstecke dich nicht hinter meinem Rücken.“ kam es tonlos.
Beschämt über mein Vergehen senkte ich meinen Kopf. Dann erinnerte ich mich an die fremde Sprache. Mein Neugierde siegte. „Hast du mit Melfen je zusammen gelebt?“
Seltsam, seine verstehenden Augen. „Safina, du weist wirklich wenig über mich. Ja, ich bin bei ihnen aufgewachsen bis ich etwas zwölf war. Dann folgten unsichere Jahre. Man wusste nie wann und ob Soldaten uns aus den Dörfern weg schickte. Also hielt es meine Mutter für sicherer wenn ich meinem Vater in die Stadt folgte. Da ich wenig Freude fand, vertiefte ich mich gleich in mein Studium, bis ich schliesslich hier landete. Bis vor einem Jahr schätzte ich mich hier unbekümmert glücklich. Halte es jetzt noch für das Paradies auf Erden. Leider gibt es da einen dunklen Schatten der mich verfolgt. Den ich nicht vertreiben kann und der mich trotzdem ununterbrochen beschäftigt.“
Seine schiefe Kopfhaltung drückte alles aus.
Mit leiser Stimme gestand ich. „Es tut mit leid, Dongard. Wenn mich etwas beschäftigt gehe ich dem eben gerne auf den Grund. Ich will einfach..?!?“
Sein auffälliges Räuspern gab mir zu denken. Verstört sah ich ihn an. Sein Ausdruck drohte mir spielerisch. Was um Himmels willen lag ihm schwer auf? Als er sogar seine Hände demonstrativ in die Hüften stemmte, arbeitete mein Gehirn auf Hochtouren. Unsicher stammelte ich. „Kommandant, Dongard.“ Meine Korrigierte Nachlässigkeit brachte ihn zurück auf das gewohnte, freundliche Level.
Er kam mir zuvor. „du wolltest eine Bestätigung das Maximilian lebt.“ Er betonte als Tatsache. Wir standen vor den Drachen. Er drehte sich herum wie jemand der etwas erledigt, bereinigt haben will bevor er den nächsten gewohnten Schritt begann.
„Safina, ich will eines ehrlich von dir wissen. Jetzt da du weist das er lebt, willst du ihn immer noch suchen?“ Abwartend hielt er die Zügel in der Hand. Bereit zum Aufsitzen. Gespannt verfolgte er meine gänzlich überrumpelte Reaktion. Darauf wusste ich jetzt garantiert keine Antwort. Also bohrte er weiter. „Safina, ich will wissen ob ich in den nächsten Tagen damit rechnen muss ob du wieder heimlich verschwindest? Wenn ja dann ist es mir lieber wenn du jetzt abhaust und deinem eigenen eingeschlagenen Weg folgst. Hüte dich einfach vor den wachsamen Augen des Bewahrer. Es ist momentan besser wenn dich keiner entdeckt. Falls du in ferner Zukunft wieder einmal mein Lager besuchen willst, du weist ja wann im Frühling die Kurse beginnen. Du bist jederzeit willkommen.“
Die Zeit schien stehen zu blieben. Was sollte ich sagen? Tun? Ganz alleine ohne ein Reittier mich auf die Suche nach Maximilian begeben? Eines stand nämlich felsenfest, er würde mich jetzt einfach so zurück lassen. Mich kompromisslos aus seiner Obhut entlassen. Das Schicksal entschied sich nun ganz allein ab meinem Willen. War es Vernünftig, ohne Hilfe, allein... Meine Augen wandten sich in die wissende, verlockende Richtung. Auf einmal verspürte ich nur ein schwaches Verlangen dem Ruf zu folgen. Angst überschattete mein einsames Vorhaben. Jemandem zu folgen der einem nicht haben will, das ist absolut irrsinnig. Zudem verdüsterte die unbekannte Landschaft zusätzlich meine Vorhaben. Wäre Maxim in den Sumpf zurück gekehrt, darin sah ich kein Hindernis. Aber so... anderseits.. die unvergleichliche Erinnerung an seine sanften, liebevollen Augen. Mein Herz klopfte gleich schnell. Selbst jetzt wo mich Zweifel erfüllten, reichte ein Bild und ich fühlte mich einfach schwach. Es quälte ich so getrennt von ihm zu sein. Unentschlossen wandte ich mich wieder Dongard zu. Blickte in die Ferne zum Heimatlichen Lager. Dahin wo garantiert ein Zimmer auf mich wartete. Eine sichere Zukunft. Warum tat meine Entscheidung trotzdem so weh? Es war so offensichtlich was besser für mich wahr und... es zerrte, brannte in mir wie eine offene Wunde. Unsicher trat ich neben Dongard. Obwohl ich es ungern zugab, seine Gegenwart gab mir Halt. Versprach mir zuverlässige Sicherheit. Dennoch biss ich mir auf die Unterlippen.
„Safina, ist deine Entscheidung endgültig? Ein weiteres unerlaubtes Entfernen aus der Gruppe werde ich nie mehr tolerieren. Also.. falls du ziemlich unsicher bist, empfehle ich dir wärmstens...“ er deutete auf den freien, unbekannten Weg. „Ich verschwende nicht mehr meine Zeit dir zu folgen oder versuchen dich aufzuhalten. Geh, wenn du dich dann besser fühlst!“
Maximilian, rief ich stumm in meine Gedanken und erhielt wie erwartet keine Antwort. Damit begrub ich meine Hoffnung an eine Zukunft mit ihm. Kopfschütteln wandte ich mich Dongard zu. Ich wollte in seiner Nähe bleiben. Wenigsten einen geringen Halt bei seiner Kompanie behalten. Daran klammerte ich mich. Tief Traurig sah ich einfach Di`jon an. Wollte meine aufgewühlten Gefühle vor Dongard verbergen. Er liess meine Täuschung offen platzten.
„Du weißt das ich ein halber Melf bin. Es ist zwecklos vor mir was zu verbergen. Also komm her.“ Sanft an der Schulter schob er mich heran. Wissend das ich einen gewissen Abstand schätzte umarmte er mich nicht gar so herzlich wie seine vorherigen Melfenfreunde. Zum Vorteil auch für meine verletzte Schulter.
Langsam bröckelte meine Fassade. Schloss meine Augen, lehnte meine Stirn an seine Schultern. Wagte ihn höchst vorsichtig, flüchtig an den Hüften anzufassen.
„Safina, Bist du immer so schwach?“
Halb schmunzeln, halb traurig schüttelte ich unwillig den Kopf. Kniff ihn spielerisch in die Seiten. Er drückte mich fester. „Angst mich anzufassen?“ Stichelte er weiter.
Damit traf er sogar die unangenehme Wahrheit. Also kratzte ich meine Mut zusammen und umarmte ihn zum Trotz richtig. Meinen geschätzter Kommandant, halb Elf. Ein bezaubernder Mensch und ein eleganter, hübscher Melf der es schaffte mich immer wieder zu verunsichern. Seine überlegene Art, die ich mehr spürte als beobachtete. Ich gab auf und beschloss nach meinen zerbrochenen Träumen mein Leben besser seinen erfahrenen Händen anzuvertrauen. Überzeugt zupfte ich an seinem Hemd. Sofort gab er mich frei. „Bereit?“
Pflicht bewusst gab ich zum besten. „Ja, Kommandant Dongard.“
Er strahlte übers ganze Gesicht. Es drang wärmend bis in mein Herz. Eindeutig, diesmal stand fest das ich diejenige war die aufpassen musste das er mich nicht so einfach um den Finger wickelte. Bei Maximilian war alles viel einfacher für mich weil genau das Gegenteil der Fall war. Ein Lächeln, eine Schmeichelei, schon erhielt ich was ich wünschte. Diesmal sass ich sozusagen in der eigenen Falle.
Dongards ausgeprägte Sensoren registrierten meine gespannte Wachsamkeit.
„Was brütest du wieder aus? Bevor du was anstellst, erinnere Dich das Zuhause schon eine Bestrafung wartet. Dein Verschwinden hat für eine Menge Unruhe gesorgt. Derek hielt dich nämlich schon für Tod. Nachdem er aufgeregt in mein Büro stürzte, habe ich gleich angefangen dich,“ er deutete auf seinen Kopf, „zu suchen. Fand aber nicht das geringste Lebenszeichen. Selbst deinen Körper fand ich nicht. Etwas was ich bis jetzt nicht verstehe. WO warst du? Bei der geringsten Körperwärme kann ich nämlich jede Person im Umkreis von einem Kilometer spielend orten. Und du warst in der Nähe! Der Fluss hätte deinen leblosen Körper an die Oberfläche gespült, aber da war nichts.“
Immer noch deutlich spürbar die damalige Angst vor meinem unerklärlichen Verlust. Das für gab es einen einfachen Grund. „Im Wasserfall selbst,“ ich erinnerte mich deutlich an den zerreissenden Schmerz, „Da gibt es einen hervorspringenden Felsen.“ Verschwommen entdeckte ich die Dunkelheit dahinter. „Vermutlich gibt es eine ausgespülte Höhle. Jedenfalls... keine Ahnung wie lange ich da lag. Sobald ich mich bewegte bin ich zurück in den Fluss gerutscht und danach über einen Umweg...“ jetzt viel es mir schwer zu gestehen das ich einen der kostbaren Dulies schnappte.
Dongard brachte es auf den Punkt. „mir einen Dulie entführte. Gerade das war dein Fehler oder dein Glück. Eine halbe Stunde habe ich dich nach dem Unfall konzentriert gesucht. Schliesslich gestand ich mir das unmögliche ein, nämlich das Dereks schrecklicher Verdacht sich bestätigte. Um ehrlich zu sein, bis zum Mittag hielten wir dich alle für...“ Diesmal brachte er es nicht fertig das unmögliche Auszusprechen. „Aber das fehlen dieses Dulie veranlasste mich wieder zum suchen und diesmal fand ich dich.
So,“ klang es nachdenklich, „in einer Höhle?“
„Nicht so ganz. Ich hing irgendwie am Rand fest. Das Wasser in meinem Rücken war ziemlich kalt. Vermutlich hat das verhindert das du mich ortest.“
Er nickte. Überprüfte den Sattelgurt und hielt inne. „Safina, nur so nebenbei. Tut dir irgendetwas weh, vom Sturz?“
Dieser schlaue Kerl wusste genau das ich mich gerne vor einem Arzttermin drückte. „Nur so nebenbei, Kommandant Dongard,“ diesmal kam mir sein Titel flüssig über die Zunge. Meister Jens tadelloses Verhalten färbte anscheinend ab. „du kommst etwas spät im wahrsten Sinne. Meister Jens hat mich schon behandelt. Jetzt merke ich kaum noch was.“ Das unterbutterte stark die Wahrheit. Spürbar pochte mein Oberarm über das ganze Schulterblatt. Aber längst nicht mehr so wie am ersten Tag. Vergass ich die Verletzung, verfolgte mich auch kein Schmerz. Mehr die Erinnerung der Schock an den unerwarteten Schlag tat mir weh. Zum Beweis bewegte ich meine Schultern. Konnte ein Ziehen in meine Gesicht nicht aufhalten. „nur ein leichtes Ziehen.“ Erklärte ich hastig.
„Das hoffe ich, denn ab Morgen Arbeitest du wieder Termin gerecht,“ drohte er mir an. „Und jetzt steig auf.“
„Bitte?“ Verständnislos sah ich ihn an.
„Steig auf,“ forderte er mich an auf Ranek zu klettern.
„Das ist dein Drache,“ wehrte ich entschieden.
„Ja,“ erwiderte er ziemlich scharf. „Du willst doch nicht Di`jons jungen Rücken ruinieren! Also bleibt dir die Wahl zu laufen oder du kletterst auf Ranek Rücken!“
So nett ermahnt versuchte ich schleunigst den nächsten Steigbügel zu erreichen. Rein kam ich, nun stand ich vor dem Problem mein Gewicht hoch zu drücken. Meine Oberschenken taten die Hälfte, aber meine verletzte Schulter weigerte sich mein halbes Gewicht hochzuziehen. Aufgebend stellte ich meine Füsse zurück auf den Boden. Unbegreiflich sah ich den gleichgültigen Dongard. Teilnahmelos hielt er nur die Zügel fest.
Leicht genervt beschuldigte ich ihn sogleich einer Nachlässigkeit. „Du hast Ranek nicht gerade vorbildlich erzogen!“
Ab dieser offenen Frechheit entglitt meinem Chef beinahe die Zügel aus den Fingern. „Bitte? Ich höre wohl nicht Recht. Was hat Ranek mit DEINER Ungeschicklichkeit verschuldet?“
Ewas verlegen blickte ich auf meine staubigen Stiefel. „Di`jon hilft mir immer beim Aufsteigen.“
„Was,“ hob er erneut seine Stimme. Blickte scharf zu Di`jon. Der Ahnungslose blickte suchend hinter sich um den Grund für den aufkeimenden Ärger zu finden.
Unerwartet ruhiger entgegnete Dongard. „Das muss ich mir merken. Di`jon ist demnach weitaus intelligenter als angenommen. Trotzdem merke dir für die Zukunft das ich nicht wünsche dass du je wieder auf seinen jungen Rücken steigst. Seine biegsamen Rückenwirbel befinden sich noch im Wachsumstadium. So und jetzt beeil dich. Ich will heute Abend zuhause sein.“
Hoffnungslos rechnete ich die weite Distanz zum Sattel hoch. Dann entschuldigen zu Dongard. Mit leiser Stimme überwand ich mich schliesslich zu fragen. „Kannst du mir helfen, bitte.“
In seinen kalten Gesichtsausdruck kehrte Freude zurück. „Endlich fragst du. Dachte schon das wird heute nichts mehr. Gib mir dein rechtes Bein.“
Baff hob ich das Gewünschte an. Gemeinsam schaffte ich es in einem leichten Schwung nach oben. Setzte mich zurecht. Griff nach den Zügel.
„Überprüfe vor dem Aufsteigen den Gurt,“ belehrte er mich sogleich. „Im Sattel sofort immer die Sicherheitsriemen einhaken. Auch wenn wir jetzt nur spazieren, so will ich doch dass du das -ganz automatisch ausführst.“
Er befreite sich aus seiner Jacke. Mit einem dünnen Oberhemd marschierte es sich viel angenehmer.

Rechtzeitig erreichten wir das Lager kurz vor dem Abendessen. Allerdings joggte Dongard in der letzter Stunde um den Zeitplan einzuhalten. Gemeinsam versorgten wir dir Drachen. Als letzter löschte Dongard das Licht im Stall und schloss die schweren Tore. Obwohl einige Mitglieder unser Ankommen sichtete, verhielten sich alle unauffällig. So als herrsche Normalität. Dabei wusste ich genau wie zuverlässig bereits die Buschtrommeln auf Hochtouren anliefen. Im Höhlengang orderte Dongard an: „Wir sehen uns beim Abendessen! Bis dahin, bleib in deinem Zimmer und rede mit keinem!“ Das war eindeutig eine Befehl. Brav nickte ich und verschwand in mein Quartier um mich sauber zu kleiden. Schon nach kurzer Zeit kratzte es an meiner Türe. Innert weniger als einer Sekunde schlüpfte Starie ins Zimmer. Zur Sicherheit liess sie die Tür einen Spalt offen. Drückte sich dich an die Wand als ob sie dort unsichtbar wäre. Flüsterte erleichtert. „Schön das du lebst. Man hat sich Dongard Sorgen gemacht. Selbst Derek war kaum wieder zu erkennen. Geplagt von Vorwürfen und Zweifel. Wie geht es dir?“
Ich zog gerade meine Kleidung an. Flüsterte genau so leise „Gut. Erstaunlich gut. Aber ich darf eigentlich mit niemandem Sprechen.“
Verwundert beugte sich Starie vor. „Seltsam. Genau das hat er vor der Abreise auch angeordnet. Hoffentlich bestraft er dich nicht zu hart. Anderseits...“
Betroffen hob ich meine Schulter. „Ich weiss, ich habe es verdient. Dafür weiss ich mit Gewissheit das mein ehemaliger Freund noch lebt.“
Aufgeregt entfuhr ihr ein hoher glucksender Ton. „Im Ernst, du hast ihn gesehen?“
„Pst, selbstverständlich nicht. Dafür hat mir ein Echtmelf verraten das er sich in der Ferne vor mir versteckt.
Wirklich, ich freue mich über deinen Besuch, aber ich sitze schon tief genug im Schlammassel. Bitte, es tut mir weh dich darum zu bitten...“ ich deutete zur Tür. „Dongard hat manchmal bessere Ohren als mir lieb ist und ich habe schon genug Ärger. Bitte, bitte!“ übertrieben zeigt ich ihr meine gefalteten Hände und ein weinerliches Gesicht. Kichern trat sie zur Tür. „Schön hast du wenigstens deinen Humor nicht verloren.“
Lautlos schlüpfte sie in den ruhigen Gang hinaus.
Allein im Zimmer setzte ich mich auf mein gemachtes Bett. Ordnung herrschte in meinen Schubladen. Für Morgen polierte ich bereits meine Stiefel auf Hochglanz. Es blieben noch wenigen Minuten übrig bis zum Essen, das gaben mir Zeit über meine heikle Situation nach zudenken. Wieder kratzte jemand an der Tür. Aschas Stimme rief flüsternd nach mir. Sie loszuwerden war eine Kunst für sich. Also reagierte ich gar nicht erst auf ihren drängelnden Ruf. Eine Minute später pochte es erneut leise. Verstimmt rutschte ich von meinem Bett herunter. Öffnete die Tür nur einen Spalt damit die neugierige Ascha keine Gelegenheit ausnutzte ins Zimmer zu schlüpfen. „Ascha,“ flüsterte ich in den halbdunklen Gang. „Ich habe keine Zei....“ Mein Kopf schnellte über Aschas Grösse hinaus. Dongards feste Stimme. „Das will ich Hoffen. Geniale Ausrede. Also, wenn du am Tisch sitzt, keinen Laut wenn du angesprochen wirst. Das wird ein Teil deiner Strafe sein. Ich habe nämlich nicht vor dich in den Bunker zu schicken damit du dort erholsame Ferien geniest. Hast du das verstanden!“
„Ja, Kommandant Dongard.“
Mit genugtun atmete er tief ein und aus. „Schön das du endlich dazu lernst. Hoffentlich hält das ein Jahr an. Wir..“ seine Kopfbewegung deutete an, ihm mehr Platz zu schaffen. Er huschte leise ins Zimmer als ob er eine geheime Tat plante. Genauso geräuschlos schob er die Türe zu. Wartete. Gespannt folgte ich seinem Verhalten, horchte. Sekunden darauf kratzte es wieder am äusseren Holzrahmen. Energisch riss Dongard die Tür auf. Ascha, erstarrte zu einer bleichen Säule. Ein Schrei blieb in ihrer Kehle stecken. Grosse blaue Augen starrten Dongard wie einen ungeheuren Geist an. Schonungslos wetterte Dongard los, „Ascha, du missachtest doch nicht meinen Befehl?“
Eingeschüchtert zog die Arme den Kopf ein. Legte schon mal den Rückwärtsgang ein. „Ich wollte nur sehen wie es ihr geht.“ Hastig flüchtete sie in den Mannschaftsraum zurück. Dongard schloss die Türe wieder. Blieb in meinem Zimmer. „ich glaube ich warte besser hier. Mal sehen wer sonst noch ungehorsam ist.“
Schweigend setzte ich mich auf die Bettkante In der Tat erwischte es noch zwei Leute. Zuerst seinen besorgten Stellvertreter persönlich. Danach tappte Cynt ahnungslos in die Falle. Nachher war Schluss. Wie mir Cynt eine Woche später verriet, nur deswegen weil sie Schmiere im Gang stand und die anderen mit Handbewegungen warnte.

Erlöst vernahm ich das hohe Klingeln der Küche. Dongard hielt sich im Gang auffällig an meiner Seite als stünde ich unter Bewachung. Keiner überholte uns. Ganz anders wie sonst benahm sich jeder wie ein Musterschüler. Es wurden nur wenige gedämpfte Worte gewechselt. Unüblich setzte ich mich direkt neben Dongard. Wagte selbst nicht der alten Gewohnheit zu folgen. Direkt gegenüber sah ich das drohende Funkeln in N`tokis Augen. Eigentlich blickte sie kalt, abweisend. Bei einem geraden Blick entdeckte ich jedoch hinter der kühlen Fassade das lodernde, drohende Feuer. Es passte ihr überhaupt nicht das ich so dicht bei ihrem gehüteten Schatz sass. Warum bloss hielt mich N`toki, die man als unüberwindbare Kriegerin kannte, gerade mich für eine Gefahr?
Ein scheuer Blick zu Dongard bestätigte das ich mit der neuen Platzordnung richtig lag. Er wollte mich in der Nähe haben.
Statt wie sonst ungeduldig nach K`tug zu rufen, blickte die Mannschaft abwartend zu ihrem Kommandant. Erst als der Koch mit seinen Gehilfen erschien entschärfte Dongard die Spannung. Erhob sich. Ein Zeichen das K`tug mit seiner schweren Schüssel als Stopp verstand. Indess winkte Dongard ihn an den Tisch heran. „Bedient euch!
Einigen mag es unverständlich sein das Safina hier am Tisch sitzt statt wie üblich im Bunker die Strafe zu büssen. Nun, inzwischen ist mir längst klar wie wenig abschreckend das dunkle Loch für einige ist. Ausserdem bringt es mir keinerlei Vorteilte. Darum wird Safina ab Morgen für den Bau der Halle eingeteilt. Ab sofort gibt es mühselige Strafarbeit und keine abgeschirmten Faulenzertage! Auch scheinen einige bereits vergessen zu haben das absolutes Redeverbot mit Safina besteht! Wenn ich noch jemanden erwische der das missachtet kann gleich beim Bau mithelfen. Ausser mir und Stefkan, dem Baumeister, richtet niemand ein Wort an sie! Haben das alle verstanden.“
Gemeinsam bestätigte das der überzeugte Chor. Keiner wagte so richtig den Teller zu füllen. Erst als Dongard sich mit milder Mine hinsetzte, begann das alltäglich Ritual um die besten Stücke. Allerdings galt das nicht für mich. K`tug setzte mir nämlich separat eine kleine Schüssel vor. Fragend sah ich ihn unverständlich an. Entschuldigend presste er seine Lippen zusammen. Drückte mir einen kalten Löffel in Hand. Seine Augen gaben mir einen kurzen Wink zu Dongard hinüber. Eine Suppe im Auftrag vom Chef. Nur flüchtig wagte ich einen Blick zu Dongard. Dabei entdeckte ich das es in seinen Mundwinkel belustigt zuckte als er meinen betroffene Mine auffing. „Safina, gewöhne dich schon mal daran. Das gibt es ab sofort eine Woche lang. Dreimal am Tag. Ach ja,“ er reichte mir ein Semmelbrötchen hinüber. „Brot und Suppe kannst du soviel Essen wie du willst und für die Gesundheit bediene dich aus dem Korb mit den Äpfeln. Alles andere ist, eine Woche lang, für dich gestrichen.“
Hocherfreut rümpfte ich entsprechend die Nase. Worüber Dongard unbeschwert lachte. „Safina, erwartest du etwas das ich dich verwöhne? Strafe muss sein und ich bevorzuge niemanden. Du bist mir für die fehlenden Diensttage was schuldig.“
Begeisterungslos löffelte ich meine dicke Haferschleimsuppe hinunter. Lobte insgeheim K`tugs Kochkünste, welche diese schlichte Mahlzeit in eine Aromatische Köstlichkeit verwandelte. Immerhin setzte mich Dongard nicht ganz auf Diät. Drei dieser Schüsseln verschlang ich und bat einen überschätzten K`tug um Nachschub. Ratlos blinzelte er mich ungläubig an und drückte mir hastig ein Stück frisches Brot in die Hände. „Morgen koche ich mehr...“ Dongards eissige Augen liessen ihn verstummen.
„Was,“ wehrte sich K`tug tapfer. „Darf ein alter Mann wie ich keine Selbstgespräche mehr führen?“
Schmunzelnd verzieh ihm der Kommandant die geglückte Ausrede, welche immerhin der halben Wahrheit entsprach.

In ungewohnter Stille endete das Mahl. Unbemerkt für die anderen viel es mir unsagbar schwer aufzustehen. Geradezu unmöglich meinen schweren Beine zu Bewegen. Aufgebend setzte ich mich auf die Bank zurück. Da Dongard selbst auf seinem Platz wartete bis alle, erstaunlich manierlich den Raum verliessen, vermutete ich sogar das er seine Fähigkeiten wieder einmal einsetzte. Bestätigung erhielt ich nach seiner schlichten Handbewegung. Trägheit verschwand, Leichtigkeit strömte wie Energie in meinen Körper zurück. Dongard tat nichts ohne Grund. Er legte seine Hände ineinander verschränkt auf den Tisch. So als ob er betete. Eigentlich sah er geradeaus. Aber seine überragenden Fähigkeiten hüllte mich weiter warm ein.
Versunken in Gedanken begann er. „Weißt du , früher sassen wir immer so gesittet beim Essen. Man nahm sich mehr Zeit die Speisen zu geniessen. Heute schlingen alle förmlich das Mahl hinunter als stünden sie unter Zeitdruck. Drängeln beim Aufstehen um rasch zu verschwinden. Dabei steht ihnen am Abend zwei Stunden Freizeit zur Verfügung, nicht wie einst eine Stunde.“ Eingedenkend an bevorzugte vergangene Zeiten, legte er eine Pause ein. Was mit Zeit einräumte mich zu verteidigen. „An allen Veränderungen kannst du mir aber nicht die Schuld auflasten.“
„Safina,“ senkte er vertraulich seine Stimme, „Du siehst was falsch. Du bist hier weil ich einfach belanglos mit dir reden will und nicht um dich mit Vorwürfen zu belasten.“
Inzwischen räumte die Tischmannschaft das schmutzige Besteck weg. Dongard sicherte sich vorher seinen halbvollen Becher mit Wein. Seine langen Finger strichen über die kunstvolle Verzierung des geritzten Glas. „Dich trifft nur die Schuld das du den Prozess der Veränderung, hier im Lager, beschleunigst. Jede neue Generation bringt ihre verschiedenen Wünsche und Gewohnheiten hervor. Sieh, alleine Ascha hätte vor zwanzig Jahren mit ihrem Neugierigen Verhalten keinen vernünftigen Familienanschluss gefunden. Man hätte ihre auffällige Art nicht toleriert. Heute jedoch kann sie sogar einen Beruf bis zur Selbstständigkeit erlernen. Eine Kommandantin wird nie aus ihr, aber eine hervorragende Landbesitzerin mit Weitblick und viel Herz.
Deine ausser Plan mässige Anwesenheit, beunruhigt die bisherige Gemeinschaft. Leider kann, will ich das nicht ändern. So gern es ein paar ordnungsliebende Bewahrer sähen, kann ich es mir nicht leisten kostbare Zeit zu verschwenden. Ausserdem will ich nicht das du auf irgend einem abgelegenen Hof eine einfache Arbeit annimmst. Es ist mir lieber das du morgen beim Graben des Fundaments, der Halle, hilfst und am heissen Nachmittag kommst du hier in die kühle Stube um mit neun anderen am Schulunterricht zu beteiligen. Zurzeit kann ich jede Hilfe gebrauchen.“
Seine gebeugter Rücken gab mir zu denken. Ein verheimlichter Grund bedrückte ihn. „Dongard, was ist denn so dringend an dieser Halle? Willst du mehr Drachen züchten?“
Freudlos lachte er vor sich hin. Diese seltsam resignierte Seite war mir fremd an ihm. Was fürchtete ein erfolgreicher Kommandant wie er?
„Drachen, Vorräte, alles was nötig sein wird,“ verriet er mir ohne was richtig zu erklären. Es warf eine Menge neuer beunruhigende Fragen auf. Seine Augen blickten hoch und blieben an meinen befürchteten Ausdruck hängen. „Was? Safina so ernst kenne ich dich überhaupt nicht? Schon merkwürdig, gerade du kannst es am ehesten verstehen. Aus deiner kriegerischen Zeit hat man gelernt auf die unheilvollen Anzeichen zu achten. Ja, Safina, wir gehen einer ungewissen Zeit entgegen. Selbst auf einer riesigen Insel, auf der wir wohnen, kann Politik verhängnisvolle Veränderungen auslösen. Was missfällt dir so?“
Anscheinend bemerkte er mein abgeneigtes Stirnrunzeln. „Politik ist langweilig. In meiner Zeit haben sich kaum die Hälfte der Leute darum gekümmert. Die überbezahlten Leute, in ihren Palästen machten eh, hintenrum, was nur ihren persönlichen Interessen dienten. Also verschone mich mit Langweiliger Politik! Verrate mir lieber was für neue Konsequenzen für uns eintreten?“
Zurücklehnend studierte er mich wieder einmal gründlich. „Willst du einen Traum von mir wissen. Keinen echte Voraussagung des Melfenblutes sondern einfach mein persönliches Wunschdenken?“
Wow, was war heute los? So vertraulich. Er weckte mein Interesse. „was willst du neu durchsetzten?“
Entspannt lachte er kurz. Verschwörerisch raunte er mir zu. „Nicht über die allgemeine Welt, sondern es betrifft deine Zukunft. Ha, jetzt bist du wieder wach!
Also, am liebsten hätte ich dich als Kommandantin hier im Lag...“
Diesmal viel es mir schwer mein Lachen zurück zuhalten. Genau das hatte ich voraus befürchtet. Dieser Träumer fantasierte tatsächlich das ich einst den Status eines Kommandanten erfüllte. Wirklich, vor Lachen schossen mir fast Tränen in die Augen.
„Safina,“ ermahnte er mich zur Ruhe. „Was ist daran so lächerlich? Ausserdem erwähnte ich ja das es bisher nur ein Traum ist. Je nach Entwicklung könnte ich das rasch ändern,“ drohte er mir an. Sofort verstummte ich. Diesem Spinner traute ich noch zu dass sollte er den Entschluss fassen, mich dahin zu bringen, auch einen Weg fand sich durch zu setzten.
Denselben funkelnden Blick gab ich zurück. „Träum schön weiter,“ riet ich ihm.
„Perfekt wäre der Plan wenn...“ er raunte es mir leise zu. „Du das Lager übernehmen könntest während ich auf Reisen bin.“
Entsetzt prustete ich los. „Was! Ich soll die Geisel schwingen während du Ferien machst!“
Seine ohnehin schon grossen Melfenaugen weiteten sich. „Wer redet da von Ferien.“ Er winkte mich heran. „Meine Kontrollgänge über mein weites Land sind mir sehr wichtig. Die Leute lebe ziemlich verstreut. Sie brauchen diese ohnehin schon spärliche Verbindung zu einander. Bereits jetzt fehlt mir schon ein vertrauenswürdiger Kommandant. Manchmal bleibt mir einfach keine Zeit die abgelegenen Höfe zu besuchen. Letzthin ist eine ganz Familie an einer Krankheit gestorben ohne das jemand was merkte. Erst zwei Monate später hat man das grauenhaften Schicksal aufgedeckt. So etwas darf einfach nicht passieren. Nicht bei Leuten unter meiner Verantwortung.“
„Du hast doch Derek,“ wies ich verwundert auf seinen Stellvertreter.
Langes Schweigen verriet eine Unstimmigkeit im Gleichgewicht. Zögerlich gestand Dongard. „Derek wird seine Ausbildungsprüfung, nächstes Jahr, in der Stadt absolvieren. Er wird sie schaffen, da hege ich keinerlei Zweifel. Es würde mich jedoch stark wundern wenn es ihn hierher zurück zieht. Ihm fehlt ... ich kann es nicht erklären. Aber dieses abgeschiedene Lager ist keine weiterbringende Investition für jemandem von seinen vielseitigen Interessen. Er ist nicht der Typ dazu und um ehrlich zu sein... Ewig mit ihm zusammen zu arbeiten ist nicht gerade ein Traum.“
Aha, das klingelte ein Hintergedanke los. Lieber eine Frau als Partner, im doppelten Sinne. Schelmisch wagte er zu grinsen. „Selbstverständlich.“ Las er etwa meine Gedanken.
„Selbstverständlich,“ wiederholte er erneut. „nein, aber in deinem ausdruckvollen Gesicht ist es einfach zu erkennen. Eigentlich rechnete ich damit das sich Damar für die Stelle interessiert. Zudem stelle ich mal gleich klar, das eine leitende Frau vieles in Gleichgewicht bringen kann, was ich nicht vermag. Gewisse Probleme besprechen Frauen lieber unter sich, oder?“ Setzte er mit Nachdruck hinzu. Mhm, das traf einen wahren Kern. Ungemein beruhigte mich der einleuchtende Grund. Dennoch, „Mal ehelich. Bei meiner, abschreckender Vergangenheit willst du mich auf so einen wichtigen Posten hoch bringen? Ausserdem glaube ich kaum das mir so was liegt. Ich bevorzuge lieber harmlose, weniger anstrengenden Wege.“
Spöttisch schielte er herüber. „Für das du einfache Wege gehen willst, strengst du dich gehörig an mit deinen fantasievollen Streichen! Gerade deswegen bleibt meine Wahl bei dir hängen. Weil du nie aufgibst und auf kreative Weise immer eine einfache Lösung findest. So was bevorzugen die einfachen Landleute hier, einen unkomplizierte Lebensweise. Mit ein bisschen mehr Disziplin lässt sich aus dir was hervorragendes formen,“ versuchte er mir eine neue Perspektive einzutrichtern.
Meine helle Begeisterung zeigte ich dadurch das ich die Nase rümpfte. „So weit denke ich nicht voraus. Ausserdem schaffst du es niemals meine Ausbildung, in dermassen abgekürzten Zeit, durchzupauken,“ erwähnte ich meine wahre Realität.
Ziemlich säuerlich blickte er in sein halbvolles Glas. Murmelte, „Ja, das ist das einzige was mir schwer aufliegt. Wenn wir beide an einem Stick ziehen würden, sähe ich durchaus Erfolg. Aber es... Das bist nicht du. Du benötigst mehr Zeit. Wählst einen sicheren, längeren Weg. Was ich bei deiner bewegten Vergangenheit verstehe.
Du brauchst stabile Sicherheit. Etwas was du bisher kaum kanntest. Lerne meiner Sicherheit zu vertrauen. Solange du in meiner Nähe bist, Garantiere ich dafür. Also versuch dich wenigsten ein bisschen auf einen erfolgreicheren Weg zu konzentrieren. Vielleicht wirst du dabei nicht Kommandant. Aber wie wäre eine Stelle als Züchterin für Drachen?“ Lockte er mit meiner Schwäche für Di`jon. Gemeine Attacke! Dafür lohnte es sich fast mehr Strebergeist aufzubringen. Meine blinzenden Augen verleiteten ihn zum schmunzeln. Flüsterte, „Hab ich dich an meiner Angel?“
Kindesmässig streckte ich ihm gehässig halb die Zunge raus. Worauf er aufgebend den Kopf schüttelte. Den letzten Schluck Wein brauchte. „Safina, was ist dein Lebensziel? Suche einen Halt. Einen Sinn in deinem Leben und arbeite darauf zu. Selbst wenn es kleine Schritte sind. Denk mal darüber nach.“ Er nahm sein Glas und verabschiedete sich.

Verflixt, er verdeutlichte einen Schwachpunkt in meinem Leben. Am liebsten hätte ich mit Stahrie oder der altklugen Agnome darüber geredet um mir Klarheit zu verschaffen. Allein über das Problem zu grübeln, was mir ohnehin bei diesem Thema schwer fiel, lag mir nicht.
Gerade jetzt wo ich dringend jemanden zum Quatschen brauchte, oblag mir diese Schweigestrafe ziemlich heftig auf. Verglichen mit dem Bunker war es tatsächlich schlimmer. Dort schaffte ich es abzuschalten. Hier wurde ich immer mit der Verlockung konfrontiert. Ob duftendes Essen oder eine Kommunizierende Gesellschaft. Für diese Woche war meine eingeschränkte Isolation wirklich eine eindrückliche Strafe. Meine Entscheidung bei Dongard zu bleiben, daran zweifelte ich keine Sekunde. Jetzt galt es einfach, so angenehm wir möglich, das durchzustehen.
Schon auf dem Weg zum Zimmer fühlte ich mich einsam im Gang. Obwohl ich zwei Leute antraf. Sie unterhielten sich, entdeckten mich und hüllten sich in Schweigen. Danach, hinter mir begann das versteckte Tuscheln. Vor meiner Tür hielt ich abgeschreckt an. Dahinter wartete ein dunkler Raum. Gut, eine Kerze konnte ihm zeitweilig etwas Leben einhauchen. Doch ich war allein... Kalt. Ich fürchtete mich auf einmal vor meinem eigenen Zimmer. Meine Augen schweiften in den erleuchteten Gang zurück. In weitem Abstand hallten die Stimmen an den Wänden entlang. Wie eine verzehrtes Echo. Hier im Gang konnte ich unmöglich übern...? Moment mal! Da vergass ich beinahe meinen treuesten Freund. Auf einmal strahlte ich das breiteste Lächeln. Monat, der im bequemen Morgenmantel, entgegen spazierte, blieb vor Schreck stehen. „Du.“ Sofort schlug er sich die Hände eigenhändig vor den Mund. Diesmal scheute ich nicht davor zurück ihm voll eine Zunge zu zeigen. Freiwillig wich er an die Wand als ich fröhlich an ihm vorbei trabte. Hörte in hinter meinem Rücken trotzdem noch seine entsetzte Stimme. „Die Verrückte hat wieder was vor!“

Minuten später kuschelte ich mich gemütlich ein warme Decke. Unter Di`jon aufmerksamen Blick liess es sich unbekümmert schlafen. Nach diesem anstrengenden Tag waren wir beide ziemlich erschöpft. Darum schlief ich auch nur in meiner Unterwäsche. Zum Umziehen in meinem Zimmer hatte ich einfach keine Lust. Hier im Stall roch es eh streng nach Tieren und Mist. Also besser so wenig wie möglich und am besten keine frische Kleidung versauen. Wie Dongard so treffend erwähnte, liebte ich das einfache. Eine Decke, und einen loyalen Leibwächter der mir Ruhe verschaffte. Es dauerte nur kurz, da legte sich Di´jon äusserst vorsichtig in der Box neben mich nieder. Beruhigt das er mich in keiner Weise quetschte, streckte ich mich entspannt aus. Es raschelte neben mir. Sein Magen rumorte leicht beim Verdauen. Ansonsten war es , ausser dem Mahlen wiederkäuender Zähne, recht Still in diesem Stall. Manchmal fiebte eine nervöse Maus hinter den Holzverkleidungen der Wände. Ich genoss meinen sicheren Platz den mein Freund erfolgreich abschreckend beschützte. Langsam ergriffen Träume die Macht. Bis...?
Warmer Atem blies mir in den Nacken. Angenehm, da es mich an Maxims Gewohnheit erinnerte. Eine leichte raue Zunge leckte meinen Hals. Das ging mir doch zu weit. Schliesslich besass Di`jon eine ziemliche Beisskraft. Sollte er sich nicht beherrschen so...
Ich stutzte. Meine strafende Hand fuhr zurück an ihren alten Platz. Herrlich wie diese warme, leicht klebrige Zunge den Rücken massierte. Warum nur. Klar, bei meiner vernachlässigten Hygiene, nach diesem heissen Sommertag, schmeckte meine Haut salzig. Und Di`jon schien das zu lieben. Zum Glück sah niemand mein seliges Lächeln, im dunklen Stall. Seitlich an Taille quietschte ich auf einmal auf. Kicherte hemmungslos. Da besass ich anscheinend eine kitzlige Stelle. Di´jon wunderte sich über meine seltsamen Geräusche.
Ich presste mich zurück auf den Boden. Unterdrückte mein reizendes Lachen. „Mach lieber beim Rücken weiter.“ Zog ihn an den Tasthaaren zu den Schultern hoch. „Vorsichtig,“ mahnte ich sanft. „denk an meine Verletzung.“
Es tat wahrlich gut wie er die halb verheilte Stelle massierte. Erlöst streckte ich mich ein Stück weiter. Di`jon wartete bis wieder still lag. „mach ruhig weiter,“ murmelte ich im Halbschlaf. Unerwartet drückte er leicht... sein Fuss? Jedenfalls drückte etwas trockenes zwischen meine Schulterblätter. Solange er weiter sanft... „Ahh!“ protestierend schnellte mein Ellbogen nach hinten. Brutaler, hinterhältiger Mistkerl! Schliesslich traute ich Di´jon genug Intelligenz zu das er meine empfindliche Stelle kannte. Mein Ellbogen traf unerwartet auf.... was?
Deutlich vernahm ich ein Keuchen. Ein menschlicher Laut. Panik stieg in mir hoch. Hell, flackerte eine Flamme aus. Erkannte mein Feuerzeug aus meiner Zeit in Dongards Hand.
Demnach schätzte er den Fortschritt meiner Zeit. „Dongard,“ wisperte ich befreit von meinen vorschnellen Ängsten. Kein Wunder. Einzig ihn akzeptierte Di`jon in seiner Nähe. Keiner schlich so leise, was sage ich , so unhörbar wie ein Melf.
Mein aufgeregter Herzschlag beruhigte sich wieder. Wandte mich kurz ab um die Decke schützend um meinen Oberkörper hoch zu ziehen. Sein scharfer Atemzug wunderte mich. Erst recht seine feste Stimme. „Stopp! Beweg dich nicht!“
Ich sass auf meinen Knien, den Rücken ihm zugewandt. Abermals schlug mein Herz einen schnellern Takt ab seinem dringlichen Wunsch. Was hatte? Sah er eine ecklige Stallspinne irgendwo an mir. Irgendwo an der Decke hoch krabbeln? Seine hastigen Bewegungen hinter mir, verrieten seine Sorge. Er zündete eine der Stalllaternen an. Das Dauerte ja ewig. Meine zittrige Stimme drängte. „Mach sie weg!“
Beruhigend sanft sein Ton. „keine Sorge. Es dauert ein bisschen. Du weißt ich bin nur ein Halbmelf.“
Verstimmt murrte ich über seine übertriebene Tierliebe. „Schlag sie einfach Tod. Es gib genug davon.“
Er stellte sich hinter meinen Rücken. „Von was redest du ?“ Klang es begriffsstutzig.
„Die ekelhafte Spinne! Mach sie kaputt,“ verzweifelte ich halb in Panik.
„Wo,“ fragte er hinauszögern.
„Was, wo? Du hast gesagt ich soll mich nicht bewegen. Also ...,“ warf ich ihm vor doch vernahm nur sein leises Lachen. Seine Hände legten sich auf mein verletztes Schulternblatt.
„Saf, das habe ich damit gemeint,“ klärte er auf.
Erlöst senkte ich meine Schultern. Um darauf wütend herum zufahren. „Darf ich nicht mal in Ruhe schlafen. Gehört das etwa auch zu deiner Strafe! Wegen so einer Kleinigkeit belästigst...“
Durchdringende, fast schwarze Augen durchbohrten mich. Zwangen mich meinen ausbrechenden Wiederstand aufzugeben. Fühlte mich auf einmal völlig schwach. Stützend hielt mich Dongard an der Schulter fest. „So, und jetzt halt einfach still. So eine scheussliche Verfärbung habe ich in meinem Leben erst zweimal gesehen. Ein absolutes Wunder das du dir bei dem Sturz nichts gebrochen hast. Schau nach vorne!“ willenlos gehorchte ich automatisch auf singenden Befehlston. Melfen und ihre überlegene Gabe. Wer schützte mich davor dem willenlos ausgeliefert zu sein?

„Rücken gerade!“ Seine Hand korrigierte meine Stellung nach. „Es wird ein bisschen weh tun und ich kann nicht versprechen das ich heute alles heile. Diese tiefblaue Verfärbung geht ziemlich tief.“
Stille trat ein. Bei Dongards scharfen Ton behielt Di´jon jedenfalls gerne abstand. Drückte sich näher an die Wand. Knirschten bogen sich die alten, trockenen Bretter.
Obwohl ich die Wand und die verzerrten Schatten vor mir an der Wand sah, nahm ich sie nicht wirklich wahr. Um mich bildete sich wie ein Vakuum das sämtliche Geräusche ausschloss. Ausser dem singenden Ton in meinem Hinterkopf. Da war merkbar eine sachte Hand die sich auf meine Verletzung legte. Stetig ihren Druck vertiefte oder war es gar ein ziehen nach aussen. Irgend etwas brannte förmlich unter meiner Haut. Um den Schmerz besser abzuschalten schloss ich meine feuchten Augen. Es tat scheusslich weh. Fest biss ich meine Zähne zusammen, entschlossen keine Schwäche zu zeigen. Es zog sich in die Länge. Plötzlich spürte ich wie förmlich zwei glühende Nadeln aneinander prallten. Unkontrolliert schlug mein Arm automatisch schützend zur Seite. Schmerzhaft schürfte meine Faust an dem Holz entlang.
Eher mein gemarterter, unwilliger Ausruf liess Di`jon zurück weichen. Sofort hörte Dongard mit der Behandlung auf. Erschöpft senkte er seine Arme. Deutliche Wärme hielt sich weiterhin auf meinen halben Rücken fest. Anfänglich wagte ich meinen Arm kaum zu bewegen. Nachdem ich eine vorsichte probe startete merkte ich wahrlich eine Verbesserung. Dongard mahnte. „langsam. Keine hastigen Bewegungen oder du vernichtest mein Werk. Lass es bis morgen ausklingen. Dann kannst du zuverlässig wieder zupacken.“
Seine Fähigkeiten erstaunten mich immer wieder. Dankbar mit einem Lächeln im Gesicht wandte ich mich herum. Erschrak. Hinter mir sass ein erschöpfter bleicher Dongard. Schweissperlen auf seiner Stirn. Er fing meinen besorgten Wink auf. „Safina,“ fing er mit seltener Milde an. „Ich bin nur ein Halbmelf. Heilen ist eine besondere komplizierte Angelegenheit. Von der Ausbildung lernte ich nur gerade das nötigste. Für ein längeres Studium hätte ich damals bei meiner Mutter bleiben sollen doch mir blieb damals keine Wahl. Also..“ überanstrengt lehnte er sogar matt an die Wand. Na, hallo. Nie zeigte der Kommandant Anzeichen von intensiver Müdigkeit. Es rührte direkt an meinem Mitgefühl. Ab meinen besorgten Ausdruck schmunzelte er. Winkte mich näher an seine Seite. Da ich schon auf meinen Knie sass, überbrückte ich den halben Meter auf allen vieren. Was meinen Drachen hinter mir anscheinend erschreckte. Mit grossen Augen kam sein Kopf heran. Schubste mich drängeln in die Seite. Da ich seine Beweggründe nicht verstand. Packte er mich wie schon, Tage zuvor, hinten am Hosenrand. Aufschreiend knallte ich rasch eine, denn so eine dünne Unterwäsche hielt mein Lebensgewicht garantiert nicht stand. Zum ersten Mal wich Di`jon ängstlich aus meinem Bereich. Er der sonst so gerne mit seiner überlegenheit stichelte, schreckte vor meiner unerwarteten Attacke zurück. Schliesslich hatte er hilfsbereit und recht geschickt nur am Stoff gezogen. Sein Missverständnis rührte mich. Anders als bei Dongard, wagte ich meinen Arm auszustrecken. Mit gewappnetem Misstrauen schnupperte mein Grosser erst einmal daran. Kurzerhand angelte ich mir einer seiner langen Ohren. Zupfte ihn spielerisch daran, bis er sein mächtige Haupt vertrauensvoll neigte damit ich ihn hinter den Ohren kratzte. Eine Stelle wo er selber nicht hinkam. Versöhnt rieb er seinen Kopf an mir.
Diesen Vorfall studierte Dongard genau. Jede Einzelheit nahm er mit seine scharfen Augen wahr. „ihr zwei scheint Euch ja fabelhaft zu verstehen.“ Schön das er endlich zu Begreifen schien das ich und Di`jon zusammen gehörten. Allerdings zeugte sein Gesichtsausdruck weniger von Begeisterung. „komm,“ sagte er knapp. Benutzte die Wand als Hilfe zum Aufstehen. Verzagt hüllte ich mich einfach in meine Decke und folgte ihm... jedoch nicht wie erwartet zum Ausgang sondern...in den Futterraum. Erst als er seine Lampe hoch hielt, der Schein über die duftenden Heuballen fiel, wusste ich seine Absicht. Kletterte zwei Ballen hoch auf die gepolsterte Ebene.
Dongard bemerkte, „Hier bist du sicherer aufgehoben als in der engen Box. Denk nur mal daran was passiert wäre wenn Di`jon sich ungewollt im Schlaf auf die andere Seite legt?“ Nach diesen Bedenken verschwand er mit dem tröstlichen Licht. Alleine in der Dunkelheit fühlte ich mich unheimlich. Kein feinhöriger Drache vertrieb mir hier die Spinnen oder neugierigen Mäuse. Ausserdem kehrte die Einsamkeit zurück. Angestrengt lauschte ich in die Dunkelheit hinaus. Wartete auf das Schleifen des schweren Eingangtores welches mir verriet das Dongard den Stall verliess. Dann , so nahm ich mir vor, kehrte ich zu meinem wärmeren Gesellschaft zurück. Jedoch näherte sich das Licht. Rasch drückte ich mich auf das Heu nieder. Eine dunkle Decke schwang sich empor. Schwungvoll folgte Dongard. Mir versagte die Sprache, also übernahm er es. „Denkst du ich lasse zu dass du dich zurück schleichst sobald ich weg bin! Wenn du unbedingt Gesellschaft brauchst und freiwillig nicht darum bittest... hier bin ich.“ Mühselig befreite er sich von den engen Stiefeln. Entkleidete das nötigste und blies das Licht aus. Ich wagte mich nicht rühren. er schien im Dunkeln zu sehen. Jedenfalls platzierte er sich sicher an meine Seite. Ganz ehrlich, irgendwie fühlte ich mich trotz seiner Anwesenheit alles andere als Wohl. Obwohl ich die Augen schloss wollte sich die Müdigkeit nicht einstellen. Er seufzte. Im nächsten Moment zog mich ein kräftiger Arm dicht an seinen Körper heran. „Dongard,“ murrte ich sogleich.
„Denk einfach an Maximilian und schlaf endlich,“ sagte er lasch. Alles andere als rücksichtsvoll. Gerade jetzt mich an meinen rätselhaften Freund zu erinnern. Anderseits zeigte mir seine Gleichgültigkeit das jede Befürchtung über Dongard völlig überflüssig waren. Also da hatte ich heute nur einen netten Beschützer. Da fühlt man sich gleich wohler. Entspannt träumte ich tatsächlich von meinem Freund.

Seltsam, am Morgen aufzuwachen und eine fremde Hand auf dem weichen Busen zu spüren. Kitzelndes Heu erinnerte mich an den gestrigen Abend. Genoss die Zeit, vor meinem Streber Kommandant aufgewacht zu sein. Analysierte meine unbegreiflichen Gefühle. Ehrlich zugegeben, heute morgen genoss ich seine Nähe. Lag vielleicht daran das ich die vertraute Nähe zu Maximilian vermisste oder gar die seltenen intimen Nächte. Empfand auf einem Sympathie bei dem Gedanken eine Nacht, auf Dongards Angebot einzugehen. Als ob er meine dünne Zuneigung bemerke, kuschelte er sich dichter heran. Sollte ich mich bewegen, zeigen das ich wach war? Dazu war ich zu träge. Bevorzugte es die zarte Vertraulichkeit zwischen uns zu geniesen. Erst Recht als er mich versonnen auf die Schulter küsste. Murmelte seelig. „Guten Morgen.“
Mein kräftigeres, „guten Morgen.“ Schreckte ihn verstört auf. Im Dunklen hörte ich nur wie er sich aufrichtete. Eine verwunderte Stimme. „was machst du... oh.. ich erinnere mich.“ Einen Moment blieb es ruhig bis er realisierte. „Du hast ein pünktliches Zeitgefühl. Es ist bald Zeit im anzutreten.“ Verschlafen streckte er sich, zündete die Kerze im Glaskasten an. Packte seine Kleidung und rutschte von Heu hinunter. Während er sich anzog, strich ich versonnen mit einer Hand über seine Warme, verlassene Stelle. Wie lange war ich in diesem Lager? Keinen ganzen Monat und besass ich eine Schwäche für Dongard.
Selbst ertappt zuckte meine Hand zurück. Ermahnte mich streng. Es gab genug junge Frauen die für ihn schwärmten. Nur eine hübsche Fassade anzuhimmeln, dafür verschwendete ich keine Zeit.
„Aufstehen,“ rief mich eine singende Stimme. Verstimmt schleuderte ich ihm seine Decke an. Geschickt fing er das wirbelnde Tuch auf. stellte sich vor die Heuballen und streckte anbietend weiterhin die Arme aus. „Ich fange dich auch.“
„Pah,“ funkelte ich ihn drohend an. „Aus dem Weg!“
Er spielte den freundlich enttäuschten und ging tatsächlich.


der Ausflug

 

Ausflug

 

Trostlos, öde, so erinnere ich mich an das folgende Morgenessen. Für mich war es qualvoll einfach dazusitzen und den anderen bloss zuzuhören. Vor mir die verklebte Holzschüssel  mit dem zähen Haferbrei. Zum Frühstück servierte mir K`tug eine von mir weniger bevorzugte Variante. Dieser fantasielose Brei schmeckte einfach nur nach Salz. Statt die verfeinernde Milch mengte er nur Wasser bei. Schon nach ein paar Löffeln gab ich auf. es schmeckte mir überhaupt nicht. Und Brot durfte ich nur bei der flüssigen Suppe fassen. Also spielte ich eine gute Miene zum bösen Spiel und wartete bis Dongard uns vom Tisch entliess.

 

Ein sonniger Tag der erbarmungslose Hitze versprach. Da ich wenig ass, trank ich genauso sparsam. Sobald ich auf dem Baugelände stand, überfielen mich erste Zweifel ob ich den Tag durchhielt. Zwischen den zwei kleinen Erdhügel eingepresst sollte wir eine stabile, getarnte Halle errichten aus der kein Drache oder eine kräftiger Dulie ausbrechen konnte. Diese winzigen, fünf Meter hohen Erdhügel spendeten nur kurzen Schatten. In wenigen Stunden frass selbst den die gierige Sonne.

Bereits jetzt startete ich in einem Ärmellosen Shirt und luftigen Trainerhosen. Während Panellan und seine Mannschaft mit einem leichten Pullover gegen die morgendliche Frische antraten. Wir sammelten uns um einen grob zusammen gebastelten Tisch. Also wenn später die Halle denselben Baumeister aufwies, wagte ich nicht einmal deren Tür zu öffnen. Sobald ich mich der ausschliesslich Männergruppe hinzugesellte, erntete ich scheele Blicke. Ja, ja, der kleine Sträfling mit dem wir uns heute gezwungenermassen abgeben müssen. Steh uns ja nicht im Weg, sprachen die ablehnenden Augen. Einzig Panellan setzte sich über die stumme Verschwörung hinweg. Winkte mich heran. „Du,“ beriet er mich. „kümmerst dich das genug Rollstangen vorhanden sind. Und schmier die Blöcke seitlich damit ein.“ er hielt mir einen scheusslich riechenden Topf entgegen, aus dem eine grünliche Sauce über den Rand schwappte. Wie zähflüssiger Käse zog es Fäden bis zum Boden. Hastig zuckte ein Schuh von einem Kollegen ausser Reichweite. Ein verstecktes lächeln begleitete die Übergabe der abschreckenden Sauce. Sobald ich den Topf in den Händen hielt, wahrten meine überheblichen Kollegen respektvoll Abstand. Rücksichtsvoll nahm mich Panellan auf seine Weise in Schutz. Dankbar lächelte ich zurück. Er tat so als hätte er nichts gesehen. Winkte rüber zu einer bereits halb fertigen Reihe. „Schmier die Seiten an. Die klebrige Masse dient als Klebstoff und Abdichtung in einem. Und legt Stangen aus zu dem einzelnen Block da drüben. Den verschieben wir als erstes.“ Er wandte sich zu den anderen. „Wo bleibt eigentlich meine Lieferung!“ Wie bestellt bebte der Boden leicht unter unseren Füssen.

Während ich die Blöcke anschmierte beobachtet ich interessiert die emsigen Arbeiter. Eines der seltenen Kunuschis schleppte die fertig gemeisselten Blöcke in die nähere Umgebung. Da die massige Riesenkuh sogar mehr Platz als ein Elefant benötigte, wendete man sie vor der Verengung in den schmalen Gängen der Hügelketten. Die letzten hundert Meter überwältigte man alleine mit Menschenkraft. Dafür teilte man die drei leichtesten Männer ein, da es hauptsächlich bergab ging, kanteten die bis zu 200 Kilo schweren Steine öfters an. Brüchiger Schiefer bröckelte dann von dem weicheren Geländer ab. Unser Schiefergestein unterlag dem stabilen Import. Nun verstand ich Dongards Gründe, für die aufwendige Bestellung. Denn eigentlich lag ja ein Steinbruch direkt vor unserer Haustür. Aber Dongard bevorzugte Qualität. Vorteilhaft auch die ungefähr gleichbleibende Gewichtsklasse. Von den getarnten Goldwürfel schaffte ich es nicht mal im Traum eine zu bewegen. Ein Wunder wie sie diese Riesenwürfel je hierher schafften.     

Für die wahre Schwerarbeit standen Derek und Stefkan zur Verfügung. Letzteres ein, schlanker, kräftiger Bauernsohn. Mass einen ganzen Kopf kleiner als Derek, aber an Muskelkraft hielt er Gleichschritt. Seine Ähnlichkeit, im Aussehen, liess fälschlicherweise vermuten  er sei der kleinere Bruder. Einzig seine gelockten, hellblonden Haare unterschieden ihn deutlich. Während Derek, gemäss seinem Vorbild, Dongard nachahmte, verhielt sich Stefkan ziemlich lockerer. Kein Wunder schwärmte Agnome heimlich von diesem Jungen. Deutete es sprachlich höchst selten an, dafür verstand ich nun ihre verträumten Augen.

Während Monat gelegentlich provozierend, grinsend an mir vorüber stolzierte, hielt sich der Rest dezent zurück. Zu meiner Freude holte ich mit dem stinkenden Pinsel, so schwungvoll aus, dass ein paar grünen Tropfen seiner Hose besprenkelten. Natürlich nutzte er den eindeutigen Grund für eine ausholende Anschuldigung. Dabei wartete ich bereit mit meinem Pinsel bewaffnet das er nur näher trat. Allerdings vermocht, mein unschuldiger Blick,  diesmal ihn nicht zu täuschen. Wachsamer, schlich er fortan an meiner lauernden Falle vorüber. Bis die nächste Lieferung Bausteine kam. Wenn ich so die anderen heimlich betrachtete schätzte ich mich sehr glücklich mit meiner Beschäftigung. Sobald einer dieser Klötze unsere Ebene erreichte. Flitze ich herum um die trockenen Stangen auszulegen. Im allgemeinen dauerte es nur wenige Minuten bis man den Block an seine zugedachte Stelle zog. Einzig der Transport den kurfenreichen Hügel hinunter verschwendete viel Zeit.

Zunehmend erwärmt sich der wolkenfreie Morgen. Eine anstrengende  Minute reichte um den Schweiss auf die Stirn zu treiben. Nach einer Stunde versammelte uns Panellan im spärlichen Schatten zusammen. Wir genossen fast schweigen die Pausenminuten. Bis Camak, ein gleichaltriger Stadtjunge, sich über eine alte Verletzung am Fuss beschwerte. Anscheinend klemmte er sich den mal ein. Vorsichtig fragte er nach einer längeren Pause. Während Panellan über den Verlust nachsann, meckerte Monat. „Setz doch Safina für ihn ein. Tauschen wir einfach die Stelle ab, dann verlieren wir keine Zeit. was?“ 

Einige stumme, kühle Blick folgte. So in der Art, lass die Kleine doch mal in Ruhe. Stefkan witzelte zurückhaltend. „Die schafft keinen Meter so einen Block allein zu schieben.“ 

Bis auf Derek, lachte jeder über die schlechte Abkanzelung. Der ruhige Riese dagegen mass mich mit einem scheelen Seitenblick. „Wollen wir wetten,“ schockierte er die paffe Runde. Zuerst eisige Ruhe bis Monat sich vor losprustete, sich den Bauch festhielt. Camak hielt es von vornherein für eine verlorene Sache. Mit siegessicherer Miene handelte Stefkan bereits mit Derek den lohnenden Gewinn aus.  Man einigte sich darauf die unbeliebten Waschtage dem Verlierer zu übertragen. Um vier solcher tage, das Pensum eines Monats stand auf dem Spiel.

Bisher schwieg ich über die Wettfreudigen Herren. Als sie mich jedoch diebisch angrinsten fuhr ich listig dazwischen. „Wer sagt Euch das ich da überhaupt mitmache?“

Derek versuchte es mit guten Willen. „Es geht um deine Ehre. Zeig was du kannst!“

Verächtlich schlug Stefkan einen andern Weg ein. „Ja, willst du immer ein Verlierer sein! Wenn du den Block, hier unten auf der Ebene auch nur einen Meter schaffst, nehme ich dir einen Waschtag ab!“

„Pah,“ bescherte ich mich. „Sollte ich Gewinnen will ich auch von meinen vier Tage befreit sein. Schliesslich hängt alles von mir ab.“

„Gut,“ drohte Monat mit Vorfreude, „Und wenn du versagst übernimmst du einen Tag von jedem von uns!“

Sechs zusätzliche Waschtage! Das war ein abschreckender Hammer. Zum Glück war Sommer. Bei winterlichen eisigen Wassertemperatur wäre ich nie auf die Wette eingegangen. Dafür war mir dann der Einsatz zu hoch. Aber so. Wie eine eingeschworene Bande legten wir unsere rechte Hand in die Mitte übereinander. Es galt. Derek rannte mit seinen Kollegen hoch um den nächsten Block herbei zu schaffen.

Rumpelnd polterte er die Stufen hinunter. Erschreckend mit welchem Eifer die Leute das Tempo beschleunigten. Inzwischen mahnte mich Derek. „Dehne ein bisschen deinen   Körper. Wärme deine Sehen auf. Wie geht es überhaupt deiner Schulter,“ viel ihm verspätet ein. Zur Probe steckte ich meinen Arm. „Scheint alles verheilt zu sein. Dongard hat mich am Abend kurz behandelt,“ sagte ich sorglos. Vertraute auf meine innere Stärke. Ausserdem kannte ich da einen kleinen Trick, mit dem ich sonst immer hartnäckige Dosendeckel knackte. Zuversichtlich prüfte ich die Holzstangen. Suchte mir möglichst makellos geradlinige aus. Ausserdem, der leicht sandige Boden versprach wenig sicheren Halt. Es galt mit Vorsicht Kraft einzusetzen, oder ich spulte hoffnungslos auf dem rutschigen Untergrund. Gemütlich streckte ich mich wie nach einem erholsamen Schlaf. Zweihundert Kilo, allein, über eine mittelalterliche Vorrichtung zu schieben. Mit ebenmässig geschleiften Stangen sah ich da kein Problem, aber bei  diesen verkanteten Objekten bekam ich leichte Zweifel. Es gab kein Zurück. Ausserdem lockte das gewinnende Angebot. Zwei junge, starke Männer rückten den halben Meter hohen Block in Position. Vier lausige Meter vor dem Ziel hielten sie an. „Safina,“ rief mich Panellan gespannt. „Jetzt bist du dran!“

Naserümpfen mass ich meinen gewichtigen Feind. Derek hielt mir ein Spannseil hin. „willst du..“ Er bemerkte wie ich mit den Schuhsohlen den Boden prüfte. Monat hielt einen Finger hoch, spottete, „kein Rückenwind der dich Unterstützt. Sollen wir vielleicht Di´jon holen damit er dich in den Hintern beisst. Könnte eine effektive Motivation sein!“

Egal was die Leute dachten. Hemmungslos streckte ich ihm die Zunge heraus. Widmete mich dem schweren Subjekt, und zwar von hinten. Mit Ziehen sah ich schwarz. Aber mit schieben. Grub meine Sohlen etwas in den weichen Boden. Legte meine Hände an. Und drückte probeweise. Zitternd rückte der Block ein paar Millimeter vor und schaukelte gemeiner Weise wieder zurück. Darin lag die Tücke der unregelmässigen Stangen. Zeit für meinen kleinen Trick. Dreimal schubste ich diesen Block nur mit meinem Gewicht an. Vermied die volle Einsetzung meiner Kräfte. Bei jedem verstärkten Schaukeln holte ich tief Luft. Atmete kräftig. Beim vierten spielerischen Stoss hielt ich die Luft an. Beim Fünften nutzte ich endlich die Schwingung um voll anzugreifen. Spannte meine kräftigen Oberschenkel an. Drückte mit aller Kraft drauf. Es ist seltsam warum dieses Luftanhalten die Kräfte verdoppelte, aber es wirkte. Zentimeterweise rollte der Bock voran. Sofort hielt ich drauf. Solange er rollte, in Bewegung blieb, verringerte sich der gesamte Krafteinsatz. Was ich jetzt einsetzte brauchte ich später  nicht doppelt. Nach einem halben Meter schmerzten die Arme. Verzweifelt warf ich mich mit dem Oberkörper, voran mit der Schulter, um zu schieben. Verdiente mir ein paar zusätzliche Zentimeter. Wie voraus zusehen ruschte ich hinderlich mit meinen flachen Sohlen. Da ein kleiner Vorsprung eines grossen Steines unter den Sohlen. Stemmte mich erneut mit den Armen gegen den ungeheuren Goliat, wobei ich den kleinen sicheren Halt ausnutzte. Ein kräftiger Schub, etwas riss in meiner Schulter und ich sah nur noch schwarz. Schwer atmend klärte sich allmählich meine Sicht vor Augen. Ich kauerte zitternd auf allen vieren. Sah nur den bleiche, ausgetrocknete Boden unter mir. Neben mir klatschte begeistert ein treuer Fan der die Wette demnach gewann. Ich hatte es geschafft,  zu welchem Preis!

„Safina,“ rief mich erneut eine besorgte Stimme an. Nur den Kopf wagte ich seitlich zu wenden. Dunkle Augen Panellans musterten mich tiefer Ungewissheit. Ahnte das was nicht stimmte. „Alles in Ordnung?“

Fröhlich schob ihn Derek auf die Seite. „wunderbar. Auf Kommandant Dongards Urteil ist verlass. Er hat mir nämlich mal verraten das man dich häufig Unterschätzt. Komm schon. Safina,“ er wurde nachdenklicher. „Du siehst geschafft aus! Mach ne Pause die hast du dir verdient. Oder ist was?“ Neugierig trat er näher. Sofort richtete ich mich gerade. Was tanzende Sterne vor meinen Augen auslöste. Meine Schwäche ausnutzen zupfte er mein verschwitztes Trägerhemd weiter nach hinten. Das gab einen Anblick auf mein Schulterblatt frei. Keuchend fuhr er zurück. Über seine Frechheit erbost zischte ich ihm zu. „es ist überhaupt nichts. Zwei Minuten Ruhe und ich bin wieder die Alte.“

Verschwörerisch raunte Panellan dem grösseren Derek zu. „Warum Beunruhigt mich das tiefer als wenn sie gesteht das ihr was wehtut?“

„Weil es eine Blutunterlaufene Schwellung ist,“ klärte ihn sein Kollege auf. „Wir Arbeiten weiter in der selben Aufteilung wie bisher. Safina macht die leichtesten Aufgaben und heute Abend wird Dongard nach ihr sehen.“

Aus einem unbewussten Grund fühlte ich mich unwohl. Nicht wegen meiner pochenden Verletzung, die wieder aufriss, sonder weil Derek anscheinend etwas verbarg. Er spielte, übernahm Dongards Rolle wie selbstverständlich. Als ob der Kommandant verreist sei. Zudem warnte mich mein empfindliches Gespür wegen einer unerfreulichen Veränderung. Oder trübt diese unerträgliche Verletzung meine Gedanken?  Nervös peilte ich den nächsten Schatten an.

Am Mittag bestätigte sich mein Verdacht. Dongard hatte das Lager tatsächlich verlassen. Keiner redete während des Essens mit mir. Merkwürdige Blick die ich nicht zu deuten wusste huschten umher. Ausweichende Augen. Stahrie erwischte ich sogar in einem traurigen Moment. Innerlich wuchs meine Unruhe. Belehrend räusperte mich Derek an als ich nervös an einem Fingernagel kaute. Finster bestrafte ich seine Ermahnung. Höchstens von Dongard duldete ich diese Zurechtweisungen.

 Unerträglich für jedermann zog sich der Nachmittag in die Länge. Frühzeitig um vier Uhr, gerade als es erträglicher  Luftzug abkühlte, gab Derek das Signal zum Aufhören.

Seit über einer Stunde hinkte Camal deutlich hinter den Steinen her. Dadurch maulte der überanspruchte Monat gehörig lauter. Genervt tauschte Derek, seinen verlässlichen Partner mit Camal aus. Mir viel das bücken, heben der Stangen immer schwerer, verriet es unfreiwillig höchstens über meine schleichende Bewegungen. Zu guter letzt ritzte Stefkan, bei einer ungeschickten Drehung, die innere Handfläche auf. Blut verschmierte sich über den Blöcken. Ein guter Grund den Abbruch zu befürworten.

Müde, leidend, genervt so lagen wir verteilt in der Stube herum als Dongard von seinem Ausflug zurück kehrte. Üblicherweise informierte er uns über seine Touren bei der morgendlichen Arbeitsverteilung. Sein unangemeldetes Erscheinen löste nur ein träges Kopfschwenken aus. Wir genossen alle den kühlen Raum der unsere geplagten Körper wohltat.

Ruhig, trat Dongard, in seiner langärmligen Uniform an den Tisch heran. Wie machte er das bloss? So perfekt auszusehen und nicht zu schwitzen. Es sei denn.. er benutzte einen Drachen für den Ausflug. Am hellichten Tag? Erst kürzlich lehrte ich das es nur am frühen Morgen oder spät Abends für längere Flüge Genehmigungen gab. Damit unser Geheimnis länger geschützt blieb. So einfach zum Spass drehe Dongard keine Runden. Warum verhielt er sich heute so anders?

Im Gegensatz zu uns strotzte er förmlich vor Energie. Setzte sich mit eisiger Ruhe an den Tisch. „Wer fängt als erster an?“ Bat er gnädig unsere Entschuldigungen zu beichten. Derek gab Stefkan einen Wink. Seine dick verbundene Hand hob sich in die Höhe. Wobei er beim spannen der Haut gleich das Gesicht verzog. Camal planschte hörbar in seinem kalten Fussbad herum. Bis zum Knöchel tauchte er den geschwollenen Fuss im Kräuterbad.

Daraufhin kürzte Derek ab. „Safinas Schulter musst du dir ansehen und ich hab Kopfschmerzen. Monat ist mir einem Bürojob auch besser bedient. Jedenfalls war es unmöglich mit nur der Hälfte der Leute noch was vernünftiges zu leisten.“

 Wir warteten, leicht Schuldbewusst auf Dongards Urteil. Er brauchte einen Moment. Ohne im geringsten seine Stimme zu erheben. „Gut, dann lasst und das beste daraus machen. Derek beweg mir bis zum Abendessen ein paar Dulies. Leg ihnen das Geschirr an und lass Monat einfach das Longierseil halten. Schau ihm zu und gib ihm ein paar Tricks. Bei dieser einfachen Übung verschwinden deine Kopfschmerzen von selbst.

Stefkan!“

 Dieser folgte sogleich seinem Ruf. Setzte sich neben Dongard hin. Schaute auf den Boden um sich den Anblick von Blut zu ersparen. Leise sog er ein paarmal scharf die Luft ein. Danach schickte ihn Dongard zu K`tug der ihm eine Creme geben sollte.

Unentschlossen schweifte Dongard Wahl zwischen mir und Camal. Erbarmte sich den geschwollen Knöchel zuerst. Trocknete zuerst sorgfältig den Fuss ab. Begann mit dem Abtasten der Sehnen.

Auf einmal viel mir auf das ich von dem langen Nachmittag ziemlich heftig Stank. Camals Behandlung würde länger dauern, also blieb genug Zeit mich erst einmal draussen zu waschen. Insgeheim hatte ich einfach das Bedürfnis aus dem Raum zu fliehen. Obwohl dort angenehmere Temperaturen herrschten draussen floh ich wohl auch aus Beklemmung vor der Heilung. Erinnerte mich das es auch weh tat. In dem Masse wie es mich schmerzte hielt ich es gerade aus. Verlor aber das Interesse einer Heilung wenn es sich aber, auch nur kurzzeitig, steigern sollte. Auf jedem Fall wollte ich jeder Erklärung aus dem Weg gehen, wodurch mein Rückfall entstand. Niemals durfte ich die anderen Verraten. Sonst würden sie alleine wegen meinen auferlegten Redeverbot bestraft. Ich sass ein klein wenig in der Klemme. Besser als sich kurzweilig zu verstecken. Vielleicht geriet Dereks Anliegen sogar in Vergessenheit. Im Gang beschleunigte ich meine Schritte gewaltig, damit Dongard keine Gelegenheit erhielt mich zu rufen.

Nach einem erfrischenden Waschgang peilte ich Dereks Abteilung an. Aufatmend vernahm ich Stimmen im Stall, schlüpfte hastig ins Innere. „könnt ihr weitere Hilfe gebrauchen?“ meldete ich mich.

Erstaunt sah Derek über einen Dulierücken hinweg zu mir rüber. „Schon fertig? Ich meine deiner Schulter geht es gut?“

„Nicht ganz. Anscheinend braucht so was länger. Jedoch spüre ich kaum noch was,“ untertrieb ich gewaltig. „Eine Leine kann ich genauso gut halten wie Monat. Also steht noch ein Dulie frei?“

„Jede Menge,“ lachte er freudig. Drückte Monat peitsche und Longierseil in die Hand. Ziemlich abgeneigt zog er das rötlich schimmernde Tier hinter sich her. Hielt zwei, drei Meter von den scharfen Zehen, abstand. Anscheinend lagen die beiden mit der Sympathie auf derselben Wellenlänge. Jedenfalls genügte ein Anblick auf das seltsame Paar und ich war froh dass man den heimtückische Kopf, von dem edlen Tier, tief auf die Brust hinunter band. So eingeschränkt vermochte der schäumende Dulie unmöglich erfolgreich zubeissen.

Überlegend strich die Derek mit einer Hand durchs kurze Haar. „Jetzt wären es nur noch drei... Paya, auf keinen Fall. M´trak ist viel zu wild. Samuni... perfekt. Sein eher faules Gemüt lässt sich spielend halten. Allerdings musst du ihn ständig antreiben. Solange du nur hinter ihm knallst und ihn nicht wirklich mit der Peitsche triffst, wird er dir nicht die Zügel aus der Hand reissen. Okay!“ Bestätigend suchte er Blickkontakt. Eifrig nickte ich. „Kein Problem. Ich freue mich schon darauf.  Übrigens, das mit meiner Schulter war ein Unfall. Falls Dongard fragt, sag einfach ich war ein bisschen ungeschickt mit den Stangen. Ja?“

Mitten in der Bewegung hielt Derek inne. „Ein guter Einfall. Ehrlich gestanden beschäftigt das mich schon eine Weile. Eine Abwertung von Kommandant Dongard ist  einen verlorenen Waschtag einfach nicht wert. Hoffentlich halten die anderen dicht. Jedenfalls versuchte ich noch vor dem Essen mit ihnen zu reden.“

Einfach halber streifte er Samuni nur ein Halfter über. Befestigte das Longierseil daran und überreichte es mir. „Dann mal ab. Viel Spass. Eine Stunde lang.“

Als sich die Mähne, von dem merkwürdigen Hengst hinter mir, sich  allmählich rot färbte, wurde mir schon mulmig. Schnappte mir eine der langen Peitschen und hielt wie Monat sicheren Abstand. Allmählich schien Samuni sich  zu beruhigen. Als ich die abgegrasten Wiesen hinter der Hügelzone erreichte, glich er in jedem Zoll einem prächtigen Schimmel. Keine Spur von Aggression. Dafür einen sehnsüchtigen Blick in die Weite. Sobald ich die eingrenzenden Buschweiden erreichte, auf dessen Nachbargrund Monat longierte, verfärbte er sich erneut. Blieb aber sanft wie ein Schäfchen das seinem Führer vertrauensvoll folgte. Herrlich die nächste Stunde. Gewürzvoll die schwere Luft des Sommers. Selbst meine angedeuteten Kopfschmerzen verschwanden. Gleichmässig hämmerte Samuni sein schweres Gewicht in den Boden. Gelassen mit stetiger Ruhe. Mein androhendes Peitschenknalle bewirkte nur ein zucken seiner empfindlichen Ohren. Ansonsten galoppierte er wie eine Uhr im gleichtakt. Es wirkte sogar äusserst einschläfernd. Erst Dereks Stimme ausserhalb der Weide schreckte mich gelegentlich hoch. Aus seinem anderen Feld rief er uns Anweisungen zur Verbesserung zu. Auf einmal viel mir ein leuchtend roter Stoff zwischen den dunkelgrünen Blätter der künstlich angelegten Umzäunung auf. Dongard, schoss es mir sofort durch den Kopf. Lass dich jetzt nur nicht ablenken, ermahnt ich mich. Ignorierte meinen Beobachter. Nach wenigen Minuten verschwand der rote Stoff. Erlöst widmete ich mich voll und ganz Samuni.

Herrlich den rot verfärbenden Dunst des Himmels zu beobachten. Erst als die Sonne den letzten Hügelhorizont streifte,  hörten wir mit dem Konditionstraining auf. Seltsamer weise, benötigte ich gegen Ende der Lektionen meine Peitsche immer weniger. Flüssig trabte mein Hengst dahin während die anderen sich träge herum schlepten. Unheimlich was für eine ausdauernde Energie in diesen zähen Dulies steckte. Irgenwie erinnerte er mich an mich selber. Mir ging es genauso. Ich brauchte auch eine lange Anlaufzeit beim Joggen bis ich endlich- aufwachte. Darum schleppte ich mich beim morgen Training immer als letzte in Ziel. Dieser Samuni gefiel mir immer besser. Schade das Dulies so agressiv waren sonst hätte ich gerne neben Di`jon einen weiteren Spielgefährten bevorzugt. Vor allem um zu reisen. Es dauerte ja noch fast ein Jahr bis zu Di`jons Volljährigkeit. Erst dann durfte man ihn offiziell für längere Flüge einsetzen. Ein langes Jahr. Ob ich bis dahin nie Maximilian wieder sah? Trauig lenkte ich meinen Dulie zu den Ställen. Dabei merkte ich gar nicht das Samuni neugierig an  meinen Zopf am Hinterkopf schnupperte. Ein grober Ruck liess mich herum fahren. Schelmisch kaut er an meinem eroberten Gummiband herum. Sobald er es als ungeniesbar empfand, sabberte er es vor meine Schuhe hin. Dafür bekam er einen klaps mit dem Seilend auf die breite Brust. Er nahm es gelassen, was sonst bei Duies die wildesten Aktionen auslöste.  Dafür belohnte ich ihm am Eingang mit einem Stück trockenem Brot. Bis in seine Box musse ich nun aufpassen dass er mich von hinten nicht über den Haufen rannte. Dieses Vieh verfolgte mich förmlich wie ein aufdringlicher Kerl. Erlöst verdrückte ich mich unter der Futterkrippe durch in den nächsten Gang. Derek verschloss indessen die Boxentür von hinten. Praktisch so eine Vorrichtung. Dongard besass gute Jdeen. Bis zum Essen versteckte ich mich in meinem Quartier.

Beim Essen wählte ich einen unauffälligen Platz wie früher. Endlich durfte ich köstliche Suppe und frisches Brot Essen bis zum Umfallen. Beschäftigt vergass ich meine anstehenden Sorgen. Dabei bemerkte ich nur selten einen merkwürdigen Blick einiger meiner männlichen Kollegen.  Ach ja, heute lag etwas rätselhaftes in der Luft, das hatte ich beinahe vergessen. Egal. Wichtig war genug zu Essen. Da mich keiner Belästigen durfte, wartete ich satt auf den Aufbruch. Endlich gab Dongard das Zeichen. Einige in der Minderheit, löffelten an ihrem Dessert. Es verlangte mich nach Süssem. Verflixt, ich vermisste die Schockolade aus meiner Zeit. Diese schmelzende Versuchung mit Rahm. Genau wie mir die Versüssung versagt blieb, so schreckte mich mein einsames Quartier ab. Wie gewohnt schlenderte ich zum Stall rüber, meinen alten Kumpel zu besuchen. Ich bekam Lust auf ein Kartenspiel mit diesem raffinierten... Wo war er denn?

Nachdem ich das schwere Tor auf die Seite schob, den Lichtschalter drückte... mit rutschte das Herz schwer in die Hose. Da war nur ein schwarzes Loch. Eine leere Box. Kein wartender Kollege der mich freudig begrüsste. Schlief er, war er krank. Ich stürmte zu seiner Tür. Leer, sauber gefegt sein Platz. Unfassbar trat ich in das Unmögliche. Zitternde Hände tasteten über das saubere Stroh. Schwach hafte sein unverkennbarer Geruch in der eingelegten Matratze. Am liebsten hätte ich jetzt unverzüglich Dongards Zimmer gestürmt und ihn zur Rede gestellt. Wo war mein Drache? Es war Abend, alle Tiere mussten versorgt in ihren Boxen sein.   Traurig, unfassbar wanderte mein Blick zur Decke. Es gab keine Kratzspuren von einem Kampf oder einem Ausbruch. Wo war mein treuer, unbestechlicher Freund. Nun fühlte ich mich leerer als je zuvor. Maximilians Verschwinden war schon ein unerträglicher Verlust. Di`jon mein Verbündeter... mir fehlten die Worte. Was war geschehen? Dongard war heute unterwegs mit einem Drachen. Sein Gesicht zeigte jedoch keinen Kummer eines Verlustes. Und Di`jon bedeutete ihm eine Menge. Deswegen wollte... trennte er uns darum? Wie konnte man nur so grausam sein. Di´jon war weitaus intelligenter als ein Hund und trennte uns ohne Vorbereitung. Unmöglich.... wenn auch.... die seltsamen bedauernden Blicke vom Nachmittag bekamen einen neuen Sinn. Erklärte so manches... Dongard, du Mistkerl !

Wütend, traurig schnappte ich mir die nächste Decke. Legte mich in Di`jon Box nieder. Solange sein Geruch mit in die Nase stieg fühlte ich mich bewacht, umsogt. Ich hasste auf einmal mein altes Zimmer. Hier war ich besser beschützt. Di`jon stärkte meine Lebensfreude, nun war er... weg? Ich getraute mich kaum diese abscheuliche Wort des Abschieds zu benutzen. Bestimmt verschaffte ihm Dongard einen guten Platz. Ansonsten verfrachte ich dich höchst persönlich in ein Labor, grollte ich innerlich.

Lange wartete ich auf meinen erlösenden Schlaf. Was Maximilian schaffte, frischte Dongard erneut auf. Versteckt weinte ich in die Decke ein paar Tränen. Hier hörte mich keiner, keiner ertappte mich bei meiner Schwäche. Nur Krag der Alte, Weise legte sich irgendwann vor meine Tür.

 

„Auf,“ drängte mich ein wohl bekannte Stimme zur Eile. „Du bist wie immer die letzte! Also nimm dich ran. In drei Minuten will ich dich vernünftig angezogen beim Frühstück sehen oder du gehst leer aus,“ drohte mir Kommandant Dongard.

Benebelt wankte ich auf die Beine. Was war denn heute mit ihm los? Verdammt, ich war nicht pünktlich zum gewohnten Appell angetreten. Wie... Daran war er indirekt selber Schuld. Schliesslich raubte mir Di`jons Verlust den nötigen Schlaf.

„Bist du immer noch hier,“ bellte eine scharfe Stimme. Abgestumpft schlenderte ich mit der Decke aus meinem einsamen Lager. Marschierte gleichgültig an dem überordendlichen Mensch vorüber. Dabei konnte ich mir nicht verkneifen, „Rusch mir doch dä Buggel abäh.“ Wohlbemerkt sagte ich es in meinem alten, heimatlichen Dialekt, so dass Dongard eigentlich kein Wort verstehen sollte. Dennoch schnaufte mein Chef hörbar ein. Meine verächtliche, muffelige Stimmlage verriet alles. Gereizt kam es hinter mir. „dass ist doch hoffentlich diese obszöne Redewendung mit dem Arsch?“

Einmal erklärte ich Dongard was so einige passende Sprüche wir in unserer Welt losliessen. „nein,“ beschwichtige ich, fügte aber gerne hinzu, „das ist ein Andeutung das du nur an eine Mauer quatscht und dir niemand zuhört.“ Probierte ich es mit einer lahmeren Version. Ihm zu verdeutlichen das mir heute seine festgelegten Anordnungen so ziemlich Gleichgültig waren, das wagte ich nicht zu gestehen. Nicht mal schwach anzudeuten. Himmel, ich hing an meinem Leben. Bevorzugte keinen Hörschaden, von Dongards Aufgeregtem Gebrüll, zu riskieren.  Es reichte jetzt schon das er mich äusserst misstrauisch im Visier behielt. Selbstverständlich nach meiner Offenheit ihn liebend gerne zu ignorieren. Auf gleicher Höhe getraute ich mich dann doch zu Fragen. „wo ist Di`jon?“

Seine Hände legte er hinter seinem Rücken ineinander. Seine gelassene Haltung, sein erlaubtes hinauszögern der Antwort, alles verströmte eine überlegene Note. Diesen kalten, erbarmungslosen Dongard verabscheute ich. Er wusste genau wie mir die wichtige Information am Herzen lag. So erlaubte ich mir es auf seine Weise zurück zu zahlen, „Du zählst heute aber auch nicht gerade zu den schnellsten!“

Seine Augen verengten sich. Einzig eine kurze Haarlocke, die ihm verspielt in die Stirn viel, täuschte über seine Harmlosigkeit hinweg. Alles andere wirkte explosiv gefährlich.

„Safina,“ konterte er zurückhaltend. „Sei froh das ich Rücksicht auf deine mangelnde Kenntnis, dieses Landes, nehme. Ansonsten...“  Er entschied sich plötzlich anders. „Steh gerade hin! Sieh mich an wenn du was fragst. Sonst erhältst du keine Auskunft. Darf ich dich höflich daran erinnern das wir in keinem Freizeitlager sind. Du hast mehr als einmal deine Einwilligung für diese Ausbildung mir zugesprochen, also versuche dich mal an unsere Regeln zu halten. Da gib es eine die mir jetzt gerade besonders am Herzen liegt. Erinnerst du dich an das Händeritual?“

Zögerlich sagte ich. „damals mit Maxim. Du wolltest... seine Hand in deiner Hand und Maxim bat dich weiter das...“

„Deine Hände in meiner Hand liegen,“ frischte Dongard meine Erinnerung auf.

Verdutzt fragte ich. „du willst mich also verdeutlichen das mein Leben symbolisch in deinen Händen liegt? Mein Freund mag im Sterben dir das anvertraut haben aber ich habe  diesem Handel nie zugestimmt!“ Abweisend verschränkte ich meine Arme vor der Brust.

Unbeeidruck rückte Dongard näher. „Du missverstehst den Sinn. Ersten weise ich dich darauf hin das du, mit deiner persönlich eingewilligten Ausbildung, automatisch seinem Wunsch folgst.

In der Tat, möchte ich eine andere Variante von diesem Handritus mal näher offenbaren. Dabei wünsche ich nicht deine Hand in meine sondern...“ Er hielt seine Hand ausgestreckt mit der Innenfläche nach unten. „Meine Hand ist über deiner!“

Mein Hirn weigerte sich zu begreifen. Vermutlich weil mir schon dämmerte das er einen Unterlegenen Beweis von mir forderte. Mit der freien Hand winkte er meine rechte Hand heran. Er drehte meine zögernde Hand auch mit der Handfläche nach unten. Dirigierte sie, wie befürchtet, unter Seine. „Safina. Wenn du jemanden sagen hörst; meine Hand ist über Deiner. Und du willst keine öffentliche Herausforderung riskieren, keinen Kampf der Beweist wer im Recht ist, dann halte deine Hand so, Blick auf den Boden und antworte; deine Hand ist über mir. Denn Sinn verstanden? Sei vorsichtig das ich dies zukünftig nicht vor den anderen, von Dir fordere. Es hinterlässt keinen guten Eindruck und es würde dich nur unnötig erniedrigen. Deswegen, was du vorhin gerade mit mir abgezogen hast, spiele das nie wenn weitere Personen anwesend sind, sonst bleibt mir keine andere Wahl als jeden Zweifel auszuräumen. Also, damit du dich besser fühlst. Di`jon brachte ich gestern in die alte Schule zurück. Ich weiss ihr zwei steht euch ziemlich nahe. Genauso wie es Euch beide an Disziplin mangelt. Darin seid ich zwei ziemlich ähnlich.

Damit jeder was vernünftiges lernt halte ich es klüger euch für eine Weile zu trennen. Gemeinsam wäret ihr ein unschlagbares Team mit allerhand Unsinn im Kopf. Deine Bildung steht schon genug unter Zeitdruck.

So und jetzt beeil dich mit Anziehen. Am Tisch verlange ich eine saubere Erscheinung, schliesslich sitzen wir alle beieinander.“

„Wann kommt er wieder?“ Lies es mir keine Ruhe.

Dongard fauchte, „Du sollst verschwinden! Über Di`jons Zukunft bestimme ich alleine. Solange du dich nicht auf das wesentliche konzentrierst, halte ich ihn von dir fern! Es kommt ganz auf dich drauf an. In diesem Lager bin ich der oberste Führer und wenn es ein Problem gibt redet man mit mir und versteckt sich nicht in der nächsten Box.“

In Wahrheit ging es ihm also darum. Di`jon bedeutete für mich so was wie ein vertrauter Bruder. Dongard missfiel diese bedeutende Funktion. Im Grund gab ich ihm sogar Recht. In den folgenden drei Jahren lebte ich in Dongards Regiment. Mit ihm musste ich mich abfinden und verhandeln. Da galt mein Drache, Dongards Drache, nur als belohnenden Beigabe. Trotzdem fand ich das ganze Ungerecht. So eine krasse Massnahme. Di´jon ersetzte eine wichtige Lücke in meinem Leben. Nach Maxims schwerem Verlust brauchte ich einen Verbündeten.

Meine Unstimmigkeit übertrug sich ungewollt nach aussen.

„Safina,“ lockte Dongards Stimme gespannt. „Worüber brütest du wieder?“

Ihm gestehen das ich Di`jons Gesellschaft bevorzugte! Ich war nicht krank. Winkte verharmlost ab. Was Dongard sichtlich beunruhigte. „So einfach wirst du mich nicht los. Löst ihr Eure Probleme in deiner Welt immer so lausig? Kein Wunder das ihr euch ständig mit Krieg beschäftigt. Ich bin hier und sehe das dir was nicht passt. Was?

 Du vermisst Di`jon, das verstehe ich. Doch deine schulische Leistung steht an erste Stelle. Wir gehen Unruhigen Zeiten entgegen. Man wird...“ Bewusst das er gerade aus seiner Melfischen Gabe was ausplauderte, stoppte er. „Jedenfalls will ich dich beschützt wissen.“

Ich hob meine ihm zugewandte Augenbraue. „Di`jon beschützt mich besser als du!“ warf ich ihm direkt an den Kopf.

Verunsichert blinzelte er mit den Augen. Stammelte noch, über meine unverschämte Art, unter Schock stehend. „Bitte?“

„na, ja. Da du so gerne in der Vergangenheit fischst. Wie war das damals beim Überfall mit diesem hübschen, jungen Melf der mich umbringen wollte?“ In jenem kritischen Moment lag Dongard bewusstlos im Wagen. „Und wer ist immer so lieb und beschützt mich bei Ausflügen vor Überfällen? Sobald Di`jon in meiner Nähe ist wagt sich keiner an mich heran. Wenn dir meine Sicherheit so viel Bedeutet, scheint es unlogisch das ...“

Ubs, seine finsteren schwarzen Augen verdammten mich zum Schweigen.

„Du bist ein Mensch, du lebst mit Menschen, also benimm dich auch zivilisiert,“ diktierte er mir auf. „Du kannst Di`jon nicht jeden Moment neben dir haben und schon ...,“ es viel schwer einen bedrückenden Grund zu verraten. „Du kannst.. ihn nicht ins Bett nehmen. Falls du je wieder einmal eine Beziehung wünschst so kannst du das nur mit einem Menschen. Lerne von uns, mit uns, Leuten zu leben und nicht zusammen mit einem Drachen.“

Oh, überwältig starrte ich Dongard an. Verdächtig klang das nach Eifersucht? Befürchtete Dongard das ich je einen Drachen gegen einen Menschen ersetzte? So ein Schwachsinn!

Ich schüttelte den Kopf. „Was du wieder alles erfindest. Di`jon ist ein harmloser Spielgefährte. Ein Verbündeter auf den ich mich hundert Prozent verlassen kann. Was eine absolute, einmalige Rarität in deinem Lager darstellt. Zudem habe ich eine Menge Spass mit ihm. Er schimpft nie mit mir!“ Womit ich gleich Dongard beschuldigte. Dieser nutzte die Gelegenheit das Ruder an sich zu reissen. „Ja, und du lässt dir von ihm den Rücken...!

Statt dich in meine fachkundige Behandlung zu geben. Das passt mir nicht!“

Aha, wieder ein wahres Geständnis. Für das fasste er sich selbst an den Kopf. Das wollte er mir eigentlich nicht verraten. Betroffen sahen wir uns beide an. In diesem wunden Punkt hatte er wirklich Recht. Ich bevorzugte weiteres. „Di`jon drängt mich nie zu etwas. Er hat immer Zeit...“ „Weil er nicht in der Ausbildung steht,“ verteidigte Dongard. „mir reicht die Zeit nicht um ihn intensiv zu Schulen. Anderseits will ich ihn auf keinen Fall verlieren. Darum halte ich ihn in meine Lager sozusagen Reserviert. Nur jetzt scheint mir alles aus den Händen zu gleiten. Ihr zwei Verbrüdert euch und behindert meine ohnehin überfälligen Pläne. Safina, mir fehlt Zeit und ich opfere keine Minute nur damit ihr Zwei Spass habt. Dazu ist die Lage zu Ernst. Bitte Safina, versteh mich doch?“

Mit einem mürrischen Laut wandte ich mich ab. In diese bittenden, schönen Augen zu versinken, kam einer Niederlage gleich. Mit hängenden Schultern schielte ich böse zu ihm hinüber. „Ich hasse wenn du das tust.“

Es dauerte bis er begriff. Lächelte mich süss an. „hallo Safina,“ säuselte er. Nutzte schamlos meine Schwäche aus. „Arbeiten wir nun zusammen?“

Abweisend stützte ich mit meiner Faust das Kinn. Von hinten tippte ein Finger auf meine verletzte Schulter.  Warnend fuhr ich herum. Das war seine pure Absicht. Er hielt mein Kinn hoch damit ich ihn direkt ansehen musste. Er strahlte die Freundlichkeit in Person aus. Erst seine stumme Bitte auf Einigkeit, dieses Ruf nach Hilfe, warf alle meine Verstimmungen über Bord. Wer konnte einem charmanten, gutaussehenden Melf widerstehen. Garantiert niemand. Bei meinem Einverständnis schmunzelte er bis über die Ohren hinaus. Verwandelte sich plötzlich in Bedenklich. „Safina, nach dem Essen... besser sofort. In mein Büro.“  Das klang nach einer dringlichen und wichtigen Sache. Also folgt ich brav in seinem Schatten.

 

Zuerst schickte er mich allerdings noch Waschen. „Mach deine Arme sauber!“ Was er wohl damit andeutete. Wozu benötigte er meinen sauberen Arm? Gespannt wie auf glühende Kohlen, zögerte ich gerne den Moment hinaus. Schliesslich begab ich mich lustlos in sein Zimmer. Zum Glück war Monat beim Essen, so blieben seine reizenden Sprüche aus. Anderseits hätte er mir bestimmt einen Tipp zugesteckt um sein Spitzfindigkeit zu beweisen. Mulmig schob ich die Tür auf. Dongard stand mit dem Rücken zu mir. Schloss die Tür hinter mir. Mein Boss drehte sich um und ich erstarrte zur Steinssäule. Was hielt er da in den feinen Händen hielt! Rückwärts krachte ich ab meinem Schock an die nächste Tür. Meine Schulter liess mich meine Augen zusammen pressen. Biss mir auf die Zähne. Suchte halb gelähmt vor Angst den Türknauf hinter meinem Rücken. Nur Raus hier, beherrschte meine Gedanken.

„Setz dich,“ bat Dongard höflich. Vernahm seine beschwichtendes Singen im Kopf. Völlig verwirrt wusste ich nicht mehr was ich eigentlich wollte ausser keinem Zentimeter ihm zu nähern solange er das scheussliche Instrument in den Händen hielt. Rasch versteckte er es hinter seinem Rücken. „Setzten,“ bat er eindringlich. Unfreiwillig bewegte ich mich vor. Dank meiner furchtbaren Angst war es mir unmöglich meine Gedanken zu löschen und den Bann zu brechen. Erst als ich sass, liess er mich frei. Gedanklich. Eine seiner Hände hielt meinen Arm fest. „Hab ich mir gedacht das du medizinische Hilfsmittel ablehnst.“

Fest presste ich meine Augen zusammen als er mir mit einer nadelgleichen Spritze in den Oberarm pickste. Zuckte doppelt zusammen. Ab dem Mückenstich der mir viel schlimmer erschien als er in Wahrheit war und hauptsächlich von meiner bösen Schulter die sich beim zurück weichen in die Stuhllehne meldete. Metall legte sich auf Holz. Aufatmend öffnete ich die Augen.  „So schlimm,“ meldete sich Dongard empört. „Bisher hat sich niemand beschwert. Im Gegenteil, sie freuen sich über die Impfung.“

„im Sommer wird doch niemand krank?“ Beschwerte ich mich über die unnötige Behandlung. Stumm lachte Dongard , während er sich auf die Schreibtischplatte setzte. „Gegen Krankheit habe ich dich nicht geimpft. Das hier ist eine übliche Standart Prozedur. Nächsten Frühling bist du mit allen andern wieder fällig.

Nein, Finger weg! Lass den Stich verheilen! Wofür?  Meine geschätzte Safina, du gehörst die nächsten Jahre in meinen Dienst. Also schütze ich die gesamte weiblichen Mitglieder vor einer unerwünschten Schwangerschaft.“

Ich bekam grosse Augen. „Du hast mich dagegen geimpft und das hält ein ganzes Jahr;“ kam es mir unglaubwürdig.

„Sicher,“ prophezeite er mir.

„ihr seid in diesem Fall unserem Zeitalter weit voraus,“ erklärte ich meine Verwunderung. „wir schlucken jeden Tag Pillen und dürfen sie auf keinen Fall vergessen. Dann gibt es noch Nebenwirkungen. Ist dieses Zeug ohne irgend welche Nachteile?“

Meine steigende Begeisterung freute ihn. „In seltenen Ausnahmen juckt es in ersten Tagen unter der Haut. Einfach nicht kratzen dann bist du bis zum Frühling sicher. So nun kannst du Frühstücken... Stopp!“ Orderte er mich bereits an der Tür zurück. Winkte mich heran. „Beinahe hätte ich es vergessen.“ Zog mir im Rücken schon das Hemd hoch. Erlebte den seltenen Moment das Dongard einmal zusammenzuckte. „Unmöglich,“ seine feste erhobene Stimme. „das ist... schlimmer als vor meiner Heilung. Was ist passiert?“

Verlegen blickte ich auf meine Schuhe hinunter. „Ich war nur ein bisschen ungeschickt. Hab zu früh die Stangen angehoben und für eine Sekunde zuviel Gewicht aufgeladen.“

Schüchtern sah ich hoch. Betroffenheit lag in seinen gequälten Augen. Nimmer traute ich ihm, dem strengen Kommandant, soviel Mitgefühl zu. Unbewusst biss er sich auf die Unterlippe. „Himmel,“ tönte es tief Bewegt. „Da.. ich muss was tun.“ Ernst schaute er durch mich hindurch. In Gedanken versunken. „Du,“ begann er begeistert von einer neuen Idee, „wirst mich in den nächsten Tagen begleiten. Wir machen einen Ausflug. Ich zeig dir ein paar Höfe mit denen wir Handel treiben. So kann ich dich im Auge behalten und gleichzeitig heilt das sicher aus.

Tut es sehr weh?“

 „Nur wenn ich Muskeln auf diese Seite bewege oder ich an eine Wand anlehne. Arbeiten wir longieren machen mir überhaupt keine Mühe.“ Damit wollte ich verdeutlichen das ich durchaus hier zu arbeiten bevorzugt statt mit ihm zu reisen.

„Vergiss es,“ zerstörte er meine aufkeimende Hoffnung. „unter meiner direkten Obhut bist du sicher. Du kannst hier nichts anstellen und ich überwache die Einhaltung deiner Strafe. Wie du selbst bemerkt hast kann man hier kaum jemanden hundert Prozent vertrauen. Geh dich umziehen und wir treffen vor dem Stall!“

er öffnete mir die Tür. „dein Rücken behandle ich unterwegs. Bis später.“ Erklärer er mir vorab was ich wissen wollte. Konnte er den jeden meiner Gedanken lesen.

Er rief mir nach. „Nicht jeden. Aber die meisten und das ist gut so.“

 Schnaubend flüchte ich in mein Zimmer.

 

Derek entschied sich für eine unruhige Stute. Um ihr die übermütigen flauseb Auszutreiben  spannte er den schlanken Dulie vor einen leichten Karren. Vier kniehohe Holzfässer landeten auf der Ablage hinten. Mit der Leichtigkeit er sie hinten stapelte, konnten sie nur leer sein. Eine Kiste, gefüllt mit viel polsternden Hobelspänen, schob er behutsam unter den schattigen Kutschsitz. „Paß gut darauf auf. Die Flaschen sind zwar nur halb soviel wert wie Gold aber dafür doppelt begehrt. Achte darauf daß sie so kühl wie möglich gelagert werden,“ gab er mir einen Rat. Warnte mich mit einem flüchtigen Wink von dem nähern Boss. Flüsterte hastig. „Deine Schuhsohlen.“

Rasch putzte ich den klebenden Duliemist am nächsten Wagenrad ab.

Mit dem Gefühl, alles im Griff zu haben, schaute Dongard über uns hinweg. Dankte Derek fürs anspannen und federte mit einem elastischen Schritt auf den Kutscherbock hoch. Nahm die Zügel in die eine Hand, löste mit der anderen die Bremse.

„Safina, hoch mit dir,“ rief er mich an.  Klopfte neben sich auf die Bank. Unwillig folgte ich seinem Ruf. „Es kann schon drei Tage dauern,“ warnte Dongard seinen Stellvertreter vor. Dann als ob er ihm ein Geheimniss anvertraute. „Vielleicht auch vier. Mal sehen was mich alles unvorbereitet trifft. Keine Dracheflüge in der Zeit aber schicke alle gründlich ausreiten. Sie dürfen ruhig müde sein wenn ich zurück komme.“

Derek kratzte sich am Hinterkopf. „Deine Schüler oder die Tiere.“

Dongard lachte. „Alle selbstverständlich!“ Liess seine Zügel locker. Vorwärts zog die übermütige, kräftige Duliedame.

Kleinigkeiten fielen mir auf. Zum Beispiel wirkte Dongard irgendwie seltsam. Konzentriert auf sein rasantes Fahren blickte er nur nach vorn. verfolgte ein Ziel vor Augen. Manchmal erschütterte es den kleinen Wagen heftig. Unbesorgt da ich von den peniblen Wartungen über alle Lagergeräte wußte, hielt ich mich einfach am Geländer fest. Auf seine Weise bot Dongard wirklich viele Vorzüge. Hinter dem Lager die ein Kilometer lange Wiesenstrecke. Sobald wir die abgegraste Weide erreichte, klatschten die Zügel auf den Stutenrücken. Im selben Zug, raste die elegante Stute los. Schubkraft drückte einem angenehm in die gepolsterte Rücklehne. Eigentlich bereitete mir das flotte Tempo riesigen Spaß, wäre da nicht die Sorge um die kostbaren Flaschen gewesen. Nach wenigen durchgeschüttelten Minuten erreichten wir den geebneten Hauptweg. Als ob emsiger Verkehrt herrschte, hielt Dongard vor der Kreuzung an. Dabei war absolut niemand in Sicht! Nervös zappelte die aufgedrehte Duliedame im Ledergeschirr. Schnell warf mir Dongard einen unverständlichen Blick zu. „Wechsel!“  Drückte mir die langen Zügel in die Hände. Schnappte sich die gefaltete Decke, die als Sitzpolster diente, und schwang sich über die Lehne nach hinten. Zu meinem Erstaunen legte er sich, im engen Platz, ausgestreckt hin. „Na, los! Fahr ein bißchen ruhiger! Wir müssen erst kurz vor Mittag dort sein. Das Gasthaus, das ich schon mal erwähnt habe.“ Klärte er mich auf. legte sein Gesicht auf die schattige Seite um zu Schlafen.

Na dann, vorwärts.

Angenehm lenkte sich der nervige Dulie. Verwunderlich was für eine Ausdauer in der zähen Dame steckte. Sobald es die ausgebesserte Strasse erlaubte, ließ ich sie ihre Beine strecken. Munter klapperten ihre harten Klauen im Gleichtakt. Kurven zielte ich von weitem ausgleichend an. Wechselte sanft auf die andere Spur um sie weich zu nehmen. Das veranlaßte selbst den erfahrenen Dongard zu Zweifel. „Sind wir auf dem richtigen Weg?“  Anscheinend überwachte er mich selbst im Halbschlaf. Vermißte die Fliehkraft der Kurven. Dabei täuschte ich ihn mit meinem Talent. Schließlich nahm ich früher, in meiner Zeit, heimlich Unterricht in Fahrerkurs für Kutschen. Bei den halsbrecherischen Rennen bekam ich manchmal fast einen Herzinfarkt. Da schwebte schon mal die Hälfte von Wagen in der Luft. Matsch und Erde flog einem ums Gesicht. Eine Sekunde, eine falsche Handbewegung und der ganze leichte Karren steckte nach einem harten Ruck fest. jedesmal zitterten mir die Beine nach so einem harten Parcour. Dabei handelte es sich nur um eine Übung. Fürs richtige Starten brauchte ich eine gültige Lizenz, aber dafür hätte mir meine Mutter nie Geld gegeben. Ungefährlich war die Sache auch nicht und dafür benötigte man zusätzlich eine Versicherung. So brauchte ich schon gar nicht um die Finanzierung meines ausgefallenen Hobbys zu fragen. Begnügte mich darin  mit den Pferde einfach zu trainieren. Verdiente zwar kein Geld, dafür verzieh mir mein Nachbar die kleinen Blechschaden. Mein geübtes Auge für Pferde realisierte den Grad der Müdigkeit. Kurz vor der besagten Wirtschaft stieg das Gelände an. Bevorzugt baute man die Herbergen auf sichtbaren Erhöhungen. Erleichterte den Reisenden eine Unterkunft zu finden. Nur für Lieferanten verschaffte es eine kurzzeitige Anstrengung. Feucht klebte das Fell der erschöpften Stute am Leib. Unten am Bauch tropfte bereits Schweiß herunter.  

Tapfer hielt sie ihr Tempo durch. Sobald die Ansteigung begann, sprang ich von Wagen herunter um sie mit erleichtertem Gewicht zu begünstigen. Sobald die brave Stute feststellte das ich sie mit joggen fast überholte, legte sie sich wütend ins Geschirr. Agressiv Rosa verfärbte sich ihr Fell. Angelegte Ohren demonstrierten ihre schlechte Laune. Ein Wettstreit mit Schnelligkeit begann auf die letzten 500 Meter. Schnaufend wartete ich oben bis sie mit finsterem Blick mich einholte. Dafür überließ ich ihr gerne den Wassertrog.

Eigentlich wunderte mich das Dongard bei dem zotteligen Galopp nicht aufwachte. Leise trat ich nach hinten. Tief und fest schien er zu schlafen.

Um möglichst Erschütterungen zu vermeiden führte ich die müde Stute am Zügel vor das Lokal. Bereits trat der bekannte Wirt aus der stabilen Türe. Jedenfalls erinnerte ich mich an das freundliche Gesicht des älteren Mannes. Seine mit essensreste verschmierte Schütze unterstützte nicht gerade vorteilhaft seine leicht übergewichtige Figur. Aber alles strahlte liebenswerte Güte aus. Wischte seine Hände fleißig an der Schürze ab, sah mich fragend, mit seinen runden, kleinen Augen an.

„Dongard, schickt mich,“ klärte ich ihn leise auf.

Die blau, grauen Augen blitzten erfreut auf. „Ausgezeichnet. Seine Lieferung wird bereits erwartet. Schade, das die Produktion immer so knapp ausfällt...Was ist mit ihm los?“

Eben stellte er fest das Dongard persönlich im Wagen hinten lag. Ich legte nur den Finger an meine Lippen. Ein verschwörerisches, „Aha“ folgte. „Ihr hübschen Dinger laßt ihn wohl nie ihn ruhe. Na, er kann sich das bei seiner Jugend noch lange leisten,“ flüsterte er vertrauensvoll. Verwirrt blinzelte ich  über die angedeutete Feststellung. Winkte eilig ab. „Er ist nur müde von der Arbeit,“ verteidigte ich rasch meine Unschuld.

„Ach,“ kam es höchst unglaubwürdig. „mir kann es ja egal sein. Soll ich beim ausladen helfen?“ Hilfsbereit schnappte er sich bereits das erste Fäßchen. „Die sind ja leer! Was will er den eingefüllt haben?“

Ahnungslos hob ich meine Schultern. Leise angelte ich mir das nächste Faß. Hob es hoch das es nicht übers Holz kratzte. Alles schön leise. Flüsterte in bezug auf die letzte Kiste. „Was liefert er ihnen so üblich?“

Er folgte meinem Blick. „vier Flaschen von seinem Speziallikör. Bestimmst sind sie das! Sie sollten nämlich so kühl wie möglichst gelagert werden. Darum die Eile.“

Arglos klopfte er der erschöpften Stute aufs Hinterteil. Mit ziemlicher Zeitverschiebung folgte ein matter, langsamer Huftritt, ins leere.

Wie rohe Eier hob ich die Kiste an. Legte sie hinten vor den Rand. Aufgeregt strich sich der Wirt ins lichtende Haar. Langsam schob er die hölzerne Polsterung auf die Seite. Richtig liebevoll hob er die erste Flasche aus der Verankerung. Nahm sie an sich wie ein geschätztes eigenes Kind.

Mir unverständlich. „Sind die wirklich so viel wert?“

Er lachte über meine Unwissenheit. „Sie sind mehr wert als man denkt. Sobald man sie einmal probiert hat, kommt jeder wieder her um den seltenen Nektar zu kosten. Von weit her und die Kommandanten bringen die wertvollsten Geschenke mit. Du solltest dir mal die Lampe im Hinterzimmer ansehen. Komm, traust du dir zu die nächsten zwei zu tragen.“

Ohne die geringste Aufregung schnappte ich einfach die Flaschen. „Soll ich die dritte auch nehmen.“

Besorgt verfolgte der Wirt meine Unbekümmerten Umgang. „nein, die ist immer für den letzten Hof bestimmt. Kommandant Dongard hat es so eingerichtet das die armen Leute so öfters Besuch erhalten. Auf diese Weise sind sie nicht ganz so abgeschnitten von der Außenwelt. Es hat sich da bereits eine kleine Siedlung eingerichtet. Das alles nur wegen dieser einen äußert beliebten Flasche. Sei achtsam,“ bat er mich als ich ihm die Treppenstufen hoch ins Hausinnere folgte. Eine warme Atmosphäre in der kühlen Stube. Obwohl man die dunklen Vorhänge bereits halb schloß um die Tageshitze draußen zu lassen. Dafür sorgten die offenen Fenster für ein angenehmes Klima. Hinten in der Küche schob der Wirt, mit einem sorgfältigen, kräftigen Fußtritt einen kleinen Schrank auf die Seite. Dahinter deutlich ein mit Kraftaufwand eingeschlagenes Loch in der Mauer. Eine geheimes Versteck. Genug Platz für fünf Flaschen. Eine alte , fast leere ruhte noch auf ihre Vorbestimmung. Sorgfältig umwickelte der Wirt mit Papier die Flaschen und stellte jede an ihren zugedachten Ort. Ziemlich leise stellte er den Schrank vor die Wand zurück. „Meine Frau soll nicht merken daß der Nachschub da ist,“ verriet er mit einem Augenzwinkern. „Komm, ich zeige dir was!“

 Er führte mich in das Hinterzimmer. Ein kleiner gemütlicher Saal. Mitten im fensterlosen Raum  kleiner runder Tisch. Sonst nur bequeme Sofas an drei Wänden verteilt. Ein Streichholz flammte auf. zündete einen langen Kerzendocht an. An einem fast durchsichtigen dünnen Seil ließ der Wirt die runde Glaslampe, über dem Tisch herunter. Mit ihrer rundlichen Form glich sie wie einem Lampion. Aus meiner Zeit würde man sie für eine kostbare Tiffanylampe halten. Sobald die Kerze das innere beleuchtete, Licht dir prächtige Farbwirkung nach außen verstärkte, atmete ich überrascht ein. „Wow.“  In warmen rot, orange und gelbfarben färbten sich die Zimmerwände ein.

Diesmal sagte der Wirt als handle es sich um eine Kleinigkeit. „Normaler Weise zünden wir drei Kerzen an. Das verstärkt den Effekt. Wenn du mal einen Freund hast den du zu einem romantischen Abendessen einladen willst, dann...“ Seine Hände deuteten auf die farbige Pracht hin. „Für ein kleines Glas Honig, aus eurer Herstellung, organisiere ich das für dich. Ihr seit ja gar nicht so weit entfernt. Zwei Stunden Reiten auf euren berühmten Dulies hierher, schon verwöhne ich Euch mit meiner berühmten Küche! Als Dessert folgt dann ein Gang mit dem süßen Likör.“  Verschmitzt stieß er mich durchtrieben mit dem Ellbogen an. Bevor er seine Euphorie weiter ausbaute versetzte ich ihm einen Dämpfer. „ich habe leider im Moment keinen Freund.“

Worauf eine ernsthafte Einschätzung folgte. „Gibt es im Lager niemand interessanten? Keinen den es sich lohnt zu angeln? Bei deinem Aussehen sollte es dir leicht fallen.“

Wenn der wüßte an wessen Seite mich die meisten wünschten. „Das ist eine geschlossene  Gesellschaft. Mein Geschmack ist eher ...“ ich erinnerte mich an den außergewöhnlichen Maximilian. „besonders. Persönlichkeit schätze ich sehr. Jemand der seine eigene Meinung versteht durch zu setzten. Die im Lager sind mir meistens zu brav, zu gewöhnlich. Die Paare passen so gut zueinander, da bringe ich ungern was durcheinander. Zwei Jahre Dienst sind ja bald um.“ Eher rechnete ich damit daß ich zwei Jahre benötigte um  Maximilian endgültig aus meinem Herz zu Verbannen.

Er kratzte sich mit einer Hand an der vorprogrammierten Glatze. Auf einmal wieder unzählige Fältchen der Begeisterung. „Da gibt es einen hübschen Bauernjungen vom Mirohof. Man sagt ihm nach das er besondere Fähigkeiten hat. Geschickte Hände und ein kluger Kopf. Also wenn du willst arrangiere ich da was?“ Hoffnungsvoll sah er mich an. Hoffentlich sah er nicht wie sehr er mich damit überrannte. Eine nächste Beziehung durfte, meiner Ansicht nach, noch eine Weile auf sich warten. Unsicher, den ich wollte seine Freude nicht verderben. „Vielleicht wenn ich mit dem Dienst fertig bin? Eine Beziehung über diese ferne Distanz ist nicht gerade vorteilhaft. Es tut sonst nur mehr weh.“

„Aha, das spricht schon einige Erfahrung. Wenn du ihn mal beschnuppern willst, er ist regelmäßig Ende des Monats mein Gast. Dann wenn wir das kleine Tanzwochenende veranstalten. Komm einfach mal... zufällig vorbei.“

Das klang ziemlich einladend. Diesmal deckte ich mit einer Handfläche verschwörerisch meinen Mund ab. Flüsterte zu ihm gewandt. „Mal sehen ob ich einen Trick finde mich vorher von...,“ ich deutet nach draußen zu meinem Kommandanten, „ihm zu befreien. Üblicherweise schläft er nicht immer so viel. Es dürfte also schwierig werden.“

Worauf der Wirt sich zu mir bückte. Knoblauchgeruch duftete aus seiner Stimme.  „soll ich ihm einen unauffälligen Wink geben?“

Mein großen Augen sprachen Bände. „lieber nicht. Er legt großen Wert darauf daß im Lager alle gleich behandelt werden. Einen noch so kurzen Sonderurlaub bewilligt er nie. In diesem Punkt kenne ich ihn zu genau.“

„Aha, und in anderen Standpunkten? Wie genau kennst du ihn? Seit langem steht er im Ruf ein standhafter Junggeselle zu sein. Geniest was ihm das weibliche Geschlecht bietet, aber von keiner läßt er sich an ein Versprechen binden. Sei vorsichtig falls er dir an Herz wachsen sollte. Du wärst nicht die erste die das Lager frühzeitig, mit Liebeskummer verläßt. Dabei kann er neben Charmant ziemlich energisch auftreten.“

Lachend stimmte ich dem zu. Endlich jemand der die Angelegenheit auch von der anderen Seite erkannte. „Das habe ich bemerkt. Das ist mir sogar ziemlich früh aufgefallen. Sein scharfer Ton gefällt mir manchmal überhaupt nicht. Anderseits ist er sehr effektiv was das Lagerleiten angeht. Nur Privat..“ besser ich schwieg über den heiklen Punkt.

Was starrte mich der Wirt so an? Unterlies es sogar mit den Augenliedern zu zwinkern. Kratzte sich wider an seinem lichten Hinterkopf. Kein Wunder daß sich dort das Haar lichtete. Andächtig rieb er die Handflächen aneinander. „mit der zeit findet alles seinen Weg. Jedenfalls habe ich es wenigstens versucht eine neue Verbindung herzustellen. Die meisten jungen Leute zieht es in die Stadt. Dabei ist es viel einfacher hier eine Existenz aufzubauen. Letztes Jahr gab es sogar sechs Babygeburten. Was ziemlich produktiv ist. Drei sind nur wegen meinem Hinterzimmer entstanden. Aber heute lassen sich ja die meisten jungen Frauen frühzeitig impfen. Bei euch ist es ja Pflicht!“ Das klang empört.

Verlegen sah ich auf den gepflegten, sauberen Boden. „Nicht nur Dongard schätzt die Frauen in unserem Lager. Da ist es besser eine saubere Lösung von Anfang an einzuführen. Besonders da eher die Frauen ein unbeschwertes Verhältnis wünschen.“

Worauf sich einer tatsächlich Schockiert zeigte. Ich stimmte dem zu. „hat ne Weile gedauert bis ich die lockere Sitte verstanden habe. Aber es scheint für alle Beteiligten, bestens zu funktionieren. Bisher hörte ich nie eine Klage. Nur mein Fall sucht man vergebens in dieser Schublade. Darum suche ich eine besondere Beziehung auf die ich gerne Warte. Zeit spielt da keine Rolle.“

 Ungläubig nahm es ihn dann doch Wunder, „noch nie mit ihm...?“ Leicht verlegen deutete er nach draußen.

Widerspenstig verschränkte ich meine Arme vor der Brust. „Weswegen kommen alle auf den Gedanken daß ich mit ihm in Bett soll? Ein hübsches Gesicht ist noch lange keine Voraussetzung für eine gelungene Beziehung. So leicht lasse ich mich nicht um den Finger wickeln. Ich brauche jemand der mehr Humor oder Spaß versteht.“ Verdeutlichte ich meine Meinung.

„Aha,“ kam es kurz. Dafür dachte er sich wohl mehr. Wie ausgewechselt meinte er mit seiner positiven Freude. „Du hast ja mit deinen jungen Jahren noch lange Zeit. Ich dagegen suche schon lange vergebens nach einem Nachfolger für mein Geschäft. Es gibt einfach zuwenig Lehrlinge. Mal sehen was die Zeit mir alles bringt. So...“ er überreichte mir eine einfache zugedeckte Kiste. „Eine Kleinigkeit für auf die Reise. Und diesen Mehlsack hat die Zweite Farm bestellt. Zwanzig Steine schwer. Schaffst du das ihn später zu heben?“ Während ich in einer Hand die Proviantkiste balancierte, zog ich mit der anderen probeweise an dem Leinen. Schon nach einem Ruck hielt ich inne. Zupfte mit den Fingern die Ärmel meines Hemdes zurück. Sobald die farbige Schulter sichtbar wurde, warf sich der Wirt den Sack förmlich auf die Schulter. „Ich helfe dir selbstverständlich bis auf den Wagen. Wo hast du das dir hergeholt.“

„Eine kleine Meinungsverschiedenheit mit dem Stellvertreter. Aber er hat genauso teuer bezahlt. Doppelt im wahrsten Sinne.“

Ungläubig, „Derek. Du hast dich mit Derek angelegt? Dem zwei Meter großen Derek?“

Verharmlos hob ich die Schultern. „War ne alte Sache die wir neu ausgegraben haben. Inzwischen sind wir längst wieder versöhnt.“

Argwöhnische Zweifel blieben beim Wirt. „Du brauchst eine starke Hand. In dir steckt eine Kriegerin!“

„Quatsch,“ versuchte ich meinen harmlosen Schein zu bewahren. „Solange man mich nicht bedroht bin ich absolut ein ausgeglichener Mensch. Es gibt höchstens ein paar seltene Ausnahmen, wie wenn ich Hunger verspüre. Gelegentlich bin ich dann ein wenig Gereizt.“

„Bist du hungrig?“ Anscheinend wollte er meinen Stimmungsschwankungen vorbeugen.

Meine Mundwinkel zog es langsam nach oben. Dongard schlief selig auf dem Wagen. Durfte ich da... Schlechtes Gewissen trübte meine Freude. „Nur ein wenig. Mittagszeit rückt rasch näher, dann nehme ich mir Zeit ausgiebig zu Essen. Bis dahin...“

„Gut, ich habe euch ja was feines eingepackt. Wir sehen uns ja auf dem Rückweg wieder. Hast du alles?“

Achtsam gab ich auf meine Verletzung acht als ich hinten auf den Wagen kletterte. Ausserdem wollte ich auf keinen Fall Dongard wecken. Zog den schweren Mehlsack an einem leinenen Zipfel nach vorne. Das enorme Gewicht schleifte über die Bretter. Legte ihn vorsichtig neben Dongards Platz nieder.

Rücksichtsvoll senkte der Wirt seine Stimme. „Bis später.“

Meisterhaft startete ich das Gefährt mit einem sanften Ruck. Träge trottete die Stute voran. Winkend hob ich zum Abschied die Hand. Wahrlich, ein Ausflug zu diesem Wirt würde ich in Zukunft gerne Unternehmen. So was traute ich mir kinderleicht zu.

 

Nach einer halben Stunde, die pralle Mittagsonne quälte meine Gehirnzellen, ebnete sich der Weg zu einem kleinen Bach hinunter. Weidenbäume mit vielen hängenden, blätterreichen Ästen gediehen hier prächtig. Dongards permanente Abwesenheit veranlaßte mich zum Selbstständigen handeln. Lenkte die verschwitzte Stute mitten unter den schattenreichen Blättervorhang. Eifrig begann sie an dem saftigen Grün zu rupfen. Ein paar Minuten rast taten uns alle gut. Fragte mich allmählich ob Dongards Zustand überhaupt normal ist. Besorgt setzte ich mich neben ihn nach hinten. Liess meine Beine über den Wagenrand baumeln. Lehnte mich ein wenig zurück. Wie schlief man nur so tief am hellichten Tag? Mehrfach zog es meinen Blick zu den eleganten, langen Beinen. Da er so weggetreten, reglos dalag, juckte es in meinen Fingern. Bewundernd strich ich mit einem Finger an seinem Oberschenkel außen entlang. Diese perfekte, lange Linie. Schockiert plumpste ich im nächsten Moment förmlich vom Wagen hinunter. Griff mir vor Schreck ans Herz.

Mit verschleiertem, müden Blick sah  mich Dongard verwirrt an. Sass bereits  halb aufgerichtet im Wagen. “Himmel,“ wagte ich die ersten Worte. „Den ganzen Weg rattert der Wagen und du schläfst. Selbst Austausch der Waren verschläfst du. So viele Geräusche und du nimmst wachst nicht auf. Es ist heller Tag und du nimmst nicht wahr. 

Jetzt, eine flüchtige Berührung und du erwachst auf einmal zum Leben? Was ist nur mit dir los?“

Ausgiebig reckte er seine Arme zum Himmel hoch. Unterdrückte ein aufsteigendes Gähnen. Sprang mit einem eleganten Satz vom Wagen. Vertrat sich die lange untätigen Füße. Dehnte seinen Hals seitlich und legte seine Arme in die Hüften. Seltsam seine halb geschlossenen Augen mit denen er mich betrachtete. Haderte kurz ob er mir was gestehen sollte. „Es.. kommt auf die bedeutsame Kleinigkeit an, wie man mich berührt.“

 Verschmitzt lächelte er mich wissend an.

Um meine Verlegenheit zu verbergen, zielte ich die Duliedame an. „Pah, es war reines Versehen!“

„Ja, ja,“ sagte er in einem lächerlichen Ton, das er mir niemals glaubte. „es genügt schon mehr damit ich ein Grund habe aus meiner Pause aufzuschalten. Vielleicht verdrängst du einfach was im Unterbewußtsein schwelgt..“

„können wir endlich weiter?“ Drängte ich.

„Dann setz dich neben mich,“ orderte er an. Das leere Gefährt schaukelte als ich mich hochzog. Es ärgerte mich das er so leicht meine Fassade röngte. Bei einer Beziehung mit einem Melfen war ich weit unterlegen. Kein Wunder das selten Menschen mit einem echten Melfen ein gemeinsames Leben teilten. Überlegenheit begleitete deutlich, selbst den Halbmelf, bei jeder Bewegung oder Worten. Sein Rang drängte ihn nach Aufklärung. Er hielt zwar die Zügel in der Hand, hielt es aber nötig zu warten. Auf was?

Verstört nahm es mich schließlich Wunder. Warf ihm einen verstimmt Blick zu. Charmant lächelte er zurück so daß meine schwarzen Gedanken aufgaben. Wer blieb ihm lange Böse. Tief atmete ich ruhiger ein.

„Gerader Rücken,“ mahnte mich der Kommandant leise. Zum Ausgleich folgte eine langsame Handbewegung. Wissend daß ich vor meinem Gesicht nur nachvollziehbare Handlungen schätzte. Unbekümmert schnappte er sich eine meiner langen Haarsträhnen und zog sie hinter mein Ohr zurück. Eine vertrauliche Geste. „Bald Essenzeit,“ versucht er versöhnlich aufzuheitern. Mir Erfolg.                 

 

Zeit drängte auf einen heißen Nachmittag. Lustlos kaute ich eine weitere Scheibe dunkles Brot. Um uns herum duftete es nach frischem, getrockneten Heu. Erst heute morgen Schnitt der Bauer das ganze Wiesestück. Dongard saß neben mir auf einer ausgebreiteten Decke, als Unterlage und verzehrte seelenruhig den köstlichen Braten. Verführerisch duftete selbst das kalte Fleisch. Um meine Nerven zu beruhigen setzte ich mich ein paar Meter entfernt von dem Kommandanten nieder. Manchmal kitzelte zwar eine Ameise mein Bein, dafür blieb ich verschont von dem folternden Bratenduft. Zudem gab es ein paar Haselbüsche die willkommenen Schatten spendeten und vor uns lag sogar ein kleines, murmelndes Bachbett. Einen halben Meter trief, mitten durch die Wiese. Trenne sie in zwei Lager. Unserer Duliedame verschlang förmlich wie ein Rasenmäher das köstliche dürre Heu. Alles friedliche Ruhe. Man sollte meinen in diesem Land ist alles intakt.

Hufgetrampel in der Ferne. Selbst der Boden unter meinen bloßen Füssen zitterte. Meine Schweissocken lagen über meinen ausgezogenen Schuhen zum Trocknen.

Stählerne Hufe hämmerten in den trockenen Boden. Erschreckend mit welcher Geschwindigkeit sich das rytmische Trommeln heranbrauste. Selbst der abgebrühte Kommandant hielt mit Essen inne. Stand auf sobald am Wiesenrand der graue Schatten in Sichtweite geriet. Selten beobachtete ich so einen raumgreifenden Galopp bei einem eher kleinen Pferd. Aufgewirbelte Grasbüschel mitsamt Wurzeln schleuderten es meterweit mit den beschlagenen Hufen auf. Auf seinem Rücken klebte ein dunkler Schatten. Gejagt, als stünde ein Leben auf dem Spiel. Unerkennbar das Gesicht, dicht an der kurzen Mähne versteckt. Ohne zu grüßen, galoppierte er ungebremst, wenige Meter am Kommandanten vorbei. Eine respektlose Behandlung für einen königlichen Beamten.

Für einen Augenblick, einen Bruchteil einer Sekunde, geriet ich in das Blickfeld des Reiters. Meine auffälligen Haare flatterten im staubigen Luftzug. Schützte mit meinem Arm meine Augen vor den aufgewirbelten Erdklumpen... Der Fremde zügelte sanft seinen schäumenden Hengst. Erst nach hundert Meter hielt er erfolgreich an. Schlank, schwarze Haare und ein graues, kurzärmeliges Hemd, das wenige was man erkannte. Verwunderlich auch das er zurückblickte als brauchte er eine zusätzliche Bestätigung. Mit dem feinen Gespür für sensible Tiere lenkte er den keuchenden Hengst herum. Zielte genau auf mich.

Hinter mir räusperte sich ein mißtrauischer Dongard. „Dem fällt auch verspätet ein was sich ge...“

Wie eine Marionette der man die Fäden durchtrennte, plumpste sein Körper willenlos zu Boden. Mein erster Schreck; ein Herzinfarkt. Bei diesem heißen Wetter gut erklärbar. Aber nach dem ausgiebigen, erholsamen Morgenschlaf?  Irgendwie kam mir die Situation bekannt vor. Schon einmal landete Dongard so übertrumpft einfach in die untere Etage. Gespannt betrachtete ich den lachenden Reiter. Mein Verdacht bestätigte sich. Ein bekanntes, gefürchtetes Gesicht. Bei der letzten Begegnung wollte er uns Reisende allesamt umbringen. Ein hübscher, junger Melf mit einer verheerenden Gabe. Vor lauter Angst stockte mir der Atem. Diesmal fürchtete ich mich um mein Leben. Wie sollte ich fliehen, bei seiner überlegenen Gabe. Zuviel Distanz trennten mich von der rettenden Stute.

Unverschämt drängte er sein schäumendes Pferd auf mich los. Ausweichen wollte ich nicht, so klatschte ich wirkungsvoll laut mit den Händen. Nervös tänzelte das aufgeregte Tier zur Seite.

„Erfinderisch, unnachgiebig wie eh und je! Genau das erwartete ich. Hallo, Staatsfeind Nummer Eins.“ Grüsste er in einem erfreulichen, weichen Ton. Samtweich seine Melfenstimme. Jugendliche Ausstrahlung täuschte über sein wahres Alter hinweg. Von fünfzehn bis fünfundzwanzig war alles drin. Gerade lange Haare die er in seinem Nacken mit einem schwarzen, getarnten Band zusammenhielt. er legte viel Wert auf eine perfekte Erscheinung. Unnötig bei seinem perfekten Gesicht. Selbst in kärglichen Lumpen schaffte es dieser charismatische  Melf eine Frau, ohne seine Magie, um den Finger zu wickeln. Längliche, ausdrucksvolle, goldene Augen. Fälschlicher Weise verleitete dieser angenehme hellbraune warme Farbton ihm einen harmlosen Ausdruck. Bewußt lächelte er einem freundlich ins Gesicht. Nutzte gezielt seine Anziehungskraft hemmungslos als Täuschung. Darum viel es mir so schwer mich von seinem Gesicht zu lösen. Seinen geheimnisvollen Bann, der seine nächste Umgebung mit einbezog, zu brechen. Mühsam lenkte ich meine Augen nach unten. Auf sein weites graues Hemd das vorne im Ausschnitt Kordeln halb offen hielten. Schwarze, anliegende Reiterhosen die seine langen kräftigen Beine zu Geltung brachten und die verstaubten Lederstiefel. Mit einer wischenden Handbewegung käme unter dem oberflächlichen Staub gepflegtes Leder zum Vorschein. Er wirkte wie ein zu groß geratener Jockey auf einem luxusseriösen Rennpferd. Wie ein perfekter Prinz aus einem fantasyvollen Märchen. Dabei bedeutete er genau das krasse Gegenteil. Das perfekt getarnte Böse aus einem gefürchteten Alptraum.

Völlig verrückt spielten meine ausbrechenden Gedanken. Schwierig mich auf einen Leitfaden zu konzentrieren. Unmöglich diese wirre Knäuel zu ordnen. Also versuchte ich es auf einem nebensächlichen Pfad. „Schönes Pferd.“ Heftete meine Augen an das nasse, schweißige Fell. Vermied es ihn anzusehen.

„Ha,“ sein erfreuter Ausbruch. „Du hast nichts von deinem hartnäckigen Widerstand verloren. Selten finde ich was lobenswertes bei euch Menschen, aber deine Geschicklichkeit  meine Barriere zu umgehen ist einmalig. Wenn auch dein äußerst schwacher Wille niemals gewinnt.“

Auf meiner Augenhöhe bewegten sich nur die Zügel. Ahnte die stille Handbewegung.

Wie ein gewaltiger warmer Luftstrom der auf mich zujagte, riß es mich rückwärts auf den Boden. Betäubt blieb ich eine Sekunde liegen. Klärte den schwarzen Filmriß vor meinen Augen. Schmerzhaft stach es wie Nadeln in meiner Schulter. Mir egal daß man es im angespannten Gesicht sah. Mühsam stemmte ich mit der gesunden Armseite auf die Beine. Überheblich sein Lächeln auf den Lippen. Spöttelte, „Tut es weh?“

Genauso charmant erwiderte ich übertrieben süß, „Im vergleich was ich im Lager überstehe, veranstaltest du hier das reinste Kinderspiel. Die alte Verletzung ist nicht dein Verdienst. Dafür müßtest du noch eine Menge üb...“  Wieder ein gewaltiger unsichtbarer Strom schlug auf meinen Körper ein, wie eine mächtige Flutwelle. Mit dem Nebeneffekt das es mich zwei, drei Meter wegschleuderte. Allerdings verursachte der flache Sturz nur ein paar zusätzliche Schürfungen. Ausserdem landete ich diesmal auf der gesunden Schulterpartie. Lachend setzte ich mich auf. hielt es von Vorteil gleich auf dem Boden zu bleiben.

Meine unverwüstlich gute Laune brachte ihn leicht aus dem Konzept. Zum ersten Mal sah ich ihn finster die dunklen Augenbrauen zusammen ziehen. Lässig schwang er sein rechtes Bein über den Pferdehals. Mit einem weichen Sprung landete er federleicht auf dem Boden. Längst beobachtete der aufgeregte Hengst die müde Stute. Mit einer geschickten Drehung löste der Melf die langen, hinderlichen Zügel vom Kopfgeschirr. Lies das Pferd einfach laufen. Schwungvoll trabte dieser auf das müde Objekt seiner entfachten Begierde zu.

Anders mein schlimmster Alptraum. Gemächlich spazierte er auf mich zu. Fixierte mich gespannt als sei ich ein hilfloser Wurm der es trotzdem wagt anzugreifen.

Mir blieb keine andere Wahl als abzuwarten. Mich umzubringen bedeutet für ihn eine geringe Kleinigkeit. Seine makellose Hand streckte sich nach mir aus. Deutlich verspürte ich die mächtige Energie, welche mich einhüllte, zusammen presste. Unerklärlich der stählerne Druck in meinen Beinen. Nervenstränge befahlen mir aufzustehen. Zittrig stemmte ich mich hoch. Was wollte er von mir. Trotz meiner gegenwärtigen Schulter zwang ich meinen verkrampften Kiefer zu bewegen. „Wer... wie heisst du eigentlich?“

Sarkastisch hob sich eine Augenbrauen. „Versuchst du mit Höflichkeit, Schmeichelei deine wertlose Haut zu retten?“

So etwas wie die Ansprache Herr, war in dieser Zeit vergebens zu suchen. Also probierte ich es mit. „Das ist unsere Zweite unliebsame Begegnung. Da wüsste ich einfach gerne wer der unbekannte bleibende Melf vor mir ist. Was hat dich zu dem herzlosen Kerl gemacht?“ Er verhielt sich ganz anders als man es von weisen, gebildeten Melfen erwartete. Erschrocken folgte ich seinen Wandernden Augen zu Dongard hinüber.

Trocken, belegt seine Stimme. „Er hat nicht mal ansatzweise eine Ahnung was für ein Rolle er dabei spielte. Behalte deine wilden Spekulationen für dich! Ich lese sie nämlich von deinen Augen ab. Coumen, nennt man mich und jetzt verrate mir mal seit wann dein beschränkter Verstand so plötzliche fantasiereiche Geistesblitze hat!“

„Coumen.“ Seinen Namen zu wissen beruhigte mich. „Was bezweckst du mit deinen aufdringlichen Auftritten? Warum legst du ihn immer flach? Geniesst du es Dongard zu erniedrigen?

 Ach übrigens, gleich nach dem ersten Mal dachte ich du bist ein Verwandter von ihm. Nur etwas überzogen, allmächtig. Du spielst dich weitaus schlimmer auf als er!“

Vergebens versuchte er seine ernste Mine aufrecht zu halten. Wirklich auf den ersten Blick war sogar eine gewisse Ähnlichkeit mit Dongard vorhanden. Allerdings getraute ich niemals zu fragen ob er direkt verwandt mit ihm sei.

Seine Augen funkelten, sprachen – du kleines freches Ding. Da ich unbeeindruckt blieb, hielt er sein reserviertes Niveau. „Sind wir Melfen nicht alle irgendwie verwandt. Wir existieren erst seit zweihundert Jahren, da sind Ähnlichkeiten vorprogrammiert...“ Ihm war nicht entgangen das ich meine gequetschte Schulter leicht massierte. Sein Zeigefinger winkte mich näher. Ungern rückte ich einen Schritt vor. Sein Finger formte einen liegenden Kreis in der Luft. Freiwillig drehte ich ihm den Rücken zu. Ein kurzer Ärmel schob er mir hoch. Deutlich vernahm ich seinen scharfen Atmen. „Wie ist denn das passiert?“

„Jemand hat mich in den Fluss geschubst und ich bin gegen einen Felsen geknallt,“ verharmloste ich die Story.

Zwei Hände legten sich auf meine Schulter. Ungewollt zuckte ich zusammen, blieb aber stehen. Seine zielgerichtete Berührung löste beklemmende Angst aus. Da Coumen so wenig benötigte  um mich spielend umzubringen. Wie sollte ich ihm da vertrauen, ihm der  es genoss seine überlegene Macht so gerne zu demonstrieren.

„Entspann dich,“ milde, verändert seine Stimme.

Ich fand zu mir zu zurück. „Wie kann man das wenn man im voraus weis das es wehtut?“

„Bei mir heilt es innert Sekunden ohne Nebenwirkung. Nur bei einem mittelmässigen Melfen tut es weh. Also, das funktioniert hier nur wenn du freiwillig mitmachst. Gib dich der Welle hin.“  Ablenkend blies er mir kühlen Atem in den Nacken. Für einen Moment vergass ich die entschlossene Berührung seiner Hände. Tiefer presste er sie unter dem Hemd direkt auf die Haut. Wärme Schauer flossen wechselhaft über meinen Rücken. Wie versprochen blieb die Behandlung äusserst angenehm. Verlegte entspannt mein Gewicht sogar auf ein Bein.

„Fertig!“ Zum Test klopfte er mit seinem Handrücken freundschaftlich auf die geheilte Stelle. Vor Schreck sackte ich halb in die Knie. Sofort packte er mich um die Taille, zog mich hoch. Dankbar wandte ich mich um. Coumens Gesicht lächelte schief. Hielt seine Hand zu einer lockeren Faust vor mein Gesicht. Sein Zeigfinger streckte sich. Lässig folgte er mit den Augen wandernd von der Fingerkuppe über gerade Luftlinie weiter bis zu mir.

Verflixt, abermals beförderte er mich unsanft rückwärts auf den Boden. Allein mit seiner gefestigten Willenskraft. Wütend richtete ich mich auf dem staubigen Boden hoch. Stellte meine drängende Reklamation angesichts der Übermacht zurück. Ungläubig über meine Zurückhaltung reizte ihn die Bemerkung. „Keine Vorwürfe über die rüde Behandlung?“

„Nein, ich bin dir überaus dankbar das du meine behinderte Schulter so einfach weggezaubert hast. Unter Dongard wäre die Behandlung viel schmerzhafter ausgefallen. Danke!“

Das wiedersprach seinem gespielten Naturell. Sein Ton verschärfte sich. „Hör auf zu Danken. Solange du unter seiner strengen Führung leidest sind wir so was wie verbündete.“ Verächtlich fuhr er weiter. „Sobald ich dich erkannte nutzte ich die Gelegenheit  seine Stärke zu Testen. Bekanntlich soll er ja einen vorgeschrittenen Lehrgang absolviert haben. Sieh ihn dir jetzt an! Lausig seine Ausbildung. Verschwendet das ganze Jahr. Wie kann er nur als Halbmelf so dumm sein es in kürzerer Zeit zu schaffen als ein echter Melf. Damit hat er nie Chancen.“

Langsam beschlich mich das Gefühl das Coumen einen persönlichen Groll gegen Dongard hegte. Was war der Anlass. Dongard schien mir immer um Gerechtigkeit besonnen. So verabscheute ich es als Coumen, mit seiner überlegenen Macht, anfing Dongard zu quälen.

Stöhnend krümmte sich Dongard am Boden. Hielt sich den Magen, litt auf einmal unter Atemnot. Aufgebracht stolperte ich trennend zwischen die Beiden. Streckte meine Arme seitlich und schrie energisch. „Stopp!“

Herunter gezogene Mundwinkel verrieten Coumens schlechte Stimmung. „weißt du wie leicht ich deinen Herzschlag stillegen kann.“

„Ja,“ gestand ich mit fester Stimme. Es kostete viel Nerven gegen seinen unberechenbaren Willen anzutreten. Betete stumm um milde Nachsicht für meine ungewohnte Torheit. Verständnis für mein Handeln. Irgendwo war es sogar meine Pflicht meinen Kommandanten zu beschützen.  

 Nachdenklich verharrte er in Zaudern. Meine Gedanken klärten sich. Wunderte mich das er seinen Wunsch nicht radikal durchsetzte ohne dabei an die Konsequenzen zu denken. Besass er doch ein mahnendes Gewissen? Was überlegte er so lange. Um ihn ja nicht zu einem voreiligen Entschluss zu drängen begann ich äussert sachte im Tonfall. „Warum willst du eine untilgbare Schuld auf dich laden? Kannst du nicht einfach weiterreiten und unsere unwichtige Anwesenheit ignorieren?“

Unerklärlich sein ausdrucksloser Blick. Auf einmal war mir als suchte er Gedanklich in meinem inneren Archiv zu forschen. Es fühlte sich an als ob ein unerwünschter Eindringling  in privaten Akten Einsicht forderte. Erst Dongards sachtes Stöhnen befreite mich von dem lästigen Druck.

Coumen wirkte leicht irritiert.„Erstaunlich sein entschlossener Willen dich zu beschützen.“

„Bitte,“ verwirrte mich seine Prognose.

Verächtlich lächelte mich Coumen einseitig an. „Sobald ich dich auf eine Weise bedrohe gibt er sich unwahrscheinlich viel Mühe den Bann zu brechen. Ungewöhnlich sein heftiges Interesse...“ Genauer musterte mich Coumen kritisch von Kopf bis Fuß. „Bist du seine Freundin? Unmöglich,“ beantwortete er gleich selbst seinen Verdacht. „Dann hättest du viel schneller reagiert als ich ihn quälte. Dennoch...“ Wieder suchten seine goldenene Augen die meinen zu fangen. Tief dahinter einzudringen. Ich wollte den Kopf abwenden aber vom Genick übers Rückgrad hinunter alles fühlte sich steif an. Gefangen in einem unsichtbaren Käfig. Auf einmal gab er mich  mit einem Ruck frei. Geradezu schmerzhaft seine Zurückziehen aus meinen Gedanken. Sein neues angeschafftes Wissen gab ihm zu denken. „Weißt du wie gerne ich Euch zwei aus der Welt entfernen möchte?“

Hilflos sah ich zu Boden. Fühlte mich absolut unbedeutend, unfähig mich gegen ihn zu wehren. „Was hindert dich daran?“

Wiederwillig atmete er geplagt auf. „Zuviel würde sich in der zukünftigen Geschichte verändern. Sei also unbesorgt, so gern es mich reizt, ich darf dich nicht umbringen.“

Allmählich drang seine Weitsicht in mich hinein. „Du hast meine Zukunft gesehen? Darf ich fragen ...“ ich klang unsicher und wenig erfreut von der Aussicht. „Schafft Dongard es mich als ..“ Sollte ich ihm den verrückten Wunsch verraten? Egal. „Mich als Kommandantin auszubilden.“ Dabei verzog ich schon mein abgeneigtes Gesicht.

Charmant lachte Coumen befreit aus. schüttelte den Kopf ab meinem seltsamen Wunsch. „Nein, keine Sorge. Es kommt vorher was dazwischen. Frage jetzt nicht was. Meine ausgeprägte Gabe ist ein kostbares Heiligtum und ich weiß sie zu schätzen, zu würdigen. Näheres darf ich nicht verraten, sonst wer weiß, verändere ich deine Zukunft.“

Hellhäutige, gepflegte Finger legten sich um meinen Hals wie eine umschließende Klammer. Unheilvoll rückte er näher. Heiser seine belegte Stimme. „Ein letztes Experiment.“ Finster seine mörderischen Augen. „Jetzt teste ich mal wie sehr ich ihm weh tue wenn ich dir einfach...“ Sofort richtete er seine wachsame Aufmerksamkeit hinter seinen Rücken. Gespenstisch wankte Dongard kreidebleich auf den Beinen. Zittrig als ob ein Fremder in steuerte. Fixierte mit seinen schwarzen Augen Coumens Rücken an.

Lästig stöhnte er tadelnd. Hielt es nicht mal für nötig sich umzudrehen. Vollbrachte eine schleudernde Handbewegung nach hinten. Zögerlich knickte der Kommandant in die Knie.

Coumen wirkte allmählich genervt. „Siehst du,“ sagte er zu mir. „Sobald ich dir zunahe trete, mobilisiert er seine hinterletzten Reserven. Wahnsinn. Dabei bin ich intelligent genug um zu abzuschätzen wo meine Grenzen liegen. Du..“ diesmal wandte er sich persönlich an Dongard. Spie ihm förmlich entgegen. „Du besitzt selber die Gabe zu wissen. Sie stirbt heute nicht. Also wozu die Mühe? Vertraust...? Es ist sinnlos dir das Vorzuhalten. Hast so viel Zeit, Mühe verschwendet mit deiner eiligen Ausbildung. Nie wirst du meinen Stand erreichen. Dafür fehlt dir die Stärke im Ergeiz. Eines Tages wirst du für deine vernachlässigten Fehler bezahlen, dafür sorgte ich. Nur heute ist der falsche Zeitpunkt. Doch eines Tages wirst du dir Zeit nehmen müssen für all die übersprungen Lebensabschnitte. Bis dahin zeige mal mehr Geduld. Damit du die wahren Dinge im Leben erkennst.“ Allmählich beruhigte sich Coumen. Packte mein Hemd und schleuderte mich neben Dongard zu Boden. Wohl um uns beide einfacher zu kontrollieren. „Safina, habt ihr was wertvolles auf dem Wagen?“ Anscheinend erwachte die diebische Ader im Gauner. Eindringlich prüfte er die Wahrheit in meinen Augen als ich beichtete. „Einen Korb mit Lebensmittel, Mehlsäcke und leere Fässer.“

Unerfreut schüttelte er den Kopf. „Schon letztes mal seit ihr wie arme Bettler unterwegs gewesen. Ihr seid keine profitierende Händler. Nicht mal ein Glas von eurem berühmten Honig.“

Bange verneinte ich.

Aufgebend richtete er sich gerade. Pfiff nach seinem Pferd. Als der Apfelschimmel folgte lächelte er mild. „Wenigsten etwas klappt.“ Schnappte sich die ledernen Zügel und steifte sie geschickt dem zappeligen Hengst über. „Safina, wenn ich dir einen guten Rat geben darf... um eine einfache Sache zu beschleunigen. Wegen deiner Zukunft.

Begrabe alle Hoffnung mit deinem alten Freund...“ Er schwenkte seine Hand vielsagend andeutend vor seinem Gesicht. „Du weißt schon der Spezielle. Achte was dein Verstand dir rät, und nicht Sehnsucht des Herz. Alles andere fügt sich dann von allein.“ Behende sprang er leichtfüßig in den Sattel. Zügelte seinsteigendes, temperamentvolles Pferd. Haderte eine Sekunde ob er mir was weiter verraten sollte. Mit einer Handbewegung wischte er den Gedanken auf die Seite. „Wir sehen uns wieder.“       

Für einen Moment brauchte ich frischen Atem. Auf einmal dünkte mich der aromatische Sommerduft ziemlich schwer. Schenkte mir keine erholsame Ruhe. Dafür löste sich der seltsame Druck in meinem Kopf auf. Gedanken verloren blickte ich zu dem liegenden Dongard. Seine feingliedrigen Hände fasten sich aufs Herz als beabsichtigte er zu sterben. Gequält der  Ausdruck seiner halb geschlossenen Augen. „Safina,“ kam es ziemlich schwach. „Gib mir zwei, drei Minuten zur Erholung.“ Presste die Augenlieder aufeinander. Man sah ihm seinen inneren Kampf an. Besorgt setzte ich mich neben ihn ins weiche Gras. Mehrere Minuten benötigte er bis er den inneren Schaden reparierte. Kurzer, rascher Atem verriet seine Anstrengung. „Diesen ungewöhnliche Melf,“ flüsterte er erschöpft, „hoffentlich trefften wir ihn nie wieder. Er ist viel zu gefährlich. Wie konnte er nur so lange unentdeckt bleiben?“

Abgelenkt starrte er in den Himmel. Dann allmählich schien er mich wahr zunehmen. Entspannt lächelte er. Freudlos schüttelte ich verneinend den Kopf. „Dein Wunsch wird sich nicht erfüllen. Seine Prophezeiung lautete; dass sich unsere Wege erneut kreuzen.“ Dann viel mir der bestimmte Tonfall ein. „jedenfalls meinen.“

Ärgerlich bildete sich eine Sorgenfalte auf Dongards Stirn. Seit er mich kannte schien ihre Vertiefung ständig zu wachsen. Abwinkend kam ich ihm zuvor. „Sag jetzt nichts in der Art; ich werde dich beschützen. Das funktioniert nicht. Übrigens wenn ich dich mal freundlich Hinweisen darf, Coumen hat deine schwache Abwehr ziemlich bemängelt. Hinsichtlich deiner so vollendeten Ausbildung.“

Eindringlich, finster musterte mich Dongard, aber ich lieferte ihm keinen Grund zur Klage. Ernst erwiederte ich seine forschenden Augen. In meinen stand keinerlei Spott sondern nur Verständnis und gerechtfertigte Sorge über sein versagen. Einsehend nickte er besonnen. Er versprach mir, „Daran werde ich eingehend arbeiten.“ Schüttelte den Kopf, als ob er damit jede Sorge vertrieb und rollte sich fließend auf die Beine. Aha, das lernte er von mir! Überprüfend überflog er unsere wenigen Habseligkeiten. Von der verträumten Duliestute die dem Gras beim wachsen beobachtete bis zum Warenstand. Sobald er die leere Kiste bemerkte , seufzte er schwer auf. Presste seine Stirn an das kühlende Metall der Lehnenstütze. Bevor er falsche Schlüsse fragte ich unbekümmert. „Was hast du erwartet?“ Dunkle Augen prallen ziemlich heftig auf meine brauen Sanften. Belegt seine Stimme. „Vielleicht das er in der Eile die Kleinigkeit übersieht. So viel geht verloren für eine wartende Familie. Wie kannst du da nur so glücklich... Safina? Ich kenne die deutlichen Anzeichen dass du vor mir was verheimlichst.“

„Glaubst du wirklich dass ich Coumen alles kampflos überlasse! Schließlich hat er uns tief gekränkt und gedemütigt, da hat er die rare Likörflasche nicht verdient!“ schelmisch, überlegen lächelte ich meinen Kommandanten an. Er legte die Hände in die Hüften. „Was hast du mit ihr gemacht?“

Beschwichtigend ließ ich ihn wissen. „Sie ist da wo sie hingehört. Derek hat ausdrücklich betont ich soll sie möglichst kühl lagern.“ Meine Hand deutete hinter meinen Rücken zum fließenden Bach. Überrascht blinzelte Dogard. Bevor ich reagierte packte er mich würgend mit dem Arm um den Hals als ob ich ein geschnappter Verbrecher sei. Überrumpelt zappelte ich harmlos herum. Er jedoch küßte nur meine Stirn und gab mich wieder frei. Verstörter als nach Coumens Überfall wunderte ich mich über den seltsamen Überfall. Total gefaßt stand Kommandant Dongard vor mir. „Manchmal entwickelst du dich zu einem seltenen Schatz und jetzt bring die Flasche her damit wir heute unser Ziel erreichen. Zeit ein paar schattige Plätze aufzusuchen. Dieser Sommer beginn ungewöhnlich heiß.“

Während ich nach der farbigen Schnur suchte, schirrte Dongard die ausgeruhte Duliestute an. Sorgfältig angelte ich die im Bachbett versenkte Flasche aufwärts. Auf einmal schnappte ein silbrig, rötlicher Streifen nach dem mit Folie überzogenen Korken. Mehr aus Angst um das kostbare Gut schnappte ich genauso entschlossen zu. Ohne Nachzudenken tauchte ich meinen ganzen Unterarm ins kühle Wasser und erwischte einen glitschigen, windigen Körper. Damit die Flasche heil blieb, warf ich mich einfach mit allem was ich in den Händen, Armen hielt einfach Rückwärts ins Gras. Hielt mit einer Hand entschlossen die Schnur fest, dafür stieß ich den ekligen, schuppigen Fisch von sofort von mir. Monstermässig erreichte er die dreifache Länge meines Fußes. Ein Mund, in den sogar meine Faust hinein paßte, schnappte verzweifelt nach Sauerstoff. Ein kräftiger Ruck seines Rücken und er spickte dreißig Zentimeter in die Höhe. Sofort sprang ich selber auf Beine und brachte mich lieber in Sicherheit. Ein weiterer Schatten streifte meinen Augenwinkel. Ein dumpfer Schlag ertönte und siegesicher packte Dongard die reglose Beute an den Kiemen. Hielt mir den unheimlichen Brocken unter die Nase. Erfreut sein Ausdruck. „Sieh mal an, Safina, dich kann man ja ganz gut gebrauchen. Langsam entwickeln sich deine bisher verborgenen Talente.

Ein seltener Rotrücken. Solche ausgewachsenen Tiere wandern eigentlich vor dem Sommer ins sichere, tiefere Meer zurück. Dieser hier hat sich wohl ein bißchen verspätetet und seine stattliche Größe ist ihm zum Verhängnis geworden. Glück für uns. Heute Abend gestatte ich dir eine kurze Ausnahme mit dem Essen. Zur Belohnung gibt es Fisch.“

„Bevorzugt esse ich gebratenen Fisch und bitte vorher keinen rohen Vorgeschmack.“ Lachend nahm er den schweren Brocken vor meinem Gesicht weg. Spazierte ausgelassen fröhlich zum Wagen. „Wie hast du ihn gefangen? Einfach mit deinen Händen?“ Wunderte er sich. Demnach hatte er den Trick mich dem glitzernden Korken gar nicht bemerkt. Meinen kleinen Vorteil regiestierend meinte ich wie ein Erfahrener Profi, „Berufsgeheimnis.“

Worauf Dongard herzlich lachte. wirkte dabei um viele Jahre jünger. Strahlte mich mit einem energiegeladenen Blick an dass es mir direkt unheimlich erschauderte. Freiwillig vergrößerte ich die Distanz zwischen uns beiden. Er mißverstand meine Tat. „keine Sorge, der beißt nicht mehr.“

Wie einen streng gehüteten Schatz bettete Dongard die nasse Likörflasche sorgsam in ihre gepolstertes Material zurück. Schob den Deckel über die abgedunkelte Kiste und klemmte sie mit dem Wasserfass in dem der Fisch lagerte in eine Ecke.

Alleine Kommandant Dongard bei der peniblen Arbeitsweise zuzusehen  lohnte sich. Wie er mit geschickte Fingern arbeitete und jeden Strick am Wagen, nach Festigkeit überprüfte. Erst nach einigen Minuten setzte er sich zufrieden, überzeugt neben mir auf den Kutschersitz. Ohne ein Wort zu sagen nahm er die Zügel an sich. Schweigend lenkte er den Wagen schon mal über die abgemähten Wiesen zur Abkürzung. In Gedanken versunken starrte er den schweißnassen Dulierücken an.  Manchmal überprüfte er kurz weitsichtig die umliegende Landschaft, aber in der überwiegenden Zeit, brütete er still vor sich hin.

Wissend dass ihn die Niederlage beschäftigte ließ ich ihn sein Gewissen selber klären.

Gegen den kühleren Abend erreichten wir den ziemlich abgelegenen Hof. Über einer Stunde Reitweg von den nächsten Höfen getrennt. Klein aber sorgfältig gepflegt das mit einem seltenen  Steinplatten, abgedeckte Bauernhaus. Seine Höhe reichte nur für ein Stockwerk. Mit einem grünen, von Pflanzensaft hergestellten Verputz, paßte es gut getarnt in die Landschaft. Neben dem Haus ein geebneter Platz wo man mit gesammelten Steinen bereits den Umriß eines weitern Gebäudes begann aufzuschichten. Ein Blick zwischen die bewohnbaren Plätze und  man entdeckte dahinter ein paar wenige bestellte Felder.  Eine einsame Kuh graste frei, ohne einen Zaun in einer bunten Wildblumenwiese. Erst als die Duliehufe über einen grob gelichteten Weg trabten teilte sich mit erschreckender Schnelligkeit das hohe Gras. Etwas jagte zwischen den grünen, saftigen Halmen geradewegs auf uns zu. Gespannt zuckte die Duliestute wie elektrisiert zusammen. Schnaubte drohend. Ein braunes, kurzbeiniges Bündel flitzte plötzlich auf die Strasse hinaus. Nervös bellend raste er direkt auf die Stute zu. Ein scharfer Huftritt reichte und der eifrige Hund schnelle auf der anderen Strassenseite ausweichend ins hohe Gras  hinein. In einigen Meter sicherer Entfernung kläffte er aufgeregt. Wechselte mehrmals sein Versteckt. Während Dongard unbekümmert die Stute auf den Hof lenkte  begleitete uns das lärmende Energiebündel im versunkenen Gras. Leider besass der sich selbst versorgende Hof eine kleinen Kräutergarten. Um die schmackhaften Kräuter vor Wildtieren zu schützten säumte ihn ein dichter hoher Lattenzaun. Mit vollem Tempo raste der übereifrige Hund geradewegs auf in eine der hölzernen Absperrung. Dongard zuckte bei dem heftigen Knall ein wenig  zusammen. Danach schmunzelten wir über den ungeschickten, kleinen Kerl der taumeln hinter unsere Wagen wieder auftauchte. Im Kopf leicht verwirrt setzte er sich auf seinen Hintern und heulte wie eine Sirene los. Kündete lautstark unsere Ankunft an bevor wir die Haustüre erreichten. Erstaunlich was für eine kräftige Stimme so ein kleiner, zottelige Hundmischling besaß. Bevor unser Gespann im Schatten des Bauernhauses hielt, öffnete jemand die Haustüre. Heraus tat eine hübsche junge Frau. Kaum den Mädchenjahren entwachsen. Dunkelbraune, kurz geschnitten Haare unterstrichen ihren kecken Auftritt. In einem hellblauen Kleid dessen alter Rock öfters einen verstärkten Stoffresten erhielt, unterstrich ihre jugendliche Frische. Sobald sie Dongard erblickte beschleunigte sie ihre weiten Schritte. Barfuss stürmte sie auf ihn zu. Bremste im letzen Augenblick und strich sich, ihrer Erscheinung verbessernd, ihre Kleid glatt. „Kommandant Dongard,“ jubelte sie erfreut. „Endlich bist du wieder da. Genau zum richtigen Zeitpunkt. Stell dir vor Mama ist wieder schwanger! Diesmal muss es eine Schwester werden. Kannst du das,“ sie machte eine Andeutung mit der Hand, „mit deiner Gabe beeinflussen? Du musst. Es ist schrecklich..“ Ihre weibliche Stimme ging in einem Schwarm aufgeregter brüllenden Jungs unter. Eine halbe Armee stürmte um die Hausecke. Sechs Brüder kämpften um den Ehrenplatz als erster zu sein. Grob schubsten sie ihre Schwester auf die Seite. Dafür lernte ein unvorsichtiger ihren spitzen Ellbogen kennen. Nahm von dem harmlosen Schlag aber kaum Notitz. Gelassen hob Dongard seine Hand. Sofort kehrte Ruhe in den unordentlichen Haufen. Dreckverschmierte Gesichter, in denen glänzende dunkle Augen blitzten, hafteten sich auf die angeordnete Geste. Gespielt drohend musterte Dongard den wilden Haufen. Einheitlich schrumpften die energiegeladenen Brüder zusammen. Stellten sich unaufgefordert in eine Reihe. Sofort milderte sich Dongards strenger Ausdruck. „Wer will später mit mir ins Lager mitkommen und hat die Ehre einen Dulie zu reiten?“

Eifrig streckte jeder einen Arm nach oben. Der Jüngste, vielleicht sechs, streckte sogar begeistert beide seiner Arme Richtung Himmel. Zufrieden warf mir Dongard einen siegesgewohnten Blick zu. „Siehst du das? Registrier das zu deiner Kenntnis dass  mein Unterricht sehr beliebt, gefragt ist!“

Dieser Mistkerl, hielt mir gerade vor dass ich ihn des öfteren seinen Lager als zu streng einschätzte. Stolz, weiterhin meine Meinung von seinem übertriebenen Lehrerunfug überzeugt, kletterte ich vom Wagen hinunter. Zog meine Mund zu einer unwilligen Schnute und meinte im Vorbeilaufen respektlos. „Du bist und bleibst ein Tyraaaaan.“ Das letzte Schrie ich förmlich weil mir Dongard höchstpersönlich mit seinem vollendeten Stiefel einen gemeinen Haken stellte. Unsanft landete ich auf dem staubigen Boden. Grölend lachte die gesamte junge Band. Meine Wangen färbten sich verlegen rosig. Rechnete ja nie damit das mein Kommandant sich zu so einem billigen Kinderstreich herabließ. Anscheinend beflügelten die fantasiereichen Jungs sein sonst so vernünftiges, korrektes Verhalten. Nun, dann hieß es für mich meine Würde zu behalten. Meine Nase selbstbewußt hoch tragen, klopfte ich mir den Staub aus den Kleidern. Schritt ausser Reichweiter der verschworenen Bande. „Pah,“ gab ich zum Besten. „ihr seid doch alle mitsamt ungebildete, unzivilisierte Rüpel.“ Strafte selbst Dongard mit einem mitzählenden abschätzigen Blick. Worauf sich seine länglichen Augen hübsch verengte. „Jungs, falls ihr das freche Mundwerk zum stoppen bringt, erlaube ich euch meinen Dulie heute abend zu reiten.“ Er brauchte kaum die Arme auszubreiten um das Startzeichen zu unterstreichen schon jagte die gesamte Bande auf mich los. Mit fallendem Kiefer nahm ich es zur Kenntnis, schnappte wenn ich schon mal den Mund sperrangelweit offen hielt, gerade tief Luft und rannte fluchtartig um das Haus herum. Wahrhaftig keine Leichtigkeit gut trainierten Jungs zu entkommen. Nach der ersten Runde bemerkte ich hinter dem Haus den Schweineauslauf. Drei fette Sauen verdösten gerade ihren langweiligen Nachmittag.  Nach der niedrigen Umzäumung, welche ich das erste mal wegen dem schlammigen Boden außerhalb umrundete, lagerten eine Menge frische Heu und Strohballen an der großzügig überdachten Hauswand. Im Winter diente diese Lagerung gleichzeitig als Isolierung für den kalten Nordwind. Bei der zweiten Runde, legte ich alles in einen riskanten Sprint. Sprang abgebremst in den unsicheren von Schweinen aufgewühlten Matsch, nutzte die zeitsparende Abkürzung um mich untern den schmalen Spalt zwischen Dach und Heuballen versteckt zu pressen.        

 Wartete bis die laute Meute an mir vorüberzog und quetschte mich dann herum. Mit meinen golden Haaren beobachtete ich perfekt getarnt wie die weniger klugen Jungs noch mehrmals vergeblich ums Haus jagten, bis sie endlich auf die Idee kamen sich zu teilen. Erst danach bemerkte sie mein Fehlen. Danach fing die große Suche an. Wobei ich vorher ein paar Strohbüschel aus meinem gepolsterten Untersatz riß und mein Sichtfenster vorsorglich abdichtete. Entspannt nutzte ich im warmen Versteck die Zeit für ein erholsames Nickerchen. Irgendwann später riefen mich die Jungs beim richtigen Namen. Doch was ein kluger Fuchs ist, der läst sich nicht so einfach aus dem sicheren Bau locken. Erst als am eindunkelnden Abend ein ziemlich beunruhigter Dongard mich aufforderte zu erscheinen, krabbelte ich aus meinem Versteck. Sobald ich die frische, kühle Luft um mich spürte, verstummte mein Chef. Demnach spürte er meine Anwesenheit. Erleichtert wartete er vor der beleuchteten Haustüre. „hallo,“ begrüßte er mich außerordentlich munter. „Wohl ein gutes Versteck gefunden? Die Jungs haben mir überzeugt versichert das du längst auf dem Weg nach Hause bist.“

Vorsorglich wischte ich mir die erdverkrusteten Sohlen am Fußgitter ab. „So leicht wird man mich nicht los! Deine Jungs mögen zwar den perfekten Heimvorteil genießen, aber dabei haben sie verlernt auf wichtige Kleinigkeiten zu achten.“

 Mit keiner Regung im Gesicht verriet er seine Gefühle, dafür lies mich Dongard wissen als er mir den Vortritt ins Haus anbot, „ich bin stolz auf dich. Was verrät dir deine feine Nase?“

Schnuppernd gewahrte ich den würzigen, durchdringenden Geruch von knusprigem, fritiertem Fisch in der Luft. Lächelnd genoß ich den schweren Duft. Zuckte leicht zusammen als mir Dongard die Hand auf die Schulter legte und mich halbdunklen Gang zu einer Tür lenkte. Als erster Trat er ein. Am aufgedeckten Tisch wartete bereits alle Anwohner. Ausser den sieben überraschten Gesichtern entdeckte ich das einer weiteren hübschen, blonden Frau um die dreißig Jahre und älteres Paar, die Eltern von dem ganzen Haufen. Es gab zwei Plätze frei. Ausgerechnet zwischen die Kinder lenkte mich Dongard. Während er gegenüber genau zwischen den weiblichen Geschwister Platz einnahm. Die lieben, vor allem geduldigen Eltern nahm die unübersehbare Schwärmerei ihrer weiblichen Kinder mit Humor auf. Vor dem Tisch  verschränkten alle ihre Finger ineinander. Zum ersten Mal seit ich in diese Welt reiste nahm ich an einem gemeinsamem Tischgebet teil. Dongard folgte automatisch ihrer Gesten. Mir war das gut bekannt aus der Anstalt. Allerdings schienen meine Kentnisse Dongard zu überraschen. Flüchtig sah er mich an als ich in meinem Dialekt das Gebet beendete. Ebenso die Frau des Hauses. Der junge Haufen interessierte nur das Essen, genau genommen wie mich. Doch ich wagte nicht wie im Lager die Schüssel schneller zu angeln. Kurz und heftig folgte der strafende Schlag mit dem Holzlöffel auf die von der Sonne gebräunten Hände. „Zuerst die Gäste,“ mahnte das unumstrittene weibliche Oberhaupt. Sanfter bat sie, „Taya!“

Die ältere Schwester stand auf. verteilte das Essen in gerechte Portionen. Jedem gereichtem Teller was ihm zustand. Seltsamer weise den Kindern mehr als den Erwachsenen. Etwas bei in meiner Welt lange dauerte zu akzeptieren, das Kinder wegen ihrem Wachstum mehr benötigten. Gebratener Mais mit viel Zwiebelsause und ein kleines Stück Fisch. Verborgen hielt ich meine Enttäuschung über die winzige Portion. Nur die hälfte was ich sonst verdrückte. Jedem eine Scheibe Brot, dafür reichlich lauwarmen Kräutertee. Sein würziger Duft leichterte den schweren Fischgeruch der Stube ab. Dongard dem die dürftige Portion auffiel, erlaubte sich eine besorgte Bemerkung. „Die letzten Vorräte?“

Betrübt nickte der betroffene Farmer. Ergraute Haare in seinem gepflegten Kinnbart ließen ihn wesentlich älter erscheinen. „Das halbe Lager war von dem Schimmelpilz befallen. Letzter Winter bescherte uns ein zu mildes, feuchtes Klima und diesen Sommeranfang überfällt uns ungewöhnliche Trockenheit. Das Wetter ist seit der neuen Generation unberechenbar. Wir sind zu weit weg vom Fluß und die südliche Bergkette hindert die feuchte Meeresluft uns zu erreichen. Falls noch zwei, drei solche verdrehten Jahre folgen, überlegte ich ernsthaft ein Haus weiter in der Nähe des Flusses zu errichten. Lieber eine Überschwemmung in Kauf nehmen. Danach erholen sich die umgewühlten Felder schneller als bei andauernder Trockenheit. Wünsche des Königs hin oder her. Wir brauchen zu Essen.“ Dabei erhielt er Unterstützung von seiner liebenden Frau. „Kommandant, nimm es in deine Liste auf. Man hat uns Unterstützung versprochen. Die Leute würden vermehrt aufs Land ziehen. Aber bei unserem Wassermangel, wer hält diese Knappheit aus. es reicht zwei extreme Jahre und jede Existenz ist hier draußen Gefährdet. Es würde mich freuen wenn du ein Erlaubnisdokument erhältst die das Fortziehen legal unterstützt.“

Man sah Dongard an das diese Entscheidung unerwartet kam. „Die Kinder, ihre Heimat?“

Entschlossen winkte die erfahrene Bauernfrau mit dem Zeigefinger ab. Streichelte liebevoll über den großen, schwangeren Bauch. „Unsere Kinder brauchen mehr zu Essen, mehr Milch und vor allem verstärkte Sauberkeit.“ Darauf erntete sie undankbare Einsprache. „Ruhe,“ fuhr sie unbeirrbar fort. „Ihr tobt den ganzen Tag herum und stinkt genau wie die Schweine. Manchmal sogar schlimmer. Mit einem Tag waschen in der Woche seit ihr einfach unerträglich. Es ist mir lieber ihr spielt in einem Fluß als hier draußen mit Schweiß und Staub meine Wohnzimmer zu verstänkern. Kommandant Dongard wirklich, nur weil ihr da seit hat sich die Bande bemüht einigermaßen gepflegt aufzutreten. Ansonsten fällt es mir schwer, die hälfte von ihnen sauber zu halten. Dabei ist Pflege und Sauberkeit auch wichtig für den Glauben.“

Dabei bemerkte ich wie ihre dunkelbraunen Augen mich anvisierten. Meine kleine Mahlzeit lagerte schon in ihrem unbefriedigten Magen. Leicht verlegen signalisierte ich Aufmerksamkeit. „Ja,“ unterstützte ich mit Unbehagen die kluge Frau. „Im Glauben wird Hygiene und auf Sauberkeit großen Wert gelegt. Gepflegtes Aussehen und...vorbildliches Verhalten gehen miteinander.“ Langsam schien mich jeder aufmerksam zu betrachten so nippte ich mehr zur Ablenkung an meinem fast leeren Glas. Geizte mit jedem Schluck um weiterhin eine Beschäftigung vorzutäuschen.  Dongard selber hielt seines gespannt in den Finger und betrachtete mich wie eine Fremde über dessen Rand hinweg. Ein schüchternes Räuspern lenkte ein paar Blicke von mir ab. Sittsam wie eine gedrillte Dame legte Taya zuerst ihr Besteck auf die Seite. „Wie kommt es das jemand mit deinem entfernten Dialekt so viel über unseren verstreuten Glauben weiß?“

Ungeduldig zappelten die eifrigen Jungs am Tisch. Sie interessierte das Thema herzlich wenig. Rasch entließ sie der Vater damit am Tisch Ruhe herrschte. Stühle kratzen über den Holzboden. Mit lautem Abgang stürmten sie zur Tür hinaus. Wo bei einer im vorbei gehen mir zuraunte. „So einfach vergessen wir nicht. Wir warten draußen auf dich.“ Diese Bande hatte also meinen Streich nicht verziehen. Genauso hielten mich die übrigen Leute scharf beobachteten im Auge. Diese Spannung beunruhigte mich. Entschuldigend lächelte ich entwaffnet in die Runde. „Besitzt hier denn nicht einige eine Bibel?“

Seltsame schockierte Blicke wechselten in der lichttrüben Stube umher. Bedachtvoll verschränkte Dongard seine schlanken Finger ineinander. „Eigenartig, dass ich nicht früher mit dir über dieses bedeutende Thema geredet habe. Da du unseren König so einfach akzeptierst nahm ich selbstverständlich an du wüßtest Bescheid über einige Regeln. Also es ist so, das unser dritte König, nach dem großen Krieg, anordnete bis auf wenige Bücher die Bibel zu verbrennen. Diese eine Buch erschaffte die großen Kriege. Einheimischer Glaube gegen die Anderen  heiligen Gebote. Erhalten haben sich die zehn wichtigen Gebote bis in unsere Zeit. Perfekte Gesellschaftsregel lohnt es zu erhalten. Doch über Leben und Tod entscheidet der König, nach Anhörung seiner Ratgeber, eindrücklicher als diese nie sichtbare  Macht aus dem Himmel. Es gibt keine Beweise für diese Existenz. Genau genommen kann es ein perfekt erfundenes Märchen sein. Unterstützt die guten Taten, verurteilt die Schlechten. Darum weiß niemand wer, vielleicht ausgenommen dem König, noch so ein unheilvolles Buch besitzt. Für die einen ist der Erhalt des Glauben ein Segen, aber für den großen Teil des Reiches ist dieser Glaube bedeutungslos geworden. Man kennt Bruchteile der uralten Geschichte. Verschiedene Versionen auch von einst anderen Stämmen. Doch deswegen erhebt niemand seine Stimme oder interessiert sich gar für einen Krieg. Wir haben zuwenig Beweise in den Händen das dieser Gesellschaftliche Leitfaden noch an Funktionskraft besäße. Wie ist das in deinem abgelegen Teil des Landes überhaupt? Besitzen da viele dieses mysteriöse Buch?“

Genauer betrachtet wägte ich meine nächsten Worte mit Bedacht und so dass sie es verstanden. „In meiner Generation läßt der öffentliche Glaube nach. Doch zuhause besitzt fast jeder eines dieser Bücher. Höchstens ein drittel beschäftigt sich intensiv mit dem Stoff. Wobei unsere Gemeinde gerade in den letzten Jahren viel an agressivität verlor, nimmt bei den Nachbargemeinden dieser Glaube extrem zu. So explosivartig dass in der Eile der heikle Stoff verdeht, oder mißverstanden wird. Man braucht ein langes Studium um die tiefe Einheit des Glaubens richtig zu verstehen und einigermaßen zufriedenstellend  zu praktizieren.

Unsere Inselbevölkerung wächst und gerät wegen ungerechtem Handel aus dem Gleichgewicht. Die Insel wird zu klein, jeder will viel Profit, egal ob dabei andere Verhungern. So entwickeln sich bei uns die ewigen Kriege. Viele benutzen den Glauben um die Gewalt zu Rechtfertigen. Töten Unschuldige und predigen gleichzeitig ...“

 Auf einmal verstand ich diese einfachen Leute hier. Diejenigen welche das eins so populäre Buch in die Versenkung schickten. Doch war das  jetzige Leben besser? Vielleicht machten sie gerade eine Erholungsphase durch. Weitaus schlimmere Ansätze wie die aufkommende Sklaverei mit Tiermenschen verdüsterten meine Prognose. Ihre Experimentierfreude leitete sie in eine falsche Richtung der Gerechtigkeit. In meiner Zeit verlangte es einem nach Geld und Macht.  Hier, steigerte sich das Ansehen indem man andere für sich arbeiten ließ. Macht bei der man die Würde der anderen Vergass. In meiner Zeit zerstörte man soviel. Genauso wie hier die Grundmauer des Systems zu wackeln begann. Mit einer gewissen Verzweiflung sah ich Dongard verstehend an. Schon lange wußte er die schwierigen Anzeichen zu deuten. Darum drängte er zur Verstärkung seines Lager. Ahnte die Veränderung der Zeit. Doch gewiß überschätzte er sich mit dem plötzlichen Einbruch der sicheren Lage. So etwas passierte kaum in den folgenden Jahren. Allerdings lebten hier die Leute nur auf einer Insel, einem Land und nicht auf Kontinente verteilt. Ob das die Lage verschärfte?

Ausweichend meinte Dongard mit gesenkter Stimme. „Du bist müde. War ein langer, heißer Tag den die unliebsame Begegnung mit dem mysteriösen Schwarzmelf alles andere als angenehm gestaltete. Komm,“ er machte Anstalten aufzustehen. Doch ich mir viel was wichtiges ein. „Dongard...“ Sofort viel  mir sein verstimmter Ausdruck ins Auge. Verbesserte mich hastig. „Kommandant Dongard, erinnerst du dich an die Truhe die ich und Maxim letztes Jahr zur Aufbewahrung in deine Obhut gaben?“

Nach kurzem überlegen fiel es ihm wieder ein. Also lüftete ich das Geheimnis. „Darin befindet sich das umstrittene Buch. Exakt, drei Bücher verschiedenen Glaubens, wenn ich mich richtig besinne. Du besitzt als zumindest eines von jetzigen Glauben, in allen vollständigen  Einzelheiten.“

Keuchend fuhr die ältere Frau an der Tafel hoch. „Ist das wahr.“

Zum ersten Mal deutete mir Dongard heimlich, mit Furcht in den Augen, zu schweigen. Zu spät dämmerte mir was ich, bez. was Dongard Bedeutungsvolles in Besitzt verwarte. Klug versuchte er die aufgeregte Situation zu retten. „kann das einer von unserer Insel überhaupt lesen. Übersetzten.“ Seine Schärfe in den Augen, eine Warnung ja das Richtige zu Äußern.

Begreifend, hielt es für angebracht  Enttäuschung zu spielen. „habe ich vergessen. Es ist ja in der alten Sprache verfaßt. Falls sich jemand dafür je interessieren sollte würde eine Übersetzung mehrere Jahrzehnte dauern.“

Bedauernd hauchte die gläubige Frau. „Jahrzehnte.“

Mit den Fingern zeigte ich ein Maß von fünf Zentimeter an. „Bei uns ist das Papier mehr als die Hälfte so dünn wie bei euch und so dick ist das Buch. Das dauert eine ganze Generation.“

Erleichtert stand Dongard auf. „Safina, ich begleite dich zur Sicherheit ins Quartier. Wir,“ damit meinte er dem Farmer zugewandt, „sehen uns gleich wieder.“

Ziemlich hastig spaziert er um den Tisch herum packte mich förmlich am Ärmel und schob mich fast drängelnd zu Stubentür hinaus. Kühle Luft im dunklen Gang. Verdrossen schloß mein Kommandant hinter sich die Tür. Nun steckte wir erst recht im vollkommenen Dunkel, doch er schien förmlich zu sehen. Zerrte mich zum hinteren Treppengelände. Stellte mich an die Wand. Zischte mir zu „Bist du wahnsinnig. So ein seltenes Buch kann momentan eine ganz ungewohnte Wende einleiten. Allein das ein zweites Exemplar  außerhalb des Palastes existiert ist... unglaublich. Ich wußte das du eine  gewaltige Veränderung im Lager verursachst. Himmel, schon vor tagen plagte mich unklare Gewißheit  das Bedeutungsvolles sich endlich offenbart. Aber musste das gerade unter meiner direkten Leitung passieren!“ er suchte nach erklärenden Worten. „Hier passiert ungefähr dasselbe wie bei euch damals. Momentan gärt eine Generation die ihren Glauben, zuhause unter sich, behalten hat. In erster Linie möchte diese Familie nicht wegen dem mageren Ackerertrag weg, sondern weil sie gerne mit Leute ihren Glaubens  zusammen sein würden. Momentan dient ihnen der Wassermangel  als gelungener Vorwand um endlich gleichgesinnten Anschluß zu finden. Bis vor wenigen Jahren waren sie hier ausnahmslos zufrieden mit ihrem Land. Erst in letzter Zeit hat sich auf einmal auf den abgelegenen  Höfen verändert. Irgend jemand, vermutlich ein fanatischer Bewahrer, hetzt die Leute auf.  Es droht eine verborgene Revolution gegen den König. Das sind momentan die aktuellen Gerüchte, also zu niemanden ein Wort! Schon gar nicht das ein vollständiges erhaltenes Beweisstück für die Glaubenstruktur in meiner Obhut aufbewahrt wird. Oh,“ verzweifelt stöhnte Dongard auf. „Zuerst bin ich der einfache Hüter des Goldes, des Stabilisation gesamten Handelsgewebe. Zusätzlich muss ich dich, jemand... aus einer anderen Zeit überwachen und jetzt... liegt eine weiter ganze Struktur des Glaubens in meiner Verantwortung.“ Schwer belastet setzte sich Dongard auf eine der Treppenstufen. „Eigentlich wollte ich immer nur ein einfach guter Kommandant sein. Und jetzt halte ich in drei Fällen gleich die Geschichte der Welt zusammen. Safina, ein unbedachtes Wort und soviel verändert sich. Sei bitte... achtsamer und bitte, bitte verrate es mir lieber in einem ungestörten Moment wie diesen, hast du noch was bedeutungsvolles auf Lager?“

„mhm,“ dachte ich geräuschvoll nach. „Nein, mir fällt gerade nichts ein.“

Hörbar seufzte Dongard aus. Ein seltsames Bedürfnis beschäftigte mich, ihm meine Hand mitfühlend auf die Schultern zu legen. Nur die Dunkelheit, die Unsicherheit dass ich ihn woanders als an der Schulter berührte hindert mich ihm meine Unterstützung zu zeigen.

Zielsicher schnappten sich seine Hände das Geländer und zog sich an dem leicht wackeligen Holz hoch. Holz gierte in den trockenen Fugen. Unter Dongard Gewicht knarrte die Stufen. „komm,“ bat er mich milde ihm zu folgen. In sicherem Abstand folgte ich seinen hörbaren Schritten nach oben. Im ersten Stockwerk fand tastete er sich nach vermuteten Gegenständen. Nach wenigen Sekunden brannte eine Kerze. In einem Tongefäß welche vor Zugluft schützte, leuchtete er mir den Weg. Führte mich zu der hintersten Kammer. Hielt mir die grob gezimmerte Türe auf die genausogut zu einem Stall paßte. Erstaunlich das die rostigen Türangeln keinen Laut von sich ließen. Dongard schmunzelte über meine Beobachtungsgabe. „schmiere sie regelmäßig selber ein wenig mit Fett damit die Kinder mir nicht ständig folgen wenn ich nach draußen gehe. Wundere dich nicht wenn Minu, die einzige Schwester, dich ein bißchen unhöflich behandelt, sie ist ein bißchen vernarrt in mich. Vielleicht hat sich das seit dem letzten Besuch etwas gelegt. Aber nimm dich trotzdem vor ihren Streichen in Acht. Sie hat schließlich einige einfallsreiche Brüder als Lehrmeister.“ Hielt die Kerze hoch um das schäbige Innere der winzigen Kammer zu beleuchten. Kaum drei auf zwei Meter mit einem runden Fenster nach draußen. Eine Matte aus geflochtenem Stroh bedeckte den Boden. Dazu ein paar ausgebreitete Decken. Es war deutlich das eine Person eine bevorzugte Behandlung erhielt. Dongard Seite zierte eine liebevolle handgestickte Decke. Bevor ich eintrat riet mir Dongard. „Zieh die Schuhe hier draußen ab. Drinnen gibt es gelegentlich Mäuse und hier draußen streift öfters die Hauskatze herum. Falls du nicht geweckt werden willst lege dich auf die äußere Seite. Ich komme später. Hier,“ er übergab mir das Licht. „Bis morgen. Ich versuche mal das Interesse der Leute mehr auf den seltenen abgerutschten Melfen zu lenken.“ Duckte sich unter dem niedrigen Türbalken durch und verschwand lautlos im Dunkeln. Erst die nachgebenden Stufen verrieten seine vorübergehende Anwesenheit. „Melfen,“ flüsterte ich verwirrt. Diese neue Welt gab mir viel zu denken. Ein Volk das seinen König wählte und gleichzeitig versteckt seinem alten Glauben pflegte. Am meisten beschäftigte mich Dongard. Seine bisher unantastbare Stärke erschien mir auf einmal mehr als trügerisch. Weniger wegen dem versagen bei dem Echtmelfen sondern das ganz natürliche gestreßte Verhalten im Gang. Sein Zweifeln ob er all der Verantwortung gerecht wurde. Zum ersten Mal sah ich den verletzlichen Dongard. Verdächtigte ihn dessen sogar das er nur mir diese seltene Gelegenheit offenlegte. Nie entdeckte ich einen Hauch von Unsicherheit im Lager vor den anderen. Nur bei mir gönnte er sich Nachmittags Ruhe. Warum? Ausgerechnet mir welche sich danach sehnte Maximilians Stimme zu hören. Seine zögerlichen Umarmungen, weiches, seidiges Fell seiner Wangen zu berühren. Maxim, rief, schrie ich gedanklich in die Nacht hinaus. Aus dem Fenster, weit über die Felder. Irgendwo da draußen bist du. Ich weiß es. Was veranlaßt dich zu dieser grausamen Trennung. Bin ich nicht hübsch genug? Woran liegt es?

Traurig wälzte ich mich in der Unterwäschen unter die weichen Decken. Zog einfach die weiche Stoffunterlage näher ans Fenster. Maximilian. Seine treuen Augen, der aufleuchtende Glanz darin wenn ich in sein Zimmer trat. Es tat weh allein zu sein in einer Welt die ihre sonderbaren, wunderlichen Geheimnisse besaß, welche ich kaum verstand. Politik ganz anders als gewohnt und die nie mein Interesse weckte. Eine verwirrende Glaubensstruktur mit der ich mich ohnehin kaum je beschäftigte. Trotzdem steckte ich irgendwie verworren dazwischen. Zudem führten alle Wege auf merkwürdige Weise ständig zu dem gewöhnlichen Kommandanten Dongard. Wie kam es dass ein, nur Halbmelf, über so hauptträchtige Entscheidungsgewalt verfügte.  Mir dämmerte das ich ziemlich wenig über meinen außergewöhnlichen Chef wusste. Bisher setzte ich all meine Energie, Hoffung auf meinen vermissten Maximilian. Wollte mich seinen Wünschen öffnen. Bewusst das mir mit ihm ein ganz anderer, bewegter Lebensweg bevorstand. Maxim. Sehnte mich nach seiner sanften tiefen Stimme. Seinen schüchtern wirkenden Zärtlichkeiten, seiner festen Umarmung. Wünschte mir ein bisschen tröstende Zuversicht das sich zwischen uns einmal alles klärte. Ein Aufwachen, egal wie schmerzhaft es sei, aus dem versinkenden Alptraum. Traum? Träumte ich? Ähnlich einer detail getreuen Vision bildete ich mir ein das mein sehnlichster Wunsch sich erfüllte. Nach langem suchen endlich die erlösende Antwort erhielt. Neben mir lag ausgestreckt mein Geliebter. Ganz der wahrheitgetreu lächelte er mich mit einem traurigen Ausdruck an. Deutlich spührte ich seine innere Zerrissenheit. Zögerlich strich seine Hand über meinen Arm. Alles schien so Real. Selbst sein wohlbekannter Geruch neckte meine Nase. Noch nie erlebte ich einen Traum so echt. Wie schlich er sich in meine Kammer? Seine wandernden Hände verstreuten meine aufkeimenden Zweifel. Gefühle, ein wild schlagendes Herz überrannte mich. Vertrauensvoll schmiegte ich mich an seinen warmen Körper. Ich wollte keine Worte hören. Keine entschuldigende Erklärungen über sein langes Wegbleiben. Verzichtete auf das Fragen; warum? Nur das er hier war zählte.  Meinem anschmiegsamen Körper Halt vermittelte und mit zärtlichen Gesten belohnte. Zielstrebig streichelte seine warmen Finger, unter meinem Hemd, zu meinem Busen hoch. Eine Hand gespreizt in meinem Rücken, verhinderte jeden Rückzug. Behutsam liebkoste er knabbernd mit den Zähnen meinen Hals. Diese vertraute Geste weckte alte süsse Erinnerungen. Die letzten Zweifel ausräumen, krallte ich mir meinen Freund förmlich. Leise lachend über meine stürmischen Angriff, folgte er beschleunigten Ruf. Küsste mich leidenschaftlich dass es mir fast die Sinne raubte... ein Herzklopfen viel aus dem Takt. So schön, einfach in diesem Rausch zu versinken... ein leichte Stirnfalte bildete sich meinerseits. Etwas war anders. Etwas wirkte falsch. Erfahrene Küsse, lockten zur bedienungslosen Hingabe. Normaler Weise küsste es sich mit Maxims grosser Schnauze weitaus problematischer. Zu perfekt wirkte dieser verzauberte Moment als ob... Misstrauisch verlangte es mich nach einer prüfenden Distanz. Erneut versuchte mein liebestoller Maxim mit einer festen Umarmung meinen Widerstand zu schmelzen. Verstört, da er besonders in Liebesdingen feinfühlig reagierte, wandte ich meinen Kopf ausweichend zur Seite. Gleichzeitig kniff ich ihn heftig in die Taille. Verwirrung füllte meine flimmernden Gedanken. Mir kam es vor als ob in meinem Gehirn übermütige, rücksichtslos Kobolde tanzten. Milde die ziehend Sehnsucht die mich rief. Verzehrte dunkle Schatten, die jeden klaren Entscheid auseinander zerrten. Erschrocken fuchtelte ich mit meinen Händen vor dem Kopf um die bösen Geister zu vertreiben. Auf einmal war die verschleiernde Wand weg. Erlöst öffnete ich die müden Augen. Klar , geschärft arbeitete mein aufgeweckter Verstand. Dunkelheit- Nacht. Decke neben mir aufgeschlagen. Im seichten Mondlicht deutlich erkennbar das niemand da lag.  Einem Verdacht folgend legte ich meine Hand auf die leicht nieder gedrückte Stelle. Leichte Körperwärme spührbar in der niedergepressten Strohmatte. Schlimme Vermutungen stiegen in mir  hoch. Dongard. Weder böse noch mit Freude stieg mir der Name hoch. Die einzige, zugleich unfassbare Erklärung. Erinnerte mich das er einst Damar was vorgaukelte damit sie seiner Leidenschaft folgte. Allerdings geschah es auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin. Hier... sollte er wirklich. An den verrückten Glauben das Maximilian tatsächlich hier war, verwarf ich rasch. Kühle Ruhe hüllte mich ein. Wäre Maxim in engster Umgebung versteckt konnte ich ihn förmlich fühlen. Hier versicherte mein feinfühliges Wissen dass ich mich in dem ungewohnten Haus alleine unter Fremden wohnte. Mit ungewöhnlicher Sorge richtete ich mich auf. Unmöglich nach dieser unheimlichen Begegnung zu schlafen. Kalte Nachtluft strich über meine abkühlende Haut. Dennoch, sosehr ich die Decke hochzog, blieb die Wärme aus. Zweifelte, traute meinem korrekten Kommandanten so einen persönlichen Übergriff gar nicht zu. Wuchs blühende Fantasy über müden Verstand hinaus? 

Aufgebracht stemmte ich mich auf die steifen Beine. Benötigte Bewegung um diese Unruhe in mir zu senken.

Minuten später schlenderte ich merklich entspannter auf einem holperigen Feldweg entlang. Dich an meinen Fersen der kleine, niedliche Hund. Gerade dieser stille Begleiter vermittelte mir Sicherheit dass ich furchtlos bis ans Ende des ersten Feldes spazierte. Danach hatte ich das Gefühl als erschütterte leichtes Beben den Boden. Unterirdisch rumorte es ungewöhnlich. Warnend knurrte der Hund leise. Schnüffelte aufgeregt lockeren Ackerboden  herum wo das halb verdorrte Saatgut bereits über meine Schuhspitze reichte. Wild wühlte dieser muntere Hund ein Loch in Boden. Wirklich da war es wieder dieses unheimliche Beben. Ängstlich beschleunigte ich meine Schritte zurück zum Haus. Ob es hier grosse Würmer gab? Wilde Tiere die vielleicht einen unbedachten Menschen Nachts angriffen. Ich hatte keine Lust mit einem Stachel oder geifernden Zähnen Bekanntschaft zu schliessen. Zurückhalten spurtete ich los. Sobald der Kleine mein Flüchten sichtete rannte er kläffend nach. Sofort bremste ich ab. „Pst,“ herrschte ich ihn an. Sittsam setzte er sich vor mich hin. „komm,“ sagte ich unnötig. Er eskortierte mich sicher zum Hof. Gerade am Stallgemäuer vorbei weckten andere Geräusche meine Aufmerksamkeit. Jemand unterhielt sich leise... oder?  Undeutbare Laute. Neugierig schlich ich zu der Ecke. Spähte Zentimeterweise an den der Hausecke vorbei. Von der Seite her erkannte man ihm schwachen Mondlicht zwei bewegende Konturen. Dicht standen die zwei, im verdunkelnden Abschnitt, verborgen unter dem vorstehenden Dach. Dennoch erkannte ich eindeutig Dongards elegante Gestalt. Neigte sich zu einem... einer weiblichen Gesellschaft über, die erhöht auf einem zugedeckten Fass sass. Kurze Sekunden genügte und ich zog mich schmunzelnd zurück. Hinter mir drang ein weiblicher, lustvoller Schrei  in die Nachtluft hinaus.

War es möglich das Kommandant Dongard zuerst bei mir...? Quatsch, willige Frauen gab es ja genug und er erfüllte bereitwillig ihre sexuellen Wünsche. Ausserdem gab es ja diese Regelung im organisierten Lager, speziell bei Dongard, das in einer Woche nur ein Bettbesuch  bei ihm erlaubte. Wann hielt er es für nötig einzuführen? Armer Kommandant. Heute war das erste mal dass ich ihn zusammen mit einer „Freundin“ entdeckte. Schon merkwürdig wie in mir... leiser gebrochener Stolz meldete? Einen lästigen Stich von Eifersucht? Zutreffender, gekränkte Eitelkeit. Genau das traf es! Voll Funktionstüchtig meldete sich meine weibliche sensible Seite. Demnach machte mich Maxims schockierende Trennung nicht für alles unempfindlich. Fast bedauernswert. Einmal an gebrochenem Herz zu leiden reichte. Hoffentlich empfand ich nie wieder so viel für jemanden wie bei meinem Freund. Sonst bedeutete das der entgültige Abschied von meinem Verstand.  Ein letztes Mal blickte ich in dieser Nacht zu den funkelnden Sternen hoch. Spähte in die Unendlichkeit. Keine Wolke, kein Wasser. Dieses Königreich fand seinen festen Platz in meinem Herzen. Begann seine Sorgen zu teilen.                                

Schweinerei

Schweinerei

Zu meiner Überraschung erwachte ich am Morgen, in meiner Kammer, in Gesellschaft. Dongard blieb demnach nicht die ganze Nacht bei dem Besuch. Unbemerkt schlich er sich lautlos an seinen Platz an meiner Seite. Ungewöhnlich nur das er tief, halb zusammengerollt schlief obwohl bereits die ersten Sonnenstrahlen den Fenstersims berührten. Einen Momentlang reizte es mich ob ich ihn, wie damals auf dem Wagen, berühren sollte. Sozusagen als Reaktionstest am Morgen. Dann fand ich es nach dieser anstrengenden Nacht, für ihn, zu grausam. Obwohl ich mich bemühte entspannt dazuliegen, blieb der weitere Schlaf fern. Hörte eine Weile Dongards tiefe Atemzüge zu bis ich es einfach nicht mehr aushielt. Solange er friedlich schlief viel es mir leichter mich ungestört anzuziehen. Bemerkte rasch die kalten, unfreundlichen Bodenbretter mit ihren groben Splittern. Sachte öffnete ich die Türe in gewohnter Vorsicht. Erst verspätet viel mir Dongards geschmierte Vorsorge ein. Hielt meinen Schuh in den Händen... stutzte. Feiner Unterschied vom Gewicht her... etwas bewegte sich darin. Taya Streiche, fiel mir warnend ein. Gespannt klopfte ich den Schuh verkehrt herum aus. Unsanft purzelte eine zuckende Maus heraus. Anders liess sich ihre taumelnden, unsicheren Bewegung nicht beschreiben. Sie trippelte ein paar unkoordinierte Schritte und kippte zur Seite herum. Irgendwie drehte sie verwirrt einen Halbkreis und kauerte dann verloren in sich zusammen. Wie gemein so ein niedliches Tier zu quälen nur damit es mich später erschrecken sollte. Leider besass ich einmal eine kleine Maus als Haustier. Zähmte die gewöhnliche Hausmaus so dass sie sich unter meinen Kleider sogar wohl fühlte. Leider entdeckte sie eines Tages mein Grossvater und ohne Vorwarnung streute er versteckte Giftköder. Schon einmal starb eine geliebte Maus in meinen Händen.

Vorsichtig schubste ich sie in den Schuh hinein. Trug sie, möglichst Erschütterungen vermeidend in die Kammer. Setzte mich neben Dongard in die Knie und schüttelte sachte dessen Schultern. Träge wandte sich sein Kopf herum. Verschlafen seine schmalen Augen. Wirr, ungebändigt seine schwarzen Haare. Ein Laut, halb knurren folgte, aber er bemühte sich mir zuzuhören.

Traurig hielt ich ihm den Schuh unter die Nase, wobei seine grösser werdenen Augen verstimmt hinein schielten. „Kannst du sie heilen?“

„Bist du von sinnen,“ murmelte er undeutlich. „Für Reparaturen ist Dagbor im Lager zuständig. Bis wir zurück sind werden sie gewiss..Oh!“

Erst als ich den Schuh schwenkte sicherte er die verletzte Maus. Entschuldigen lächelte er mich breit an. „Verstehe. Ich soll was? Sie Heilen?“ In keiner Weise auf meine Wunsch zu reagieren, lehnte er sich sogar auf die Arme zurück.

Verstimmt gab ich ihm Bescheid. „Du hast mir schon Di`jon weggenommen. Ein Maus als Haustier kann dich doch nicht stören. Also kannst du sie heilen. Taya hat sie zu grob...“ Mit Freude sah ich wie Dongard seine Hand achtsam dem scheuen Tier näherte. Es richtete sich schräg auf die Hinterhand. Zähne knirschten warnend aufeinander. Dann passierte alles so blitzschnell das ich es kaum mit den Augen verfolgte. Dongard packte zu und... und... verstört stockte mir der Atem. Er schleuderte sie zum offenen Türeingang hinaus, direkt vor die Pfoten einer erschrockenen Hauskatze. Die erholte sich rasch vor der freudigen Überraschung, packte tödlich zu, verschwand innert Bruchteil einer Sekunde mir der beanspruchten Beute. Schockiert starrte ich in den leeren Gang hinaus. Drehte mich langsam dem unerklärlichen Dongard zu. Träge sah er mir nahe, direkt ins Gesicht. Erteilte mir seine Lehre, „lass den Dingen ihren vorbestimmten natürlichen Lauf. Du kannst nicht alles ändern.“

Zum ersten Mal kam mir Dongard wie ein völlig Unbekannter vor. Schluckte einmal, um die Trockenheit in meinem Hals zu lindern. Verschärfte meinen Augen und gab ihm einen heftigen Seitenhieb zurück. „Besitzt du wirklich eine melfische Seite?“ Zweifelte ich arg seinen Gerechtigkeitssinn an. „Oder willst du klar Verdeutlichen das du mit einem gewissen Schwarzmelf verwandt bist? Coumen hat vollkommen Recht als er sagte deine Ausbildung sei Hundmiserabel.“ Klagte ich ihn der unnötigen Grausamkeit an. Ohne eine Antwort abzuwarten, stürmte ich davon. Seine unverständliche Tat, allein seine Nähe, verabscheute ich in diesem Moment. Stellte mich taub als er nach mir kümmerlich rief. Erst am Treppenfuss setzte ich mich kurz hin um ihn die Schuhe zu schlüpfen. Gerade als Schritte oben ertönten, hastete ich davon dass er nicht mal meine Schatten sichtete.

 

Nachdenklich setzte sich Dongard auf die oberste Stufe nieder. Überdachte seine voreilige Handlung. Stützte verwirrt seinen Kopf seitlich am Geländer an. „Safina,“ murmelte er völlig mitgenommen. Wie... Gerade als er dachte es gäbe eine gute Verbindung zwischen ihnen zerstörte er das dünne Band mit einer flüchtigen Handbewegung. Betrübt biss er sich auf die Oberlippe. Bedauernde Augen starrten lange noch in den leeren Gang. Geräusche im unteren Geschoss lenkten ihn ab. Seine vorteilhafte Gabe...er wusste alles über sie nur umzusetzen erwies sich als verzwickt problematisch.

 

Unsicher stand ich in dem langen Gang. Zweifelte welche Türe nach draussen führte. In meiner gestrigen Erinnerung war alles Dunkel verschwommen. Da ich Dongard auf jeden Fall ausweichen wollte drückte ich einfach langsam eine kalte Klinke hinunter. Geschlossene Kasten bildeten einen Korridor an dessen Ende... ich beabsichtigte die Tür wieder zu schliessen aber die Frau am Ende des Raumes hatte mich bemerkt. Winkte mich mit dem grob gewobenen Abtrocknungstuch in der Hand heran. „Guten Morgen,“ Grüsste sie erfreut mit einem müden Ausdruck im Gesicht. Verlegen trat ich wie auf rohen Eiern heran. Fremde Leute lösten eine Nervösität in mir aus. Besonders wenn ich im Unterbewusstsein spürte das sie ihre Beabsichtigung versteckten. Grüsste zurückhalten.

Auf einmal tanze Taya förmlich in den Küche. Luftig schwang ihr weiter Rock und gab Sicht auf zwei schlanke, hübsche Beine ab. Sie wirkte so weiblich, graziös das ich mir geradezu wie ein Trampel vorkam. Ihr strahlendes Gesicht verriet mir das sie höchst wahrscheinlich heute Nacht Dongards Dienst beanspruchte. Eifersucht? Nein, weit davon entfernt. Mich störte eher ihre unbeschwerter Auftritt wie ein junges Fohlen. Auf einmal schreckte mich lockeres Lachen hoch. „Guck nicht so ernst,“ strahlte die hochschwangere Frau. „Safina, so heisst du doch. Hier findet man diesen Namen äussert selten. Lass dich lieber von Tayas fröhlichem Wesen anstecken. Geniess die freien Tage bis zur Rückkehr ins strenge Lager.“

Verblüfft sah ich ihr offen in das sonnen gebräunte Gesicht in dem die beschwerlichen Lebenserfahrungen bereits anfingen ihre Spuren tiefer zu graben. Ich nahm an das einzig die lebhaften Kinder ihre Jugendlichkeit lange erhielten. Es wunderte mich das sie das sie die hohe Anforderungen vom Lager kannte.

„Eisernes Regiment, nennen es die bestandenen Heimkehrer. Unser Nachbarsohn betonte oft, das danach alles einfacher wirke. Geradezu paradiesisch. Er hat die drei Jahre mit Auszeichnung bestanden, hat jedoch keinen Vorteil aus seinen Noten wahrgenommen. Ich frage mich ob ich je einen meiner Jungs zu ihm schicke. Eine Lehre auf einem anderen Hof fände ich praktischer für ihre Zukunft.“ Auf einmal musterte sie mich mit gänzlich anderen Augen. „Du bist doch etwas gleich alt wie Taya? Auch noch keinen festen Freund gefunden?“ Schon wieder begann das alte Thema. Verschwörerisch zwinkerte mir Taya zu. „Wer hat das schon nötig wenn man Dongard in seiner Nähe hat. Schade finde ich seine Ausbildung so anstrengend sonst hätte ich mich schon lange dafür gemeldet.“ Genau wie Bauernfrau schaute sie mich einschätzend an. Fast unmerklich ein schwaches hochheben ihrer linken Augenbrauen verriet das ausgewertete negative Resultat. Klar ihre berechtigten Zweifel. Üblicher weise unternahm Dongard eine qualifizierte Person als Begleitung mit. Sozusagen als Belohnung oder Bonus für höher ausgerichtete Ziel. Hier stand ich mit ungekämmten Haaren und mit einem Shirt das normalerweise in die Hosen gesteckt gehörte. Tatsächlich vermittelte ich kaum den Standart eines „Soldaten“ in Ausbildung. Daher ignorierte mich Taya rasch um sich häuslichen Bedürfnissen zu widmen. Schnappte sich einen Stapel von Tassen und rauschte in die Stube davon. Schätzte sie mich so gering ein? Das Gewicht einer Hand berührte meine Schultern. Ungewöhnlich das ich sie so einfach akzetierte. Die Ruhe welche die schwangere, ältere Frau ausströmte tat mir wohl. „Safina, du wirst deinen Weg auch noch finden.“

Hinter uns durchschnitt eine andere kräftige Stimme den Raum. „Ganz bestimmt. Und ich legte grossen Wert darauf das du wenigstens in der Nähre von unserem Lager bleibst,“ bestimmte Dongard überzeugt. Worauf meine nahe stehende Begleiterin unstimmig murrte, „Ich lese was anderes aus dem offenen Gesicht. Jedenfalls folgt sei keinem deiner üblichen vorgesehenen Wege.“ Unerwartet stimmte Dongard sogar zu. „Ja, Safina ist was ganz spezielles...“ bemerkte Tayas verwunderten Ausdruck. „Lass dich von ihrem schlichen Aussehen nicht täuschen.“

Kopfschütteln zählte sie das Besteck aus der Tischschublade heraus. Während mir die mehrfache Mutter einen schweren, langen Brotlaib reichte und ein gefochtenes, flaches Körbchen. „Kannst du schneiden?“

Wie ein langjähriger Kommandant nach dem gewohnten Säbel griff, packte ich das scharfe Messer. Gewohnheitsgemäss wollte Dongard in meinem Rücken folgen, doch eine uneinige Hand klatschte an seine Uniform. Hinter meinem Rücken forderte die weibliche Stimme. „Bring bitte die heisse Milch und ruf mir die Jungs zusammen. Grosse wie Kleine..Bitte?... Was!“ Unverständliches murmeln drang zu mir. Unwillig stimmte die Frau leise zu. „Wie du willst.“ Was verstörte sie?

Minuten später wusste und teilte ich ihre Bedenken. Alle sassen am Tisch, man beendete das friedliche Gebet und begann hungrig nach dem Essen zu greifen. Alle ausser mir. Vor mir dampfte eine Schüssel mit ziemlich zähflüssigem, hässlichem Haferbrei. Dementsprechend mürrisch blickte ich aus der Wäsche. Lustlos würgte ich einen Löffel hinunter. Statt süss schmeckte er sogar salzig. Jedem von uns stand eine Tasse Milch zu Verfügung. Das einzige was ich wirklich genoss. Das Brot schien wiederum rationiert und bei der Kinderreichen Familie blieben mir zwei magere Scheiben. Gelegentlich warf mir die Mutter als einzige einen besorgten Blick zu. Diesmal setzte sich Dongard durch. „Strafe muss sein und eine Woche geht auch vorbei,“ meinte er herzlos. Überhaupt war ich ihm immer noch böse wegen seinem brutalen Morgenstreich. Dass nun die Jungs über mich schadenfroh kicherte, wegen meinem öffentlichen Strafmandat verschlimmerte meine Laune um weiter eisige Grade. Viel zu lange Dauerte es bis man die Tafel aufhob. Da nützte auch der jammernde Kommentar wenig von dem sonst schweigsamen Bauer über das umgestossene Wasserfass. Anscheinend hatte die durstige Kuh einen härteren Schädel als die dicken Holzbretter.

Endlich kam der erlösende Wink fürs Aufstehen. Immer tief verstimmt fasste ich nach meinem Besteck doch die Frau winkte ab. „Nein, geh besser mit den Jungs nach draussen. Das bringt dich auf andere Gedanken.“

Dankbar ging ich langsam auf das Angebot ein. Liess mir Zeit bis die eifrige Meute draussen eine andere Beute fand und zog mich kurzerhand hinters Haus zurück.

 

Lächelnd streckte ich mich über den hölzernen Hag hinweg zu dem kleinen neugierigen Ferkel hin. Kaum grösser als der Hofhund aber doppelt so wagemutig. Stiess alle seine fünf gefleckten Geschwister auf die Seite und beschnupperte mit verträumten Ausdruck an meiner Hand. Gerade als es zuschnappte zuckte meine Finger rechtzeitig zurück. Zupfte den hungrigen Übeltäter an den hängenden Ohren. Mit einem aufgeregten Quicken galoppierte es zu seiner Familie retour. Stellte fest das die Welt unverändert blieb und trippelte erneut auf mich zu, als wollte es den Mut vor den anderen beweisen. Spielerisch vertrieben wir uns die Zeit bis einer der Bauernsöhne mich sichtete. Hänselte von anderen Zaun aus. „Sieh einer an. Ein Verwandter von dir?“

Mir war allmählich, an diesem miesen Morgen, wirklich nach Streit zumute, so ergriff ich die Provokation. „Dachte ich zuerst auch aber es hat mir eine Menge saumässige Dinge über dich verraten. Also tatsächlich...“ Ich liess meine Blick zwischen dem armen unschuldigen Schwein und dem bald armen schuldigen Schwein hin und her wandern. „Tatsächlich, ein Cousin von dir. Sie Ähnlichkeit ist verblüffend.“

Selbstverständlich schlug das ein wie ein verheerende Bombe. Deutlich zu verfolgen wie er sich gerade Gemeinheiten ausdachte. Unbekümmert versuchte ich erneut das junge, süsse Tier zu streicheln. Wobei mein wirkliches Interesse mehr dem schlammigen Boden galt. Lagerte ja das Wasserfass auf der kühleren hintern Hauswand. Direkt neben dem Schweineauslauf. Erfloss sich aber ausgiebig über den gesamten hinteren Hofplatz. So nutzte ich das Schweinchen als Tarnung um neben seinem Körper versteckt eine stinkenden, zähen Schlammklumpen in meiner Hand zu verstauen. Richtete mich so auf dass das abgewinkelte Gelenk keinen verräterischen Hinweis lieferte. Bereits wetterte der kleinere los. „Du bist selber...“ Gemächlich schlenderte ich auf ihn zu. Gerade als er Verdacht schöpfte schleuderte ich den grässlichen Matsch voll an sein Hemd. Geräuschvoll sog er die Luft ein das es klang wie bei einem Asthmaanfall. Lässig meinte ich nur. „Du siehst ihm immer ähnlicher. Und du,“ ich schnupperte auffällig in seine Richtung, „Du stinkst genauso.“

Leider ratterte er als nächstes eine vollständige Namensliste schreiend über den Hof hinaus. Lückenlos eilten seine aufgerufenen Brüder ihm zu Hilfe.

 

Dongard passte sich den gemütlichen Schritten des Bauern an. Torex erzählte ihm von einigen bedenklichen Veränderung seit dem letzten Besuch. Äusserte auch seine persönliche Abwägung über einen Wegzug. Zweifel und Hoffnung mischte sich in seinem Bericht. Vor allem hörte Dongard die Unentschlossenheit, die Unsicherheit darin heraus. Ohne zwingenden Grund änderten angewurzelte Bauern selten ihre Gewohnheiten. Einzig die diesjährige trockene Sommerhitze beschleunigte die ausgefallenen Träume.

Ausschlaggebend der Druck von Torexs Ehefrau. So wagte Dongard gar nicht erst dem sorgenden Bauern eine weitere Bedenkzeit aufzuerlegen. Lieber war ihm wenn die Familie einheitlich in Frieden wegzog als einen raspelnden Keil herauf zu beschwören. Allein die Vorstellung wie Torex mit sechs lebendigen Jungs und einem gewöhnlichen Wagen, gezogen von einer Kuh, übers Land reiste, bereitete Dongard Mitgefühl. Erst Recht als ihm sein anvertrauter Schützling verriet das ein weit entfernter Onkel bereits mit dem Aufbau eines geeignetes Farmerhaus begann. Es befand ich sogar im Zweiten Landregiment dessen reichhaltigen Ernten die höchsten Ergebnisse erzielten. Reiche, oft feuchte Erde die ein geschliffener Pflug wie ein Butterbrot durchschnitt. Während hier oft grössere Steine das sorgfältig gepflegte Eisen stumpf quetschten, oder gar splitterten.

Ein Bauer weniger bedeutete für Dongards Lager zwei fehlende Mehlsäcke die für zwei Wochen Brot reichte. Allerdings verzichtete er wegen der schlechten Ernte bereits letztes Jahr auf seinen zustehenden Anteil. Ausserdem befürchtete Dongard das Torexs Aufbruch letzten Endes andere Farmer ermutigten seinem Beispiel zu folgen. Eine unerwartete Landflucht von mehr als vier Bauern vernichtete die sichere Existenz von Dongards Lager. Zumindest in den vier schwierigen Monaten, im Winter, wo sich der Mehlverbrauch fast verdoppelte. Torex zu verlieren bedeutete für den Kommandanten einen geringen Verlust da er letzten Jahr einen neuen Farmer für seinen Tauschhandel begeisterte. Nur ein Neueinsteiger bedeutete kaum ein Vorteilhaftes Geschäft da diese gerne risikofreudig mit dem Kurspreis experimentierten. Hingegen bei langjährigen Kunden wusste Dongard genau was sie am meisten bevorzugten, schätzten und lieferte dementsprechend ohne grosse Überraschungen ausgesetzt zu sein.

Still, einsehend das sein letzter Rat längst auf die Seite gelegt worden war, schlenderte er passiv neben Torex her. Hörte sich dessen selbst eingeredeten Überzeugung an. Bis ihn aufgebrachtes Kindergeschrei ablenkte. Beunruhig später er nach vorne. Torex der den aufgeweckten Schwenker bemerkte, winkte mit abgebrühter Vatererfahrung ab. „Lass sie austoben.“

Tief beunruhigt hielt Dongard gespannt die nächste Hausecke im Visier. So erbarmte sich Torex und lenkte nachgebend seine Schritte auf den zankenden, brüllenden Haufen zu.

Abschreckend pfefferte ein plumper Dreckklumpen haarscharf an Dongards Gesicht vorbei. Deutlich roch er beim nächsten Atemzug dessen begleitete faulige Duftnote. Überlies nur zu gerne Torex den Vortritt. Bevor dieser um die Ecke schlenderte bellte er ein scharfes, „Hey!“ Sofort verstummte die randalierende Meute. Gespannt spazierten die erwachsenen auf das erstarrte Schlachtfeld zu. Auf einmal, übereifrig stellten sich die Jungs mustergütig brav in eine Reihe. Wobei sie den Grössenunterschied beachteten. Beim Anblick der Schlamm verschmierten Jungs weiteten sich selbst Dongards bewanderten Augen. Übertraf alle bisher schlimmsten Befürchtungen. Selbst dem sonst ausgeglichenen Vater verfinsterte sich der Blick. Obwohl er seine ausgelassene Bande kannte schien es ihm unmöglich seine Jungs unter der dicken klebrigen Erdmasse zu unterscheiden. Jedes Gesicht steckte hinter einer furchtbaren Masse aus nasser Erde und... er wagte kaum daran zu denken, Schweinemist. Unwohl betrachtete er das Ausmass des Schadens. Alles schien heil. Von den Knochen bis zum Schweinezaun. Angewidert rümpfte er die Nase. „Jungs,“ meinte er total ernst. „Da ihr sowieso im Fluss baden müsst, seid ihr Verantwortlich dafür das heute Nachmittag das Wasserfass wieder voll ist. Kann ich mich darauf verlassen?“

Erleichtert über die erlassene Strafpredigt dankte es ihm der Grösste mit einem lauten. „Ja, Papa!“ Worauf der nächst kleinere folgte, lückenlos. Unwohl zuckte Dongard bei einer bekannten verstellten Stimme zusammen. Doch den kleinen Unterschied schien der mehrfache Vater zu überhören. Deutete anderweilig beschäftigt auf trockene Feld hinaus. „komm das musst du dir selber ansehen,“ lachte über die anhaltende Unruhe bei seinem Begleiter. „Vergiss die ungestümen Jungs. Es wunderte mich nur das meine Tochter sich zu solchen schmutzigen Spielereien noch anstecken lässt. Sonst versucht sie immer so Erwachsen zu wirken das ich allmählich, mit Schecken, den Tag erwarte wo sie verlangt die Jungtour anzutreten. Dabei habe ich finanziell mit dem Sammeln für die Reise gar nicht vorgesorgt. Aber nachdem was ich heute sah, glaub ich das mir eine Gnadenfrist bleibt.“ Gutmütig lachte er erleichtert in sich hinein. Gezwungenermassen folgte der Kommandant seinem Beispiel. Wagte nicht die Hoffnung zu zerstören indem er Torex aufklärte das nicht Lima sondern Safina perfekt Tarnend das „Ja, Papa!“ beipflichtete. Ausgerechnet eine seiner auszubildenden „Schülerinnen“ benahm sich so kindisch. Verärgert senkte er seinen Kopf damit Torex ihm die miese Stimmung nicht ansah.

 

Träge schleppte sich das alte Fuhrwerk vorwärts. Nägel und mit ausgefransten Stricken verstärkte Verstrebungen gierten gaben bei jeder Erschütterung leicht nach. Zudem marschierte die unerfahrene Kuh ziemlich eigensinnig, unregelmässig auf dem Weg. Öfters versuchte sie ein paar auserwählte Kräuter am Wegrand aufzuschnappen. Einzig der heftige Rutenschlag auf ihre empfindliche ausstehenden Hüftknochen zwang sie ständig in Bewegung zu bleiben. Vollzählig beschlagnahmten die ungehorsamen Jungs den bequemen Luxus hinten auf dem Wagen zu sitzen. Obwohl das Oberhaupt kurz vor dem Ausflug ermahnte ja die junge Kuh zu schonen. Jetzt ratterte das träge Gespann zeitlos über den unebenen ausgewaschenen Weg. Schade das ich den Weg nicht kannte sonst hätte ich längst das Stinkende Gefährt überholt. So marschierte ich verbannt in einem gewissen Abstand hinter den schadenfreudigen Jungs her. Schwach der Trost das meine einsame Duftnote weniger lästige Fliegen anzog als die panierte Herde vor mir. Trotzdem verfolgtem mich die verschiedensten Arten. Am schlimmsten die blutgierigen Bremsen welche gemeiner weise genau die rückwärtigen Stellen an den Beinen suchten oder gar am ungünstigen Rücken. Verspätet brannte, juckte der Einstich später über grausame fünf Minuten. Wünschte mir fast das ich eine dickere Lehmschicht besass die mich schützte vor den aufdringlichen Viechern. Irgendwie getraute ich mich nicht den vorgegebenen Weg zu verlassen. Netter Weise hatte mich der Jüngste von Torex Erben gewarnt vor den verstecken Erdlöchern in denen man spielen bis zum Knie eintauchte. Hier wüteten mutierte, einstige Laborwürmer ungehindert in den Feldern. Allerdings zeigten sich diese scheuen Tiere so gut wie nie, dafür stolperte man so gut wie immer in eine der getarnten Bodenfallen. Mehr war über das ungewöhnliche Phänomen nicht zu erraten den die älteren Brüder drohten dem schwächeren mir Schweigepflicht. Verdonnerten zur Strafe den Knirps zur schweisstreibenden Arbeit als Kutscher. Sicherlich wünschten sie sich mich in einem der Löcher hilflos festgesteckt zu erleben. Diese Chance weigerte ich mich zu erfüllen. Lieber marschierte ich in sicherem Abstand hinter den Grimmassen schneidenden Bande her. Schweiss drang durch meine verstopften Poren. Verstärkten den ohnehin unerträglichen Gestank. Schlimmer noch bekam man diese eklige Masse, ohne Wasser, schwer von den Händen. Egal wo man sich kratzte verschmierte man sogar es in die Wunde. Hoffentlich verschonte mich eine Entzündung. Reichte schon die erbarmungslose Mittagshitze das ich mich schlecht und schlapp fühlte. Manchmal gab es über eine Stunde keinen Baum am Weg. Kein erlösender Schatten und wenn dann plagten bei einer Pause uns die Insekten wie eine waidwunde Beute. Ausserdem plagte mich scheusslicher Hunger was meine Erschöpfung beschleunigte. Öfters blieb ich stehen, setzte mich kurz auf die trockene Erde und wartete bis der Wagen eine gewisse Distanz erreichte. Wobei ich mich zunehmend fragte ob ich nicht den Spiess umkehren und Jagd auf Insekten... Igitt! Schnappte in der Not ein paar schlappe Zweige von einem Baum und kaute lieber die bitteren, feinen haarige Blätter. Wobei ich einen Blätterzweig verschonte, als Luftwedel. In dem Moment bedeutete der verschmähte klumpige Haferbrei vom Morgen das reinste Dessert. Vor meinen Augen flimmerte die heisse Luft. Aussergerechnet in der Mittagshitze reisten wir. Dongard wusste Bescheid über meine Lage. Warum reisten wir nicht auf seinem nachsichtigen Weg weiter. In diesem gequälten Moment beschuldigte ich ihn gerne für alle leidenden Strapazen. Stolperte verträumt über eine Steinkante. Aufschauend viel mir die weite Distanz zum Wagen auf. Ungewöhnlich zügig legte sich die Kuh ins Geschirr. Das bedeutete nur eins; wir waren am Ziel, der Fluss!

 

Enttäuscht sah ich in das halbvolle Flussbett hinunter. Kaum einen halben Meter hoch reichte der höchste Wasserstand. Im kühlen Nass zu schwimmen durfte ich getrost vergessen. Trotzdem rannten die Torexs begeistert los wie Kinder auf Disneyland. Stürzten sich auf die tiefste Stelle zu und planschten schreiend, lärmend los. Übermütig bespritzten sich die Brüder. Wobei ich mich über den unerschütterliche Familienhang wundert. Trotz kleiner Streiterein hingen schienen sie unzertrennlich. Wenn sie hier wegzogen, anderer Jungs oder gar Mädchen kennenlernten änderte das bald die wertvolle Freundschaft.

Abwartend stand ich im Schatten einer alten, knorrigen Weide. Ihre Wurzeln untergruben die trocken, sandige Ufererde denn sie präsentierte sich im saftigen Grün. Unzählige Zweige bildete richtig einen uneinsichtigen Vorhang. Staunen über diese stolze Pracht teilte ich das Blätterwerk und suchte im kühlen Inneren erst einmal Ruhe. Eine, zwei Minuten gönnte ich mir zu Erholung. Senkte meinen heftigen Herzschlag vor der Anstrengung der Tageshitze. Über mir knisterte es leise in den Zweigen, als ob ein Vogel oder ein Eichhörnchen über Rinde wanderte. Entdeckte aber im dunklen Schattendachbereich keinerlei Bewegung eines kleinen Tieres. Überhaupt sobald ich den Kopf wandte verstummte dieses Geräusch. Beobachtete mich ein einheimischer Baumbewohner? Protestierendes Muhen liess mein Mitgefühl steigern. Ungeduldig scharrte die durstige Kuh auf der unebenen Strandstelle. Auf den letzten zehn Meter zum Wasser blockierten grosse Steine die Wagenräder. Sehnsüchtig blickte das arme Tier zu dem glitzernden Wasser und warf sich vergeblich ruckweise ins Geschirr. Jemand sollte ihr die Zugriemen von der Deichsel lösen. Gerade setzte ich mich in Bewegung, teilte den Blättervorhang. Ein Schritt der mich vom angenehmen Schatten ins heisse Sonnenlicht führte. Hinter mir plumpste etwas dumpf zu Boden. Mein Gehör signalisierte das dies weder ein trockener Ast noch zu einem kleinen Tier passte sondern zu geschmeidigen, abfedernden Pfoten. Gewappnet fuhr ich herum. Entdeckte aus den Augenwinkel einen dunklen herbeiflitzenden Schatten. Scharfe Krallen streckten sich nach mir. Automatisch hob ich abwehrend den Fuss. Wuchtig knallte, küsste das schlanke Tier unfreiwillig mit der empfindlichen Schnauze meine solide Schuhsohle. Es erreichte die durchschnittliche Grösse eines Hundes, wodurch es mich mit seinem blossen Gewicht, rückwärts auf den Boden schleuderte. Angstvoll hob ich einen Faustgrossen Stein hoch und schleuderte es auf das mittlerweile leicht aus der Fassung geratene Tier. Geschmeidig sprang die gefleckte Riesenkatze zur Seite. Nutzte geschickt ihren langen Schwanz zur Balance. Wütend fauchte sie mich wegen dem verpatzten Angriff an. Stutzte. Gewahrte die erstarrte Kuh welche mit ihren kleinen Augen herüber blinzelten. Am meisten faszinierte der hungrige jedoch die schreienden, abgelenkten Kinder. Sprintete unentschlossen los. Brüllend stiess die Panik ergriffene Kuh rückwärts an den Wagen. Zitternd knirschte die rostige Achse. Doch der Wagen hielt dem Druck stand. Rasch begriff die Kuh ihre heikle Lage und schüttelte wild, drohend ihren mit Hörner bestückten Kopf. Was die wachsame Katze zur Kenntnis nahm. Unsicher pendelte ihr kleiner Kopf zwischen dem bekannten Fleischberg und den mittlerweile kreischenden Jungs hin und her. Von wegen Katzen sind wasserscheu. Dieses wohl kaum ausgehungerte Exemplar stürzte sich wie ein kräftiger Tiger in den Fluss. Diesmal reagierte ihre anvisierte Beute wie erwünscht. Schreiend rannten die Brüder Flussabwärts. Wobei der fünfjährige heftig mit der Kraft der Strömung kämpfte die ihn öfters von den Beinen riss. Also versuchte er gegen alle Vernunft sein Heil lieber an Land. Entsetzt rannte ich los wie nie zuvor in meinem Leben. Geschwächt reichte meine kraft niemals also schrie ich mit Leibeskräften los. Über fünfzig Meter trennen mich von dem jüngsten Spross. Sein ängstliches Kreischen endete als ihn die Katze mit einem gezielten prankenhieb von den Beinen riss. Einzig weil er mit seiner minderen Grösse komplett untertauchte rettete es ihn vor dem tödlichen Nackenbiss. Wütend über meine Ohnmacht schleuderte ich einen weiteren Stein. Ungezielt plumpste er meterweit von Ziel entfernt in den Fluss. Reichte höchsten das die Katze kurz abgelenkt herum spähte. Dann packten ihre Fangzähne nach dem zappelnden Opfer. An einem Hosenbein zog sie ihn in seichte Ufer. Hielt auf einmal ihre Nase hoch. Wohl mein durchdringender Gestank warnte sie. Zusammenzuckend verharrte sie in ihrer lauernden Position. Schien in keiner Weise beunruhigt, eher unentschlossen. Gerade als der Junge wieder mit den Beinen strampelte packten ihre geifernden Reisszähne verheerend zu. Zehn trennende Meter. Mir platzten gleich die Lungen. Schweiss tropfte von meinem Gesicht. Packte einen weiteren Stein. Mahnte mich zur Ruhe und schleuderte Konzentriert mit der Gewissheit eines alten Jägers dass der Schuss traf bevor er an den abgelenkten Kopf eindellte. Knallte geradewegs an eines der kleinen Ohren. Taumelnd sank die Katze auf die Seite. Schüttelte ihren brummenden Schädel, den stechenden Schmerz von ihrem Ohr beschäftigte sie eine wertvolle Sekunde. Zeit welche ich nutzte vom angeschwemmten Strandgut einen dicken Ast zu ergreifen. Schleuderte ihn auf ihren stabilen Rücken. Trockenes Holz splitterte. Sie fauchte, versuchte sich von dem hängenden Gewicht zu befreien. Biss, kratzte nach dem vermeidlichen Feind aus Holz. Wuchtig hämmerte ich einen zweiten Ast in ihr gebeugtes kurzes Genick. Doppelt krachte es. Holz wie Knochen splitterten. Endlich brach sie zusammen.

Mein zittern stand dem ihrer zuckenden Nerven in nichts nach. Für einen Moment reagiert keiner meiner Körperfunktionen. Alles stand still. Erst das Stöhnen des Jungen erlöste mich. Wo war der Rest... Irgendwo in der Ferne rannten die älteren Brüder nach Hause.

Geweitete Augen starrten mich aus dem kindlichen Gesicht an als ob ich mich eben in das Ungeheuer verwandelte. Verlegen betrachtete ich seine blutende Wade. Jetzt wo er halb im Wasser lag blutete es saumässig. Wobei ich mich an Maxims Lehrerworte erinnerte; lieber ein bisschen Blut zu verlieren als eine Blutvergiftung einfangen. Ein halber Zentimeter tiefer Schnitt von mindestens zehn Zentimeter Länge. Ratlos hielt ich ihm das Bein hoch. Nach wenigen Sekunden verringerte sich der Blutverlust. Still musterte ich den keuchenden Jungen. Allmählich beruhigten sich seine Nerven. Was ich mich beschäftigte, „Wie bringe ich dich zum Wagen?“

Betroffene Augen signalisierten leichte Verstimmung. „Ich heisse Leon,“ stellte er klar.

Darauf versuchte ich einen unschuldigen Ausdruck aufzusetzen. „Sorry, ich habe ein schlechtes Namensgedächtnis.“

Ohne Scheu rümpfte er sichtlich die Nase. „Und wie hast du die Aufnahmeprüfung ins Lager geschafft?“ Wunderte er sich direkt.

Diesmal rümpfte ich einseitig die Nase. „Weil ich mich durch Schummeln verpflichtet habe. Anfangs habe ich gar nicht gewusst wo ich gelandet bin und später hat Dongard auf das Einhalten meines Wortes bestanden. Also kannst du aufstehen?“

Kräftig gestützt durch meine Hand, stellte er sich unsicher auf das gesunde Bein. „du musst mich tragen,“ wagte er ziemlich leise seine Forderung zu äussern. Ziemlich entsetzt musterte ich den kleinen Kerl. Schätzte ihn aber sicher zwischen dreissig bis Fünfzig Kilo. Meine besorgten Augen wanderte zu der wartenden Kuh. Wenn ich sie ausspannte? Sachtes Zupfen verschaffte sich Aufmerksamkeit. „Safina, wenn du dich leicht vorbeugst, springe ich dir auf den Rücken. Bei meinen Brüdern funktioniert das auch immer wenn ich über müde Beine klage.“ Misstrauisch beobachtet ich genau seine folgende Reaktion. „Wie oft hast du sie dabei simuliert?“

Übertrieben spielte er schockierte. Aha! Ertappte ich den harmlosen Sünder. Entfernte schwache Rufe lenkten mich ab. Besorgte Stimmen riefen nach ihrem zurückgelassenen Bruder. Verstimmt tat ich meinem Ärger Luft. „Reichlich spät!“

„Nein,“ verteidigte Leon seine Brüder. „Vorwürfe sind unangebracht. Letztes Jahr hat eine Baumkatze zwei ältere Söhne umgebracht. Zwei kräftige Söhne. Einzig der Umstand das hier eine junge Baumkatze angegriffen hat rettete uns. Ausgewachsene Exemplare töteten in der Regel zuerst die grösste Beute und danach die schwachen Opfer. Am ersten Fang essen sie sich satt und verstecken die kleinere Beute als Vorrat. Darum sind Baumkatzen kaum auszurotten. Tagelang verstecken sie sich mit dem erbeuteten Vorrat. Einem Schäfer entführten sie über Nacht sieben Schafe. Als der Hund endlich Alarm bellte, griff die furchtlose Katze sogar ihn an. Acht Tiere in einer Nacht. Aufgebrachte Leute im Dorf suchten über einen Monat ihre umliegenden Hügel ab. Wachposten kontrollierten Tag und Nacht, vergeblich. Zufällig entdeckt man bei der Feldernte den gegrabenen Erdtunnel in unmittelbarer Nähe des Dorfes. Ausserhalb der Region hätte man sie nie aufgespürt. Ihre Taktik ist brutal aber sehr erfolgreich. Und sie schrecken nicht zurück einen Menschen anzugreifen. Also trifft meine Brüder nicht die geringste Schuld. Hey!“ Sein Ruf hallte über den ausgetrockneten Schilfgürtel hinter uns hinaus. In wenigen Sekunden fanden uns die überaus schnellen Brüder. Achtsam spähten sie zuerst das steinige Flußbett ab. Dann traten alle entschlossen, mit einem Stock in den Händen, heran. Angewidert stieß der Größte der Bande mit einem Schuh an den leblosen Katzenkadaver. „Haben noch mal Glück gehabt. Ein Jungtier. Und wie geht’s dir Leon?“ In seiner harten Stimme nicht das geringste Mitgefühl. Nur seine blauen Augen verrieten die verbogene Sorge. Besonders als er das blutende Bein bemerkte. Bot Leon gleich seine Rückseite ein. Mit einem Bein hüpfte der Jüngere hoch. Kaum hielt ihn der Ältere an den Oberschenkel fest wimmerte Leon leise. Besorgte meine ich. „Sollte wir nicht erst seine Wunde verbinden?“

„Verstehst du was davon?“ fragte mich einer. Bedauernd sah ich gegen seine Verteidigung. „Nein,“ gestand ich ehrlich. „ich habe es vergessen. Es liegen Jahre zurück seit ich einen Nothelferkurs belegte.“

Mehrere vorwurfsvolle Blick klagten mich an. Kopfschütteln stampfte das Oberhaupt zum Wagen. Einer der Kleineren ungläubig. „Vergessen. Du hast das kostbare Wissen übers Heilen vergessen?“

Aufgebend senkte ich meine Schultern. „Ja, der damalige Kurs dauerte nur eine Woche. Danach fand meine Kenntnisse nie Anwendung. Wozu sollte ich nachlesen wie das funktioniert...“ Harte Augen zwangen mich zu schweigen. Mal ehrlich. Wer wusste von verjährten Kurs noch genau wie man einen Druckverband anlegte? Die Fahrprüfung selber fing ich gar nicht mehr an. In meiner Welt genügte ein kurzer Anruf übers verbreitete Natel, schon raste der Notfalldienst heran oder gab zumindest Hinweise über erste Versorgungshilfe. Hier fühlte ich mich wissend und dumm zugleich. Ein Junge bemängelte enttäuscht. „Du hast lesen gelernt, versäumst es aber die Gabe einzusetzen. Hab ich das richtig verstanden?“

Langsam wurde es mir unheimlich. Winkte energisch mit den Händen ab. „Nein. Ich kann einfach nicht mit einer schweren, unhandlichen Bibliothek herumspazieren. Ausserdem ist es ein bedeutender Unterschied zu Wissen und es tatsächlich Umzusetzen. Bücher über Operationen gibt es viele, aber wer hat die Nerven mit einem Messer die Haut aufzuschneiden? Wer riskiert die Entscheidung über Leben und Tod zu tragen? Schaffst du es vielleicht mit Nadel und Faden an dem Bein deines Bruders die Wunde zu nähen?“

Endlich verscheuchte ich die bitteren Vorurteile. „Siehst du, meine Hände würden genau so zittern wie deine? Ausserdem kann ich keinem Menschen Wehtun, es sei denn er bedroht mich.“

Scheel sah mich der Bruder von der Seite an. Seine vorausgeeilten gesunden Verwandten schnappten sich hinten im Wagen einen Eimer und rannten los um eilig das Faß zu aufzufüllen. Als wir zwei Nachzügler den Wagen erreichten sprintete einer schon zum zweiten Mal zum Fluß. Beim Rückweg stoppte er erschöpft. Seine feuchten dunkelblonden Haare klebten ungeachtet in seinem Gesicht. Eben wollte ich nach seinem vollem Eimer greifen. Da stößt er mich grob auf die Seite. „Steh mir nicht im Weg!“ Obwohl er in seiner ungeschickten Hast fast die Hälfte vom Wasser, über den steinigen Weg, verschüttet, wollte er um keinen Preis zulassen dass ihm eine junge Frau half. Verdrossen riß er sich zusammen, kämpfte gegen seine Schwäche an. Hinter mir keuchte jemand. „Safina, geh dich lieber mal waschen. Das hier ist Männer Sache.“ Einer befreite, mit geschickten Händen die Kuh aus dem schweiß getränkten Ledergeschirr. Hastig stürmte das durstige Tier erlöst davon. Raste an mir vorbei. Bemerkte rasch das Wasser in der Flußmitte besser schmeckte als die verdünnte Brühe von meiner Geschmacksrichtung. Gierig schlürfte sie in lauten Zügen. Bedenken stiegen mir hoch. „laßt sie nicht zu schnell trinken sonst wird sie auf dem Rückweg träge. Das wirkt sich nachteilig für den Kreislauf aus...“ Keiner beachtete mich. So setzte ich mich voll ins Kühle naß. Fast du kalt für meinen schwitzenden Körper. Obwohl der flache Fluß sich in der Hitze leicht erwärmte vertrieb die starke Strömung die angenehme Temperatur. Endlich schrie eine autoritäre Stimme. „Bringt endlich die Kuh heran, sie sauft sich ja zu voll!“

Interesselos beobachtete ich die eifrigen Jungs. Auf einmal wie ausgewechselt arbeiteten sie wie aufgedrehte Ameisen. Obwohl ihre Bewegungen leichte Müdigkeit behinderte, saß jeder Handgriff. Keiner schien meine Anwesenheit wahrzunehmen. Wie eine geschlossene Gesellschaft. War mir auch Recht.

Nach fünf Minuten durchschnitt ein scharfer Ruf das Rauschen des Flusses. Ratternde Räder schreckten mich aus meinem entspannten kühlen Bad hoch. Bereits sah ich die Rückseite vom Wagen entschwinden. Alle fünf Jungs schoben tatkräftig zur Unterstützung vom Boden aus das schwere Gefährt den Uferrand hoch. Da es niemand nötig hielt mir zu rufen, beschloß ich meine nette Pause zu verlängern. Im kühleren Abendluft wanderte es sich eh leichter. Bei den schweren Wagenspuren fand ich den Weg kinderleicht zurück. Genoss die sommerliche Stimmung. Das zirpen der Grillen um hohen Gras. Schwerer aromatisierter Duft unbekannter Blüten.

Erlöst kratzte ich meine juckenden Stichwunden. Kühlte die geröteten Stellen mit kühlem Wasser. Trotz ausgelassener Körperpflege horchte ich wachsam. Gelegentlich flatterten kleine Vögel durchs Gras. Jagten nach springenden Heuschrecken und bunten Käfer. Schade besaß ich keine glitzernde Folie mit mir und die Schnur. Zu gerne hätte ich meinen ewigen Hunger ebenfalls gedeckt. Ob Heuschrecken schmeckten? In China galten sie geröstet als Delikatesse und hier? Träge erhob ich mich aus dem kühlen Naß. Alles, selbst jeder Körperteil wog auf einmal doppelt so viel. Gebratene Heuschrecken? Allein der verlockende Gedanke genügte das mein Speichel im Mund floß. Auf einmal meldete sich mein Hunger verstärkt. Automatisch, ohne Nachzudenken fiel mein Blick auf die Baumkatze. Ha, ich verschwende doch kein Fleisch! Mit neuer Kraft spaziere ich zu meiner alten Beute. Unappetitliche Fliegen schmatzen ihr bereits in kurzhaarigen Gesicht herum. Fleisch ist bei der Sommerhitze rasch verderblich. Bandwürmer wollte ich auf keinen Fall als Untermieter dienen. Feuer? Strandgut! Es dauerte eine Weile bis ich eine Glasscherbe in dem Wasser fand. Sie glich einem durchsichtigen, grünlichen Stein dessen Kanten sich im Lauf der Jahre abschliffen. Dennoch in der Mitte klar, deutlich das Licht bündelte. Experimentierte ein paar Minuten bis ich erfolgreich ein Feuer entzündete. Dafür dauerte es für mein Zeitgefühl ewig bis die ersten Gluten eine unerträgliche Hitze ausströmten. Mit einem scharfen Stein säbelte ich einen Hinterlauf der Katze weg. Der allein wog mindestens ein Kilo. Genug um mich einmal richtig Satt zu essen. Diesmal hinderte mich kein Dongard an meinem verdienten Glück. Mit den erweiterten Schatten des anbrechenden Abend beeilte ich mich. Deckte mit ein paar Steinen die restlichen glimmende Kohle sorgfältig zu. Bei der anhaltenden Trockenheit wolle ich einen Wiesenbrand vermeiden. Packte die restliche Katze und warf sie mir über die Schultern. Längst entfernte ich ihre üblen Eingeweide damit ich auch weniger Gewicht nach Hause schleppte. Trotz der guten aber leider faden Mahlzeit fühlte ich mich alles andere als fitt. Eher schlapp und Müde. Das lange Sonnenbad verstärkte meine Kopfschmerzen. Gemütlich setzte ich mich die müden Beine in Bewegung. Verdorrtes Gras knisterte unter meinen Sohlen. Folgte mit halb geschlossenen Augen den eingedrückten Wagenspuren.

 

Grausilbrig formten sich in der hellen Mondnacht die Gewitterwolken zusammen. Deutlich spürbar die geladene Elektrizität in der schwirrenden Luft. Der Machtkampf der luftigen Giganten im vollen stillen Gange. Stumme Blitze zuckten in der Ferne. Schienen den dunklen Erdboden nie zu erreichen. Der brodelnde Himmel bildete eine geschlossen Gesellschaft. Warmer Wind schenkte einem keinem Frieden. Gewährte dafür gelegentlich einen Blick, zwischen den eilenden Wolken, zu den Sternen. Spendete mir eine schwachen Trost den ich fürchtete mich gewaltig vor Gewitter. Solange sich die Wolkendecke nicht ganz schloß, siegte meine schwache Hoffnung rechtzeitig den sicheren Hof zu erreichen bevor der wahre Himmelkrieg loswetterte. Öfters zitterte der Boden unter meinen Füssen. Überall schienen Käfer über den Weg zu wandern. Wie bei Schneckenhäuser knackte unstabilen Panzer unter meinen Sohlen. Tanzende Fledermäuse sammelten die einfache krabbelnde Beute auf dem Boden ein. Einmal dachte ich es sei ein großer Stein mitten im Weg. Als ich ihn sachte, neugierig anstieß rollte er sich grunzend zu einer Kugel zusammen. Erschrocken vor einem harmlosen Igel flüchtete ich bis auf einen sicheren Abstand. Wartete bis sich mein nervöser Atem beruhigte. Achtete wieder verstärkt auf die unzähligen seltsamen Geräusche. Niemand schien zu schlafen. Fürchterliche Tageshitze veranlaßte die Tiere erst in der Nacht aktiv die Nahrungssuche zu starten. Zu meinem Nachteil. Verstärkte mein Bewußtsein das ich so wenig über diese Welt wusste. Gab es andere gefährliche Raubtiere von denen mir Maximilian nicht erzählte weil sie zum damaligen Zeitpunkt nicht zum aktuellen Unterricht gehörten? Trotz der schwülen Wärme zitterte ich. Drücke das flauschige Fell der Katze dichter um meinen Hals. Hoffentlich zog ihr offener Fleischgeruch nicht andere hungrige Jäger heran. Oder stand mir ein anderer Überfall bevor? Aus Distanz näherten sich galoppierende Hufe. Coumen oder andere düstere Gestalten? Hastig suchte ich bereits einen günstigen Busch der etwas abseits von Weg wucherte. Duckte mich nahe an das dornige Gestrüpp und hoffte das eilende Tier versäumte es auf meinen strengen Körpergeruch zu reagieren. Verräterisch streifte der Sommerwind meinen Rücken.

Regelmäßig donnerten die Hufe. Nach der schwindenden Distanz und Größe des Schattens der bei den gelegentlichen Blitzen sich klar offenbarte, handelte es sich eindeutig um einen Dulie. Ganz klar, dass mein besorgter Chef nach mir suchte. Selbst ohne die Blitzbeleuchtung erkannte ich den hellen Schimmer des Duliefelles. Erleichtert stemmte ich mich auf die Beine. Beim bloßen Betrachten der Gestalt viel mir auf wie merkwürdig vorsichtig der Dulie galoppierte. Etwas paßte nicht in mein erwartetes Bild. Ausserdem... der Reiter... zwanzig Meter entfernt... seltsames Gebilde hinten auf seinem Rücken. Wie ein Rucksack ähnlicher Korb. Keinesfalls näherte sich Dongard sondern ein Fremder. Hastig nutzte ich einen dunklen Moment um nieder zu kauern. Sofern der Fremde seine Aufmerksamkeit auf den undeutlichen Weg richtete entdeckte das verschwinden eines abseitigen Schatten wohl kaum. Zehn Meter, fünf... Unvermindert seine drosselnde Geschwindigkeit. Unruhig warf der Dulie den Kopf nach oben. An seiner regelmäßigen Galoppade war kein Unterschied zu vernehmen. Höchstens ein grollendes, kurzes Schnauben verriet seine stetige Wachsamkeit. In Folge verkürzte der Reiter sofort die Zügel. Beruhigend redete er seinem Dulie leise zu. Betend hoffte ich dass dieser unbekannte Kommandant ja verschwinden möge ohne der Warnung auf den Grund zu gehen. In dem entscheidenden Augenblick drehte der unbeständige Wind. Klar setzte das Trampeln der Hufe aus. Im weiten Bogen spickte der erfahrene Dulie von dem verhaßten Geruch der Baumkatze weg. Geschickt hielt sich der Reiter, nach der heftigen Überreaktion, im Sattel. Tätschelte lobend sein wachsames Tier. Dann überraschte mich seine laute, selbstbewusste Stimme. „Wer ist da?“ Entschlossenheit, Hartnäckigkeit genau wie bei Dongard Kommando. Was mich zögern ließ war weniger der Rüde, unwillkommene Ruf sondern eher die Tatsache dass ich am Unterschied zweifelte ob es nun eine Frau oder Mann sei.

„Jemand ist doch hier in der Nähe. Ich bin Kommandant des Außendienstes. Kann ich helfen?“ Sein harter Ton bewirkte eine Gegensätzliche Reaktion seines verlockenden Angebot. Bei meiner Angst alleine in einer Gewitternacht zu reisen, wäre ich gerne auf ihn losegestürzt und hätte mich gerne unterstützend an ihn geklammert. Unentschlossen presste ich meine Lippen zusammen. Hoffte das er verschwand bevor mein Entscheidung umkippte.

Milde sprach zu seinem aufgeregten Dulie, „Komm, wir haben genug Problem. Gehen wir.“

Ein Hauch der Erkenntnis durchflutete mich. Leiser Dialekt in der Stimme entfachte Erinnerungen an eine frühere Bekanntschaft. Neugierig stand ich auf. Dunkelheit verschluckte mich völlig. Dann tat ich etwas höchst untypisches selbst für einen Menschen. Obwohl mich ca. fünf Meter von dem Gespann trennte schnupperte ich in den Wind. Zugegeben ich hab ein schlechtes Namens Gedächtnis. Genauso wie mir schwerfällt Gesichter denen ich zwei, drei Mal begegnete wieder zu erkennen. Unschlagbar dafür mein Geruchssinn. Dieser herbe, leicht süßliche Duft. Unsicher wagte ich mich zu melden. „Bin ich hier Richtig auf dem Weg zu Torexs Hof?“ Fragte ich unbekümmert höflich wie in unschuldiges Mädchen.

Das zappeln des Dulies verstummte. „Was machst jemand wie du um diese spähte Uhrzeit draußen?“ „Hab mich beim Jagen verspätet. Und jetzt vermindert diese schwere Baumkatze mein Weiterkommen. Und du?“ Fragte ich unüberlegt direkt.

„Du... dein unverkennbarer frecher Ton gegenüber einem Kommandanten erinnert mich an jemanden. Sogar wie du deine Worte betonst, bist du eindeutlich nicht in diesem Bezirk heimisch.“

„Damar?“ Versuchte ich mein Glück.

Zischend entfuhr ihr ein unbeherrschter Fluch, den ich zum Glück nicht verstand. Ihr klingelte genau wer neben ihr stand. „Die kleine mit den roten Haaren!“

Glücklich lachte ich erlöst auf. Endlich mal jemand den auch Namenslücken plagten. Ziemlich erleichtert begrüßte ich ihre liebsame Bekannte. „Kommandant Damar,“ hauchte ich dementsprechend befreit von meinen Ängsten. Erinnerte mich deutlich an die groß gewachsene blonde Frau mit den verwechselbaren Gesichtzügen eines hübschen Mannes. Ihr entschlossenes Auftreten das dem Dongards so ähnelte und ich schätzte auch neben ihrem gesunden Selbstbewußtsein gerade jetzt ihre kämpferischen Eigenschaften. Bei ihr war ich überall Sicher. „ich bin es, Safina!“ Half ich ihr nach.

Es klang mürrisch. „Safina. Was machst du so weit vom Lager weg?“ Kam zu einem hoffnungsvollen Urteil. „Wohl wieder mal auf der Flucht?“

Freute sie es dass ich den Schutz von Dongard verließ? Sonderbar, das paßte so gar nicht zu ihrem korrekten Verhalten. Aber ich beschloß, dankbar für ihre Anwesenheit, das zu ignorieren. Gelbgrau leuchtete der Horizont im Blitzlicht. Da merkte ich das sie ihren geflochtenen Korb nach vorne Verschob. Streckte mir ihre kräftige Hand entgegen. Gerade wollte ich zupacken da sprang der Dulie gereizt auf die Seite. „Safina, was genau hast du da über deinen Schultern,“ bemerkte sie mit zunehmender Sorge.

„Eine Baumkatze,“ verkündete ich stolz.

„Was willst du mit diesem wertlosen Kadaver anfangen?“ Zerbrösmelte sie meinen Stolz.

„Na essen! Einen Teil hab..“ „Bist du wahnsinnig!“ Aufgebracht viel sie mir ins Wort. „Hast du eine Ahnung wie viele Würmer dieses verdorbene Fleisch beherbergt. Baumkatzen fressen viele Mistvögel. Wenn du ein Stück Fleisch nicht ganz gar brätst hast du Hunderte Würmer im Bauch die dich langsam von innen auffressen!“

„Oh, Gott,“ entfuhr es mir ziemlich bleich. „Warum fühle ich mich nur zum Kotzen?“

„OH, Mann!“ sie mit schlimmen Befürchtungen. „Erledige das bevor du aufsteigst und wirf endlich das verseuchte Fleisch weg.“

Selbst beim anstrengenden Kugelstoßen warf ich nie so erfolgreich wie heute. Angewidert schleuderte ich die vermeidliche Beute weit weg. Beugte mich von Damar abgewandt neben einen Busch.

„hey, Dein Freund, der Jäger, kennt bestimmt ein paar geeignete Kräuter die Übelkeit hervorrufen. Wo steckt er überhaupt. Er soll mich ja nicht überraschend anspringen!“

Einfach halber steckte ich mir einen Finger in den Hals. Innert kürze würgte ich den sauren Inhalt hoch. Scheußlich brannte meine Kehle.

Verwundert meinte sie, „Das ging aber schnell.“

„Ein übles Anhängsel aus meiner ungeliebten Kindheit. Wenn man sich gestresst fühlt isst man zuviel süßes. Damit man nicht zu Dick wird, erleichtert man sich mit erzwungenem Kotzen. Und manchmal entspringt was gutes aus dieser Angelegenheit. Wie gerade jetzt. Ich fürchte nur das in den letzten Stunden einiges bereits Verdaut ist. Dongard hat mich nämlich auf Diät gesetzt.“ „Blöder Zeitpunkt,“ bestätigte sie meine düstere Vorahnung. „Wie weit ist Kommandant Dongard entfernt?“

Mir fiel ihre respektvolle Anredung auf. Dabei waren sie und Dongard die engsten Freunde. Wozu die korrekte, langatmige Version?

„Bei der Torexfarm,“ keuchte ich erschöpft und würgte den gänzlichen bitteren Rest heraus. Mehr Reizung im hinteren Gaumenbereich, und die Därme kehrten sich nach oben.

„Gut, dann bring ich dich hin. Komm das reicht! Steig auf!“

Zuerst nahm ich staubige Erde in die feuchten Hände um sie damit abzureiben. Wischte den feuchten Staub mit einem Taschentuch ab. Was anderes blieb mir in einer Wasserarmen Gegend wohl kaum übrig. Gekonnt zog mich Damar sicher hinter den Sattel hoch. Bei ihr kannte ich keine Hemmungen sie um die schlanke Taille anzufassen. Trocken lachte sie auf. „Hey, Schätzchen du darfst ruhig ein bißchen zärtlicher sein,“ sagte sie in Erinnerung an unseren gemeinsamen Kuß. Letzten Jahres rettete sie mich vor einer aufdringlichen Anmache, eines frechen Kommandanten, indem sie behauptete dass ich ihre intime Freundin sei. Zur Bestätigung küßte sie mich. Daran wollte ich gar nicht denken. Obwohl sie hervorragend küßte so wie... Wagte Dongard so eine Täuschung durchzuführen oder nur ein irrer Wunschtraum der aus dem unerforschten Unterbewußtsein empor stieg. Es gab mir zu denken. Ihre günstige Anwesenheit hieß es auszunutzen. Da sie bewußt sachte ritt konnten wir uns gut unterhalten. „Maximilian hat mich verlassen,“ begann ich zu erzählen. Sie quittierte es mit einem wenig erstaunten; „Aha.“

Unsicher wie ich anfangen sollte begann ich unentschlossen. „Darf ich dich was persönliches fragen?“

„Mhm,“ kaum es aufgeweckt interessiert. „Solange es nicht etwas über meine vertrauliche Mission ist, verrate ich dir vieles. Du hast also ein Problem?“

„Glaub ich eher weniger. Aber mich nimmt was speziell Wunder von dem ich zufällig weiß das du bereits Erfahrung hast.“

„Erschreck mich ja nicht mit irgendeinem Unsinn. Vielleicht ist es besser wenn du Dongard zuerst befragst. Sein gebildetes Wissen übersteigt weit das meine und er versteht es überaus taktvoll heikle Themen zu erörtern.“ „Hey,“ ich klopfte ihr leicht mit der offen Handfläche über den abgedeckten Bauch. Gegenüber dem letzten Jahr aß sie enorme Reserven an. Dabei erinnerte ich mich mit einem gewissen Neid an den damaligen perfekten, schlanken Körper. Demnach besaß sie auch eine Nachbeteiligte Schwäche. Traktvoll verschwieg ich die Bemerkung und wollte endlich die Wahrheit lüften. „Es geht gerade um Dongard. Letztes Jahr da...“ durfte ich sie über die persönliche Nacht ausfragen? Peinlich berührt holte ich Luft als sie gespannt den Dulie anhielt. Verdächtigte ihn, „Er hat also mit dir geschlafen!“ „Nein, es... Gestern Nacht träumte ich von meinem Freund Maxim.“ „Ahh,“ betonte sie vielsagend in bezug auf erotische Träume.

„Ja, ja,“ bestätigte ich widerwillig ihre direkte Vermutung. „Auf einmal hat sich der Traum jedoch unerklärlich verändert. Dabei kenne ich meine ziemlich realistischen Träume. Dieser überstieg bisher alles dagewesene und ich frage mich ob Dongard auf eine Weise manipuliert hat.“

„Schätzchen,“ meinte sie schonungslos, „Dongard hat so was gar nicht nötig. Das weißt du sicher selbst schon.“

Nachdenklich versuchte ich mich an jenen entscheidenden Moment zu erinnern. „Obwohl ich aufwachen wollte, dauerte es Minuten bis mein Wille reagierte. Etwas blockierte den mein Denken. Diese störende Verwirrung verfolgte mich selbst nach dem öffnen der Augen. Normal ist doch das man gleich Aufwacht sobald man feststellt das etwas nicht stimmt. Jedenfalls küßt Maximilian eindeutig anders. Hast du jemals in den Träumen einen vertrauten Geruch wahrgenommen...“

„Vielleicht wollte er dich einfach Trösten. Vorher träumtest du automatisch von Maximilian geträumt und er versuchte dir den schmerzlichen Verlust zu lindern.“

„Das betrachte ich als Teilgeständnis das die Möglichkeit einer Manipulation besteht.“

„Mhm,“ murrte sie unwillig. Drückte die Fersen tiefer in die Dulieflanken, dass er munter vorwärts trabte. „Sehr wahrscheinlich,“ verbesserte sie. „Er wird seine wichtigen Gründe haben das er das mit dir durchzieht. So einfach verwöhnt er einem mit der speziellen Melfengabe nämlich nicht.“

„Verwöhnen nennst du diesen eingeschlichenen Traum? Dieses kurze Zeitspanne, der perfekte Moment des zusammen sein, verstärkte, erneuerte die Sehnsucht nach meinem verlorenen Freund. Dabei gewöhnte ich mich langsam daran das ich ihn nie mehr wiedersehe. Jetzt verfolgt mich all die schönen Erinnerungen erneut und lassen mich abermals wissen was mir fehlt. Es ist genau so schlimm wie am Anfang meiner Rückkehr. Seit kurzem weiß ich sogar das Maximilian noch lebt, obwohl ihn alle für Tod hielten. Jetzt läßt mir die Ungewißheit kaum einen ruhigen Moment. Im Gegenteil, ich fürchte mich vor den ruhigen Minuten, denn dann steigen die alten Erinnerungen hoch und ich kaue die verschiedenen Varianten der Schicksalsschläge durch. Suche nach einer vernünftigen Erklärung die Fehler meinerseits außchließt.“

Donner grollte weit in der Ferne. Damar versicherte mir mit Nachdruck. „Der Rückzug in dein Land war die einzige Lösung um die übersinnlichen Verfolger zu besänftigen. Was anderes hätte deine Verhaftung nur hinaus gezögert. Laut Insider Information sollen einen Monat später ein paar wichtige Seher, an der Grenze von Dongards Reich, gesichtet worden sein. Sie haben sich nicht näher heran gewagt das sonst offene Anschuldigung an Dongars Loyalität, zum König, zu einer öffentlichen Untersuchung geführt hätten. Um einen Prozeß unbeschadet zu überstehen, dazu fehlten ihn aber die nötigen Beweise. Zum Glück für alle deine Helfer, warst du unerreichbar weit weg sonst...“

Sie vollführte eine rückwärtige Armbewegung. Kalte Finger drückten meinen schmalen Hals spielerisch. Überzeugt versicherte sie mir. „Das ist noch die nachsichtige Variante. Bei deinem langen Strafregister, angefangen mit harmloser, gemeinen Täuschung bis hin zum unverzeihlichen Diebstahl königlichen Eigentums, das genügt um dich ohne Gerichtsverhandlung direkt in die brutale Arena zu verknacken. Dort gebe ich dir höchsten zwei Tage bis dein Verstand restlos gebrochen ist.“

Daran zweifelte ich, „Zwei Tage?“

„Oh, ja. Unfreiwillige Vereinigung sind langweiliger Alltag,“ verschönerte sie den Ausdruck Vergewaltigung. Weit mehr beeindruckte die Aussage. „Die quälen dich mit richtigen Tieren und wenn Zähigkeit zu deinen guten Eigenschaften zählt, erfüllst du damit ihnen einen Gefallen.“ Sie dachte kurz nach. Ihre Stimme Gefühlsvoll von Respekt, Furcht, Warnend. „Einmal, gab es eine unbeugsame Frau die wahrhaftig an ihrer Unschuld festklammerte. Nach einem wahnsinnigen Foltertag hat sie alles mit ihrem harten Stolz alle überstanden und stand siegessicher auf dem sandigen Platz. Ich vergesse niemals ihren herausfordernden Schrei. IST DAS ALLES! Hat sie störrisch zum König hinauf gerufen.

Ohne eine geheime Absprache ist ein eher kleiner, aber reinrassiger Melf hinter ihr aufgetreten. Dieser gefallene Mistkerl sieht auf seine heimtückische Weise attraktiv und harmlos aus. Die Arena hortet vor allem Mörder. Unverbesserliche Diebe überleben ziemlich kurzeitig.

Eine schichte Handbewegung reichte um diese Frau dermaßen zu manipulieren das sie kurze Zeit später am Boden zitterte. Davon hat sie sich nie wieder erholt.

Sei dankbar das du vor dieser Strafe verschont bliebst. Du hast zwar mit deinem Rückzug eine unersetzbare Freundschaft verloren, dennoch hast du unermeßlich Gewonnen. Das mag jetzt hart und Unverständlich sein, aber glaub mir, nichts ist mit der grausamen Arena zu Vergleichen. Genies die süße Erinnerung an deinen Geliebten, die kann dir keiner nehmen, aber Trauere und Zweifel ihr nicht nach. Maxim ist fähig genug dich zu finden sollte er weiter Kontakt wünschen. Da er es nichts dergleichen unternimmt, betrachte es als beschlossenes Schicksal. Finde, ertaste deinen neuen Weg. Langsam dafür sicher.“

„Ja, aber hoffentlich ohne Dongards Einmischung. Manchmal habe ich das Gefühl das er mich regelrecht vorwärts schubst. Letzthin verriet er mir sogar das er mich gerne als stellvertretender Kommandant sehen ...“

Heiter prustete Damar los. Versuchte ihr aufsteigendes Lachen zu unterdrücken. „Ich versuche mir gerade dich in perfekter Uniform und strengem Blick vorzustellen.“ Dachte wohl ich fasse ihr Lachen als Beleidigung auf und versuchte abzulenken. Wobei ich jedoch ihrer Vorstellung folgte und heiter zustimme. „Genau, ich bin da völlig fehl am Platz. Geht mir genauso. Kannst du mir jedoch erklären wie Dongard zu so einem wahnwitzigen Floh kommt.“

„Mhm.“ Seht informativ ihr hilfreicher Kommentar. Was verschwiegen mir da diese ausgebildeten Kommandanten. Das Volk steckte doch verbündet unter einer verschwörerischen Decke. Mafia! Schrie mein gesunder Verstand. Aufbegehrend klopfte ich Damar abermals auf den leicht gerundeten Bauch. „Euch geht es einfach zu gut!“ Klagte ich spielerisch stichelnd. Erntete dafür einen harten Ellbogen in meiner Bauchgegend. Stöhnend rückte ich ein paar Zentimeter von Damar ab.

Überlegen spielte sie mit mir. „Mein geschätzter Bauch wird nur getätschelt wenn du bereit bist dich ganz hinzugeben! Du bist weit davon entfernt eine solche Beziehung einzugehen. Ausserdem wollen will ich keinen Ärger mit Kommandant Dongard.“

„Was hat der damit zu tun?“ sagte ich gequält. Zur Zeit rumorte mein empfindlicher Magen höllisch. Neben dem Hunger stafte mich nun auch grobe Warnung Damars wie mit spitzigen Nadeln.

Wenige Hundert Meter entfernt zuckte ein greller Blitz in einen dürren Baum. Wie ein Feuerwerk explodierten die funkenden trockenen Zweige. Während das grelle Licht wie ein Welle alles flutete drückte ich mich bereits Schutz suchend an Damar. Aufgeregt reagierte der Dulie mit einem kräftigen Satz nach vorn. Kräftige Hände stoppten ihn vor einer Panik. Sie zügelte ihn bis er gehorsam ein paar Schritte rückwärt trat. Obwohl es in dem tiefschwarzen Wolkenband über uns unheimlich knisterte. Man spürte förmlich die geladene Elektrizität. Gänzlich gelassen Damars Stimme, „Ihr seit mir ein ängsliches Volk. Nun. Betreff Dongard mache ich mir Sorgen weil du direkt unter seinem Schutz stehst. Er...He! Lockere deinen Griff! Entspann dich. Ich bringe dich sicher nach Hause.“

Meine innere Panik besänftigte sich schwieriger als ein gehorsamer Dulie. Ich wagte kaum meine Umarmung zu lockern. Erst als es eine ganze Weile um uns herum still blieb ließen meine zittrigen Arme los. Windstille herrschte. Nur das klappern der Duiehufe auf dem trockenen Weg, sein rasselnder Atem und das knirschen des von schweiß getränkten Lederzeug war zu hören. Startete ein seltsames, leise Wimmern. Damar beruhigte mit seltenen sanfter Stimme, „Ruhig mein Ferkelchen! Hier...“ Verlegte die straffen Zügel in eine Hand um mit der anderen im Korb etwas zu arrangieren. „So trink deine verdünnte Kuhmilch und schlaf gefälligst ein. Dein Geschrei will ich heute Nacht auch nicht hören, sonst wartest du wieder alleine hinter dem nächsten Busch bis ich dich morgen abhole.“

Unsicher wunderte es mich. „Ein junges Schwein? Du transportierst ein..“ Genervt stoppte sie. „Ja, na und! Es ist unwürdig für jemanden in meiner gehobenen Stellung, aber in dieser abgelegen Teil des Reiches ist mein Rang bedeutungslos. Hier hilft man dem der gerade zur Verfügung steht. Ist schon ein Wunder wenn man jemand findet der in die selbe Richtung reist wie ein zu vergebender Auftrag.“

Schweigend ritten wir eine Weile während rund um uns herum das Universum unheimlich grollte. Trotz dem ankündigenden Unwetter lehnte ich mich vertrauensvoll an Tamar.

„Safina?“ Begann sie mit einem seltsamen weichen, singenden Unterton.

„Mhm.“ Vollkommen entspannt dank ihrer sicherer Ausstrahlung.

Äußerste Besorgnis bei ihr. „Bist du in Ordnung? Du bist so ruhig.“

„klar. War nur ein heißer Tag.“ Entschuldigte ich meine vorüber gehende Schwäche.

Damar witterte förmlich Unstimmigkeit. Ruckartig bewegte sie ihren Arm. Streckte sich mühselig halb zu mir herum. Erst da realisierte ich dass sie vorher einen ihrer Reithandschuhe auszog um mit einer kühlen Handfläche mir an die Stirn zu fassen. „Safina, warte noch ein paar Minuten bis du deiner Schwäche nachgibst. Wir sind..? Da liegt was im Weg!“

Überflüssig mich zu strecken. Ausserdem wagte ich nicht den sicheren Schutz Damars zu verlassen. Wartete einfach bis sie das Hindernis erreichte.

Wartete auf den nächsten hilfreichen Blitzlicht. „Hu,“ realisierte ich, „Die Torexbrüder haben das Gespann zurück gelassen.“ Tatsächlich weidete die hungrige Kuh die spärlichen dürren Grasbüschel ab. Zog unverdrossen den Wagen hinter sich her, wobei die Zügel lose über den Boden schleiften mitten unter dem Wagen. Damar ignorierte das herrenlose abseitige Gespann. Folgte beharrlich dem geraden Weg. „Warte,“ flüsterte ich müde. Unglücklich startete ich meinen Vorschlag. Eigentlich verlockte die Müdigkeit zu Schweigen. Anderseits wollte ich die wertvolle Kuh hier nicht zurücklassen.

Sie ahnte, zweifelte bereits meine Entscheidung an. „Schaffst du das wirklich in deinem trägen Zustand? Willst du dir das wirklich antun?“

„Wenn ich mit der Peitsche winke, läuft sie sicher nach Hause.“ Hoffte auf eine Bestätigung Damars. „Safina,“ ihr finsterer Ton. „Ich sage das jetzt ungern. Aber mir kommt das sehr entgegen wenn ich heute Nacht nicht Dongard begegne. Dieser aussergewöhnlicher Auftrag... ich besitze auch einen gewissen Stolz. Also, kannst du dich für eine kurze Weile wachhalten? Oder soll ich dich wirklich nicht besser in die Nähe des Hofes bringen?“ Gütigerweise überliess sie mir die letzte Entscheidung. Trocken lachte ich, „Deine Sicherheit zu verlassen fällt mir schwer, aber ich schaffe das schon. Warte einfach bis ich sicher auf der Strasse bin.“

„Mhm,“ grollte sie unschlüssig. Lenkte ihren Dulie ganz nah an den Wagen. Ich brauchte kaum den Arm auszustrecken, um fest die Lehne des Kutscherbockes zu ergreifen. Zähflüssig zog ich mich hinüber. Ungern verliess ich die gemütliche Wärme Damars. Setzte mich auf dem harten Sitz zurecht, während Damar mir schon die Zügel in die Finger drückte. Alles andere als lieb zwickte sie mich schmerzhaft in den Oberarm. “Ha, Safina, bist du wach?“ Stichelte sie. Murrend rieb ich mir die gequetschte Stelle. Doch ihre gemeiner Angriff wirkte erfolgreich dass ich mich zusammen nahm. Rasch lenkte sie ihren Dulie vor die neugierige Kuh, deren Herdentrieb erwachte. Gegen ihre Schwäche ankämpfend folgte sie dem neuen seltsamen Führertier das sie auf dem kürzesten Weg auf die Strasse lenkte. Eine Weile blieb Damar in der Front, dann ein scharfer Ruck an meine Seite. In der Dunkelheit registrierte ich ihre versteckten Zweifel erst Recht. „Safina?“

„Geh schon! Danke für deine Hilfe und ich werde es niemandem verraten dich hier getroffen zu haben.“ „Mhm...“ Sie verschwieg ihre Gedanken. Unglücklicherweise blitzte es in dem Moment. Sorgen überquerten ihr angespanntes Gesicht. Zweifel, sogar Unsicherheit mich Alleine zu lassen. Dunkelheit und tiefes Donnerrollen hüllte uns wieder ein. Gefolgt von einem seltsamen Laut. Scharf stiess sie ihren Atem aus. „Safina... An Kommandant Dongard Urteil ist mehr dran als wir vielleicht glauben. Scheisse!“ Schrie sie empört in die Nacht hinaus. Gefasster zu mir. „Du bist zwar total Müde aber ... Das sollte ich jetzt eigentlich nicht sagen. In dir steckt einiges verborgen. Das hätte mir viel früher auffallen müssen. Verd... Das ist einfach nicht mein gutes Jahr. Hoffe wir sehen uns mal wieder.“

Bevor ich was nettes erwiderte, brauste sie in mörderischer Höchstgeschwindigkeit davon. Trockener Staub reizte meine Nase. Jedoch nicht bis zum erlösenden Niesen. Hinderte gerade noch die verstörte Kuh am Wenden. Sie wollte geradewegs dem Duli nach. Ein paar sachte Peitschehieb in die Flanken überredeten auf den richtigen Heimweg zu bleiben. Widerwillig stampfte sie los. Regelmässiges Schaukeln verleitete mich vor mich hin zu dösen. Erschrocken fuhr ich einige Minuten später hoch als ein zusätzliches Gewicht mich einhüllte. Erkannte erleichtert Dongards beruhigende gesenkte Stimme neben mir. „Safina, was machst du wieder für Sachen. Du bist spät dran. Komm übergib sie mir.“ Warme Finger legten sich über meine und lösten die Zügel heraus. Vorsorglich zupfte mein Kommandant abermals die Decke um mich herum zurecht. Schützend vor dem kräftigen Sturmwind. Mittlerweile heulte der losgelassene Wind über die Ebene und riss ganze Büsche aus ihrer sandigen Verankerung. Trotzdem, mir war die tobende Natur egal. In Dongard spürbarer Nähe fühlte ich mich einfach sicher. Getrost lehnte ich fester an ihn und schloss mein Augen vertrauensvoll. Unnachgiebig sein scharfer Tonfall. „Bist du einfach nur Müde oder hast du dich verletzt?“ Beharrte auf eine rasche Antwort. Verabreichte mir sogar einen unsanften Ruck.

„müde,“ murmelte ich bevor er drastischere Massnahmen einsetzte. Bevor es in Vergessenheit geriet hielt ich es für Ratsam zu erwähnen. „Von der Baumkatze ist mir schlecht geworden.“

„Bitte?“ Forschte er sofort nach. Unsicher ob er seinem schrecklichen Verdacht trauen soll.

„ich hab zu schnell oder zuviel gegessen. Da ist mir wieder schlecht geworden.“

Ungläubig, „Von einer Baumkatze? Du.. meine Güte, hat dir dein früherer Freund nicht beigebracht das dieses Fleisch nur mit äusserster Vorsicht zu verzehren ist?“

„Mhm,“ murrte ich verdrossen. „Hab es vergessen.“

Ein Ton, halb Knurren halb Stöhnen, folgte. „Saf... das wird einig unliebsame Konsequenzen auslösen. Oh je. Dich kann man keine Minute aus den Augen lassen. Weist du was...“ Er schien meine schwere Aufnahme zu bemerken. „Morgen reden wir mal darüber. Ich habe da so einen genialen Gedanken.“ Sorgsam zog er die flatternde Decke zurecht. Von da an hörte ich den tosenden Sturm wie aus weiter Ferne. Verschlief das erreichen des Ruhigen Zimmers. Oder waren wir über Nacht überhaupt nicht an dem sicheren Ort? Jedenfalls als ich wieder aufwachte, störte mich das helle Morgenlicht. Sachte schüttelte der Wagen unter weichen, sandigen Weg.

 

Ausbildung 4.6

 

 

Letzter Besuch.

Helles Licht plagte meine zugekniffenen Augen. Schützend hielt ich den schweren Arm vors Gesicht. Jemand zupfte an meinem kurzen Ärmel.

„Was,“ protestierte ich halb betäubt vom Schlaf. Melodiös Dongards Stimme, „Dreh dich auf die rechte Seite, dann bist du vor der Morgensonne sicher. Abdecken kann ich dich nicht sonst schwitzt zu in einer Stunde zuviel. Hey,“ rief er auf einmal streng. Zupfte auffordern an einer langen Haarsträhne. Aufgeweckt blinzelte ich beim Umdrehen nach oben. Eine, mit Leder überzogenen Feldflasche versperrte mir die Sicht nach oben. „Safina,“ sein bekannter Befehlston. „Trink mindestens die Hälfte davon. Danach laß ich dich wieder schlafen.“ Auffordernd schüttelte er die Flaschen. Wiederwillig nahm ich sie in Empfang. Setzte mich etwas hoch. Schnüffelte kritisch an der offenen Flasche. “Tz, tz,“ nahm er mir jede Freude. „Egal wie es schmeckt. Entweder du trinkst freiwillig davon oder ich füll dich ab.“

Es roch eigenartig nach Kräutertee. Heikel probierte ich einen kleinen Schluck. „Fehlt nur Zucker,“ bemängelte ich. Worauf er kurz über seine Schulter hinweg schmunzelte. Sich schräg auf den Bock setzte damit er mich genau im Blickfeld behielt. „Runter damit!“ Fossierte er gnadenlos ohne den geringsten Humor.

Eindingliche dunkle Augen die mir fast Angst auslösten, fixierten mich. Brav folgte ich seiner Order. Wirklich ein kurioser Geschmack nach... Pfeffer, Minze...und vielen unbekannten Geschmacksrichtungen. Mißtrauisch reichte ich die Flasche zurück. „Erfüllt das Gebräu irgend einen Zweck?“ Genauso zweifelnd schüttelte er überprüfend die Flasche nach deren Gewicht. Besänftig nickte er. „Ja, aber das hast du dir selber eingehandelt. Es wird in deinem Magen anfangen leicht zu brennen. Falls du zur Toilette musst, warte ich auf dich. Die...“ er deutete reibend auf seinen Magen. „Ist ein bewährtes Mittel gegen die Würmer, fals du welche von der Baumkatze hast.

So, leg dich wieder schlafen. Erst am Nachmittag lasse ich dich ein paar Stunden Dienst schieben.“

Erlöst drehte ich der Sonne den Rücken zu. Anfangs genoß ich die wärmenden Strahlen. Entspannte mich. Auf einmal plagte mich Unruhe. Ausser meinem Bauch tat mir noch was anderes weh. Vergeblich versuchte ich das scheußliche Gefühl zu unterdrücken. Unaufgefordert hielt Dongard den Wagen an. „Komm schon. Da gibt es ein paar Büsche auf der sonst übersichtlichen Ebene. Und ich weiß ja wie empfindlich ihr Frauen seid.“

Hastig sprang ich vom Wagen.

Bis zum Mittag quälte mich heftiger Durchfall. Statt angenehm im Wagen auszuruhen, legte Dongard unerwartet ein forsches Tempo vor. Regelmäßig trabte er Dulie unermüdlich voran. Sobald ein erholsames Schrittempo begann, gab mir Dongard zu verstehen. „Leg dich hin. es gib eine kurze Pause.“

Das brauchte er nur einmal zu erwähnen. Allerdings bemerkte ich mit halben Ohr, dass wir endlich den letzten Hof erreichten. Hühner gackerten. Irgendwann plätscherte Wasser in einem Brunnen. Kurz darauf hielt der Dulie an und trank gierig. Altere rauhe Stimmen plauderten in Entfernung mit Dongard. Ein paar Wortfetzen verstand ich sogar. Interessant horchte ich erst hin als mein Kommandant sich verwundert äußerte über den Wunsch ein paar Kinderkleider oder Stoff zu liefern. Was war daran so ungewöhnlich?

Deutlich zu vernehmen das gegenseitige Schulternklopfen. Verabschiedende grüßende Worte. Ein Schaukeln erzitterte den Wagen als Dognard aufstieg. Das ewige Rütteln begann wieder. Erst nach einem gewissen Abstand zu dem Hof drängte es Dongard zu einer Konversation. „Safina, bist du wach?“

Mich plagte ein dringendes Bedürfniss. „Ich hab Hunger,“ beschwerte ich mich.

„Mhm.“ Genauso mickrig seine kleinliche Gabe als er mir eine dünne Scheibe Brot reichte. „Saf,“ begann er Nachdenklich aber in einem vertraulichen Ton. „Schon außergewöhnlich. Dieses erfahrene Bauernpaar lebt seit Jahren kinderlos hier draußen. Sie bevorzugen die Stille, wie sie mir öfters versicherten. Ausgerechnet diese eigenartigen Leute adoptierten ein Baby. Vielleicht haben sie gemerkt dass es so abgeschieden von allen Verbindungen doch fast zu einsam ist. Ein eingesessenes Einsiedlerpaar verändert seine Einstellung so drastisch. In diesem Jahr passieren so merkwürdige, unvorhersehbare Dinge,“ wunderte er sich. „Vielleicht ein Funken Hoffnung dass hier bald einmal eine kleine Siedlung entsteht die Funktioniert. Zwar plagt sie wie die anderen Wassermangel, aber ansonsten haben sie genug um zu Essen. Für Kinderkleider hat er mir eine ganze Kuh, für den kommenden Winter offeriert. Vermutlich hängt das mit dem plötzlichen Baby zusammen. Jedenfalls wurden oder werden sie großzügig dafür versorgt. So viele Hühner habe ich schon lange nicht mehr gezählt. Na ja, falls du das Brot im Magen behälst gibt’s in einer Stunde was besseres.“

Aufhorchend blickte ich hoch. In seinen violetten Augen tanzten Funken vom Sonnenlicht. „Ja, es gibt köstlich Pfannkuchen,“ schwärmte er in begeisterter Vorfreude. „und du bekommst auch einen.“ Versicherte er mir. Zögerte hinterher. „Oder zwei.“

Gutmütig erstrahlte mein Gesicht. „Gegen eine Scheibe Brot würde ich auch keine Einsprache erheben.“

„Tja, aber ich. Dein ausgespülter Magen braucht Zeit. Geduld, dafür verschiebe ich deine Einseitige Diät auf eine Woche später.

So und jetzt leg dich wieder hin! Sobald wir auf dem bekannten Rückweg sind wecke ich dich. Glaub mir es wird ein anstrengende Rückreise,“ versicherte er mir.

Das unbequemste was ich je erlebte. Schlafen konnte ich wegen dem forschen Tempo nicht. dafür döste ich einfach vor mir hin. Versuchte mir süßen Träumen die rauhe Fahrt aufzufrischen. Freute mich auf die nächste Pause. Zu meiner Enttäuschung gab es nur einen Pfannkuchen für mich. Dongard zeigte sich von seiner Spendablen Seite. Jedoch für andere Leute. Die ewig hungrige Torexfamilie erhielt den spendierten Korb unserer zugeteilten Tagesration. Rang mich zu einem netten Lächeln durch als die schwangere Frau mich mit Sorge betrachtete. Zum Glück wartete ich im Wagen auf der entfernteren Strasse. Hielt die Zügel der unruhigen Duliedame. Nach weniger als eine Minute Unterbruch sprang Dongard elegant auf den Wagen. Seine Lässigkeit erhellte mein betrübtes Gemüt. „Safina, los! Lass sie laufen!“

Wobei er sich diesmal hinten hinsetzte um seine langen Beine gemütlich auszustrecken. Gegen die agressive Sonne schützte er sich mit einem häßlichen Strohhut, dem ihm eines der Torexbrüder schenkte. Ein selbstgebasteltes Experiment von einem untalentierten Schüler. Dem löchrigen Sondermodel gab ich höchstens eine kurzfristige Sommersaison.

Dongard Prognose über den anstrengen Rückweg erfüllte alle Kriterien. Am Abend hoffte ich vergeblich auf Erlösung. Still, schweigend nahm mein Kommandant die Zügel aus den verkrampften schwitzenden Finger. Weiter lenkte er ohne Unterbrechung. Gönnte uns keine Pause. Geräuschvoll rumpelte der Wagen im stetigen gleichen Rhythmus in die Nacht hinein. Weit hinter uns türmten sich am Horizont erneut die weißen, schaumigen Gewitterwolken auf. Heute, wie gestern tobte über die kargen Felder von Torex ein Sturm. Der ersehnte Regen blieb jedoch aus. bekümmert versuchte ich erfolglos zu Schlafen. Dankbar empfing ich die Dunkelheit die mich vor der quälenden Tagessonne erlöste. Doch gerade immer wenn mein Kopf schwer niedersank, knallte meine Stirn hart auf die Bretter. Zum ersten Mal vermißte ich den Komfort von geteerten Strassen aus meiner Zeit.

Zeit verlor ihre Bedeutung.

Weicher Grasboden, willkommenes Geräusch. Im spärlichen Mondlicht erkenne ich ein paar bekannte Hügel. Es sind nur wenige Minuten bis zum Hauptlager. Dongard schien meine Unruhe zu spüren. Ohne sich umzudrehen klopft er einfach auf die leere Stelle neben sich. Manchmal direkt unheimlich als ob er Augen am Hinterkopf besitzt.

„Saf“ Ein leiser Tonfall der sich der stillen Nacht anpaßte. „ich höre das du wach bist.“ Erklärte er mir einfach so als ob er sogar meine Gedanken lesen könnte. Wirklich Unheimlich. „Komm schon,“ lockte er milde.

Wortlos verbrachten wir die Rest der Nacht. Wenn er was wünschte deutete er, zum Beispiel auf einen leeren Eimer und die Futterkammer. Müdigkeit plagte uns beide. Erst als wir endlich das unterhöhlte Quartier erreichten, er begleitete mich sogar bis vor meine Tür, verabschiedete er sich. „Gute Nacht, Safina.“ Klang es mit einem liebevollen Unterton. Legte mir danach eine weitere Scheibe Brot in meine Hände. Worauf ich mit gewisser Freude erwiederte. „Gute Nacht, Kommandant Dongard.“

Lautlos verschwand sein Schatten. Zurück blieb nur die brennende Kerze direkt vor meinem Raum. Mit einem angenehmen Gefühl betrat ich meine vertraute Kammer. Vertrauter Geruch von mir selber. Stille. Direkt ein wenig Einsamkeit verspürte ich. Nach der langen Reisezeit mit der ständigen Begleitung, kam es mir fast seltsam. Brauchte einge Minuten mich an die Stille zu gewöhnen. Ohne mich auszuziehen legte ich mich einfach aufs Bett.

Freude über das weiche Kopfkissen löste feuchte Augen in mir aus. Frieden legte sich über mich.

 

Keine Ahnung wie lange ich traumlos schlief. Auf einmal bemerkte ich, wie mich jemand an den Schuhen zog. Sogar die Schuhe abstreifte. Verstörte rollte ich auf dem Bett herum. Überrascht gewahrte ich den Kommandanten persönlich. „Auf!“ Riet er mit gedämpfter Stimme. Verwirrung über seine Anwesenheit, handeln überfiel mich. Im Kerzenlicht blickten seine dunklen Augen milde. „wir waren lange weg und ich will das du einen perfekten Eindruck machst wenn du heute antrittst. Also zieh dich...“ Er schnupperte hörbar. „Wasch dich zuerst und zieh dich sauber um!“ Forderte er mich auf zu Handeln bevor der übliche morgendliche Appell startete. Verwundert folgte ich den Anweisungen. Wenig überraschte mich als er immer noch in meinem Zimmer wartete, nach meinem erfrischenden Waschgang. Auf meinem Bett lag die ausgesuchte Kleidung. Gemütlich saß er bequem auf der Bettkante. Mir blieb keine andere Wahl. Zum umziehen wandte ich ihm einfach den Rücken zu. Kaum in die sauberen Schuhe geschlüpft. Winkte er mich heran. Zupfte da und dort meine Kleidung gerade. Richtete den Hemdkragen. Fuhr mit den Finger flüchtig über die Haare um die Frisur zu korrigieren. Zufrieden murmelte er erfreut. „Perfekt! So will ich dich in zehn Minuten draußen sehen.“

Draußen startete das Geheul des Appells. Hastig stand Dongard auf, schlüpfte wie ein Geist lautlos durch eine einem engen Türspalt.

Erneut wunderte ich mich über meine unbekannten Gefühle. Was bezweckte Dongard damit? Anderseits verstand ich seinen Wunsch nach diesen vertrauten Tagen, einfach die vollkommene Harmonie zu präsentieren. Irgend etwas war zwischen uns.

In so kurzer Zeit? Wie angewiesen wartete ich einige Minuten. Verfolgte horchend die Geräusche draußen. N`toki fauchte jemanden mürrisch an. Eindeutig kannte ich Dereks schweren Stiefelschritte. Nachdem er an meiner Tür vorüber rauschte tat ich einen tiefen Atemzug und spazierte nach draußen. Mehr als die Hälfte standen in zwei Reihen da. Fügte mich am Ende der Reihe an. Wobei mich der in der Mitte wartende Kommandant überhaupt nicht beachtete. Wenige Minuten Später startete er die gnadenlose Inspektion. Nur zwei erhielten eine Strafe. Wenn das so weiterging, brauchte er bald Leute um den Abwasch einzuteilen. Obwohl bei mir alles saß prüfte er mich erneut.

Zufrieden begann er mit dem Arbeitsplan. Für den Morgen erhielt ich den leichten Auftrag das Ledergeschirr zu pflegen. Auf eine Art liebte ich das sogar weil man wegen dem Lederöl ganz feine Hände bekam. Dann kurz vor dem Mittag räumte er mir eine Stunde Sprachkenntnisse auf. Schon lange nicht mehr forderte er diese Art von Unterricht bei mir. Nachmittags zuerst Reitkunde, Gleichgewichtstraining und danach setzte er mir eine Stunde Drachenkunde obendrauf. Himmel, so ein vielseitiges Programm. Allerdings änderte sich was zwischen uns! Erneut vertiefter er sich in die Rolle des Auszubildenden.

Allerdings versteckte er, seinen wachendender Blick, beim Frühstück. Niemand bemerkte eine Veränderung seit vor dem gemeinsamen Ausflug. Mir fiel die Winzigkeit auf dass er mich am Tisch völlig Gleichgültig behandelte. Oder lag es einfach an mir dass zuviel in die Details legte. Nur fühlte ich mich früher immer heimlich, von Dongard, beobachtet. An diesem Morgen war das auf unerklärliche Weise verschwunden. Dankbar, ohne weiter mich damit zu beschäftigten, verschwand ich nach dem Essen unauffällig in den Stall. Sieben oder acht Leute beschäftigten sich mit der intensiven Pflege der Dulies. Während ich das schlimmste mit eingetrocknetem Schweiss verfärbte Zaumzeug schnappte und mich nach draussen an einen schattigen, ruhigen Ort zurück zog. Unangenehm drückte die schwüle Hitze nach wenigen Stunden über den trockenen, staubigen Reitplatz. Während die anderen auf ihren Dulies schwitzten tauchte ich zur Abkühlung nur meine Hände in den Wassereimer. Lobte mir den Schatten unter den Bäumen wenn auch die anhaltende Dürre ihre ausgetrockneten Blätter bereits jetzt schon lichtete. Doch statt wie im Herbst verfärbt vielen sie in diesem extremen Sommer in einem matten zerknitterten graugrün. Damit nicht jede Bewegung mit meinen Schuhen knisterte setzte ich mich auf eine ziemlich abgeschliffenen Stein. Bestimmt ein überbleibsel von dem in der Ferne liegenden Fluss. Bei der extremen Trockenheit verdunstete der Wasserspiegel so tief dass man ihn trotz meinem erhöhten Platz nicht entdeckte. Wo vor zwei Wochen noch drei reissende Meter Tiefe drohte, mass es heute gerade knapp einen schwachen Meter. Wie lange wohl die Torex an ihren ungünstigen Platz noch ausharrten?

Ein wachsender Schatten verriet dass ich Gesellschaft bekam. Gelassen beobachtete mich Derek eine Weile. Nachdem er feststellte dass ich den Zaum wirklich zerlegte um alle Lederstellen gründlich einzufetten nickte er mir zu ihm zu folgen. Feuchter Schweiss glänzte auf seiner glatten Stirn. Von mir aus hätte er länger im Schatten Erholung geniessen dürfen. Doch pflichtbewusst drängte er zur Sprachkunde. Na gut, mit ihm lernte ich gerne. Packte eilig meine Sachen zusammen holte ihn rennend ein. Nachdem ich meine Arbeit im Stall zurückbrachte, führte er mich in die Höhle. „Wohin willst du?“

„In den Unterrichtsraum.“

Aha, von diesem Zimmer blieb ich bisher glücklicherweise verschont. Für mich hiess es bis jetzt ja nur körperlich Arbeiten. Wenig begeistert dass nun schulische Anforderungen anstanden folgte ich schleppend. Versuchte mich zu Erinnern wo das Zimmer versteckt lag. Zeit einen neuen Abschnitt in diesem Höhlensystem zu erforschen. Doch Derek trat einfach ins grosse Gesellschaftszimmer. Überquerte in forschen Schritten den Raum zum nächsten Wandteppich. Ziemlich überrascht verfolgte ich wie er ihn zu Seite schob. Dieses robuste Wandbild schob sich leicht über eine Stange einfach zur Seite!

Ohne ein Räuspern oder überhaupt auf sich aufmerksam zu machen öffnete er diese aussergewöhnlichen Türvorhang. Daher erwartete ich, sobald ich dem auffällig hellen Raum besichtete eigentlich mit ihm allein zu sein. Drei zwei grosse seitliche Fenster verschafften eine leichte Atmosphäre. Fast durchsichtige, luftige Vorhänge verschleierten die Aussenwelt. In der geraden Front vor mir die bekannte alte schwarze Tafel. Spartanische Tische, Stühle ohne die geringste Verzierung auf dem Weg dorthin. Bilderfrei die weiss vergipsten Wände. Ein klassisches „Armes“ Klassenzimmer. Gut durchdacht wie eine eingebaute Deckenlüftung bewies. Hier einzuschlafen bei dem übersichtlichen Raum einfach unmöglich.

Vorne hinter einem schweren Lehrerpult sass Dongard gebeugt über ein paar alten Büchern. Ohne aufzusehen winkte er mich heran. Näher, bis ich vor dem robusten Möbel stand. „Nimm einen Stuhl und setz dich neben mich,“ riet er mir ganz in seine Karte vertieft zu. Wie geheissen schnappte ich mich einen leichten Untersatz. Gerade wollte ich mich anstandshalber gegenüber platzieren da winkte er entschlossen neben sich. Diesmal blicken seine Augen anschuldigend nach oben. So in der Art; ich dachte wir sind über das auf Distanzhalten längst hinweg!

Brav folgte ich seiner Anweisung. Schluckte schwer als ich die Bücher erkannte. Späte erschrocken herum, doch zu meiner Erleichterung war Derek längst verschwunden.

Unverkennbar das goldene Kreuz auf dem schwarzen Lederdeckel. „Die Bibel,“ keuchte ich.

„Ja, und bedeutend wichtigere Information. Erzähl mir mal was du so alles über und von den Büchern weist!“ Er klang wie jemand der einen Spion, einen Informanten in die Zange nahm. Fast so als besässe er eine dunkle, kalte Seite. In Betracht was er mir alles bot , vom sicheren Zuhause, seinem bestmöglichen Schutz und viel Zeit in meine Ausbildung, bewies dass er sich als Vertrauensperson längst bewährte. Seinem scharfen Verstand durfte ich die Geheimnisse der Welt anvertrauen.

Ehrfurchtsvoll fasste ich nach den alten Geheimnisträgern welche praktisch alle Elektronischen Daten überdauerten. Blätterte erneut die dünnen Bände durch. Beschrieb fortlaufend was die schwarz- weissen Bilder darstellten- Sattelitenaufnahmen. Allerdings gaben mir die drei Kontinente selber zu denken da sie mit reichlich viel Fantasie meinen Länder, meiner Zeit glichen. Ein merkwürdiger Umstand den selbst Dongard lange nachdenken liess. Erwähnte: „Heftige Erdbeben vor einigen hundert Jahren!?“

Zweifelnd meinte ich, „Höchsten wenn man einberechnet dass der Meeresspiegel um zwei, drei Meter anstieg. Beides zusammen verursacht durchaus diese gravierende Veränderung. Mhm... Denkst du das diese Insel, ich nenne sie mal Europa, unserem Königreich gleicht?“

Abwägend liess er sich Zeit mit dem Urteil. „Sehr wahrscheinlich. In der oberen Hälfte liegt ja eine grosse Stadt. Die Königsstadt? Die Aufnahme ist viel zu hoch als dass man genaueres Erkennt. Mein Lager etwa... die trockenen Landstriche hier...“ Seine Finger strichen dabei über die besagten Regionen welche sich durch leichte Farbunterschiede anzeigten. Am ende furchte sich leicht seine Stirn. „Es passt. Aber für eine sichere Bestätigung bräuchte man jemanden der genau die Küste abzeichnet um später Übereinstimmungen abzuhaken. Nur...“ Seine Augen wanderte besorgt weiter.

Mir klar was ihn beschäftigte. „Ja, ich frage mich auch was ist wenn die anderen Kontinente bewohnt sind? Dann seit ihr nicht alleine. Die Möglichkeiten für Kriege oder Handel stehen weit offen. Ganz unter uns... kennst du Schokolade?“

„Bitte, was?“ Verwirrt sah er mich an.

Triumphierend schmunzelte ich. „Gut. Schade dass es bei euch kein Geldhandel gibt sonst wäre ich bald reicher als Euer König. Unser Kontinent war zu Kalt für diese Gewächs. In der heutigen veränderten Zeit könnte es klappen. Nur müsste man die Süssigkeit von dem südlichere Kontinent zuerst importieren. Es schmeckt nach der richtigen Verarbeitung so süss wie Dein gezuckerter Honig. Warum bloss habe ich nicht daran gedacht welche aus meiner Zeit mitzunehmen. Das nächste mal..“

Finstere dunkle Augen zwangen mich zu schweigen.

„Nie wieder,“ drohte er, „wird es nötig sein dass du diese Risiko auf dich nimmst.“

Mhm.“

Er sprang beinahe vom Stuhl auf. Unheilvoll sein knisternder Ton. „Was! Was willst du damit andeuten?“

Ausweichend gestand ich. „Es gibt da eine wertvolle Kleinigkeit die ich zurück gelassen habe. Ich habe in dieser Welt jemanden versprochen darauf aufzupassen und nur aus Sicherheitsgründen hab ich die Verantwortung in meiner alten Welt gelassen.“

„Die drei Welpen,“ schaltete es dem klugen Kommandanten sofort.

„Ja. So wie deine Drachen dir ans Herz gewachsen sind, so sind meine Hunde unbezahlbar. Eines Tages hole ich sie zu mir!“ Kündigte ich mal bereits an.

Abwägend mass mich ein halb zugekniffenes Auge. „Eine Blitzabwesenheit, aber wirklich nur eine winzige Absenz könnte ich sogar Erlauben. Kommt darauf an was du für Fortschritte diese Jahr zeigst. Bei guter Führung bewillige ich dein Vorhaben, versprochen?“ Damit wollte er sich meine fleissige Mitarbeit zusichern. Gemeine Erpressung. Wirklich, Dongard war schlau!

Hinhaltend meinte ich zwanglos, „Ich werde es mir überlegen.“ Einfach herrlich sein empörter Blick darauf. „Safina, ich hoffe schwer das ist ein Scherz?“

„klar! Und du hast so wenig Humor um es zu begreifen,“ hielt ich ihm gleich vor. „Wer soll hier sich immer entspannen?“

Darauf folgte ein unerklärlicher Blick der vielerlei beinhaltete. Ernstgemeint seine schneidender Kommentar. „Konzentrieren wir uns lieber auf den Inhalt der Bücher. Also die Überprüfung mit dem Kontinent, das kann ich veranlassen. Dauert ein paar Monate. Das mit der Bibel ist eine andere heikle Angelegenheit. Ganz ehrlich die Sache ist so Delikat dass ich sie lieber vorerst im Bunker verstecke. Momentan ist der politischer Wandel sehr aktiv, da bringt eine neue Glaubensstruktur das geladene Fass unkontrollierbar zur Explosion. Obwohl ich auch viel positives über das umstrittene Buch hörte so glaube ich als melfische Erziehung zuerst daran; das der Frieden erst am ehesten hergestellt wird wenn man zuerst den Frieden in sich selber findet. Jemanden davon zu überzeugen das nur dieser Glaube richtig ist kann einschränkend wirken. Besser man stört nicht die eigenen Erfahrungen, den vorgegeben Lebensweg. Wenn die Leute dann bereit sind, auf der Suche nach Höherem, dann ist der richtige Zeitpunkt langsam einen richtungsweisenden Stein ins Rollen zu bringen. Jetzt würde dieses umfassende Thema nur extreme Fanatiker bilden welche gerne nach einem Grund greifen die Regierung zu stürzen.“

„Hä?Weil die den Glauben durch setzen wollen? Gab es hier auch schon mal was ähnliches wie einen Aufstand, Bürgerkrieg?“

Er löste sich von den gedruckten Seiten und lächelte mich an. „In den letzten hundert Jahren gab es nur einen Aufstand. Derjenigen der Melfen die sich für ihre Unabhängigkeit einsetzten. Leider kann ich mit Gewissheit sagen dass sich im Oberhaus wieder was zusammen braut. Diese Bücher brauchen einen Zeitpunkt des Friedens um mir einer heilsamen Wirkung zu beginnen. Heute brächten sie nur zerstörerischen Krieg. Dabei würden die Leute die sich auf den Inhalt abstützen nur ihre Vorteilhaften Texte herauspicken und nicht den ganzen Lehrgang als Ganzes beachten. Das Buch dient nur als Vorwand für ihre Ziele.“

„Wow,“ staunte ich, „Wenn man dich so reden hört, wunder ich mich dass du hier als einfacher Kommandant im Aussendienst stehst und nicht in der zentrale Regierung.“

„Safina, eine Veränderung in der Regierung abrupt einzuführen ist eine andere Sache als sie wieder aufzubauen. Was immer auch gerade jetzt versteckt gehandelt wird, es interessiert mich nicht. Einige riskieren dafür sogar einen Krieg. Von mir aus sollen sie doch ihre Köpfe einschlagen. Wenn sie sich abgekühlt haben werden sie rasch feststellen dass eine Regierung zu ändern einfach ist. Aber den Frieden für alle herzustellen, weitaus schwieriger sein wird als sie sich das je vorgestellt haben. Wir besitzen zu verschiedene Völker auf diesem Kontinent. Jedes braucht seine kleine Unabhängigkeit sonst sind Reibereien vorprogrammiert. Fruchtbares Ackerböden gibt es genug für alle. Man sollte nur einmal klar die Grenzen abstecken damit jedes Volk ungestört ihre Bräuche vollziehen können.“

Dabei dachte ich an meine alte Zeit und ihre tödlich abgesicherten Zonen. „Wäre es nicht von vornherein besser die Offenheit zu behalten. Einschränkende Grenzen verursachen auch viele Konflikte. In meiner Zeit schiessen sie sogar auf einem wenn jemand die Grenzen heimlich übertreten will.“

„Siehst du, dass ist halt so wenn man Respekt missachtet.“

Ziemlich verärgert korrigierte ich. „Ja, aber wenn man gezwungenermassen vor der eigenen Regierung flüchten muss? Im eigenen Land die blosse Existenz ins Frage gestellt ist?“

„Das ist was anderes. Mit einem zugeteilten Rückzug für jedes Volk meinte ich nicht eine abgeschlossene Zone die den gesamten Kontinent spaltet, sondern so etwas wie einen Privatraum wo man sich zurück ziehen kann.“

Zweifelnd begleiteten mich. „Das wird schwierig sein genau das Mittelmass zu halten. Eigene Reviere stärken das Selbstbewusstsein. Eines Tag versuchten sie ihre eigenen Gesetze einzuführen.“ Bemängelte ich seinen perfekten Traum.

„kein Problem solange man sie nicht anderen „Rassen“ aufzwingt. Wir Melfen praktizieren selbst ein paar Rituale die Aussenstehende kaum erkennen. Kleine Gesten die im Bund Angehörigen viel bedeuten.“

„okay, unter euch bringt das enormen Nutzen. Was wenn eine weniger Intelligente Rasse diese erlaubten Freiheiten benutzt um daraus geheime Vorteile zu ziehen. Sozusagen den eigenen Staat aufbauen und rebellieren.“

Der bisher milde Ausdruck in Dongard Augen nahm einen gefährliches Glitzern an. Mit einem Ton von Überheblichkeit meinte er überzeugt. „So weit wird es nie kommen. Die Weitsichtigkeit von Melfen ist berühmt. Wir würden nie zulassen dass einer Eigenmächtig handelt. Es gibt genug ausgebildete Seher die ein Melfisches Land beschützen können.“

Das gab mir enorm zu denken, wie mein Kommandant so sicher was verteidigte. Beinahe als wüsste er dass gewisse Theorien über Melfen längst der Wahrheit entsprachen. Seit langem merkte ich das erste Mal das er praktisch einer anderen Rasse angehörte. Und mich beschlich der Verdacht dass er höchst selten so offen seine innere Einstellung verriet. Einzig dass ich die wertvollen Schätze der Bibel lieferte, mich sozusagen zum Verbündeten seiner Geheimnisse erhob, liess ihn so frei reden.

Abermals beschlich mich ein trauriger Verdacht. „Du kennst deine Zukunft selbst ein bisschen?“ worauf er nur mürrisch, abweisend reagierte.

Also griff ich erneut an. „Du hast gewusst dass was passiert, damals als Maximilian hier war.“

Man sah ihm deutlich an wie unangenehm das Thema war. „Ja. Bevor du mir was vorwirfst, soviel habe ich gewusst das etwas zwischen euch passiert das die Beziehung beendet. Was genau eintreffen sollte hatte ich keine Ahnung. Glaub mir, Maximilians plötzlicher tödlicher Überfall hat mich selber Überrascht. Wenn ich nur den Verdacht gehabt hätte dass ein Murokrieger in mein Revier eindringt hätte ich ihn konsequenzenlos vertrieben.“

Noch was anderes nahm mich brennend Wunder. „Du treibst doch so meine Ausbildung voran. Was...“ Abweisend sah er mich an, also formulierte ich schnell anders. „Weist du auch bereits darüber Bescheid.“

Verräterisch zucke es in seinem zusammengepressten Mundwinkel. Demnach besass er eine Vorsehung und gab es sogar zu. „Ja. Doch nicht so viel wie ich es mir eigentlich wünschte. Irgendwann wird ein Überfall ziemlichen Schaden anrichten. Üblerweise wird dabei sogar die neu Halle aufgebrochen und sämtliche Vorräte gestohlen. Darum treibe ich speziell diesen Bau voran. Denn dank dieser Warnung verdopple ich seine Stabilität. Nur weil das mehr Zeit kostest und sich dieser Überfall auf keinen Fall verschieben wird stehen wir ziemlich unter Zeitdruck. Leider besitzen meine Visionen keine Zeitangabe. Ich weiss nur dass die Halle in der Zeit fertig sein muss wie in er normalen Fassung. Dich nimmt wunder was das mit dir zu tun hat. Nun, du wirst klug entscheiden und etwas wichtiges vor den Dieben schützen. Mehr verrate ich dir nicht.“

Nachdenklich stimmte mich nur eines,“ Was hat das ganze mit meiner Ausbildung zu tun?“

„Nun bei deinem niedrigen Level rennst du höchstens in den Stall um Di`jon zu retten. Dabei wirst du feststellen dass er längst weg ist. Was dir bisher wohl niemand verraten hat ist das bei einem Alarm automatisch das Stalldach aufgeht. Daraufhin wird Krag als Leittier seine Verwandten sicher nach draussen bringen. Also du warst bisher bei einer Evakuation nie anwesend. Sollte es je geschehen dass du den anhaltenden Alarm hörst, bleib stehen und denk zuerst nach. Hörst du was? Siehst du was? Kannst du dich ausserhalb vom Lager verstecken? Sollten Reiter uns überfallen und du bist in der Nähe der Ställe. Schnapp dir einen Duie und keiner wird in deine Nähe kommen. Falls Wanderer uns Gewalt antun flieh auf den mittleren Hügel auf der Östlichen Seite des Lagers. Dort oben gibt es eine verborgene Senke. Ist schwer zu erreichen weil es der steilste Hügel ist aber es lohnt sich. Dort oben versammeln sich die schwächsten Mitglieder. Zu denen du noch ein Jahr gehörst. Ab nächstes Jahr nimmst du am Kampfunterricht teil. Vor diesem Herbst fängst du mir mit Selbstverteidigung an. Bin mir nur unschlüssig wer dich unterrichten soll? Denn um in der Gruppe zu sein brauchst du mehr als ein Jahr Nachholung. Vielleicht bitte ich N`toki da...?“ Aufgeschreckt durch meine keuchenden Atem sah er von der Karte hoch.

„Ausgerechnet N`toki? Die hat eine leichte Abneigung gegen mich,“ verdeutlichte ich meinem sich wundernden Kommandante.

„Mag Umgang mit Schülern rau sein, von ihr kann man eine Menge lernen, in jeder Stunde!“ „Ich bin aber kein Streber! Und ich glaube nicht dass ihr mein gemässigtes Tempo liegt?“

„Darin teilen wir unsere Bedenken. Aus diesem Grund habe ich dich bisher vom Unterricht ausgeschlossen. Zuerst brauchst du einige Stunden Privatunterricht, doch momentan kann ich keinen dafür entbehren. Also.. was ist unser Hauptthema? Der unerforschte Kontinent.“ Gebannt starrte er auf die unbeweglichen Kartenflecken.

„Kommandant Dogard, wird das heute noch was mit meinem Sprachunterricht?“

„hö? Das war nur ein Vorwand für die anderen. Oder soll ich gleich allen Offerieren dass wir hier Geheime Theorien und Beweisstücke unter die Lupe nehmen die das ganze Land verändern könnten? Glaubst du wir sind eines Tages in der Lage stabile Schiffe zu bauen welche diese Distanz bewältigen?“

„Wenn ich das nächste Mal in der alten Zeit bin, denke ich daran ein paar Baupläne mitzunehmen. Jedes Segelschiff stellt kein Problem dar. Mehr Bedenken habe ich da in Sachen Erfahrung mit dem Wind und den Meeresströmungen. Ausserdem gibt es sogenannte weisse Wellen. Riesige Wellen, Zunahmies die selbst für unsere Forscher noch Rätsel geben. Was wenn ihr einen Weg findet Drachen zu züchten die imstande sind mehrere Tage in der Luft zu bleiben?“

Dongard verzog sein Gesicht. „Sehr unwahrscheinlich. Mit Reiter, unmöglich. Was nutzt es wenn ein Tier es tatsächlich schaffen sollte das fremde Land zu erreichen. Danach wissen wir höchstens das diese Land überhaupt existiert, mehr nicht.

Mit einem Schiff... Hast Du eine Ahnung davon wie schwerwiegend die Manipulation der Evolution ist wenn du mir solche fertigen Pläne überlieferst? Hast du dir je Gedanken darüber gemacht, was Gegenstände aus deiner Zeit hier anrichten?“

Gelassen setzte ich mich auf meinem Stuhl bequemer. Jedenfalls versuchte ich es. Doch Dongard räuspern über den gekrümmten Rücken liess mich auffahren. „Hey, was meinst du warum ich bei meiner letzten Reise hierher nichts mitgenommen habe! Denkst du ich will ein Chaos auslösen. Wenn es jedoch um einfache Schiffpläne geht ohne Motoren dann nenn ich das eine Verbesserung eurer Fischerboote. Etwas mit unerlaubter Technik wäre bereits ja ein Akt des Verbrechen. Aber ein verstärkter Rumpf, ein längerer Mast und ein paar weitere Segel als bei einem gewöhnlichen Boot das finde ich akzeptabel. Falls es dich beruhigt kannst du ja mal ein grösseres Schiff zeichnen das deinen Vorstellungen entspricht. Danach verbessere ich ein bisschen deine Entwürfe, kleine Korrekturen. So kann man eigentlich klar sagen; das ganze ist auf deinem Mist gewachsen.“

„Bitte?“ Beinahe beleidigt klang mein aufgewecktes Gegenüber.

Sofort beruhigte ich. „Das ist ne Redewendung aus meiner Zeit. Sie besagt das die Konstruktion sich aus... deinem Denken entwickelt hat.“

„Aha! Auf meinem Mist? Wie kann man Gedanken nur mit Mist austauschen. Na wenigsten ist es sittsamer als die Redewendung mit dem blossen Hintern...“ „Es gibt weitaus schlimmere,“ fuhr ich ihm dazwischen. Harmlos meinte er, „Ach ja. Was gibt es da noch für eine Steigerung? Eine fantasyvolle Beleidigung?“

„na ja, so was in der Art. Es sind nur zwei Wörter in Fremdsprache die praktisch auf jedem Kontinent verstanden werden. So in etwa abgemildert übersetzt heissen sie dass man Sex nur mit sich selber mach soll weil man für alles andere zu hässlich oder zu blöd ist.“

Mehrer Sekunde dauerte es bis Dongard der in seiner Sprache übersetzte Text langsam durchsickerte. Blinzelnde Augen verrieten das aufsteigende Entsetzten. „Waaaas!“ Wobei sein Ton in dem einen Wort an Lautstärke zunahm. „So was verbreitet sich bei Euch. Wo bleibt euere Moral? Also wenn ich je so was in der Art von dir höre, dass du im Ärger erwähnt, dann hast du in meinen Augen keine Bildung mehr. Dann, das verspreche ich Dir, erteil ich dir mindestens ein Jahr absolutes Sprechverbot.“ Auf einmal überlegte er intensiv. „Schreib mir vorher die zwei Wörter auf, sonst erkenne ich sie ja gar nicht,“ viel ihm verspätet ein.

„Okay, Fu..“ „Stopp,“ drohte er mit erhobener Hand. „SCHREIBEN nicht sprechen. Ich wünsche ausdrücklich dass dieser üble Ausdruck nie mit deiner Zunge formst.“

Er fischte die kurze Notiz mit zwei Finger vom Tisch. Überflog sie und warf sie zusammengeknüllt weg. „okay das habe ich mir einigermassen merken. Übrigens ist dir bis jetzt nicht aufgefallen dass wir ein anderes Alphabet führen. Ziemlich ähnlich, nur scheinen die Schriftzeichen weniger so schwungvoll ausholend. Also sieh her!” Er fischte sich einen hellbraunes Blatt Papier aus der Schublade. Eine dünne von Hand geschöpfte Rarität. Mit schwarzer Tinte kritzelte er vierundzwanzig Buchstaben an den Rand. Dann drehte er das Blatt herum. Schätzte mich mit einem kurzen Seitenblick ein. „Vielleicht ist ganz gut wenn du...?“ zögerte mit sich selber, als ob er ein Geheimnis hütete. „Probiere es vor den anderen zu verbergen. Was in deinen Augen als einfache Striche erscheint hat gewichtige Unterschiede. Kleine Striche, Doppelstriche, Kürzungen, Punkte... ich notiere dir mal die einfachsten Buchstaben. Die entsprechen der Reihe nach dem unseren ABC. Ich will dass du diese vollkommene Vereinfachung innerhalb einer Woche auswendig lernst. Das ist übrigens Melfisch und ich vermute dass du ein paar erlernte Silben mal sehr gut gebrauchen kannst. So und jetzt zu de... „ Hell klimperte der hohe Ton des Driangels um das Lager. Erinnerte mich an ein Chinesisches Windspiel das früher einmal meine Nachbarn aufhängten. Die feinen Klänge waren weit zu hören. Hier erst Recht weil der Krug der Koch ziemlich heftig in die Stränge hämmerte. Sein Kunst geprägter Verstand drängte darauf dass man seine Küchenkreationen warm genoss um sie ganz zu würdigen.

Aufgebend lächelte mich Dongard an. „Schluss für heute. Hast du irgendwelche Wünsche, heute Abend , welchen Drachen, du ausser Di`jon bevorzugst?“

„Ist mir egal. Ausser Di`jon liegt mir keiner am Herzen.“

„Mhm, Schade,“ meinte er nur beim Aufstehen. „ Also, in zwei Tagen will ich das Blatt zurück. Vollgeschrieben. Gib dir Mühe für ein sauberes Ergebnis, denn ich sehe es mir an. Nun zum...Essen?“ Das brauchte er nur einmal zu sagen.

Wirklich seltsam gewöhnlich mit den andern am Tisch zu sitzen und dabei weltbewegendes Geheimnisse zu verschweigen. Ich der kleinste, unbedeutenste Fisch in der Gruppe, mit dem wissen das alle Schicksale verändern konnte. Schon verrückt!

In einem war ich mir Todsicher; in Amerika hatte mehr als nur eine Person überlebte. Genauso überdauerte einen Teil ihrer fortgeschrittenen Technologie. Selbst wenn sie nach all den Jahrhunderten kein Erdöl besassen so garantiert Solarzellen für Strom.

Blieb also nur das Rätsel warum sie sich versteckt hielten. Beobachten sie uns längst oder bauten sie zuerst ihr Imperium so stabil auf dass es einen Krieg überstand? Warum rüstete Dongard sein Lager auf? Wer gab oben den Befehl dazu? Vermutete der König bereits dass es einmal eine Aufstand gab? Doch Dongard Lager lag so weit weg von der zentralen Stadt. Bot ihr keinerlei Schutz. Worin bestand dann sein Zweck? Nur der Ausbildung für Verteidigung, daran zweifelte ich stark. Auf einmal bemerkte ich so kleine Ungereimtheiten in der ganzen Europageschichte. Dongard verbarg ein weiteres Geheimnis, nur von welcher Bedeutung? Völlig in meine Gedanken versunken, stupste mich ein kräftiger Zeigfinger in den Rücken. Selbstverständlich hopste das grüne Gemüse auf meiner Gabel ziemlich weit weg von seinem Ziel, als ich heftig zusammenzuckte. Was einige am Tisch sehr amüsant fanden. Doch statt mich über meine Ungeschicklichkeit zu schämen, spähte ich suchend nach dem Übeltäter, des gemeinen Anschlags. Mehrere verhinderten ein offenes Grinsen. Erst Dereks lachende leicht nervösen Augen verrieten sich. In besänftigendem Tonfall gab er zum Besten. „Am Tisch solltest du mehr Essen als Denken, damit du später nicht über das Essen nachdenkst.“

Ha, ha. Was für ein lustiger Scherzkeks. Doch unser Kommandant betrachte das ganze von der humorlosen Seite. „Er hat Recht. Konzentriere dich immer was gerade vor dir liegt. Das gilt für alle! Egal was ihr gerade macht, ob Essen oder einen Auftrag, seid voll bei der Sache. Geniesst euer Essen bis ihr satt seid und genauso bringt volle Leistung bei der Arbeit.

Safina, wenn ich fragen darf, was beschäftigt dich?“

Was mich ziemlich aufrüttelte. Am liebsten antwortete ich, das mich die Sorge quälte wann die eroberungswütigen Amerikaner planten uns zu überfallen. Dabei stellte ich mir, bei der Ankündigung, die schockierten Gesichter an diesem Tisch vor. Mit einer gewissen Freude wählte ich eine abgeschwächte Variante. „Gibt es tatsächlich nur noch unseren Kontinent geben? Ich glaube nicht dass wir alleine sind. Es gibt bestimmt auch andere Völker.“

Mehrere verwunderte Blicke zielten mich über dem Tisch an. Selbst Dongard Ausdruck warnte mich eindrücklich diese heikle Thema ja ruhen zu lassen. „Bisher fehlen die geringsten Anzeichen dass es andere Inseln wie uns gibt. Sollte trotzdem das Unwahrscheinliche eintreten, mangelt es ihnen an fortschrittlicher Technik genauso wie uns um den Nachbarn zu erreichen. Also du kannst unbesorgt weiter Essen, es kommt niemand von ausserhalb um es dir wegzunehmen.“

Ja, ja wenn ich nur so unbeschwert in die Zukunft blicken könnte. Stefkan, eine jüngere Ausgabe von Derek, stichelte. „Wenn schon unerwarteter Besuch, dann sind das bestimmt Ausserirdische. Vielleicht sogar unsere früherer Vorfahren. Es ist ja allgemein Bekannt dass sie einst wussten wie man mit Maschinen fliegt. Vielleicht ist es möglich dass sie auf einem anderen nahen Planeten eine Station bauten und dort überlebten.“

„Darüber,“ beschwichtigte ich beruhigt, „mache ich mir keine Sorgen. Das ist unmöglich. Selbst wenn sie es mit der Produktion von Sauerstoff geschafft hätten, so reichte niemals die Energiereserven über all die Jahrhunderte hinweg. Selbst wenn das unmögliche klappte, kannst du dir vorstellen was all die Jahre der Isolierung, die Einsamkeit der kleinen Gruppe, sich auf ihre Psyche auswirken wird? Die neue Generation wird hier keine Überlebenschancen haben weil ihnen jede Resistent gegen unsere Bakterien und Viren fehlt.“

Vermehrt blickten mich einige Verständnislos oder Überrascht an. Einzig N`toki fasste sich mal wieder am schnellsten. „Und woher willst du gerade darüber so genau bescheid wissen?“ Traf sie haargenau den heiklen Kern der Sache.

Süss- sauer lächelte mich Dongard an. „Safina, du hast zu viele Bücher gelesen. Hier gibt es keine Bibliothek wie in der Stadt und solange ich persönlich keine sichtbaren Beweise sehen das es andere Menschen wie uns gibt, solange halte ich es für reine Spekulation.

So, und nun meine Mannschaft beschäftigt euch wieder mit der Arbeit!“

Bevor alle ihren Teller leerten stand unser Kommandant auf. Beabsichtigte damit erzwingen dass niemand das alte Thema neu aufrollte.

Murren über die ungewohnte Eile breitete sich aus. Normal gönnte uns Dongard eine Viertelstunde Pause nach dem Essen die viele zum Ausruhen nutzten. Sobald einige giftige Blicke auf mich losschossen war mir auch klar wem die Mannschaft die Schuld für ihre gestrichenen Freiraum zuteilte. Wenn mich Derek nur in Ruhe gelassen hätte. Na warte!

Wie immer freute ich mich auf die Reitstunden. Diesmal versaute mir die strenge Agnome die Tagesfreude. Verlangte dass ich ohne Steigbügel ritt, was mein Gleichgewicht heftig erschütterte. Mehrmals hing ich völlig schief im Sattel. Reines Glück klammerte mich irgendwo fest. Haaresbreiten trennten mich viele Stürzen. Erst als es mir schmerzhaft in der Schulter zerrte, beendete ich ihren heimlichen Spass. Schliesslich drohte ich werde sie bei Dongard anklagen sollte die alte Verletzung aufbrechen. Zu meiner Erleichterung beeindruckte sie die gemeine Anklage. Vermutlich rechnete sie, wie viele andere, dass Dongard tatsächlich eine Schwäche für mich besass. Ausgemachter Unsinn! Würde der Fall eintreten, behandelte er mich garantiert mit mehr Nachsicht. Bei den jetzigen Strafen, eine Schwäche? Niemals, oder dann höchstens nur gerade fürs Bett. Alle Frauen liefen ihm nach, da verstand ich den ungewöhnlichen Reiz den ich mal zur Abwechslung bot. Verstimmt massierte ich mir selber meine Schulter. Obwohl mir Agnome gerne Hilfe anbot, lehnte ich, etwas kaltherzig, ab. Von Fremden, auf diese vertrauliche Art, berührt zu werden löste in mir einfach Unbehagen aus. Selbst wenn es eine Frau war.

Mit Unverständnis führte sie den schwitzenden Dulie in den Stall zurück. Einmal noch blickte sie, über ihre dicken Brillengläser, zurück. „Hey,“ mahnte sie. „In einer Viertelstunde in der Schule sein! Denk daran, es ist nur eine kurze Pause! Wir wollen nicht auf dich warten also sei pünktlich!“

Sie wirkte nachträglich leicht verärgert über meine schroffe Abweisung. Was soll’s. Fünfzehn Minuten Pause. Sollte ich mich umziehen? Fragens schnüffelte ich an meiner Kleidung. Schwacher Dulieduft empfing mein ausgeprägtes Riechorgan. Besser als Schweiss, dachte ich mir. Entdeckte den dünnen Waldstreifen, in fünf Wanderminuten Entfernung. Niemand beobachtete mich zwischen den Hügel. Ungewohnt flink, flitzte ich davon. Jagte über den trockenen Boden das Staub unter meinen Sohlen aufwirbelte. Seltsamerweise hielt ich, sobald ich die ersten Baumreihe erreichte nicht an. Mir war als ob eine unsichtbare Macht mich vorwärts zog. Lockte meinen Willen, gegen die Vernunft und den keuchenden Atem. Erst in zwei Monaten begann der Herbst, trotzdem vielen bereits die ersten geschrumpften Blätter zu Boden. Es raschelte unter meinen Füssen. Endlich hielt ich an. Lauschte unbewusst. Niemand da. Was hatte mich nur so gestochen diese extreme Tempo einzuschlagen? Rascheln im trockenen Laub. Schwarze, kleine Vögel suchten nach Würmer die bei dem Wassermangel auch rar wurden. Unter meinen Sohlen knisterte es... viel Lauter woanders? Weiter mehr links von mir, vom Waldrand her. Irgend jemand spazierte doch gemächlich. Es tönte nach weiten schwereren Schritten. Weiche gepolsterte Schuhsohlen. Also Dongard ausgeschlossen ... wer sonst? So leise wie eine Katze huschte ich näher. Nutzte Deckung der breitesten Stämme, mied gleichzeitig deren Nähe damit ich selber meinen Geräuschpegel senkte. Schlauerweise errichtete Dongard früher auf diese Waldseite eine Mauer um die einheimischen Tiere auf der offenen Wiesenseite, auf der andern Seite, ins Frei zu locken. Das erleichterte im Winter die Jagd.

Heute nutzte ich die Deckung der einen Meter abgrenzenden Mauer. Weit hinter mir spazierte was heran. Dem Gewicht nach zu Urteilen... es klang wie ein erschöpfter Dulie? Oder... sollte gar Derek von einem Ausritt nach Hause kommen? Na das kommt mir äusserst Gelegen. Abwartend lauerte in meine verbreiteten Versteck. Zweige und Büsche hielten sich wegen der Schattenseite der Mauer in Grenzen. Ausser feuchtem Moos wuchs nichts über die einst von der Wiese zusammen gestapelten Steine. Selten eine kleine schwarze Spinne, das hielt ich aus. Dann das Objekt de Begierde auf gleicher Höhe. Meine Augen fanden eine kleine vorstehende Steinnase. Alles ging schnell. Ich sprang mit Hilfe der Mauer hoch. Zu hoch und schrie dabei scheusslich. Flog wie eine verrückte Hexe mit Flugproblemen flatternd durch die Luft. Bevor ich den Boden berührte, rutschte eine Dulihinterhand, vor Schreck praktisch fast vor mir auf die Erde. Im nächsten Zug brüllte das arme Tier in Panik auf und stieg gleichzeitig wie ein entzündende Rakete so hoch wie ich vorher. Buckelte, weil die Gestalt in seinem Rücken sich tiefer in seine Mähne krallte, was ihm erst Recht Verfolgungsängste auslöste. Wild Ausschlagend, wobei jede Himmelsrichtung einmal getestet wurde, galoppierte es wie eine Furie davon. Wer auch immer hartnäckig im Sattel sich festklammerte, besass Kraft, Nerven und leider schwarze Haare. Schade, das war nicht Derek. Aber wenn um Himmels willen bescherte ich so einen holperigen Düsenritt? Zum Glück verriet mir die kleinere Gestalt auch dass es sich keinesfalls um Dongard handelte. Beruhig spazierte ich nach Hause. Nach ein paar Schritten packte mich was, von hinten am Kragen. Gewaltsam, mühelos stoppte es mich mitten im Schritt, riss mich zurück. Schlechtes Gewissen veranlasste mich die Arme hoch zu reissen. Bestimmt strafte mich jemand für den gespielten Überfall. Hoffentlich nicht mein Chef. Stoppte im letzten Moment mein fürchterliches Gekreische denn ich sass auf dem Boden und über mir ein grosser bekannter Kopf. Ein sehr liebenswerter Drachenkopf. „Di`jon,“ flüsterte ich ungläubig. Wagte kaum mich umzudrehen und... Er stand in wahrer Grösse vor mir. Um seinen Hals ein enger Strick der nach wenigen Meter ganz zerrissen endete. Aha, mit dämmerte dass sich hier jemand von selbst befreite. Darüber freute sich Dongard bestimmt nicht. Er der soviel Mühe auf sich nahm um diesen jungen Drachen von mir fern zu halten. Uh, das gab Ärger.

Völlig anders beschäftigt rieb Di`jon seinen Kopf sanftmütig an mir. Vermutlich freute er sich weil ich ihn erneut befreite. Befreite? N`toki schickte man in letzter Zeit öfters Auswärts. Ob sie den Streuner fand und nach Hause begleitete? Oh Gott! Ausgerechnet die reizbare N`toki. Wenn sie mich erkannte bei dem vorherigen Streich, dann blühte mir hintern herum saftiger Ärger. Himmel, gab je... Die Zeit! Wie kam ich am schnellsten, mit einem schmusenden Drachen, ins Lager zurück? Eilig zerrte ich Di`jon hinter mir her. Drängte zur schnelleren Geschwindigkeit. Mit dem Drachen verspätete ich mich gewiss. Besonders das er mich schon wieder am Kragen packte und bremste. Verärgert, verzweifelt sah ich hoch, eben, tief in seine Augen. Bevor ich wusste was los war drängte er seinen Kopf zwischen meine Beinen hindurch. Sein langer Hals hob sich an und zwang mich rückwärts. Dufte es wahr sein? Himmel, er wollte das ich auf ihm ritt. Unbehaglich, trotz der geringen Höhe rutschte ich an die Stelle wo sonst ein Sattel festgeschnallt war. Hoffentlich blieb er brav auf dem Boden. Vorsichtig ermunterte ich ihn zu gehen. Zuerst gemächlich bis ich mich auf den federnden Gang gewöhnte, danach forderte ich mehr. Sobald er versuchte mit den Flügel zu flattern protestierte ich mit einem energischen Nein. Flott trabte er mit seinen kräftigen Hinterbeinen voran. Es fühlte sich kaum anders an als bei einem Pferd mit gedehnten Zweiertakt Antrieb. Kurz bevor wir den letzten Baum erreichten rief eine überaus erschrockene Stimme, „Safina!“

Eine weibliche Stimme wohlbemerkt. Ohne Bedenken veranlasste ich Di`jon zu bremsen. Aha, hinter mir stand die kleine, harmlose Kaja.

„Hi,“ sagte ich munter zu ihr hinunter, „Sieh mal wenn ich gefunden habe.“

„Hu,“ alles andere als begeistert. Sobald Di`jon näher als drei Meter kam wich sie vor ihm zurück. Hielt ihre kurzen Arme hoch. „Ah, Lasst mich in Ruhe ihr Spinner. Ich verrate auch nichts. Aber halt den Chaosdrachen zurück!“ schrie sie aufgebracht.

„Komm schon,“ versuchte ich zu beruhigen. „So schlimm ist Di`jon auch nicht. Sieh nur wie brav er mich trägt.“

Misstrausch senkte sie ihren Arm. Dunkle fürchtende Augen in dem rundlichen Gesicht. Zwar wirkte sie mit ihrer Grösse und dem ängstlichen Ausdruck mehr denn je Puppenhaft, doch auch eine zähe Persönlichkeit. Rasch realisierte sie dass keine Gefahr bestand, vor allem nicht wenn man sich wehrte. Schamlos schnupperte Di`jon neugierig direkt vor ihrem Gesicht, dass ich fast Angst bekam, eine seiner Unarten brach aus. Doch Kaja zupfte warnend an einem seiner empfindlichen Tasthaare. Worauf sich mein kluger Drache merkte das kleine Dinge manchmal auch furchtlos sich verteidigten. Achtsam hielt er seine Kopf ausser ihrer Reichweite. Worauf Kaja stolz bemerkte. „Ja, heute scheint er einen guten Tag zu haben. Ausnahmsweise benimmt er...“

Aufgeregt schlürfte Di`jon geräuschvoll den Wind durch die geblähten Nasen. Meine Beine spürten seine zuckendes Erschaudern. Unsanft der Ruck als er wendig kehrte. Auf einmal seine Flügel dicht an den Körper presst und mit mächtigen Schritten voran stürmte, wobei er den Kopf gesenkt hielt. Wie ein gejagter Pfeil flitzte er davon. Blöderweise genau dicht an dem letzten Baum vorbei. „Warte! Warte!“ Schrie ich vergebens. „Was hat dich nur verschre... Uff!“ Geistesgegenwärtig streckte ich die Arm über den Ast aus. Kurz der Ruck, schon hing ich an dem untersten Ast fest. Fast drei Meter über dem Boden. Während Di`jon wie ein verschrecktes Huhn Richtung Stall flüchtete. Da ging mein Expresszug wieder mal ohne mich.

Unter mir kicherte es unverschämt. Immer lauter erschall das Gelächter. Ich grollte, „Sag kein Wort. Sag einfach nichts! Ausgerechnet beim letzten Baum muss er unter den Ästen durch. So ein Mist!“ kläglich spähte ich in die Tiefe.

Unter mir kicherte sie, „Der Chaosdrachen, was hast du erwartet?“

„komm nur ein bisschen näher und ich benutze dich als weiche Matte die mich auffängt,“ drohte ich. Weiterhin lachend sprang sie in Sicherheit. Genoss es da stehen zu bleiben um mich zu beobachten. Dieser stabile Ast war zu dick als dass ich wie bei einer Reckstange mich mit den Händen daran festhalten konnte. Sobald ich mit den Armen leicht ruckte, zwickte mich die spröde, rissige Rinde empfindlich in die Haut. Ein paar Mal versuchte ich hoch zu klettern, doch das Schaukeln kratzte durch mein dünnes Shirt hindurch empfindlich. Vielleicht wenn ich mein Bein hinüber schwang. Ah, diese verflixte spröde Rinde! Dennoch mein Absatz hielt sich in einer Vertiefung fest, da rutschte ich wieder ab. Alles nur weil Kaja warnend zuraunte, „Du da kommt Dongard.“

„Mist,“ ächzte ich, „Bitte sag dass er nicht hierher schaut, dann versuche ich es einfach mit Springen.“

„Dürfte schwierig sein. Er sitzt auf einem Dulie und hat uns entdeckt.“

„Was tut er?“ Fragte ich mit schwacher Hoffnung erfüllt dass er uns Ignorierte.“

„nun, nachdem er festgestellt hast dass du so aussergewöhnlich am Baum hängst, hat er beschlossen bei uns nachzusehnen. Was denkst Du was ein Kommandant tut wenn er einen seiner Schüler so hängen sieht!“ Sie genoss richtig meine peinliche Position.

Lange brauchte ich nicht zu warten bis die Duliehufe hinter mir scharrten.

Ohne jeden Vorwurf Dongards überaus freundlicher Kommentar. „lasst mich raten, eine Gymnastikübung?“

Endlich bewies er dass auch eine Messerspitze Humor in ihm steckte.

„Klar.“ Was mich am meisten störte verriet ich auch gleich, „Am liebsten wenn mir eigentlich KEINER zusieht!“ Verlangte ich taktvoll sein Verschwinden.

Es schien als würde er ernsthaft überlegen. Bedauerlicher weise verzog sich sein Gesicht wie bei einem uneinsichtigen Kind. „nein,“ kam es schlicht. In seinem Ton Uninteresse für meinen Wunsch. „Willst du wieder unpünktlich erscheinen,“ hielt er mir stattdessen vor. „Safina, ich brauch dich in der Klasse, also lass dir helfen.“ Hilfreich dirigierte er seinen Dulie unter den Ast. Genau auf Sohlenhöhe berührte ich den weichen Rücken. Diesem leicht bebenden Grund misstraute ich dermassen dass ich mich gar nicht getraute den Ast loszulassen. Dongard stemmte sich in den Steigbügel hoch und stützte mich mit einer Hand um die Taille. Ruhig, singend sein Ton. „Lass deinen Arm einfach locker und heb ihn etwas an.“ Gegen meinen Willen folgte ich. Bemerkte dass sich der Ast bereits mehrere Zentimeter entfernte. Unsicherheit zwang mich zu handeln, zuwider meiner Angst. Als könnt ich mich verbrennen fasste ich probeweise nach Dongards Schulter. Er bemerkte meinen inneren Konflikt. „Hey,“ versuchte er mich abzulenken. Fasste mich fester um die Taille. „Ich lasse dich schon nicht fallen! Und solange du nicht an meinen Haaren zerrst, hörst du keine Beschwerden.“

Schon komisch. Da arbeitete ich so lange mit Dongard zusammen und doch so ungewohnt eine normale, selbstverständliche Berührung. Doch gerade seine Stärke verdeutlichte was ich darstellte, nämlich eine überaus unsichere Person. Langsam fasste ich Vertrauen und benutzte meinen Halt um mein Gewicht besser auszugleichen. Wieder einmal ging Dongard meine Lehnstufe zu langsam. „Okay, gewöhn dich besser daran!“ Auf einmal lies er mich los. Absichtlich zwang er mich dazu richtig an ihm Halt zu suchen. Überängstlich zupfte ich, während meine versteiften Beine zitterten, an einer losen Haarsträhne bei ihm. Über sich selber lachend gestand er, „war wohl eine schlechte Idee. Du greift zu allen Massnahmen. Komm..“ versuchte mich langsam nach unten drängen. Zähflüssig kauerte ich auf dem unsicheren Dulierücken. Rutschte meine Beine nach vorne. Dass ich im Damensitz hinter Dongard sass. Statt zu lockern verstärkte er seinen Griff. Schwang mich auf einmal nach vorn dass ich auf seinem linken Oberschenkel sass. Eindringlich sah er mir in die Augen. „eines ist mir ein Rätsel? Verrate mir mal wie du auf den Dornenbaum gelandet bist?“

Irgendwie wollte ich ausweichen. Doch diese grossen Melfenaugen forderten die Wahrheit. Also blieb mir nur eine Taktik. „Es ging so furchtbar schnell.“

Natürlich kicherte Kaja bei der blossen Erinnerung daran. Worauf Dongard sich an sie wandte. „Also?“

„Oh, ein übereilter Abgang, wirklich. So schnell habe ich Safina nie gesehen. Ähm, ich glaube mein Dienst fängt gleich an. Also, Safina, nächstes Mal nicht so übertrieben erschrecken.“ Nach diesen Hilfreichen Worten flitzte sie selber flink davon.

Verächtlich über diesen Unsinn, „Erschrecken.“

„In diesem Punkt bist du durchaus anfällig. Was hat dir denn so viel Angst eingejagt?“

Ups, fieberhaft suchte ich nach einer plausiblen Lösung. Spontan fischte ich nach der letzten prägenden Erfahrung. „ich habe etwas gehört das klang verdächtig nach einer Baumkatze.“ Damit traf ich voll die Wahrheit. Wenn man den kuriosen Schrei bedenkt.

Lange suchte Dongard in meinem Gesicht nach bestätigenden Beweisen. Dabei gab ich mein möglichstes um völlig unschuldig auszusehen. Leicht Kopfschüttelnd meinte gab er seine hintersten Gedanken kund. „Es bleiben da jede Menge offene Fragen. Ihr Frauen verheimlicht mir etwas. Ich kenne euren verschwörerischen Gesichtsausdruck.“ Wobei er auch die Distanz vom Boden bis zum Ast hoch mass und vermutlich mit seinem scharfen Blick, Verstand realisierte dass keine Kratzspuren an der Stammrinde da waren wo eigentlich hätten welche sein müssen. Was ihn vermuten liess... prüfend blickte er hoch zu den unzählig verzweigter Baumkrone hinauf. Genau ahnte ich seine Gedankengänge. Da oben gab es nichts interessantes was einen Höhenflug auslöste. Aufgebend beabsichtigte er mich auf den Boden ab zusetzten. Bevor meine Schuhe den Laubboden berührte wollte er noch einmal wissen. „Ist es was wichtiges, was ihr mir da verschweigt?“

„Ach Dongard, es war vorhersehbar das dies passiert. Also keine grosse Überraschung wenn du es heraus.... Hey, lass mich runter!“ protestierte ich in meiner unbequemen Lage.

„herausfinden. Also kommt es so oder so an Tageslicht. Wenn du es mir jetzt erzählst gibt es Milderung bei der Strafe, falls du was angestellt hast!“

Mist, ich sass schon wieder auf seinem Oberschenkel. Diesmal hielt er noch mein Bein fest das ich auf keinen Fall herunter rutschte oder gar mit einem Sprung flüchtete. Seltsam die vertrauliche Nähe zwischen uns, gleichzeitig auch die ewige gewisse Distanz. Bisher hatte ausser Maxim mich nie jemand so angefasst. Und ich musste trotz meiner Zwangslage zugeben das ich mich wohl fühlte. Eigentlich gegen meinen Willen fuhr ich ihn unfreundlich an. „Hey, was soll das?“ Alle Zeit der Welt schien ihm zu gehören. Sah mich so an- mit dir Spiele ich gerne. Und erst als ich die innere Anspannung aufgab, gab er mich frei. In einer fliessenden Bewegung stellte er mich auf den Boden zurück. Obwohl ich über 55 Kilo wog, entdeckte man keinerlei Anzeichen von Anstrengung. „Safina, du hast noch viel zu lernen.“ Schmunzelte, „am besten fängst du mal mit den anderen Frauen an zu Baden. Hat dich Ascha bisher nie eingeladen?“

Verwirrt blinzelte ich ihn an. Schon wieder sprach der das Badethema auf so bedeutsame Weise an. „Was hat das Baden mit dem Lernen gemeinsam?“

Worauf er breiter Lächelte. „Das wirst du schon merken. In erster Linie hilft es dir zu entspannen wenn auch andere Personen in deiner Nähe sind. So, und jetzt rate ich dir zu einem anderen Kunststück. Geh dir was sauberes anziehen und versuche vor mir im Klassenzimmer zu sein! Schaffst du das? Wenn nicht, bist du deinen nächsten Freitag los.“

Er wartete gar nicht meine Antwort ab, sondern kitzelte Paya mit seinen Stiefelabsatz. Donnernd sprengte der Dulie, fast wie sein Vorgänger, flink davon. Mir blieb keine Zeit meinen eleganten Kommandanten als erfahrenen Reiter zu bewundern. Beabsichtigt eilte er um mich herauszufordern. Pah, auf kurze Distanz übertraf ich auch viele andere, meiner Rasse. Kaja war längst ausser Sichtweite, so legte ich mal einen scharfen Spurt zu den mir niemand im Lager zutraute. Innerhalb weniger als fünf Minuten schaffte ich es, in gepflegtem Outfit, das Klassenzimmer zu betreten. Ein wenig kämpfte ich meine gestressten Atemzüge zu regulieren. Unauffällig setzte ich mich an einen freien Platz in der hintersten Reihe. Kaum berührte mein Hintern die polierte Sitzfläche von Stuhl rauschte bereits der träge Lehrer Mel herein. Mit K`tug gehörte er eindeutig zu den Fossilien im Lager, was das Alter betraf. Im Gegensatz zu dem aufgeweckten Koch hingen Mel die Gesichtfalten schlaf nach unten. Irgendwie erinnerte er mich an eine Familien bezogene Pulldoge, mit seinen hängenden Wangen. Mit immenser Geduld ausgestatte gegenüber unserer lebhaften Verhalten. Jahrelang trug er dieselbe Kleidung. Stehts sauber aber langweilig erschien er in dem schlichten Gewand aus dunkelbrauner Leine. Leider gab es eine Gemeinsamkeit zwischen uns; er war wie ich ein Aussenseiter. Allerdings machte ihn das für mich nicht sympathischer. Sein träger Charakter war einfach zu lasch. Genauso wie die anderen nutzte ich seine Gutmütigkeit aus. Hörte nur mit halben Ohr zu was er da vorne eh kompliziertes über Luftströmungen und Wolken Veränderung auftischte. Notierte mir ein paar verstehende Sätze und lernte dafür eine Menge über die neue Schriftweise die mir Dongard auftischte. Seltsam dass er es für nötig hielt dass ich sogar Melfisch lernte. Ausserdem sollte ich es vor den anderen Verstecken. Was wusste Dongard mit seiner übersinnlichen Gabe über meine Zukunft. Zu gerne hätte ich ihm darüber ein paar Fragen gestellt. Doch gleichzeitig wusste ich bereits das es verschwendete Mühe war. Niemals verriet er mir seine wahren Geheimnisse. Sonst taten die Geschehnisse gar nicht ein... Ja, ja, ich kannte Dongard Befürchtungen. Auf einmal setzte sich Mel in Bewegung. Verteilte überraschend weise kurz vor Unterrichtende Testaufgaben. Zehn Fragesätze von denen ich nur gerade zwei wusste. Höflich bat er uns alles auf die Seite zu legen und zu beginnen. Missmutig starrte ich die schwierigen Fragen an. Es half nichts. Schule lag mir einfach nicht. Meine schlechten Noten vernichteten bestimmt Dongard hochtrabende Träu... Neben mir, rechts und links, zwar jeweils im anderhalb Meter Abstand sassen Banknachbarn. Wortlos, nur mit den Händen vollführten sie merkwürdige Gesten. Beide schrieben was auf einen kleinen Zettel und rollten ihn zusammen. Prüfend huschte mein Blick auf den Lehrer der mit dem Rücken zu uns die Blacktafel sauber putzte. Etwas flitzte haarscharf vor meiner Nase vorbei. Meine eingerosteten Reflexe versagten. Meine Hand fischte ins leere. Allerdings stand mir das Glück auch im Rücken zu. Am enttäuschten Gesichtsausdruck von Rechts erkannte ich dass was nicht stimmte. Folgte seinem Blick hinter mir. Da lag die kleine Papierkugel am Boden. Ohne Bedenken, schob ich sie mir dem Fuss unauffällig näher zu mir. Behielt den Lehrer ständig im Augen und begann den Spickzettel abzuschreiben. Paradiesisch, einfach die neuen Buchstaben abzuschreiben statt mühselig ihre Veränderungen vorher nachzusehen. Mhm... da fehlten noch einige Punkte. Frech winkte ich nach Rechts, der mich bedrohlich Anstarrte. Unbeeindruckt winkte mein Zeigefinger fordern. Erst nachdem er die vorherige verpassten Nachricht auch mir zustellte, gab ich meine erwartete Nachricht weiter. Kritisch bedachte er mich mit einem- na warte, das merke ich mir- Blick. Wagemutig streckte ich ihm kurz die Zunge heraus. Effektvoll viel ihm sogar der Zettel aus der Hand. Zum ungünstigsten Zeitpunkt als Mel gerade sich umwandte. Verwundert huschte der eingefallende Blick des Lehrer zwischen uns hin und her. Blieben dann am Zettel hängen. Enttäuscht setzte er sich träge in Bewegung. Meine Reaktion übertraf seine weit. Hastig stürzte ich vor, schnappte mir den Spickzettel. Rollte ihn wieder zusammen und verbarg ihn verschlusssicher in meinem Mund. Verschluckte mich fast an dieser Monsterpille. Erst nachdem ich das trockene Papier in meinem Magen verstaute, gelang es mir zu sprechen. „Meine Liebesgedichte werden nur vom persönlichen Empfänger gelesen.“ Dabei hustete ich vorgetäuscht um etwas abzulenken.

Mein Nachbar errötete unter dem strengen Blick des Lehrer erst Recht, was der Angelegenheit einen glaubwürdigen Tatsch aufsetzte. Zum ersten Mal sah ich Mel leicht aufgebracht. Wirkte eher Väterlich als er mahnt mit erhobenen Zeigefinger. „Flirtet gefälligst draussen wo ihr den Unterricht nicht stört. Warum wollt ihr jungen Leute immer so schnell eine Beziehung anfangen. Denkt erst an eine vernünftige Bildung...“

Keiner hörte ihm mehr zu als er die Aufgabenblätter einsammelte. Mein linker Nachbar amüsierte sich köstlich während andere das vermeidliche ertappte Paar anglotzten. Ich legte nur eine Hand stützen an meine Stirn. Himmel, wenn das Gerücht Dongard erreichte, wie würde er reagieren. Endlich gab Mel das erlösende Zeichen zum Verlassen des Raumes. Unsicher stand mein betroffener Nachbar auf. Schlich unentschlossen an mir vorbei. Draussen im Gang gab ich ihm zu verstehen. „Nimm es nicht ernst. Wenigsten haben wir gute Noten.“ „Okleras,“ stellte sich der ca. achtzehnjährige vor. Überrumpelt nahm ich sogar die dargebotene Hand, zum Gruss, an. „Safina, ich weiss. Du bist bekannt. Falls ich nachträglich Gerüchte höre, angeblich über uns, dann lernst du mich von der unangenehmen Seite kennen!“ Prophezeite er mit einem gespielten Lächeln im Gesicht. Dunkle Augen blitzend warnend in dem südländischen Gesicht. Eigentlich fehlte ihm nur eine gesündere Bräunung der Haut und ich hätte geschworen er gehörte bei seinem Typ nach Italien oder Spanien. Mit einem herzhafteren Lächeln eroberte er bestimmt leicht ein Frauenherz. Jedenfalls besass er das hübsche Gesicht mit gepflegtem kurzen, schwarzem Haar dazu. Nur mit der überlegener Nummer versuchte er es bei der falschen Person. Fester Händedruck unterstützten seine Worte. Nun, gut. Ich legte wiederum all mein Kraft erwidernd hinzu. „Nett, Okleras. Mir ist doch beinahe Langweilig geworden. Ich freue mich schon auf deine unterhaltsamen Auseinandersetzungen.“

Worauf sich seine Augen, mal ehrlich, weiteten. Angriff ist die beste Verteidigung. Besonders wenn ich wusste, von der Unterrichtstunde, wie leicht er sich aus dem Gleichgewicht bringen liess. Da nutzte ich meine unverschämte Asskarte geschickt.

Verunsichert blieb er auf der Stelle stehen, während ich mit den anderen im Bewegungsfluss mitschwamm. Gerade als ich den Speisesaal verliess, winkte mich, eine wartende Person an der Wand, auf die Seite. „In mein Büro,“ verlangte mein Chef ziemlich geladen. Demnach deckte er inzwischen auf, das sein geschätzter Lieblingsdrachen seinen eigenen Willen ausführte. Betreten folgte ich verstimmten Anführer. „Hör zu Kommandant Dongard, ich kann wirklich nichts dafür dass er wieder da ist. Schliesslich hatte ich keine Ahnung wo du ihn überhaupt versteckt hattest. Also kannst du mir auch nicht in die Schuhe schieben dass ich ihn befreit habe. Dafür stand mir gar keine Zeit..“ Abrupt schoss Dongard verärgert herum. „Das weiss ich selber. Der springende Punkt liegt ganz woanders. Also rein ins Büro, wir haben ein ernsthaftes Problem zu lösen!“ Manierenhaft öffnete er mir dir Tür. Während ich in sein hinteres Büro steuerte hörte ich ihn hinter mir zu dem beschäftigten Monat sagen. „Such Derek und sag ihm ich muss mit ihm was besprechen!“

Komisch, dachte ich während ich mich brav auf den Stuhl vor dem breiten Schreibtisch setzte. Derek machte mir gegenüber eine Bemerkung dass er noch einige Dulies bis zum Abend Bewegte. Um den leicht gereizten Tieren Abwechslung zu bieten, ritt er mit ihnen aus. Statt sie monoton im Kreis zu longieren, bevorzugte er selber die erholsamere Variante. Eigentlich kannte Dongard seinen Stellvertreter auswendig. Warum schickte er dann Monat den weit abwesenden Derek zu suchen? Um ungestört hier im Raum zu verhandeln? Ahnte er das der neugierige Monat manchmal auffällig gute Ohren besass?

Jedenfalls verdächtigte ich Monat dass er gewisse Geheimnisse ausplauderte die ihm gar nicht zustanden. Energievoll rauschte Dongard an seinen Platz und plumpste förmlich geladen in seinen gepolsterten Stuhl. Bei der ausgeklügelten Federung durfte er es sich leisten. Sein dunklen Augen überflogen die vorliegenden beschriebenen Papiere auf den Schreibtisch und auf einmal wanderte sein finsterer Blick zu mir. Vermittelte mir den Eindruck das etwas gar nicht stimmte. Unsicher blickte ich zweifelnd sogar nach hinten. Unheilvoll begann er im scharfen Ton. „Für in Zukunft merkte dir, dass man sich erst hinsetzt wenn man dazu aufgefordert wird. So ziemlich alle Büros halten es für einen ziemlichen Affront, wenn du so eigenmächtig handelst. Demut und Bescheidenheit bringen einem ziemlich weiter wenn du was von höheren Behörden willst. Falls ich dich jemals mit einem Auftrag beordere, befolge diese Sitte! Bleib!“

Gespannt wollte ich unsicher über seine Rüge aufstehen, doch nach dem rüden Ton setzte ich mich einfach gerade hin, aufmerksam. „Ja, Kommandant,“ liess ich leise, eingeschüchtert von mir hören.

„Also, nun zu unserem alt bekannten Übel. Der eigensinnige Di`jon ist wieder hier. DU,“ er zeigte sogar mit dem Zeigefinger warnend zu mir, „DU wirst ihn nicht besuchen! Keine Streicheleinheiten, keine Belohnungen, nicht der geringste Kontakt ab heute! Haben wir uns verstanden!“ Gebannt liess er mich nicht aus den Augen. Damit er keine Reaktion verpasste. Vermutlich hätte ihn nicht mal ein Explosion in seinem Lager davon abgehalten mich genau zu prüfen. Keinerlei Hintergedanken bei mir entstehen zu lassen.

Zuerst brauchte ich einen Moment um das Verlangte zu verstehen.

Sofort forderte er. „Sag offen was du denkst, damit wir gleich jedes Missverständniss ausräumen.“

Langsam suchte ich nach dem günstigsten Anfang. „Okay. Du bringst ihn also nicht wieder weg?“ „Nein! Einen erneuten unerlaubten Ausriss kann ich mir nicht leisten. Sonst denken die vom zuständigen Amt dass er Eigenmächtig handelt. Dass wir sozusagen keinerlei Kontrolle über ihn haben und dann dürfen die Behörden mir sogar die Lizenz fürs Züchten einziehen. Es steht zuviel auf dem Spiel dass ich es mir nicht leisten kann drastische Erziehungsmassnahmen zu wiederholen.“

Mir zitterte es innerlich bei der Schlussfolgerung. „Darf ich ihn nicht mal sehen?“

Mürrisch überdachte Dongard diese Entscheidung erneut. Wusste dass es ziemlich hart für mich wäre. Eindringlich verdeutlichte er seine Regeln. „Nur wenn er auf der Weide ist. Zwischen euch muss mindesten zwanzig Meter Abstand sein. Wehe ich treffe dich einmal in minderer Nähe. Ich streich dir für jede halbe Minuten einen freien Tag,“ drohte er unwiderruflich. Sein Urteil fand ich grausam aber ich verstand seine Position. Seine Verantwortung als Kommandant forderte das er keine Zweifel an mangelnder Disziplin in seinem Lager aufkommen lassen durfte. Bei mir wurde gerade der bisherige Ausländerbonus gestrichen. Ab heute hiess es nicht mehr dass mir ein Jahr Unterricht fehlte und gewisse Regeln einfach noch nicht richtig sassen. Nein, ab heute galt dass ich ein Jahr verpassten Unterricht aufgeholt haben sollte oder zumindest aus meinen Fehlern beim ersten Mal lernte. Bedachte er denn gar nicht meine schlimme Vergangenheit? Meine leere Zeit im Irrenhaus wo ich ausser bravem Dahinvegetieren keine Regeln beachtete. Schlau genug war ich dass man mir Einblicke in die Bibliothek gewährte. Jede Erziehungsmassnahme mit deren Entzug wiederum versagte. Dann verzichtete ich eben auf Bücher und startete erneut einen Rückschritt, bis sie mir wieder das lesen anboten. Zwingen, oder schrittweise Vorbereitung auf ein leistungsfähigeres Leben liess ich nicht zu. Ich wollte damals nur in meiner abgegrenzten Welt bleiben oder wählte gleich den letzten Gang. Meine vernarbten Handgelenke bezeugten meine sture Hartnäckigkeit.

Was Dongard hier nun verlangte war hart für mich zu akzeptieren. Indem er mir erlaubte Di`jon wenigstens zu sehen, zeigte er mir, bei aller Freundschaft, quasi eine offene Hintertür. Er wusste von meine innigen Verbindung zu meinen Haustier und wollte sie nicht brutal abbrechen. Schweren Herzens akzeptierte ich seine eingrenzenden Bedingungen. „Danke dass du mir die Möglichkeit gelassen hast ihn wenigstens zu sehen.“ „Kannst du dir auch denken warum ich das mit der Distanz verlange?“

Ahnungslos schaute ich ihn an.

„Nun Safina, nachdem du weg warst bin ich zum Baum zurück gekehrt, um nach Spuren zu suchen. Im trockenen staubigen Boden sieht man eine Menge. Besonders interessant dass deine flachen Stiefelabdrücke erst auftreten nachdem ich dich auf dem Boden aufsetzte. Ausserdem sehr auffällig die weichen, tiefen Ballenspuren von Di`jons Hinterfüssen. Du hast auf seinem Rücken gesessen trotz ausdrücklichem Verbot! Vergiss nicht dass er trotz seiner Grösse erst zwei Jahre alt ist. Er wirkt zwar wie ein ausgewachsener Drache aber seine Knochen sind noch viel zu weich. Erst in ein paar Monaten beginnen wir mit dem langsamen Angewöhnen von zusätzlichem Gewicht. Bauen in Etappen seine Muskulatur auf. Für alles andere ist es zu früh.“

Kleinlaut meinte ich. „Selbst wenn er anders entscheidet?“

Erschrocken horchte Dongard auf. „Er wollte dass du auf seinen Rücken steigst?“

„unmissverständlich. Di`jon schubste mich förmlich hinauf. Danach brauchte ich ihn kaum anzutreiben. Jedenfalls war es leicht ihm zu verdeutlichen dass ich nicht fliegen wollte. Wenn du ihn nicht so erschreckt hättest wäre ich gar nicht erst auf dem Ast gelandet.“

Unheilvoll Dongard tiefe Stimme. „Wenn du mir jemals ohne Gurten fliegst...“ Es genügte ein Blick in seine besorgten, drohenden Augen. Weitaus Eindrucksvoller bannte sich die bildliche Warnung in mir fest.

„Ich bin doch nicht verrückt! Ausserdem kennst du meine Abneigung vor Höhen. Freiwillig würde ich nie den Luftweg wählen,“ versicherte ich ihm überzeugt.

Wie immer schaute er tief in die Augen. Fand die tief verankerte Ehrlichkeit.

„Gut,“ meinte er beruhigt zurück lehnend. „Weißt du was ich an dir mag? Das du trotz allem Unfug den du anstellst, trotz den einigen Strafen bisher, nie meine Autorität missachtetst. Vor einigen Jahren stellte sich ein Mädchen in den Dienst dass war dir ziemlich ähnlich. Mit einem fatalen Unterschied dass sie öfters meine Befehle nach kurzer Zeit ignorierte. Vorne herum die liebe Schülerin, ja Kommandant, und sobald ich verschwand begann sie hinter meinem Rücken über mein Urteil zu lästern. Bei dir hab ich volles Vertrauen dass wenn du es mal kapiert hast wirklich die Regeln einhälst. Dafür bin ich dir sehr dankbar. Also es ist zu früh für Feierabend. Kannst du mir Paya von der hinteren Weide holen? Nimm einfach ein Stück trockenes Brot mit. Dunkles mit Kernen mag er am liebsten. “

Damit hielt er unsere Sitzung für geschlossen. Doch eines schwirrte in meinem Hinterkopf unerledigt herum. „Was Mädchen das mir angeblich so gleicht, was ist mit ihr passiert? Hat sie die Ausbildung geschafft?“

Dongard mittlerweile mit Papieren über den Haushalt beschäftigt, hielt inne. Schmunzelte mich mit einem überlegenen Zug an. „Nein. Ihre Probleme, Ranghöhere zu missachten, hat sich derart verschlechtert dass ich sie schlussendliche auf eine sehr lehrreiche Mission schickte. Das wird ihre unbelehrbare Einstellung drastisch verändert haben.“

„Du bist dir darin sicher?“ „Vollkommen,“ kam es überzeugt. „ich hab sie zu einem entfernten Freund geschickt. Weit entfernten Bekannten, bei dem ich in meiner früheren Ausbildung geholfen habe einen Streit zu schlichten. Ganz ehrlich, diesen aufbrausenden Zentauer möchte ich nicht zu meinen Nachbarn zählen. Ihm sind immer die helfenden Kollegen weggelaufen und am Ende musste er sein Land allein bewirtschaften. Jedenfalls hab ich ihm in einem Brief mitgeteilt dass ich ihm eine zähe Arbeitskraft schicke. Hab ihn freundliche gebeten ein Jahr auf die unfreiwillige Sklavin aufzupassen. Dazu eine schriftliche Bewilligung dass alles Legal ist wenn er das widerspenstige Kind ein Jahr bei sich gefangen hält und Erziehungsmassnahmen durchsetzt. So einfach. Ersparte uns viel Ärger und am Ende bekam sie doch eine wertvolle Ausbildung für spätere Leben. Sie wird ein ganz anderer Mensch gewesen sein als sie nach Hause durfte.“

Aufgeweckt entdeckte ich da eine unbekannte Seite an Dongard. Nie traute ich ihm eine derart radikale Massnahme zu. Direkt Furcht über viel mich vor so einem erbarmungslosen Lehrmeister. Da nutzte sein zuversichtlichen Worte kaum, „keine Sorge, dir wird das nicht passieren. Zur Zeit brauche ich jede Arbeitskraft und der glückliche Umstand dass du meine Wünsche achtest, trennt dich vor so einem verzweifelten Urteil.“

Aha, das verschafft mir wahre Erleichterung. Leichten Schrittes spazierte ich zur Tür.

„Safina!“ Sein besorgter Tonfall lies mich rasch umdrehen . „Hast du schon gehört das N`toki verbreitet sie sei von einer Baumkatze angegriffen worden? Das soll ganz in der Nähe von deinem Baum gewesen sein. Also bitte sei vorsichtig wenn du draussen herum spazierst. Sei bei Anbruch der Dunkelheit auf jeden Fall im Lager!“ verlangte er eindringlich.

Himmel noch mal! Das mit der Baumkatze fuhr ja richtig ein. Wenn die wüssten das dies ein ausgemachter Schwindel ist. Doch ich genoss es N´toki in Furcht zu wissen. Wo man ihr doch die meisten Auswärts Missionen zuteilte. Grins! Innerlich lachend zielte ich zum Ausgang. Bevor ich das natürliche Licht erreichte, drehte ich mich auf dem Absatz herum. Verflixt, beinahe das dunkle Brot vergessen. Also Abmarsch in die Küche. Schlängelte mich lautlos durch die dichten Stoffbahnen die den typischen Küchengeruch zurückhielten. Keiner war da. Schwach flackerte die obligatorische Kerze, bei meinem eintreten, an der Wand. Gleich neben dem mit aromatischen Vorhang sammelte man die Abfälle für die Tiere, unterem anderen das alte Brot. Suchte was mittelgrossen, was gerade angenehm flach in eine Hosentasche passte und blieb mit der Hand an einem dünnen fast unsichtbaren Faden hängen. Das Erinnerte mich daran dass ich einmal meine Kleider nach Reparaturen überprüfen sollte. Beschlagnahmte die praktischen Hilfsmittel dazu. Froh aus der dunklen Küche zu verschwinden, schlenderte ich zügig aus der kühlen Höhle in die ziemlich schwüle Sommerluft. Obwohl die Sonne hinter den Hügeln bereits sank, genoss ich hier wiederum den Schatten der getarnten Goldblöcke. Dementsprechend bremste ich mein Tempo ab um es möglichst lang hinauszuzögern. So vernahm ich deutlich ein Worte vom Drachenstall inneren. Die Tür stand halb offen und darum erkannte ich Derek klare Stimme. „kein Problem, ich mach heute die Letzte Runde.“

Es klang so als ob er gleich rauskam also bewegte ich mich schneller. Ein paar Ecken und schon verschwand ich ungesehen zwischen den Hügeln. Suchte einen einfachen, kürzeren Weg zu den Weiden. Mhm, Derek war zuständig für den letzten Kontrollgang! Da kam mir eine glänzende, sichere Idee.

Vertieft in meinen Gedanken wanderte ich automatisch über die Weide. Überdachte meinen treffsicheren Schachzug als ich einen braunen Fleck im Gras bemerkte. Im letzten Moment entging ich dem Schicksal in einen Misthaufen zu treten. Aufgeschreckt prüfte ich meine Umgebung. Ich war umringt von friedlich grasenden Drachen. Die wenigsten nahmen Notiz von mir sondern widmeten sich der suche nach dem spärlichen, dünnen Gras. Selbst Di´jon, mit dem Rücken mir zugewandt, suchte sich die letzten, besten Grasbüschel zusammen. Beschleunigten Schrittes zielte ich die hintere Weide an. Damit die zwanzig Meter Sicherheitsdistanz ja eingehalten wurde. Leider verrechnete ich mich mit dem verräterischen Wind. Wohlbekannt der laute, bittende Schrei um Aufmerksamkeit. Mein beste Reaktion- abhauen. Rannte los. Sekunden später stellte ich am zunehmenden Rauschen, hinter meinem Rücken fest, dass Di`jon mir schlicht folgte. Bei seinem langen Schritten holte er mich rasch ein. Aufgebend stand ich auf der Stelle still. Rührte mich nicht von der Stelle. Hinter mir bremsten die donnernden Schritte ab. Starr hielt ich meinen Kopf nach vorne gerichtet. Betete dass Dongard ja noch in seinem Büro intensiv arbeitete und nicht mitbekam dass Di`jon längst die erlaubte Nähe überschritt. Warmer Atem blies mir regelmässig in den Nacken. Auffordern zupfte mein übermütiger Drache ungezogen an einer Haarsträhne. Ihn keines Blicke würdigen trat ich eine Schritt ausser Reichweite. Deutlich sein schmollender Laut über die strafende Missachtung. Hastig setzte ich einen weiteren Schritt vor. Hartnäckig wie Di`jon war gab er jedoch nicht so einfach auf. Mit übermut stupste er leicht mit seiner Nase, mir an Rückgrad. Zuerst überrumpelte er mich mit so einem plötzlichen Schubs. Beinahe viel ich nach vorn auf alle viere. Danach überlegte ich mir dass keine andere Wahl übrig blieb. Um ihn loszuwerden, lag es an mir, sonst hing er weiterhin wie eine treue Klette an mir. Mürrisch zog ich meine Stiefel auf. Hier gab es keine umliegenden Steine um zu werfen. Dafür hatte Dongard gesorgt, dass der kostbare Weideboden geräumt blieb. Ausserdem hielt ich die verstreuten Kieselsteine für unwirksam. Also schwenkte ich meine Stiefel drohen vor Di`jons Gesicht und versuchte ihn zu verscheuchen. Er mit seinem Meterlangen Hals hielt seinen Kopf einfach ausser Reichweite. Genau weil ich das erwartete zog ich die Stiefel aus. Schleuderte meinen festes Schuhwerk erbarmungslos mitten an seinen Kopf. Und wenn ich wütend bin, dann treffe ich! Kopfschütteln wich Di`jon Seitlich aus. Schon pfefferte der zweite Schuh über seinen Rücken. Streifte beim Saltoschlagen mehrmals seinen Rücken. Überrascht von meiner wirksamen Reichweite flatterte Di`jon wie ein verstörtes Küken zu seiner Herde zurück. Bevor er sich hinter seinen Verwandten versteckte, blickte er wie ein geprügelter Hund, traurig zu mir herüber. Ich wusste dass jetzt ein Teil seiner heilen Welt mit mir einen Knacks erhielt. Aber vielleicht war diese kleine Angst gerade nötig um auch den wichtigen Respekt zu lernen. Denn wie schnell wurden Di`jons Übermut schmerzhaft für mich!

Schweren Herzens sammelte ich meine Schuhe wieder ein. Streifte sie über. Zeit mich der letzten Arbeit des Tages zu erledigen. Problemlos liess sich Paya in den Stall führen. Genauso ereignislos verlief der Ablauf des Abendessens. Der einzige Unterschied zu anderen Tagen, dass N`toki mit Abwesenheit auffiel. Von Ascha erfuhr ich dass N`toki auf die Jagt der Baumkatze geschickt wurde. Anscheinend erhielt sie ein paar wirksame Waffen um das Tier aus unserem Revier zu vertreiben oder im Ernstfall bei einem Angriff zu töten. Na ja, wenigstens war N`toki auf der Jagt, ganz in ihrem Element beschäftigt. Mal was anderes als immer nur Eifersüchtig nach Dongards Freundinnen jagt zu machen.

Nach dem Abendessen setzte ich mich draussen wie öfters auf die Steine. Bis der Sonnenuntergang sie allmählich in ein leichtes graurot verfärbte. Überhaupt braute sich heute Abend eine seltsame Bildung am Himmel zusammen. Ein hässliches Geschmier aus verschiedenen Grautönen und einem leichten Rotstich. Drückend Luft bis in die letzten Abendsstunden. Zwischendurch wehte ein unruhiger, leichter Wind der mehrmals unentschlossen die Richtung wechselte. Ob ein Unwetter in der Nacht wartete? Bis dahin war meine Falle längst geglückt. Da ich mich selten rührte blickte der Turmwärter, zu meiner linken, selten zu mir herüber. Sein Interesse galt wie mir der weiten, hinteren Ebene. Wobei bei meiner niedrigen Position nur der Blick, knapp über den nächsten Blockhügel, bis zum Anstieg zur hinteren Weide reichte. Trotzdem so weit so leer die ersten Quadratkilometer. Die rechteckigen Blöcke, ein paar Zäune so selten wie die Bäume und jede Menge dürres Gras. Heute Abend dünkte es mich ziemlich ruhig. Normalerweise zirpten ein paar Grillen zwischen den mit Unkraut gefüllten Ritzen zwischen den Blöcken. Oder ein paar gewitzte Vögel suchten nach Insekten über den aufgewärmten Steinen. Doch ich bevorzugte heute Abend die Stille dem ausgelassenen Freizeitspielen. Wenn ich die andern so heiter lachen sah, so ... glücklich wie sie miteinander eine Gemeinschaft bildeten dann tat das mir immer weh. In mir stieg der Wunsch, die Erinnerung, hoch wie gerne ich solche ausgelassenen Stunden mit Maximilian teilen möchte. Früher kämpfte ich in den Abendstunden dieselben Brettspiele wie heute Dongards Mannschaft. Auch wir lachten dabei. Berührten uns mit den Händen. Wie vermisse ich seine vertraute Nähe. Mir war als hätte man ein Teil meines lebenswichtigen Zuhauses entfernt. Himmel, ich brauchte dringend wieder eine Abwechslung bevor mich Traurigkeit einholte. Heute Abend spielte ich ein anders Spiel. Ein persönliches das nur mich und Derek galt.

Im Halbdunkeln machte ich mich auf dem Weg zu den hintern Stallungen. Spätestens jetzt hatte jeder seine Ausflüge beendet. Und selbst wenn N`toki später eintreffen sollte, wählte sie der Sicherheit wegen den einfachen Hauptweg. Niemand würde in der Nacht, selbst mit einem trittsicheren Dulie über unregelmässige, steinerne Treppenstufen gehen. Da ich ausserdem Dereks Grösse mitrechnete spannte ich den unsichtbaren Faden auf der sicheren Höhe das nur bei ihm die Falle funktionierte. Also sobald er mit Stirnhöhe den Faden berührte viel eine Dose scheppernd um und löste ein paar lange Zweige aus der Verankerung. Absolut alles harmlos. Nur im Dunkeln, bei seinem letzten Kontrollgang, versetzte dass einem argen Schrecken. Zufrieden über einen gelungenen, genialen Plan kehrte ich in mein stilles Quartier. Mit einem Lächeln legte ich mich schlafen.

Irgendwann zu später Stunde weckte mich eine laute Stimme vom Gang draussen. Zuerst erhoffte ich dass Derek seinem Ärger Luft machte, doch ich erkannte enttäuscht das N`toki sich wieder mal mächtig nervte. Ausblendend rollte ich mich auf die andere Seite und träumte weiter von meinem alten Freund.

Irgendwann später spürte ich zur aussergewöhnlicher Stunde eine rüttelnde Hand an meiner Schulter. Sobald ich mich anstrengte einen klaren Kopf zu schaffen, schmerzten meine Augen. Also unterliess ich die ganze Aktion. Brummte mürrisch und zog protestierend die Decke über den Kopf. In meinem Zelt verkrochen herrschte endlich ruhe. Seltsam dass ich träumte ich befände mich auf einem schaukelnden Schiff. Eindeutig schwankte der Boden unter mir. Das meine Träume manchmal beängstigend real und brutal sind, war mir lange bekannt. Es besänftigte mich der Gedanke dass es eben nur ein Traum war. Morgen... ich freute mich auf Dereks Gesicht beim Morgenessen. Ob er ahnte dass ein beabsichtigter Trick hinter dem Überfall steckte?

Gegen Morgen wachte ich vor dem Wachsignal auf. Woran ich das erkannte? Natürlich an dem Dämmerungsstreifen vor dem Fenster. Moment mal? In meinem Zimmer gab es kein Fenster das nach draussen zeigte! Hochschreckend setzte ich mich auf. Nicht die weiche Matratze unter mir sondern eine dünne Matte. Um mich herum lagen im Halbdunkel gut erkennbar meine Mitschüler. Mein Traum wandelte sich in eine verzehrte Wirklichkeit. Demnach gab es in der unruhigen Nacht einen übereilten Unwetteralarm. Doch... Ein Kratzendes Geräusch weckte meine Aufmerksamkeit. Mit leichtem Unwohlsein bemerkte ich das N`toki gerade als Nachbarin neben mir schlief. Danach... Kommandant Dongard der wach mit dem halb ausgestrecktem Arm dieses Geräusch verursachte. Korrekter seine Hand. Sobald er merkte dass ich ihn beachtete klopfte er lautlos mit der Hand auf den Boden. Deutete mir an dass alles in Ordnung ist und ich ruhig weiter schlafen sollte. Nach diesem helfenden Hinweis beruhigte sich mein aufgeschrecktes Herz allmählich. Gemütlich robbte ich mich tiefer unter die gemütlich warme Decke. Schloss die Augen und entspannt mich. Wobei ich aus Gemütlichkeit einen Arm ausstreckte. Da N`toki sich dicht an Dongard kuschelte bestand keine Gefahr dass ich sie berührte. Gerade begann die Phantasie in meinen Träumen an zu spielen, berührte etwas warmes meine Hand. Automatisch zuckte ich zurück, doch fremde, entschlossene Finger bremsten meinen Rückzug. Nur eine Sekunde lang vernahm ich ein vertrautes singendes Gefühl. Wusste sofort dass Dongard sich also meine Hand schnappte. Sanfte Finger spielten mit den meinen. Da ich einfach unbeteiligt stillhielt kitzelte er ein heftige Reaktion aus meiner Handfläche heraus. Leise lachend hielt er die zurück zuckend Hand an einem Finger entschlossen fest. Mir blieb keine Wahl. Gewöhnte mich an seinen haltenden Druck. Irgendwie vermittelte er einen sicheren Halt. Gerade jetzt und auch sonst in meinem Leben. Behutsam erwiderte ich seine angenehmen, beharrliche Berührung. So eine vertraute Geste. Völlig gelöst döste ich vor mich hin bis... Heftig schnaubte N`toki ärgerlich aus. Interessiert was sie wieder ärgerte öffnete ich vorsichtshalber ein Auge. Sie starrte intensiv auf meine Finger dass ich erwartete jeden Augenblick hervorschiessende Laserstrahlen zu sehen. Hastig löste ich meine Finger aus Dongards Griff. N`toki verfolgte meine Bewegung als zöge ich eine giftige Schlange zurück. Lauernd, verabscheuend, drohend steckte hinter ihren unerträglichen fixierenden Pupillen. Jeden Augenblick rechnete ich mit einem Angriff der gar nicht sanften Art. Ihr ganzer Körper strahlte diese Intensive Drohung aus, dass selbst der im Halbschlaf versenkte Dongard ihr eine Hand auf die Schulter legte. Keineswegs streicheln sondern gerade so präzise platziert dass er selbst eine flinke Bewegung zu stoppen fähig war. Sobald sie diese stumme Überwachung spürte, senkte sie sich platt auf den Bauch zurück. Liess mich keinen Bruchteil einer Sekunde aus den Augen. Schien selbst das obligatorische senken der Augenlieder abzuschalten. Da Dongard im wahrsten Sinne alles im Griff behielt, erlaubte ich mir ihre Wut zu ignorieren und ihr einfach den Rücken umzudrehen. Zu spät erhoffte ich eine weitere Schlafgelegenheit. Der eintönige Morgenalarm heulte.

Ohne Eile räumten wir unsere Schlaflager auf. Dabei bemerkte ich besorgte dass ich sogar eine lange Trainerhose anhatte. Gewöhnlich schlief ich aber nur mit einem ärmellosen Shirt und in Unterhosen. Dereks fröhliche Stimme hinter mir. „Dachte es ist besser so. Oder bevorzugst du es neben jemanden aufzuwachen den du vielleicht nicht magst, aber die Körperwärme war so schön einladend in der Nacht?“

Mit halb zugekniffenen Augen spähte ich zu dem von sich überzeugten Kerl hoch. Ein eigenartiges Lächeln antwortete. Irgendwie sagte mir sein Ausdruck dass er mehr von mir wusste als er zugab. Himmel! Wenn ich mal im Schlaf weggetreten bin, weckt mich keine Kanone auf. Fast peinlich was da alles geschah und man wusste am Morgen nicht das geringste. Ob er ahnte wer ihm den Streich spielte? Gar... gestern Nacht konnte ja viel geschehen ohne dass ich was merkte! Scheisse! Ab sofort hiess es für mich früher schlafen zu gehen um nicht ganz den Tiefschlaf zu verfallen. So was zu leisten war hier demnach sehr gefährlich. Nach meinem Streich sogar sehr unprofessionell. Oder war gestern Derek gar nicht gründliche auf Streife. Ich beschloss es heraus zu finden. „Ist gestern Abend sonst noch was passiert von dem ich nichts weiss?“ klang ich belanglos. Aber man spürte förmlich den gespannten Hintergedanken.

Misstrauisch musterte er mich, „Wieso?“ „Nur so!“

„Dongard,“ rief er leise mit hörbar schlimmem Verdacht.

Sofort verteidigte ich mich. „Darf ich nicht mal fragen was eigentlich los war? Ich kann mich nicht mal Erinnern dass überhaupt ein Gewitter kam.“

Nachdenklich kratzte er sich der Grosse hinter einem Ohr. Wirkte keinesfalls so als ob ihm gestern was überraschte. Dazu war er einfach zu ausgeglichen. Gähnend, pflichtbewusst sich mit der Hand den aufgesperrten Mund verdeckend, trat Dongard verschlafen zu uns. Seltsam dass er so kaputt wirkte. N`toki schrie gestern Nacht hysterisch, also musste was vorgefallen sein. Gespannt begann ich vorsichtig. „Was ist gestern Abend vorgefallen?“

„Nun,“ startete Dongard langsam. „N`toki hatte einen schlimmen Unfall mit dem Dulie. Eine Schulter war ausgerenkt, ein Arm gebrochen, mehrere Prellungen. Wird zwei, drei Tage dauern bis sie wieder zur arbeit einsetzen kann.“

Mir schossen einige Gedanken durch den Kopf. Besonders das brennende Interesse nach dem Wo ist es passiert. Um keinen Verdacht zu erwecken fragte ich, „hat die Baumkatze den Dulie erschreckt?“

Dongard senkte seine Augen halb und blickte in der Art- Kleine hast du was angestellt? Trotz meiner vorsichtigen Fragestellung erriet er eine verborgene Anspielung. Wählte jedoch gänzlich andere Worte. „Nein, diesmal ist es im hinteren Teil des Lagers passiert. Hab sie deswegen schon gerügt und ich erwähne es gern ein weiteres mal, das gilt auch für dich! Niemand spaziert im Dunkeln, mit einem Dulie über die Treppen.“

Murrend meldete sich N`toki hinter ihm zu Wort. „Ich hatte eine Fackel dabei.“

Wieder jagten meine Gedanken. Klare Ursache meine Falle. Falls der Dulie den Kopf aufgeregt hochhielt.. nein. Er konzentrierte sich auf die verschiedenen Stufen. Warum also wenn ich vorsichtshalber den dünnen Faden auf 1.85 Zentimeter spannte... es sei denn... Klar! Ungewollt lachte ich auf. Mist, das hätte ich verhindern sollen. Meine Fröhlichkeit war ziemlich fehl am Platz. Aber das Bild vor meinen Augen wie N`toki ängstlich in einer zittrigen Hand die Fackel hochhielt um besser zu sehen. Ups. Schon platzierte sie ihr erbostes Gesicht vor meiner Nase. Drückte mich förmlich zurück mit ihrer Präsenz. „Safina, was ist daran so lustig.“ Ausweichend rückte ich einen Schritt zurück. Verbissen folgte sie mir. Andere warteten auch gespannt auf meine Ausrede. Selbst Dongard beschloss den Dingen mal den natürlichen Lauf zu lassen und stand einfach als neutraler Beobachter am Rande.

„Nichts.“ Lächelte ich verlegen. Ihre dunklen Augenbrauen die sie zu einem schmalen Strich zupfte zogen sich dichter zusammen. „Safina,“ knurrte sie förmlich heiser aus ihrer Kehle.

Was blieb mir übrig? Kratzte meine letzte Würde zusammen. „Was kann ich dafür dass du Angst hattest?“

Sofort fauchte sie zurück. „ich hatte keine Angst.“

Mit einem triumphierenden Schmunzeln in den Mundwinkel gab ich schmeicheln zurück. „Hattest du wohl!“ Dabei amte ich ihre Hand nach welche die Fackel hoch hielt und grosse Augen welche genau nach in den Schatten des Rundganges nach potenziellen Feinden spähte. Geräuschvoll schnappte sie Luft ein. Zu spät realisierte ich die explodierende Gefahr. Urplötzlichen folgte ein Schlag aus dem Nichts, präzise zwischen meine Busen gesetzt, genau auf mein Herz, schleuderte sie mich einen Meter zurück an die raue Wand. Grauer Verputz rieselte in meinem Rücken zu Boden. Mein dünnes Hemd verhinderte kaum dass sich mein Rücken an den harten aufgestossenen Ritzten kratzte. Weit schlimmer quälte mich auf einmal Atemnot.

Laut und viel zu spät donnerte Dongard „N`toki, hör sofort auf. Du hast kein Grund sie wegen ein paar harmlosen Worte so brutal zu handeln.“

Anschuldigend und ohne ihre geladene Position zu entschärfen schrie N`toki zurück. „Sie hat es gewusst. Woher weiss sie es? Natürlich weil sie was Angestellt hat. Das war kein zufälliger Unfall. Das Miststück hat mich beinahe umgebracht. Ich bin fast draufgegangen nur weil sie ein dämlich Spiel aufstellte.“

Wütend holte sie mit einer geballten Faust aus. Solange sie mich so eng am Hemd, an die Wand gepresst hielt, war es unmöglich auszuweichen. Pure Angst vor ihrer Gewalt stieg ungewollt in mir hoch, lähmten zusätzlich meinen Willen. Dafür besass Dongard hervorragende Reflexe. Bremste ihre brutale Mordlust. Packte ihr dünnes Handgelenk und presste es schmerzhaft in ihren Rücken dass sie sogar mich vollständig freigab. Trotz Atemnot hielt ich es Vorteilhafter rasch Abstand zu gewinnen. Wich so weit es ging in die zusammengerückte Menge zurück.

Tobend versuchte sich N´toki rasend aus Dongard Gewalt zu lösen. Erst nachdem sie ihren Frust laut herausschrie beruhigte sie sich allmählich. Drohende Augen wichen von ihren Freund ab und blieben an mir hängen. „Warum?“

Abwehrend hob ich meine Hand. „Wirklich. Wärst du normal durchspaziert, wäre dir nichts geschehen. Die Schnur war so hoch gespannt dass eigentlich nur einer von Dereks Grösse sie berührte. Einzige deine Fackel... Wieso bist du überhaupt über die Treppe nach Hause gekommen? Bisher ist niemand in der Nacht mit einem Dulie diesen Weg gegangen.“ ich zeigte entschuldigen die Handflächen nach aussen. Verdeutlichte ihr dass ich mich eigentlich nicht schuldig fühlte für ihren Fehler.

„Du unwissende Kuh,“ warf sie mir unschön vor. „Hast du nie im Unterricht aufgepasst? Baumkatzen lauern ihren Opfer immer auf dem Pfad auf der nach der Beute riecht. Denkst du wirklich ich lasse mich in der Nacht förmlich servieren indem ich den Hauptpfad benutze? Irgendwo da draussen lauern ein hungriges Monster und wenn du weiterhin so nachsichtig mit deinem Leben spielst, bis du seine nächste Mahlzeit!“ Drohend spieh sie mir die letzten Worte entgegen. Es war klar dass sie gerne nachhalf um diese Ende mir zu erfüllen. Zum ersten Mal bekam ich wirklich Angst. Jedoch erst als ich Dongard finsteren Blick bemerkte der auf N`toki brannte. Noch nie hatte ich ihn derart aufgebracht gesehen. Sicher er hat schon viel mit mir geschimpft. Aber niemals mit so einem eindringlichen, bitteren Ernst. „N`toki,“ herrschte er sie an dermassen laut an, dass selbst die erfahrene Kriegerin zusammen zuckte. „Safina hat einen Fehler gemacht aber das ist kein Grund über zu reagieren. Beherrsche dich. Denn auch dir kann ich vorwerfen dass du einige Regeln missachtet hast. Es ist weit herum bekannt das Baumkatzen Menschen nie nahe an einer bewohnten Siedlung angreifen. Ausserdem..“

„Ja,“ herrschte N`toki zurück, verbessert. „Nur weil sie auf andere leichtere Beute ausweichen können. Wir führen aber keine Schafe oder unvorsichtige Haushunde in unserem Vorhof. Da bleiben nur wir Menschen übrig. Willst du mich etwa verletzt sehen von den giftigen Krallen aufgeschlitzt?“

„nein ich will dich stolz sehen mit der Beute hinter deinem Sattel. Du hast selber berichtet dass du nicht mal Spuren oder kleinste Beweise hast für die Bestätigung das überhaupt so eine wild gewordene Katze in unserer Umgebung existiert. Selbst ich konnte so einen grossen Feind, am Nachmittag nicht spüren. Also war deine aussergewöhnliche Aktion auch zum Teil selbstverschuldet. Was wenn der Dulie wegen einem hektischen Nachtmarder erschrocken wäre? Derselbe Unfall! So... Safina, heute Morgen reinigst du mir den Bunker von Schimmel sauer. Du, N`toki hast eine Woche Reitverbot. Und jetzt bereiten wir uns alle für einen friedlichen Morgenappell vor. Die ersten zwei die als erste perfekt draussen stehen erhalten einen halben Tag mehr Frei...“

In windeseile stürmte das untergebene Volk davon. Unser unangenehme Zwischenfall geriet in den Hintergrund des Vergessens. Ganz ehrlich, an diesem Morgen lieg sonst alles perfekt. Sogar das strahlende Wetter. Irgendwie zweifelte ich sogar das heute Nacht ein Unwetter Alarm stattfand. Es sah eher nach einer Probealarm aus. Als wie endlich vollzählig draussen versammelt standen schmolzen die letzten grauen Wolken wie Butter vor den ersten Sonnenstrahlen hin. Auf wundersame Weise fand Dongard auch beim Appell nichts an mir zu kritisieren. Nach einem ausgiebigen Frühstück war die Welt für mich wieder in Ordnung. Selbst als Derek mir Wassereimer und Schrupper in die Hände drückte trübte das kaum meine gute Laune. Leise vor mich hinsingen steuerte ich zum Bunker. Zum ersten Mal stand ich vor dem schweren, grün bemahlten Tor, ohne dass mir eine Strafe bevorstand. Darum viel es mir auch leicht das eiserne Tor aufzuschieben. Wunderte mich wie leicht und lautlos sich die Türe zur Seite schieben lies. Alles in tadellosem Zustand. Eigentlich sollte mich das bei Dongards Kontrolle nicht mehr wundern. Sobald Sonnenlicht in den grob behauenen Tunnel viel, entdeckte ich auch die vielen gelagerten Kartons in denen man Fackeln und unzählige Kerzen aufbewahrte. Auf Grund der ständigen Feuchtigkeit schimmelte es sogar grünlich auf den Kartons. Wahllos griff ich nach einer dicken Kerze und schabte den Docht frei. Zum Glück hatte ich Streichhölzer dabei denn mit den Feuersteinen stellte ich mich immer noch ungeschickt an. Inner wenigen Minuten sah ich beim Eingang bis zum Ende des Stollens. Tunkte regelmässig den Besen aus einem Gemisch von Stofffetzen und Weidenruten ins Wasser und schruppte die Wände ab. Besonders die Decke tat es mir an. Immer schwerer wurden die Arme. Also erledigte ich sie als erstes solange ich Kraft genug besass. In den folgenden Stunden genoss ich die „Pausen“. Zeiten in denen ich zum Bach spazierte um den Eimer neu zu füllen. Kurz vor Mittag, ich erledigte letzten vordern Bodenbereich, da hörte ich Schritte. Da ich eh gerade fertig war, holte ich den zurück gelassenen Eimer. Auf dem Weg zum Licht hörte ich auf einmal Dereks Stimme. „Safina?“

Hastig flitzte ich in die nächste dunkle Kammer zurück. Ein listiger Einfall überkam mich. Die hintersten Kerzen hatte ich bereits abgelöscht und es war ziemlich dunkel. Soviel ich mich Erinnerte teilte man heute Derek für Reparaturen des Lederzeuges ein. Das hiess... bequemes Schuhwerk. Er bevorzugte hartes Wildleder. Schon als er suchend in die feuchte Höhle trat, zögerte er. „Safina?“

„Jaah,“ gab ich leise genervt zurück. Der gesenkten Lautstärke nach klang es so als sei ich weit hinten. Mit einer Kerze in der Hand spazierte er an meinem Loch vorüber. Ich presste mich reglos an die feuchte Wand. Ha, mein Verdacht mit den Schuhen bestätigte sich. Senkte meinen schmutzigen Wasserkübel lautlos in die Schräglage. Leerte fast Hälfte aus. Als ich ihn wieder aufstellte, gluckste es leise. Sofort fuhr Derek herum. „Mensch, ich dachte schon dass du wieder mit einem gemeinen Str...“ Weiter kam er nicht. Merkte dass er bereits einen Fuss ziemlich Feucht versenkte. Sein Gesicht verzog sich zu einer übertriebenen, protestierenden Freske. Fletschte sichtbar die Zähne. Diesmal funktionierte mein Reflex. Rannte lachend davon. „Na warte!“ Schrie er verfolgend nach. Seine nassen aufgeweichten Sohlen würden ihm spätesten draussen behindern, also schätzte ich meine Flucht als gelungen ein. Sobald ich den blendendenden Sonnenvorhang zerriss, tageslicht blendete, stand jedoch auf einmal ein unerwarteter Schatten vor mit . Dongard! Knapp bremste ich in letzter Sekund und hob meine Hand vor die Augen um ihn besser einzuschätzen. Freundlich aufgelegt grüsste er. „Hallo. Ich wollte...“ „Safinaaaaa,“ brüllte ein verrückter hinter mir. Eh ich mich versah platzte Derek hinter mir aus dem dunklen Gang. Er sah nur mich und... Ein kalter, schmutziger Wasserstrahl klatschte an meinen Rücken. Als er beschloss den Kessel auch als Geschoss zu verwenden, bückte ich mich hastig zur seite. Einzig Dongards Melfischen Reflexen war es zu verdanken dass er heil blieb. Erst jetzt dämmerte Derek den angerichteten Anschlag. „Ubs,“ kam es verstört. Noch etwas irritiert kniff Dongard ein Auge zu. „Wie ich sehe scheint ihr euch hier gut zu amüsieren. Nun, Derek zu kennst den zweiten Arbeitsgang. Heute Nachmittag wird dürft ihr beide Wachs an die Wände schmieren. Ist doch herrlich, so wird der Bunker früher einsatzfähig! Wird höchste Zeit dass meine Schüler wieder mal das Fürchten lernen.“ Drohte er an. Sah ein paar frische Flecken auf seiner sonst perfekten Uniform. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren drehte er uns den Rücken zu und spazierte zurück.

Erleichtert atmete ich aus.

„Ja,“ sagte eine Stimme befreit neben mir. „Wir haben wirklich Glück gehabt. Normalerweis streicht er einen freien Tag.“

„Warum bist du eigentlich gekommen?“

„OH!“ Viel es ihm wieder verspätet ein. „Wir haben zum Essen geläutet, aber du scheinst im Bunker drin ja nichts zu hören. Also hat man mich geschickt dich zu holen.“

Aufgebracht fuhr ich ihn an. „Und das sagst du mir erst jetzt!“

Darauf lächelte er übertrieben süss. Mit einem Hauch Verächtlichkeit musterten mich seine Augen besonders über weibliche Problemzonen.

In mir kochte es gewaltig. Streit anzufangen, besonders auf leeren Magen, wollte ich nicht. So schnauzte ich ihn nur verstimmt an. „Was? Sprich gefälligst aus was du denkst!“ „Na ja,“ begann er vorsichtig taktvolle Wort zu wählen. „ Von allen Frauen hier bist du nach den Proportion gemessen die Schwerste. Willst du am Abend mal mit mir Trainieren gehen. Ein paar Muskeln..“

Meine Miene verdüsterte sich zusehens. Was spielte er da an wegen fünf Kilo Übergewicht. Verdriesslich starrte ich auf den Eimer in meiner Hand. In meinem Frust umklammerte ich den Eisenbügel so hart dass die Kanten in die Handfläche schnitten. Mhm, dabei übertrieb ja Derek. Ohne Vorwarnung knallte ich den Eimer flugs an seinen Magen. Das Blech schepperte gehörig und der Boden verbog sich sogar schief unter dem wuchtigen Aufprall. Derek ächzte und schnappte sich die „Waffe“ zu spät.

Fröhlich zischte ich ihm zu. „Solange ich schneller bin als du sehe ich das nicht ein.“

Bevor wieder die Zornigen Funken in seinen Augen auftraten, flitzte ich davon. Wohl wissend dass er ziemlich lange Beine besass, beschleunigte ich aufs Maximum. Zum ersten Mal merkte einer im Lager dass ich sehr wohl über ein paar heimliche Kraftreserven verfügte. Mit ein paar Meter Abstand raste ich in die sichere Höhle hinein. Bremste erst vor dem Vorhang des Esssaales und schritt ganz ruhig an die Tafel. Einzig mein schneller Atem liess sich schlecht verbergen. Gerade als ich mich neben Ascha setzte bauschte sich erneut die Vorhänge enorm auf. In letzter Sekunde wirbelte Derek die fesselnden Bahnen wütend auf die Seite und setzte eine gutmütige Mine auf. Knallte den Eimer geräuschvoll neben den Eingang. Was bewies dass es ihn ihm ganz anders aussah als er vorgab. Fürchtend flüsterte Ascha zu mir. „Ist alles in Ordnung?“

„Yeah,“ sagte ich lässig und genug laut dass es sogar Derek hörte. „Wir haben gerade abgeklärt wer wirklich Training nötig hat.“

Der sonst sanftmütige Derek, der anfangs beschloss mich zu ignorieren, sich gerade an seinen Platz setzten wollte, blieb mitten in der Bewegung hängen. Verwundert blinzelten seine Augen als er die Anspielung verstand. Da er seine Ansehen verteidigen wollte trat er mit einem gelassenen Lächeln auf mich zu. Ich sass dermassen eingeklemmt zwischen zwei Kolleginnen das eine gelingende Flucht unmöglich war. Ausserdem würde es lächerlich aussehen wenn ich um den vollen Tisch flitzte mit dem mächtigen Derek als Verfolger. Er wusste dass ich festsass. Wusste dass er mit seiner Grösse und Körperkraft mir weit überlegen war. Alles was mir einfiel- mach auf keinen Fall ein ängstliches Gesicht und pokere. Wagte kaum die selbst gemachten Nudeln zu Essen. Hinter meinem Rücken schnaubte es empört. „Safina, traust du mir nicht zu dass ich dich aufhalten kann?“ Zur Bekräftigung seiner Worte drückte er mir seine Hände schwer abstützend auf meine Schultern. Eine Drohung anspielend wanderte seine kräftigen Finger zu meinem schmalen Hals. Bevor er seine Finger voll platzierte, führte ich die Hand mit de Gabel statt zum Teller, blitzschnell hinter meinen Rücken. Bevorzugt auf die Höhe seiner Genitalien. Mit seiner ruhigen, bedrohlichen Stimmlage gab ich zurück. „Versuchs doch!“

Mit einem quickenden Laut hüpfte er hastig aus der gefährlichen Zone. Gegen meine Erwartungen begab er sich auf seinen Platz zurück. „Ich warte bis du dich vollgegessen hast. Dann hab ich ein leichteres Spiel!“ Legte er seinen Spielzug offen. Dass sass. Überlegend sah ich auf meinen voll geladenen Teller. Fand das seine klugen Argumente durchaus einsichtlich. Seit langem verzichtete ich auf einen vollen Magen. Bedauernd liess ich die Hälfte vom Teller stehen.

 

Mit einer gewissen Neugierde spazierte Dongard gelassen auf den Bunker zu. Auf halben Weg fand er K`tug der die letzten blühenden Kräuter sammelte. Sobald der erfahrene Koch den aufgeweckten Blick seinen Kommandanten bemerkte, lächelte er schelmisch. „Das möchte ich auch gerne sehen.“ Stellte seinen Korb auf die Seite und folgte seinem in sich hinein lächelnden Chef.

Noch wenige Schritte bis zum Eingang. Ausser ein paar schilpenden Spatzen war es weit herum Still. K`tug der Spektakuläres erwartete drehte sich enttäuscht um. Doch die plötzliche Hand seines Kommandante stoppte ihn bevor er sich um die eigene Achse drehte. Lauschend legte Dongard seinen Kopf schief.

Gespann wollte K`tug wissen. „Sind sie überhaupt drin und...“ Dongard deutete mit dem Zeigefinger an seinen Lippen an zu schweigen. Auf einmal sang eine weibliche Stimme in der Höhle. Verstellt, übermütig wie ein Kind. Es folgte ein lautes Scheppern. Safina weiter, „Nicht getroffen, Schnaps gesoffen!“

Während K`tug hellbraune Augen sich überrascht vergrösserten, lachte Dongard seelenruhig in sich hinein. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, schob er K`tug an der Schulter zum Hauptweg zurück. K`tug fragte mit allerhand Bedenken, „Willst du den Streit nicht beenden? Warum hast du sie ausgerechnet zusammen arbeiten lassen?“

Absolut die Ruhe selbst antwortete Dongard unbefangen. „Damit sie die Lage unter sich mal abklären. Keine Sorge, ich weiss wie schlimm zugerichtet die Beiden heute Abend aussehen. Doch ein heisses Bad bringt das wieder in Ordnung. Ausserdem, solange sie so fleissig mit dem zähen Brei um sich werfen wird der Bunker sogar vor dem Abendessen fertig.“ Bei dem Gedanken schmunzelte er. Uneinverstanden schüttelte der ältere den Kopf. „Das ist Wahnsinn mit einer winzigen Prise Genialität. Wenn du kein Heiler wärst hätte ich jetzt aus mangelnden Sicherheitsgründen lieber das Lager verlassen.“ „Wieso? Hast du Angst dass dich hier keiner Beschützt? Wir haben hier eiserne Regeln die für alle gelten. Absolut alle! Überschätzt nicht meine weniges Heilkundewissen? Manchmal, besonders jetzt wo Safina da ist, wünsche ich mir erweiterte Kenntnis über diese seltene Gabe.“

Anstachelnd meinte K`tug betont scharf. „Es steckt alles in Dir. Es ist dein Erbe, nur musst Du es gezielt...“ Seine Hand formte eine Kralle die was in der Luft vor sich packte. „Kommandant Dongard, wenn ich es mal direkt aussprechen darf? Deine Konzentration ist zurzeit ziemlich woanders drauf gerichtet. Das ist deine Schwachstelle.“

Dongards schönen Gesichtszüge versteiften sich. Ernsthaft fixierte er verstimmt sein Gegenüber. „Was willst du damit andeuten,“ seine gesenkte Stimmlage.

Zu spät merkte K`tug dass er mit seiner Offenheit sich zu weit vorgewagt hatte. Überlegte kurz und kam zu dem Urteil das mit seiner Lebenserfahrung er sich das Leisten durfte. „Es ist an der Zeit das ich mal ausspreche was viele Denken. Wann suchst du dir eine richtige Lebensgefährtin aus? Damit meine ich keine aus unserem Lager. Denn das du ein Auge auf eine geworfen hast darüber kursieren längst heisse Gerüchte. Man liest es aus deinem veränderten Verhalten.“

„So,“ begann Dongard nachdenklich. „Verändert? Wo handle ich anders als sonst?

Tief einatmend wollte K`tug endlich klaren Tisch schaffen. Suchte nach einem taktvollen Anfang und wunderte sich auf einmal selber dass es ihm schwer viel. Besinnend sagte er leise. „Hat sich überhaupt viele verändert sobald Safina da ist. Auf die eine Seite ist sie ruhig, still und anderseits verteidigt sie meisterhaft ihre Stellung. Sie ist so...“

„Unausgeglichen. Ein extrem jugendlicher Geist. Ich weiss. Nachdem was sie durchgemacht hat und von dem ich selber nur einen Bruchteil erahnen kann, verstehe ich sie sogar. In ihrer unschönen Vergangenheit ist viel Falsch gelaufen. Umso mehr wundert es mich dass sie auf ihre spezielle Art es schafft sich in der Gruppe einzugliedern. K`tug, sie ist absolut einzigartig. Ich... sie trägt viele Geheimnisse mit sich herum die sie höchstens mit mir teilen kann. Das wiederum lässt wohl einige Spekulationen über uns kursieren weil wir etwas speziell miteinander umgehen. “ kam es Dongard ungewollt gefühlvoll heraus.

„Ja, aber verrät sie dir wirklich die Geheimnisse? Es kommt mit eher vor als gibt es zwischen euch so seltsame Spannungen?“

„ist doch selbstverständlich da sie kaum meinen Regeln einhält. Oder besser immer Lücken findet sie zu umgehen,“ verteidigte sich Dongard überzeugt.

„Mhm, scheinen sich einige Fehler in deine System eingeschlichen zu haben und Safina ist schlau genug sie auszunutzen,“ bemerkte K`tug mit Freude. Beobachtete gespannt seinen überzeugten Freund der sich sonst praktisch für unfehlbar hielt. Klar war Dongard anzusehen dass ihm das Urteil sauer aufstiess. Reagierte zuerst mit einem finsteren Blick, atmete tief durch und wirkte wieder völlig gelassen, motiviert. „Dann ist es Zeit Verbesserungen einzuführen. Jedenfalls wird es mir gelingen Safina zu zähmen. Ich wünschte nur der Zeitpunk käme früher.“ „Aha,“ nickte K`tug verstehend. „Eine deiner Melfensache. Bist du dir sicher das du das wirklich willst was du siehst?“

„Klar,“ kam es entschlossen. Ein und niemand stellt sich mir dabei in den Weg, klar. Gereizt starrte er auf den Fussweg hinunter. Beschwor die hoffnungsvollen Bilder in seinem Hinterkopf erneut herauf. Verstärkte seine Hoffnung auf glückliche Momente in seinem zukünftigen Legen. Es folgte ein braveres, sehnsüchtiges, „Ja.“

„Dann viel Glück,“ wünschte ein beschäftigter Koch der wenig Zuversicht in die Angelegenheit legt.

 

An diesem schwülen Abend dankte ich für die drückende Wärme. Ermüdet nach der anstrengenden Schlammschlacht schleppte ich mich lustlos zu dem fast ausgetrockneten Bach hinter unserem Lager. Ein wahrhaft dünnes Rinnsal schlängelte sich zwischen den abgeschliffenen Steinen hindurch. Zuerst rollte ich ein paar schwere Steine auf die Seite damit sich überhaupt eine anständige Pfütze auffüllte um mich von dem anklebenden Schmutz zu befreien. Wenigstens riet mir Derek, vor dem Nachmittags Dienst, die Schutzkleidung anzuziehen. Diese alten Klamotten brauchte man einzig dazu für die Wartungen des Bunkers. Dementsprechend klebte bereit ein öliger Film auf dem äusseren Gewebe das ziemlich Muffig stank. Dieser widerliche Anzug verriet mir was mich erwartete. Mit Lederhandschuhen und Haarkappe ausgerüstet fasste ich anfangs zögerlich in die zähe Sauce welche an die Wand verteilt gehörte. Kurze Zeit später liess Derek irgendeine blöde Bemerkung fallen, die ich inzwischen vergass, aber deftig genug ausfiel für die verrückte, kindische Schlacht. Dereks scharfe Treffsicherheit hatte mich manchen Volltreffer einstecken müssen. Wobei viele eklige Spritzer sich auf meinem Gesicht und langen Hemdärmel klebten.

 

 

 

Flugungerricht

Flugunterricht

Süsslicher Duft verleitete uns dazu tiefer zu schlafen. Die beruhigende Duftnote, der Räucherstäbchen hielt sich bis in den frühen Morgen. Nach der turbulenten Nacht brauchten wir alle mehr Erholungszeit als üblich. Im Halbschlaf weckte mich eine störende Tuchfalte welche quer zur Wirbelsäule drückte. Träge hob ich meine schweren Augenlieder ein Stück. Durchs Fenster schimmerte bereits schwach das ungetrübte Blau der Morgensonne. Zwar legte sich der böige Wind doch noch immer blies er kräftig um die Äussere eckige Fassade. Eine Zeitlang hörte ich mit geschlossenen Augen einfach dem heulenden Kampf draussen zu. Fühlte mich hier drinnen so richtig wohl geborgen. Wie… entsetzt schwang ich mich ruckartig hoch. Ersann mich in welchen miserablen Zustand Maximilians Sumpfhutte war. Was wenn er dort ...? Daran durfte ich nicht mal denken. Falls dort der nächtliche Sturm mit derselben Kraft zuschlug dann zerlegte er die schäbige Unterkunft in sämtliche Einzelteile. Doch… je mehr ich nachdachte, Überzeugte mich der Verdacht das Maxims tierische Seite dieses Unwetter genauso voraus spürte wie unsere tierischen Artgenossen. Bestimmt brachte er sich vorher in Sicherheit, das traute ich seiner Sensiblen Seite zu. Beruhig senkte ich mich auf die harte Unterlage zurück. Auf eine Weise genoss ich zwar die nähe von den Schulkameraden. So als bildeten wir eine zusammenhaltende Familie. Anderseits bevorzugte ich zugegen eine weiche, gepolsterte Matratze, wenn es auch Isolation in einem Einzimmer bedeutete. Ungetrübt legte ich meinen Nacken im lockeren Kissen zurecht. Begrüsste Dongards Weitsicht uns Ausschlafen zu…?

„Auf“, durchschnitt eine energische Stimme den ruhigen Raum. Unverkennbar Dongard fester Ton. Himmel, er zerstörte meine Hoffnung auf einen friedlichen Morgen. Was drängte ihn nun zu dieser groben Eile. Einige schluckten erst einmal noch vom Schlaf betäubt.

„Auf!“ Bellte unmissverständlich unser unerbittlicher Kommandant. „Derek schnapp dir Ascha, Kaya, Thana Camak und ab zu den Ställen. In fünf Minuten will ich Euch mit den Drachen bereit sehen. Na los. Lasst hier alles liegen und zischt ab!“ Trieb er sein schlaftrunkenes Volk zur Eile an.

Wir anderen liessen uns mehr Zeit mit aufstehen. Streckten uns erst und versuchten gar nicht erst das Gähnen zu unterdrücken. Unruhig schweifte Dongards wacher Blick unsere zahflussigen Bewegungen. Gerade faltete ich meine Wolldecke zusammen bemerkte ich dass seine Augen an mir hängen blieben. Deutlich sah ich ihm an dass ihn etwas quälte. Was beschäftigte ihn so ruhelos. Bevor Ascha, als letzte der Sondertruppe, in den Gang hinaus entschwand rief Dongard ihr nach, „Ascha, sag Derek er soll Dam Tam für jemanden bereit stellen.“ Ascha Neugierde besass einen ausgezeichneten Reflex der ihre Korberbewegung übertraf. „Für wen?“ Fragte sie prompt. Dongard schnauzte sie grob an. „Verschwinde! Mach was man dir auf…“ Weiter brauchte er nicht mehr zu schreien. Nach dem ersten Nachdruck flitzte Ascha beschleunigt davon. Es zuckte kurz in Dongards Mundwinkel belustigt, dann trübte sich sein strenger Blick um eine Nuance weiter. „Safina“, klang es sehr unsicher. „Geh dich anziehen. Die Reitstiefel, heute!“

Erstens Überrumpelte er damit nicht nur mich komplett sondern auch mehrere seiner Schüler.

Ktug trat mit einem offenen Stirnrunzeln neben seinen Chef. „Kommandant“, zweifelte er gewagt dessen Urteil an. Mir war bisher gänzlich unbekannt der Grund für die ganze Aufregung. „Safina“, zischte mir Dongard wirsch zwischen den Zähnen durch. „Geh!“ Duldete keinen Widerspruch. Zwischen meinen zitternden Händen rutschte die Decke unerledigt zu Boden. So erlebte ich bisher Dongard nie. So…?

Dennoch hörte ich Ktugs aufgeregte Stimme im Hintergrund. „Es ist zu früh. Das ist einfach verrückt!“

„Ktug“, wies ihn Dongard laut, schonungslos zurecht, „Glaubst du das weiss ich nicht selber. Aber ich brauche jedes Leichtgewicht und Safina gehört mit ihren 55 Kilos nun mal in die unterste Kategorie. Also ich kann niemanden entbehren in so einer Notsituation. Sind wir uns einig?“

Kleinlaut brummte Ktug eine Antwort.

„Ktug, Sind wir uns einig“, forderte Dongard mit Nachdruck eine Bestätigung. Ich hasste es ihn so zu hören und war froh über die Stille in meinem vertrauten Raum. Ungewohnte Kälte empfing mich. Man merkte gleich dass heute niemand hier schlief. Zur eile verpflichtet schlüpfte ich hastig in meine bisher erst einmal getragene Uniform. Nervös tasteten meine Finger über den robusten Stoff. Ausgezeichnete Qualität. Den besten den man auf diesem Kontinent herstellte. War es richtig diese spezielle Uniform anzuziehen? Zweifel an Dongards Absicht stiegen in mir hoch. Doch ich war mir ziemlich sicher dass er Tam Dam für mich sattelte. Je länger ich nachdachte verstärkte sich der Zweifel über den gewagten Befehl. Verstand Ktugs Sorgen. Selbst mir fiel aus auf einmal schwer in die engen Stiefel zu schlüpfen. Herauszuzögern brachte keinen Sinn wenn Dongards etwas festlegte. Trotzdem fühlte ich mich unwohl bei der Vorstellung auf einem richtigen Drachen zu fliegen. Krag, das Fossile zählte nicht. Dieser hüpfende Ausflug war eine magere Vorbereitung für das was mich heute erwartete.

„Dongards du bist wirklich verrückt“, murmelte ich als ich zurück zum Speisesaal trat. Vor Aufregung beschleunigte sich mein Herzschlag. Im Gang begegnete ich Starie die meine Schlafsachen ins Quartier lieferte. Mit leiser Furcht schritt ich zaghaft zu dem beschäftigten Dongards hin. Als ob er mich im Rücken spürte wandte er sich abrupt herum. „Komm“, forderte er mich auf ihn zu folgen. „Warte!“ Bevor wir in den erfrischenden Morgen hinaus traten stoppte er mich. Packte den unteren Saum vom Anzug und zerrte ihn kräftig straff das es mich beinahe in die Knie riss. Dann zufrieden mit der perfekten Kleiderordnung fingerte er unter seinem Ärmelbereich herum. Fische mit seinen schlanken Finger ein schwarzes Gummiband hervor. „Die Haare.“ Erinnerte er mich. Bevor ich reagierte bündelte er meine langen Haare zusammen. Es zupfte ein, zweimal wegen seine Unachtsamkeit. „Komm“, seine eiserne Order. Unbehaglich folgte ich ihm nach draussen.

Noch bewahrten die Nischen zwischen den Blöcken ihre dunklen Schatten. Einzig das hellblaue leuchten am Horizont verriet dass die Sonne erst Halbwegs über den fernen Hügel hochstieg. Wolkenlos ein kühler Morgen. Mich wunderte die frühe Aufbruchzeit. Beschloss mich zu Informieren„Warum so früh? Ich dachte aus Sicherheitsgründen ist es nur gestattet Tagsüber zu fliegen.“

„Ja, da hast du gut Aufgepasst im Unterricht. Aber heute ist ein Notfall, und wenn es darum geht Menschenleben zu retten erlaube ich Ausnahmen. Wirklich…“

Hinter uns aus dem schmalen Durchgang drangen stampfende Geräusche zu uns. Ein gehetzter Derek riss förmlich zwei halb verstörte Drachen hinter sich her. Als sein Blick mich traf, meine Uniform erkannte, erstarrte er mitten in der Bewegung. „Das kann nicht dein Ernst sein!“ Bremste sofort Dam Tam am Zügel rueckwaerts als wollte er ihn vor mir wegzerren. „Nein, Dongard! Dem lege ich meine Stimme offen entgegen. Nicht Safina!“

Nur wer Dongard kannte sah ihm an wie er innerlich erregte. Nach aussen hin gab er sich völlig gelassen und betonte einfach mit Nachdruck, „Da draussen sind verletzte Leute. Ich kann es deutlich spuehren nur sind sie ausser meiner Reichweite. Darum brauche ich jeden leichten Flieger der eine Rekordstrecke hinlegt. Jede Minute zählt!“

Eisige Augen blitzten denen des überzeugten Kommandanten entgegen. Ohne mich anzusehen, warf mir Derek Raneks Zügel entgegen. Wohl in dem Wissen dass der schwarze Drachen mich nie aufsteigen liess. „Kommandant, dein letztes Wort?“

Kühl, ohne das Augenduell zu verlieren erwiderte Dongard, „selbstverständlich!“

„Gut“, reagierte Derek auf einmal wie ausgewechselt, freundlich. „Lass abstimmen! Meine Stimme, du weißt wo sie hingehört. Ich gehe dann mal schon voraus.“ Schwungvoll schwang er sich leichtfüssig, trotz seinem Gewicht, in den Sattel hoch.

Entsetzt versuchte Dongard ihn zu stoppten doch der langjährige Stellvertreter riss den Kopf von Tam Dam ausser Reichweite. Vor dem harten Zug hüpfte der nervöse Drachen erschrocken auf die Seite. Dongard Hände griffen ins Leere. Diese abgelenkte Sekunde ausnutzend trieb Derek sein Tier mit einem groben Startzeichen vorwärts.

Verärgert schrie Dongard hinterher. „Du bist zu schwer! Komm zurück!“

Feuchte Sandklumpen schleuderte die kräftigen Drachenbeine mehrere Meter Rückwarts. Wuchtig schlugen die langen Flügel, pressten die Luft darunter weg. Man sah Tam Dam wie schwer er bemühte sich in sein höheres Element zu erheben. Sobald seine Zehen den Boden nur noch streiften, steuerte Derek auf die Blöcke an. Dort, am höchsten Punkt, schleuderte sich dann der gut ausgebildete Drache, schwungvoll vollendet, der Sonne entgegen. Mir kam es vor als sei eben ein Schwan gestartet. Etwas träge aber wundervoll elegant und kraftvoll.

Ein wutvolles Schnauben liess mich herumfahren. Wandte mich fälschlicherweise dem Drachen zu. Der empörte Prostest kam aber von Dongard. Steif hielt er seine Arme gesenkt. Ballte die Hände zu Fäusten. „Mist“, fuhr er hektisch herum. Bemerkte erst wieder meine Anwesenheit. Unterdessen näherten sich hinter mir die anderen Drachenreiter. Ebenfalls geschockt entfuhr Starie ein ungläubiges „Oh!“

Kaya senkte, wich hastig Dongard übler Laune aus, senkte unterwürfig den Blick. Einzig die hübsche schwarzhaarig Thana wagte ihre freche Stupsnase nach vorne zu zeigen. „Kommandant? Ist das wahr dass sie mitdarf?“

Missmutig schaute Dongard grimmig in die Gruppe. „Seit ihr noch nicht im Sattel, “ herrschte er gereizt seine Schüler an. Worauf sofort alle hektisch ihre Lederriemen ordneten und sich bereit machten.

Der Lehrer wusste von seiner Ungerechtigkeit. Erklärte, „Eigentlich hatte ich vor Safina einzusetzen. Aber Derek hat dagegen gestimmt und gleich gehandelt. Er wird klug genug sein den zweiten Hof zu übernehmen. Kaya, du fliegst am weitesten, hier!“ Damit warf er ein Lunchpaket dem Fliegengewicht entgegen. „Also ihr wisst von dem Sicherheitsabstand zu den Höfen. Flieg nah genug heran, aber lasst die Drachen ungesehen vor dem Einwohnern. Meldet mir wenn ihr jemanden verletzt sieht der Hilfe braucht. Ansonsten verschwindet selber ungesehen. Hoffen wir das Beste.“

„Ja, Kommandant“, ertönte es im Chor. Mit Ausnahme Thanas stellten sich alle in eine Reihe und starten hintereinander. Sie jedoch lenkte ihren Drachen zum Chef. „Mit Verlaub. Ich lege meine Stimme zu Derek. Safina hat ja überhaupt keine Erfahrung aufzuweisen, und bei dem Wind...“

Unbeeindruckt dass er mehr an Boden verlor gab Dongard zurueck.“Du weißt dass ich das im Protokoll schriftlich festhalte. Sollte ein Leben enden weil Hilfe zu spät eintraf wird jemand zu Verantwortung gezogen und das werde ich nicht sein. Es ist, war Eure Entscheidung und ich Respektiere sie. So und jetzt ab mit dir. Zeit ist kostbar. Wir diskutieren am Abend ausführlich darüber.“

Einsehend nickte sie zufrieden und liess ihren Drachen eine drängende Ferse spüren. Rasant sprintete er los. Genau wie Dongard verfolgte ich fasziniert den eleganten, perfekten Abflug. Es entlockte selbst dem Kommandant ein zufriedenes Lächeln. Auf einmal merkte er seine leeren Hände. Schon zog ich Ranek an seine Seite. Mit leisem Dank nahm er die Zügel entgegen. „Safina“, Er wirkte dabei entspannter als bei seinen Leuten vorhin. Völlig ausgeglichen wies er mich freundlich darauf hin. „Sag Ktug er soll die Führung übernehmen solange ich weg bin. Er weiss was alles zu tun ist.“ Mit einem unerklärlichen Blick sah er mich an. „Bis später dann… Es…“ Dongard wirkte auf merkwürdige Art beunruhigt.

„Ja“, gab ich zoergernd zu. „Es ist was passiert…“ In Gedanken verloren ab dem unbeschreiblichen Gefühl das mich im inneren Quälte sah ich in die Ferne.

„Dann hoffen wir das Beste.“ Mühelos sprang er in den Sattel hoch. Gab das Zeichen zum Starten.

Ungewollt murmelte ich. „Nein, es ist was Schreckliches.“ Meine Augen starrten weit in die ferne. Woher kam dieses Wissen über Glück und Unglück? Wohl eine Minute liess ich meine rätselhaften Gedanken mit dem rauen Wind mit treiben. Dann verabschiedete ich meine böse Vorahnung mit der unausweichlichen Feststellung dass es eben geschah ohne dass ich einen Einfluss darauf hatte. Gewisse Dinge werden Geschehen und niemand kann es verhindern oder hat Schuld daran. Nur… obwohl genau genommen meine Generation auf der alten Erde gerade am meisten die Natur bis an ihre Grenzen ausbeutete. In gewisser Weise bekamen wir es alle zurück. Dieser unberechenbare Sturm von letzter Nacht, bestrafte sozusagen einfach die nächste Generation und würde noch ein paar weitere Jahrzehnte andauern bis sich der Kreislauf beruhigte. Wie lange noch? War darum die Zeitmaschine gebaut worden? Um zu sehen was die Zukunft uns brachte… oder gar…weil es auf einmal keinen anderen Ausweg mehr gab und man einen Fluchtweg suchte? Irgendwann zwischen meiner Geburtswelt und dieser neuen Zeit passierte was Unbeschreibliches. Etwas was ich froh war nie miterlebt zu haben. Leute aus meiner Zeit richteten ihre Gedanken nur in die Zukunft wenn es um lohnende Profite ging. Wirbelstürme plätteten jährlich tausende von Häuser. Richteten jährliche Millionen von Schaden an. Aber niemand kam auf die Idee in den gefährdeten Gebieten eine neue Architektur der Häuser einzuführen welche den wütenden Stürmen standhielt. Nein, es zählte nur der möglichste günstige Eigentumbau und es sollte von aussen nobel, schick aussehen. Jahr für Jahr zahlten für diese Dummheit Menschen ihr Leben. Hier, in der neuen Zeit reagierte man schneller. Suchte nach Lösungen. Schon darum bewunderte ich Dongards Weitsicht als ich ihn einmal zu Panellan sagen hörte dass er unbedingt, bei der Stallhalle, ein abgerundetes Dach wünschte. Damit es dem mitreissenden Wind weniger Anhaltsfläche bot. Allerdings wunderte ich mich über die unnötigen schweren Steine welche er als Grundmauer einbezog. Doch unser Kommandant baute nicht für seine Interessen sondern auch die für den späteren Nachfolger. Das Lager hier würde noch in mehreren hundert Jahren stehen. Wenn ich an die schwachen Häuser meiner Vergangenheit dachte wurde mir fast übel bei dem Gedanken wie leicht sie einmal zusammen fielen.

Heute wehte ein neuer erfrischender Wind. Es roch nach Herbst mit all seinen beginnenden Veränderungen. Ein Schauspiel das mich trotz seinem bunten Farbenspiel immer etwas traurig stimmte. Das herunter fallen der leblosen Blätter. Es war als ob sterben in der Luft lag. Dieser feuchte modrige Geruch. Dafür war es heute noch zu früh. Für den typischen Geruch. Aber … ein Unheil lag deutlich in der Luft.

Mit einer schlimmen Vorahnung erfüllt kehrte ich in den Versammlungsraum zurück. Man setzte sich bereits an den fertig gedeckten Tisch fürs Fruehstueck. Es herrschte eine ungewöhnliche Ruhe im Raum. Nur wenige Worte wechselten über den Tisch. Einige sahen mich leicht verwundert an, weil ich noch keine Zeit hatte mich umzuziehen und in meiner speziellen Uniform steckte. Zwar Räusperte sich Ktug laut genug das es auffiel, fragte dann aber ungeniert, „Und Safina, fliegst du heute noch?“ „Nein, und ich bedauere es überhaupt nicht, ganz ehrlich. Ach, übrigens Kommandant Dongard hat dir derweil die Führung übertragen.“

„Mhm“, brummte Ktug. „Was anderes habe ich nicht erwartet. Gut, der Sturm hat auch seine guten Seiten. Bringt uns jede Menge Feuerholz. Einige von Euch teile ich gleich nach dem Essen zum Holzsammeln ein. Dieses Jahr will ich genug Vorräte haben. Wenn jetzt der Herbst uns so frühzeitig stürmisch begrüsst, will ich auf einen frühen Winter vorbereitet sein.“

Im krassen Gegensatz zu Kommandant Dongard liess der gutmütige K`tug uns nach dem Essen nicht draussen antreten, sondern verteilte am abgedeckten Tisch die bevorstehende Arbeit zu. Eigentlich blieb alles beim alten nur Unterricht wo wir Dongard als Lehrer hatten viel aus. Dieser Zeit ersetzte man mit der Suche nach jedem noch so grünen Ast. Jeder gröbere Zweig landete im Sammelkorb. Ich fand das ein wenig übertrieben aber Cynth, ein hellblondes Mädchen erklärte mir, das wir jedes Jahr einen Wintermonat in der Höhle richtig eingeschneit wären. Dann brauchte man eine Menge Holz um für die zwanzig Leute zu kochen und gleichzeitig zu heizen. Zwar hielt sich die Wärme relativ lang in der Höhle doch die Kälte von unten, Felsboden, sei das schlimmste. Dafür richtete Dongard sogar eine Bodenheizung ein unter dem grossen Saal. Nach seiner Versetzung in diese Höhle liess er nach dem zweiten Winter den ganzen Saalboden aufsprengen um einen Zwischenraum für heisse Luftzirkulation einzubauen. Zum Vorteil für die Gesundheit seiner Leute, zum Nachteil für den Koch der dadurch gezwungenermassen eine Mannschaftsmahlzeit täglich im tiefer gelegten Backofen fertig musste, damit sich Heizung und Herd optimal deckten.

Einen Monat eingeschneit in der Höhle, eingesperrt. Mir grauste jetzt schon vor dem Gedanken. Besonders galt mein Mitleid für denjenigen den man zur Sicherstellung, der Fütterung, in den Ställen einteilte. Bis man einen Tunnel zu ihm durchschaufelte gab es nur kalte Küche für ihn. …Mich durchzuckte ein seltsamer Gedanke- Du wirst den Winter hier nicht erleben.

Aufgeschreckt schnappte ich nach Luft. Was war das eben? Wie war das gemeint? Schon wieder eine dieser unheimlichen Vorahnungen? Bloss keinen Gedanken daran verschwenden. Zwang mich meine Gedanken auf die Arbeit zu konzentrieren. Holzsuchen.

Bereits kurz nach dem Mittag rauschte ein erschöpfter Tam Dam heran. Schwerfällig plumpste er ruppig auf den Boden. Selbst dem trainierten Derek versetzte es einen plötzlichen, schmerzhaften Ruck durch den ganzen Körper. Eigentlich sollte mir der arme durchgeschüttelte Stellvertreter ja Leid tun, aber das Gegenteil war der Fall. Nein, keine Schadenfreude, wer unterstellt mir das wieder? Sondern ich dankte dem bildlichen Lehrgang. Verdeutlichte er mir doch wie wichtig es war dass man beim Landen unbedingt den Kopf nach unten anspannte. Diese harte Landung verpasste sonst einen unglaublichen Schlag ins Genick. Trotz der miserablen Landung streichelte er lobend den langen, haarlosen Hals. Müde hustete Tam Dam seinen verstaubten Rachen frei. Ein erleichtertes Grollen, fast Schnurren, ertönte als Derek aus dem Sattel sprang. Als Derek mit dem erschöpften Tier an mir vorbei spazierte, lies er mich wissen. „Im Gasthaus sind alle wohlauf. Höchstens ein paar Dachziegel ersetzen, aber damit hat er gerechnet und schon Ersatz parat.“

Mein Weg mit dem vollen Korb führte zwar in die entgegen gesetzter Richtung, also hielt ich kurz an, denn mir lag was anderes schwer auf dem Magen. „War es schwierig?“

„Bitte?“ Er verstand nicht meine Gedanken.

„Derek, war es schwierig den Drachen dorthin zu lenken. Ich meine, mich nimmt Wunder ob ich es geschafft hätte?“ Fragte ich zaghaft. Unerwartet lächelte er mich sogar an. „Safina, ich zweifle nicht an deinem Mut. Zweifellos traue ich dir zu dass du es schaffst Tam Dam dorthin zu lenken. Doch dir fehlen die Feinheiten der übung. Das flache Anfliegen um exakt hinter den Bäumen oder sogar unten durch zu gleiten. Die perfekte Tarnung, das fehlt dir. Du hast bisher nie mit Tam Dam gearbeitet. Ihm zu Befehlen dass er ruhig in seinem Versteck bleibt, dazu muss er dir erst einmal Vertrauen. Ihm fehlt die Achtung vor dir die ihm Gehorsam verleit wenn du auch ausser Sichtweite bist. Einfach Respekt dass er dir gehorcht….“

Er wollte noch was hinzufügen, das sah man seinem zögern an. „Safina, was ich dir jetzt verrate, erwähne das mit keiner Silbe zu Kommandant Dongard? Angenommen die Wahl wäre auf Di`jon gefallen, dann hätte ich dich fliegen lassen. Aber auf keinem anderen Drachen!“ Warnend legte Derek seinen Zeigefinger an seine Lippen. Ich verstand die gut gemeinte Geste und erwiderte sie. „Ich behalte es für mich.“ Bestätigte ich ihm mit ungemein innerer Freude über sein Geständnis. Murmelte eher für mich, „Ausgerechnet Di`jon.“

„Ja, weil du die einzige bist die er Respektiert. Garantiert passt er besser auf dich auf als umgekehrt!“ Gemein! Das sagte er mit gewisser Freude und legte wieder einen Schatten über meine Zuversicht. Dabei war ich so nahe dran.

Ungewöhnlich lange liessen die letzten Drachenreiter auf sich warten. Sogar Derek Sorgen zeigten sich als er vor dem Abendessen ständig auf den höchsten Hügelblöcken herum streifte. Ständig in Rufweite des westlichen Wachturmes blieb und mit Unruhe die sinkende Sonne am Horizont wahrnahm. Mit der heran nahenden Abendstimmung zogen weit in der Ferne dunkle Wolken auf. Sachte blies ein unentschlossener Wind der mehrmals seine Richtung änderte. Rastlos zupfte Derek welkes Unkraut aus den Ritzten der Blöcke. Mir war klar was der sprunghafte Wind bedeutete, ein weiterer nächtlicher Sturm bauschte sich auf. Und fünf Drachen befanden sich draussen. Um die Leute sorgte ich mich weniger. Sie fanden bestimmt einen sicheren Unterschlupf. Diesmal zeigte sich das Unwetter im voraus. Überfiel nicht in der Dunkelheit. Wie schützte man aber einen gossen Drachen vor herumfliegenden Geschossen. Vor allem wenn die ganze Sache geheim bleiben sollte.

Das Abendessen nahe. Vom vielen wandern und Holzschleppen setzte sich die meisten müde an den Tisch. Den meisten tat der Nacken oder der Rücken weh von dem ungewohnten Rucksack tragen. Das erinnerte mich dass ich ja eigentlich ein Hightechversion besass. Beziehungsweise, dass Dongard es sicher, seit meinem ersten Besuch hier, irgendwo aufbewahrte. Die gepolsterte Militärausstattung bedeutete jedenfalls mehr Komfort als die Bretter und die mit Tüchern umwickelten Lederriemen. Ich nahm mir vor Dongard nach der Geheimen Ausrüstung zu fragen.

Mittlerweile stellte K`tug das Nachessen ziemlich unsanft auf den Tisch. Da floss schon mal ein bisschen dunkle Bratsauce über den Schüsselrand. Oder spickte eine der handgemachten Nudeln geradewegs auf die beladene Tischplatte hinaus. Seine kleinen, dunklen Augen flitzen ständig zwischen Tisch und Türvorhang hin und her. Schliesslich gewann die Anspannung überhand und er flüchtete nach draussen. Hastig würgte ich ein paar Nudeln hinunter. Trotz der ziemlich gut gesalzenen Sauce verspürte ich keinen Appetit. Folgte dafür lieber meinem Drang den wenigen anderen zu folgen. Bereits am Ausgang empfing mich eine seltene Mischung aus warmen und Kalten Luftzug. Löste eine lockere Strähne aus dem zusammengebundenen Haar und liess sie nervös an meinem Haupt herumflattern. Für modische Aussehen fand ich eh kein Interesse und steuerte denselben leichten Weg an den K`tug bevorzugte. Schon öfters sah ich diesen gelb-grauen Farbton der die bauschigen, tief liegenden Wolken färbte. Für mich schien es so als ob ein zerstörerisches Gift sich vermengte. Mit einem kräftigen Sprung nahm ich die letzte Hürde um auf K`tug Aussichtsplatz zu landen. So ziemlich weit vorne blickte man in die Richtung der Steinbrüche oder den berüchtigten Backofenweg. Vom Unterricht wusste ich das dieser Windgeschützte Talweg ideal war um hierher zu fliegen. Doch, so sehr ich mich anstrengte, meine hervorragenden Augen entdeckten keinen Flugkörper. Angespannt vergrub K`tug eine Hand in seine kurzen Haare. „Mist, in zehn Minuten ist die Sonne komplett verschwunden.“ Verriet er mir seine Verzweiflung. „Das ist nicht Normal. Letztes Jahr hat er einen Wanderer hierher begleitet und seinen Drachen mit den andern vorgeschickt. Aber kein einziger Drache ausser Tam Dam… das ist nicht normal.“

„Vor allem wenn alle Anzeichen deutlich auf Sturm hindeuten. Es ist nur eine Frage der Zeit bis….“ Wie auf Kommando blies mir ein warmer Luftzug in den Nacken. Auf einmal verschwand der angenehme Wind und dafür übernahm eine seitliche Kaltfront das Ruder. Diesmal mit doppelter Stärke dass es uns alle draussen stehende unangenehm fröstelte. Donner rollte aus der Ferne über unsere Köpfe hinweg. Mit jeder Sekunde verdunkelte sich die Umgebung. Selbst wenn die Drachen jetzt aus zwischen den Hügeln erscheinen würden, so wären wir unfähig sie in dunklen Tal zu erkennen.

Erloschen das letzte blendende Weissgelb der Sonne. Farben erkannte man nur unter Schwierigkeiten. Unerfreut strapazierte K`tug weiterhin seine Haare. „Heute können wir ihn vergessen. Er wird einen Unterschlupf für die Drachen entdeckt haben. Vielleicht eine leer stehende, stabile Scheune. Kommandant Dongard hat ja seine übersinnliche Gabe. Sehr wahrscheinlich weiss er im Voraus das nichts passieren wird.“ Wirklich glaubte K`tug nicht an seine Worte.

Ein dunkler schwerer Schatten sprang auf unseren Block hinüber. K`tug und ich zuckten gemeinsam zusammen. Leider war es kein Drache, den Zusammenstoss hätten wir schwer gebüsst, sondern Derek beendete seinen Rundgang. „Komm, gehen wir in die warme Stube. Unser Kommandant wird heute woanders sicheren Unterschlupf gefunden haben. Bereiten wir für Morgen den Empfang vor.“ Damit sprang er schwerfällig auf einen der unteren Blöcke. So im Halbdunkel wagte ich nicht ins leere zu springen. Selbst K`tug empfand das zu unsicher uns liess sich vorsichtig an einer anderen Stelle hinunter gleiten. „Safina,“ rief er freundliche. „Soll ich dir helfen?“

Ich hielt die Nase quer zum Wind. Bei dieser Windstärke traute ich selbst einem erfahrenen Drachenflieger zu dass er das vermied. Dennoch da war etwas…? „Danke K`tug ist nicht nötig. Er kommt in ein paar Minuten.“ Das letzte sagte ich ungewollt einfach so. Es lag mir einfach auf der Zunge.

„Bitte,“ stutzte K`tug. „Sag jetzt bloss nicht du besitzt auch übersinnliche Kräfte. In deinen Adern fliess nicht das geringste Melfenblut.“

„einst,“ begann ich leise, „da haben keine Melfen existiert. Man hat sie geschaffen, geformt aus gewöhnlichen Menschen die einfach eine ausgeprägte Begabung besassen. Es steckt in allen Menschen etwas, nur die meisten lassen diese Sensible Gabe einfach schlafen.“

„Wozu soll das gut sein?“ Man hörte den Spott, den Unglauben in K`tugs Tonfall.

„Weil wir Menschen Angst haben. Angst vor der Wahrheit. Wir verschliessen lieber unsere Augen. Wir suchen das Falsche in der Zukunft.“

„Oh Mann;“ spottete K`tug. „woher willst du auf einmal diese Wahrheit gefunden haben. Von wem hast du die Worte gehört.“

Ein silberner Streifen blitzte gelegentlich in den Wolken weit weg auf. Ich konzentrierte mich nur auf den bewegenden Schatten in der Luft. Richtig da kämpfte sich was gegen den herrischen Luftstrom an. Erleichtert seufzte ich auf. Jetzt wagte ich Kühn den Sprung ins Dunkle auf den unteren Block. „Komm K`tug,“ rief ich munter ihm zu. „Sonst ist am Ende Dongard noch schneller im Lager als wir.“

Mein Begleiter ignorierte meine Voraussage, dafür störte ihn aber, „Für dich ist er immer noch Kommandant Dongard.“

„Ha,“ gab ich ungeschlagen zurück. „Der Unterricht ist längst zu ende. Also Dongard.“

„Kommandant Dongard!“ „Dongard;“ lachte ich fröhlich und hüpfte auf den nächsten Block zu.

Hinter mir folgte ein grollenden K`tug. „Kinder!“

Im Hintergrund heulte der eisige Wind stärker auf. Froh begrüsste K`tug die Wärme des sicheren Höhleneingang. Allerdings verkiff er sich nicht das trotzige. „Kommandant Dongard,“ mit Nachdruck.

Unerwartete eine feste, klare Stimme über seine Schultern. „Ja, was ist?“

Obwohl sich K`tug alles andere als Alt fühlte, fasste er sich total erschrocken ans Herz. „Kom… Kommandant Dongard?“ Stotterte er noch von der Nachwirkung des Schocks benebelt. Tatsächlich stand hinter ihm, ein vom starken Luftzug, zerzauster Kommandant. Schützend hielt er in den Armen ein zugedecktes, grosses Bündel. Besorgnis, Erleichterung zeigte Dongards offenes Gesicht. Überrumpelt starrte ihn der arme Koch einfach an. „Das verstehe ich jetzt echt nicht. Safina hat… das ist einfach unmöglich? Wie..?

„Was hat Safina damit zu tun?“ Stutzte Dongard. Als ich im Türrahmen erschien, winkte mich Dongard mit einer Kopfbewegung heran. „Hi, Safina. Kannst du mir ihn abnehmen? K`tug wenn sonst alles klar ist, schicke…Stefkan in den Stall. Er soll sich um meinen Drachen kümmern. Und informiere Derek dass er sich bitte um Ascha kümmert. Sie steht unter einem tiefen Schock,“ rief er dem davon eilenden nach. „So Safina, bring ihn in die Stube! Inzwischen organisiere ich mal ein paar warme Decken.“ Verwundert nahm ich das schon gut verpackte Bündel in Empfang. Erschrak über das ziemlich schwere Gewicht. Hinter mir stürmte neugierig die lebhafte Cynth in den Gang hinein. „Kommandant Dongard,“ wunderte sie sich, „Schon da? Dabei hat doch Derek eben verkündet dass du erst Morgen eintriffst.“

„Ein voreiliger Irrtum. Ist der Esssaal vorbereitet zum Schlafen?“

„Nein.“

„Dann trommle das Volk zusammen und bringe Safinas Bettsachen her!“ Man merkte gleich dass Dongard wieder zuhause war und den Laden mobilisierte. Mir gab er einen sachten Stoss in den Rücken. „Setz dich in der Stube hin und kümmere dich um… Mirin. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, ist das sein Name.“

Mir dämmerte langsam was ich da in den Armen hielt. Mir, die Geschwisterlos aufwuchs und sozusagen nie mit anderen Kinder spielte…ausgerechnet mir drückte er ein Kind in die Arme. Überliess es meiner unerfahrenen Obhut? Dementsprechend begeistert versuchte ich einen Blick unter die Decke zu erhaschen. „Ist, war er verletzt?“ Nahm es mich Wunder wie sorgfältig ich ihn transportieren sollte.

„keine Sorge“, meinte Dongard noch, auf halben Weg in sein Quartier. „Er ist harmlos. Hat sich nur überanstrengt.“ Kaum verschwand Dongard Rücken hinter seiner Tür, versuchte ich den hilflosen Blick gar nicht mehr zu verbergen. Himmel, ich habe mich bisher nie um ein Kind gekümmert. Wie alt war dieser Mirin überhaupt. Atme tief ein, mahnte ich mich. Versuchte wieder ein gelassenes Pokerface aufzusetzen und trat in die warme Stube. Emsig rückten meine Kameraden bereits das Mobiliar an die Wände. Ich gesellte mich rasch zu einer Bank, in einer dunklen Ecke. Erleichtert setzte ich mich hin. Legte das Gewicht auf meine Knie damit ich endlich eine Hand frei bekam. Gespannt öffnete ich eine Deckenkante. Mann, das war ein älterer Junge zwischen 7- zehn Jahren. So viel ich im schummrigen Kerzenlicht sah, viel mir sofort die helle Haut und die blonden Haar auf. Beides fast unnatürlich weiss. Obwohl er gerade schlief bemerkte ich trotz den geschlossenen Augen dass die sehr länglich geformt waren. Ein Melf, durchzuckte es mich. Wow, ich hielt einen jungen Melfen in meinen Armen. Oh Schock! Was passierte das so ein Kind ohne Angehörigen hier in Dongards Lage ankam. Dongard hatte ihn bestimmt den Drachen nicht sehen lassen. Sonst wäre Mirin nicht so gut in der Decke eingehüllt gewesen. Das gab Hoffnung dass man ihn zu seinen besorgten Eltern zurück begleitete. Urteilt mich nicht als Herzlos ab, aber ich gehöre nicht zu den Menschen die unbedingt ein Baby in den Armen halten wollen, weil es ja so süss ist! Mirin war bereits halb erwachsen darum wünschte ich mir in da wo er hingehörte, in die Arme seiner richtigen Eltern. Besorgt wagte ich mich kaum zu rühren damit dieses Kind ja weiterschlief. Auf einmal öffneten sich die unschuldigen, grossen Augen. Jetzt nur nicht bewegen! Aussergewöhnliche hellbraune, goldige Pupillen schauten mich einfach an. Meine Furcht war gänzlich unbegründet, denn völlig still schlief er weiter nachdem er merkte dass jemand auf ihn aufpasste. Erwartungsvoll blickte ich auf den Türvorhang. Wann kam endlich Dongard und erlöste mich?

Unverständliche Worte lenkten meine Aufmerksamkeit nach unten. Mirin murmelte Laute die zu denen ich kein übersetzendes Wort fand. Dafür stand plötzlich Dongard vor mir. Erst als er unverständliche Sätze von sich gab, wusste ich dass er den melfischen Dialekt benutzte. „Safina?“ Fragend sah Dongard zu mir herunter.

„Was?“ Ganz Ahnungslos was er andeutete war ich nicht. Eindeutig sah man mir an dass ich mich höchst selten mit Kindern befasste. „Ich habe keine Geschwister,“ verteidigte ich mich schroff.

Statt mich zu erlösen, jemanden geeigneteren die Aufgabe zu übertragen, meinte Dongard unbekümmert. „Dann lernst du es ein bisschen. Ein paar Minuten wirst du es bestimmt noch aushalten. Sei lieb zu ihm,“ bat er völlig überflüssig. „Er hat niemanden mehr ausser uns.“

Diese letzten Worte trafen mich schwer. Das veränderte irgendwie die Sachlage. Genauso wie ich nie einen Fremden Hund füttere um ihm seinen rechtmässigen Herrn wegzulocken, genauso würde ich nie ein Kind bestechen nur damit es mich auch liebt. Aber ein herrenloses Geschöpf, das rührte mein Herz. Im halbdunkel beute sich jemand halb über mich. Irgendeine andere Schülerin mit langen Zöpfen. Gerade als sie die Hand nach der Decke ausstreckte um besser zu sehen, schlug ich automatisch mit meiner Hand über ihre neugierigen Finger. „Lass ihn schlafen,“ flüsterte ich drohend. Keine Ahnung woher ich auf einmal wollte das dieser Mirin seine wohlverdiente Ruhe erhielt. Jedenfalls sollte ihn keiner Störten.

Mit einem beleidigten Laut wendete sich die Schülerin den andern zu. Gemeinsam legten sie die isolierten Matten aus. Jeder rollte seine Schlafdecke an die von ihm bevorzugten Stellen.

Ein paar Schritte entfernter bemerkte K`tug dass sein vertrauter Chef was schwer auf dem Magen lag. Bestimmt nicht sein Abendessen! In Gedanken beschäftigt faltete Dongard seine Unterdecke zum dritten Mal. Um ihn aus dem Alptraum zu erlösen, entführte K`tug die Decke aus den unentschlossenen Händen. „Kommandant, was ist los,“ fragte der Koch rücksichtvoll leise. Erschauderte als er feststellte das seine Harmlos Fragen Dongard in tieferen Kummer stürzte.

Nachdenklich plauderte Dongard abwesend. „Es passt nicht zusammen. Ob ich mich geirrt habe?“ Fragend glitt sein verstörter Blick zu dem ratlosen K`tug. Erst jetzt schien er ihn richtig zu bemerken. Dieser kratzte sich an seinem Kinn. „Verrate mir worüber du Zweifelst und ich verrate dir ob es tatsächlich stimmt,“ bot der Koch an.

„Safina,“ flüsterte Dongard leise besorgt. „Meine Vorsehung hat mir gedeutet dass mein zukünftige Gefährtin sehr Kinderlieb sein soll. Und jetzt sieh dir mal an wie verloren Safina aussieht.“

Nach kurzen Seitenblick meldete sich K`tug. „Was verlangst du eigentlich von ihr? Soll sie jedes Kind gleich im Arm an sich drücken? Ich dachte ihr Melfen seid gegenüber anderen Rassen froh wenn eine gewisse Distanz gehalten wird. Sie macht alles richtig!

Wie war das genau mit deiner Vorsehung? Glaubst du wirklich dass Safina..?“ Ungläubig mass K`tug die Auserwählte. Uneinig über die daneben Wahl verdüsterten sich seine Gesichtszüge. „Ausgerechnet den Unruhestifter. Das widerspricht jeder Melfischen Vernunft. Bist du sicher?“

Fast traurig wandte sich Dongard herum. Musterte erneut kritisch die rätselhafte Safina. Erst allmählich viel er die Veränderung auf. Gerade beobachtete er wie sie jemanden rüde fortschickte um ungestört, mit dem Kind, zu sein. Seine feinen, scharfen Melfenohren vernahmen ihre drohenden Worte. Beruhigt, erlöst von einer Schweren Last schmunzelte Dongard seinen misstrauischen Koch an. „Es ist alles in Ordnung,“ schnurrte er förmlich dass K`tug Argwohn vertiefte. Erst Recht als Dongard zugab, „Du hast vollkommen Recht. Sie macht es absolut Richtig. Es verzögert sich zwar immer, aber man kann sich auf sie verlassen.“

Verstimmt wandte ihm K`tug den Rücken zu. Das war unbeabsichtigt dass er Safina unterstützte. Sein innigster Wunsch, bezüglich Dongard war, dass er endlich eine passende Gefährtin aussuchte. Und jetzt… So hatte er sich das wahrlich nicht mal in den fantasiereichen Träumen, ausgedacht. Für ihn zählte Dongard so viel wie ein eigener Sohn und dem wünschte er nur das Auserlesenste. Safina, er rümpfte einseitig die Nase darüber. Zu spät bemerkte er Staries stummes Lachen über seine verzerrte Grimmasse. Dann noch lieber Starie, dachte er für sich selbst.

 

Cynth helle Stimme schreckte mich hoch. „Safina, komm!“ Geschmeidig hob ich mich auf die Beine. Wich den beschäftigten Kameraden aus, welche sich noch um ihre Lieblingsdecken stritten. Meine Nachbarin, klopfte auf den ausgelegten Platz neben sich. Gerade wollte ich mich hinlegen, spürte ich eine vertrauliche Hand in meinem Rücken. Sobald ich die grössere Gestalt bemerkte, schluckte ich den aufsteigenden Protest hinunter.

„Du willst ihn doch loswerden,“ übernahm Dongard meine hintersten Gedanken. „Ausserdem kann ich mich mit ihm unterhalten sollten ihn in der Nacht Alpträume verfolgten.“

Dankbar überreichte ich Dongard das schwere Bündel. Mit einem müden Lächeln nahm er es in Empfang und… mein Ärmel hing irgendwo fest. Erst als ich zwischen den Deckenfalten nachsah entdeckte ich die kleine Faust die meinen weiten Ärmel festhielt. Vergeblich zerrte ich an meinem dünnen Stoff. Wollte vermeiden dass sich diese schmalen Finger wehtun.

Leise flüsterte Dongard eindrücklich in Melfisch.

Kaum hörbar nuschelte eine müde Stimme zurück.

„Mhm,“ entfloh es Dongard leicht verlegen. „Tja, wie es aussieht, bevorzugt er es bei dir zu bleiben. Kannst du ihn über Nacht einfach bei dir…?“

„Schon gut.“ Mir blieb kaum eine Wahl. Eigentlich plante mein Chef die Bürde abzunehmen, wenigstens bis ich auf meinem Lager sass, doch Mirin gab keinen Zentimeter nach. Packte das gewichtige Bündel an mich, knickte einfach meine Beine ein und rollte auf die Seite. Während Dongards hilfsbereite Hände nur noch die Luft hielten. Leise Kicherte Cynth vor sich hin.

„Ja, ja,“ gab ihr Dongard recht. „Manchmal kann Safina erstaunlich schnell sein.“

Draussen folgte ein heftiger Windstoss der die schützende Bretterwand der Glasfenster leicht einwärts bog. Danach folgte ein unheimlicher Sog, durch den Eingang, das selbst unsere Kerzen im geschützten Raum flackerten. Selbst geschwätzige Leute wie Ascha verstummten unter der eindrücklichen Gewalt. Gespannt warteten wir eine schweigende Sekunde ob unsere Schutzvorrichtung hielt. Sofort nutzte Dongard den Moment der Angst. Klatschte in seine Hände um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. „Alle sofort auf die Matte! Keiner geht…“ Grell blitzte es draussen auf. Gleissendes Licht leuchtete durch die Bretterritzten. Prompt folgte ein durchdringender, tiefer Donner.

„ich glaube ich kann mir alles weitere sparen. Es verspürt wohl keiner mehr das Bedürfnis nach draussen zu gehen.

Nun da wir vollzählig versammelt sind informiere ich kurz was heute los war. Es ist wohl kaum jemanden entgangen dass wir heute Abend das Nachflugverbot deftig angekratzt haben. Also der triftige Grund dafür ist weil wir erst abklären mussten ob jemand überlebt hat. Also die Farm von…“ Mitgenommen sah Kommandant Dongard ausweichend auf den Fussboden. Eine dunkle Haarlocke klebte ihm auf der Stirn. Seine Uniform halb offen. Obwohl er mit den Händen in die Hüften gestemmt immer noch wirkte wie der vielgeliebte, unerschütterliche Anführer so viel mir auch der verletzliche, müde Ausdruck in den dunklen Augen auf. Beinahe Gequält sah er in meine Richtung bis er Augenkontakt hielt. Zweifellos erschütterte ihn das heutige Ereignis bis ins innerste Mark. „Die Familie Torex hat… keiner hat überlebt. Es ist kaum verständlich. Der gesamte Dachstuhl hat sich gelöst. Vermutlich haben sie versucht ihn zu fixieren. Jedenfalls hat ein Luftstoss das Dach angehoben und die gesamte Familie einfach…“

Traurig schluchzte die kümmerlich zusammengerollte Ascha auf. Während alle schockiert Dongard Bericht horchten, rollte sich die sonst so Neugierige halb unter ihre Decke und starrte einfach vor sich hin.

„Morgen, wenn Ascha in besserer Verfassung ist versuche ich genaueres zu erfahren. Das neue Mitglied, Mirin, ein erst fünfjähriges Melfenkind, wird vorerst eine Weile bei uns bleiben. Ich habe ihn verwirrt in der Nähe von der Torexfarm gefunden und so wie ich und Starie die Spuren deuten, scheint es dass neben der Familie Torex zumindest auch ein Elternteil von Mirin dasselbe unfassbare Schicksal teilt. Wir haben fein gewobene Melfenkleidung zwischen den Holzbalken entdeckt. Wie gesagt, ich hoffe dass ich Morgen ein paar genauerer Details erfahre. Bis dahin wünsche ich ausdrücklich dass niemand Ascha belästigt. Mit keiner einzigen Frage!“ Abschreckend blickte er finster in die Runde. Völlig unnötig, reichte schon sein bittender Tonfall, dass ihm jedermann den Gefallen erfüllte. Selbst wenn er einen düsteren Gesichtszug aufsetzte wirkte Dongard unverbesserlich Attraktiv. Einzig der Respekt vergrösserte sich.

Gedankenverloren kümmerte ich mich um Mirin. Die gesamten Torex ausgelöscht? Irgendwie viel mir das schwer zu glauben. Weigerte sich in mir zu glauben. Vor wenigen Tagen spielte ich mit deren Söhnen und jetzt einfach weg? So viele Kinder und keine Zukunft? Aus den Augenwinkeln verfolgte ich dass meine Nachbarin, auf Mirins Seite, unwillig ihren Platz räumte. Schwerfällig rauschte eine grössere Person zu Boden. Klopfte ihr Kissen zurecht und wandte ihr Gesicht auf meine Seite. Wirklich müde, dunkle Augen in denen viel Traurigkeit, Besorgnis drin stand. „Hey,“ flüsterte Dongard matt, „alles in Ordnung?“

Da er in der universal Sprache redete wusste ich gleich das er mich ansprach. Sollte ich ihm verraten was mich beschäftigte? Dabei umschwirrte ihn schon genug wartende Sorgen. Meine hinausgezögerte Antwort liess ihn wieder wach werden also wrang ich mich zu einem Teilgeständnis. „ich frage mich nur, wie es kommt dass eine ganze Familie einfach so…“

Er seufzte tief. „Bei den Melfen heisst es das die meisten Schicksale vorherbestimmt sind. Kleine Abweichungen sind möglich. Aber wenn die Zeit für die Torex abgelaufen ist, kann keiner sie daran hindern. Sie waren ziemlich unglücklich über ihre Situation. Haben immer alles miteinander durch gestanden. Es ist tragisch aber vielleicht sind sie bereit für ein neues Leben. Einen komplett anderen Anfang.“

Ich wunderte mich. „Du glaubst an ein Leben nach dem Tod?“

Schwach lächelte er mich an. „Nicht immer. Ich halte das Leben für einen Weg den man durchläuft um Erfahrungen zu sammeln. Irgendwann ist diese Ausbildung vollständig und man stirbt für immer. Bei den Torex, ist dieser Weg noch lange nicht zu Ende.“

Es klag vernünftig aber wie immer blieb es ein Streitfaktor in der Religion. Dabei gab es in meiner Zeit schon Kinder deren Aussagen Deckungsgleich mit Dongards Meinung waren. Leute die darauf bestanden schon einmal gelebt zu haben. Wenn sich dieser Glaube selbst nach einer kompletten Erdveränderung hielt, war sicher ein Funken wahr daran. Komisch, mir erst jetzt richtig Gedanken über den Tod und das Leben auseinander zu setzten. Dabei wollte ich vor Jahren selber, zum Glück ziemlich erfolglos, mir das Leben nehmen. Doch jetzt kostete ich jede Minute im Lager voll aus. Egal, ob Dongard dabei schimpfte. Er der soviel wusste, ahnte. „was denkst du? Werde ich wieder geboren?“

Zum ersten Mal heute überzog sein Lächeln das gesamte Gesicht. „Auf jeden Fall. Wobei ich denke dass dein Weg fortgeschrittener ist als es den ersten Anschein hat. Dir fehlt vor allem die Festigkeit im Glauben und..“ Genauer studierte er mich.

Lästig winkte ich ab. So genau wollte ich meine Schwächen nicht wissen. „Und du selbst?“

„Klar, wobei mir eines zu Denken gibt. Ob ich mit meiner zukünftigen Gefährtin einen gemeinsamen Abschnitt wieder teilen darf. Manchmal scheint es mir ich warte bereits eine Ewigkeit auf Sie. Hoffentlich verkürzt sich im nächsten Leben diese unerträgliche Spannung.“ Träumerisch lag Dongard auf dem Rücken und sah zur Decke hoch. Nie hörte ich ihn so persönliche Worte mit einem der Schüler wechseln. Anderseits besass ich diese vertrauensselige Ader dass selbst schon verstockte Insassen, aus der Irrenhaus Zeit, mir einige Geheimnisse anvertrauten. Oder besass Dongard eine verrückte Schwäche für mich. Ich beschloss es unauffällig zu forschen. „Wenn du weiterhin dich in diesem Lager versteckst brauchst du ziemlich viel Glück dass du die perfekte Gefährtin findest,“ sagte ich mit wenig Zuversicht dass er bei seinem schwierigen Charakter wohl eine geduldige Ehefrau fand.

„Pah,“ amte er sonst meinen überheblichen Tonfall nach. „Gefunden habe ich sie längst. Nur das mit dem Erkennen lässt auf sie warten.“

Ziemlich verwirrend diese klugen Melfenwahrheiten. Zumal mich arg der Gedanke beschäftigte ob er am Ende einbezog. Zeigte er sich mir Gegenüber seltsam anders was anderen schon teilweise aufviel. Gab es denn keine Lösung. „Setz doch deine Gabe ein. Beschleunige das ganze mit deinem Einfluss?“ „Um Himmels willen,“ flüsterte er leise entsetzt. „Das verfälscht die ganz Beziehung. Nimmt ihr die reine Verbindung. Ausserdem darf ich meine Gabe nur zur Verteidigung und Bildung einsetzen.“

„Ach ja,“ höhnte ich leise hinüber. „in welche Kategorie fällt das was bei unserem ersten Zusammen treffen passiert ist?“ Damals hielt er mich mit seiner unsichtbaren Macht gefangen, dabei stellte ich keinerlei Gefahr für das Lager da.

„Beides,“ meinte er ohne schlechtes Gewissen. „Bildung, damit du kapierst wo du hingehörst! Wir haben einen mündlichen Vertrag. Und Verteidigung weil ich damals unsicher war wie du dich am Ende entwickelst. Schliesslich lief im ganzen Königreich ein Haftbefehl. Also sei zufrieden wofür ich mich entschieden hab.“

„Drehst du alles zu Deinen Gunsten?“

Diesmal richtete er sich sogar halb auf. Stützte sich auf einen Ellbogen. „Safina,“ ein düsterer Ton der eine Warnung erhielt. „Unterschätze mich niemals. Unterschätze überhaupt keinen Melfen, ob echt oder halbecht.“

„Schon gut, beruhige dich wieder. Man könnte denken ich sei immer noch dein Feind.“

„auf gewisse Weise kämpfst du schon gegen mich an“, zerstörte er meine heile Welt. Dabei wähnte ich mich Sicher an einem festen, stabilen Ausbildungsplatz. Gerade jetzt wo ich Hoffnung auf eine vernünftige Zukunft besass, gestand mir Dongard dass er mir zutraute Widerstand gegen ihn zu leisten. Zugegeben, es viel mir manchmal schwer seiner Autorität einfach anzunehmen. Alleine wenn ich daran dachte wie die anderen ihn förmlich anhimmelten und gerne seine Wünsche erfüllten. Dieses lächerliche Getue sollte auf keinen Fall auf mich abfärben. Egal wie hübsch oder perfekt sich Dongard benahm ich…

Was wollte ich eigentlich? Ich wusste es selbst nicht so genau. Nur, das ich keines seiner goldigen Schäfchen spielten wollte. Eigentlich war es nicht meine Absicht aufzufallen. Wissend dass ich meine Ecken und Fehler besass, stand ich auch zu diesen Eigenschaften. Niemand war perfekt. Hüttete mich einfach davor Dongard auf ein erhöhtes Podest zu stellen. Vielleicht hatte ich auch schlichtweg Angst davor und brachte ihn darum gerne aus der Fassung.

„Saf“, flüsterte er kaum hörbar. „Hab ich dich jetzt verärgert? Nimm es nicht so ernst. Ich hasse und Befürworte deine spezielle Eigenart. Es macht dich zu was besonderem.“

Soll das etwa ein charmantes Kompliment sein? Unwillig liess ich ein Schnauben von mir hören. Drehte ihm abweisend den Rücken zu.

Im halbdunklen Raum selber herrschte eine ungewöhnliche Stille. Bei über zwanzig Personen so früh am Abend eine wahre Ausnahme. Unbehagen vor dem Sturm, was er draussen alles zerstörte und bereits der Verlust einer ganzen Familie, drückte die Stimmung. Einzig ein paar eher nachtaktive Frauen spielten leise Karten im Kerzenlicht.

Wegen dieser Ruhe hörte ich genau die Bewegung unter der Decke hinter mir. Gewappnet überraschte es mich kaum als ich spürte wie Dongard an einer meiner Haarsträhnen zupfte. Reflexartig schleuderte ich mein Kissen nach hinten. Traf den völlig unvorbereiteten. Während Dongard überrascht den Anschlag verarbeitete, kicherte ich unterdrückt vor mich hin. „Melfe und ihre berühmten Reflexe,“ lachte ich.

„Na warte dich…“ Gerade als er sich vorbeugte schrie ich ziemlich laut. „N`toki!“

Es knurrte ziemlich mürrisch aus einer anderen Ecke.

„N`toki, hilf mir, binde ihn bei dir an!“ Darauf lachte mehr als einer in sein Kissen. Selbst Dongard bekam grosse, runde Augen. Zischte mit gedämpfter Stimme. „Bist du verrückt? Was willst du erreichen?“

„Safina“, donnerte N`toki ziemlich mürrisch. „Verteidige dich gefälligst selber!“ Im Anhang folgte ein verspätetes, genervtes „Kinder.“

Warnend fauchte ich Dongard an. „Bleib wo du bist.“

Zornig funkelten seine dunklen Augen. Um weiteres Aufsehen zu vermeiden legte er sich widerwillig hin. Verengte Augen bedeuteten dass er mir diesmal nicht so schnell verzieh. „Wie geht es übrigens deinem Magen?“ Begann er harmlos.

„Gut,“ antwortete ich mit einer gewissen Spannung des Ungewissen.

„Ausgezeichnet, ab Morgen stell ich deine Ernährung wieder auf Haferflocken um.“ Gnadenlos sein Urteil. Einzig Mirin zwischen uns verhinderte dass ich abermals das Kopfkissen rüber schleuderte. Aufgebracht krallte ich die Hände in das Federkissen, wünschte es wäre Dongards Hals. Ruhelos versuchte ich vergeblich den erlösenden Schlaf. Das mit den romantischen Träumen versagte auch. Nach ein paar Mal unentschlossenem herumwälzen unter der Decke, fühlte ich mich auf einmal als ob ein dunkler Nebel mich niederdrückte. Gleichzeitig wusste ich das hier Fremdeinwirkung manipulierte. Jedoch glich es in keiner Weise der Art wie Dongard üblicherweise die Herrschaft übernahm. Obwohl mich dieses dunkle Gespinst überrumpelte wirkte es beruhigend und von sanfter Macht. Traumlos schlief ich ein. Im Hinterkopf nur ein Gedanke- Mirin.

 

Gedämpftes Murmeln weckte mich auf. Beunruhigt öffnete ich die Augen. Zwei Personen standen wie angeschraubt zu meinen Füssen. Andere Schüler spazierten mit einem Schmunzeln rasch neben Dongard vorbei. Was gab es da so amüsantes zu betrachten das N`toki und K`tug so unfreudig auffassten. Bitterböse funkelten N`tokis asiatische Augen. Eifersucht höchsten Grades schleuderte sie mir entgegen. Hielt mich Dongard wieder fest? Automatisch zuckten meine Hände näher an meinen warmen Körper. Nein.

Dafür zog ich eine kindliche Hand mit dem Ärmel unter die Decke. Na ja, wenn man es mit den Augen einer Frau betrachtete, sah es wirklich niedlich auf. Auf einer Seite umklammerte mich der blonde Mirin fest, mit seiner anderen kleinen Faust hielt er eine von Dongard gelockten Haarsträhnen. Ein Bild voller Harmonie wenn man die wahren Tatsachen ausser Acht liess. Unbehaglich weil wir den anderen ein Schauspiel darboten versuchte ich aufzustehen. Scheiterte erneut bei Mirins eigenwilligem Griff. Die anderen belächelten meine vergebliche Bemühung des Fluchtversuches. Selbst N`tokis strenger Gesichtsausdruck wechselte zu amüsant. Eine hochgezogene dünne Braue deutete an dass ich weiterhin ihre Prognose bestätigte ein langjähriger Versager zu sein. Erbarmend meinte K`tug angeheitert. „leg dich besser noch mal hin und warte einfach bis Der Kommandant aufwacht. Dauert bestimmt nur ein paar Minuten. Er befreit dich schon.“

Ha, bis dahin sollte ich die glückliche Familienrolle spielen? Kurzerhand schlüpfte ich aus meinem Hemd und zerplatzte die von fast allen gewünschte Illusion. Zwar stand ich jetzt äusserst präsentable im BH da. Aber immer noch besser als ganz nackt. Packte meine Decke und wickelte mich darin ein. Mit dem Fuss schleuderte ich das Kopfkissen in meine Hand hoch und spazierte stolz in mein Zimmer um mich für den Morgenappell herzurichten. Ausser K`tugs Augen folgten von den Männern mir noch mehrere Augenpaare. Zu spät wurde mir bewusst dass ich eventuell eine riesen Dummheit beging. Denn in diesem Zeitalter existierten kaum so Fortschrittlichen, anliegende BHs. Dabei dämmerte mir meine völlige Unwissenheit wie hierzulande überhaupt die üblichen weibliche Unterwäsche aussahen. Gerade als ich in den Gang marschierte, hörte ich Decken hinter mir rascheln. Dongards verträumte Stimme. „Hab ich was verpasst? Was steht ihr so baff herum?“

Amüsiert antwortete K`tug. „Gerade ist Safina halb unbekleidet nach draussen spaziert. Dabei bot sie einen aufschlussreichen Blick auf die schlanke Figur. Ihre weite Kleidung ist einfach unvorteilhaft. Hast du das bis jetzt noch nie bemerkt? Haben wir nicht noch ein paar kleinere Nummern an Uniformen im Lager?“

Weiter wollte ich gar nicht zuhören. Hastete mit geröteten Wangen ab in mein Zimmer. Himmel, die bemerkten gar nicht den unzeitgemässen BH sondern achteten nur auf meine weiblichen Kurven. „Männer,“ urteilte ich alle gleich ab.

 

Verschlafen rieb sich Dongard die Augen. Sobald ihm die untätigen Zuschauer auffielen trieb er seine Schüler zur Eile an. Ausser K`tug wagte keiner mehr die späten, hübschen Aufsteher zu betrachten. Gereizt fuhr ihn Dongard an. „Hast du nichts zu tun in der Küche?“

„Weichst du dem Hauptgrund aus?“ Fühlte er Dongard direkt auf den Zahn. „Kommandant, es scheint du hast mit Safina was deutlicher abzuklären. Hast du ihr mal erklärt wie das hier mit der nächtlichen Zimmeraufteilung so läuft? Es wäre vorteilhafter für alle wenn du beginnst ihr mal einen sachten Schups in diese Richtung zu widmen. Bestimmt erfreut es ein paar Mitgliedern wenn du den Boden vorher glättest.“ Ganz leise fügte er hinzu. „Besser auch für deinen eigenen Frieden wenn die übermütige Frau ganz ausgelastet wird.“

Übersah Dongard missfallenden Blick. Unerwartet hielt K`tug Unterstützung aus einer ganz anderen Ecke. Beim Vorbeigehen liess Monat die Bemerkung fallen. „Ja, zähme sie mal ein bisschen.“ Hastig, bevor ihn Dongards Augen im Rücken trafen, flitzte er ungewöhnlich schnell aus dem Zimmer.

Um sich zu beruhigen, deckte Dongard den jungen Mirin sorgfältig zu. Danach beeilte er sich selber die letzte Unordnung aufzuräumen. „Weshalb sind alle auf einmal so scharf darauf das ich mich intensiver um Safina kümmere? Besonders in dieser Angelegenheit.

Weil ihr sie einmal halb ausgezogen gesehen habt?“

K`tug begleitete ihn nur bis in den Gang hinein. „Nun,“ wies ihn der erfahrene Koch an. „Wohl eher um sie Umgänglicher zu machen. Es kann sie ja keiner anfassen, ohne dass sie zusammen zuckt.“

„Na und,“ verteidigte sie der Kommandant rasch, „Ist mir gerade recht dass sie nicht von allen anfassen lässt!“ Zu Spät viel ihm auf was diese unbedachte Bemerkung bei K`tug anrichtete. Verstehend nickte der Ältere. „Aha!“ nachdenklich steuerte er auf seine Domaine, Küche zu.

 

Kräftig zerrte der Wind an den sorgfältig gerichteten Haaren. Zerstörte jeden gepflegten Eindruck. Selbst der Kommandant erschien mit einem grimmigen Ausdruck auf dem von Wind gebeutelten Platz. Kleine Äste und noch ganz grüne Blätter tanzten wild über den feuchten Boden. Heute drängte unser verstimmte Chef weniger zur Eile. Kaja erhielt als einzige die einmalige Erlaubnis für einen Ausflug. Unerbittlich setzte er sogar die kräftigen Leute ein weiter am Fundament, einer geplanten neuen Halle, zu graben. Um den unbändigen Sturm zu überwachen, bestand er darauf dass jeder Postenturm besetzt blieb. Für die restlichen Teilnehmer verteilte er lange Unterrichtsstunden. Selbst mir blieb die langweilige Wetterkunde nicht erspart.

Mit hängenden Schultern gliederte ich mich in die ungeduldig, drängende Schlange für Morgenessen ein. Sobald ich mich ein wenig erholt, neben einer stillen Ascha, hinsetzte, kehrte meine bessere Laune zurück. Diese arme, sensible junge Frau weckte sogar mein Mitgefühl. Sobald sie ihr Marmeladenbrot mit Gleichgültigkeit in wenigen Bissen hinunter schluckte, strich ich ihr ein neues. Nachdem ich für mich selber die Dritte Brotscheibe suchte, stoppte mich Dongards tiefer Ton. „Safina, darf ich dich bitten, mit dem Frühstück, aufzuhören. Je nachdem wie sich das Wetter entwickelt, ändert sich dein Tagesplan. Wenn bis ca. zwei Stunden kein Aufruf kommt, erlaube ich dir in der Küche einen Zwischenimbiss zu genehmigen. Ist das ein Deal?“

Etwas verwirrt sah ich zu seinem Tischende. Obwohl mir es gar nicht passte, setzte ich mich auf der Bank zurück. Beschäftigte meine Finger mit dem rollen einer abgerissenen Etikette. Wollte Dongard dass ich heute Morgen noch flog?

 

Knapp zwei Stunden später, beim sammeln von Brennholz, sprang Stefkan an meine Seite. „Chef will dich auf dem hinteren Weideplatz sehen.“ Wies er mich an. Übernahm meinen Korb mit der spärlichen Holzsammlung. Gespannt spazierte auf die Weidewiese zu. Öfters wanderte mein Blick über den mit Wolken überzogenen Himmel. Diese von Wind gebauschten Wolken huschten in einem gehetzten Tempo vorüber, während sie mehrmals ihre Form veränderten bis sie am grauen Horizont ausser Sichtweite gerieten. Nicht das ideale Flugwetter für einen Anfänger.

In der freiwilligen Eile sprang ich gleich zwei, drei Steinstufen auf einmal nehmend. Oben auf dem kleinen Hügel, mit Blick über die weiten Ebenen, entdeckte ich den gesattelten, wartenden Drachen. Minimal Enttäuscht setzte ich meinen Weg langsamer weiter. Es war Dam Tam den man mir zur Verfügung stellte. Immerhin besser als den oberlausigen, alterschwachen Krag.

Die Wartezeit günstig ausnutzend, bürstete der fleissige Kommandant den geduldig hinhaltenden Dam Tam mit einer dünnen öligen Paste ein. Zur Sicherheit hielt er die durchhängende Zügelschleife über seinem Arm und pflegte mit der weichen Bürste die unzähligen winzigen Schuppen bis sie auf höchstem Glanz schimmerten. Unwillig bemerkte Dam Tam die neue Störung seiner verwöhnenden Pflege.

Sofort umrundete ich den schnaufenden Drachen der die Segelohren warnend anlegte. Mit einem sanften Knuff in seine Ledrige Haut gab Dongard selber seine Warnung zur Ordnung kund. „Benimm Dich! Heute findet nur ein kurzer Ausflug statt.“

Prüfend musterte Dongard jede Kleinigkeit an mit. „Binde die Haare fester zusammen. Erste einmal in der Luft, hast du kaum eine Hand frei sie neu zu binden. Erst Recht nicht wenn du das Haarband bereits verloren hast,“ fand er zu beanstanden. „Auf mit Dir!“

Dank der öfteren Übung mit den Dulies viel es mir leichter mich in den Sattel hoch zu ziehen. Rief mir in Erinnerung, wie Dongard Wert darauf legte, sich rücksichtsvoll langsam in einen Sattel hinzusetzten. Wie selbstverständlich passten auf Anhieb die Länge der Steigbügel. Ein erfreuliches Lächeln formte sich in Dongard Mundwinkel. Er besass ein ausgezeichnetes Einschätzungsvermögen. Reichte mir dir Zügel hoch. „Handschuhe benötigst du heute ausnahmsweise mal nicht. Versuche ein paar ruhige gleichmässige Runden um das Lager zu fliegen, so dass du jederzeit in Sichtweite bleibst. Nimm die erste Runde um ein Gefühl für die Höhe zu entwickeln. Versuche die dritte Runde etwas höher und die letzte tiefer zu fliegen. Probier beim Landen genau diese Stelle hier zu treffen. Mal sehen wie Punktgenau du diesen Platz triffst.“

Seine warmen Finger zogen mir die Zügel, zwischen meinen verklemmten Finger, in die korrekte Lage. Schnallte meine Sicherheitsriemen um die Oberschenkel enger. Energisch, konzentriert sein Gesichtsausdruck. Schon seltsam wie vielseitig sich Dongard mir gegenüber verhielt. Manchmal so vertraulich als ob wir uns Jahre kennen würden und jetzt gerade voll der distanzierte Chef. „Saf,“ kam es aufweckend. „Augen nach vorn.“

Kalt, nicht die Temperatur sondern sein Verhalten. Wie schaffte es bloss bei allem so konzentriert zu sein, egal was er tat. Ein Melf, ein vollkommenes Wesen. Irgendwie fröstelte es mich diesmal bei dem unheimlichen Gedanken. Würde.. konnte ich je darauf hoffen dass dieser harte Perfektionist tatsächlich tiefere Gefühle für mich entwickelte? Safina, schalt ich mich selber. Raus aus deinen Träumen. Spüre den lebendigen Körper unter dir, versuche seine nächsten Absichten zu erkennen und steuerte ihn. Wie lange war der Startspurt? Rief mir die zwanzig Meter, vom Schulunterricht, in Erinnerung. Niemand hetzte. Also Pflicht gemütlich starten. Schnell das Signal von Kommandant Dongard. Langsam zog ich die Zügel an um dem Tier zu verdeutlichen das ich was wollte und liess los. Leichter Druck in den Schenkel. Gleichmässig schaukelte das Tier unter mir los. Kühler Luftzug strich an meinen Wangen immer schneller vorbei. Schätzte mit blinzelnden Augen die Distanz, die Schnelligkeit. Spürte dass seine langen, dürren Beinen ihre volle Kraft erreichten und hielt die Zügel zwei Handbreiten höher. Schwungvoll entfalteten sich die Flügel bis zur letzten Spannweite. Zwei, dreimal halbherziges Flattern, ein elastischer Sprung und kraftvoll presste er mit einem Schlag die Luft unter sich weg und erhob sich elegant königlich in sein Element. Viel angenehmer das sanfte Schaukeln in der Luft. Das nachgeben des kurzfristig sinkenden und wieder ansteigenden Körpers. Unterschied sich auch völlig mit dem was ich vom alterschwachen Krag her kannte. Gleichmässige Bewegungen. Von sich selber aus hielt er dieselbe Flughöhe ein. Erleichterung erlöste meinen angespannten Körper. Perfekt, unproblematisch die erste tiefe Runde. Bis… bis ich anfing auf ca. 70 Höhenmeter zu steigen. Erbarmungslos kehrte meine Höhenangst zurück. Unmöglich die zitternden Hände oben zu behalten. Klammerte mich auf einmal unsicher am Sattel fest. Übelkeit stieg in mir hoch. Dagegen ankämpfend suchte ich Erlösung indem ich tiefer Fliegen zu wünschte. Panik stieg in mir hoch als ich merkte das mein bisher lieber Dam Tam keine Reaktion auf meine Befehle ausführte… Was? Der Guterzogene folgte einfach Kommandant Dongard Befehlen und ignorierte meine direkten Hilfen. Himmel!

 

Mit finsteren Gesichtzügen verfolgte N`toki den dunklen Fleck am Himmel. Gegen ihren übliche Abneigung antreten gab sie offen zu. „Sieht ganz akzeptabel aus.“

Ohne die scharfen Augen von Himmel abzuwenden stimmte ihr Dongard zu. Obwohl er sonst immer was zu beanstanden fand, viel erste Runde perfekt an Safina. Hoffnung an eine erfolgreiche Zukunft eines seiner sonst schwierigen Schülers keimte auf. Bis… was zum…?

In letzter Sekunde unterdrückte N`toki ihre Freude. Flüchtig rutschte ihr ein „Mhm“, zwischen die zusammengepressten Lippen. Beherrscht wagte sie offen auszusprechen was Dongard Stumm, Sorgevoll verfolgte. „Scheint Unstimmigkeiten zu geben.“

„Gewaltig!“ Mittlerweile kehrten Dongard unheilvolle Stimmung zurück. „Dam tam kenne ich nur als zuverlässigen Anfängerdrachen. Bisher gab es bei diesen ersten Flugversuchen nie irgendwelche Probleme. Wie schafft es Safina nur, das zu ändern?“

„Nächstes Mal, lass es beim altbewährten! Es war einfach zu voreilig Safina so zu drängen. Andere fliegen erst nach einem halben Jahr Vorbereitung das erste Mal. Also warum änderst du so radikal dein Schema? Das hier ist die büssende Quittung. Besonders bei dem bekannten Charakter von Safina war nichts anderes zu erwart… ihhh!“ Aufquietschend verfolgte sie den merkwürdigen, gefährlichen Schlenker von Dam Tam.

Unbeweglich stand Kommandant da. Einzig seine geschlossen Augen verrieten die innere Aufruhr. Wie… wie konnte Safina sich das erlauben. Unter der fünfzig Meter Höhe so eine gewagte Korrektur anzubringen der den zuverlässigen Drachen beinahe aus dem Gleichgewicht schleuderte. Vielleicht lag in N`tokis beissendem Kommentar doch mehr Wahrheit als er Zugeben wollte. Verd…

 

Aufbäumend im vollen Tempo stellte sich Dam Tam widerspenstig gegen die schmerzenden Zügel in seinem empfindlichen Maul. Liess sich, um seinen quälenden Reiter abzuschrecken, seitlich quer fallen. Drückte, buckelnd seinen Rücken nach oben, fing sich schwungvoll auf, fand sich aber erneut in der starren, festen Hand gefangen. Vorsorglich zog Safina die langen Zügel über ihren kräftigen Ellbogen. Legte sich mit dem ganzen Körpergewicht zurück.

 

Selbst die abgebrühte N`toki erschauderte beim Anblick ihres geschockten Kommandanten. Entsetzten, Ungläubigkeit, Besorgnis. Was nach dieser eingefrorenen Fase ausbrach wollte auf keinen Fall miterleben. Den Wutausbruch, nach diesem Verstoss gegen alle Regel, mitzuerleben tat sie sich nicht an. Nahm sich vor erst am Abend wieder in sein ruhigeres Erscheinungsbild zu treten. Nutzte die günstige Gelegenheit unauffällig zu verschwinden als K`tug auftauchte.

„Man hat die einen irrsinnigen Zahn drauf! Ist die vollkommen lebensmüde?“ brachte er es treffend auf den Punkt. Mittlerweile knirschte Dongard empfindlich mit den Zähnen. Schalt sich selber, verurteile Safina und sein ganzes bestraftes Schicksal, dieser Angst um ein verantwortetes Leben, ausgesetzt zu sein. So viel hing an dieser kleinen, jungen Frau die nichts zu begreifen schien.

Scharf sog er Luft zwischen zusammen gepressten Zähnen ein. „Nein,“ entfuhr ihm ungewollt. Pure Angst erschauderte ihn, als sich das unstimmige Paar am Himmel hinter einem der nahe liegenden Hügel verabschiedete. Bei der geringen Flughöhe erwartete er nur aufgeschleuderte Erde, von ihrem vorprogrammierten Sturz, zu erblicken. Gebrochene Knochen zweier unersetzbarer Mitglieder, inmitten einer sich vermengten Blutlache, quälten seine Gedanken. „Safina,“ betete er in tiefer Verzweiflung. „Bitte hör damit auf.“

 

Von wegen! Unklar spürte ich Dongard Befehl in meinem Nacken. Er forderte mein Aufgeben. Wenn ich jetzt nachgab war alles verloren. Bei der misslungene Darbietung starb jede Hoffnung an mich. Soviel wusste ich selber. Also blieb mir nur auf unerklärliche Art die heikle Situation zu retten. Aufgebracht versuchte Dam Tam nach vorne auszubrechen. Dieser Sturkopf wollte einfach Dongard Programm durchziehen ohne überhaupt auf seinen Reiter einzugehen. Seine Perfektion brachte mir unverdiente Punkte ein und das wollte ich nicht.

Er merkte dass ich in der Luft von seinen ruppigen Kapriolen unbeeindruckt blieb und setzte zum Sturzflug an. Rasend schnell die kurze Distanz zum nassen, glänzenden Boden. Fünf, vier… zwei…

Im Höllentempo glitt er in der letzten Sekunde parallel zum Boden dahin. Nutzte den Schwung von Sturzflug. Wenn er nämlich jetzt, bei der gewaltigen Flügelspannweite, anfing zu flattern streifte er den Boden. Trotz dem nächtigen Regen, der den Boden aufweichte, eine schmerzvolle Angelegenheit die sehr wahrscheinlich zu einem katastrophalen Sturz führte.

Ruckartig schüttelte er seinen massigen Körper. Probierte mich weiterhin einzuschüchtern. Kräftig hielt ich meine Arme so weit wie möglich nach unten. Hoffte er würde mit seiner bisherigen Intelligenz zu wissen wie man einen Unfall umging und freiwillig aufgeben.

Zwischen meine, vom kühlen Luftzug, tränenden, verschwommenen Augen, bemerkte ich einen bunten Körper der mitten in unserer rasenden Flugbahn stand. Gelähmt von Schreck was da sie gleich rammte, blinzelte Ascha höchsten Ungläubig mit den Augen. Mitten an einem rutschigen Hang war es sowieso schwierig diesem breiten Flugkörper auszuweichen. Grell Schreiend liess sie sich auf den schmutzigen Boden fallen und hielt schützend ihre Arme über den Kopf. Der Sack mit dem gesammelten Holz entfloh ihrer Aufsicht bis zum nächsten Busch wo er hängen blieb.

In der Aufregung vergass Asche vollkommen dass die noch einen Ast mit ihren Händen umklammerte. Gerade ragte er zum Himmel empor. Diesen dünnen Stab gefärdete in keiner Weise Dam Tams Flügelknochen. Doch mir kam eine Idee. Konzentriert streckte ich meine Hand in die richtige Position. Schmerzhaft knallte der raue Stab, bei der Geschwindigkeit, an meine empfindliche Handfläche. Automatisch schnappte ich zu und eroberte somit ein neues Hilfsmittel.

Am Fusse des Hügel strampelte Dam Tam erneut mit den Beinen und warf sich erneut in den Himmel hoch. Hielt sich auf einmal ruhig als er spürte das ich die Zügel lockerte. Ganz seinem festgefahrenem Willen folgend strebte er die letzte perfekte Runde an.

„Harte Zeiten fordern harte Massnahmen,“ kündigte ich warnend an. Sachte gab ich einen Wink an die Zügel. Keine Reaktion. Gut, demnach folgte meine sogleich. Schlug federnd den Stab strafend über den Drachenkopf. Die Wirkung: verheerend. Mitten in der Luft bremste Dam Tam schockiert ab. Obwohl es selbst für einen jungen Drachen sehr Kräfte zehrend war schwebend an einem Punkt zu verharren. Tief grollend fuhr sein langer Hals herum. Was ihm einen erneuten heftigen Schlag über den Schädel einbrachte. Das war für einen empfindlichen, verwöhnten Drachen eindeutig zufiel. Drohend schwenkte ich den Stab weiterhin in meinen Händen.

Widerwillig knurrte er vor sich hin und begann sachte, müde mit seinen Flügeln zu flattern. Steigerte gemächlich das Tempo. Ein leichter Wink, meinerseits, mit den Zügel, mit hängenden Ohren folgte er meinem Wunsch. Völlig einwandfrei vollführte ich mein Pflichtprogramm.

Zu meiner Freude verfehlte ich den vorgegebenen Landeplatz um knappe kurze Meter. Überzeugt von meinem Sieg suchte ich strahlend nach Dongard. Fand ihn, mir den Rücken zugewandt, was meine Freude gleich betrübte. War ich zu nah an bei den Personen gelandet und wirbelte Staub in ihre Augen? Unmöglich bei dem heutigen feuchten Bodenverhältnis. Besorgt zupfte der begleitende K`tug den Chef am Ärmel. Sofort bemerkte ich aufgeschreckt, wir Dongard seine feinen Finger, unter dem langem Ärmelsaum, zu Fäusten ballte. Wütend sein kurzer protestierender Aufschrei. Furcht erregend seine unbeherrschtes Ausbrechen der sonst zuverlässigen Ruhe. Heben und Senken seiner breiten Schultern verrieten sein befreites Ausatmen. Langsam, zähflüssig wandte er sich herum. Mit unheilvollen Befürchtungen erwartete ich den schlimmsten Blick aller Zeiten. Vergass kurzfristig zu atmen. Unvorbereitet hielten mich seine milden dunklen Augen fest. Unbeweglich verharrte ich auf dem unbequemen Sattel. Flug überwand er die kurze Distanz. Geschickte Finger lösten meine Sicherheitsgurten. Dankend lehnte ich seitwärts um abzusteigen als ich schon einen kräftigen Griff um den Bauch spürte. Im nächsten Moment riss mich Dongard förmlich aus dem Sattel, stellte mich auf den sicheren Boden. Verstört wich ich sofort einen Schritt Abstand haltend, zurück.

 

 

Verwirrungen-8

 

 

Verwirrungen

 

Diese klare, eindeutige Meinungsverschiedenheit rettete meinen miesen Tag. Beinahe Sorglos kletterte ich wenige Minuten später hinter den Hügeln umher. Hier draussen in der Einsamkeit der Hügel blieb ich vor weiteren Belästigungen verschont. Ausser dem in der Nähe liegenden Wachposten bemühte sich garantiert keiner auf den beschwerlichen Weg. Morgendlicher Herbstnebel verwandelte die Grashalme unter den glatten Stiefelsohlen in eine gefährliche Rutschbahn. Gegen alle Umstände, spazierte ich ohne Umschweife trittsicher auf die bereits arg gestutzten Sträucher zu. Zeiten mit Viel Holz schmolzen dahin. Wie schafften wir es bloss durch einen Winter. Wie würde er überhaupt werden. Eingeschneit in einer Höhle! Soviel versäumte ich zu Erfahren. Wegen Maximilian vergass ich beinahe meine Umwelt. Manchmal vermisste ich sein Lächeln. Treue Hundeaugen blieben unvergesslich. Schon wieder stocherte ich in alten Gedanken. Stellte stattdessen vor wie Dongard auf mich zu schritt?!? Das war absolut real und kein Traum Rasch verstaute ich einen weiteren kümmerlichen Ast in meiner Tasche und tat als sei ich emsig beschäftigt. Schmunzelnd verfolgte ich seine anstrengenden Bemühungen mich zu erreichen an dem steilen Hang. Zweifellos im Sattel ein Genie, aber hier wirkte er recht ungeschickt. Verwunderung vortäuschend, begrüsste ich sein Ankommen. Zaghaft verharrte er ein paar Meter entfernt auf einem sicheren ebenen Abschnitt.

Abwartend hielt ich mit meiner Tätigkeit inne. „Du hier, was verschafft mir die Ehre?“ Plagte mich die Neugierde. Darauf deutete er lautlos an ich solle mich ja nicht lustig machen. „Du spukst mir die ganze Zeit im Kopf herum,“ verriet er mir. Winkte mich nach oben. Vorsichtig suchte er für jeden Schritt einen geeigneten Platz. Während ich einfach drauf los steuerte, schon mal ausrutschte, rasch mit den Schuhen Kante gab und schon wieder einen Meter höher als mein Anführer wartete.

„Erstaunlich,!“ keuchte er. „Manchmal frage ich mich wer hier ein Melf ist. Du hast wirklich besondere Qualitäten.“ Oben bei einem schwierigen Abschnitt stützte er mein Knie. Sicher erreichte ich die Senkrechte von anderthalb Meter. Oben reichte ich ihm ohne zu zögern die Hand. Zwar reichte meine Kraft nicht aus ihn zu ziehen, aber mein Widerstand gab Sicherheit an den er sich stützte. Sicher setzte er sich auf einen grossen Stein, eigentlich ein kleiner Felsen der oben praktisch wie ein Tisch eine Platte formte. Dongard klopfte neben sich. Verstehend folgte ich. Ruhig wartete ich sitzend sein Vorhaben ab. Unerträglichlange hielt es Dongard aus, das ich für ratsam hielt dem auf den Grund zu gehen. „Was beschäftigt sich?“

Von der Seite schielte er leicht herüber um gleich wieder nach vorn starr zu blicken. Na hallo, was war heute los? Obwohl er es nur andeutete verstand ich den Wink. Luft holend versuchte ich einen zweiten Anlauf. „Was beschäftigt dich mit Ausnahme von mir?“

Stumm lachte er in sich hineine. „Safina, glaube du mir wen ich dir sage das ich einfach nur Müde bin?“

Genauer suchte ich in seinem Gesicht nach verräterischen Anzeichen. Ausser seinen heute offensichtlichem schweren Gemüt entdeckte ich keinerlei andeutende Hinweise. Dongard lächelte mich nur seltsam an. Zog sich die gefütterte, warme Jacke aus um sie abseits auf einen unebenen Nachbarstein zu legen. Ehe ich mich versah, legte er sich selber hin. Rückwärts seinen Kopf auf meinen Oberschenkel abstützend. Seinen Arm nutzte er als fliessenden Verbindung im Nackenbereich. Diesmal hörte ich deutlich seine Schwäche. „Safina, pass ein bisschen auf mich auf.“ Dann schloss er die dunklen Augen.

Überwältigt sass ich bewegungslos da. Einfach auf ihn aufpassen? War das bei einem überlegenen Melf auch mal nötig? Ach, Dongard, wie wenig weiss ich von dir. Friedlich, ganz harmlos erschien er nun. So versunken im erholsamen Schlaf. Hin und wider ein schwaches Zucken. Finger griffen nach unsichtbaren Gegenständen. Einmal so ausholend dass ich mir die eigenständige Hand schnappte. Behutsam legte ich sie auf seinen Bauch nieder. Flüchtig blinzelte Dongard. Statt ich ihn, hielt er plötzlich meine Hand. Legte sie über der Stelle seinen Herzens. Eine bekannte Geste seit damals als ich das erste Mal mit Dongard zusammen, auf der Reise in die Stadt, war. Dieselbe Geste und erst seine Worte ergaben einen Sinn. – Darauf warte ich schon lange- Was wusste er schon damals über die Zukunft. Melfen und ihre spezielle Gabe. Fast unheimlich. Bestand die Möglichkeit das er Maximilians Ende voraus ahnte? Vermied es zu verhindern? Angst stieg in mir hoch. Auf das wollte ich heute keine Auskunft, aber bald. Sonst stünde ewig eine unsichtbare Barriere zwischen uns. War er fähig mir so was Bedeutungsvolles zu verschweigen?

Knackende Zweige unter schweren Huftritten schreckten mich auf. Versteckt hinter eine Dunstschleier die Sonne. Man sah gut und deutlich über die Hügel. Nur steckten wir auf einem mittleren Plätzchen was die Übersicht einschränkte. Am Ton, der verräterischen Hufe vernahm ich dass sie sich uns näherten. Jeden Augenblick erwartete ich das zwischen den dornigen Büschen weit nten die auftauchten. Anzahlmässig dürften es sogar zwei Reittiere sein. Sachte strich ich Dongard eine schwarze Locke aus dem Gesicht, schüttelte ihn sachte. Murrend drehte er sich protestierend auf die andere Seite. Viel fast vom schmalen Stein. Hastig stürzte ich seinen Rücken. Rutschte vom bequemen Sitzplatz hinunter um Dongard mehr Platz zu schaffen. Auf ihn aufpassen!

Mal sehen wer die Neuankömmlinge waren. Sichtbar näherte sich der erste Reiter auf einem aussergewöhnlichen braunen, weiss gestichelten Pferd. Sein grober Kopf verriet das Dulieblut darin floss. Allein wie der schlanke Zähe Braune den Hügelkamm hinauf schoss, bestätigte seine Abstammung. Eine robuste Frau, mittleren alters , folgte auf einem verschmutzten Schimmel. Sobald die Leute mich sichteten , steuerten sie zügig los. Mein Korb mit dem Holz lag oben am Hang. Wenige Meter neben mir entdeckte ich einen abgeknickten stabilen Ast. Wie rein zufällig stützte ich mich an dem nahen, tarnenden Gestrüpp ab. Ohne Reisegepäck? Entweder besassen diese Fremden gute Beziehungen oder sie hatten sich verirrt. Oder zählten gar zu den schlimmsten, welche nahmen und nie fragten. Jedenfalls entdeckte ich ihn ihren Gesichtern kein Lächeln. Ein seltsames Paar. Breitrandige Regenhüte diente als Sonnenschutz für ihre Gesichter. Auf keinen Fall veranstalteten die beiden ein fröhliches Picknick. Ich tat gut daran wachsam zu bleiben. Ungewöhnlich ihre ausgeprägte, scharfe Auffassung. Sie hielten vor mir. Überprüften sofort die Umgebung und entdeckten Dongard prompt. Ohne Umschweife spornten sie ihre Mischlinge an. Egal ob aggressiver Dulie oder nicht. Genauso Entschlossenheit ausdrückend, versperrte ich ihnen den Weg.

Fuhr sie direkt an. „Wer seid ihr und was wollt ihr?“

Missachten wollten sie zur Seite ausweichen. Hartnäckig streckte ich meine Arme aus. Klatschte zwischendurch vor den rollenden Pferdeaugen in die Hände. Abrupt stoppten die Gefährten. Ungeduldig riss die Anführerin an den Zügeln. Lederne, abgenutzte Handschuhe zeigten dass sie einige Reiterfahrung besass. „Wir haben Gefunden was wir suchen. Kommandant Dongard ist unser Ziel. Jetzt verschwinde aus dem Weg wir stehen unter Zeitdruck! Wer bist du überhaupt?“ Viel ihr verspätetet auf. Ihre Augen durchbohrten mich, wie ein niedriges Insekt das sie gerne zerquetschte. Für unter Zeitdruck stehende sahen die beiden Gestalten zu gepflegt aus. Sie ihr braunes Haar zu einem aufwendigen Zopf geflochten der ihr seitlich über den Hals bis zu dem flachen Busen nach unten reichte. Ihr älterer magerer Begleiter war glatt rasiert und die vielen glänzenden Silberknöpfe, gleich eine doppelreihe, an seinem grauen Hemd, liess sich bestimmt nicht so schnell schliessen. Wenn bei Dongard Zeitdruck herrschte sah man anders aus. Unnachgiebig verteidigte ich meinen Platz. „Ich habe zuerst gefragt und erwarte eine Antwort! Schliesslich befindet ihr zwei euch auf unserem Land!“ Stellte ich klar.

Abschätzig sahen beide auf mich herunter. Da sie es für unnötig hielt mich aufzuklären drängte sich ihr Begleiter vor. „Steh nicht im Weg! Geh gefälligst an deine Arbeit! Siehst du blinde Kuh den nicht was wir sind?“ Liess seinem willigen Wallach die Zügel frei. Drückte seine Stiefelsporen unnötig in das empfindliche Fell. Schmerzhaft ausweichend sprang das Pferd zur Seite. Flink riss ich den Ast neben dem Gestrüpp hoch. Schleuderte den halbgrünen Zweig genauso schmerzhaft an seine schweissnasse Brust. Es zischte als die mit feinen Zweigen bestückte Ast durch die Luft sauste. Erschrocken hielt das zweite schlaue Tier respektvoll Abstand. Wichen hastig zurück. Alles andere als gutmütig gab ich zurück. „Meine Arbeit liegt darin mein Land zu verteidigen. Also, wie Rechtfertigt ihr euer unangemeldetes Eindringen?“

Verärgert, mit einem überheblichen Lächeln beugte sich die Frau vor. „Wir sind königliche Inspektoren?“

„So?,“ gab ich misstrauisch zurück. „Das kann jeder Behaupten! Wo sind eure Ausweise?“

diesmal wirkte beide etwas Irritiert. Anscheinend genügte bisher einfach zu sagen. – Ich bin ein königlicher Inspektor – und jede Tür öffnete sich. Bei einem ehemaligen Spion wie mir zählte das aber nicht. Der ältere meinte beleidigt. „Sind unsere auffälligen Reittiere nicht Beweis genug? Was brauchst du denn noch?“

Wie gesagt als ehemaliger, gefürchteter Staatsfeind erlebte ich manchem Betrug mit diesen Tieren. „Die können gestohlen sein,“ sagte ich unbeeindruckt.

Beide humorlosen Gesichter verfinsterten sich deutlich eine weitere Spur ernster. Erstarrt musterten sie mich wie ein aussterbendes, seltenes Exemplar. Jemand berührte mich von hinten auf die Schultern. Zusammenzuckend fuhr ich herum. Dongards milde Stimme besänftigte die stürmische Verteidigung. „Es sind wirklich Inspektoren.“

„Woran erkennst du das?“

„Weil mir ihre Gesichter bekannt sind,“ erklärte er erstaunlich ruhig, geduldig.

Viele meiner Gedanken kreuzten sich. Himmel. In was für eine delikate Lage versetzte ich meinen Chef. Entschuldigte mich. „Dachte das gehört zur Übung!“

„Übung,“ er schenkte mir ein verstörtes Lächeln.

„Na ja, zum Aufpassen,“ ich deutete auf den Stein nach oben. „Wenn wir beim Turm Wache schieben versuchst du heimlich uns zu überfallen, als Prüfung . Oder schickst jemanden vorbei um zu testen ob wir es merken.“ Damit verdeutlichte ich den kritischen Inspektoren das Dongard Schlaf nur eine Simulation war. Höflich entschuldigte ich mich bei den neuen Besuch und fügte hinzu. „Dann werde ich mal weiter Holz sammeln und auf die echten Saboteure warten.“

Dongards verstörter Ausdruck, eine einsame Falte auf der Stirn, drückte aus was wer von mir hielt. Nämlich für völlig irre. Rein gar nichts verstand er. Egal, seine Auszeit war entschuldigt und ich sammelte weiterhin Holz zusammen.

Eilig folgte ich im unauffälligem Abstand der heimkehrenden Gruppe. Gerade so dass ich ein paar Wortfetzen noch verstand. Damit mein Korb voller aussah, packte ich ein paar grüne Zweige mit hinzu und einmal sogar einen leichten Kalkstein. Polsterte alles in die Höhe. Als müsste ich meine Arbeit abliefern spazierte ich also hinterher. Als erstes Verlangten die Inspektoren nach frischen Reittieren. Ohne ein Wort darüber zu verlieren führte Dongard sie als erstes zum Stall. Seltsam das er sich äusserst Schweigsam verhielt. Gab nur kurze Antworten. Selbst nach der Aufforderung etwas über das Lager zu erzählen. Dabei war Dongard stolz auf die Gründlichkeit seiner Schule. Mir fiel auf das die wissbegierirrigen Fremden fast ein unangenehmes Verhör starteten. Was wollte sie mit den Aktuellen Daten unseres Trainingsstandes? Je länger ich hinter ihnen her hetzte, so länger verstärkte sich mein misstrauen. Hielt sie für Aufdringlich und überheblich.

Bei den Ställen angelangt bedachte mich Dongard mit einem seltsamen Blick. So in der Art, was soll das? Arglos spazierte ich weiter Richtung Küche, so als hätte ich ein reines Gewissen. In Wahrheit fand ich diese aufdringlichen Inspektoren einfach abstossend. Sie lagen mir schwer auf dem Magen. Also wartete ich ausser Sichtweite um der nächsten Ecke. Schon nach kurzer Zeit verstärkte sich Dongards gereizter Ton. Ausgerechnet Paya, den gekörten Duliehengst, forderten die Fremden mit Kennerblick. An dem hing Dongard Herz. Selbstverständlich suchte er nach Ausreden. Vergeblich. Für den kurzen Ausflug um die geheimnisvollen Nachbarn zu überprüfen, war den eiligen Inspektoren nur das beste Recht. Denn sonst blieb vermutlich der Überraschungsbesuch wirkungslos. Widerwillig sattelte Dongard seinen Lieblingshengst. Tat es nur weil er lieber mit seinen ruhigen Händen problemlos das lederne Geschirr anlegte. Redete mit seiner fliessenden Stimme ein paar kurze Worte mit Paya. Mir war klar das Dongard sich innerlich heftig aufregte. Nur was konnte er gegen königliche Inspektoren ausrichten die ihre hohe Position schamlos ausnutzten?

Es drängte mich förmlich danach Dongard in Schutz zu nehmen. Obwohl er manchmal sich als unangenehmer Boss durchsetzte, so einen rüden Umgangston, von Aussenstehenden, verdiente er nicht.

Verstimmt eilte ich in die Küche um meinen gesammelten Ballast loszuwerden. In Gedanken leerte ich meinen Korb. Ktugs Stimme weckte mich. „was sollen wir denn mit einem Stein,“ wunderte er sich über die Beute in meiner Hand. Verdutzt drehte ich ihn unentschlossen. Fand eine Erklärung, „Der kommt in meine Sammlung.“ Versteckte den länglichen schuhgrossen Brocken rasch zurück in den Korb. Ktug beschwerte sich weiter. „Safina, was ist mit dir los? Grünes Holz! Was soll ich mit wässrigen Zweigen? Willst du das ich die Höhlenbewohner einräuchere? Was? Ich kenne diesen Gesichtsausdruck,“ warnte er unheilvoll Stahrie, „Safina, plant etwas! Dann ändern wir besser das Abendessen. Was bevorzugt unser Kommandant am liebsten?“ Gelassen steuerte Stahrie den Kühlraum an. „einen süssen, leichten Früchtekuchen wird ihn die schlechte Stimmung vertreiben. Danach ein kleiner Dessert und der Streich wird vergessen sein. Safina, was hast du vor? Doch nicht etwas mit Di`jon?“

Beim Namen meines vertrauten Lieblings sammelten sich meine wandernden Gedanken. „Di`jon? Mhm. Du bringst mich auf eine gute Idee.“

Vor Schreck lies Stahrie das Glas mit den im Sirup eingelegten Früchte beinahe aus den Händen gleiten. „Bist du wahnsinnig. Wehe du behauptest ich habe dich in irgend einer Weise unterstützt. Du ziehst mich ja direkt hinein! Vergiss es also schnell wieder“ Hob sie ihre Stimme an.

Freundlich sah ich zu ihr hoch. „Kein Angst. Du wirst mit keiner Silbe erwähnt solange ihr meinen Ausflug verschweigt. Bis später,“ hetzte in mein Zimmer. In Eile platzierte ich den Stein direkt hinter meine Quartiertüre. Sprintete mit meinem leeren, leichten Korb aus der Höhle hinaus. Bei den Ställen verlangsamte ich. Von Dongard keine Spur sichtbar, so schlüpfte ich rasch unbemerkt in den Drachenstall. Die oberen Dachluke war offen um frische Luft und natürliches Tageslicht einzulassen. Dennoch. Wenn ich nicht persönlich gründlich mistete kam es mir vor als ob ein beissender Geruch im Stall hing. Heute war die Ursache die ungeleerte Schubkarre, die neben der offenen Futtertüre stand. Jemand füllte drinnen die Rationen ab. Mittlerweilen kannte mich die Drachen. Einzig Di`jon zappelte unruhig als er mich entdeckte. Sofort deutete ich mit den gesenkten Händen ruhig zu sein. Schlich auf zehenspitzen lautlos zu seinem Abteil. Schnappte mir unterwegs einen Sattel und das zugehörige Lederzeugs. Schnallte ihm die Ausrüstung in der Box an. Auf leisen Sohlen führte ich ihn aus dem geöffneten, engen Abteil. Vorbildlich folgte Di`jon gespannt meinem Beispiel. Ohne das jemand Verdacht schöpfte trippelten wir leichtfüssig zum Ausgangstor. ...?! Stimmen! Eindeutig Dongard höchst persönlich und ziemlich gereizt. Panik stieg in mir hoch. Wo verstecken mit einem bereits gesattelten Di`jon? Das gab einen Strafnachmittag. Nervös flitzten meine Augen im halbdunklen Raum umher. Gott steh mit bei. Mir viel nur die unversorgte, schwere Rolleiter, mitten im Stall auf, mit der man die obere Luke öffnete. Kam ein Drache da.. Ich musterte Di`jons Gestalt, sein Gewicht. Das klappt niemals, ausserdem war die Dachöffnung nur so breit wie eine normale Tür. Automatisch folgte mein Drachen meinen Gedanken. Jetzt kam es kaum mehr darauf an, die Strafe hatte ich sicher. Di`jon stupste mich an. Kurzerhand rannte ich auf die Leiter zu, hinauf die Sprossen. Oben kletterte ich aufs massive Dach. Winkte Di´jon heran. Wartend lauerte er unten gespannt auf mein Kommando. Verwirrt stellte er seine krallenartigen Füsse auf die Sprossen. Gab einen kurzen Ruck mit den Flügeln um das Gleichgewicht zu verbessern. Wackelig taumelte er hoch. Oben streckte ich die Arme wie seine Flügel aus. Stellte mich leicht seitwärts. Diesen Flügelvergleich verstand er. Erfolgreich streckte er einen lange Flügel aus. Stützte sich draussen am Dach damit ab. Zog den anderen Flügel nach und mit einem zappelnden Rutsch schlüpfte er durch das enge Loch ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Sofort zog ich mich auf seinen Rücken hoch. Drängte ihn an den vorderen Rand. Damit uns die anderen unten im Raum nicht sahen. Liess ihn zwei , drei Minuten die Flügel warm schlagen. Erst nachdem er ungeduldig den Kopf nach hinten beugte gab ich den Start frei. Mit nach hinten gebeugtem Hals liess er sich einfach fallen. Versetzte mir einen gehörigen Schreck. Sieben Meter trennte uns nur vom Boden. Elegant nutzt er den Fall des Körpergewichts. Schlug im richtigen Moment mit den Flügeln und segelte knapp über die ersten Büsche hinweg. Ein Hüpfer mit den kräftigen Beinen und der nächste Hügelkamm lag hinter uns ohne das er gross seine Schwingen einsetzte. Gemütlich steuerte ich ihn aufs Grenzgebiet zu. Erfahrungsgemäss schwenkte er kurz vor dem Sperrgebiet parallel zu Seite. Ich tippte ihn korrigierend an den Hals. Verblüfft schielte er nach hinten. Ich deutete an tief und sachte zu fliegen. Seine Augen weiteten sich. Dann schien er förmlich zu grinsen. Bis jetzt sah ich nie einen Drachen lächeln, aber manchmal bekam Di`jon einen seltsamen menschlichen Ausdruck das es mir fast kalt erschauderte. Vorsichtig schwenkte er über die verbotene Zone. „Such Paya, Paya,“ erklärte ich mein Vorhaben. Zuerst flatterte er unentschlossen, blickte nervös nach hinten. „Den Dulie, Dulie, Paya.“ Verstehend schnupperte er im entgegenkommenden Wind. Deutlich sein raues Röcheln. Hielt sich schön Parallel zum Grenzgebiet. Überprüfte öfters den herbstlichen, warmen Luftzug. Auf einmal zog seine unruhige Fliegerei an. Öfters spähte er suchend nach unten. Flog einen dichten Kreis über dem gefärbten rot, orangen Blättermeer. Erst nach mehrfachen hinsehen erspähte ich für einen kurzen Moment ein Stück helles Fell, zischen dem trockenen, dichten Laub. In den letzten Tagen blieb es trocken, mit nur sachten Winden. Also deutete ich Di`jon an – zu landen. Mitten auf den bunten Blätterdach. Ihm unerklärlich der Sinn der Sache. Folgsam steckte er seine langen Hinterbeine an. Zielte auf den nächsten dichten Baum. Seine kräftigen Flügel rauschten über die Baumkronen hinweg. Riss unzählige der verblühten, saftlosen Blätter weg. Raschelnd, knisternd wirbelten sie wie Schneeflocken zu Boden. Ich deutete an – mehr, mehr. Also zielte Di´jon den nächsten Baum an, hüpfte von Krone zu Krone. Liess sich schon mal eine Weile schaukeln um zu mehr Schwung zu erreichen. Obwohl das mir bald Übelkeit auslöste. Versuchte ich mit geschlossenen Augen auszuhalten. Lenkte ihn genau über die verstörten Reisenden die auf einmal von einem rauschenden Blättersturm verfolgt wurden. Ein Vorhang aus flammendem Rot und leuchtendem Gelb senkte sich über ihnen herab. Das Rauschen des bunten Meeres übertönte das rascheln der Dulieschritte. Ihre Fesseln versanken im welken Farn. Unvorsehbar der Untergrund. Etwas was sie schon nervös stimmte. Dazu dieser unheimliche wilde Angriff von Oben. Eine nie ähnlich, gekannte Situation überlastete ihre feine Sinne.

Bald verlor ich die davon eilenden Dulies aus den Augen. Sie stürmten dermassen eilig davon das es unmöglich war die erneut zu finden. Ein Wunder wenn die Inspektoren, bei diesem mörderischen Tempo sich im Sattel hielten. Ausserdem hielt ich es für klüger mich aus dem Sperrgebiet zu entfernen. Auf keinen Fall wollte ich meine Bekanntschaft mit den riesigen Wächterdrachen auffrischen. Drängte zum Rückzug. Lachend über meine gelungene Attacke und mit einem ständigen wachsamen Blick nach hinten. Erst nach dem Waldrand, Dongards Reich, entspannte ich mich. Beim letzten prüfenden Blick zurück viel mir ein dunkler, blattloser Ast ins Auge. Einst von einem Blitzschlag fast vom Hauptstamm abgetrennt hing der armdicke geknickt nach unten. Erneut tippte ich Di´jon an den Hals. Deutet einen Kreis zu fliegen. Bevor wir abermals den auffälligen Baum erreichten bremste ich ihn ab. Deutete an zu sinken. Naheliegend landete Di`jon auf einem der gesunden Äste. Es dauerte mehrere Minuten bis er verstand das er den abgestorbenen Ast transportieren sollte. Ungeschickt versuchte er mit seinem Kopf an einem Ende zu ziehen. Dazu war dieser verzweigte Zweig viel zu schwer. Mühsam zwang ich ihn förmlich, gegen seine Willen, auf diesem unsicheren Halt zu landen. Ich wollte gar nicht landen, sondern nur das er mit seinem Klauenartigen Zehen anpackte. Im den Moment wo er seine Zehen aufsetzte und gerade mit seine Flügeln ausbalancierte, zog ich ihn wieder hoch. Erfreut schoss Di`jon nach oben. Viel zu leicht. Erst nachdem ich das Manöver siebenmal wiederholte, vergas er in seinem verstörten Zustand seine Klauen zu lösen. Riss das Holz mit sich. Lobend streichelte ich ihm den Hals. Er bemerkte was mir gefiel, ihn aber beträchtlich behinderte, liess den überflüssigen Ballast fallen. „Nein,“ rief ich enttäuscht. Schrie im nächsten Moment überrascht auf als Di`jon seinen Fehler bemerkend rasch abtauchte. Dank sei dem rettenden Ledergeschirr um die Oberschenkel. Ohne diese stabile Sicherheit risse es mich in den Tod. Spürte wie ich den Sattelhalt verlor. Wenige Zentimeter in denen mir das Herz stockte. Danach fing Di`jon, wie ein flinker Sperber, seine schwere Beute. Träge flogen wir das Lage an. Einen halben Kilometer vor dem ziel zwang es ihn zu einer Pause. Der gute Ast war halb so lang wie Di`jon selbe und reich bestückt mit dürren Zweigen. Viele splitterten ab als er ihn das erste Mal, gezwungener Massen absetzte. Freiwillig verliess ich den Sattel. Schlüpfte unter den ausgebreiteten Flügel unten durch. Packte Di`jons Klauen und deutete an, ja seine Beute nicht zu verlieren. Nach zehn Minuten Pause befahl ich ihm selbstständig zu fliegen. Mit dem leichteren Gewicht flog er wenige Meter hinter mir. Während ich voraus joggte.

Vor dem Stall gab es diese kleine Manege zwischen den Steinen, damit im Notfall man direkt aus dem Start die Drachen startete. Gerade als ich in den Kreis trat sah ich meinem geliebten Alptraum. Wartend lehnte Dongard neben dem Stalltor an der Wand. Bei meinem eilen Auftreten winkte er mich mit der Hand heran. Ungeachtet seinem dringendem Wunsch, winkte ich abweisen zurück. „Bin gleich da, in einer Minuten.“ Rannte weiter durch den engen Korridor, zum Eingang der Haupthöhle zu. Erregt folgte mir ein aufgebrachter Kommandant. Seine Schnelligkeit übertraf die meine bei weitem. Vor dem Hauptplatz erwischte er mich am Hemd. „Bleib sofort sehen. Ich will eine Erklärung für dein seltsames Verhalten? Habe ich dir nicht einen Auftrag erteilt.“ In seinem eisernen Griff gefangen, bleib mir nur ein Ausweg. Nach oben zu schauen. „Ich sammle Holz,“ verteidigte ich meine Unschuld. Deutete mit einem Arme nach oben. In dem Moment krachte wenige Meter neben uns das trockene Holz zu Boden. Splitterte durch die Wucht des Eigengewichts in kleinere Stücke. Zum ersten Mal sah ich Dongard zusammen zucken. „Was,“ er erkannte Di`jon über seinem Kopf.

„Praktisch,“ versuchte ich mich zu retten. Ein scheeler Blick strafte meine Frechheit. Dennoch überzeugt begann ich mit mehr Reue. „Sei mir nicht böse. Es reicht für eine Woche. Und das in nur einer halben Stunde Arbeitszeit. Das ist doch ein Vorteil? Ausserdem hat Di´jon wieder was neues gelernt.“ Milde hielt er seine Augen gesenkt. Akzeptierte meine Ausrede. „Einzig der Umstand das du darauf achtest das Di`jon sich nicht überlastet, das verschont dich vor einer Strafe. Wenn du solche ausgefallenen Ideen hast, besprich sie vorher bitte mit mir. Wann lernst du das?“

„Ich habe noch drei Jahre Zeit, bis zum Ende meines Abschlusses.“

Funklende Augen drohten. Hastig fügte ich hinzu. „War nur ein Scherz, aus meiner Zeit. Ich vergesse manchmal das du das nicht verstehst.“ Mit einem Schubs liess er mich los. „Safina, dann wird es Zeit das zu meinen ernsten Absichten verstehst. Räume das Holz hier weg danach verschwindest du im Quartier! Bis heute Abend kannst du Kleider flicken und waschen. Schliesslich hast du vorige Zeit.“

„Ach, Dongard,“ klagte ich. Klemmte jeden weiteren Kommentar ab unter seinen verengten Augen.

Verbesserte mich in Windeseile. „Jawohl, Kommandant.“ Rückte hastig ab packte soviel Holz wie möglich um mich vor diesem strengen Lehrer in Sicherheit zu bringen.

Inzwischen kümmerte sich Dongard um seinen geliebteren Schützling. Da konnte man ja fast neidisch werden auf meinen Drachen!

 

Von Dongard selbst blieb ich bis zum Abendessen verschont. Meine Fingerspitzen taten weh von dem vielen Flicken. Leider brachte Stefkan eine Menge Decken und Bandagen aus dem Stall herüber. Alles andere als leicht den dicken Stoff zu reparieren. Ziemlich vorsichtig fasste ich beim Essen also den Löffel an. Dank K`tugs List mit dem feinen, bevorzugten Lieblingsessen, mampften alle zufrieden. Selten sprach man ein Wort. Genoss einfach die seltene Köstlichkeit.

Derek bemerkte in die kauende Runde. „Bin erleichtert das Katka wieder da ist. Schön zu wissen das unsere Dulies immer wieder zu uns zurück finden.“

Eben verteilte Stahrie den süssen Dessert. Damit es keinen Streit gab, überreichte sie ihn in abgefüllten kleinen Schüsseln. Erfreutes Raunen breitete sich aus. Misstrauisch erkundigte sich unser Kommandant. „warum werden wir heute so verwöhnt? Will hier irgend jemand etwas beichten oder ist es einfach ein glücklicher Zufall?“ Prüfend sah er zu der breit lächelnden Stahrie. Beabsichtigt schob sie ihm eine grosse Portion zu. Gerade als sie weiter bedienen wollte, winkte Dongard sie heran. Dicht heran. „Womit habe ich das verdient?“ lächelte er sie genau so künstlich, breit zurück. Er roch den versteckten Braten. Warum musste Dongard nur diese überlegene Melfengabe besitzen.

Verlegen rückte Stahrie mit der Wahrheit heraus. „Nachdem Safina verriet das sie Di`jon für etwas braucht, dachten wir es sei nötig um die Stimmung im Lager zu heben. Wir wussten ja nicht das sie ihn nur zum Arbeiten entführt sondern rechneten damit... damit...“ Weiter wagte sie mich nicht anzuschuldigen. Ungerührt beendete Dongard. „Das sie einen neuen unbekannten Streiche ausführt. Manchmal geschehen auch kleine Wunder. Das nächste Mal,“ Dongard sah mich an, „Nimm dir lieber einen Dulie. Das ist unauffälliger falls ein zufälliger Reisender dich sieht. Eine herzliche Empfehlung meinerseits.

Danke, Stahrie für das ausgezeichnete Essen,“ bedankte er sich glücklich. Vertieft löffelten alle an der Köstlichkeit. Vielleicht ein günstiger Zeitpunkt um zu erwähnen. „Ähm , Dongard?“ Begann ich mit sanftem Tonfall. Gewarnt schnellten seine Augen nach oben. Vergessen war das Lieblingsessen. Er schluckte sogar leer. „ja?“ Ein eisiges Wort das mehrere Anwesenden in Besorgnis stürzte.

Locker ass ich weiter. Meinte so zwischendurch. „Falls du in nächster Zeit mit Paya ausreitest. Sei ein bisschen Nachsichtig mit ihm wenn du einen Wald durchquerst. Er wird ein bisschen nervös bei all dem raschelnden Laub. Das ist nur so eine herzliche Empfehlung meinerseits.“ Mit gesenktem Blick wartete ich gespannt auf seine Reaktion. Sie kam. Langsam, was eigentlich ziemlich schlecht für mich war. Betroffen stellte ich meine unverdienten Dessert auf die Seite. Geduldig wischte er sich den Mund mit einer Serviette ab. Stand ohne Eile auf. Alle hielten gespannt die Luft an. Erwarteten wie ich ein unvergleichliches Donnerwetter. Schliesslich war Paya der absolute persönlichen Liebling Dongards und ich besudelte seine perfekte Erziehung. Mischte mich in die Eigenschaft seines Programm ein.

Allerdings lass ich in Dongard Gesicht gemischte Gefühle heraus. Eines davon war Verwunderung. Er überlegte eine Weile. Stand schliesslich auf mit seiner fast vollen Schüssel in der Hand. Wollte er sie mir über den Kopf giessen? So was kindliches traute ich ihm überhaupt nicht zu. Aber es würde mich wirkungsvoll vor allen anderen Blamieren. Stattdessen legte sich seine Hand auf meine verkrampfte Schulter. Durchaus angenehm seine weiche Stimme. „entspann dich. Ein warmes Bad könnte dir heute Abend gut tun. Stahrie, Ascha, Agnome weiht Safina mal in unsere erholsame Winterbeschäftigung ein. Ach übrigens Safina, Danke.“

Er stellte seinen Dessert neben den meinen. Schaute fragend, „keinen Hunger? Wie aussergewöhnlich.“ Wandte sich an seinen Platz zurück. Verwirrt brauchte ich schon eine Minute um das zu verdauen. Dongard schenkte mir seine bevorzugten Dessert?!?

Selbst Derek runzelte besorgt die Stirn über die Unverständliche Tat. Dongard forderte uns auf weiter zu essen. „ohne Safina wären unsere wertvollen Dulies irgendwo entführt. Ich rechne nämlich kaum damit das diese beiden Inspektoren so eine klasse Ware wieder hergeben. Jedenfalls soweit mir die Charakteren bekannt sind, ist es sehr unwahrscheinlich das wir ohne grösseren Verlust, diese Zuchttiere, umtauschten hätten. Also... geniessen wir den Abend!“

Verdutzt sah ich Dongard Essen an. Doch er deutete verständlich, endlich zu essen. Dankbar und unheimlich zugleich ass ich weiter. Beschäftigt studierte ich Dongards Verhalten viel mehr als über das gute Essen. Dongard war in seltenen Ausnahmen wirklich sehr liebenswürdig.

 

Fröstelnd mit nur einem weitem Badetuch eingehüllt, hasteten wir vier Grauen barfuss zum Baderaum. Beim ersten Schritt über die Schwelle verhielten wir erleichtert. Feuchter warmer Dunst hiess uns willkommen. Als letzte schloss ich die Türe hinter mir. Das grosse Reich gehörte uns. Erstaunlich. Dieser Raum mass dieselbe Weite wie der Speisesaal. Obwohl in der Mitte, in den Boden hinein ein rundes Bassin von nur drei Metern gebaut wurde. Der heissbegehrte Mittelpunkt. Rund herum ein geschliffener Bretterrost der Rücksichtvoll die aufgeweichten Fusssohlen behandelte.

Stahrie überprüfte mit ihrem grossen Zehenspitze die Wassertemperatur. Entzücktes Lächeln entwarnte vor einer möglichen Verbrühung. Trotzdem, nachdem die anderen bereits ins ein Meter tiefe Wasser hüpften, setzte ich mich erst einmal an den Rand. Gewöhnte langsam meine kühlen Beine an die Hitze. Dann allmählich setzte ich mich auf die im Wasser versteckte Bank hinunter. Seifiger Schaum schaukelte oberhalb meines Busen. Übermütig tauchte Agnome, die das Element Wasser wie ein Fisch liebte, mehrmals unter die Oberfläche. Wir restlichen hielten jedes Mal das Kinn rettend vor der nächsten Flutwelle hoch. Stahrie wartete listig bis ihre Kollegin auftauchte, sich das Seifenwasser von den Augen rieb, erst dann spritzte sie zurück.

Zu müde um mich an einer wilden Wasserschlacht zu beteiligen setzte ich mich an den Rand lehnend zurück. Nach wenigen Minuten entspannte sich die Lage. Wohlig streckte ich mich. Stützte mich mit den Armen rückwärtig an der Holzrost ab. Ascha verkroch sich bis auf die Nase hinauf im heissen Bad. Die anderen zwei liessen ihren Körper von der Bank hochtreiben bis ihre Zehen über die Wasserfläche guckten. Lieferten sich abermals eine Miniaturwasserschlacht. Wir kicherten wie ausgelassene Kinder über den lächerlichen Kampf. Gelöst nach einem kalten Herbsttag. Unsere steifen Knochen wärmten sich auf, unser Körper erlangte seine Geschmeidigkeit zurück. Erst Recht als Ascha, die Schönheitsbewusste, ein Fläschchen Öl in Wasser vermengte. Wir fingen es mit der Hand ein und verteilten es auf unserem Körper. Fünf Minuten kostbare Zeit verstrichen. Entschädigten uns für so vieles im strengen Lagerleben. Ein himmlisches Geschen. Dazuliegen, Faulenzen, Seinen Gedanken nachhängen, sich einfach was gutes gönnen. Feiner kühler Luftzug verreit zusätzlichen Besuch. Da ich mit dem Rücken zur Tür sass, beobachtete ich einfach die Gegenüber planschende, eher scheue Agnome. Statt sich zu verstecken, strahlte sie über den Neuzugang. Für meinen Geschmack zu übertrieben. Es sei denn?! Ich wagte mich kaum umzudrehen. Aber wie anders liessen sich die weiblichen aufblühenden Gesichter erklären. Dieser Jemand war beliebt und setzte sich gerade hinter mir auf die Matte. Leise, geschmeidig ohne das Gelenke knackten. Neugierig überprüfte ich meinen Verdacht, indem ich meinen bekannten bedrohlichen Blick begrüsste. Den- Komm mir nicht zu Nahe- Blick.

Flugs entwaffnete mich ein charmantes Lächeln. Ungewohnt auch, die unübersehbare Tatsache dad er sich nur mit einem Tuch schicklich zugedeckt hatte. Zum ersten Mal sah ich seinen freien, eleganten Oberkörper. Obwohl ich es ihm bisher immer zutraute, ähnelte er nur halb Maximilian. Dongard beeindruckender Vorteil lag allein in seiner schlichten Melfischen Eleganz. Nur leicht angedeutet seine Muskulatur. Ein gesunder, schlanker Körper der es dennoch verstand kraftvoll zu wirken. Dongard liebte mehr die Bequemlichkeit, trotzdem liess er kein überflüssiges Pölsterchen ansammeln. Gelassen viel sein entspannter Blick in die schweigsame Runde. Zuletzt blieb er fragend an mir hängen. Es zuckte lächelnd in seinen Mundwinkeln.

Hatte ich ihn zulange ungebührend angestarrt. Zugegeben er war einen langen Anblick wert. Für meine Welt wohl eine Spur zu bleich. Eine helle makellose Haut ohne einen auffälligen Sommerfleck. Vermittelte den Eindruck eines hochentwickelten, vornehmen Bildung. Jemand der einfach ausgedrückt aus einem edlen Stall stammte. Vornehm, stilsicher auftrat und dennoch eine natürliche Bescheidenheit ausstrahlte.

Egal, wie sehr die anderen schmachteten. Keinesfalls wollte ich mich von meinem wohlverdienten Bad trennen. Übersah einfach seine bedenkliche Nähe. Eine Handbreite reichte um mich zu berühren. Leider wollte sich die lockere Atmosphäre nicht wieder einstellen. Stahrie kletterte als erste aus dem Wasser. Ohne Scheu präsentierte sie ihre unverhüllte Weiblichkeit. Schnappte sich ihr Tuch, wickelte sich erst bei der Tür darin ein. „Ich komm später noch einmal vorbei,“ verabschiedete sie sich. Wie selbstverständlich folgte ihr hastig Agnome hinterher. Freundlich forderte Dongard zum Bleiben auf. Doch Agnome verneinte. Rief entschieden nach Ascha. Unwillig stieg sie aus dem Pool. Da rief Agnome zurück. „Eine Viertelstunde, danach gehört die Wanne wieder uns. Komm Ascha! Oder willst du ohne Tuch die Gänge hinunter?“ Frech schnappte sie sich das reservierte Tuch. Protestierend beschleunigte Ascha ihren Schritte. Lachend verfolgte der Kommandant den raffinierten Abgang.

Stille kehrte ein. Mich drängte es danach auf meinen Fingernägel zu kauen. Himmel, allein mit einem nackten Dongard im Raum. Was sollte ich tun? Wie die anderen verschwinden um ihm den Platz zu überlassen. Mochte er noch so der unumstrittene Anführer sein, so leicht liess ich mich aus diesem Paradies nicht vertreiben. Stur sah ich auf die gewellte, dampfende Wasserfläche hinaus.

Seine gedämpfte Stimme passte genau in diese Stimmung. „Woran denkst du?“

„Das ich mir den Abend wegen dir nicht vermiesen lasse. Ich bleibe hier,“ verteidigte ich meine Position.

„Oh, gut,“ kam es gedehnt. Stoff rauschte. Bevor ich wagte eine Vermutung anzustellen, beugte sich Dongard vor und zupfte mich an einer langen Haarsträhne. Völlig überrascht von der spielerischen Geste wandte ich mich halb herum. Ausgestreckt, auf der Seite, lag er da. Stützte sich mit den Ellbogen ab. „hallo,“ flüsterte er mit funkelnden, neckischen Augen. „ich hoffe sehr das du bleibst, schliesslich ist das der Sinn der Sache!“

Empört drehte ich mich zurück nach vorne. Zeigte ihm den kalten Rücken. Wappnete mich auf einen neuen Angriff. „Was hast du vor?“ Meine feste Stimme verbarg meine ängstlichkeit und Unsicherheit. Seine schlanken Finger griffen nach meiner Hand die sich unbemerkt unter meine Kinn zu einer Faust ballte. Geduldig löst er meine verkrampften Finger. Bis ich aufgebend sie ihm vertrauensvoll überliess.

„safina,“ lockt er verführerisch. Wiederwillig mit steigendem Herzklopfen, schaute ich zu ihm hoch. Ahnte wonach ihn verlangte. Fand keinen geschickten Ausweg oder vielleicht liebte ich sogar dieses kleine Experiment. Bevor ich zuviel nachdachte, liess er meine Hand los, wechselt dafür zu meinem Kinn. Wie eine luftige, leichte Feder hielt mich fest. Jederzeit vom Wind, Willen mich forttragen zu lassen. Kein Zwang, nur eine Bitte, Sehnsucht in den dunklen Augen mit dem violetten Schimmer. Fasziniert blieb ich an diesen aussergewöhnlichen Augen hängen. Diese seltene Farbe, die magnetische Kraft, die Tiefe dahinter. Kühle Lippen berührten die meinen Warmen. Geniesserisch schloss er dabei seine länglichen Augen.

Sein zärtliches Angebot annehmend, öffnete ich gerne meinen Mund. Worauf Dongard ziemlich heftig mit seinen schönen Augen blinzelte. Demnach erwartete er wohl kaum das ich auf seine Verführung so schnell oder überhaupt reagierte.

Seine günstige Gelegenheit ausnutzend, verlagerte er seine Hand schon entschlossener zu meinem Genick. Es gab kein Zurück. Zu lange wartete er auf diesen Augenblick. Ausserdem war ich zu müde, träge um klar zu denken. Ich hoffe das klingt nicht nach einer laschen Ausrede. Egal., ich genoss den Zungenkuss. Mal was ganz anderes als von ungeschickteren Maximilian gewöhnt. Gerne überliess ich Dongard die erste Führung, um nach dem ersten Test, den ich überaus angenehm empfand, genauso intensiv zurück zu geben. Irgendwie verstrickten wir uns in einem sog. Denken unmöglich. Ich wollte nur noch Dongard, seine Nähe, ihn spüren.

Da er bisher die treibende Kraft darstellte, bemerkte ich befremdend wie er mich an den Handgelenken festhielt, mich einschränkte. Irgendwann waren meine Hände auf seine Seite gewandert. Schwer atmend presste er seine Stirn an meine feuchte. Mir viel auf um wie viel heisser es in diesem Dampf wurde. Bezaubernd, erleichtert lächelte er mich erlöst an. Hielt mich mit den Augen weiter gefangen. „Safina, wenn ich dich jetzt verführe, kannst du mir später vorwerfen das ich deine Schwäche ausnutzte. Das ist nicht meine Absicht. Also..“ für einen Moment gab er mein Handgelenk frei. Schleuderte sein Tuch auf die Seite. Blitzschnell glitt er ins milchige Wasser ohne das es im geringsten Aufspritzte. Meine freie Hand sehnte sich danach eine seiner langen Locken um den Finger zu wickeln. Jäh stoppte er meine Absicht. „Safina, nein!“ drohte er um seinetwillen. Seine gequälten Augen spiegelten den wahren, inneren Kampf. Diesmal lies er mich ganz los. Nachsichtig rückte ich zurück an meine Wand. Fragend, nachdenklich. Seinen wünschen entsprechend reagierte ich und er wies ich auf einmal ab? „Woher der plötzliche Sinneswandel?“

In sich gekehrt analysierte er einen Moment mit starren Augen. Leben kehrte zurück, ein blinzeln. „Weil es mir schwerfällt mich zu beherrschen. Es wäre absolut leicht dich jetzt um den Finger zu wickeln. Deine sonstigen Zurückhaltung zu beseitigen. Es ist einfach falsch. Ich will Du zuerst freiwillig nachgibst. Verstehst du? Deine freiwillige Entscheidung ist mir das Wichtigste. Deine Bereitschaft eine neuen Partner zu akzeptieren. Darauf warte ich..“

Diese neue Erkenntnis bereitere mir einen kalten Schauer. Dongards Respekt und Geduld verlangte einen hohen Preis. War ich wirklich so viel Mühe wert? Warum verlangte er gleich eine Beziehung statt ein kurzes Vergnügen. Gründlich seifte er sich ein. Bewundernd folgte ich abgleitenden Schaum nach unten. Schade war das Wasser so trüb. „Safina!“ Spielerisch schnippte er mir eine Wasserfontäne entgegen. Schuldbewusst hob ich meinen Blick. Tat so als ob nichts wäre, dabei liesen sich meine rosigen Wangen kaum verbergen.

„Und?“ forderte er mich auf meine heimlichen Gedanken zu erörtern.

„Ach, das wenige was man von dir sieht, sieht ganz passabel aus.,“ untertrieb ich belanglos, als handle es sich um eine Kleinigkeit. Kränkte seinen Stolz. „Safina,“ grollte er. Bevor er die Flutwelle startete, sprang ich flink aus dem wohligen Bad. Landete dafür schwerfällig auf meinen Füssen. Überschätzte die Müdigkeit des Körpers der mit der neuen Schwerkraft kämpfte. Es reichte um längst in Sicherheit vor weiteren Spritzern zu sein. Lachte.

Wie angegossen stand Dongard perplex auf seiner Stelle. Meiner Nacktheit bewusst angelte ich mein Badetuch.

„warte,“ hielt er mich ernst zurück. Sein gekrümmter Zeigefinger rief mich unerbittlich zu ihm. „Lass dich mal genauer ansehen!“

Verärgert über seine so romantische Aufforderung kehrte ich ihm meinen uninteressanten Rücken zu.

„Safina,“ reagierte er prompt in ziemlich scharfem Tonfall ,das ich zusammenzuckte.

„komm her. Langsam, leichtfüssig,“ gab er Anweisung. So fürchtete ich ihn. Folgte besser seinem Wunsch. Unwillig funkelte ich ihn vor dem Poolrand an.

„setz dich! Gerader Rücken!“ Ermahnte er. Fasste nach einem Fuss und streckte das Bein. Tastete mit der anderen Hand über meinen Oberschenkel. Sofort versteifte ich mich. Zufrieden mit seiner Diagnose gab er mich frei. Trat einen Schritt zurück. „Safina,“ säuselte er ganz harmlos. „Seit wann hast du solche Muskeln?“

Ein wenig enttäuscht über sein Interesse für meine Muskeln entgegnete ich kurz, „schon immer.“

„Unmöglich! Dann gib mir einen vernünftigen Grund weswegen du beim morgendlichen Joggen immer als letzte eintrödelst?“ Wachsam hielt er mich im Visier um Wahrheit und Lüge zu erkennen. Dafür brauchte ich gar keine Entschuldigung. Es lag weder an Faulheit noch an mangelndem Willen sondern, „beim Rennen lege ich gerne mein eigenes Tempo fest. Du kennst ja meine Probleme mit dem Atmen.“ „darum stellte ich dir nie eine Verwarnung aus. Andere müssen ihre Leistungen stets verbessern, aber wenn ich dich schnaufen hören... Das kann ich nicht einmal heilen. Wie kommst du dann zu diesen Muskeln?“

Triumphierend strahlte ich ihn an. Endlich mal etwas was ich besser wusste. „Vielleicht solltest du mich mal an meinem freien Tag begleiten?“

Aufhorchen streckte er sich. Das war der Dongard den ich bewunderte. Er empfing meine Stichelleih als Herausforderung. „Auf das Angebot bestehe ich. Du hast morgen freie Zeit zur Verfügung um mir zu Beweisen was dich so am morgendlichen Laufen hindert. Das es nicht nur an deinem Denken liegt. Finde ich nämlich heraus das du deine Kraft nur verheimlichst um es bequemer zu haben reist du per express in den Bunker!“

Diesen überlegenen Dongard verabscheute ich. Seine strengen Gesichtszüge. Traurig ihn so zu sehen. „Woher hast du das?“

„Was?“ Er kapierte nicht.

„Diese andere kalte Seite. Eben noch zum Scherzen aufgelegt und dann völlig... ausgewechselt, unnachgiebig.“

Seine dunklen Augenbrauen zuckten nach oben. Vermutlich getraute sich bisher niemand so offen, direkt zu fragen. Anscheinend überrumpelte ihn diese Erkenntnis selbst.

„Ich...,“ stammelte er. Brauchte Zeit. Geduldig wartete ich. Er setzte sich erst einmal auf die Bank. Schüttelte verwundert den Kopf. „meine Mutter bemängelte öfters dasselbe. Sie hielt es für eine gute Idee mich ein paar Jahre bei meinem Vater zu lassen. Von dem lernte ich einiges. Es hat mich dahin gebracht wo ich heute sein will in einer Rekordzeit. Mein Ziel war es immer ein selbstständiges Lager zu leiten. Andere stecken heute noch mitten in der Ausbildung. Mag sein das meine Regeln anderen Mühe bereiten, doch es bringt alle weiter. Weiter als viele zu Träumen wagten... Hast du schon über dein Ziel nachgedacht?“ Sein Tonfall klang sehr unsicher. Als ob er die Antwort fürchtete.

Ehrlich, ich kannte meine Ziele nicht. Nur eines wusste ich, auf keinen Fall wollte ich von Dongard weg. Eine Trennung undenkbar. Wo war meine Zukunft, immer hier zu bleiben? Das ging doch nicht auf Dauer! Meine ratlosen Augen verrieten mich. Er stand auf. Deutete mir an, an den Rand zu sitzen. „Safina, mach dir nie Sorgen darüber,“ versicherte er , „Für dich gibt es immer einen Platz.“

Über sein Versprechen schmunzelte ich. „Im Bunker?“ Darüber lachten wir gemeinsam.

Scherzhaft drohte er mit dem Zeigefinger vor meiner Nase. „Wie sehr ich mich auch bemühe, du findest immer einen Ausweg. Du zeigst dich selten eingeschüchtert. Hattest du jemals wirklich Angst vor mir?“

Öfters als du Denkst, aber das behielt ich für mich. Ausser, „manchmal ist es klüger nachzugeben., besonders bei dir. Alles lasse ich mich zwar nicht gefallen , darum wehre ich mich auf meine Art.“

Ärgerlich murmelte er, „mit hinterlistigen Streichen. Seit du in der Truppe bist geht es viel lebendiger zu. Gelegentlich zu misstrauisch, wachsam. Dafür haben viele ihren Spass, wenn sie es auch nicht zugeben. Safina, das muss aufhören. Ich will Ordnung und Disziplin in meinen Reihen. Keine unliebsamen Überraschungen. Egal zu welcher Unterhaltung sie beitragen.

„Aye, aye,“ pflichtete ich brav bei. Setzte eine unschuldige Miene auf. Warnend zupfte Dongard am Saum meines Tuches.

„Wenn ich dir nur glauben könnte. Kannst du dich nicht ein bisschen ändern? So ein klein wenig,“ bat er. Unterstrich seine Bitte mit einer Schmeichelei, indem er mit einer Hand meinem Bein entlang streichelte. Er wirkte verträumt, mit seinen halb gesenkten Augen. Seine Trägheit täuschte. Entdeckte ich das versteckte Lächeln mit dem er mich genau Studierte, meine Reaktion. Rasch zog ich mein Bein nach oben in sichere Distanz. „Du willst mich wohl bestechen?“ Warf ich ihm vor.

Gelassen schüttelte er seinen Kopf. Kletterte aus dem Pool. Schnappte sich rasch sein Tuch und begann sich ab zu trocken. Derweil fand ich endlich genug Gelegenheit seinen perfekten Körper zu betrachten. Unheimlich perfekt. Erst die schönen Beine.

Tief bewegt schaute ich auf die Seite. Sollte, durfte ich wahrhaftig hoffen das er mich wollte? Für eine echte dauerhafte Beziehung. Irgendwie zweifelte ich an meinem kostbaren Glück. Es tat sogar weh so Nah zu sein und trotzdem diese schreckliche Barriere zwischen uns zu wissen. Von der Stille aufgeschreckt schaute ich über die Schultern. Wie lange beobachtete er ich schon?

Lautlos trat er an meine Seite. „Bestechen dich? Mit dir habe ich andere Pläne!“

„Pah,“ kehrte ihm deutlich missbilligend den Rücken zu. Dem traute ich sogar zu das er mich als Kommandant auszubilden gedachte. Egal wie anstrengend es wurde mich durch alle Prüfungen zu schleppen. Unbekümmert lachte er leise. „Safina, ahnst du überhaupt wie sehr du mir am Herzen liegst?“

Allein die gefühlsbetonte samtene Stimme lies mich mit offenen Mund herumfahren. Er bestätigte erneut, „Du hast richtig gehört. Ganz besonders weil du nicht wie andere besessen hinter mir herläufst und unbedingt was willst.

Wenn du nicht einverstanden bist, wagst du es offen mich anzuzweifeln. Das schätze ich sehr. Ist mir lieber als das heimliche Getuschel, der anderen, hintern herum. Manchmal wundere ich mich wie sehr sie tagsüber vor mir zittern und am Abend, nach dem Dienst sind sie völlig verwandelt. Du benimmst dich immer gleich. Ob Tag oder Nacht. Ob Dienst oder Freizeit, du behandelst mich immer gleich. Mich stört nur diese restliche Zurückhaltung. Obwohl ich deutlich sehen das ich dir nicht gleichgültig bin, stosse ich auf diesen unerklärlichen Wiederstand. Und wenn ich auch mal offen sein darf, das ist nicht aus deiner Vergangenheit abgeleitet. Eines Tages löst du mir hoffentlich das Rätsel.“

Diese treffende Wahrheit stimmte mich nachdenklich. Lange haderte ich ob ich es ihm verraten sollte was mich beschäftigte. Er war auf dem Weg zur Tür. Letzte Gelegenheit. Selten sprachen wir so vertraulich. Später würde es mir schwer fallen damit anzufangen. Besser jetzt alles aufzudecken.

Kratzte meinen Mut zusammen und flüsterte mehr zu mir selber. „Damit ich nicht wie die anderen werde, darum halte ich dich auf Distanz.“

Empfindliche Melfenohren hören ausgezeichnet. Mitten in der Bewegung hielt er inne. Sein Lächeln verschwand. Schaltete alles andere ab, konzentriert wandte er sich mir zu. „wie darf ich das verstehen.“

Wenige Meter trennen uns. Dennoch spürte ich seine Präsenz. Bemerkte seine Anziehungskraft die auf mich wirkte. Fast wünschte ich nie mit dem Geständnis angefangen zu haben. Es viel mir schwer die richtigen Wort zu finden. Hier ging es nicht um einen harmlosen Scherz sondern um wahre offene Gefühle. Das klärte man besser nicht so auf Distanz. Entschlossen trat ich neben ihn hin, lehnte an die kühle, schwitzende Mauer. „Angenommen, ich wäre zu dir wie bei Maximilian, würdest du das aushalten?“

Es schlug ein wie eine unerwartete Bombe. Sichtlich ergriffen suchte er mit einer Hand halt an der Wand. Traurigkeit färbte seine Augen dunkler. „So wird es nie zwischen uns sein. Das erwarte ich nicht einmal, denn Maximilian kann dir niemand ersetzen,“ kam es mit belegter Stimme. „mir genügt... mehr als jetzt.“

„Bis wohin? Wie viel mehr?“ Getraute ich mich kaum zu fragen. Fürchtete mich davor das ich seinen Vorstellungen nicht erreichte.

„So viel mehr als jetzt. Soweit das du regelmässig in der Woche bei mir schläfst. Mich als deinen Freund akzeptierst und mit dem du einiges zuerst Diskutierst, verhandelst. Bevor du mit deinen Streichen loslegst. Es gibt nämlich andere Wege. Ich möchte dir so viel zeigen, beibringen...“ Seine Pause ausnutzend meinte ich, „ich frage mich trotzdem, was wenn ich dich so offen behandle wie Maximilian. Bin ich dann nicht wie all die anderen?“

Sein Nachdenken stoppte. „Das ist es also! Darüber mache ich mich keine Sorgen. Bei mir benimmst du dich schon seit unserem ersten Treffen anders. Das du mir wiedersprichst daran wird sich nie was ändern. Ausserdem, meine liebe Safina, ich will dich... offener, vertraulicher, anschmiegsamer. Mir bereitet wesentlich mehr Kummer wie lange noch ich auf eine Veränderung warten kann... Komm her!“

Erleichtert, denn ich ertrug seine leidenden Augen nicht länger, umarmte ich ihn gerne. Ohne Bedenken, ohne zu befürchten das er zuviel verlangte. Im einfachen Vertrauen. Ich wollte ihn nur Festhalten. Melfen und ihre sensible Seele. Bisher traute ich Dongard so einen weichen Kern kaum zu. Ich wollte eine neue Partnerschaft. Maxim gab mir das Gefühl das er mich wirklich brauchte. Bei Dongard hielt ich mich eher als eine unwichtige Nebenfigur. Er beherrschte , ausser mir, eigentlich alles perfekt. Warum sollte er also so einen Chaot wie mich an seine Seite wollen. Jetzt auf einmal zeigte er mir auch eine verletzliche Seite. Seit langem freute ich mich wieder das die Melfen ihren Einfluss positiv einwirkten.

Ihm viel die Veränderung auf. „Siehst du,“ verdeutlichte er, „Fühlt sich gut an.“ Seine Finger vergruben sich in meinem langen Haar. Abwartend bittend dunkle Augen. Aufgefordert berührte ich seine Wangen. Weiche Haut. Spürte sein inneres Beben. Küsste ihn auf die Lippen. Seine Zurückhaltung zerbröselte. Leidenschaftlich presste er mich an sich dass ich fast keine Luft bekam. „Saf... Saf...,“flüsterte er leise sobald er es schaffte sich eine Winzigkeit zu lösen. Knabberte übermütig etwas zu fest in meinen Hals das ich mit meinem Ellbogen reagierte. Atemlos versanken wir in unseren Augen. Tauschten das Innerste der Seele. Schliesslich bestimmte der altbekannte Kommandant, „Du gehörst zu mir!“

„Ach ja,“ meine ich beiläufig.

„Du kleines Biest,“ zischte er den beleidigten spielend.

„Quatsch, ich will dich nur nicht Eingebildet haben. Es reicht schon wenn die anderen dir immer Schmeicheln. Da setzte ich dem nicht noch die Krone auf.“

Seine Augen verengten sich. Diesmal beeindruckte er mich nicht im geringsten. Statt dessen verfolgte ich mit meinem Finger über die verlockende Linie von dem Badetuch um seine Hüften. An der Seite kniff ich seine Haut zusammen. Beschuldigte ihn, „Wer isst das zu viel?“ Das sass tief in seinem Stolz.

„Ich bin nicht fett,“ protestierte er sofort.

„Du wirst langsam älter.“

„was, „ kam es laut empört.

Jemand klopfte hinter uns schüchtern an die Tür. Alles andere als begeistert sagte Dongard ohne mich aus den Augen zu lassen. „herein!“

Wenig eingeschüchtert von dem scharfen Ton trat Monat unsicher in den Raum. Gewappnet für einen Rückzug. Mit Unterstützung seiner weiblichen Begleitung zeigte er mehr Mut. „Eine Viertelstunde ist um,“ warf er uns vor, während die Damen ihn vorwärts schoben.

Dongard beruhigte sich sofort. Wedelte wieder mit seinem berühmten Zeigfinger vor meiner Nase. „Demnächst behandeln wir das ausführlicher. Verlass dich darauf!“ Schalk glitzerte in seinen Augen. Demnach existierte schon ein fertiger Plan. Himmel, er war ja schneller also ich. Locker die Hände reibend , verlies er das Zimmern.

Ascha nahm es brennend wunder was vorgefallen war. „und?“

Ein schwerer Seufzer wanderte meine Kehle hoch. „Ich hab es überlebt.“ Zugegeben ein alter Teil von mir schien gestorben. Etwas neues in mir erwachte. Zufrieden lächelte Stahrie: „Scheint ja richtig erst gewesen zu sein!“

Erfreut tauchte sie ins warme Bassin. Wieso eigentlich nicht. Nach einem prüfenden Blick auf Monat der Langeweile signalisierte, tat ich es ihr gleich. Noch ein paar Minuten Erholung um die wirbelnden Gedanken zu klären. Genau das Richtige.

Wiedersehen

 

Wiedersehen

 

Entspannt lag ich ausgestreckt im warmen , Trockenen Gras der brennenden Mittagssonne. Heute an meinem freien Tag stand ich extra später auf. Oder klarer ausgedrückt, später nach dem morgendlichen Frühstück, das ich auf keinen Fall verpassen wollte, legte ich mich zuerst abermals in der kühlen Höhle schlafen. Erst beim zweiten Erwachen vor dem Mittag stand ich endgültig auf. Schlüpfte in meine weite bequeme Kleidung und achtete beim nach draussen gehen darauf unauffällig zu sein. Besonders das Dongard mich nicht entdeckte, keinen Schatten. Ungesehen wie möglich schlenderte ich gemütlich die oberen Weiden an, wo die Drachen grasten. Dank dem eingehaltenen Frühstück besass ich nun als Reserve drei gefüllte Sandwich für den späteren Nachmittag. So belästigte ich das Küchenpersonal nicht zusätzlich. Ausserdem sah es Dongard ungern wen man sich ausserzeitlich in der Küche bediente. Seit meinem letzen unerlaubten Ausflug hielt ich es für klüger voraus zu planen. Es reichte schon das die anderen mich absonderten weil Dongard mich speziell behandelte.

Also im Schatten der Büsche, am Fluss, schlich ich unbemerkt, praktisch lautlos auf die Bewachte Weide zu. Auf einem erhöhten Plateau, bei den Steinfelsen, wachte Tata wie immer an seinem gewohnten schattigen Platz. Um zu vermeiden das er mich von der Weide entdeckte, begab ich mich zu den Felsen in seinem Rücken. Zwar ein mühseliger Umweg von einer Stunde, doch nur so gelangte ich ungesehen auf die andere Seite der Weide. Im Schatten des grossen, steilen Hügels flitzte ich locker um die Mannshohen Steine. Sprang gelegentlich auf ihren unebenen Köpfen. Ausgezeichnetes Training für Reaktion und Gleichgewicht. Dann endlich entdeckte ich meinen Schlingel Di`jon. Von den sieben weiteren Drachen entfernte er sich bis an die erlaubte Grenze. Entdeckergeist trieb den jungen Drachen sich von den anderen abzusondern. Sobald ich mich auf die offenen Weidefläche hinaus wagte, würde mich Tata sehen.

Im Schutz des letzen Felsbrocken winkte ich im verborgenen. Zuerst reagierte der wachsamste Coumen. Sein langer dunkelbrauner Hals schwenkte nach oben. Fast schwarze Augen verfolgten meine wirbelnden Arme. Sofort hielt ich still. Auf diesen schweren Transporter verzichtete ich gerne. Ich benötigte was flinkeres. Beruhigt widmete sich Coumen wieder dem Gras zu. Vorher gurgelte er enttäuscht auf. Das weckte Di`jons Aufmerksamkeit. Spähend suchte er die Landschaft nach dem Grund der Ablenkung ab. Diesmal winkte ich langsam, so das er sich auch dementsprechend angepasst näherte. Vor meinen aufgewärmten Steinen legte er sich ins staubige Gras. Wälzte sich genüsslich. Lockend rief er mich zu sich. Hast deutete ich ihm ruhig zu sein. Etwas was er verstand. Di`jon liebte Geheimnisse. Aufgeweckt folgte er mir zu den hinteren Felsen. Hier unmöglich zu starten, ausserdem besass ich weder Sattel noch Starterlaubnis. Erstes lies Dongard verstärkt bewachen seit meinem letzten Ausflug. Aber zwei breite, weiche Lederriemen nahm ich neben meinem Proviant mit. Mit einer Schlinge die sich nicht zusammenzog, führte ich Di`jon rascher von der Weide weg. Innert Sekunden merkte Tata das ein Drache fehlte. Nur das der jüngste Wildfang ausriss, dafür war Di`jon bekannt. Genauso das er brav seinem Lager die Treue hielt und immer zurück kehrte.

Beinahe einen Kilometer trabte ich im Schutz der Hügelhänge. Dank den jungen, starken Beinen hielt Di`jon leicht mein Tempo aus. Er fand meinen Ausflug lustig, interessant. Gelegentlich riss er mich fast übermütig hinter sich her. Auf mein keuchendes Rufen hin mässigte er schliesslich seine Jungendlichen Ungeduld. Nach einem halben Kilometer schwan ich mich mit Hilfe eines starken, dichten Busches, der mir federnd Halt bot, hoch auf dem Drachenrücken. Auf meine Bitte hin reichte mir Di`jon das zweite Ende des Seile welches ich unter seinem Rumpf durchzog, hoch. Notdürftig verknotete ich die Riemen über meinem Oberschenkeln. Ein kräftiger Flügelschlag reichte, Di`jon hob sich fast wie ein Hubschrauber senkrecht in die Luft. Tieffliegend, kaum die Baumwipfel erreichend, gerade dass die Flügelspitzen über dem Boden rudernd keinen Staub aufwirbelten, reisten wir vorwärts. Geschickt glitt er zwischen den Bäumen hindurch. Wenige Ausnahmen zwangen uns höher als zehn Meter zu fliegen. Unser gefürchtete Chef durfte uns auf keinen Fall bemerken, das waren wir uns beide einig. Nach einer halben Stunde erreichten wir bereits unser Ziel. Länger hielt ich auch die straffen Stricke nicht aus. Sie stauten das Blut in den Beinen. Erleichtert, wegen dem Druck der Schuld, landeten wir beide auf einer spärlichen Wildblumenwiese deren farbige Blütenpracht staubte. Unter Di`jons Luftzug, der mächtigen Schwingen, knickten die schweren, kurzen Stengel fast ab. Auf diesem vorgefegten Platz streckte ich mich abermals aus. Wenige Meter vor uns glitzerte die Sonne auf der Oberfläche eines kleinen Sees. Mein absoluter Lieblingsplatz. Versteckt in einer weiteren, flachen Mulde blieben wir hier garantiert vor lästigen Besuchern verschont. Gut eine Stunde döste ich ausgelassen in kurzen, dünnen Gras vor mich hin. Di`jon genoss inzwischen ausgiebig das aufgewärmte Wasser des grossen Teiches.

Träge beobachtete ich einen geschickten, kleinen Käfer beim klettern auf einer der zähen Grashalme. Herrlich, einfach ohne Stress dazuliegen. Aromatischer Duft von den unbekannten Kräutern. Keine Gefahr, keine Sorgen. Zeit spielt an diesem Nachmittag keine Rolle. Entspannt rollte ich auf die Seite. Di`jon tat es mir automatisch gleich. Sobald wir alleine unterwegs waren behielt er ein wachsames Auge über mich. Schliesslich lernte er manche ungewöhnliche Dinge von mir, die seiner Intelligenz ansprachen. Nach ein paar Minuten wechselte ich auf den Bauch. Di`jon folgte mit Verspätung. Beim nächsten Dreh funktionierte es fast Synchron. Wobei er die grössere Fläche in der Wiese platt wälzte. Mir kam da wieder mal eine unvernünftige Idee. Übte mit ihm. Schon bald begriff er wie eine Rolle funktionierte. Wie bei einem gelehrigen Hund, horchte er auf mein Kommando. Worte genügten. Er faltete einfach seine Flügel zusammen um seitwärts zu rollen.

Fragen sah ich in den hellblauen Himmel hoch. Ein gewagtes Experiment! Es reizte mich trotzdem auszuprobieren. Di`jon folgte meinem Blick. Was ich wohl das oben suchte? Elegant rollte er sich auf die Füsse. Breitete seine Schwingen aus wie ein angeberischer Schwan mit all seiner Herrlichkeit. Ohne Zweifel der Beste der Besten. Einzig mit ihm durfte ich das Wahnsinnige ausprobieren. Irgendwie musste ich besessen sein. Vergass das ich in meiner alten Welt auf den schwingenden Bahnen, in Vergnügungsparks, verabscheute. Aber Di`jon war keine rostende Maschine, die man jedes Jahr wartete. Ihm durfte bei seiner geschmeidigen Gelenkigkeit vertrauen. Gerade seine Jugendlichkeit versicherte mir Topfform.

Innert Minuten schnallte ich mich fest. Verrückt. Normal brauchte ich einen langen Zügel um einen Drachen zu steuern. Ich hielt mich nur an eine Seilende fest mit dem ich auf die Betreffende Seite schlug dich ich benötigte. Schwungvoll erhob sich Di`jon in sein liebstes Element. Höher, höher, höher. Gemächlich in kleinen Runden von der warmen Thermik des Hügels unterstützt. Oben wartete er auf meine Befehl der die Richtung angab. Zuerst ein paar gerade Meter, dann probierte ich das Zauberwort. Zuerst überlegte Di`jon gründlich. Legte probeweise seine Flügel an. Taumelnd suchte er sein Gleichgewicht. Ruhig hielt ich mich auf seinem schaukelnden Rücken bis er sich gefasst beruhigte. Benutzte nochmals das Wort in meiner alten Sprache. „Rolle! Komm schon. Du schaffst das. Eine ganze Rolle!“

Abrupt klappten die mächtigen Segel an seine Körper. Geschwindigkeit trug uns weiter. Ein kleiner einleitender Ruck des Gleichgewichts. Wir drehten und seitwärts. Dann schnell nach unten.

„Auf, auf,“ rief ich mit Angst. Geschickt fing er sich ganz behutsam. Mit dröhnte etwas der Kopf nach der schwindelnden Aufregung. Glücklich über das halbwegs gelungene Experiment streichelte ich Di`jon lobend den Hals. Es schien ihm zu gefallen. Freiwillig begann er mit den Flügeln heftig zu schlagen. Rasanter, höher. Dann begann er sich zu drehen und das nicht nur einmal, um seine eigene Achse.

Farben verschwammen vor meinen Augen. Boden, Himmel ununterscheidbar. Sekundenschnell, drehte er am äussesten Limit. Zuerst überfiel mich richtiger Schwindel, Sterne tanzten, gefolgt von zunehmender Übelkeit. Was mir überhaupt nicht gefiel; mir kam es vor als presste es mein Herz zusammen. „Stopp, Stopp,“ jammerte ich zwischen klappernden Zähnen hindurch. Was fühlte überhaupt mein Drache, körperlich. Sorgte mich über die nähernde Tiefe, am schwereren Luftzug erkennbar. Spürbar die Wärme der Bodennähe. Alles schmeckte erstickend Tief. “Di`jon,“ kreischte ich ungewohnt Verzweifelt, deutlich. Knacks... das war mein Genick. Es folgten ein paar weitere schmerzhafte Rückenwirbel kaum stoppte Di`jon mit einem abrupten Ruck. Obwohl ich weiterhin auf dem Rücken oben sass, flimmerte es weiter vor meine Augen.

„Runter,“ flüsterte ich halb betäubt. Nach ein paar abbremsenden Flügelschläge landete Di`jon sicher. Besorgt blickte er mich an. Mehrere Minuten brauchte es bis meine zitternden Hände es schaffte mich von den Seile zu befreien.

Di`jon spürte meine Unsicherheit. Drückte seinen Körper niedrige auf den Boden zu. Dennoch plumste ich ziemlich unsanft auf die Wiese. Brechreiz überwältigte mich. Im nächsten Moment kotzte ich ergebend auf den Boden. Danach rollte ich mich ein paar Meter weg , von dem sauren Gestank. Mein Körper zitterte. Diesmal brauchte ich einen langen Moment um mein Gehirn Gebrauchsfähig aufzustarten. Schwäche flutete meine Glieder. Niedergeschlagen legte sich Di`jon neben mich nieder. Sein bedauernder Blick verriet sein Wissen, das er mir nicht helfen konnte. Regelmässig stupst er mich alle fünf Minuten an um zu testen das ich mich erheben sollte.

„Ich glaube das mit der Rolle sollten wir besser vergessen,“ flüsterte ich aus eigener Erfahrung. Mies richtete ich mich auf. Schwankte, stützte mich an ihm ab. Mein mitgenommenes Essen landete in seinem Magen. Ich hielt es für Klüger den Rückweg nüchtern anzutreten. Und möglichst schnell nach Hause zu kehren.

Kurz vor Fünf Uhr Abend ereichten wir Di`jons vollgefressene Verwandten. Hinter der nahe gelegensten Baumreihe bremste mein Drache aus sicherer Entfernung ab. Hielt sich schön im geraden verborgenen Winkel zum Weidfläche. Kurz vor dem Bau, landete er sicher auf seinen kräftigen Beinen. Es wirbelte schwach Staub von trockenen Boden auf. Rasch sprang ich von Di`jon. Versteckte die Lederriemen in meiner Tasche. Begleitete ihn die letzten Meter zu Fuss. Anscheinend plante Tata frühzeitig den Feierabend. Wartend standen die anderen Drachen ungeduldig versammelt. Kleine unbedeutende Raufereien wegen der umstrittenen Rangordnung unterbrach Tata streng. Seinen Hirtenstock fest auf den Boden gepresst sah er mich übertrieben böse an. „Du,“ drohte er. „Ahnte ich doch das du dahinter steckst. Safina, diesmal gibt es ein ernstes Nachspiel. Du hast Dongards Alarmübung verpasst! Schlimmer noch, behindert!“

Oh, Schreck. „Welche Stufe,“ wagte ich kaum zu fragen.

„Stufe Drei. Aber Dongard wird keine Unterschied in der Strafe machen. Du kommst nicht davon.“

„Ich war doch weg,“ suchte ich nach einem Ausweg. „Sozusagen in Sicherheit mit einem seiner wertvollsten Drachen. Kann man das nicht positiv auslegen?“

Tatsächlich überlegte er die misslungene Situation. „Du gehst vor. Benimm dich einfach so als ob keiner da wäre.“

Begreifend vergewisserte ich mich. „So als ob Alarm Drei noch aktuell wäre?“

„Genau. Nehmen wir einfach an du hättest mich nicht angetroffen. Was würdest du normaler Weise tun?“ Arme in die Hüften gestellt, beäugte er mich wie ein überflüssiges Insekt.

Unsicher trat ich einen Schritt an ihm vorbei. Seine bedrohlichen Augen folgten mir. Trotzdem sagte ich bekommen. „Danke für die Warnung.“ Sprintete hastig los.

Tata hinderte Di`jon nicht mir zu folgen. Seltsam. Zögernd bremste ich ab. Die letzten Meter vor dem Lager stimmten mich Nachdenklich. Di`jon spürte die unangenehme Spannung. Zupfte unruhig an meinem Hemd im Rücken. Bis wenige Meter vor dem getarnten Stalltor lief alles störungsfrei. Vor dem letzen trennenden Abschnitt band ich Di`jon an. Vorzugsweise wollte ich alleine das feindliche Terrain erkunden. Beziehungsweise erkunden wie sehr wohl Dongard bereits tobte. Ob die anderen mich auch bereits verachtend erwarteten. Jedenfalls erwartete ich kein warmes Willkommen. Spähte gespannt in den verbreiternden Vorraum vor dem verborgenen Stalleingang. Kein Laut, keine Person die patrouillierte. Normalerweise stand hier immer ein Wächter der den Hintereingang bewachte. Ratlos trat ich in den leeren Platz hinein. Direkt unheimlich. Zu Di`jons Stärken gehören keinesfalls Geduld. Losgerissen sauste er geschwind auf mich zu. Wie eine kleine, ängstliche Schwester hielt er sich in meinem Rücken. Schmeckte die Veränderung zu den sonstigen Abenden. Es fehlten mir die leisen Stimmen, von den Felsenwänden weitergeleitet. Gewöhnlich läutete bald die Glocke fürs Abendessen. So hielte sich die Mitglieder meistens in der Nähe der Höhle. Bei dem Gedanken ans Essen verspürte ich auf einmal ein dringender Hunger. Heute blieb mir ja ausser einem halb verdauten Morgenessen kaum was.

Zu erst befolgte ich Dongards strickte Regel den Drachen zu versorgen. Kostbare Tiere zuerst.

Freudlos zogen sich meine Mundwinkel nach unten . „komm, Di´jon,“ rief ich ihn überflüssig. Öffnete die schweren Holztüren um ihn reinzulassen. Ansonsten brav, weigerte sich Di`jon mir über die Schwelle zu folgen. Jetzt kamen Probleme von ihm dazu! Übertragbare Sensibilität hatte auch seine Nachteile. Gereizt, Ungeduldig steuerte ich seine Box an. Hob die schwere Eisenkette auf die Seite. Forderte Di`jon höflich auf sein Abteil zu betreten. Misstrauisch verharrte Di`jon an seinem entfernteren Ort. Warum sah er mich so komisch an? Vertraute er mir nicht?

Es ging so schnell. Ein dunkler, grober Sack stülpte mir jemand über den Kopf. Die Sicht verschwand. Grobe Leinen drückte es mir ans Gesicht, ein harter Stoss in die rückwärtigen Knie.

Widerstandslos knickte ich zusammen. Schmerzhaft folgte ein Stoss in den Rücken. Nicht direkt auf die empfindliche Wirbelsäule sondern milde in die Seite. Meine Hände stemmte sich wehrend auf den sandigen Boden. Suchend nach Halt. Weigerte sich den rückwärtigen Druck nachzugeben. Mir kam es vor als presste mich ein Elefant nieder. Ausweichend rollte ich auf die Seite. Kam frei für eine Sekunde. Behindert durch den würgenden Sack, der hartnäckig fest hing. Zusätzlich schlang sich ein kräftiger Arm um meinen Hals. Da half kein zielloses Strampeln mehr. Hilflos gab ich auf. Kämpfte nur um genügend Luft. Jemand hob mich mit Leichtigkeit hoch. „Derek,“ keuchte ich mit letzter Atemluft bittend. Unzählige Sterne blitzten vor meinen Augen auf. Spürte den veränderten Druck des gelockerten Armes. Jeder Millimeter entschied über Qual oder Erlösung.

Vernahm die schweren Schritte wie in einer Höhle. Meine Schuhe kratzten auch mal an eine Wand. Ein eiserner Schlüsselbund rasselte.

Statt meine Zeit zu vergeuden seinen Arm zu lockern, tastete ich mich an die vermeidliche Wand. Was? Kein Stein sondern glatt, abgerundeter Zylinder Form. Blind erkannte ich den Gegenstand kaum, obwohl mein Gehirn auf hochtouren arbeitete. Höhle, Beleuchtung, Kerze! Ohne weiter zu Überlegen krallte ich mir den schweren Gegenstand. Heisses Wachs tropfte über meine Hände. Umso besser! Drückte sie gnadenlos direkt auf den Arm der mich festhielt.

Durchdringend bellte der Schrei an meinem Ohren vorbei. Es stank nach erlöschten Dochten. Unerschüttert zielte ich mit dem einzigen Gegenstand nach oben ins Gesicht. Vergebens. Eisern hielt er mich stur fest. Riss mir die Kerze aus der Hand. Unerwartet liess er mich los. Kühle Luft strömte in meine brennenden Lungen. Dafür beförderte mich ein gewaltiger Stoss in die Schultern geradewegs ins Verlies hinein. Eine Verriegelung klirrte. Stille.

Zuerst befreite ich mich aus dem widerlichen Sack. Enttäuscht stellte ich fest dass mich weiterhin vollkommene Dunkelheit umgab. Auf allen vieren kroch ich zu der vermeidlichen Tür. Dort wo sonst in der Zelle eine Kerze und ein Feuerzeug lag.... nichts. Feuchte, nasse Felswände.

Zwang mich ruhig zu bleiben. Setzte mich erst einmal auf die Knie. Atmete wieder regelmässig. Da sass ich nun. Auf einmal durchzuckte mich der Gedanken; wenn der Alarm echt war? Fremde unser Lager eroberten? Feindliche Nachbarn existierten überall.

Nur nicht daran denken, verbannte ich meine negativen Gedanken. Sie förderten nur die Verrücktheit. Von diesen schleichenden Ausbrüchen war ich ja ein Experte. Schon einmal besiegte ich den selbst produzierten Wahnsinn. Heute erlaubte ich mir keine Rückschritt anzunehmen. Das mit dem Denken war eine Sache, wie brachte man das körperliche Verlangen nach Wasser weg. Je länger ich so vor mich hin grübelte desto deutlicher verspürte ich meinen trockenen Kehle. Selbst seit dem nachmittags entleerten Magen hielt ich den Hunger problemlos aus. Dagegen war mein dringende Durst eine unbedeutende Kleinigkeit. Schliesslich sagte ich mir immer wieder; nur eine Nacht. Morgen würde mich Dongard von der Strafe erlösen. Diese Strafe verstand ich. Also nach ein paar schlafenden Stunden war alles vorbei. Ein bisschen Demut zeigen und in ein paar Tagen vergass, selbst ich, dieses ungemütliche Gefängnis.

Erschöpft nach dem heissen Tag legte ich mich auf den kalten, harten Boden. Seelisch und körperlich Unruhig verfolgten mich sinnlose Träume. Häufig wachte ich auf mit einem bestimmten Gefühl, überhaupt nicht ausgeruht zu sein. Trockene Lippen die ich mit meiner belegten Zunge mehrmals benetzte. Unangenehm salzig schmeckte meine Mundhöhle. Ungastfreundlich, beängstigend die Höhle. Verschlimmerte sich mit der aufsteigenden Platzangst. Nach unbestimmter Zeit gab ich es auf zu schlafen. Horchte, horchte auf alles was sich bewegte. Ausser meinem Atem und Herzschlag blieb es still. Wenn mir der Sauerstoff ausging? War das möglich? Erneut verdrängte ich meine Panik erfolgreich. Tastete den unbekannten, engen Raum ab. Schliesslich war ich nicht zum ersten Mal im Bunker. Mit Sorge gewahrte ich das dies eine fremde, kleinere Zelle war. Keine Truhe, keine warmen Tücher. Drei Meter nach hinten und anderthalb zur Seite bedeutete das sie um mehr um die Hälfte weniger als üblich mass.

Rumorender Magen protestierte vergebens. Schlimmer der zunehmende Durst. Letzteres schürte geradezu meine Panik. Träge, schlaff fühlte sich mein Körper an.

Verdammt, wagte ich verzweifelt zu fluchen. Gab es hier unten eine andere Zeit? Lief sie überhaupt? Drei meiner Fingernägel sind schon auf der schmerzhaften Grenze hinunter gekaut. Dongard dachte, handelte sonst Gerecht. Darauf vertraute ich. Auf keinen Fall lies er mich länger als einen Tag in diesem Loch, ohne Wasser. In meinen verwirrten Gedanken wägte ich schon ab den eignen Urin zu trinken. Ohne ein Gefäss würde selbst das schwierig werden. Alleine die Vorstellung widerte mich an. In meiner kritischen Lage durfte ich nicht zu wählerisch sein. Jedenfalls hielt ich es klüger zurückhaltend auf die Toilette zu gehen solange ich darüber weiter grübelte. Dauerte eine Nacht und ein Tag so lange. Hoffnungsvoll tastete ich mit meinen zitternden Händen abermals prüfend die finstere Zelle ab. Vielleicht übersah ich beim ersten Mal etwas. Vergebens.

Zur Linderung presste ich meine heisse Stirn an die kühle Höhenmauer. Mir egal wie schmerzhaft diese rauen Wände sich in die Haut drückten. Im Gegenteil, dieser Schmerz lenkte mir ab von den anderen Wünschen. Hier steuerte ich nach belieben die Schmerzgrenze. Hielt ich meine Stirn weiter zurück, verspürte ich nachlassender Frieden. Wie bei einer Sucht wiederholte ich das blöde Spiel.

In meinem Innern drohte ich ernsthaft zu verlieren. Zum ersten mal seit meinem Verlassen der Klinik, drohte etwas wertvolles in mir zu zerbrechen. Vergessen, vergessen, nachgeben, lockte eine gefährliche Stimme. Träumte vor mich hin. Schaltete alles ab. Träumte von Maximilian, der irgendwo auf dieser Erde noch lebte. Hörte sein Lachen, seine Streichelnden Finger. Er rief meinen Namen. Drängte mich zu reagieren.

 

Licht. Blendendes Licht. Dabei ist es nur eine kleine Kerzenflamme. Dankbar das ich wenigstens Gesellschaft bekam lies ich mich zurück fallen. Erwartete das men Hinterkopf auf dem harten Steinboden aufschlug. Egal.

Unglaublich ... eine federnde weiche Unterlage? Ein Kissen, woher? Egal, Hauptsache vergessen. Mein eigener Körper abschalten. Dieser quälende Anhängsel gehörte nicht länger zu mir.

„Safina, Safina,“ herrschte mich wieder eine wohl bekannte Stimme unfreundlich an. Jemand rüttelte entschlossen an meiner Schulter. Ignorierend klinkte ich jede Bewegung aus. Schaltet auf Notreserve. Mir reichte das flache Atmen.

„Ich hasse es wenn ich diesen irren Blick sehe,“ kam es aufgeregt von der Seite. Darauf wollte ich etwas sagen, brachte aber den gelähmten Mund nicht auf. Blinzelte, was leben in meinen trübes Sichtfeld schaffte. Wie aus uneinschätzbarer Ferne erkannte ich Dongard Gestalt. Er sass neben mir auf der Bettkante. Auf einmal winkte seine Hand dicht vor meinen Augen. Verwirrt schreckte ich träge zurück. Erleichtert meinte er; „Endlich reagierst du wieder. Obwohl ich es sonst nicht mag, bin ich jetzt ausnahmsweise mal froh über deine Schreckhaftigkeit.“

Mein Blick wanderte weiter... leuchtende, bunte Blumen auf dem Nachttisch. Verlangend streckte ich meine schwache Hand aus. Es viel mir unendlich schwer diese leichte Vase zu halten. Hilfsbereit stellte sie Dongard neben mich. „Schön nicht? War eine Idee von Ascha. Nach dem dunklen Nächten weiss man wieder einfache Dinge zu...“ Entsetzt verfolgte er wie ich den Straus aus der Vase schubste. Bevor jemand reagierte trank ich das abgestandene Wasser. Es schmeckte einfach köstlich. Dongards Hand hing geschockt, bewegungslos in der Luft. „Was?!“ Versuchte vergebens mir die Vase zu entwenden. Entschlosse hieb ich, kratzte ich seine Hand die mit mir um die Vase rang. „Aufhören! Safina hör sofort auf! Aus!“

Unglückselig verschluckte ich mich in meiner Hast. Überlies Dongard den kärglichen Rest. Hustete und legte mich matt zurück in die Kissen.

Dongard drückte die Vase seinem anwesenden Stellvertreter in die Hände. „Bring mir eine verdünnte Suppe und besorg Wasser für die Blumen,“ beauftragte er ihn. Eilig rückte dieser Hinaus. Befreit von dem stechenden Pochen in meinem Kopf sah ich zufrieden Dongard an. Kuschelte mich tiefer in die warmen Lacken. Tat meine kalten Knochen gut.

Schweigend sah mich Dongard an. Zu gerne hätte ich seine Gedanken erraten. Drückte mein Kissen stützend zurecht und fragte. „Sei wann bin ich hier.“ Ungewohnt rau meine Stimmbänder.

„Seit Mittag. Heute Morgen bin ich von meiner Tour zurück. Später hat mir Derek von deinem ungehorsam erzählt und das die Gruppe einstimmig dich für den Bunker verurteilte. Wir dachten zuerst das du in Ruhe schläfst. Erst nachdem Derek mir meldete das du weiterhin dein Essen ausläst habe ich mich an deine alte Vergangenheit erinnert. Du warst nur zwei Tage in diesem Loch. Warum hast du mit der alten Verweigerung wieder angefangen? So was kann gefährlich werden.“

Vorwürfe an mich gerichtet. Wesentlich verstand ich nur das eine. „meinen alten Streik? Was soll ich sonst im Dunkeln anfangen, wenn man nur Langeweile kennt. Es ist das einfachste die Zeit Tod zu schlagen.“

„Dabei kannst du auch sterben. Kannst du nicht wenigsten das nötigste Essen?“ Funkelte er mich verstimmt an. Verwirrt sah ich ihn müde, sanft an. „Essen? Im Dunkeln habe ich kein Essen gesehen. Ich habe nichts gesehen. Ausserdem wollte ich nur zu trinken.“

Von der Türe tönte es, „das war auch dabei,“ verteidigte sich Derek. Mit einer dampfenden Schüssel Suppe kam er herein. Füllte mir eine grosse Tasse ab. Hungrig verfolgte ich jede seiner Bewegung. Schnappte mir schon mal den Löffel. Wartet ungeduldig. Auf halben Weg entführte Dongard die Schüssel auf den Nachttisch. „ Warte bis sie kühler wird. Ich habe gesagt du sollst warten. Auh!“ Kräftig hieb ich mit dem Löffel auf seine Finger. Schnappte mir die Tasse und schüttete sie in die kühle Vase. Schwenkte sie abkühlend. Derek lachte erheitert. Finster stoppte ihn Dongard. „Das ist bitterer Ernst. Wegen dieser Geschichte könnte ich die degradieren.“

Aufgebracht wollte Derek nicht alles so einfach hinnehmen. „Wir haben nach einem Tag nachgesehen und sie hat friedlich geschlafen. Wenn sie danach ihre Nahrung verweigert ist das nicht unser Fehler.,“ rechtfertigte er seine Handlung.

Ich horchte auf. Zeit was richtig zu stellen. „Zwei ganze Tage war ich drin. Mit heute noch ein halber Tag fast dazu, die erste Nacht... Kein Wunder das mir nach drei Tage ohne Essen so mies ist.“ Schluckte gierig die feine Suppe.

Dongard runzelte die sonst glatte Stirn. „Drei Tage? Erklär mir mal das näher.“

Verlegen lächelte ich ihn an. Biss mir auf die Lippen. „Na, ja. Das Frühstück, an meinem freien Tag ist mir... Ich habe ein bisschen wild mit Di´jon gespielt und es ... mir ist übel geworden.“

Mit böser Vorahnung wandte Dongard ein. „Was ist mit den belegten Broten?“

Mit einem schiefen Gesicht gestand ich. „Nachdem mir schlecht wurde habe ich sie Di`jon überlassen. Es war ziemlich heiss an dem Tag, da brauchte ich nicht so viel zum Essen. Ausserdem rechnete ich mit eine guten Abendessen das wesentlich besser schmeckt als ein paar aufgeweichte Brote.“

Betroffen sagte Dongard bitter. „damit rechnete wohl keiner. Mein langjähriges Urteil lautete einen Tag im Bunker, nach so eine schwerliegenden Verstoss wie das entwenden eines Drachen. Besonders ohne jemandem eine Nachricht zu hinterlassen. Kannst du dich nicht wenigstens an Ascha wenden? Dann weiss immerhin einer Bescheid sollte es einen Richtigen Alarm geben?“

„Das werde ich mir merken,“ nahm ich seinen Vorschlag an.

„Warum hast du das lebensnotwenige Essen ignoriert?“ Ihm viel es schwer zu begreifen. Selbst mir schien es unglaublich das später tatsächlich wenige Meter von mir was gewesen sein sollte. Vernahm ich nie das öffnen der Türe. Entschuldigend leise sagte ich, „ich habe es scheinbar nicht realisiert. Es gab ja nicht einmal eine Kerze.“

„Diesen Luxus hast du dir mit deiner Attacke verscherzt,“ erklärte mir Dongard. Demnach erzählte ihm das Derek.

Genauer sah ich mich um. „in welchem Quartier bin ich hier?“

„in meinem Zimmer. Es war nötig. Der beste Platz um dich ungestört zurück zu holen. Dein Kreislauf machte mir dabei weniger Sorgen. Nachdem was ich jetzt weiss bis zu erstaunlich zäh. Einzig deine.. Gedanken, dein innerer verlorener Halt, das hat mir zu schaffen gemacht. „

Man spürte förmlich die einladende Magie im Raum. Sein aufgeräumtes Reich. Wie bei allen anderen einfach eingerichtet, mit einem Vorteil, ein paar Quadratmeter mehr Raum. Den füllte ein alter abgenutzter Schreibtisch, an der Wand. Ordner mit Berichten stapelten sich auf der unebenen Platte. Sein immer Zimmer. Obwohl ich mehrere Monate in dieser Höhle wohnte , hatte ich den Raum noch nie betreten, gesehen. Ausser N`toki erlaubter er sonst niemand Einlass. Ich kam mir vor wie ein Eindringling. Nur beinahe. Genoss dass seltene Privileg. Zurück wanderte mein Blick auf Dongard der mich zwischenzeitlich studierte. Begleitet mit einem warmen Lächeln fasste er nach meiner kalten Hand. „Es wird schon wieder. Derek wird zur Verantwortung gezogen. Als Stellvertreter darf so was nicht passieren.“ Er wehrte meinen aufkommenden Bedenken ab, „Das geschieht bei jedem Unglück. Besonders wenn ein Leben sinnlos gefährdet wurde. Sein Urteil, beeinflusst durch die andere, ist immer noch seine einzustehende Entscheidung. Seine letzte Meinung zählt. Kann er sie nicht durchsetzten ist er hier falsch am Platz. Genauso wie er seine Stelle richtig besetzen muss,“ betonte er eindrücklich. „Verlange ich auch dasselbe von dir. Wenn du Di`jons ohne Erlaubnis entwendest lautet mein Urteil nächstes Mal eine Woche Diät, im Bunker.“ Fügte milde hinzu. „mit Kerzenlicht. Und wenn du daran denkst noch einmal in den Hungerstreik zu treten dann... mir fällt garantiert was abschreckendes ein. Das ist ein Versprechen!“

Brav nickte ich eingeschüchtert.

„Gut. Erhole dich erst einmal bis heute Abend. Danach lass ich dich wissen wie es weiter geht.“ Leise verlies er das Zimmer. Genüsslich kuschelte ich mich unter die Bettdecken.

Klirrendes Geschirr begleitete Dereks eintreten. Legte ein Tablett mit einer Portion Apfelkuchen neben das Bett. Unentschlossen schaute er mich an. Verwundert das er nicht seinem Chef hinterher folgte sah ich fragend zu ihm hoch. Normal entfernte sich jeder ausser meine zwei Freundinnen von meiner Gesellschaft so schnell wie möglich. Mehr um ihm einen Grund zu geben zu verschwinden fragte ich spielerisch abweisend. „Ich hoffe du hast nicht Hunger. Diese kleine Portion reicht gerade für die Vorspeise.“

Kurzes Auflachen folgte. Ziemliche Erleichterung darin spürbar. „Du bist wieder wie vorher. Eine kleine Portion weil sich dein Magen erst wieder an diese deftige Essen gewöhnen muss. Beim Abendessen kannst du wieder voll zulangen. Bis dahin... Dongard hat es empfohlen hinsichtlich deiner strapazierten Gesundheit.

Es tut mir leid was passiert ist. Doch ich verspreche das ich ab heute auf dich aufpasse.“

Die köstliche, gezuckerte Wähe stoppte vor meine offenen Mund. „Bitte,“ entsetzt sah ich hoch. „Bist du jetzt wahnsinnig! Hör mal ich bin es gewohnt ein Aussenseiter zu sein. Mag es auch seine Nachteile mit sich bringen. Ich kenne gar nichts anderes. Auf keinen Fall möchte ich das jemand wie du, in deiner Position, sich auf meine Seite stellt. Damit verursachst du nur weiter Unstimmigkeiten im Lager. Die Verwirrungen welche Dongard auslöst, weil er mich speziell behandelt, reichen schon. Zwei, das würde kaum einer Verstehen.“

Grübelnd überdachte Derek die aussergewöhnliche Bitte. „Darf ich heimlich ein Auge auf die werfen? Dagegen hast du bestimmt nichts?“

„Solange es niemand bemerkt, kein Problem.“ Lehnte mich träge vor. Winkte ihn näher. Flüsterte. „Nur so neben bei. Bei wem muss ich mich am meisten bedanken für die verlängerte Einteilung im Bunker.“

Betreten überlegte er lange. Haderte mit sich selber ob er so ein Geständnis riskieren durfte. „Du wirst dich doch nicht rächen?“ begann er vorsichtig.

„ach nee.“ Winkte ich lässig ab. „Du kennst mich doch. Ein paar harmlose Streiche genügen.“ Klimperte unschuldig mit meine Augenwimpern. Derek grinste schelmisch. „Vielleicht solltest du mal Monat einen Strauss Blumen schenken und ihn fragen was er genau gegen dich hat. Reicht das.“ Begab sich zur Tür.

Sittsam faltete ich meine Hände zusammen. „Das leben ist schön,“ seufzte ich. „Ich passe auf das es nicht in deiner Schicht passiert,“ rief ich ihm nach. Erschrocken wandte er sich herum. Gefasst winkte er drohend mit dem Zeigefinger. „Das will ich hoffen,“ verbesserte sich. „Wäre mir sehr nett.“

Erdrückend die Stille, das Alleinsein. Eingesperrt in vier Wände, schwerer massiver Stein. Kalter Schauder flossen über meine Rücken. Unwohl wälzte ich mich abwechselnd zur Seite. Nervös mass ich den Abstand zu der geschliffenen Decke. Entdeckteich da nicht einen Spalt. Nervös schlug mein Herz einen Takt schneller, meine Hände begannen unkontrolliert zu zittern. Allmählich, ungehindert spürte ich wachsende Panik.

Schliesslich hielt ich es trotz den bequemen, warmen Decken für unerträglich hier auszuharren. Sprang aus von der gepolsterten Unterlage hinunter. Strafend knickte ich ungewollt auf den Boden hinunter. Sterne flimmerten vor meinen Augen. Verfl...

Entschlossen stemmte ich mich halb blind hoch. Schweiss drang aus meinen Poren. Raus, Schrie eine innere Stimme. Taumelnd erreichte ich die Türe. Alles was ich trug war ein weites, beiges Hemd. Im Türrahmen konzentrierte ich mich, schärfte all meine Sinne. Biss auf die Zähne, streckte den Rücken. Siegessicher trat ich unsicher in den halbdunklen Gang. Hinter mir flackerte eine Kerze im Gang. Bitte ja nicht ablöschen sonst fing ich an zu heulen. Lange wartet ich schwer atmend bis ich mich einigermassen in Griff bekam. Lästige Schwäche verdrängte, hielt mich aufrecht. Erlaubte mir gelegentlich mit einer Hand an der Wand Halt zu finden. Trotz der niederschmetternder Angst kehrte ich in mein Zimmer zurück. Atemnot verschlimmerte sich in diesen wenigen, winzigen Quartier. Eilig packte ich eine meiner Decken, zog meine weiten Trainerhosen an, nahm ein paar getrocknete Früchte in meine Taschen. Mir kam es vor als rückte mir mein Tod näher. Wollte nur weg, mich in Sicherheit bringen. Hastig stürmte ich zurück, den Gang entlang, soweit meine schwindende Kraft es zulies. Vorbei an dem Vorhang zur Stube. Es duftete verlockend nach würziger Tomatensauce. Ich wollte nur frei sein. Erleichtert stürzte ich in den kühleren, angenehmen Abend hinaus. Erste grössere Sterne eroberte mit ihrem Funkeln das Himmelszelt. Natürlicher, schwerer Duft des Sommers strömte in meine Nase. Hüllte mich ein. Erlöst, dankbar blickte ich zum Himmel hoch. Das war süsses, pures Leben.

Oben in den aufgewärmten Steinblöcken suchte ich nach einem idealen Windschutz , der mich nicht einengte und trotzdem meine Wärme etwas zurückhielt. Unter einem dieser stabilen Quaderdächer legte ich mich auf die gepolsterte Decke. Beobachtet zu einem die verlängerten Schatten und die Vermehrung der Sterne. Unendliche Weite. Genoss die frische, aromatische Luft. Geschwängert von unzähligen Blütenstaub und trockenen herben Grasduft. Geistesabwesend vernahm ich Stiefelsohlen. Keine Frage, Dongard. Innert Sekunden setzte er sich neben mich hin. Den Rücken halb zugewandt, die Beine baumelten über den Rand, des Goldklotzes, hinunter.

Sachte begann er, „Du weist das du nicht ewig hier schlafen kannst.“

„Wie deutlich soll ich das auffassen?“

„Bald kommt der Herbst und mit ihm die Stürme. Da kann gefährlich werden. Du musst zurück in die Höhle. Gewöhne dich langsam daran. Morgen jedenfalls erwarte ich das zu zum Frühstück erscheinst. Du wirst keinen finden, der dir was bringt. Meine Vorwarnung ist bereits losgeschickt.“

„Ich will nur meine Freiheit geniessen. Wie kommst du darauf das ich Schwierigkeiten mit der Höhle habe?“

Er drehte den Kopf auf meine Seite. „Weil ich die Symptome von Platzangst kenne. Glaubst du ich lasse dich unbeobachtet nach dem Kampf heute Morgen? Sobald ich deine gesteigerte Aktivität auffing, folgte ich dir.“

Unbegreiflich sah ich in an. Niemals bemerkte ich ihn hinter mir?

„Melfensache,“ sagte er wie selbstverständlich. Als sei es die natürlichste Sache der Welt einem mit den blossen Gedanken zu kontrollieren.

„Aha,“ entfloh es mir. „Das erklärt erklärt natürlich alles, aber man versteht es trotzdem nicht.“

Darauf lachte er gelöst. „Wenigstens ist dein Verstand wohlauf. Morgen sehe ich persönlich vorbei. Verpass mir das Frühstück nicht. Gute Nacht!“

Glücklich sollte ich sein das jetzt Ruhe und Frieden um meinen Platz eintrat. Zirpende Grillen stimmten mein Nachtlied an. Obwohl mich die Höhle einenge, vermisste ich die vertrauliche Nähe der Nachbarn. Hier oben war ich allein. Einzig ein Gefühl vermittelte mir Stärke. Für die einen blieb es unheimlich, mir machte das Wissen das ein Melf diesen Ort bewachte keine Sorgen. Dongard Gabe die mich unbemerkt verfolgte gab mir Sicherheit. Ruhe und Schlaf.

 

Spendete Schlaf, raubte ihn wieder. Gerade träumte ich erholsam, wie immer von Sehnsüchten mit meinem verflossenen Freund, das schüttelte mich schon eine störende Hand an meiner Schulter. Zuerst nahm ich an, das es nur im Traum geschah. Hauch einer Stimme drang in meine Gedanken. Rief, lockte. Mürrisch brummte ich. „Dongard, verschwinde, Bitte!“

„Guten Morgen,“ säuselte er lieb. „Ich dachte ich begleite dich lieber in die Höhle, bevor die anderen dich sehen. Dann ist es leichter. Auf mit dir! In ca. fünf Minuten beginnt die Tagwacht. Oder soll ich dich tragen.“ Hilfreich griff er mir bereit unter die Arme. Erschrocken fuhr ich hoch. „Lass mir Zeit,“ jammerte ich. Auf einmal knurrte mein Magen. Hunger drängte mich zu eile. Ungeschickt stellte ich mich auf die Füsse. Dongard bückte sich. Hob mir die Decke über die Schultern. Bewundernd bemerkte ich das er korrekt in seiner Uniform vor mir stand. „Wie machst du das bloss.“ Schüttelte ich unbegreifend den Kopf.

„Was meinst du?“

„Sieh dich nur an. Es ist vor dem Morgenappell und du siehst schon perfekt aus! Hast du heute irgend etwas bestimmtes vor?“

„wenn du was willst, für dich habe ich Zeit,“ schmeichelte er.

Säuerlich lächelte ich. „Das habe ich bestimmt nicht gemeint.“

„Schade.“

Seitlich schielte ich hoch. Unbeachtend schaute er geradeaus. Wenige Schritte trennten uns vor der Höhle. Unbemerkt verlangsamte ich meine Schritte. Ohne Kommentar passte sich mein Chef an. Der erste Schritt und ein paar folgende, bewältigte ich Problemlos. Mit zunehmender Dunkelheit verkleinerte sich der Gang vor meine Augen. Aufgeregt schlug mein Puls höher. Neben mir der Frühstücksraum. Gespannt verharrte ich auf der Stelle. Probierte dieses innere unbeliebte Gefühl zu vertreiben. Diesen ansteigenden Druck, die Atemnot, feuchte Hände, schlichte wirkungsvolle Angst. Gerade jagte mir ein kalter Schauer über den Arm. Es drängte mich rückwärts, da spürte ich eine sachte Hand in meinem Rücken. Schweigend sah mich Dongard seitlich an. Wirkte überlegen. Eben dieser Hochmut wirkte herausfordern. Er, der über allem stehende Lagerchef, der die kleinsten Hinweisen zu Deuten wusste. Es ärgerte mich einfach das er mir, meistens, einen Schritt voraus war. In seiner stützenden Hand lag Zuversicht und Nachgiebigkeit. Überlies mir die letzte Wahl. Gegen meine Angst antretend betrat ich den leeren Saal. In dem Moment heulte der Morgenappell. Ich zuckte zwar gehörig zusammen, suchte mir aber tapfer einen Sitzplatz aus. Erst jetzt zog Dongard seine Hand weg. „Bleib schön hier während die anderen antreten. Geniese die Stille und sieht aus dem Fenster. So nah ist die Freiheit. Greifbar, sichtbar. Also keinen Grund für weitere Angstattacken. Wir sind bald vollzählig da.“ Gemütlich schlenderte er davon. Sobald seine Gestalt hinter dem Vorhang verschwand, bedrückte mich die Einsamkeit. Draussen im Gang rannten die Leute los um pünktlich zu sein. Ich lauschte ihren Stiefeln. Besorgte Stimmen. Unbeschwertes Lachen über einen Scherz. Mir fiel es schwer plötzlich ein Aussenseiter zu sein. Wollte mit ihnen in der Gruppe ziehen. Aber ich brachte meine Beine nicht zum aufstehen. Verärgert hieb ich eine Faust auf die harte Tischplatte. Das Gedeck, die Tassen, bebten.

Diese letzte Strafe haftete in mir schlimmer als ein Brandmal. Verloren kauerte ich da mit einer Decke um die Schultern. Draussen vernahm man deutlich Dongard erhobene Stimme. Eine tägliche, unveränderte Gewohnheit die mich tröstete. Legte den Kopf in meine Hände. In mir, in mir lag die Stärke. Verbissen suchte ich nach ihr. Eine andere Hand tastete über die narbige Oberfläche in der Tischplatte. Da von einem ausgerutschten Messer ein Schnitzer weg. Ein geritzter Buchstabe, eine Verzierung. Obwohl Dongard die Platte einmal im Monat schleifen liess, begannen die Spuren sich laufend zu vermehren. Diese Details liebte ich im Lager.

So abgelenkt bemerkte ich erst die eintrudelnden Mitglieder als sie sich auf den Bänken verteilte. Neugierig platzierte sich Ascha direkt neben mich um an der liefernden Quelle zu sitzen. Anscheinend lies mein bleiches Gesicht ihre vorliegenden Fragen verstummen. Plapperte unbeschwert was unwichtiges. Nur mit eine Ohr hörte ich hin. Mit dem füllen des Raumes, drang erneut Platzangst hoch. Bis jetzt störte mich nie das Gerangel auf den Bänken, also presste ich in mein Gedanken, das sollte gefälligst so bleiben! Worin lag meine Angst? Eingesperrt zu sein? Jederzeit konnte ich rausgehen. Dann musste ich aber mit einem hungrigen Tag rechnen. Blieb ich hier, verdrängte meine Furcht fast den Hunger. Langsam verzerrte ich lustlos eine Brotscheibe. Sobald Dongard wegsah packte ich heimlich drei weitere Scheiben unter meine Decke. Draussen würde ich froh sein.

Erleichtert vernahm ich Dongard aufstehen. Beendung des Frühstückes. Was sollte ich heute tun? Während die andern sich an ihre Aufgaben machten, trat Dongard an meine Seite. „Du kannst heute mit Kastan die Drachenherde hüten. Bleib in Sichtweite des Lagers. Das ist ein Befehl!“

Ohne weitere Erklärungen verschwand er. Kastan brauchte zum Hüten keine weitere Unterstützung. Dieser Dienst war unlogisch. In seiner einfachen Art sogar sehr langweilig. Naserümpfend begab ich mich in mein Quartier um mich umzuziehen. Hastig, verwirrt flitzte ich in meinen persönlichen Raum umher. Hielt zwar mein Hemd in der Hand, sah jedoch nur die Wände um mich herum. Obwohl ich schnell sein wollte, brauchte ich fast doppelt so lange. Im Eiltempo preschte ich durch den Gang nach draussen das selbst N`toki ihren gereizten Gesichtsausdruck aufzusetzen vergass. Unter freiem Himmel fühlte ich mich Wohl. Gesellte mich als Schlusslicht an die Drachenkolonne. Wobei das den jungen Di`jon freute. Kastan, der Junge, wechselte kein Wort mit mir. Sein offenes Lächeln verriet mir aber das er mich akzeptierte. Dennoch wunderte ich mich über sein Schweigen. Obwohl er als echter Melf wenig redete und viel Nachdachte, erwartete ich kein so vollständiges Gelübde.

Als ich später in Schatten mich neben ihn setzte, mein leeres Brot kaute verriet er mir. „jetzt hast du genug Zeit um klar Nachzudenken. Lichte deine verdunkelten Gedanken. Ich werde dich dabei nicht stören.“

„was wenn ich mich lieber unterhalte.“

„Vergiss es. Zuerst bring dich ins Gleichgewicht zurück, dann fordere ich deinen Intellekt heraus.“

Es folgte der langweiligst Nachmittag in meinem Leben. Sobald ich mal kurz aufstand erinnerte mich der Junge unverschämt. „Bleib in Sichtweite!“

Das war ja weiterhin zum verrückt werden.

 

Zwei lange Tage. Eindrücklicher als die bisher schlimmste Strafe. Unerbittlich schickte mich Dongard wieder zu der Weidewiese. Wenigsten stellte sich ein sichtbarer Erfolg ein.

Am dritten Tag betrat ich die Höhle fast ohne überflüssigen Gefühle. Normalität kehrte ein. Dongard hielt Abstand. Bewachte mich unauffällig. Die anderen Leute bemerkten nur das ich selber mit mir was abklärte. Ihr Kommandant räumte mir fairer Weise dafür genug Zeit ein. Am dritten Abend versuchte ich bereits in der Höhle zu schlafen. Wobei ich meine Fortschritte wohl überschätzte. Unruhig erwachte ich nach Stunden. Nach Mitternacht gab ich den ewigen, sinnlosen Kampf auf. Nahm meine Decke und wollte zu den Blöcken hoch. Am Ausgang der Höhle wartete ich. Aufgeben? Nachgeben? In einer sicheren, stabilen Höhle zu übernachten war doch die einfachste Sache der Welt, sollte man meinen. Ich wollte das meine Verstand diese Regel wieder begriff. Wartete an den kühlen inneren Höhlenwand gelehnt bis die Müdigkeit zurück kehrte. Hinter mir ein gedämpftes Geräusch. So leise wie eine huschende Maus. Es verwunderte mich nicht als Dongards Profil, im schwachen Mondlicht, neben mir auftauchte. „Safina, du bist nicht die erste die damit Probleme hat. Aber die erste wo sie so schnell wieder bewältigt. Einmal musste ich eine Schülerin sogar nach Hause schicken, nachdem sie kaum einen ganzen Tag im Bunker verbrachte. Es sind wenige Ausnahmen welche diese Strafe nicht verkraften. Drei Tage im Dunkeln hat bisher niemand erdulden müssen. Das ist eine völlig andere Dimension und ich hoffe das sie so etwas nie mehr passiert,“ bewegst verstummte er. Aufatmend strich ich ihm über den Arm. „Schon gut, vergiss es.“

„Eben nicht!

Willst du schlafen?“ Fragt er gefühlsvoll.

„lass mir einen Moment, dann geht es schon wieder,“ bat ich.

„morgen, nimm dir Frei. Verschwinde aus dem Lager. Aber wehe du entführst mir Di`jon. Versprich mir das du ihn da lässt.“

„Danke,“ freute mich auf den freien Tag. „ich lass ihn da, keine Sorge.“

„Gut, dann komm. Oder willst du morgen den ganzen Tag müde sein?“ Er drehte sich halb um und wartete. Unentschlossen sah ich ihn an. Wie er dastand mit nur einem weitem Hemd. Schade das es über seinen knackigen Hintern reichte. Himmel, wohin entflohen meine Gedanken. Auf keinen Fall folgte ich ihm in sein Schlafzimmer. Selbst wenn er Abstand einräumte.

„Gute Nacht,“ sagte ich einfach. Lautlos spazierte ich auf mein Zimmer zu. Im Dunkeln taste ich nach meiner Tür. Schob sie zu. Mit gemischten Gefühlen setzte ich mich auf die Bettkante. Breitete meine Decke aus und schlüpfte darunter. Auf einmal bemerkte ich das sich das schwere Tuch bewegte. Erschrocken fuhr ich hoch. „Gut Nacht,“ sagte Dongard schlicht als er sich in schmale Bett legte.

Durcheinander wusste ich nicht wie reagieren. Feines Singen schlich sich in mein Gehirn. Eroberte, übernahm die Kontrolle. Dongard schnappte mich, zog mich näher in die Mitte. „Schlaf. Ich brauche dich übermorgen erholt, also entspann dich.“

 

Bemüht jedes Geräusch zu vermeiden rutschte Dongard leise aus dem Bett. Gewohnt zur selben Zeit aufzustehen, drängte es ihn nach draussen. Kaum wähnte er sich an der Bettkante sicher, drehte sich Safina herum. Ihr Hand steifte seine Oberschenkel. „gehst du schon,“ murmelte sie im Schlaf. Dongard überlegte ob er es sich leisten konnte. Kam zu dem erfreuten entschluss. „ein Wort von dir und ich bleibe.“ Flüsterte er tonlos. Statt ihn zu bitten, schnappte sich Safina den Rand der Unterwäsche. Staunend hielt Dongard still. „Weist du wer ich bin?“ Zündete die Kerze oberhalb des Bettes an. Träge blinzelte Safina. Stellte fest was ihre Hand festhielt und von wem. Hastig schnellten die leeren Finger zurück. Mit einem Lächeln- hab ich’s doch gewusst, auf den Lippen, wandte sich der Anführer zu Tür. Safina hauchte. „Ich verstehe das einfach nicht. Mit deinem Aussehen... ausgerechnet mich willst du?“

Er lehnte sich an die feste Seite der halboffenen Türe. Strich sich durch die zerzausten, ungekämmten Haare. „Mit meinem Aussehen allein kann ich keine Beziehung auf die Dauer halten. Bei meinem Charakter.“ Auf das Geständnis bekam ich runde Augen. Dongard schüttelte neckisch den Kopf. „ha, ich kann dir genau ansehen was du denkst. Und ja, ich weiss das ich manchmal... schwierig oder besser ausgedrückt streng sein kann. Alles andere als leicht. Du zeigst keine Furcht egal wie ich mein Urteil fälle. Deine Verteidigung ist exzellent. Ausserdem hängst du nicht so an mir, dadurch wird das ganze spannend.“

„ach, ja. Was passiert wenn ich mich an dich ranmache? Wenn ich dir nachgebe, suchst du dir dann wieder anderswo einen reizvolle Bekanntschaft?“ es tat mir jetzt schon weh. Weniger weil ich ihn so gerne mochte sondern weil seine spielerische Aufmerksamkeit, vom Abschied Maximilians ablenkte. Es würde mir was fehlen.

„nein,“ kam es sofort ernst. „wir Melfen sind bekannt dafür bis ans Ende treu zu sein.“

„Das soll ich dir glauben? Du bist nur ein Halbelf.“ Hegte ich starke Zweifel. Allein das Dongard öfters mal eine Nacht in anderen Betten verbrachte, verdeutlichte seine Schwäche.

Eisen sprach Dongard zuversichtlich dagegen. „Du wirst dich eh nicht ändern.“

„Ach ja,“ säuselte ganz lieb. „Guten Morgen Liebling. Willst du nicht noch eine Weile hier bleiben.“ Klopfte einladend auf den Platz neben mir.

Es krachte fast das Bett zusammen als er mit einem schwungvollen Satz, Körpergewicht neben mir landete. Das ganze in der Geschwindigkeit, kürzer als ein Sekunde. Mir stockte der Atem.

„hallo, mein Schatz,“ flötete er genauso übertrieben süss. „Geniessen wir die kommenden Jahre zusammen?“ Sein Gesicht dicht vor mir. Eine Hand spielte mit einer rötlichen Haarsträhne. Die andere...schlich sich unter dem Hemd auf meinen Busen zu.

„Ahh, Schande,“ protestierte ich. Krallte mir das Kissen und schleuderte es ihm mehrfach an. „was sind das für aufdringlichen Manieren. Unverschämt mich gleich so brutal zu überfallen. Konzentrier dich gefälligst auf deine anstehende Arbeit. Ich bin diejenige die Frei hat!“

Lachend flüchtete er zu Tür, verfolgt von einem fliegenden Kissen. Geschickt fing er dessen Flug im Gang ab. Beschützte so einen unschuldigen, verträumten Morgengänger.

Verwundert schaute der ältere Ktug wie sein bekanntlich zurückhaltender Vorgesetzter, ausgelassen fröhlich aus Safinas Zimmer flüchtete. Es freute ihn Dongard endlich mal so offen zu sehen. Dieser warf das entflohene Kissen im selben Tempo zurück und schloss rasch die Tür hinter sich. „Guten Morgen, Ktug,“ grüsste er begeistert.

Behutsam fing Ktug an. „Schön das du eine Eroberung mehr hast. Ich verstehe auch das du besonders Safina auf deine Seite ziehen willst...“

„höre ich da irgendwelche Zweifel?“ Dongard behielt seine gute Laune.

Zögernd öffnete Ktug seine Bedenken. „Bei allem Respekt, wäre es nicht klüger sich mal eine Melfenfrau zu suchen. Damit es nach einer Vereinigung weiterhin klappt mit der Freundschaft.“ So ehrlich wagte Ktug, mit seinem Kollegen, zu sprechen weil er fast zehn Jahre älter zählte. Erinnerte sich an die Kummervollen Tage als sich Dongard zurückzog, nachdem er N´tokis Veränderung feststellte. Gönnte seinem Kommandanten eine feste Beziehung. Wünschte ihm eine geeignete sichere Partie. Safina entsprach da eher einem flüchtigen Abendteuer. Um so mehr überraschte ihn sein Kollege, der ihm eine Hand auf die Schulter legte. Verschwörerisch raunte, „mein lieber Ktug. Das mit der Vereinigung haben Safina und ich längst hinter uns.“ Freute sich den langen Gesichtsausdruck seines Freundes zu verfolgen.

Ktug platzte entsetzt heraus. „Und sie behandelt dich weiterhin so?“ überstieg es all seine sonst zuverlässigen Erfahrungswerte. Behaglich nickte Dongard selbstzufrieden.

Ktug blinzelte, „das ist doch nicht normal...?“

Dongard hielt einen Zeigefinger an die Lippen. Deutete Ktug an zu schweigen, denn hinter ihm kam der erste Küchengehilfe heran. Versicherte seinem langjährigen Begleiter. „im Gegenteil. Völlig normal. Genauso soll es sein.

Sei heute vorsichtig mit den scharfen Messer in der Küche,“ riet er ihm scherzend nach, auf dem Weg in sein Quartier.

Ausgiebig gähnte der Küchengeselle. „Was ist den los?“

„nichts,“ kam es gegenwärtig Ktug. „es ist alles so wie es ein sollte und doch wie es nie zuvor je war.“ „hä?“

Mehr als ein paar unbegreifende Augen sahen Dongard nach.

 

Ungewissheit wollte Klärung. Zu lange schleppte ich diese unsichern Zweifel mit mir rum. Wenn nicht jetzt, schleppte ich es noch Jahre mit mir herum. Dabei verlor ich kostbare Zeit. Einen Tag frei und gezwungen das Lager zu verlassen. Das ideale Argument einer überfällige Sache nach zugehen. Für den langen Weg brauchte ich ein schnelles Transportmittel. Da ich versprach meine Finger von Di`jon zu lassen, wanderte mein Blick begehrt über die weissen Dulierücken. Am liebsten hätte ich Paya entwendet, aber ich hing an meinem Leben. Gewisse Sachen verzeiht Dongard nicht, und ich fürchtete mich genauso wie die anderen vor seinem berechtigen Zorn.

Samuni, Payas Halbruder schien mir eh von sanfterem Gemüt. Ich brauchte Ausdauer, keine kriegerische Auseinandersetzung gegen die Führung. Sobald ich ihn beobachtete durch die Gitter der Box, spitzte er die Ohren. Kein Scharren, keinerlei Anzeichen von Bösartigkeit. Schien mir perfekt. Lies sich leicht satteln, zäumen und nach draussen führen. Genial seine Ruhe um ihn an den Wächtern unbemerkt vorbei zu loten. Mit wenig Proviant für einen ganzen Tag und einer flauschigen kurzen Decke ausgerüstet startete ich. Die gepolsterte Decke als Schonung für meine Hintern. Die Suche nach Maximilian begann!

 

Bewusstsein, Nähe, ein Gefühl als ob man ein warmes, sicheres Zuhause betrat. Zutreffendes Wissen des anderen Dasein. Das Leben seines Lebenspartner.

Es umgab mich wie eine Melodie. Betörend, zog wie ein elastisches Band an seinen Ursprung zurück. Dieser unsichtbaren Spur folgend, klopfte ich ein weiteres mal energisch auf den Dulierumpf hinunter. Unnachgiebig gegen alle Vernunft. Diesmal hörte ich nur auf meinen inneren Instinkt. Wollte gelieferte Resultat sehen auf die ich mich verlassen konnte. Beweise, das mein Verstand funktionierte.

Diesmal hörte ich nicht auf die anderen. Obwohl der schwierige Weg in den Sumpf hinein führte. Weiter, tiefer hinein. Kein Ende in Sicht. Je länger ich mich in die abstossende, modrige Welt hinein begab umso schlimmer nahm die Plage mit den blutgierigen Insekten zu. Erinnerte mich an den Weg der vor Jahren hinaus führte. Fand den alten Pfad. Danach folgte ich Abschätzungsweise der geraden Richtung. Einzig um die seichte Stelle wo die eisernen Fussfallen lagen, zog ich einen Umweg. Anfangs befürchtete ich mein Dulie schliefe in zotteligen Trab ein. Alles andere als schlau, lief er bei einer Gabelung des Weges mitten ins Feld dazwischen hinein, wenn ich keine klare Anweisungen gab. Besonders schnell trabte er auch nicht gerade, dafür brauchte er erst nach einer Stunde eine kurze Graspause. Während ich wieder anritt, kaute er die nächsten Minuten weiter an seinem letzten Bissen herum. Jedenfalls kannte ich keinen wiederkäuenden Dulie ausser meinem seltenen Exemplar. Lenkte ich nah an Büschen vorbei, schnappte er sich seine Futterration während dem Traben. Genauso träge wie er seine Beine hob, so einfach steuerte er in den Sumpf hinein. Erst als der zähe Schlamm seine Knie erreichte, begriff er langsam das Dulies eigentlich eine angeborene Wasserscheu besassen. Weigerte sich fünf Minuten strikt den nächsten Schritt vorwärts zu setzten. Bis meine Hartnäckigkeit über seine Siegte. Danach zeigte er zum ersten Mal ein unfreundliches, gereiztes Gesicht. Stampfte, was Dreck bis zu mir hoch schleuderte. Kitzelte ihn dafür warnend mit den Fersen. Schnell stellten sich die Ohren wieder auf. Relativ friedlich reiste wir die letzten Stunde durch den schwülen Sumpf. Bereits später Nachmittag. Ausser dem stetigen Gefühl näherndem Glücks, verstärkte sich auch der nervöse Druck. Kalter Schweiss drang aus meinen Poren. Dreck verklebte, aufgeweichte Hände rieb ich vergeben an meinen feuchten grauen Hosen ab. Hoffentlich verirrte ich mich nicht oder verfehlte mein Ziel um wenige Kilometer. Nur in einem war ich mir Sicher; ich lief nicht ihm Kreis. Als ich kaum mehr zu Hoffen roch einen verdünnten Hauch von Rauch. Mit neuen Eifer folgte ich diesem Geruch bis ich die verborgene Hütte entdeckte. Getarnt auf der Rückseite mit Sträuchern. Diese Vorrichtung war neu, also wohnte jemand zwischenzeitlich hier.

Vor Aufregung zitterten meine Hände. Absteigen wagte ich mit meinem mulmigen Gefühl nicht. Vergass für einen Moment zu atmen. Gespannt starrte ich auf das renovierte Häuschen. Frisch verputzte Wände gaben mir neue Hoffnung. Vielleicht wollte mich Maxim eines Tages mit einem schönen Haus überraschen. Diesen Gedanken verwarf ich schnell. Trotzdem jemand war hier und ich wusste genau wer. Deutlich spürte ich seine Anwesenheit. „Maxim,“ hauchte ich mit feuchten Augen. Unfähig mich im Sattel zu bewegen. Wollte die mögliche Illusion nicht zerstören. Wünschte es mir so sehr dass sich die Realität manipulierte? Nein, eine Bewegung hinter den Scheiben, der Küchen, bestätigte all meine Angaben. Es stimmte. Ich hatte Recht mit meinem Wissen.

Vor Freude zitterte mein Kiefer. Wischte mir eine warme Träne, der Erleichterung, von den Wangen. Schalt mich einen Esel das ich nicht schon früher den Weg hierher fand. Ich war ein absoluten Dummkopf, den Schmerz der langen, sinnlosen Trennung einfach zu akzeptieren. Den Vermutungen der anderen nachzugeben.

Langsam trieb ich den Dulie auf die vordere, verbreiterte Veranda zu. Halb lachend, halb weinend glitt ich aus dem Sattel. Ungeschickt, gehemmt von der langen Unbeweglichkeit des Reitens. Ein paar Meter trennten mich vor der Tür. Zum ersten Mal achtete ich auf das leise unbehangen in meinem Hinterkopf. Wenn er mich nicht willkommen hiess? War es nicht besser Maxim so in Erinnerung zu halten wie er es sich wünschte? Wieder nannte ich mich einen Narren. Suchte zuerst all meine Mut zusammen. Unterdessen stiess mich der Dulie unruhig an. Wollte unbedingt seinen juckenden, schwitzenden Kopf an meinem Rücken kratzten.

Jemand öffnete die Tür. Erinnerte mich deutlich an die empfindlichen, feinen Ohren meines Freundes. Mein Dulie verursachte Geräusche.

Mein Herz jubelte vor Freude. Das Bild verschwamm vor meinen Augen. Still, bewegungslos stand ich da. Unfähig zu rühren.

Mit nur einer langen, weiten Hose bekleidet, die Erfüllung meiner Träume, all meiner Wünsche, Sehnsucht, blieb er selbst geschockt auf der Veranda stehen. Barfuss. Kräftiger , trainierter Oberkörper. Braune, sanfte, traurige Augen, Maximilian.

„Safina,“ ein gefühlvolles Wispern. Prüfend ward er rasch einen Blick zurück ins Haus. Schloss die Türe hinter sich. Erkenntnis flutete mich das er nicht alleine war, mein nächster Schock. Meine Tränen versiegten. Gefasst zog ich Samuni an Haus heran, vor meinem lang ersehnten Ziel.

Umarmen wollte ich Maximilian. Ihn fest an mich drücke, doch er wich meinem Blick aus. Zu meinem Entsetzen wich er eine Schritt zurück auf die Schwelle.

„Safina,“ sagte er heiser. Es viel ihm unsagbar schwer mit der Entscheidung. „Bitte nicht! Es ist lange her. Viel Zeit vergangen. Ich freue mich dich wohlauf zu sehen...“

„Aber du willst nicht das ich dich anfasse. Warum?“

Treuherzige Hundeaugen, unwiderstehlich in ihrer Bitte um Nachsicht. „Um der alten Zeiten willen. Nie habe ich dich vergessen. Es zwar versucht, aber versagt. Du hast einen unerreichbaren Ehrenplatz in meinen Gedanken eingenommen. Vielleicht... Komm hinein. Du hast eine anstrengende Reise hinter dir. Es wird kühler am Abend und ich will nicht dass du dich erkältest.“

Zuerst band ich den Dulie an den Büschen an, dann folgte ich seinen Angebot. Legte meine verkrusteten Stiefel vor der Türe ab. Trat in die mit Feuer geheizte Stube die zugleich als Küche diente. Angenehm duftete es erfrischend nach Kräuter und herben Essen. Nach dem ersten Schritten kamen mir all die liebgewonnenen Erinnerungen hoch. Zur Rechten der Herd, in der Mitte des Zimmers der robuste Tisch mit den Wurzelstühlen. Zeitgemässes Öllicht beleuchtete diesen Raum , den zur linken ein gewobener Vorhang zum nächsten Zimmer trennte. Neu war auch der viel saubere, gepflegte Fussboden. Sogar ein geknüpfter Teppich schützte vor den absplitternden Holzfasern. Beeindruckt sagte ich. „Es sieht gut aus. Du siehst gut aus. Wirklich ein paar praktische Veränderungen hast du eingeführt;“ meinte ich aufrichtig. Meine Hungrigen Augen blieben an seinem freien, weissen Oberkörper hängen. Starke Schultern, kräftige Arme die mich mit Leichtigkeit hoch hoben. Obwohl ich bei unserem ersten Treffen, schon meine sechzig Kilo wog. Nun bewunderte ich seinen geschmeidigen, perfekten Körper wie damals.

Über das Kompliment dankte er mit seinen Augen. „Darf ich es zurückgeben. Du hast wessentlich mehr verbessert. Schlanker, längere Haare. Hast du Dongard verlassen?“ Es klang vorwurfvoll.

Abgelenkt schüttelte ich den Kopf. Stoff raschelte in abgetrennten Schlafzimmer.

Unerträglich nahm es mich wunder, „Besuch?“ Fragte ich gleich direkt. Ausweichend schob er einen schweren Hocker näher zum Tisch. Bat mich hinzusetzten. „Safina, warum bist du gekommen?“

Es tat weh das ihm darauf keine Antwort einfiel, von ihm der mich auswendig kennen sollte. Leicht bitter sah ich ihn an. „weil mir Ungewissheit keine Ruhe lässt. Glaubst du wirklich ich glaube an das Märchen das du Tod bist, wenn ich doch genau fühle das du lebst? Wieso hast DU mir das angetan? Fehlt es dir an Vertrauen? Ich dachte wir kennen uns, sind... eins.“

Betroffen nickte er , senkte den Kopf. Wie gerne berührte ich seine weichen flauschigen Ohren. „Maxim,“ entwich es mir voller Sehnsucht, Verlangen ihn zu berühren.

Trennend fuhr eine fremde, weibliche Stimme eisig dazwischen, „Nein!“

Wie vom Blitz getroffen zuckte ich zusammen. Erst recht als ich die spitzenbesetzte rosa Unterwäsche und den reizvollen BH sah. Graziös wie ein Fotomodel trat sie zielbewusst in die Küche. Musterte mich intensiv kurz, mir ihren hellblauen, schmalen Augen. Flachsblonde gerade Haare. Elegant tänzelte sie an den Herd. Strich nahe, betont an Maximilian vorbei um kurz eine Pfanne vom Herd zu schieben. Wie selbstverständlich stellte sie sich neben ihren Geliebten. Ein entzückender Schmollmund folgte über die unliebsame Störung. Zärtlich streichelte sie mit einem Finger über eine hervorstehende Ader an seinem Hals entlang.

In dem Moment spürte ich ungeahnte Wut in mir. Gerne wäre ich aufgesprungen, diesem mir weit unterlegenen Frauenzimmer an die Kehle gesprungen und bis zu ihrem Tod zugedrückt. Oder mit der geladenen Faust ihr schönes Mädchengesicht zertrümmert. Ein Wink von Maximilian genügte und mit Vergnügen hätte ich sie ohne Bedenken umgebracht. Das rief staunen in mir hoch, Angst vor mir selber. Vielleicht hielt ich mich deshalb brav passiv? Oder war es weil Maximilian ihren Besitzanspruch akzeptierte. Er genoss ihre Zärtlichkeit doch rührte keinen Finger. Besser, so behielt ich die Kontrolle über meine Wut.

Sollte ich aufstehen und den Raum verlassen bevor etwas unverzeihliches Geschah? Nein! Befahl ich mir. Zu viele Fragen waren offen. Maximilian schenkte mir zu viele Schlaflose Nächte. Weitere tat ich mir nicht an.

„Seit ihr schon lange zusammen,“ sagte ich mit belegter Stimme. Fürchtete mich vor der Antwort.

Sie kam von Maximilian. „Nach dem vergangenen Jahr habe ich einen Monat gewartet. Falls der Kommandant unfähig gewesen wäre dich zu überwachen. Nachdem ich sah wie du dich im Lage einfügtest, habe ich sie später kennen gelernt. Die Tage hier sind einsa..“ „Einfügte,“ fuhr ich unstimmig dazwischen. „In der ersten Woche war ich todunglücklich! Unerträgliche Nächte quälen mich heute noch! Erdrückend die Anwesenheit von einer Fremde Gruppe die erwartet das man brav mitspielt. Erst Recht von einigen die offene Feindseligkeit. Glaubst du wirklich das hat in den ersten Monaten Spass gemacht? Was sollte ich anderes tun? Etwas die wenigen die sich um mich kümmerten betrügen um nach dir zu suchen? DU wusstes genau wo ich war! Warum hast du dich versteckt?“

Mit funkelnden Augen verfolgte das billige Flittchen diese persönlichen Anschuldigungen. Dagegen blieb Maxim völlig gelassen. Tätschelte beruhigen ihre weichen Hände, was ihre grossen Augen milde stimmte. Hätte er geahnt wie sehr es in mir brodelte, hätte er mehr als nur meine Hand getätschelt. Faserdünne Schicht trennte das Seil vor dem zerreissen, welche mich zurückhielt schändliches Unheil anzurichten. Wirklich in dem Moment wünschte ich mir Dongard an meine Seite, damit er verhinderte dass ich durchdrehte. Grrrr! Einen Schritt näher mit deinen zierlichen Füssen, und mein Killerinstinkt erwachte.

Maximilian schien, bei all vergangener Freundschaft, meine Feindseligkeit aufzufangen. Schickte das Püppchen an den Herz zurück um das Essen vorzubereiten.

„Safina,“ begann er nach einem einfachen Entschuldigung zu suchen. „Ein Jahr ist lange Zeit um Nachzudenken. Ein Teil von mir wird dich immer lieben. Zu tief sitzt unser verbindendes Band, aber,“ deutete mit der Hand einen Abschnitt an, „Sosehr ich dich liebe, sosehr weiss ich das ich nicht der Richtige für die Ewigkeit bin.“ „Überlass doch diese Entscheidung mir,“ forderte ich.

„Nein, Es ist auch mein Leben und ich weiss wie meine Zukunft aussieht. Unsicher! Ewig bleibe ich nicht hier. Selbst für uns zwei wäre es auf Dauer hier unerträglich geworden. Du bist nicht für diese vollkommene Abgeschiedenheit geschaffen. Safina, du brauchst andere Menschen, wenn auch nur zwischendurch,“ räumte er meine Argument auf die Seite. „Was erst wenn du Kinder willst?

Was soll das Kopfschüttelten. Glaubst ich war blind als du mit den drei Hunden gespielt hast, sich um sie kümmerste. Es ist in dir! Du bist für ein anderes Leben vorbestimmt. Nicht auf ein ständiges Verstecken vorprogrammiert. Egal wo ich hingehe, mir bleibt nur der schützende Hintergrund. Den ich mit ein paar Ausnahmen,“ vielsagend nickt er seiner halbnackten Geliebten zu. „Versüssen kann. Du hast mir diese ausbrechenden Teil beigebracht, meine Welt vergrössert, bereichert. Dafür bin ich dir ewig Dankbar. Dafür liebt ein Teil dich zu sehr um von dir zu verlangen sich an mich zu binden. Du brauchst einen sicheren, beständigen Platz. Für eine sorgenfreie Ewigkeit.“

Seine neue Freundin legte Teller auf den Tisch. Lehnte ihr Angebot ab. Nach Essen war mir am letzten zumute.

„Maximilian. Bei Dongard führe ich kein sorgenfreies Leben. Es gibt ständig Ärger, Unstimmigkeiten...“ „kannst du dich auf ihn verlassen,“ unterbrach er mich diesmal.

„Na klar. Er ist so verlässlich wie entschieden im Durchsetzungsvermögen.“

„Siehst du, bei mir gäbe es das nicht. Egal was ich plane, es kann sich morgen schon vollkommen ändern. Du bist an einem besseren Platz.“ Etwas anderes wollte er gar nicht wahrhaben so hielt ich es für besser auch den üblen Vorfall im Bunker gar nicht erst zu erwähnen. Freudlos sah ich ihn unwillig, verstimmt an. Auf eine Art zeigte er mir seine Ansicht, die durchaus einen Kern der Wahrheit beinhaltete. Mit klarer Deutlichkeit sagte ich, „Du fehlst mir trotzdem.“

Sofort rückte seine Freundin Anspruch erhebend an seine Seite. Leget eine kleine Hand auf seine breiten Schultern. „Er gehört mir.“ Meldete sie mit entschlossener, hoher Stimme. Maxim tätschelte wieder beruhigend ihre Hand. Zum ersten Mal seit meinem Eintreffen, lächelte ich stumm vor mich hin. Eine überlegene Geste. Diese unerfahrene Kind fegte ich in einem Atemzug weg, obwohl sie bestimmt zwanzig Jahre zählte. Sie zeigte so eine Verletzlichkeit die nur eine häusliche Umgebung schützte. Lange gab ich dieser Beziehung keine Chance. Diesen letzten Satz sprach ich auch aus. „Ist sie für die Ewigkeit?“ entfloh es mir ungewollt spöttisch.

Deutlich wies mich Maxim mit den Augen zurecht. Forderte taktvoller zu sein. „Wir geniessen jeden Augenblick. Sollte es vorbeisein sehen wir weiter.“

Sarkastisch gab ich zurück. „lässt du sie auch in guten Händen zurück?“

Darauf erntete ich einen strafenden, bösen Blick. „jedenfalls kümmere ich mich darum. Es gibt andere gefühlslose Männer die ihre Frauen einfach so aus dem Haus werfen. Sogar wenn sie schwanger sind. Diese Welt ist auch nicht mehr so tolerant wie früher,“ verteidigte er sich. Sprach etwas an was ich beinahe vergass zu erwähnen. Arglos schöpfte er sich gebratene Kartoffeln in den Teller. Pickte lustlos an dem feinen gewürzten Mal während seine Freundin reichlich zulangte. Sichtlich wanderte mein Blick über ihren flachen Bauch. „was machst du mit ihr wenn sie Schwanger wird?“ Beide hielten in ihrer Bewegung inne. Schräg sah mich Maximilian an. „Was soll dies blödsinnige Bemerkung? Mit deine Eifersucht beeindruckst du Saya vergebens. Ich habe ich von Arztentscheid erzählt das ich keine Kinder kriegen kann.“ Erleichtert assen beide verstimmt weiter. Was mich beiläufig erwähnen lies. „Maxim? Ich will ja nicht unhöflich sein. Kannst du dich an meinen genauen Wortlaut erinnern als ich dir das Urteil verkündete.“

Nachdenklich, durchdringend sah ich Maximilian an. „meine Werte sind zu verschieden als das sie Kinder zeugen könnten. Punkt, Ende der Geschichte.“ „mein Interesse, Sorge gilt nur deiner Zukünftiger Nachkommenschaft. Also Maximilian, dieser Arzt hat unsere Blutproben, Gene verglichen. Was auch immer. Hast du je einen solchen Test mit ihr gemacht?“

Eine Bombe hätte keine Verheerende Auswirkung erreicht. Saya fiel die Gabel aus den Händen. Gross starrte sie mich an. „Du lügst,“ warf die mir vor. „Du willst nur Gemeinheiten verbreiten um uns zu trennen.“

Abwehrend zeigte ich meine leeren erhobenen Hände. „Maxim,“ fuhr ich an, bevor er aufbrauste. „meine drei Hunde sprechen wie gewöhnliche Menschen. Ich habe keine Ahnung wie alt sie werden. Was für eine Partnerschaft sie je eingehen können. Diese Kinder sind vermutlich aus einer Verbindung ...“ ich deutete auf ihn und Saya. Zerbrach ihre letzten Zweifel. „Es ist durchaus möglich! Ohne gemeinen Hintergedanken sage ich das. Im Interesse meiner drei Kinder zuhause. Glaubt mir bitte das.“

Beherrscht kam es von ihm. „ist es wahr? Sie reden? Zeigen sie Intelligenz?“ Er stocherte um eine Lüge zu entlarven. Mit einem Lächeln erinnerte ich mich an die Hunde zu hause. „Manchmal zu Intelligent. Erst knapp anderthalb Jahre alt und Amou zeigt schon eine Schwäche für Frauen. Am schwierigsten ist es für die drei überhaupt die Klappe zu halten. In meiner Welt dürfen sie nur zuhause mit mir sprechen. Draussen bellen sie so ungeschickt das fremde Hunde völlig verstört reagieren. Du hättest deinen Spass mit den lebhaften Kleinen.“ „Du hast sie mitgenommen, hierher?“

Ich schüttelte den Kopf. „Zuerst wollte ich Gewissheit das wir in Sicherheit wären. Wenn man uns fing, hätten diese menschlichen Kinder eine Trennung nicht verstanden. Hier ohne Halt. In meiner Welt passt meine zuverlässige Freundin auf sie auf bis ich sie hole. Sie kennt das Geheimnis.“

Geschockt schob Maximilian seinen Teller auf die Seite. Saya ass als ob sie Angst hätte sich mit jedem Bissen zu vergiften. Ihre Mundwinkel zogen sich nach unten, wie bei Ascha, war die glückliche mir einem unverminderten hübschen Gesicht gesegnet. Strahlte auf einmal geheimnisvoll. „Ich bin nicht schwanger, aber gegen einen süssen Welpen hätte ich nichts einzuwenden,“ veröffentlichte sie ihren Wunsch. Für Maximilian brach eine Welt zusammen. Legte seinen Kopf zwischen die Hände. Vergass seine Rücksicht. „dazwischen liegen Hunderte, Tausende Missgeburten. Das Hundekinder so gesund sind ,wie bei Safinas Treffer, liegt daran das sie im Labor gezüchtet worden sind. Alles überwacht, berechnet und Manipuliert bis ins winzigste Detail. Was zwischen uns entsteht, wenn es überhaupt funktioniert, wird eine Laune der Natur sein. Wir haben vor fünf Monaten das erste mal zusammen..“ Aha, das war weit vor meiner Ankunft. „Bis jetzt ist nichts passiert also haben wir fast eine Garantie da nie je eine Schwangerschaft eintrifft. Schliesslich... in den letzten zwei Monaten gab es genug Möglichkeiten dazu...“ gestand er verlegen. Diesmal gab sie sich nicht so leicht zufrieden. „Ich will keine Missgeburt,“ krähte sie ziemlich laut von der Rolle. Bevor Zank ausbrach rief ich genauso bestimmend. „Dann lass dich ab morgen Impfen und die Sache hat sich erledigt. Jedenfalls bist du dann doppelt abgesichert.“

Für einen Moment entspannte sich die Lage. Maxim hielt es sogar für nötig klar zu stellen. „Es tut mir leid das ich dich Verdächtigte die Eifersüchtige zu spielen.“

Eilig winkte ich ab. „Schon in Ordnung. Obwohl du zwar den Experten mimst der mich vollkommen versteht. Dabei unterscheide ich mich so von anderen..“

Eine Weile betrachtete ich das blonde Vorzeigemodell. Wahrlich keine Frau für die Ewigkeit. Aber die Würfel waren vor langer Zeit gefallen. Es gab kein Zurück auf dem eingeschlagenen Weg. Kein Bedauern, nur Schmerz über die enttäuschende Wende. Traurigkeit liess sich schlecht in den Augen verbergen. Ablenkend schob mir Maximilian seinen Teller rüber. „iss was. Du bist fast bedenklich mager geworden. Es wird ein langer, nachdenklicher Abend. Wir haben ein paar weiche Decken damit du es heute gemütlich in der Küche hast..:“

Dankend winkte ich ab. „Es ist Zeit zu gehen. Ich muss was anderes verdauen, das wird eine Weile dauern. Wenn ich mich beeile schaffe ich es vor Nachteinbruch aus dem Sumpf hinaus. Danach wird mein Dulie den Weg alleine nach Hause finden.“

Er fuhr entschieden dagegen. „Sei nicht kindisch. Auf keinen Fall lasse ich dich heute Abend nach Hause. Man sieht dir jetzt schon den anstrengenden Ritt an.“ Streckte die Hand aus um mich aufzuhalten. Ungewollt zuckte ich zurück. Seine Nähe erschreckte mich. Nichts wünschte ich mir mehr als ihn zu berühren, jeden Hautflecken, jeden Teil seines Felles. Doch mit seinem niederschmetternden Urteil das mein Zuhause woanders sei, gab es nur einen belehrbaren Stich in meinem verwirrten Herz. Über meine brüske, instinktive Abweisung zogen sich seine dichten Augenbrauen zusammen. „Vielleicht besser so. Aber sei vernünftig, der Weg ist lange. Da du mich sicher erreicht hast brauchte ich dich ja nicht mehr an die Fallen zu erinnern.“

Diesmal übernahm ich Dongards arrogante, überlegene Rolle. Stellte mich vor ihm hin. Blickte milde, strafend. „Du unterschätzt mich, wie so viele. Ich bin nicht das zarte Pflänzchen das sorgsam gepflegt werden muss. Vergiss nicht, genauso wie Du von mir gelernt hast, lernte ich von dir. Mit meinem königlichen Dulie schaffe ich aussergewöhnliche Weg die deine Freundin nicht mal zu Fuss überwältigt.“ Diese herablassende Weise schockierte ihn gewaltig.

Mit sanften, verzeihenden Augen wandte ich mich vor der Türe noch einmal herum. Verharrte für einen genieserischen Augenblick bei seinem einst liebgewonnenen Anblick. „Maxim, ich liebe dich,“ sagte ich zum Abschied.

Abrupt wirbelte er verärgert herum. „Verdammt,“ benutzte er eine alte Redensform von mir. „ Aus diesem Grund habe ich mich von dir ferngehalten. Kann der verfluchte Kommandant nicht besser auf dich aufpassen! Wie kann er dich überhaupt alleine auf so einen gefährlichen Ausflug lassen,“ schimpfte er unbeherrscht vor sich hin. Über den ungewöhnlichen Ausbruch wich selbst Saya zurück.

Ihn schmerzten meine Worte, also traf ich die aktuelle Wahrheit, das er genauso empfand. Verdrängte, versuchte einfach zu vergessen. Was anscheinend ich ihm gründlich vermasselte. Unsere Wege trennten sich unabwendbar bei seiner vergangenen Entscheidung. Deswegen verteidigte sich meine Zukunft. „Rede nie schlecht über Dongard. Er war da als ich dich brauchte. Er wird weiterhin da sein um mich zu beschützen auf seine Weise, wie du es nicht kannst. Ich...“

Schwierig keine bösen Worte zu finden für einen ehemaligen Freund der einem masslos Enttäuschte. Obwohl er es gut nur gut meinte, gerade deswegen suchte ich nach einem respektvollen Ende. „Momentan bin ich nicht in der Lage dir alles gute zu Wünschen. Nicht mit so einer...,“ meine Augen schwenkten flüchtig zu Saya hinüber. „Jedenfalls wünsche ich dir auch nichts schlechtes für die Zukunft die du entschieden hast zu verbringen. Ich bedauere den Tag an dem ich dich verlor. Meinen alten, geliebten Maximilian.“ Bevor meine Tränen flossen ging ich nach draussen. Schlüpfte in meine verspritzten Stiefel, feuchten Stiefel. Ohne mich umzudrehen zog ich mich in den Sattel. Erholt drängte Samuni vorwärts. Meine Hände hielten die Zügel lose. Meine Gedanken arbeiteten auf Hochtouren. Maxims verlockender Anblick blieb unauslöschlich haften, da halfen auch Sayas staunende Stimme, „hast du gesehen, die reitet wirklich eine königlichen Duile,“ wenig meinem traurigen Gemüt.

Warum dieses Ende?

Dieser Frage nachzugehen hatte ich auf dem Nachhauseweg genug Zeit. Nach Hause! Niemand sah mich, niemand hörte meinen Schmerz. Ich liess meinen Tränen freien Lauf.

 

Mit hängenden Schultern, gekrümmten Rücken bot ich ein schlechtes Vorbild als Reiter. Zur Späten Stunde, weit nach Mitternacht stand mein erschöpfter Dulie still. Es dauerte mehrere Minuten bis ich feststellte das ich tatsächlich bereits vor seinem Stall stand. In was für einer Rekordzeit fand er den Rückweg trotz behinderter Sicht. Am schlimmsten folterte mich der holprige Weg durch das Tal des abgeschalteten Backofens. Obwohl ich einen gepolsterten Sattel benutzte tat mir jeder Knochen ,speziell im Gesäss, weh.

Erleichtert stellte ich fest das mein körperliches Leiden ein Ende bekam. War es wirklich kaum neun Stunden her seit ich Maxim wiedersah? Ihn nicht ein einziges Mal berührte. Am liebsten wäre ich wie ein Häufchen Elend auf den Boden gesunken. Tiefer Respekt vor dem unglaublichen Rekord liess mich erst einmal Samuni versorgen, oder war es Dongards abgefärbtes Pflichtgefühl? Kaum ohne Geschirr stakste der brave Dulie in seine Box um sich hinzulege. Dementsprechend legte ich sein grosse Portion Heu vor ihn hin.

Während meine steifen Finger den verschwitzten, weiss verkrusteten Sattel versorgten überdachte ich den Fall Dongard neu. Alles musste in einem Anderen Licht angesehen werden. Mein Zuhause. Meine Augen wanderte über die rau verputzte Stalldecke entlang. Fühlte mich einsam, doch nicht mehr lange. Sobald ich meine Höhle erreichte merkte ich die verschiedenen Anwesenheit der anderen. Nur in einem Zimmer brannte Licht. Über Dongards Schwelle verriet eine schmaler Lichtstreifen das er wachte. Für einen schwachen Moment fühlte ich mich versucht an seine Tür zu klopfen, mich ihm mitzuteilen. Zu präsent blieb Maxims Anblick. Ich wollte, konnte ihn nicht so einfach auf die Seite schieben. Wenn auch in meinem Inneren sein sicherer restlos Platz zerstört übrig blieb.

Ausserdem was sollte ich tun wenn mein Kommandant im Nachthemd vor mir stand? Gar N´toki sich bei ihm aufhielt. Peinlich zu stören!

Meine ruhigen Wände heilten meine blutenden Wunden am besten. Träge schlurfte ich in mein Abteil. Liess meine Türe offen. In zwei Stunden heulte bald der morgen Appell. Sollte ich den überhören weckte mich bestimmt einer aus der morgendliche Horde. Richtig hinzulegen getraute ich mich auch nicht. Einmal richtig im Tiefschlaf, weckte mich keiner so leicht. Mich zu erschrecken gönnte ich den andern nicht. Also setzte ich mich erstmals auf die Bettkante und legte meine Kopf stützend ans die Wand. So verschonte mich auch das anstrengende Ausziehen. Mit den verspritzten Klamotten versaute ich sonst mein ganzes Bett.

Mein wohl verdienter Schlaf weigerte sich einzusetzen. Aufregung, von heute und morgen. Alles schien in mir überlastet. Schlaf wo blieb er? Trockene Augen warteten auf Erlösung. Horchte, zählte meine tiefen Atemzüge.

Irgendwo brüllte Derek in der Ferne. Hunger quälte meinen Magen. Verwirrte Träume wechselten in den Hintergrund. Verdattert über einen muffigen Geruch, meiner eigenen Kleidung schreckte ich hoch. Schwankte selbst im sitzen. Flüstern weckte meine Aufmerksamkeit. Drei vier Leute starrten mich von der Türe an als sei ich ein aussergewöhnliches Phänomen. Zwang, formte ein Lächeln in mein Gesicht. Wie vor einem verwandelten Monster flohen sie aufgebracht. Bis auf den grossen Riesen. Derek meinte unbeeindruckt, „ich empfehle dir wärmstens dich vorher umzuziehen.“ Dankbar über diese Mitteilung schleppte ich mich zur Tür. Wenige Minuten später marschierte ich aus dem Badezimmer. Trotz allen Bemühungen, sorgfältiger Gesichtsmassage, eine Tatsache blieb sichtbar, ich sah zehn Jahre gealtert aus! Dementsprechend heiter betrat ich, nach einem mühseligen Umziehen, als letzte den Morgenplatz. Wartend verfolgten die andern meinen zähflüssigen Auftritt. Ausser meinem müden Ausdruck gab es nichts zu beanstanden. Dongard hielt es für klüger die Sache erst einmal Ruhen zu lassen. „Schön das du pünktlich erscheinst;“ gab er zu seinem Besten. Lief die Reihe zurück. Auf einmal merkte ich das ich alleine dastand. Wo waren die anderen? Dongard beobachtete mich zurückbleiben. Die letzten Mitglieder verschwanden gerade im Höhleneingang. Himmel. Im stehen schlief ich schon ein!

Die Augen verdrehen folgte ich meinem staunenden Kommandanten. Gewohnt, wie nach all meinen Streichen, dämpfte man die Stimmen sobald ich den vollen Speisesaal betrat. Heftiges Flüstern zwischen den Reihen. Zum ersten mal fühlte ich mich nach einem meiner Erlaubten Ausflüge scheusslich. Egal, an diesem Morgen ging mir eh alles am A. vorbei. Doch eine Kleinigkeit veränderte sich. Für diese „Familie“ fühlte ich mehr als nur einfache Geborgenheit. Diesmal.. ich suchte diese neue Gefühl zu beschreiben... verbündet. Genau! Nachdem ich endlich meine Hoffnung auf ein Leben mit Maximilian zu Grabe trug, fand sich hier eine neuer Zusammenhalt. Was zwar nicht alle mitein bezog, aber den grossen Teil. Erst nachdem sich Ascha platzierte, quetschte ich mich zwischen zwei gänzlich unbekannte Schüler in die Reihe. Verwundert wagten sie nicht mich abzuweisen. Zischen den zwei fremden Kumpels blieb ich vorläufig vor Fragen verschont. Dafür sprachen mehrere neugierige Augen eine heftige, stumme Kommunikation. Nach eine prüfenden Blick beschloss Dongard selber mich zu ignorieren. Obwohl ich ihm Rätsel aufgab. Jedenfalls war mein herunter gekommener Anblick eine zweite Beachtung wert. Danach folgt man seinem vorgebenden Beispiel. Ruhig kämpfte man um die besten Brotscheiben. Die am meisten getosteten, aber wenig verbrannten Stücke. Dagegen liefen meine Bewegungen in Zeitlupen Tempo. Vergass süsse Marmelade aufs Brot zu schmieren und kaute es lustlos, abwesend. Nach ein paar Bissen starrte ich das Honigglas an. Was wohl Saya gerade Maximilian auftischte? Ob sie gut kochte? Diesem eingeschlichenem Biest hätte ich gerne....Mein Hand mit dem Messer zuckte zurück. Wie eine Waffe hielt dich die Klinge nach oben. Tata von der anderen Tischseite hielt seines auch wie ein Miniaturschwert und rasselte, wetzte die Klinge an meiner. Was mich natürlich aufschreckte. Die anderen lachten über den Scherz und ich schmunzelte breit nachdem ich das harmlose Spiel begriff.

Diesen günstigen Moment nutzte Dongard aus um harmlos zu beginnen. „kann man dir helfen?“

Müde sah ich mit schiefen Lächeln hoch. „Nein, mir kann man nicht helfen. Oder doch! Gibst du mir eine Freien Tage mehr.“

Ab diesem frechen Angebot verschluckten sich einige an ihrem Essen. Was mit einen weiteren Grund zur Heiterkeit gab den diese Reaktion war so leicht voraus zusehen.

Anders Dongard. Wie ein scharfer Wachhund witterte er die Veränderung in der Luft. Ein mieser Tag für mich und ich scherzte? Das war einen dritten ausgiebigen Blick wert. Musterte mich nach jedem Bissen den er sich in den Mund steckte. Entschloss sich am Ende, „Du hältst deine Dienst ein. Da es dir wider besser geht, brauche ich deine Hilfe in der Bibliothek.“

Damit teilte er mir einen ruhigen Tag ein. Ein stiller Ort wo man zurück gezogen Arbeitete. Ein weiterer Grund weshalb ich Dongard weise Entscheidung dankte. „Danke für die rücksichtvolle Teilnahme.“

Stutzig stellte Dongard seine volle Teetasse wieder ab. Zögerte unschlüssig wohin mit seinen Händen. Unverrichteter Dinge faltete er sie auf dem Tisch zusammen. „Du meinst das ernst,“ wunderte es ihn.

„Selbstverständlich bin ich froh darüber.“

Verwirrung zeigte sich in seinen Augen. „also ich weiss nicht ob ich dich wegen Krankheit ins Quartier schicken soll. Ist wirklich alles in Ordnung?“

Alles nur nicht in mein langweiliges Zimmer. Statt schlafen würde ich mich nur wieder mit Maxim beschäftigen. „ja. Keine Probleme. Und ich würde es bevorzugen zu arbeiten statt in meinem Zimmer zu verschwinden,“ sagte ich mit einem Lächeln.

Zusätzlich weckte sich sein Misstrauen. Jetzt erst Recht. Unverständlich meine Reaktion auch bei vielen anderen. So entschloss sich Dongard zu handeln. Wies meine seitlichen unfreiwilligen Kollegen an, „ Stefkan und Okleras, ihr bewacht heute verschärft die Transportmittel.“ Weiter brauchte er nichts zu sagen. Er erwartete einen weiteren Streich von mir, den schlimmsten seit meiner Ankunft vermutlich. Vielleicht sollte ich seinen Erwartungen entsprechen? Nein, es genügte wenn ich... harmlos winkte ich, mit einem wissenden Grinsen, ihm über den Tisch hinweg zu.

Damit zerstörte ich seinen friedlichen Tag. Sein Appetit verschwand, meiner kehrte zurück. Es tat gut zurück zu sein und jemanden um sich zu haben der an einem dachte. Wenn er auch gleich das schlimmste befürchtete. Voll Sorge vergass der viel zu weit denkende Dongard sogar seinen täglichen Morgentee. Lachend stritt ich erneut mit der spielenden Klinge, gegen Tata, um den Honigtopf.

 

Später sortierte ich stundenlang geschriebenen Arbeitsberichte. Fasste das wichtigste zusammen und schrieb es in einer gekürzten verständlichen Fassung nieder. Dieses zweite Exemplar wurde danach gebunden und in die Stadt geschickt. Fürs Buchbinden waren andere zuständig, so pendelte ich mehrmals zwischen Büro und der Werkstatt umher.

Was wenn Maxim seine Freundin wegschickte? Bestand Hoffnung das wir... eventuell? Meine Schritte verkürzten sich. Konnte man sie manipulieren? Nein, so gemein war ich nicht. Ausserdem erledigte das die Zeit schon selbst. Ein Schatten huscht vor meiner Nase. Erschrocken zuckten meine Arme abwehrend hoch. Sprang gleichzeitig zurück. Papierseiten wirbelten auf. Als sie sich legten erkannte ich das nur Dongard vor mir stand und mit seiner Hand harmlos winkte. Schelmisch gab er mir mein Grinsen zurück. Meinte im vorbeigehen. „Bis zum Abendessen bist du hoffentlich fertig.“ Deutete auf den verstreuten Haufen vor meinen Füssen.

„Ja, Ja,“ sagte ich mehr zu mir selber. „Sonst mache ich halt Überstunden.“ Sammelte sorgfältig die losen Seiten ein. Stand auf. Dongard stand neben mir wartend.

„Was,“ fragte ich verständnislos. Besorgt legte er mir eine kühle Hand auf die Stirn. Zog sich bedenklich zurück. „In dieser Hinsicht kann ich beruhigt sein. Dennoch, allein das du meine Hand nicht ausweichst, beweist das etwas nicht stimmt. Früher oder später werde ich es herausfinden.“ Klang er überzeugt. Darauf eilte ich nur in mein Büro. Überstunden lagen mir nicht.

 

Klar das bis zum Abend die wildesten Gerüchte über mich kursierten. Dem vorab entgegen zu wirken, und die allfälligen Wetten zu entschärfen, hielt ich es für das klügste mich Ascha anzuvertrauen. So verhinderte ich eine Steigerung der Angelegenheit. Bei Aschas Eifer brauchte ich die unerträgliche Geschichte nur einmal zu erzählen. Danach lief ihr Mundwerk wie ein Motor. Gleich nach dem Abendessen winkte ich die Auserwählte zu mir.

Wie erwartet stürmte Stahri wenige Minuten später in mein Zimmer. „ist es Wahr?“ flüsterte sie ungläubig. Sei zeigte echtes Mitgefühl. Fragte dennoch ein paar unangenehme Details nach. Am schönsten fand ich die bestätigende Bemerkung über Saya. „Dieses unverschämte Biest!“

Am Ende überraschte sie mich mit der schönsten Frage: „Dann bleibst du jetzt für immer hier?“ Ihre Begeisterung schenkte mir Balsam. Heiterte mich auf. Endliche eine seltene Perle die sich über meine Anwesenheit offen freute. Aufgelegt dämpfte ich ihren Eifer. „na ja, mal abwarten. Sollte ein hübscher, lediger Mann vorbei kommen, kralle ich mir und verschwinde aus diesem Arbeitslager.“

Empört schrie sie auf. „Du bist verrückt. Dongard ist eine passende Partie. Er braucht doch eine Freundin,“ stiess mich in die Seite mit dem Ellbogen. „oder Frau. Man vermutet längstens das er ein Auge auf dich geworfen hat.“ „Ja, das tut weh unter seiner direkten Aufsicht zu leiden;“ jammerte ich übertrieben.

„Nein,“ wehrte sie entschieden ab. „Da ist was wahres dran das er dich mag. Seine Launen reagieren empfindlich besonders wegen dir. Das war früher bei N`toki dasselbe. Safina, überlege praktisch. Eine gute Stellung, ein hübscher treuer Mann. Stell dir nur mal vor was für hübsche Kinder das gibt. Bei deinem Gesicht... niedlich.“

Diese gute Nachricht schlug ein übergrosses Loch in das volle Fass. „Was!“ schrie ich unbeherrscht entsetzt. „Raus!“ Suchte nach einem geeigneten Gegenstand zum werfen der keinen schmerzhaften Schaden anrichtete. Verfolgt von meinen schmutzigen Stiefel flüchtete Stahri lachend in den Gang hinaus. „Du hast zuviel Phantasie,“ schrie ich ihr nach. Mit gespielte Wut stand ich im Gang und dachte widerwillig über ihre Prognose nach. Da kam gerade Dongard mit einem Glas Wasser um die Ecke. Vermutlich hörte er meine letzten Worten. „Was wichtiges?“

„nö,“ wehrte ich ab. Gab mich gelassen bis er sich in Sicherheit wog und einen Schluck nahm. Bevor er schluckte gab ich ihm gemein zu wissen. „Sie will Kinder von dir sehen.“

Einfach herrlich wie er sich verschluckte. Lachend rettete ich mich in barfuss nach draussen, während er heftig hustete.

Herrlich gekühlte Abendluft empfing mich, so wie die frostige Realität. Wirklich schade, das Maximilian, all mein jahrelange Hoffnung einfach zerstörte. Wie lange brauchte ich wohl um ihn zu vergessen. Andere reden schon eine Minute von Kinder mit einem anderen Partner. Das gleiche prophezeite mich mir selbst Maxim. Man erwartete von mir Kinder. Im Moment wünschte ich mir gar keine. Wenn meine nächste Beziehung wieder in die Brüche ging. Von Maximilian blieb mir nicht mal eine tröstende Freundschaft.

Leicht deprimiert suchte ich meinen alten, windgeschützten Lagerplatz zwischen den Blöcken. In der Nacht sank die Temperatur beachtlich. Lieber diese Kälte draussen als meine Kälte im Herzen. Bestimmt gab es ausser Tahri noch andere die mit Fragen warteten. Hier war ich geschützt in vieler Hinsicht. Ausserdem interessanter die Sterne am Himmel zu beobachten als in einer unruhigen, schlaflosen Nacht in der Höhle zu verbringen. Sobald ruhe ins Lager kehrte, dachte ich wieder zuviel nach.

Schliesslich gab ich es auf. Setzte mich hin und sucht angestrengt mit Hilfe der Sterne nach Bildern. Sternzeichen, oder ich erfand einfach welche um mich abzulenken.

Ein Schatten tauchte auf. Eine schlanke Figur. Allerdings vermisste ich seine verräterischen Stiefel. Diesmal schlich er leise, bedrückt, achtsam. Dongard. Was lag ihm auf dem Herzen? „kommst du um dich über mein Attentat zu beschweren?“

Mein Boss ignorierte meinen Angriff. Setzte sich neben mich auf die Knie. Atmete tief durch. Bestimmt schlechte Neuigkeiten für mich. Mit gedämpfter Stimme, „Ist es wirklich wahr?“ begann er wie Stahri. Demnach arbeiteten Aschas Buschtrommeln fleissig.

„Das was Stahri sagte, Sicher!“ Wich ich aus. Versuchte meine Traurigkeit aufzuheitern. Dongard blieb eisern. „Das meinte ich nicht. Dein Freund... du hast ihn getroffen?“ Hörbar seine Zweifel. Wusster er wirklich nicht was damals geschah. Hatte ihn die Heilerin nie eingeweiht?

„Scheint so , obwohl er für mich so gut wie Tod ist.“

„Du siehst die Sache erstaunlich gefasst, oder ist das nur gespielt. Wie dem auch sei, was wirst du nun tun?“ Besorgnis plagte ihn.

„Was wohl! Hier bleiben! Ich habe es schliesslich überlebt oder soll ich mich gleich beerdigen und begraben lassen?“

„Safina,“ mahnte er streng. „Das will ich nicht hören. Wenn dich solche Gedanken beschäftigen, kommst du vorher zu mir. Du brauchst mir nichts zu erklären. Sag einfach das ich meine Urlaub einreichen soll. Dann verbringe ich ein paar Wochen mir dir. Nachher wirst du mit ganz anderen Plänen für den Leben versorgt sein. Versprich mir das?“

„Das ich nicht an Selbstmord denke,“ viel es mir wesentlich leichter auszusprechen.

„Nein, das Denken kann man nicht verhindern. Aber das du nach den Zweifeln zu mir kommst. Gib mir dein Wort!“ Es tönte wie ein Befehl. „Safina,“ warnte er uneduldig.

„Schon gut. Bevor ich der Versuchung nachgebe, gehe ich zu dir. Zufrieden?“

„Nur zur Hälfte. Es tut mir leid,“ flüsterte er mitfühlend. „Warum hast du mir nichts verraten?“

„weil es mir zu schwer fällt. Gestern ist es passiert und ich kann es heute noch kaum begreifen. Ausserdem habe ich es Ascha erzählt, das reicht.“

„Ausgerechnet Ascha!“

„Ja, die kann es am besten taktvoll verbreiten. Dann entstehen am wenigsten Spekulationen. Sie erzählt es allen , dann muss ich nicht immer alles erneut aufkauen.,“ erklärte ich mein Vorgehen.

„Safina,“ sagte er aufgeweckt. „manchmal unterschätze ich dich wirklich. Ich glaube Maximilian ahnt gar nicht was er da verliert.“

„Du hättest sie sehen sollen. So ein mageres Ding tanzte halbnackt, frech an meiner Nase vorbei. Ein kräftiger Schubs von mir und sie wäre in die nächste Ecke geflogen. Sie wirkte so schwach und dämlich. Und er tätschelte ihr auch noch unterstützend die Hand. Wie kann er mir das antun. Wenn sie wenigstens Intelligent wäre, eine Frau mit Herz, würde ich es verstehen, aber so ein billiger.... Ersatz?“

Dongard schwieg eine Minute. Er der sonst immer eine passende Antwort wusste. Als er begann gefielen mir seine Worte diesmal überhaupt nicht. „Wie hast du ausgesehen? Hast du wieder diese verwaschene Hemd an mit den aufgelösten Rändern.?“

„Das bequemste zum reisen,“ versicherte ich ihm.

„Mag schon sein, aber für Maximilian das falsche!“

Über diese harte Feststellung schnappte ich nach Luft. Genauer betrachtet lag darin viel Wahrheit.

„Mhm,“ mehr wagte ich meine Dummheit nicht zuzugeben.

„Safina, du versteckst dich zu sehr.“ Seine Hände fasten mich um die Taille. „Du bist schlank mit den richtigen Rundungen. Nur wer dich mal ohne Kleider gesehen hat, erkennt das. Oder derjenige dem du erlaubst dich anzufassen,“ flüsterte er gefährlich nahe in mein Ohr. Bevor ich auf Verteidigung schaltete, legte er mir die Arme um die Schultern. Ausnahmsweise liess ich es geschehen. Genoss die Wärme an meinem Rücken.

„Safina, schön das du mal nachgibst,“ lobte er, „und mir erlaubst daran teilzunehmen.“

„Mhm,“ es nagte der Stolz in mir. „Meine Kleider waren also unvorteilhaft? Hätte ich was mitnehmen solle um ihn Neidisch zu machen?“ Kam mir ein anderer gemeiner Gedanke.

„Rache steht dir nicht. Du hast ein Herz.“

„Ja, aber du hättest ihn sehen sollen wie er litt als ich ihm gestand das ich ihn immer noch liebe. Es hat ihm weh getan. Diese Zicke ist bedeutungslos für ihn, eine reine Zierfigur.“

„Du hast gesagt, das du ihn liebst,“ Dongard Stimme klang rau, betroffen.

„Ja,“ bereute ich bereits das Geständnis. Unentschlossen lockerte sich seine Umarmung. Nie dachte ich bisher das mir seine Rückendeckung so viel bedeutete.

„liebst du ihn...,“ weiter kam Dongard nicht. Hörte ich da Traurigkeit?

Mit einem schweren Seufzer gestand ich. „Sagen wir mal so. Käme er diese Woche angekrochen, hätte ich einen ernsten Konflikt mit mir auszufechten. Ich könnte durchaus nachgeben, eine zweite Chance. Aber das ist sehr unwahrscheinlich das er später aufkreuzt. Es wird immer etwas für ihn übrig sein. Nur will ich ihn auf keinen Fall zurück zu ihm. Mein Vertrauen in seine Treue ist endgültig zerstört... Sehe ich das richtig,“ zweifelte ich mein eigenes Urteil an.

„Auf jeden Fall,“ unterstützte mich Dongard, hielt mich wieder fest. „Du bleibst also hier.“ Erleichterung schwang darin. „Was würdest du tun wenn es mich nicht gäbe?“

Eine interessante Frage. Dafür überlegte ich kurz. „Als erste lehne ich mir Di`jon aus und zwar lebenslänglich. Glaube mir, wärst du nicht Kommandant, ich hätte ihn längst entführt. Dann suche ich mir eine Job in der Stadt. Irgend etwas Handwerkliches. Darin bin ich geschickt.“

„Das mit Di´jon habe ich überhört! Versteht sich. Der Rest hört sich gut an. Willst du von hier weg?“ Fragte er bedeutungsschwer. Jede Faser wartete spürbar gespannt. Ich genoss die Macht die ich über ihn besass. Liess mir Zeit mit der Antwort. Er verlangte ein klares Urteil. „Safina, denke darüber gründlich nach.“

„Da habe ich keine Zweifel. Ich bleibe hier. Alleine um schon in Di`jons Nähe zu sein.“

„Mhm,“ zeigte er wenig Begeisterung. Also setzte ich das süsse Sahnehäufchen oben drauf. „und hier finde ich immer jemand zum ärgern. Besonders den obersten Chef zu reizten macht doch alles interessant.“

Vernahm ich da hinter mir gerade ein Knurren? Später lachte Dongard herzlich, „Dein Humor gefällt mir. Du gibst nie auf. Egal wie sehr dich die anderen ärgern, du steckst ein und teilst es bei passender Gelegenheit wieder aus. Deine Stärke gefällt mir.“

Mir entfloh ein ungewollter Ausruf. „Das ist ja entgegengesetzt von dem was ich immer höre. Alle halte mich für das schwächste Mitglied in der Kette,“ offenbarte ich die traurige Wahrheit.

„So ein Quatsch. Das behaupten sie weil sie dich nicht kennen. Du bist ein verborgener Kämpfer. Dir fehlt einzig der Ehrgeiz zur Vollkommenheit. Weist du auch das viele Angst vor dir haben? Du hältst, ausser beim Joggen, mit uns mit obwohl dir ein ganzes Jahr fehlt.“ Zwickte mich leicht in den Arm. „du weißt genau wann man mir besser aus dem Weg geht.“ Darüber schmunzelten wir gemeinsam.

„Dongard, damals in der Hütte, als dieses Biest..“ „Eifersucht steht dir nicht,“ unterbrach er.

„jedenfalls hatte ich Angst vor mir selber. So wenig hätte gefehlt. SO nahe ihr an die Kehle zu springen und sie... Es war furchtbar.“

„Maximilian ist ein Dummkopf. Alleine das sei sozusagen reizvoll provozierte, zeigt den leichtfertigen Charakter. Darum liebe ich die dich auch mehr. Du kannst dich beherrschen, verlierst nie die Kontrolle über dich. Manchmal wäre es mir sogar lieber zu zeigst mehr Gefühle.“

„Trotzdem ich möchte es nie wieder erleben. Es wäre zu gefährlich und... ,“ ich stutzte. Dongards Kopf lehnte stützend an meiner Schulter. Seine Umarmung lockerte sich, langsamer sein Atem.

Wahrhaftig er war eingeschlafen. Fünf Minuten wartete ich bis er richtig tief schlief. Dann drehte ich mich sachte herum. Lies ihn an mir herunter gleiten bis ich an seiner Seite lag. Im Schlaf zuckten seine Hände. Beruhigens strich ich durch sein gewelltes, seidiges Haar. Mit dem Ergebnis das er sich mir zuwandte. Seine Hand um meine Taille legte und mich näher zu ihm schob. Da half kein Protest. Höchsten ein Ausweichen das ich mich umdrehte. Beharrlich schmiegte er sich an meinen Rücken. Warmer Atem blies mir in den Nacken.

 

Vereinigung-6

Bedeutender Nachmittag.

 

Wie gewohnt stand ich nach dem tiefen Ton des Hornes auf. Kleidete mich genug schnell an um pünktlich zu erscheinen. Kämmte mir kurz die Haare. Ein Tag wie jeder andere, nur diesmal spürte ich ein freudiges Ziehen im Magen. Mein freier Mittwoch versprach ein heisser Sommertag zu werden. Was sollte ich unternehmen? Wie die anderen in nächste Dorf zu stressen war mir zu weit. Ausserdem besass ich als einzige keine Verwandten. Das ersparte mir den Weg ins nächste Post und Wirtshaus. Während die anderen an mir vorbeistürmten überlegte ich bereits verschiedene Möglichkeiten. Von einem Tag in der kühlen Unterirdischen Bibliothek, oben am Fluss oder hinter den Hügeln im Gras zu liegen? Nach der langen Zeit in Dongards Lager drängte es mich zur Abwechslung. Bei dem ständigen Lernen schraubte es meine Ansprüche auch nach oben. Di`jon musste ich vergessen. Besser die obere Weidewiese meiden, wo der Fluss rauschte. Da erinnerte ich mich an den kleinen See, abseits, weit abseits. Wenn ich mich beeile schaffte ich es auch ohne Di`jon den Bergsee vor Mittag zu erreichen. Freute mich schon an die dünne Luft. Genau richtig für ein heimliches Training.

Automatisch stellte ich mich in die Reihe des Morgen Appell. Streckte meinen Rücken. Sah stur geradeaus, durch die gegenüberstehende Nachbarreihe hindurch. Selbst Aschas auffällig nervöse Seitenblicke entgingen mir. Mit eine Schlag herrschte Disziplin. Keiner wagte zu husten. Belustigt zuckten meine Mundwinkel. Dongards Kontrollgang blieb selbst nach einem Monat in diesem Lager stets ein eindrücklicher Moment. Im Gegensatz zu den anderen versuchte ich normal zu bleiben. Zollte ihm Achtung, Anerkennung, aber unterlies es wie ein Streber vollkommen perfekt zu sein. Genau das verursachte heute wieder einen länger als nötigen Blick. Streng musterte Dongard mich kritisch. Obwohl es mir manchmal sogar schien er behandle mich bevorzugt, bei der morgendlichen Inspektion kannte er kein erbarmen. Unzufriedenheit drückten seine Augenbrauen aus. Darauf hin wartet ich kurz bis er schon bemängelte. „Morgen will ich saubere Stiefel sehen.“

Voller Schreck bemerkte ich das ich vor lauter Träumerei automatisch meine bequemen Turnschuhe anzog. So was durfte mir nicht passieren. Schuldig senkte ich meine Augen gequält. Vernahm das folgende Urteil Erwartungsgemäss.

„Strafarbeit. Nach dem Essen hilft du Panellan hinten beim Bau der neuen Halle. Ein Block gehen auf dein Konto. Je geschickter du dich anstellst umso eher hast du den Rest des Tages frei.“

Bedrückt sackte ich zusammen. Einen dieser schweren Goldblöcke zu verschieben, nahm bestimmt den ganzen Vormittag weg. Es sei denn man besass ein kräftiges Kunuschi. Schade stand uns so was nicht zur Verfügung. Jemand hieb mir zwischen die Schultern. „Hey, Safina,“ rief mich Stahrie aus den Gedanken. „schmiedest du schon wieder einen Plan aus? Seit wann hast du kein Interesse am Frühstück? Komm. Wir sind bereits die letzten.“ Es stiess mir schwer auf das ich meinen Freitag mit Gedankenlosigkeit versaute. „Geh schon vor. Heute ist eigentlich mein freier Tag.“ „Oh,“ teilte sie betroffen meinen Kummer. „Sei in den nächsten Tagen einfach fehlerfrei, dann erlässt dir Dongard bestimmt einen zusätzlichen freien Morgen. Komm.“

Mit einer einfachen Drehung befreite ich meinen Arm aus ihrem Griff. „Ich komm später.“ Wohl wissend das es ziemlich später wurde, denn wenn Dongard am Tisch sass wünschte er keine weiteren Störungen. Zuerst wollte ich den Bauplatz besichtigen. Panellan war bis jetzt ein Unbekannter für mich. Ob es angenehm war mit ihm zusammen zu arbeiten? Innerlich genervt steuerte ich den hinteren Platz an. Runde Holzsäulen stand noch im rohen Zustand herum. Verschiedene bekannte Werkzeuge jeder grösse. Alles nur keine Maschinen die vieles Erleichtert hätten können. Ohne Begeisterung setze ich mich vor den leeren, geräumten Platz. Irgendwie erinnerte mich die Baustelle an ein Computerspiel indem man die Klötze an einen bestimmten Ort schieben muss. Überlegte welchen dieser Quadratmeter grossen Blöcke am leichtsten auf das vorgegebene Fundament brachte. Die erste Reihe stand schon. Lieferte den bedeutenden Umriss. Waren diese Blöcke nummeriert oder..? Lag hier kein Bauplan herum. Hinter mir vernahm ich weiche Schritte, im sandigen Boden. Trotzdem das war eindeutig nicht Dongard. Wachsam fuhr ich herum. Da schritt ein kleiner dunkelhaariger Schüler auf mich zu. „hallo,“ rief er mich von weitem. „Wir essen zuerst. Um einen dieser Blöcke zu verschieben brauchen wir zehn Leute. Also wartest du hier vergebens alleine. Also komm endlich essen! Wir brauchen später genug Kraft.“

„Warum nehmen wir nicht Tiere zum schieben?“

er winkte ungeduldig ab. Bereits wieder Abmarsch Richtung Esstisch. „Die sind viel zu ungeduldig. Wir haben es einmal aufprobiert und es gab mehr als doppelt so viel verletzte Leute am Abend.“ Vergebens winkte er mir zu, bereits zeigte ich abweisend meinen Rücken. Verflixt noch mal. Einen lausigen Block trennt mich vor meiner Freizeit. So nah und.... Wütend ballte ich eine Faust. Einen Höhenmeter und etwa zwanzig Meter Länge. Wieso sollte ein Dulie dazu nicht in der Lage sein. Zu schwach? Dann eben zwei Dulies! Es zuckte in meiner Nase. Erkannte das Problem. Zwei Aggressive Kraftpakete verursachten eine Menge Verletzungen. Da gab es doch einen Tick!

Zwanzig Minuten später kombinierte ich zwei Einzelgespanne neben einander auf der Baustelle. Das funktionierte nur weil ich ihnen mit einem Sack die Augen verhüllte. Allerdings liefen mir diese erschreckten Biester rückwärts blind gegen die Wand. Egal wie sehr sie bockten, der Sack hielt über dem Kopf. Klugerweise setzten sie mit dem weichen Hinterteil zurück und rannten nicht ohne Sicht mit dem Kopf voran. Egal, Hauptsache ich brachte sie in Bewegung, sei es auch nur Rückwärts. Befestige ein dickes Seil seitlich an ihre Gurten. In gerader Linie zu der Mauer legte ich die runden Holzsäulen quer hin. Eine Rutsche entstand. Zu jeder Seite der ersten Blockreihe platzierte ich die nervös stampfenden Dulies. So traten sie höchstens vergebens an die Mauer und sich nicht gegenseitig an die Beine. Legte das Seilende um einen Block und schrie. Staub schleuderte mir ins Gesicht als die aufgeregten Dulies blind zurück setzten. Kaum merkten sie das der anfängliche Widerstand nachgab, setzten sie um so kräftiger Rückwärts. Dachten das verhelfe zur sicheren Flucht, aber der Block folgte ihnen. Rumpelte die Rampe hoch. Stein mahlte auf Stein. Kräftig legten sich die Tiere, vor dem rumpelnden Ungeheuer, ins Geschirr. Sobald der Block die hintere Position erreichte. Kappte ich im letzten Moment das Seil. Unglücklicherweise setzten sich die Dulies, vom Schwung überwältigt, auf ihr Hinterteil. Aber es war ruhig. Sie hielten still. Schwitzten, peitschten wild mit ihrem buschigen Schweif. Schön wärmte die ersten kräftige Morgensonne ihr nasses Fell. Gut, so würden sie sich nicht erkälten. Band die beiden wohl geschockten, braven Tiere an, getrennt. Begab mich auf direktem Weg in die Küche. Unterwegs begegnet ich den ersten Arbeitern. „Hey,“ rief ich diesmal ihnen zu. „Die Vorarbeit habe ich schon geleistet. Man sieht sich also erst morgen wieder. Bis bald.“

Verwirrte blicke folgten mir. Lachte still in mich hinein. Wie lange es wohl dauerte bis sie merkten das Gespann nur rückwärts funktionierte! Schwebe förmlich in der Höhle auf den duftenden Platz zu. Küche. Frühstück, ich komme!

Verlorene Zeit holte ich auf indem ich mir ein paar einfache Sandwichs belegte. Eines zum gleich zu Essen, die andern zum Mitnehmen. Stopfte ein dünnes Hemd und eine alte Sonnencreme in eine Rückentasche und wollte unbemerkt davon schleichen. K`tug verstellte mir den Ausweg mit einem schweren Sack in den Händen. Verwundert, weil meine persönlichen Besuche in der Küche sehr selten sind, fragte er als ich mich vorbei schlängelte. „Wenn du mir beim Mittagessen hilfst kannst du früher Essen. Vom Frühstück ist nämlich alles weg!“ „Danke, hab ich schon gemerkt. Ich habe mir was einfaches zusammengestellt, auch für später. Brauche nichts zum Mittagessen. Vielleicht wieder am Abend aber ich bin mit noch nicht schlüssig wann ich Eintreffe. Bis bald, Tschüss!“

Beschleunigte meinen Abgang Richtung Hintertür. Benutzte den langen dunklen Gang des sonstigen Waschtages. Spähte wachsam aus der Türöffnung. Kein bekanntes Gesicht, nur unbeschwertes Zwitschern zweier Vögel. Ich rannte los!

 

„Dongard,“ hielt K`tug seinen lang bekannten Freund zurück. Tatsächlich war er sogar mehrere Jahre älter. Mit seinen feinen Lachfältchen im Gesicht und gepflegter Haut, hielt er sein wahres Alter gut verborgen. Mit vielerlei Talenten versehen, schmeichelten ihm die jungen Frauen wegen seiner exzellenten Küche genauso wie für eines seiner selbst hergestellten Geheimrezepte. Gesichtsmasken für feine Teints , eine seiner geliebten Spezialität. Allerdings fragte er sich warum ausgerechnet Safina, für die der Kommandant eine Schwäche empfand, so wenig auf Schönheitspflege setzte. Bereit bekannt das Dongard ihr öfter Strafen auferlegte weil sie mit schwarzen Rändern unter den Fingernägel am Morgen auftrat. Oder ihr einmaliges Haar kaum bürstete. Obwohl sie sich dadurch von den anderen deutlich Unterschied, heute sorgte sich K`tug erst Recht. Das Safina ein Mittagessen ausliess war selten. Äusserst ungewöhnlich das sie das Abendessen, wofür er sich viel Zeit aufwendete, verschmähte. Wollte, plante sie wieder auszureissen? Wenn man sie bis zum Abend nicht erwartete gab das einen gehörigen Vorsprung. Dies und ähnliche Vermutungen veranlassten ihn mit Dongard ein ernstes Wort zu reden. Mit zunehmend finsterem Gesicht hörte er dem Verdacht zu. Äusserte sich gelassen, „Safina soll ihren Ruhetag zurecht fernab dem Lager geniessen. Mag es auch länger dauern bis sie sich zurück meldet. Hauptsache sie ist Morgen pünktlich. Ausserdem kann sie gut auf sich selbst aufpassen. Also keine Sorgen. Heute hat sie nichts angestellt, so fehlt ihr ein Grund zum erneut weglaufen. Es scheint sie vergisst allmählich das traurige Schicksal mit ihrem Freund. Wird Zeit das sie sich dem Leben widmet. Als nächstes..:“

„denkst du manchmal nicht,“ unterbrach K`tug, „das Du sie zu schnell drängst. Andere lässt du mehr Zeit. Ein ganzes Jahr Lehrstoff kannst du nicht zu wenigen Monaten abkürzen. Dazu bist nur du nur als Halbmelf fähig. Safina stammt sogar aus einem anderen Land. Ihre Sprache, ihr Mentalität verändert sich hier. Das braucht Zeit.“ Er schwenkte einen verschmierten Kochlöffel vor Dongards Gesicht. „Das mit heute Morgen war auch überflüssig! An ihrem freien Tag schlafen andere aus und treten nicht freiwillig , oder aus Gewohnheit an. Um ehrlich zu sein, habe ich für Safina wenig übrig aber das muss gesagt werden. Du behandelst sie anders! Klär mal genau mit ihr die Fronten oder überlegte mal ob es nicht besser wäre sie bis zum nächsten Frühling frei zu stellen. Ein sauberer Anfang mit gleichgestellten Schüler bringt eine klare Linie und erleichtert auch dir eine Menge.“

Diesen Vorschlag zum zweiten Mal präsentiert zu bekommen, ärgerte Dongard. Selbstverständlich verfolgten ihn diese lästigen Gedanken schon seit der Bewahrer ihm einen eindrücklich Vortrag predigte. Irgendwie hoffte er bisher das Safina sich änderte. Es steckte mehr ihn ihr als der gewöhnliche Anschein vermittelte. Fragte sich öfters worin Maximilians Geheimnis lag Safina mit Selbstverständlichkeit zu kontrollieren. Mit Maxim zusammen war Safina wie ausgewechselt gewesen. Er vermisste ihre weiche feminine Seite. Es tat ihm weh sie derart verändert zu sehen. Fast wünschte er sich ihren verlorenen Freund hier ins Lager zurück zu holen um die verschwundene Seite neu aufzudecken. Betroffen meinte Dongard. „Meinst du sie nimmt mir das heute Morgen übel?“

Darauf warf ihm K`tug vor, „Siehst du! Bei anderen weist du genau was sie aushalten. Du kennst sie über ein Jahr! Wie lange kennst du Safina? Seit Deiner eigenen Ausbildung begeleite ich Dich und ich sehe das da mehr dahinter steckt! Warum sonst riskierst du so viel in der kurzen Zeit?

So wie ich Safina einschätzte hat sie das in ihrer Unbekümmertheit längst vergessen... Es ist etwas anderes was sie beschäftigt. In ihrem Blick heute morgen lag ein... Ausdruck. Anders als sonst.“

„plant sie wieder was?“ Dongard Sorgte sich bereits erneut. Entriss mit ungewöhnlicher Geschwindigkeit K`tug den bekleckerten Löffel. Probierte. „Schmeckt gut,“ urteilte er.

Eindrücklich räumte K`tug eine Pause ein, ehe er behutsam anfing. „Hast du schon gehört in welcher Rekordzeit dein Sorgenkind es schaffte den Block alleine auf die erste Reihe zu schieben?“ Nachdenklich reichte Dongard den sauberen Löffel zurück. „Nein, dachte ich gehe erst jetzt mal nachsehen wie die Bauleitung läuft. Da hast du mich aufgehalten. Jetzt wo du es erwähnst... allein? Wie ist das möglich?“

„Dann will ich dich nicht länger aufhalten. Sieh nach und du wirst es verstehen.“

Mit einem strafenden Seitenblick, weil sein langjähriger Freund ihm was vorenthielt, rauschte Dongard davon. Nutzte seine elastischen weichen Schritte, die ihm als Melf zur Verfügung standen.

Mit weitaus weniger Begeisterung entdeckte er bald die verschwitzten Dulies, welche abseits friedlich getrennt spärliches Gras rupften. Keiner der eingeteilten Bauleute getraute sich in die nähe der äusserst misstrauischen Tier. Von ihrem Kopfgeschirr hingen noch Stofffetzen herunter.

Zögern lag ihn Panellans Schritt kaum gewahrte er Dongard. Erzählte was er nach dem Essen vorfand. Seine vergebliche Mühe nachvollziehen wie Safina die Dulies einsetzte. Sorgte sich um das Wohl der kostbaren Tiere. Bei der Befreiung aus dem Hauptgeschirr zog er sich eine schmerzhafte Prellung zu. Einen Tritt der gereizten Dulies. Seither hielt man von den gequälten Tieren Abstand.

Selbst bei Dongards bekannter Annäherung verfärbten sich die Tiere aggressiv rot. Drohten mit gezückter Hinterhand. Selbst der Kommandant hielt es für sichere vorerst die Tiere zu meiden. Verfolgte wie seine Leute den dritten Stein an den von Safinas anreihten. Fällte ein entscheidendes Urteil. „stellt den Aufbau ein,“ sagte er völlig ruhig zu dem unbegreifenden Panellan. „Morgen wird Safina ihr Kunststück erneut vorführen. Mit den selben Dulies. Also freut euch schon mal. Bin selber gespannt wie sie das anstellt. Das wird strafe genug sein meine besten Tiere zu ruinieren. Kümmert euch heute um die innere Architektur. Schnitzt die Säulen zurecht. Ein lockerer Tag wir euren Muskel gut tun. Hat einer von euch zufällig gesehen wohin Safina verschwunden ist?“

Panellan, mit Vorfreude auf den nächsten Tag, lächelte. „nein. Aber ihr solltet vielleicht besser eine Heilerin konsultieren. Nur falls die arme Safina sich morgen einen Knochen bricht. Wir wollen doch das sie bis zum Abend durchhält.“

„Pah,“ entgegnete Dongard siegessicher. „Safina macht mir keine Sorgen. Die hat Energiereserven für Zwei. Passt lieber auf das ihr hübsch ausser Reichweite der scharfen Zehen bleibt.“

Vergebens, in den folgenden zehn Minuten, suchte Dongard nach einem letzten Zeugen der Hinweis auf Safina lieferte. Am Ende begab er sich zu seinem Stellvertreter. Haderte zäh mit sich selber. Derek gab ihm Zeit. Wartete bis Dongard zu einer Entscheidung gelangte. Es fiel dem Kommandanten schwer einen freien Tag zu Verlangen. Er kannte nur die eine ausfüllende Arbeit. Doch einen Tag nach einer verdächtigen Ausreisserin zu suchen, erschien ihm genauso anstrengend. Innerlich ahnte er bereits dass er sie auf eine Weise fand. Übertrug Derek vorübergehend das Kommando und sattelte Ranek, seinen liebsten, schwarzen Drachen. Ein starkes Tier das nur einen Fehler besass, er alterte zu schnell. Zu heftig wirkte das Mittel zum Beschleunigen des Wachstums. Obwohl man es nach dem dritten ausgewachsenen Drachjahr absetzte, begann Ranek bereits mit seltsamen Krankheiten sie sonst nur beim alten Krag ausbrachen. Bereits jetzt im siebten Drachenjahr durfte man ihm kaum mehr Durchzug aussetzten, oder er begann entsetzlich zu husten. Für Drachedamen zeigte schon gar keine Neigung mehr. Was wohl Dongard am meisten bedauerte das er hoffte mit dem sonst perfekt schönen Tier zu züchten. In wenigen Handgriffen sass der Sattel unverrückbar am richtigen Ort. Prustend wandte sich der schlanke Hals seinem Reiter zu. Grosse schwarze Augen beobachteten den ausser Plan eingeleiteten Ausflug. Normalerweise führte man ihn und die anderen bald auf die saftigen Wiesen. Erst nachdem der morgendliche Tau verdunstete, damit die schweren Fussabdrücke kaum einen Schaden hinterliessen. Keinen Hinweis der das Lager verriet. Gemächlich führte Dongard Ranek nach draussen. Überprüfte routiniert das geschmeidige Ledergeschirr. Unruhiges Schnaufen stoppte seine Bewegung. Ein Blick zurück bestätigte das Di`jon wieder mal unruhig in der Box herum tigerte. Dongards Mundwinkel zuckte. Auch er fand eine geniale Idee.

Mit nur einer Halfter führte er kurzerhand Di`jon nach draussen. Eiferssüchtig schnappte Ranek nach dem vermeidlichen Günstling. Geschickt flatterte Di`jon zur Seite. Dongard liess ihn los. „Wo ist Safina? Such Safina.!“

Verdutzt das er ohne ein Seil frei stand, wartet Di`jon brav. Normaler weise durfte er sich nicht frei bewegen. Legte seine Flügel an damit er keine Gefahr für Umstehen bildete.

„Safina!“ Rief ihm Dongard entgegen. Braun- grüne Augen starrten Dongard sanft an, dann zur Seite. Schnupperte in der Luft. Da Dongard keine bekannten Befehl gab. Watschelte Di`jon gemütlich an Dongard vorbei. Worüber der Kommandant sich mächtig wunderte. Ohne zu überlegen griff er nach Ranek Zügel. Marschierte hinter dem jungen Drachen her. Für gewöhnlich führte der sich sonst ziemlich wild auf. Nun spazierte er gemütlich auf zum Höhleneingang. Vor den vorderen Startboxen heulte Di`jon rufend in die Ferne. Lauschte. Von Dongards Schüler blieben die meisten nur kurze Zeit stehen. Sobald sie den Kommandant sichteten arbeitete man fleissig weiter. Da niemand auf Di`jons Ruf reagierte, kam sich diesen noch Einsamer vor. Ratsuchend wandte sich Di`jon an Dongard, doch der reagiert in keiner Weise. Di´jon legte seine Segelohren an. Schnaubte unwillig. Watschelte auf den Personeneingang zu.

 

K`tug stand in Höhlengang. Sorgfältig bekleidet mit einer sauberen Uniform. In der Hand, eine ausladende Schüssel seiner neuesten Kreation an Tomatensauce. Vor ihm die unerbittliche Stahrie. Arme abweisend vor der Brust verschränkt.

„Bitte,“ bat er schon zum dritten Mal. „Gib mir dein ehrliches Urteil. Nur mal kurz den Finger reinhalten und probieren.“

„nein!“ Sie hielt deutlich ihre breite Nase nach oben. „Du weist ganz genau das ich Tomaten nicht leiden kann.“ „Bitte,“ bettelte er inbrünstig. „das ist mir bewusst. Aber die anderen bevorzugen nun mal diese Sauce. Vielleicht schmeckt sie dir schliesslich habe ich sie geschmacklich stark geändert. Diese Sauce ist leicht, luftig, verfeinert mit Rahm...“

„Milchhaut,“ kam es entsetzt. „es ist bewiesen das sie Dick macht. Willst du mich breit sehen wie ein Fass!“ Ihr war heute einfach nicht danach sich voll zustopfen. Meistens half sie in der Küche, weil ihr die Arbeit leicht von der Hand ging. Probierte an jeder Ecke, oder besser musste hinhalten zum Testen. Jetzt nach dem Küchendienst konnte sie kein weiteres Essen mehr riechen. Ausserdem teilte man sie woanders ein. Es war ihr peinlich genug das K`tug sie verfolgte um sie mit einer weiteren Sauce zu belästigen!

„Nein!“ beharrte sie. Drehte ihm den kalten Rücken zu da er eh den Weg versperrte. So leicht gab ein erfahrener Chef nicht auf. Stellte kurz die Schüssel neben sich auf den Putzkasten. Trat dicht hinter Stahrie die ihm eine Menge bedeutete, auch wenn er oft in der Küche über Kleinigkeiten stritt. Wagte kaum mit einer Hand ihre Schultern zu berühren. „Bitte. Bis jetzt lag dein Urteil immer richtig. Wenn es dir nicht schmeckt, dann lassen es die anderen auch auf dem Tisch stehen. Mit Ausnahme von Tomaten Gerichten. Also habe ich was erschaffen was vielleicht trotzdem auch deinen Gaumen trifft. Ohne Käse, ohne Knoblauch.. nur für dich damit du die Nudeln heute Abend nicht leer isst:“

hellhörig schielte Stahrie nach hinten. „Nur wegen mir?“

„Nur für Dich. Weil du mir immer hilfst obwohl ich oft mit dir Schimpfe. Darum dachte ich mir es ist ein gelungene Wiedergutmachung.“

Erweichend wandte sich Stahrie herum. Sah ihm tief in die braunen Augen. Fand nur Ehrlichkeit. „Mal sehen,“ gab sie sich zufrieden. Schnappte sich die Schüssel und drehte ihm erneut den Rücken zu. Abwartend betete er gespannt.

Völlig verwirrt starrte Stahrie in eine leere, saubere Schüssel hinein. Misstrauisch bebte ihre Stimme. „kein Knoblauch, kein Käse, Luftig,“ wiederholte sie gereizt. „Was hast du überhaupt reingetan?“

„Probiere einfach. Einen Esslöffel von Safinas Geheimrezept hat das ganze Verdünnt.“

Stahrie tat so als hielte sie den Finger in die Sauce. „mhm. Wirklich gut. Schade nur das Geheimrezept hat sich zu sehr verdünnt, verflüchtigt.“ Mit Gewitterwolken auf der Stirn hielt sie ihm die leere Schüssel vors Gesicht. Wetterte, „Soll das ein blöder Scherz sein. Es reicht dir wohl nicht mich in der Küche ständig fertig zu machen. Willst du mir damit verdeutlichen was ich dir wirklich Wert bin. Wie kannst du nur...“ Sie war beleidigt, den Tränen nahe. „ich gebe mir wirklich mühe und du..“

Blinzelnd nahm K`tug ihr die Schüssel aus der zittrigen Hand. „wie...? Wo hast du sie hingeschüttet. Es war ein gelungenes Meiserwerk!“ In seiner Verzweiflung überflog er sogar den Putzkasten neben sich. Da gab es aber keine Saucenreste. Schaute Unbegreiflich in ihre traurigen grossen Augen. „Wirklich Stahrie, ich gab mir solche Mühe.“ Durcheinander verdächtigte er sie sogar dass sie die Sauce irgendwohin schüttete, nur um sie nicht zu probieren. Aber wie. Zornig ergriff er ihr Hemd. Stahrie glich die gemeine Attacke mit eine harten Handschlag aus. In dem Moment brüllte Di`jon Ohren betäubend, hinter Stahrie, in den Gang hinein. Schreiend flüchtete sie vorwärts, warf fast K´tug auf den Boden. Im letzten Moment fing er sich, presste Stahrie schützend an sich. Beide starrten zum Eingang. Di´jon musterte die beiden verängstigten Gestalten. Er erhielt keine Antwort auf seinen Ruf. Etwas brannte ungewöhnlich in seinem Magen. Geplagt rülpste er. Zog sich zurück. Zitternd klammerte sich Stahrie an K`tug fest. „Der Chaosdrache,“ bibberte sie, dann schnupperte sie. Liess auf einem K`tug los als verbrannte sie sich an seiner Jacke. „also ich weiss zwar nicht wie deine Wundersauce schmeckt, aber sie riecht erstaunlich interessant, vielleicht leicht säuerlich,“ gab sie zu. K`tug schnupperte auch in der Luft. „Ja, wirklich, das liegt eindeutig am Alkohol.“ „Alkohol,“ staunte sie, schnuppere noch einmal. Er tat es ihr gleich, folgten der verflüchtigenden Spur. Unbemerkt näherten sie sich. Unbeabsichtigt wollte K`tug den günstigen Moment nicht verstreichen lassen, küsste sie flüchtig auf die Lippen. Schockiert erstarrte Stahrie. K`tug der einen neuen Ausbruch befürchtete rettete sich rasch in dem er vorgab. „Ich habe noch in der Küche zu tun!“ Flüchtete förmlich. Unschlüssig blinzelte Stahrie. Da war etwas was sie nicht losliess. Rasch versicherte sie sich das keiner den Überfall gesehen hatte. Auf leisen Sohlen schlich sie K`tug nach.

 

Di´jon drehte suchend eine Runde im Hof umher. Endlich zu Dongard Erleichterung breitete er seine Flügel aus. Sofort sprang Dongard leichfüssig in den Sattel hinauf, dass seine Schüler staunten. Innert Sekunden befestigte er die Sicherheitsriemen. Gab Ranek den Befehl dem jungen Drachen zu folgen.

Als erste peilte Di`jon den täglichen Futterplatz an. Unentschlossen drehte er eine Kurve um wieder zurück über das Lager zu fliegen. Dongard zweifelte allmählich an seinem Vorhaben. Zu seinem Glück überflog Di´jon seinen Stall ohne das geringste zögern. Gelegentlich später er prüfend nach hinten ob sein Begleiter sein Einverständnis einhielt. Flog zielsicher auf die blendende Morgensonne zu. Sobald er das gefährliche Grenzgebiet erreichte, verringerte er seine Höhe. Streifte mit seinen Flügelspitzen über das Tannendach. Hastig schnell, zu schnell. Schon nach wenigen Kilometer landete er auf einer grösseren Tanne die heftig unter seinem Gewicht schaukelte. Di`jon schien es förmlich zu geniessen. Seine ausgebreiteten Flügel jonglierten das Gewicht unverminderte. Verstärkte es soweit das er mehrere Meter weit schaukelte ohne den elastischen Stamm loszulassen. Am äusserten Limit der zähen Tanne, beugte sich Di`jon vor. Drückte die schlank an sich. Lies sich zurückspicken. Im Schwung drehte er sich herum, nutzte den Luftzug geschickt um weiter zu fliegen ohne sein Eigengewicht erst mühsam zu heben. Dongard staunte über die ungeahnten Fähigkeiten seines wertvollsten Tiere. Ausgerechnet er wählte Safina als seinen Begleiter. Es würde schwer, unmöglich sein die beiden je zu trennen.

 

Ungefähr gegen Mittag klettere ich den letzten Hang hoch. Abkürzend wählte ich den geraden Weg nach oben. Die letzten hundert Meter krabbelte ich auf allen vieren den steilen Grasberg hoch. Hier fühlte ich mich gänzlich unbeobachtet. Da leistete ich mir diese unübliche Position. Auf dem Kraterrand dessen weite bis zum anderen Ende fast einen halben Kilometer mass schöpfte ich erst mal Luft. Dünn, sehr dünn. Fleissig arbeiteten meine strapazierten Lungen. Heftig klopfte mein Herzschlag. Wartete, bis sich mein heisser Körper beruhigte. Wachsam begann ich den Abstieg. Auf den ersten paar Meter passte ich gut auf das meine Schuhe Halt fanden. Dann ebnete sich die Wiese. Vollgas rannte ich auf die Mitte des Bodens zu. Dorthin wo erneut das Ufer sich flach senkte um eine kleinen See zu bilden von nur einem Meter tiefe. Kaum zwanzig Meter breit. Fröhlich stürzte ich mich auf das nass zu. Erschöpft brach ich davor zusammen. Schleuderte meine Schuhe und Socken weg. Näherte mich vorsichtig dem Wasserrand. Mit Di`jon war ich ja öfter hier. Also wusste ich von dem weichen Schlammboden, der leicht aufwühlte. Zuerst wollte ich aber von dem gesammelten Regenwasser trinken, darum die behutsame Annäherung. Schlürfte das warme Wasser aus den Händen. Nach dem langen, anstrengenden Marsch erschöpft und ziemlich verschwitzt zog ich mein Hemd aus. Genauso legte ich die kurzen Trainerhosen abseits auf trockene. Nur mit der Unterwäsche watete ich ins Wasser. Langsam. Oberflächlich aufgeheizt wärmte es meine Oberschenkel. Kühl umspülte es die Füsse. Kauerte nieder das besonders mein Rücken , Nacken sich entspannte. Holte Anlauf und liess mich rückwärts fallen. Stand wieder auf, liess mich fallen. Genoss das abwechselnde warm, kalt. Nach wenigen Minuten ausgiebiger Planschzeit stapfte ich schwerfällig auf die warme Wiese hinauf. In diesem Krater speicherte sich die Wärme, geschützt vor jedem Windzug. Wunschlos glücklich streckte ich mich auf dem spärlichen Gras aus. Ganz selten blühte hier feine Blumen mit blauen und weissen Blüten. Darum musste ich kaum auf Bienen achten. Es gab nur winzige Ameisen die gelegentlich über mein Bein krabbelten. Legte mir da Hemd zum Schutz vor der prallen Sonne übers Gesicht. Döste vor mich hin. Ungestört. Kein Vogel piepste. Selten wisperte ein flauer Luftzug über den Kraterrand hinweg. Träumte von Maximilian. Stellte mir vor wie er mich umarmte. Sicherheit bot. Nähe teilte. Er fehlte mir. Aber nicht mehr so sehr das es schmerzte. Eher eine süssen Erinnerung.

Dunkelheit übermahnte den Himmel. Nachdenklich fuhr ich hoch. Unmöglich das ein Gewitter so schnell zwischen Hügeln unbemerkt entstand. Ein kühler Luftzug. Im letzten Moment hielt ich mein Hemd vor dem Gesicht fest, drückte es schützend nach unten. Ein Schrei formte sich in meiner Kehle als ein schweres Monster greifbar vor meinem Gesicht landete. Direkt über mir der lange Hals. Kräftige Flügel ausgespannt, verdeckten mir die wohlige Sonne. So eine Unverfrorenheit. Schliesslich entspannte mich die Wärme. „Di`jon,“ brüllte ich mich fast heiser. Brauchte nur einen Arm auszustrecken um seinen warmen Oberkörper zu berühren. Diese freche Kerl landete förmlich auf mir. Das liess ich mir nicht gefallen. Mehr Respekt! Schnellte ihn die Höhe. Zielte mit meinem Hemd auf seinen Kopf. „Geh mir aus der Sonne. Was fällt dir ein. Na warte wenn ich dich kriege,“ drohte ich spielerisch. Di`jon kannte meinen spöttischen Ton. Sprang ausser Reichweite. An Schnelligkeit mir weit überlegen, dachte ich mir was anderes aus. Im sicheren Abstand verfolgte mich Di`jon brav. Erwartete einen Angriff, gespannt. Lauernd watete er unsicher hinter mir ins Wasser. Als mich bereits der Bauchnabel umspülte , drehte ich mich langsam herum. Winkte Di`jon vergeblich heran. Der plante bereits seinen Rückzug. Geschwind schleuderte ich ihm eine Fontäne Wasser entgegen. Bis heute war ich hier oben nie Baden, also kam die Wasserattacke unerwartet. Kreischend stürzte er rückwärts. Mit einem Schwung stürzte ich mich auf den fliehende Drachenlanze. Packte die breite Platte, drückte sie unter Wasser. Mein zusätzliches Gewicht bremste Di`jons Pläne. Nervös flattert er herum, mit mir als bemerkenswerter Bremsklotz im Schlepptau. Hier im Wasser geschah mir kein Schaden. Übermütig kämpfte ich mit ihm. Obwohl er bald einmal mir den Spass überliess. Genügte ein ernsthafter Flügelschlag mich aus dem Wasser zu ziehen. Vorsichtig ergriff er das ungewohnte Spiel. Zumal er merkte dass er da auf wirklichen Widerstand stiess. Sobald sein Kopf versuchte nach mir zu schnappen, spritzte ich ihn an. Er sass komplett im Konflikt mit sich selber. Er wollte mir nicht weh tun, kam aber auch nicht davon. Mal etwas anderes für einen Drachen. Schliesslich hielt er still. Richtete sich stolz auf. Schielte wachsam nach hinten. Flatterte mit seinen Flügel so geschickt los wie eine Spatz der sein Staubbad einnahm. Wasser peitschte mir entgegen. Mit einem Sprung und tauchen rettete ich mich aus dem Sturm. Nach dem Auftauchen suchte ich die klarere Seite des Sees auf . Befreite mich von dem feinen Schlamm. Di`jon wartete Brav an der trockenen Stelle wo ich vorher lag. Streckte seine Flügel auseinander. Sog die Mittagsonne in sich auf. Erfreut das er mir Gesellschaft leistet watete ich aus dem Wasser auf ihn zu. Aufmerksam verfolgte er meine Bewegung. Deutlich hielt ich meine Handfläche nach oben, zeigte damit meine Harmlosigkeit. Ende des Spieles. Mit einem Seufzer legte ich mich neben ihm ins Gras, ausserhalb des Schatten. Dumpf bebte leicht der Boden als er sich restlos auf den Rumpf niederliess. Etwas grosses näherte sich von der anderen Seite. Ein Auge von mir spähte zu Di`jon der gelassen die Augen geschlossen hielt. Etwas gewaltiges näherte sich. Mein Ohr vernahm es deutlich. Wachsam rollte ich mich auf die Seite. Bekam den zweiten Schock, als ich in ein schwarzes Drachengesicht vor meiner Nase feststellte. Schnellte meinen Ellbogen hoch. Sofort verschwand der Neugierige Kopf von Ranek. Dafür stockte mir der Atem als ich Dongard erkannte. Direkt neben mir stand er. Kauerte nieder. „hallo,“ grüsste er schlicht.

Mit trockenen Hals gelang es mir gerade zu fragen. „Was machst du den hier?“

Er griff nach Ranek Kopfgeschirr. Zog daran bis es über den Kopf glitt. Warf es weit hinter mich. „ich habe mir erlaubt auch einen Tag frei zu nehmen. Ausserdem fehlt mir jemand der meinen Schlaf bewacht.“ Seine schlanken Finger lösten die wenigen Knöpfe seiner Uniform. Warf den dünnen Mantelstoff achtlos zu den Zügeln. Seltsam ihn so zu sehen, in einem Trägerhemd. Zum ersten Mal sah ich das seine Schultern weitaus kräftiger waren als wie vermutet. Auch seine Oberarme. Dabei sah man Dongard ausser dem morgendlichen Laufen nie trainieren. Allerdings übertraf ihn mein letzter Freund an Kondition an weitem.

Ungeachtet meinem neugierigen Blick löste mein Kommandant das Band in seinem Nacken. Legte sich danach nieder wie sonst immer. Nur diesmal kitzelten mich seine langen, leicht gekräuselten Haare auf meinem Bauch. Schützend hielt er einen Arm gegen die blendende Sonne. Blinzelte mich an. „Ist was.“ Auf mein Kopfschütteln hin, meinte er, „Dann entspann dich. Der Abend kommst schnell genug.“

Ihm Recht gebend legte ich mich ins Gras. Nach kurzer Zeit zupfte ich Di´jon am Flügel. Winkte ihn näher heran das sein Schatten über uns viel. In der windstillen Mulde stieg die Nachmittags Temperatur unerträglich an. Flüsterte, „Hast du es bequem in deinen Stiefeln?“

Undeutlich murmelte Dongard etwas von Heiss. Verständlich. Angelte mein Hemd heran. Legte er polsternd unter Dongards Kopf. Leise trat ich zu seinem Bein. „Hey,“ neckte ich,“ Entspann dich.“ Begann langsam zu ziehen. Zäh liess sich der feuchte Lederstiefel von den Hosen trennen. Erleichtert seufzte mein Kommandant auf als ich den ersten Fuss befreite. Hielt mir den nächsten bereits vor die Nase. Diesmal zog ich so fest das er schon bei Di`jon Unterstützung suchte. Genau wie er warf ich die Stiefel zum Rest. Begab mich schleunigst in den kühlen Schatten. Bevorzugt an meine gewohnte Stelle. Bevor ich richtig sass packte Dongard meine Hand und zog mich erstaunlich forsch seitlich zu ihm. Zögerlich streckte ich mich auf dem Rücken aus. Öfters drückte er meine Hand an sein Herz. Heute genauso, also entspannte ich mich rasch. Auf einmal streichelten seine Finger über die Innenfläche meiner Hand. Träge sah ich zu ihm hinüber. Er richtet sich seitlich so schnell auf das ich kaum nach kam mit realisieren. Bevor ich auch nur einen klaren Gedanken fasste was sich da alles anders abspielte als üblich, küsste er mich, mitten auf den Mund, flüchtig. Seine Lippen berührten mich kaum noch, er schien zu warten. In seinen Augen lauerte versteckte Entschlossenheit. Nach einem kurzen Nachdenken entschied ich mich zum Protest anzusetzen. Kaum öffnete ich den Mund küsste er mich wieder. Diesmal mit Zunge. Tiefgehend, erstickte mündliche Gegenwehr. Unmöglich festzustellen wie lange es dauerte. Ich versank in einem verwirrten Strudel. Es zog mich förmlich zu ihm hin. Meine Hände wollten meine letzte Vernunft unterstützend. Stemmten sich gegen seine feuchte Brust. Seine Arm umschlang meine Taille, zog mich Kompromisslos an seine Seite. Mir wurde Heiss und flau im Magen. Einerseits verabscheute ich meine Schwäche. Woher kam nur diese überwältigende Verlangen. Dongard liess seine berühmte singende Gabe ruhen. Einzig seine Leidenschaft riss mich förmlich mit. Küsste mich so innig das es mir fast den Atem raubte. Warmer Atem streifte meinen Hals. Endlich kam ich zu Wort, aber die Laute blieben in meinem Hals stecken. Stattdessen flüsterte er heiser in mein Ohr. „Sag mir das du das nicht geniesst!“ Lass in meine verzweifelten Augen die Wahrheit. „dann lass uns alles andere mal vergessen,“ beschwichtige er. Küsste mich erneut das mir schwindelte. Bemerkte kaum wie eine seiner Hände meinen Bauch streichelten. Meine Hände erkundigten längst was unter seinem Hemd steckte. Irgendwann fühlte ich mich schwerelos, wie ein Licht das mich mitriss. Es viel mir schwer überhaupt zu atmend. Hörte mein rasselndes keuchen, oder war es seines? Forderte mich bis an die körperliche Grenzen und mehr. Ähnelte einem Tausch von Geben und nehmen. Verlangte, lockte nach restloser Hingabe. Verführte, sein Körper umschlang mich eisern. Gab mir Halt, hielt mich Gefangen zugleich. Das war nicht die vollkommene Liebe wie ich sie von Maximilian kannte. Reines Verlangen, oder Begierde verlangte nach Befriedigung. Hier riss es mich so mit das ich das Gefühl bekam zu sterben. Entführte einen Teil von mir. Füllte diese klaffende Lücke mit neuen fremden Kenntnissen.

Lange dauerte es bis ich wieder was wahrnahm. Mein Atem sich einigermassen erholte. Stellte fest das die Sonne noch schien, Dongard mich in seinem Arm festhielt während die andere Hand über meiner linken Brust lag. Besorgte Gesichtszüge glätteten sich. Mir dämmerte das er meine Atmung bewusst verlangsamte, normalisierte. Hauchte matt „Hey, es geht mir gut. Was, wie hast du das angestellt?“

Schuldbewusst presste er die Lippen zusammen, flüsterte, „verzeih mir.“

Leer schluckte ich. „das du mich so überfallen hast?“

Er schüttelte freudlos den Kopf. „Nein, das es so endete. Ich hätte dich vorwarnen sollen. Meine Gabe ist mir irgendwie entglitten.“

„deine Gabe,“ versuchte ich mich zu erinnern. „Du hast sie gar nicht eingesetzt. Jedenfalls merkte ich keinen Hinweis an dieses..“ Schwach deutete ich auf meinen Kopf. Das löste endlich ein Lächeln aus. „Diesmal meinte ich eine andere Gabe. Keine die ich bewusst mit meinen Gedanken steuere sondern von...“ Er hielt meine Hand an sein Herz. „Von da herkommt.“

Alles war vollkommen anders, verändert. Meine Hände berührten seine helle Haut. Erkannte die starke Persönlichkeit, seine spezielle Besonderheiten. Mir war als ob ich vertrautes berührte. Einen Teil von mir und zugleich bisher fremd. Dongard liess meine Gedanken arbeiten. Legte sich beruhigt, erschöpft neben mir nieder. Ich fragte mich wirklich; wer war dieser Mann neben mir. Vertraut und zugleich fremd. Oder kannte ich mich selber nicht und der Rest war normal. Ich sah hoch zu Di`jons Flügel. Dongard unterbrach meine verwirrten Gedanken. „Safina ?“ begann er bedeutungsvoll, „ Du hast einmal gesagt das wenn du dich jemandem hingibst dann nur weil du eine engere Beziehung eingehen willst. Darum möchte ich dich fragen ob du dir vorstellen kannst...“ Er wirkte stark verunsichert. „Willst eine Beziehung mit mir eingehen?“ Es klang genauso als ob er fragen würde ob ich ihn heiraten wollte. Auf keinen Fall! Diesen.... Tyrann, an seiner Seite alles teilen, direkt unter seinem scharfen Blick zu stehen. Ahhh!

Meine Augen blinzelten heftig, ungläubig. Langsam kehrte die gewohnte Safina zurück. „Dongard,“ sagte ich eindeutig klar, „Irgendwie kommt es mir vor als ob die Rollen vertauscht sind.“

Nachdenklich stützte er sich auf den Ellbogen auf. Liess ich nicht aus den Augen. „Was meinst du damit?“

„Dass ich überzeugt bin, das normalerweise Frauen dich das nach so einer Vereinigung fragen?“ Das entlockte ihm sogar ein kurzes Stirnrunzeln. Wollte mir weismachen, „Nein, bisher wünschten die meisten zwar eine längere Beziehung nur hinsichtlich Sex.“

Da fehlte mir einiges an Information über diese Welt. Heiter gestand mir Dongard. „Keine von denen hatte wirklich eine Vereinigung. Das ist ja der bekanntlich himmelweite Unterschied zwischen Menschen und Melfen. Meine Liebe , ich habe dich nur fast an den Wahnsinn gebracht weil WIR eine Vereinigung teilten.“

„Aha,“ setzte mich auch auf die Knie. Beschäftigte mich weiterhin. „N`toki?“ Fragte ich unglaubwürdig. Scharf atmete er ein. „ja, zwei, drei mal. Sie hat sich daraufhin geändert. Deswegen halte ich sie auf Distanz, damit sie kapiert das ich nicht ihr Eigentum bin. Sie war früher furchtbar eifersüchtig.“

Das nannte er Früher. N`toki bewachte ihn immer noch wie eine Besessene. „Du hast sie aber nie gefragt, wegen einer Beziehung.“ „Nein. Darüber will ich jetzt nicht reden. Mich interessiert nur wie Du darüber denkst.“

Vorerst streifte ich mir den BH wieder über, und den Slip nach oben. War bequemer und ich fühlte mich sicherer. „An deiner Seite,“ überdachte ich kurz. Mit einem milden Ausdruck wartete er gespannt.

„Nein,“ sagte ich halb durch die Zähne gepresst. Wollte Dongard keinesfalls verletzen. Es tat mir selber weh, diese Entscheidung. Realität, das ich mir kaum vorstellte wie es überhaupt an seiner persönlichen Seite sein sollte. Es bereitete mir Angst in seinem Schatten zu stehen. Dongard war eine unverkennbare Macht. Wenn es je Ärger zwischen uns gab hielten bestimmt all seine Leute loyal zu ihm. Wie kam ich dann zurecht.

Bedrückt sah ich auf meine Füsse hinunter. Dongard hielt mein Kinn nach oben das ich seine dunklen Augen sehen musste. „He, ich habe mir schon gedacht das es nicht einfach wird dich zu überzeugen. Um ganz ehrlich zu sein, ich hoffte es mir sogar. Auf eine Weise bin ich zwar enttäuscht. Grösstenteils bin ich aber sehr erleichtert das ich genau die Safina vorfinde, die ich bereits kenne. Aus diesem Grund biete ich dir auch eine tiefergehende Freundschaft an.“ Lange sah er mich gründlich an. Diesmal freute ich mich über seine Nähe. Ob er mich wirklich so genau kannte? „Dongard,“ gab ich zu bedenken, „Was gibt dir die Sicherheit das ich mich nicht ändere? Oder bereits verändert habe?“

Heiter sah er in den Himmel hoch. „von den Frauen hat sich keine nach der Vereinigung gewöhnlich beschwert; was ich mir ihr gemacht habe, sondern sie haben angefangen zu schwärmen. Ihre Augen bekamen diesen besonderen Glanz. Man könnte fast...“ „Frauen?“ warf ich ein. „Jetzt sind es demnach schon mehrere!“ Mahnend verpasste Dongard mir einen leichten Seitenhieb mit der lockeren Hand. „Wenn du es unbedingt genau wissen willst, zwei. Fhary war meine erste grosse Liebe. In der Ausbildungszeit zum Kommandant lernte ich sie kennen. Zwischen uns hat es schon nach der ersten Begegnung gefunkt, also nahm ich an sie sei meine zukünftige Gefährtin. An einem Abendfest vergass ich all meine Vorsicht... Am nächsten Morgen hing sie überschwänglich an mir wie eine Klette. Schwärmte von einer gemeinsamen Zukunft. Das alles hätte ich ertragen. Einen Monat später schickte man sie von der Schule nach Hause. Weil sie zu wenig für den Unterricht lernte. Sie wollte aber nicht zu den Eltern zurück. Verfolgte mich und bat ständig das ich ihr das Versprechen anbiete. Wenn sie ihre Würde behalten hätte. Sich um ihre Ausbildung weiterhin bemühte... nichts dergleichen. Sie war wie besessen. Als ich Anfing ihr aus dem Weg zu gehen, ist sie irgendwann über Nacht verschwunden. Lange Zeit pflegte ich danach nur oberflächliche Beziehungen. Erst als N´toki vor zwei Jahren aufkreuzte begann ich zu hofften dass sie die innere Stärke besass eine Vereinigung unbeschadet zu überstehen. Erst nach ein paar Tagen merkte ich wie sie die anderen Frauen hinter meinen Rücken tyrannisierte. Seither wies ich sie oft zurecht und sie weiss das eine offene Beschwerde genügt um sie endgültig aus dem Lager zu schicken...“

„Weshalb hast du gerade mich wieder auserwählt?“ Von all den hübschen Frauen die ihn ständig umgaben, was veranlasste Dongard gerade mich mir diese bedeutende Rolle einzusetzten?

Dongard zupfte in meinem Haar im Nacken. Beugte sich ohne Eile vor. Seine Lippen streiften meine Schläfen. Legte seine Stirn an meine. „Saf, seit ich dich das erste Mal sah spukst du in meine Gedanken herum. Du zeigst keine Angst vor mir wenn ich mich mal Ärgere. Immer findest du einen Weg auch unangenehme Aufgaben einfach zu lösen. Du... schaffst es mich ständig zu überraschen. Ach, ja. Da gibt etwas was ich nach dem Essen mit dir Besprechen muss. Das ist ein offizieller Termin in meinem Büro, klar!“ „Ja, Kommandant Dongard,“ pflichtete ich ihm brav bei.

„Ausserdem hast du einen enormes Durchhaltevermögen. Eine gerade uneinsichtige Sturheit an der ich hoffnungslos Abpralle. Gerade das hat mich veranlasst es mit dir zu Versuchen. Meine Gabe, diese innere Gabe, funktioniert nur wenn beim anderen eine gewisse Sympathie vorhanden ist. Seit ich dich beobachtete scheint es mir ich bin dir nicht ganz Gleichgültig. Jedenfalls reden deine Augen manchmal eine deutliche andere Sprache. Nachdem du heute praktisch Halbnackt neben mir liegst dachte ich...“

Strafend zupfte ich an einer langen Haarsträhne. „Bin ich ein Versuchskaninchen? Am Ende gibst du mir noch die Schuld!“ Sachte nahm er meine Hand. Tastete über die verdickte Hornhaut der Innenfläche. Besorgt fragte er, „Sind das Spuren vom Stall?

Nein, heute nehme ich alles auf mich. Allerdings gebe ich dir einen guten Rat. Möchtest du so was wie heute vermeiden, spaziere bitte nicht so offenherzig vor mir herum. Andernfalls, nehme ich dein Angebot gerne an. Noch fragen?“

Versonnen sah ich in seine violett leuchtenden Augen. Setzte gerade zum Kopfschütteln an als ich mich erinnerte. „du willst mich weiterhin für eine Vereinigung?“

Verschmitzt lächelte er mich an. Schien mir wieder so unbeschwert Jung wie vor einem Jahr. „Für das oder einfach nur eine gewöhnliche Befriedigung. Wonach dir der Sinn steht.“

Darauf schluckte ich erst mal schwer. „Okay. Sind Vereinigung immer so überwältigend, wie heute?“

Er legte seine Hand über die stelle wo mein Herzschlag schlug. „Ich weiss was du meinst. Anstrengend? Du überraschst mich mit deiner Zähigkeit. Einfache Menschen haben Mühe diese Gewaltige Energie zu verkraften. Um dich machte ich mir ernste Sorgen. Mir war es unmöglich... das sind Gefühle ... die kann ich wenn ich sie einmal frei lasse kaum stoppen. Später als ich wieder zu mir fand, dich so erschöpft neben mir liegen sah... es hat mir furchtbar weh getan. Zuerst wunderte ich mich selbst. Normal verfüge ich über die Kraft mich zu Beherrschen. Nur bei dir war es das erste Mal anders. Vermutlich weil ich gerade ahnte das du es unbeschadet übersteht. Du weist ja das ich über gewisse Dinge im Voraus automatisch Bescheid bekomme. Es... Safina,“ bat er, selber ein bisschen überrumpelt.

So nah sein Gesicht vor meinem. Meine innere Furcht überwindend, küsste ich ihn sachte auf den Mund. Zurückhaltend antwortete er. Als ich mich zurück zog, strahlte er mich an. „Eines Tages wird es mir sicher gelingen dich zu überzeugen dass dein Platz an meine Seite gehört. Bis dahin halte ich mich an das was du freiwillig mir schenkst. Ich verspreche dir das ich keine Vereinigung mehr einleite ohne dein Verständnis. Ist das in Ordnung?“ ich nickte. „Damit ist wohl geklärt dass ich heute Nacht in Ruhe schlafen kann.“

Schwerfällig stand Dongard auf. Schüttelte schwach den Kopf mit einem Lächeln, „Du bist unverwüstlich.“ Daraufhin bedauernd er. „Wir sollten besser aufbrechen wenn wir vor dem Nachteinbruch zurück sein wollen. In ungefähr..“ er schätzte den Sonnenstand. Mein Interesse gehörte einzig seinem knackigen blossen Hintern. Überhaupt wenn ich ihn so unbekleidet betrachtete, viel es mir schwer vorzustellen in Zukunft auf ihn zu verzichten. „zwei Stunden gibt es Abendessen.“

„Was,“ kam es entsetzt, dann erinnerte ich mich an mein ausgelassenes Mittagessen. „kein Problem,“ sagte ich locker. „Ich hab Vorgesorgt.“ Holte meine Sandwichs aus der Tasche. „Auch was,“ bot ich ihm an. Was ihn erneut amüsierte.

„Safina und Essen. Zwei Sachen die zusammen gehören. Wie wäre es heute mit einem romantischen Abendessen in meinem Zimmer, mit Kerzenlicht. Niemand stört uns und wir haben ganze Nacht Zeit uns besser kennen zulernen. “ Schmeichelte mein Kommandant.

„Pah,“ gab ich schonungslos zu wissen, „Darauf kannst du lange warten. Da verzichte ich gerne. Es gibt Leute die brauchen ihren Schönheitsschlaf. Die haben die Jungend nicht mit den Genen geschenkt bekommen!“

Dongard schenke der groben Abfuhr keine Aufmerksamkeit. Kleidete sich an. „wollen wir wetten,“ forderte er mich auf während er seine langen Beine in die Stiefel zwängte. „Das du heute bei mir Isst!“

Warnend juckte es in einer Nase. „Wetten, wie meinst du das? Was kann ich verlieren?“

Zielstrebig kam Dongard näher. Packte mich um die Taille, zog mich dicht heran, das ich hastig mein Sandwichs ausser Reichweite seiner sauberen Uniform hielt.

„Safina wenn du verliert, arbeitest du ab übermorgen bis zum Bauende an der Halle,“ funkelte er mich listig an. Wenn du gewinnst hast du nächste Woche einen Freitag mehr. Einverstanden?“

Hastig arbeitete mein Gehirn. Auf jeden Fall, wenn ich mich beeilte schaffte ich es zum Abendessen rechtzeitig. Dann hiess es nur noch Dongard zu ignorieren. Notfalls Essen schnappen und in der Höhle sich zu verbarrikadieren. Das klang sehr gut, bis auf eine Winzigkeit. „Dongard, du lässt doch deine Magie aus dem Spiel?“ Widerwillig verzog er das Gesicht. Das war also sein schlagender Trumpf gewesen. Verstimmt lies er mich los, sattelte seinen Drachen.

Ich wählte mich schon siegessicher als er unverhofft einwilligte. „einverstanden.“ Forderte meine Hand. Wo war die? Moment, die eine belegt mit dem angebissenen Sandwich die andere bereits auf seiner Uniform. Wie machte er das bloss? Einwilligend gab ich die freie Hand. Worauf er meinte. „Schön. Ich habe dein Wort.“

Drückte mich näher. Flüsterte verschwörerisch in mein Ohr. „Die Nacht wird schöner. Ich verspreche dir das ich zärtlicher sein werde. Du wirst dich gerne an sie zurück Erinnern.“

Mit drohender Stirn, kräftiger Hand drückte ich Dongard energisch weg. „Und mir eine Woche Strafarbeit einhandeln. Träum weiter! Noch sind wir nicht zuhause! Lass mich schon mal an die Vorspeise ran!“

Freundlich gewährte mir Dongard spärlichen Abstand. „Darf ich auch was? Ich habe nämlich auch Hunger. Lass mich nur einmal abbeissen.“ Wer wiederstand diesen sanften, bittenden Augen. Ohne Nachzudenken übereichte ich ihm das essen. Nie zuvor sah ich Dongard seine Herkunft voll ausschöpfen. Stets verhielt er sich wie ein normale Mensch. Heute belehrt er mich eine andere Seite. Innert Rekordgeschwindigkeit sprang er auf seinen Drachen. In der Hand hielt er sogar meinen Rucksack. Wie .. Wann?

„Auf,“ sein knapper ruhiger Befehl. Ranek von der Sonne schön aufgewärmt schwang seine Flügel hoch. Seine nächsten Worte verletzten schon mehr. „Di`jon, Auf,“ Schrie er zurück. „Safina , wir sehen uns.“ Mit etwas Furcht bangte ich um seine Sicherheit. Erst oben in der Luft begann er seine Sicherheitsriemen anzulegen. Das war streng gegen die Vorschrift. Dann glitt sein Drache elegant über den Hügelkamm ins Tal hinunter. Zögernd folgte ein unwilliger Di`jon.

Mehr als eine Minute brauchte ich um mich zu erholen. Erst mal die Vereinigung. Himmel, ich schlief mit Dongard, meinem Chef. Meine Beine fühlten sich jetzt noch schwach an von diesem überwältigenden Überfall. Hinterlistig raubte er mir den Proviant! Jetzt sass ich ca. fünfzehn Kilometer weg von meinem Lager. Mit einem hungrigen Magen. Erschöpft und musste doch gegen die Zeit antreten! Dongard! Kochte es in meinem Innern. Dann in gedenken an die einmalige, unvergesslichen Nachmittagsstunden schon sanfter, Dongard.

 

Es reichte! Wirklich es reichte. Ganz knapp. Fünf Minuten sogar zu früh! Erreichte ich das völlig am Ende die Ställe. Jetzt nur nicht schlapp machen. Mahnte ich mich. Noch ein paar Meter bis zur rettenden Bank am Tisch. Alleine jetzt noch den Platz zu überqueren grenzte an meine Höchstleistung. Einzig damals als mich auf der Fluch vor den Fliegern befand, übertraf die heutige Leistung. Damals brauchte ich auch mehrere Tage bis meine Bänder in den Beinen sich erholten. So schlimm war das heute nicht. Bedeutend nur der Kampf gegen die Müdigkeit im Körper, verursacht durch einen leeren Magen. Ausserdem fühlte sich nicht nur mein Magen leer. Mir kam es vor als bestünde ich aus einer wackeligen Hülle die gleich einzubrechen drohte. Schuhsohlen schiefen sich über dem felsigen Untergrund ab. Noch ein Schritt, noch einer, zwang ich mich unerbittlich vorwärts. Wofür das alles! Um einem persönlichen Abend mit Dongard auszuweichen. Gewissermassen kam ich mir sogar blöd vor. Viele Frauen träumten nur von so einer einmaligen Gelegenheit. Aber ich besass meinen Stolz. Ich war einst die treue Freundin an Maximilians Seite gewesen. Ein schönes Gesicht und ein wunderbarer Körper führten mich nicht gleich in Versuchung. Hoffentlich sah ich heute nicht sein verführerisches Hinterteil!

Schwer atmend lehnte ich mich an die nächste kühle Felswand. Wartete bis die bedrohliche Erschöpfung vorüber ging. Meine Augen wieder klar sahen. Ausserdem hatte ich Durst. Oben in den Hügeln gab es keine Quelle. Wegen des blöden Zeitmangel riskierte ich keinen Umweg zum Fluss. Noch drei Minuten. Jederzeit rechnete ich mit dem kurzen Hornsignal das zum Essen rief. Schweiss lief mir über die Stirn. Wischte es mir mit einem bereits feuchten Teil des Hemdärmels ab. Eine scharfe Ecke, dann erblickte ich den ersehnten Eingang der Höhle. Derek marschierte in weiten Schritten in meine Richtung. Vorsichtig setzte ich jeden trägen Fuss bewusst vor den anderen. Aufmerksam bremste Derek seinen Geschwindigkeit. „Alles in Ordnung? Du siehst... scheusslich aus.“ Mein drohender Blick beschleunigte seinen Abgang. Komplett kraftlos schleppte ich mich die letzten Meter auf mein Ziel zu. Nur nicht aufgeben, so nah. Im kühlen Eingang schöpfte ich erneut nach Luft. Zwang mich vorwärts. Sobald ich den Vorhang auf die Seite schob, überblickte ich eine leere Stube. Mit Ausnahme Dongard der gewohnt am Ende des Tisches friedlich in einem Buch las. Bei meinem Eintreffen blickte er kurz hoch. „Schön du bist pünktlich. Bereit für mein Zimmer?“

Durcheinander suchte ich nur nach der nächsten Sitzgelegenheit. Es roch eindeutig nach Küche, nach Essen, nach herrlichem, gebratenen Fleisch. „Wo sind die anderen.“

Dongard spielte überrascht. Legte sein Buch auf die Seite. „oh hast du es nicht gewusst. Wir haben eine Stunde früher gegessen. Mit Ausnahme von mir. Heute Abend würde ich mich gerne von dir füttern... Alles in Ordnung!“ kam es ehrlich besorgt. Bei dem Geständnis das ich das vorgeschobene Essen verpasste, versagten meine zittrigen Beine den Dienst. Bevor ich die Bank erreichte sank ich einfach erschöpft auf den ausgetretenen Teppich nieder. Noch hielt ich mich einigermassen aufrecht. Dieser Mistkerl trickste mich ständig aus. Erschlagen blickte ich über die Tischkante hinaus. Gespannt , abwartend sass er in schräger Haltung da. Den Kopf auf einen Hand gestützt. „Soll ich dich tragen,“ offerierte er freundlich. Mit letzter Kraft zog ich meine schweissigen Schuhe aus. Meine geschwollenen Füsse taten weh. Schleuderte mit der Wut der Verzweiflung den Schuh Richtung Feind. Dongard verzog keine Miene da ich ihn einen Meter verfehlte. „nicht schlecht. Morgen will ich die Schuhe beim Antreten in einem sauberen Zustand sehen.“

Aufgeben streckte ich mich auf den staubigen Teppich nieder. Alles war mir egal, ich wollte nur meine Ruhe. Atmete flach. Nur ein paar Minuten Ruhe. Da gab man sich solche Mühe und erntete nur Spot. Kühle Finger tasteten über meinen Hals. Strichen danach ei paar lästige Strähnen aus dem Gesicht. Dongard lobte. „Wirklich gut! Niemals rechnete ich damit das du pünktlich heimkommst. Als reine Vorsichtsmassnahme verschob ich das Essen, damit du keine Gelegenheit bekommst dir was vom Tisch zu schnappen oder eine Szene anzufangen. Versuch tiefer zu atmen. Es hetzt dich hier keiner. Mein Hunger kann warten. Soll ich dir aufhelfen?“

„Lass mich zehn Minuten einfach liegen. Ich erhole mich von selbst. Geh schon mal vor!“ Knurrte ich übellaunig. In seinen bequemen Hausschuhen stand Dongard lautlos auf. Ging zum Tisch. Sein Buch schleifte über die Tischplatte. „Wie du wünschst. Komm einfach so wie du bist. Wir Essen zuerst, danach erholen wir uns in einem lauwarmen Bad. Ich freue mich schon darauf.“ Kühler Luftzug streifte mein Gesicht. Mit ihm ein warmer Fleischduft und eine würzige Sauce. Allein der Geschmack reichte meinen Mund zu wässern. Leise sagte Dongard. „Bring die Köstlichkeit in mein Zimmer. Ich glaube Safina kommt bald nach.“

Verärgert schloss ich die Augen. Presste meine Hände zu Fäuste. Ich war ganz alleine. Genauso wie ich es mir vorstellte. Alle hielte zu Dongard. Das war meine Zeit, mein Kampf zu beweisen das ich nicht aufgab, egal wie sehr ich darunter litt. Leichte Schritte, der Vorhang rauschte. Unverkennbar K`tug flüsterte dezent, „Safina, kann ich dir helfen?“

Mir schossen fast die Tränen in die Augen. Keuchte, holte tiefer Atem, hustete. Mag sein das einer Gnade für mich besass. Hier war kein Platz für Schwächeleien. Entgegnete müde, „Danke, sehr lieb von dir, aber nicht nötig.“ Stemmte mich mit den Armen hoch. Zog die Beine in die Richtige Position. Gab mir eine Ruck. Rollte mein Gewicht auf die andere Seite und drückte gleichzeitig meine Knie durch. Wackelig stand ich auf meinen schweren Beinen. Vor mir der leere Tisch. Moment mal da gab es eine gefüllte Blumenvase. K`tug verfolgte meinen erstarrten Blick. Träge streckte ich meine Hand aus. Hastig schnellte der Koch vorwärts. Riss die gelben Sommerblumen beschützend an sich. „Bist du wahnsinnig,“ herrschte er mich an. „Die enthalten Gift!“

Ohne den Kopf zu wenden gab ich zurück. „Behalt das Gemüse.“ Schnappte mir die Vase und trank das verlangte Wasser bis zum letzten Tropfen aus. Ungewollt rülpste ich ungebremst. Holte tief Luft und fühlte zum ersten Mal seit den letzten Stunden eine innere Ruhe. Erholter drehte ich mich herum. Fassungslos starrte mich K`tug an wie einen Ausserirdischen. Kaum setzte ich mich in Bewegung drückte er die Blumen fester an sich. Erheitert schlurfte ich in mein Quartier. Es gab nur ein kleines Stück ausgetrocknetes Brot. Meine eiserne Reserve für Notfallsituationen. Vorsichtig kaute ich an dem Brot herum, achtete darauf dass die harten Kanten mich nicht in die Lippen schnitten. Leider verursachte das Brot einen weitaus grösseren Hunger als vorher. Da nützte es nicht das ich jede Schublade zweimal durchsuchte. Entweder hatte Dongard meine verstecken Reserven vorher gefilzt oder ich vergass sie aufzufüllen. In letzte Zeit war es nie nötig gewesen etwas auf die Seite zu tun. Man bekam zur richtigen Zeit immer genug zu essen. Traurig setzte ich mich auf die Bettkante. Trotz der Wärme im Raum fröstelte es mich. Ganz klar eine Nebenerscheinung des Hunger. Wo gab es was zu Futtern. Die Tiere lebten besser!?!

Na, klar. Den leicht gemahlenen Mais vertrug ich bestimmt. Mit neuer Hoffnung begab ich mich auf den Weg zum Stall. Keiner war im Gang. Aus Monats Zimmer hörte man Lachen. Vermutlich spielten sie wieder Karten. Glück für mich. Ungesehen gelangte ich in die Nähe der Ställe. Die Tür war zu. Gerade näherte ich mich, da ging sie auf. Derek mit einer Fackel in der Hand. Blickte zu den ersten schwachen Sternen hoch. Dann gewahrte er meine Bewegung. Zu spät um zu fliehen schaltete ich tapfer auf vorwärts. „hallo, Derek,“ bemühte ich mich locker zu sein. „Ich schaue mal kurz bei Di`jon vorbei.“

Es klappte. Ohne Einwände liess er mich vorbei. Hielt die Fackel hoch, damit ich den Lichtschalter sah. Hinter mir sagte er bestimmend. „Zwei Minuten. Wir sollen alle nach acht Uhr im Quartier sein. Befehl!“

Bestätigen sagte ich erfreut. „Kein Problem. Ich hole dich ein bevor du den Quartiereingang erreichst.“ Spazierte gemütlich auf Di´jons Box zu. Hoffte vergebens das Derek zwischenzeitlich verschwand. Verzweifelt blickte ich zu dem kauenden Drachen der gemütlich sein Abendessen verschlang. Derek rückte einfach nicht von seinem Platz. „Hey, du kannst mich ruhig einen Moment alleine lassen. So erschöpft bin ich von dem Nachmittags Training auch nicht dass ich einen Bewacher brauche!“ Griff ich ihn kurzerhand an. Seine Antwort zerschmetterte meine Hoffnung. „Sorry, wir haben strickten Befehl dich ausserhalb des Quartiers zu beobachten. Dongard vermutet das du irgendwo was Essbares versteckt hast, oder findest.“

„Scheisse,“ flüsterte ich inbrünstig, unhörbar für ihn. Fasste mich, rief mich zur Vernunft. „Dann will ich mal dich nicht aufhalten.“ Verliess den Stall wieder. Wilde Beeren reiften erst im späteren Sommer. Es gab rein gar nichts. Mit hängenden Mundwinkel schlurfte ich in mein Zimmer zurück. Ohne Licht, ohne die Kleider auszuziehen, warf ich mich aufs Bett. Mein Magen polterte protestierend. Dennoch versuchte ich zu Schlafen. Vielleicht, so hoffte ich, verstrich die Zeit so erträglicher bis zum Frühstück. Für einen geraumen Zeitpunkt schlief ich auch ein.

Irgendwann wachte ich auf. Mitten in der Nacht. Die Höhle fühlte sich absolut ruhig an. Keine leitender Ton an de Wand zu vernehmen. Keine Schritte draussen. Wie spät mochte es sein? Leise huschte ich zur Tür. Hielt den Kopf nach draussen, lauschte. Ausser dem lauten Schnarchen meines Nachbarn kein Laut. Genial, die Küche gehörte mir allein. Mit einem Grinsen im Gesicht, bereits mit Socken unterwegs pirschte ich mich an die Küche heran. Kein Wächter bewachte den ersten Eingang. Die gute Stube vollkommen leer. Nicht der geringste Atemzug eines Wachposten. Weiter, weiter, drängte mich eine ungeduldige Stimme im Hinterkopf. Rauschte für meine Schwäche erstaunlich schnell durch den Raum. Letzte Tür. Schon als ich das Holz auf die Seite schob, vernahm ich das verräterische Kratzten einer Dose. Da hat doch jemand eine einfache Falle gestellt. Behutsam brauchte ich fast fünf Minuten um die Türe Zwanzig Zentimeter zu öffnen. Quetschte mich vorsichtig, seitlich durch den schmalen Spalt. Drinnen jauchzte ich stumm. Wusste wo der Kühlschrank stand. Trippelte übermütig auf ihn zu. Stoppte im letzten Moment als ich ein schwaches Hindernis spürte. Was war das feine Ziehen auf Kniehöhe. Meine Hände tasteten Geduldig bis sie den gespannten Faden erfassten. Dongard ist richtig Gut. Aber nicht Perfekt. Vorausschauend tastete ich mich auf Kopfhöhe weiter. Erst auf Halseben wurde ich fündig. Also stieg ich gebückt durch die goldenen Mitte. Von Tisch her duftete es verführerisch. Nur vermutete ich dort auch die meisten Fallen. Lieber den harnlosen Kühlschrank. Keine Schnur am Türgriff. Sehr gut. Niemand rechnete damit das ich den weiteren, aber sicheren Weg wählte. Drückte vorsichtig die Tür auf. Nichts drückte dagegen oder kippte um. Gab es wohl Milch? Selbst rohe Kartoffeln hätte ich nicht verschmäht. Mein Magen rumorte laut. Sei bloss still, sagte ich mir selber. In dem Moment flackerte hinter mir Kerzenlicht auf. Ertappt schnellte ich herum, entdeckte K`tug der unter einer Decke auf dem Herd lag, schlief, geschlafen hatte! Mein eigener lauter Magen hatte mich Verraten! Skandal! Vor lautem Schock wagte ich mich nicht zu bewegen. Der Chef der Küche dagegen handelte nach strickter Anweisung. Schleuderte seine Decke weg. Schnappte sich einen riesigen Schwingbesen und stürzte auf mich zu. „Verdammt, Safina! Wegen dir kann ich schon gar nicht recht schlafen! Raus aus meiner Küche. Dongard hatte Recht als er sagte die Mäuse werden heute Nacht sehr gross sein. Das ausgerechnet du es bist! Warte,“ drohte er erbost. Vor schreck liess ich das kalte Glas aus meiner Hand fallen. Eingelegte Gurken. Auf so was stand ich eh weniger. Überall gab es diese gespannten Schnüre also nur keine überhastete Flucht, ermahnte ich mich. K`tug liess seine Kerze auf dem Tisch stehen. Zu weit um sie auszublasen. Ergriff was mir am meisten ins Auge stach, ein silbernes Tablett für Fleischplatten. Leider ohne Fleisch. Aber immerhin ein Schutzschild gegen den fuchtelnden Schwingbesen. Stellte mich der Herausforderung. „Bevor ich nicht was gegessen habe, gehe ich nicht,“ rief ich ihm Heldenmutig entgegen.

„Wir werden sehen,“ meinte er das Duell aufnehmend. Stiess mit dem Schwingbesen zu. Verbogene Drähte wackelten vor meinem Gesicht. Reflex mässig hielt ich meine Schild hoch. Es krachte gehörig in die nächtliche Stille hinaus als Stahl auf Blech kratzte. Verteidigung gehörte weniger zu meinen Talenten. Schnappte mir einen langstieligen Kochlöffel aus Holz. Stichelte unter meinem Schild in den Magen von K´tug oder auf seine Beine. Auf einmal hielt er auch ein Tablett in den Händen. Mit aller Kraft drückte er sich nach vorne. Wir waren absolut im Gleichstand. Meine Kelle verhaderte sich im Schwingbesen. Rissen und zerrten an unsren Waffen vergebens. Nach einem besonderen Ruck liess ich los. Schnappte meine Platte fester, hämmerte sie dezent, dafür mehrfach auf K`tug Kopf, der aus dem Gleichgewicht viel, rückwärts über seine eigene Schnur. Schadenfreudig lachte ich auf. Sein Sturz gab mir Gelegenheit. Einen Finger in die dunkle Jägersauce auf dem Haupttisch zu tunken. Schade gab es kein Fleisch dazu. Aber mit genügte auch die kräftige Sauce. Genüsslich schleckte ich den Finger ab. Aufgebracht schrie mein Widersache. „Das ist meine Revier, meine Sauce. Mach gefälligst was selber wenn du um diese Zeit was willst.“

Glücklich strahlte ich auf. „Wirklich, du erlaubst es?“

Er stand auf, klopfte sich die Hosen ab, dabei war die Küche blitzsauber. Stellte sich in lauernde Angriff Position. „Pech gehabt! War nur ein Vorwand um dich hinzuhalten.“ Drängte mich mit seiner Attacke zurück. Eine Schnur riss hinter mir. Metallbehälter krachten zu Boden. Heftig stemmten wir verbissen aneinander. Kämpften um jeden Zentimeter. Neben uns ertönte ein schwaches Gähnen. Verwundert schauten wir beide hinüber. Verharrten einstimmig in unseren Positionen. Entdeckten eine verschlafene Stahrie. „Was ist den hier los? Ihr benehmt euch ja wie zwei Kinder“ flüsterte sie immer noch halb abwesend. Sofort richteten wir Streithähne uns auf. Taten so als sei nichts geschehen. K`tug wollte auch den ersten Eindruck Korrigieren. „Wir üben nur ein bisschen,“ versuchte er zu erklären.

„Genau,“ half ich ihm dabei. „Geschichtsunterricht aus meiner Zeit wo ich herkomme. Ich erklärte ihm wie eine Schlacht früher ablief. Es gibt da strenge, aber interessante Regeln. Von Hieben die der Reihe nach ausgeführt werden müssen. Zum Beispiel...“

Stahrie gähnte zusätzlich aus Langeweile. „Schon gut. Muss das mitten in der Nacht sein? Ich war nur auf dem Gang zur Toilette und habe euch gehört. Was wenn erst Dongard was vernimmt?“

Zuversichtlich stellte ich mich nach vorne. Raunte verschwörerisch. „Das waren früher geheime Schlachtzüge. Gab man nur von Generation zu Generation weiter. Selbst heute kann man davon was lernen. Also ist besser wenn kein Uneingeweihter zusieht!“ Bei den letzten Worte legte ich an Schärfe zu. Schaute sie durchdringen an.

„Schon gut,“ wehrte sich Stahrie. „Ich habe verstanden. Bin schon weg. Nur ein Guter Rat; seit gefälligst leiser!“

erleichtert verfolgten wir ihren Abgang. Kaum schloss sich die Türe wetzte K`tug seine Plattekante an meinem Arm. Von den schmerzhaften Hieben gepeinigt schrie ich auf. Erneut krachten unsere Schilde aufeinander. Diesmal klemmte er mir auf der einen Seite die Finger ein. Überrascht lies ich die Stütze fallen, stolperte Rückwärt über einen leeren Behälter. Krachte unsanft auf meine Hüften. Vom Schmerz betäubt blieb ich erst mal eine Weile reglos liegen. Triumphierend stellte K`tug stolz seinen Fuss auf meine Magen. „Ergib dich,“ knurrte er. Es war wirklich Zeit die Kindereien zu beenden. Trotz der Niederlage nahm ich es heiter. „Hat Spass gemacht, du warst ein würdiger Gegner.“ Hielt die Hand hoch. Mit lachenden Augen half er mir hoch. Mit einem kühlen Nicken begab ich mich in mein Bett. Jetzt quälte mich nicht nur ein leerer Magen sondern auch ein mehrfach geprellter Arm. Meine Finger surrten und ich konnte kaum mehr seitlich auf den Hüften liegen. Mein schwacher Trost das diese Wunden mehr weh taten als der Magen. Versuchte kläglich auf dem Rücken zu schlafen.

Längst vor allen anderen war ich bereits wach. Jemand schlurfte leise durch den Gang. Rasch stürzte ich von Bett. Spähte durch die Tür. Wieder K`tug auf dem Weg in die Küche. Es gab bald Frühstück. Aufgeregt schlüpfte ich in die Kleider. Während K´tug gelassen auf sein Revier schlenderte rückte ich von hinten heran. „Geht das nicht schneller,“ fuhr ich ihn brüsk an, dass er zusammenzuckte. Sich ans Herz fasste. „Safina. Um diese Zeit bis du schon auf! Wie ist das möglich?“ Staunte er. Mein Magen knurrte.

„Da hast du deine Antwort! Wann gibt es Frühstück?“ Verständnislos sah er mich. Kratzte sich in dem unrasierten Gesicht. „Wie immer nach dem Morgenappell,“ kam es geduldig.

Beherrschung suchend, schloss ich kurz die Augen. „Das weiss ich. Kann man das irgendwie beschleunigen?“

Seine Augenbrauen schossen nach oben. „Wenn du den Tisch deckst und Brot schneidest gewinnst eine Viertelstun...“ Bei Tempo das ich vorlegte, versagte seine Stimme. Die Teller krachten förmlich auf den Tisch, dass er weiterhin zusammenzuckte. Ungeduldig ermahnte ich ihn zwischen dem Auftischen. „Ist das warme Frühstück noch nicht fertig.“ Giftig durchbohrte er mich. Stemmte die Arme in die Hüften. „Wollen wir nochmals in die Küche gehen und die Sache unter uns regeln?“ „Aber gerne,“ stimmte ich zu. Darauf winkte er rasch ab. „Besser ich fang mal an den Herd anzufeuern.“

Wenige Minuten später schnitt ich mit einem scharfen Brotmesser dünne, gleichmässige Scheiben. Nach einem langen Seitenblick murmelte K`tug, „Nur gut das wir während der Nacht die Messer versteckt halten.“ „Wozu?“ „Damit keine Halbirren auf die Idee stossen sie einzusetzen. Nein, Spass beiseite. Seit eine Schülerin in der Nacht Schlafwandelte mit einem Messer in der Hand, hielte wir es für klüger sie sicherer zu verwahren.“ Das leuchtete ein.

Schon nach zehn Minuten klingelte K`tug über eine verbindende Schnur, den Morgenwächter aus dem Bett. Kurz darauf hornte das Signal zum Aufstehen durch den Gang. Es raschelte und polterte hinter den Kammertüren. Beeilend zog ich meine Uniform an. Polierte die Stiefel am Hosenbein auf Hochglanz und trat aus der Höhle in die morgendlichen Dämmerung hinein. Verdeckt hielt sich die Sonne hinter den hohen Hügel. Sehr frisch begrüsste uns der Sommertag. Als erste pflanzte ich meine Stiefel fest in den Boden. An meinen blitzendem Schuhwerk gab es nichts auszusetzen. Ordentlich sass die Kleidung. Jeder erlaubte Falt an seinem richtigen Platz. Eigener Stolz erfüllte mich. Langsam näherte sich meine Kameraden. Sobald sie mich erblickten, bremsten sie zu meinem Ärger auch noch ab. Ascha wie immer auf der Gegenüberliegenden Seite meinte sogar, „Safina, bist du Krank?“ Vor Ungeduld hielt ich es für klüger den Mund zu halten. Presste die Füsse fest auf den Boden dass ich nicht herumzappelte. Das dauerte ja eine Ewigkeit bis Dongard erschien. Endlich schlenderte er heran. Bevor er mit der pingeligen Musterung beginn, versteckte er ein Gähnen hinter der Hand. Ha, bestimmt rechnete er damit das ich gestern vor lauter Hunger doch noch aufkreuzte. Mir soll es Recht sein wenn ich ihn um den Schlaf brachte, genauso wie er mich wach hielt. Grosszügig schritt Dongard durch die Reihe. Selten ein knapper Kommentar. Zuerst dachte ich er liefe ignorierend weiter. Bremste auf meiner Höhe ab. Nur sei Kopf wandte sich seitlich zu. Musterte mich von oben bis unten. Fast spürbar wie die anderen den Atem anhielten. Wieder eine Rüge erwarteten. Doch Dongard schwieg. Was mich völlig aus der Fassung brachte. Mit diesem Menschen, Halbmensch hatte ich eine Vereinigung und erkannte ihn überhaupt nicht wieder. Obwohl ich auf einmal von irgendwoher wusste das er am liebsten gedämpftes Gemüse ass mit Kräuterbutter.

Am Ende der Reihe drehte er um. Es dauerte bis er endlich was sagte, mit der Einteilung begann. Nachdem er N`toki in die Berge wünschte um einen entflohenen Bienenschwarm zu finden, entgegnete diese beiläufig, „Schon wieder in die Berge.“ Daraufhin trat Dongard vor sie hin. „Ja, schon wieder! Du bist geschickt mit dem Dulie. Nimm dir ein Beispiel an Safina. Die krepiert lieber als aufzugeben. Also wird ein holpriger Ritt in die Berge deiner eisernen Konstruktion kaum schaden!“

Verwunderte blinzelte ich. Hatte ich richtig gehört? Das war nicht der Gewöhnliche Dongard. Den hatte jemand entführt und ausgetauscht.

Deutlich schnappte mehrere Leute nach Luft. In derselben Sekunde donnerte Dongard los. „Nehmt euch zusammen! Ihr steht auf einmal da wie unwissende Anfänger!“

Stoff raschelte beim straffend der richtigen Position. Bei jemanden platzte sogar eine Naht. Worauf zwei unbeherrscht, kichernd das Gesicht verzogen. Ohne Mitleid verkündete der Kommandant. „Da melden sich zwei Freiwillige für den heutigen Abwasch. Sehr gut, weiter so! Es fehlen noch Leute beim Bau der Halle.“ Nach dieser Andeutung blieben nur bange Gesichter übrig. Jetzt wo es heiss wurde mied jeder die Schweisstreibende Arbeit mit den schweren Blöcken.

„Safina,“ lockte ein fröhlicher Dongard. Mir zitterten fast die Zähne aufeinander. Dabei gewann ich doch unsere Wette. Er musste sein Wort halten.

Energisch trat Dongard neben mich. “Tritt gefälligst vor wenn ich dich aufrufe.“

Ungewollt zuckte ich zusammen. Gehorsam folgte ich sofort. Bei den nächsten Worten sank mein Vertrauen in die Gerechtigkeit. „Du wirst heute Hinten beim Bau helfen.“

Enttäuscht hob ich zum Protest an. „Wieso? Ich meine,“ dämmerte mir das ich zuviel riskierte, „ich habe die Wette gewonnen!“

Bisher wagte niemand seinen Einteilung so offen zu kritisieren. Jammern schon, aber keinen so offensichtlichen Einsspruch. Statt seiner bekannten durchdringlichen Stimme einzusetzen, reagierte er völlig gelassen, sachlich. „Wiedersetzt du dich!“

Wahrhaftig überfiel mich diesmal nackte Angst. So weit wollte ich keinesfalls gehen oder andeuten... „Nein,“ sagte ich fast verzweifelt. Wagte mich nicht von der Stellte zu rühren. nur meine Augen baten um Nachsicht wegen meinem unerlaubten, unerhörten Ausbruch.

„Gut,“ Betonte er gedehnt. „Dann sehe ich dich nachher beim Bau?“

„Ja, Kommandant.“ Zeigte ich mich unterwürfig. Dabei viel es mir nicht einmal schwer. Hoffte, vor einer weiteren Zurechtweisung, verschont zu bleiben.

„Schon besser, allmählich begreifst du,“ kam es zufrieden. Bevor ich mich erholte sagte er ziemlich leise. „Nächstes Mal, bitte ohne Flecken an den Hosen.“ Diese Bedeutende Sache ruhend lassen, rief er in die Runde. „Frühstück!“ Drehte sich mit den erlösten Mitgliedern ab. In mit brach Unverständnis los. Zwar verstand ich nun seine Einteilung für den unbeliebten Bau. Warum sprach er von Anfang an keine deutliche Strafe für meine Nachlässigkeit aus? Dongards Kenntnisse fehlte eine Information, nämlich das eine innige Vereinigung nicht nur gewöhnliche Menschen veränderten konnte sondern auch gewisse Halbmelfen davon betraf.

 

Schwer lag mir das hastig hinunter geschlungene Frühstück im Magen. Vor lauter Gier ass ich wohl ein bisschen mehr als üblich. Nachdem Dongard in sein Büro zurückkehrte, die letzten noch ihren bereits kalte Milch austranken, stand ich mit den anderen auf und fühlte zum ersten Mal meine Sättigung. Träge steuerte ich erst mal mein Zimmer an. Schon in wenigen Stunden würde es unerträglich heiss werden. Lieber jetzt schon vorsorglich Umziehen dass meine Uniform weiterhin sauber blieb. Gerade in Unterhose und leichtem Hemd dass mir gerade bis zum Bauchnabel reichte, klopfte es an meine Tür. Agnome schlüpfte durch einen schmalen Spalt herein. „hi,“ kicherte sie leicht verlegen. „Du arbeitest heute mit Panellan zusammen, kannst du ihm das überreichen.“ Sie streckte mir einen mehrfach gefalteten Zettel entgegen. Gerne erfüllte ich den Gefallen, streckte meine Hand aus. Hastig zog sie die Nachricht zurück. „Aber nicht lesen,“ drohte sie mir.

Damit entfachte sie meine Neugierde. „Was ist den so heikel das du ihm nicht persönlich die Nachricht bringst?“

Beunruhigt viel es ihr schwer still zu stehen. Drehte sich nervös in meinem Zimmer. Wägte ab neben mich, aufs Bett zu setzen, unterliess es im nächsten Moment. „ich... ich weiss doch nicht wie er reagiert. Was ist wenn er darüber lacht? Dann ist besser ich höre davon nichts. Also übergibst du es ihm?“ „Selbstverständlich. Soll ich dir später genau berichten was er für ein Gesicht aufsetzte.“ Darauf schmunzelten wir beide. Sie unterstrich es, „Hier, das ist für dich! Du weist ich kann gut nähen und draussen wird es heute heiss. Da kannst du das sicher gut gebrauchen! Hab Panellan dadurch näher kennen gelernt weil er dasselbe wünschte.“ Sie holte hinter ihrem Rücken ein sandfarbenes Kleidungsstück hervor. Legte er mir in den Schoss. Mass mich mit den Augen „Genau im richtigen Moment um es auszuprobieren. Hab mir gedacht das du schlanker um die Taille bist als man sonst immer von dir sieht. Warum versteckst du dich bloss.“

Konzert mit Folgen


Konzert mit Folgen

 

Eisiger Wind blies in der sternenklaren Nacht. Vor dem Morgengrauen wachte ich zeitlich auf. Unbequemlichkeit meines harten Lagers quälte spürbar jeden Knochen. Obwohl ich Dongards Nähe sehr schätzte, versuchte ich mich von seinem halben Gewicht zu erleichtern. Wälzte mich in Zeitlupe auf die Seite bis nur noch sein Arm über dem Bauch lag. Diesen letzten Halt wollte er partout nicht aufgeben. Ausserdem genoss ich diese hartnäckig, entschlossene Geste. Aufatmend legte ich den Kopf in den Nacken. Spähte bewundernd hoch hinauf in das verblassende Universum. Grössere Sterne funkelten durch den morgendlichen blauen Himmel. Was für weite Distanzen. Wie weit es diesmal mal die Menschen wieder schafften ihre Grenzen auskundschaften, bevor die nächste Naturkatastrophe sie erneut zurück warf. Knapp Dreitausend Jahre in welcher der Menschen die beinahe vollkommene Macht gehörten. Macht und Chaos zugleicht. Bis die Natur und vielleicht ein unglücklicher Zufall alles kippte. Dabei überlebten nur einige tausend Menschen, auf einem Kontinent den einst Millionen bevölkerten. Wie lange dauerte es diesmal bis Maschinen weiter als die natürliche Grenze reichten. Reichtum, Ehrgeiz und Gier erneut die Macht beherrschten. Wie viele Tausend Jahre? Meine Hoffnung lag wieder halb auf meinem Bauch. Beziehungsweise in dem kostbaren Erbe das Dongard mit sich führte. Anhänglich kuschelte er sich wieder näher. Ein Mensch der, tagsüber Strenge und Disziplin einhielt, in der Nacht seine Liebe brauchte. Ausgeglichenen, stabilen Frieden schätzte. Wenn ich seinen Unterricht genauer untersuchte entdeckte ich machen gesunden Verstand den er uns beibrachte zu benutzen. Nicht einfach alles hinzunehmen, sei es auch von einem Vorgesetzten, sondern auch das vernünftige abwägen der Gerechtigkeit. Bei längerem Nachdenken viel mir sogar auf das mir mein Kommandant weit näher Sympathischer war als bisher angenommen. Trotz seiner unerbittlichen art durfte man schliesslich jederzeit mit ihm verhandeln. Dafür hielt er immer eine Tür offen. Diese Nachgiebige Geste... bewundernd streichelte ich sein seidiges, schwarzes Haar. Dongard. Er spukte immer mehr in meinen Gedanken herum. Erst Recht seit der überwältigenden Vereinigung. Das war schon über seit einer Woche her, dennoch zitterten meine Hände unvernünftig bei der Erinnerung an den elektrisierenden Moment. Melfen und ihre mächtige Gabe. In ihren einfühlsamen Händen würde eine bessere Zeit entstehen, eine die Überdauerte.

Nach einem tiefen Atemzug fühlte ich mich vollkommen glücklich. Berührte nur mit meinen feinen Fingerspitzen bewundernd über Dongard elegante, schlanke Hände. So vollkommen wie vieles. Leise murrte mein, im stillen Bewunderter, Dongard. Schnappte sich meine Hand um sie wie immer auf die Stelle seines Herzens zu platzieren. Typisch Dongard.

Ganz war Maximilian nicht vergessen, doch die vertriebene Ungewissheit verschaffte mir Ruhe. Seither übernahm im Sturm ein anderer den Platz ein. Verlässlich, absolut gut aussehend. Himmel, ausser das er mein Chef war störte mich überhaupt nichts. Zudem viel mir damals auf wie angenehm er roch. Anders als viele im Lager achtete er peinlich auf seine Körperpflege. Dazu zählte ich auch meine nachlässige Wenigkeit. Gestern wagte ich mich nicht mehr ins Badezimmer. Heute dürfte sich die Neuigkeit gelegt haben. Ausserdem gestand ich mir endlich ein das Dongard tatsächlich was bedeutete. Das half die bedauernde Sache mit Maximilian weniger schmerzhaft zu verarbeiten. Fühlte mich kräftig genug mich anfälligen Fragen zu stellen. Vielleicht besser wenn nicht gleich ein neues Gerücht kursierte über eine Beziehung mit meinem Chef.

Die letzten Funkelnden Sterne wichen dem kräftigen Himmelblau. Bald zeigte sich die blendende Sonne. Statt aufzustehen und heimlich zu verschwinden genoss ich lieber die letzten Minuten vor dem Morgen Appell. Sorgfältig zog ich die Decke über Dongards Schultern. Erst als die ersten kräftigen Sonnenstrahlen anfingen die Schatten zwischen den Blöcken zu vertreiben, versuchte ich taktvoll mich aus dem Staub zu machen. Vergeblich. Der feinfühlige Dongard wachte sofort auf. Blinzelte. Erstaunt wo er sich überhaupt befand.

„Guten Morgen,“ hauchte ich befreit.

„Morgen,“ brummte er leicht verstört. Gemächlich setzte ich mich auf, während er geschmeidig auf die Beine rollte. Wachsam überprüfte er die Umgebung. „Niemand auf. Ist der Alarm noch nicht los?“

„Nein,“ Streckte, beugte vorsorglich meine Wirbelsäule. Sofort bot mir Dongard seine Hand zum Aufstehen an. Dankbar ging ich auf das Angebot ein. Auf den Beinen meinte ich unter seinem kritischen Blick: „Ich werde zu Alt um draussen zu schlafen.“

Darauf lachte Dongard herzlich. „Du fühlst dich alt! Jetzt weiss ich eine gute Strafe gegen Ungehorsam.“

„Ha, ha,“ wollte ich seine gute Laune schmälern. „Du kannst gut reden, schliesslich hast du die ganze Nacht halb auf mir geschlafen. Ich spüre jeden Knochen.“

„“Danke für deine rücksichtsvolle Aufopferung.“

„Du machst dich wohl weiterhin lustig über mich?“

„nein, mir ist es genau so ernst wie Gestern, als ich dir einen Gefallen tat,“ sagte er diesmal ohne eine Mine zu verziehen. Ziemlich heiter fügte er allerdings hinzu. „Danke für die Ehre.“

Um Ordnung zu schaffen hob ich die Decke hoch. Schleuderte sie wesentlich verschärft auf ihn zu. „Ich glaube dir kein Wort.“

Geschickt fing er das wirre Bündel auf. „Nein, wirklich. Ausserdem bin ich ja einige Jahre älter als du.“

Allmählich dämmerte es mir. Entsetzt erinnerte ich mich. „Bald Fünfzig:“

„Was,“ protestierte er entschieden. „Exakt sechsundvierzig und kein Jahr älter. Sei Froh das ich ein Halbmelf bin und nicht ein gewöhnlicher, eingefahrener Kommandant der dir keinen Streich so leicht vergibt.“

„Danke. Wenn ich dein Lager mit der Irrenanstalt vergleiche, weiss das paradiesische Leben hier durchaus zu schätzen.“

Selbstkritisch überlegte er. „Scheint an der Zeit zu sein ein paar strengere Regeln einzuführen. Meine Bestrafungen scheinen bei dir zu versagen. Anderseits will ich aber auch nicht dich erneut aus dem Lager vertreiben.“ Versonnen betrachtete er die raue Decke in seinen Händen. Schmiss sie mir herüber.

„selbst wenn du deine Strafen verschärfst habe ich keine Angst davor,“ kam es ziemlich unüberlegt von mir. Das war eine schlichtweg Untertreibung. Denn im Moment hatte ich panische Angst vor dem Bunker. Aber wer will schon einem Gegner eine wirkungsvolle Angrifffläche bieten. Ausserdem wollte ich auf keinen Fall das er nach schlimmeren Bestrafungen suchte. Abgelenkt faltete ich die Decke vernünftig zusammen.

Erst sein Schatten vor mir schreckte mich hoch. „Was?“ Drückte die Decke an mich als ob sie mich schützte. Er schnappte mich um die Taille, zog mich dicht heran. Mit der anderen Hand packte er meine langen offenen Haare. Bevor ich ahnte was er wirklich plante, ich dachte er demonstrierte mir wieder seine Überlegenheit seiner Melfengabe, küsste er mich schlicht auf die kühlen Lippen. Rücksichtsvoll, meine Reaktion abwartend. Verwundert kniff ich halb meine Augen zusammen. „Ich dachte du überfällst mich nicht mehr?“

Dicht vor meine Gesicht sah er mich eindrücklich an. „Damit meinte ich meine innere Gabe. Was ich jetzt tue ist rein menschlich. Wenn du etwas dabei fühlst dann kann du mich nicht beschuldigen. Es kommt alles von...“ Seine Hand löste sich von der Taille und legte sich auf mein Herz. Lehnte seine Stirn an meine, schloss die Augen und atmete tief entspannt. Deutlich spürte ich seinen inneren Konflikt. Genauso brodelte es in mir selber. Gegen meine Vernunft fühlte ich mich angezogen. Da er sich völlig passiv verhielt, weder die Hand in meinem Haar noch über meinem Busen bewegte, vertraute ich ihm. So nahe, ein glücklicher Umstand den es zu nutzen galt. Sachte küsste ich ihn bis er meine Aufforderung erwiderte. Für einen langen Moment genoss ich wahrlich das leidenschaftliche Zungenspiel. Als er anfing an meinem Hosenbund zu zerren, stiess ich ihn warnend mit meinem Schuh ans Schienbein. Dongards Mundwinkel zucken. Schelmisch blitzen seine dunkel violetten Augen, als er wiederstrebend Abstand einräumte. „ich suspendiere dich den ganzen Vormittag vom Dienst,“ lockte er mit einem Angebot.

„Willst du wirklich das alle darüber klatschen. Reicht es nicht das sie momentan mein Wiedersehen mit meinem alten Freund beschäftig? Wie sehr reden sie erst wenn sie wissen dass ich mit dir zusammen bin.“

„Keiner wird es erfahren.“ Eine verdrehte Überzeugung. Diesmal lachte ich vor mich hin. „mein lieber Dongard, du hast ja keine Ahnung was ich ständig von meine geschätzten Kolleginnen anhören muss.“ Amte Staries Stimme nach, „Dongard hat ein Augen auf dich geworfen also angle ihn dir.

Oder soll ich dir verraten wie lange schon Ascha mir vorschwärmt ich soll endlich mit dir ins Bett.“

Gut gelaunt kam es von Kommandant. „Dann ist ja alles besten in Ordnung wenn du da landest wo sie alle dich wollen.“

Mahnend wedelte mein Zeigefinger vor Dongard geraden Nase. „Garantiert nicht jetzt wo ich das eben mit Maximilian erfahren habe. Denkst du ich will immer das aktuelle Gesprächsthema sein? Wie soll ich vernünftig arbeiten wenn ich mich ständig beobachtet fühle. Mir ist egal wenn alle ein Auge auf dich werfen. Aber ich halte mich lieber im Hintergrund.“

Geschlagen, aufseufzend sah mich Dongard milde an. „Also was schlägst du vor.“

„Warte bis sie ein anderes Gerücht beschäftigt.“

Übertrieben klagte Dongard los, „Willst du mich ein ganzes Jahr hinhalten?“

Besorgt, ob er das jetzt wirklich erst meinte sah ich ihn schräg an. Sein Schmunzeln verriet ihn. Worauf wir beide leise kicherten.

„Safina,“ sagte er mit dem berühmten singenden Tonfall der Melfen, „wenn schon alle wissen das ich eine Schwäche für dich habe, finde ich es nur gerecht das du wenigsten das Recht ausnutzt einmal in der Woche den Abend mit mir zu verbringen.“

Ein wenig Schockiert nahm es mich wunder. „Hast du fast jeden Abend eine andere?“ Diesmal reagierte er entsetzt. „Gott sei Dank nicht. Safina, was denkst du wieder. Nein. Es gerade mal zwei, höchstens drei Frauen in der Woche die Besuch wünschen.“ Seine Offenheit schätzte ich, wenn ich auch den Inhalt des Geständnis missbilligte. Vermutlich verriet mich wieder mal mein Blick. „Safina,“ rief er mich aus meinen Gedanken. „Du kennst doch schon lange die Wahrheit über mein Verhältnis mit anderen Frauen. Mit ein paar wenigen geniesse ich eine Befriedigung. Doch keine, von denen, will ich für eine ganze Nacht. Ich will eine feste Bindung, nicht nur ein paar Stunden Vergnügen. Glaub mir das endlich. Wenige ahnen wie sehr ich N`Toki ernsthaft als meine geeignete Gefährtin in Erwägung zog. Doch ihr fehlt, wie du selbst so schön erkennst, das Herz. Du besitzt ein grosszügiges Herz. Damals als ich dich mit Maximilian zusammen sah, erkannte ich deine äusserst versteckte Gabe. Deine Hingabe, Deine Loyalität fasziniert mich und ich würde alles dafür geben das sie mir gehört. Safina, ich will dich nie verlieren. Ob die Beziehung so wie jetzt bleibt, was ich enorm bedauern würde, oder eine tiefere Verbindung entsteht..“ Bewegt sah er mich an. Wagte kaum zu sagen, hauchte, „Ich will dich,“ um mich nicht zu erschrecken. „Denk darüber nach, bitte! Wenn dich etwas stört oder du eine Veränderung in deinem Leben wünschst, so lass es mich ungeniert wissen.

Lass dir gründlich Zeit. Fälle keine vorschnelle Entscheidung, ja?“ Erleichtert, hoffnungsvoll blickte er mir in die Augen. Wer wiederstand diesem leidenden Blick.

„Okay,“ liess ihn wissen,“ ich werde mal darüber nachdenken und dich irgendwann informieren.“ Es klang wohl wie eine unwichtige Sache. Dementsprechend enttäuscht gab er zurück. „Hättest du die Güte mir einen winzigen Hinweis zu liefern in welchen Zeitramen? Tage, Monate,“ kam es ziemlich besorgt.

„Noch vor meiner Pensionierung.“ Diesen Scherz verstand man nur in meinem Zeitalter. Deswegen erklärte ich ihm die Sache und das es so um mein sechszigstes Lebensjahr sei. Bei meinen letzten Worten fassten seine Hände nach meinem Hals. Seine verengten Augen verrieten Spass. Lockerte seinen klammernden Griff schon nach einer Sekunde. Darum fügte ich gleich treffend hinzu. „Hast du kein Durchhaltevermögen?“ Rettete mich mit einem Satz auf den nächsten untern Quaderblock.

„Du freches Biest. Wir sehen uns pünktlich beim Morgenappell. Das du mir ja gewaschen und sauber erscheinst,“ rief er mir mahnend nach. „Sonst landest du dort wo ich dich haben will!“ Energiegeladen stampfte er davon. Unbekümmert verfolgte ich seinen energischen Abgang. Dongard in seinem strengen Element. Aber was für ein eleganter Gang. Erst sein schöner Hintern. Sollte er tatsächlich mir gehören? Damit erzielte bei meiner Entscheidung die höchsten Pluspunkte. Unerwartet blickte Dongard über seine Schultern zurück. Sofort sah ich hoch. Hastig wandte mich meiner Decke zu damit er meine Verlegenheit nicht sichtete. Zum Glück verstand es ein Melf nicht die gewagten Gedanken zu lesen.

Gemächlich schlenderte Dongard gezielt auf mich zurück. Mit meinen kalten Knochen, viel es mir schwer zu Entscheiden auf welchem ungewohnten Weg ich den Abstieg riskierte. Alles schien für ein unaufgewärmtes Training sehr riskant zu springen. Ehe ich mich versah, setzte sich Dongard hinter mir auf den Rand seines Blockes. Schnappte sich vorbeugend meinen Kragen. „Was hast du eben Gedacht.“

Sprachlos sah ich zu ihm hoch. Wie wahr das möglich.

„Safina, ich kann keine Gedanken lesen, aber ich spüre deutlich wohin dein Blick mich streift. Eine Melfengabe, verrate es aber bitte nicht weiter.

Also es ist genauso zwecklos mich anzulügen weil ich das mit dem selben Erbe erkenne. Verrate mir deine Gedanken!“

Beharrlich zerrte er mich Rückwärts an die Wand.

„Hast du keinen Appetit aufs Frühstück?“ Fragte ich ausweichend.

„Das ist zwar ehrlich gemeint, beantwortet aber keinesfalls meine Frage.“

Angestrengt suchte ich nach einer plausiblen Lösung.

„Safina,“ lockte er mit süsser Stimme. „Die Wahrheit und keine verfälschte Ausrede. Wortgetreu, was hast du gedacht? Wenn du willst warte ich bis zum Abend. Denke daran das die anderen ohne mich kein Frühstück anrühren.“

„Gemein,“ beschwerte ich mich, „ andere hinein zu ziehen. Das waren schliesslich höchst privat Gedanken!“ Zum Zeichen meiner Hartnäckigkeit verschränkte ich meine Arme demonstrativ vor meinem Busen. Zwei, drei Minuten. Alles andere als hilfreich der Ruf zum Morgenappell. Jetzt drängte mich die Zeit. Täglich hörte Dongard von seinen Frauen immer ein paar Komplimente, da wollte ich kein mehr hinzufügen. Irgendwann, befürchtete ich, wurde er noch eingebildet oder gar eitel.

Meine grossen Augen sahen flehend hoch. „Dongard, bitte?“

„Sehr eindrücklich, zieht aber bei mir nicht im geringsten,“ blieb er stur.

Verzweifelt streckte ich meine Hände zum Himmel hoch. „Warum so versessen. Was erwartest du zu hören?“

„Vielleicht ein paar nette Komplimente,“ lieferte er den besten Hinweis das meine schlimmsten Befürchtungen bestätigte.

Verstimmt, ohne mich umzudrehen, liess ich ihn wissen. „Davon kriegst du schon täglich genug zu hören.“

Er zupfte am Kragen. „Deine würden mir mehr bedeuten.“

„Zugegeben. Mit deinem Aussehen würdest du in meiner Zeit ein bedeutendes Vermögen verdienen.“

Man sah ihm seine Zweifel an. „Dongard, mit deinem Gesicht, deiner schlanken Figur, dürftest etwas grösser sein, dazu der elegante Gang, damit gehörtest du zu den best bezahlten Models in der Kleider oder Webebrache. Ausserdem hast du ein exzellenten Geschmack was deine Kleidung betrifft,“ gestand ich. Prüfend blickte ich scheu hoch. Aha, bedeutend milder gestimmt wirkte er. Winkte mich näher heran. Unsicher trat ich so dich neben ihn das ich seine langen Beine berührte. Er beugte sich vor um in mein Ohr zu flüstern, „Sehr angenehm zu hören. Aber da fehlt ein Detail. Also verrat mir den Rest dazu!“

Nervös stampfte ich unwillig mit meinem Fuss. Alleine seine Nähe reichte das er mich durcheinander brachte. Jetzt trieb er mich noch in die Enge. „Du bist unmöglich,“ schmälerte ich sogleich seine Vorteile.

„ich teste gerade DEIN Durchhaltevermögen,“ gab er mir eiskalt zurück. Sollte ich lachen oder aufgeben. Die anderen traten bestimmt schon vollzählig auf dem Platz an und wunderte wo sich der oberste Chef aufhielt. Nachgeben schien das klügste, bevor sich meine Lage, durch zusätzliche, neugierige Zuschauer verschlimmerte. „Ich habe verstanden. Also ich dachte mir...“ es viel mir einfach schwer. Dongards drängeln war alles andere als Hilfreich. „Safina, die andern warten!“

Aufgebracht kniff ich ihn in die Oberschenkel. Eigentlich wollte ich ihn auf eine völlig andere Art dort anfassen. Im Moment hielt ich es allerdings für völlig unverdient. Aufschreiend packte er meine nervöse Hand um vor weiteren böswilligen Attacken sicher zu sein.

Erledigt raffte ich meinen Mut zusammen. „Also ich dachte das mir dein Hintern gefällt ich recht angenehm finde, sollte er mir gehören,“ plapperte ich los bevor mich ganz schämte.

Zuerst sagte er kein Wort. Dafür spürte ich wie er mein verkrampften Finger lockerte. „Danke,“ flüsterte Dongard vertraulich. Liess meine Hand nicht los, sondern dirigierte mich herum. Unsicher sah ich hoch. Auffordern hielt er meinen Arm fester. „Komm schon. So was schaffst du doch, Safina.“

Mit einem kleinen Anlauf und seiner Unterstützung landete ich sicher auf seiner Höhe. Er führte mich an der Hand bis wir den sicheren Boden erreichten. Drückte mir die Decke in die Hand. „zieh dich um, und geh direkt zum Frühstück wir kommen gleich nach. Und Safina,“ fröhlich strahlte er aus, „Wenn es dich nach meinem Hintern verlangt, gib mir einen kleinen Wink und ich folge dir an ein ungestörtes Plätzchen. Dann überlass ich ihn gerne..“

Schnauben drohte ich mit meiner Decke. Seit langem fühlte ich wieder das mein Gesicht errötete. Wandte mich ab. „las mich ja in Ruhe,“ brummte ich vor mich hin.

Lachend schlenderte ein gelöster Dongard auf die verblüffte, wartenden Schüler zu. Liebenswert rief er mir zu. „Willst du ein paar Tage frei um den Abschied besser zu verdauen?“

Wahrscheinlich tat er mir damit einen grossen Gefallen. Anderseits. „Darf ich dankend ablehnend. Zuviel Nachzudenken schadet mir nur. Vergessen ist einfacher.“

Wie beiläufig schrie er deutlich über den Platz. „Auch gut. Dann eben mehr intensivere Arbeit. Sehr vorbildlich!“

„Untersteh dich,“ schrie ich in ziemlich hoher Stimmlage postwendend zurück.

Neugierig verfolgte seine Truppe unser seltsames morgendliches Schauspiel. Um die Aufmerksamkeit für sich zu Gewinnen klatschte Dongard in seine Hände. Seine Stimme ungewöhnlich fröhlich für am Morgen. „Antreten! Zeigt euch von der besten Seite!“

Beim Höhleneingang traf ich auf den ältern K`tug. Gespannt verfolgte er die Inspektion auf dem Platz. Zeigte keinerlei Beachtung. Als ich jedoch an ihm vorbei spazierte liess er mich wissen. „So fröhlich habe ich ihn schon lange nicht mehr gesehen.“

Einen Moment hielt ich verdutzt inne. Das war indirekt ein schönes Kompliment an mich. „Danke,“ gab ich erleichtert zurück.

Was für ein prächtiger Morgen. Ein neuer Anfang.

 

Spürbar die gehobene Lebensqualität. Jedenfalls beim Frühstück scherzte man bedeutend mehr. Erstaunlich was eine traurige Liebesgeschichte ausrichtete. Bisher eher fremde Gesichter legten mir mitfühlend die Hand auf die Schultern. Mit der Zeit gewöhnte ich mich sogar an das viele Getasche. Mein ängstliches zusammen zucken blieb aus. Erfreut bemerkte Dongard dies. Hob eine Tasse Milch in die Höhe und gab kund. „Auf den Fortschritt!“

Viele trauten dem ausgelassenen Frieden kaum. Erst nach anfänglichem Zögern folgten sie seinem Aufruf, prosteten sich gegenseitig zu. Dongards Charme steckte übertrug sich in die Runde. Selbst mir viel es schwer sich dem zu entziehen, obwohl meine Einteilung, die Höhle zu putzen, weniger Vorteilhaft ausfiel.

 

Mit mir zwei weniger bekannte Gesichter. Cynt, eine schlanke, grössere braunhaarige und die leicht pummelige Agnome. Cynt der verträumte Typ und ihre Freundin eine absolut fleissiger Putzteufel. Sobald ich eine kleine Ecke oder eine Kante ausliess, entdeckte sie es mit ihrer scharfen Brille. Jedes helle Staubkorn verfolgte sie als sei es ihre Lebensaufgabe es zu einzufangen. Schabte und kratzte mit einer Messerspitze in den Höhleritzen um Käfer oder Spinnen den Garaus zu erklären. Sie scheute auch nicht davor zurück mich ständig zu ermahnen oder gar ausgiebig zu demonstrieren wie man eine Bewegung mit dem Putzlappen in vollendeter Perfektion schwenkte. Da sie selber tadellos tüchtig mithalf, lies ich mir die eher rüde Behandlung gefallen. Ganz anders Cynt die an einem kleinen Fleck zehn Minuten schruppte. Nicht aus übertriebenen Reinlichkeit sonder sie schwebte in anderen Gedanken. Völlig automatisch polierte sie hin und her auf der selben Stelle. Manchmal gab ich Agnome mit dem Ellbogen eine sanften Stoss damit ihre Freundin einen anderen Platz auf Hochglanz hinunterfeilte. Den ganzen Tag sassen wir in de Höhle fest. Rutschten auf unseren Knie. Bürsteten bis die Arme schmerzten. Wuschen bis die Haut an den Händen sich einweichte. Schleppten Duftkissen und Einstreusäcke in das Verwöhnzimmer. Wobei einer dieser Säcke bis zu zehn Kilo wog. Diese Säcke dienten auch dazu das Höhlenklima schön trocken zu halten. Darum trugen wir dieses saugfähige Material einmal in der Woche nach draussen um es gründlich auszutrocknen. Die Taufe durch das Sonnenlicht verwandelte den Inhalt in ein wohlriechendes Parfum. Mit dem Duft von Holz, Harz und süssen Kräutern begleitend trugen wir die Säcke, nach dem heissen Nachmittag , in die kühle Höhle zurück. Dementsprechend waren wir am frühen Abend erschöpft. Dank Agnomes Talent für Ordnung und Fleiss setzten wir uns etliche Stunden früher als geplant in die weichen Sessel im Mannschaftsraum. Unsere Arbeit beendet.

Wohlig streckte Cynt ihren Rücken. Agnome ordnete ihren sandbraunen langen Zopf. „Du denkst zuviel an ihn. Wann siehst du ihn den wieder?“

„Wir haben in vier Tagen abgemacht,“ sagte diese ohne ihre verträumten Augen von der faden Höhlendecke zu lösen. Was mich brennend interessierte,“ Wen triffst du denn?“

Agnome hielt es klüger zu schweigen. Dafür schwärmte Cynt schon. „Kaman, der schönste Tänzer und beste Sänger vom ganzen nördlichen Revier. Seine Stimme ist so fliessend wie Honig. Seine flinken Beine fliegen übers Pakett du kannst kaum mit den Augen folgen. Und sein Hüftschwung.. ich könnte ihn jedes Mal einfach nur packen und...“

Erstaunt blinzelte ich. Agnome verdrehte vielsagend die braunen Augen. „Mein Hüftschwung verzaubert einige mehr,“ verbesserte sie ihre Kollegin. Cynt wusste es besser, „Auch im Bett?“ Darauf biss sich Agnome brav auf die Unterlippe.

Schwärmerisch seufzte Cynt, „Könnte ich nur heute Abend sehen. Das wäre soooo einmalig.“

Da kam mir die Frage hoch. „Was ist den heute so besonders?“

Fast beleidigt richtete sich Cynt halb auf. „Heute Abend ist die lange Tanznacht. Ausserdem findet eine Wettstreit unter den Sänger statt. Eine einmalige, seltene Gelegenheit. Wenn Kaman gewinnt kann ich nicht einmal an seiner Seite den Sieg mit ihm teilen. Wirklich zu schade.“

Da beschäftigte mich eine weitere Saublöde Frage. „Ist es den weit von hier?“ Damit brachte ich einen Stein ins Rollen der mir viel Ärger bescherte.

Zuerst eine ruhige, sehr nachdenkliche Schweigeminute. Selbst ich wagte sie nicht zu unterbrechen. Agnome sah zu Cynt, die zurück wie ein eingeschworenes Paar. Abwägend musterten sie mich gemeinsam. Schliesslich schüttelte Agnome den Kopf. „Vergiss es lieber. Wir kriegen eh nicht die Erlaubnis. Jemand müsste Dongard informieren. Ihr kennt ihn ja wie selten er einen abendlichen Ausflug genehmigt. Es gibt keinen überzeugenden Grund gerade uns drei, unscheinbare Frauen so eine,“ sie betonte ausdrücklich die nächsten Worte, „Belohnung zuteil kommen lassen. Er wird sich fragen, womit haben wir das verdient? Ehrlich, wir sind nur das absolute Mittelmass. Undenkbar für mich für so einen speziellen Ausflug eine Genehmigung zu bitten. Ich erspare mir gleich die Abfuhr.“

„Schon gut,“ winkte ich ab, „ich habe verstanden. Wie weit ist es wirklich?“

Cynt wagte kaum zu atmen. Hoffnung liess sie vernünftiges Denken vergessen. Vorsichtig verriet mir Agnome. „Mit einem Pferd hätten wir zwei Stunden. zu Fuss Drei, und mit einem Dulie höchstens eine. Nur Dongard wird uns nie so wertvolle Tiere überlassen.“

„Okay,“ nickte ich gefasst. Die Fakten waren gesammelt. „ich geh dann mal.“

Verdatterte Blicke folgten mir. Selbst Cynt fand ihre Stimme wieder, „Wohin?“

„Zu Dongard,“ sagte ich ohne mich umzudrehen. Allerdings mit einem Abstecher in mein Zimmer. Bürstete meine Haare seidig. Legte mir einen der anliegenden Pullover an und saubere Hosen ohne Putzmittelgeruch. Gepflegt, zufrieden stand ich vor dem gefürchteten Büro. Atmete tief durch. Einen Schritt in den Vorraum, gemächlich an dem sehr neugierigen Monat vorbei, der selbstverständlich seine Arbeit gleich auf die Seite legte. Nervös, mit ziemlich raschem Puls, klopfte ich an Dongards Tür. Wartete auf seinen Ruf. Himmel ich war völlig durcheinander. Suchte bereits nach den richtigen Worten im Kopf. Da mich Monat im Auge behielt als hätte er seit Jahren keine Frau mehr gesehen lehnte ich lässig an den Türrahmen. Nur keine Blösse vor ihm zeigen. Sein gehässiger, überflüssiger Kommentar. „Was angestellt?“

„Nö,“ stellte ich gleich klar.

„Planst du was anzustellen,“ fragte er gemein.

„Halt bloss die vorlaute Klappe,“ zischte ich ihm scharf zu. Dieser unerwartete heftige Gegenangriff sass. Er merkte gar nicht das sein vernachlässigte Füller in der Hand, Tinte aufs Papier tropfte. Und ich war egoistisch genug es nicht zu erwähnen. Endlich der erlösende Ruf in meinem Rücken. Erleichtert trat ich eilig ein. Schloss die Türe sorgfältig hinter um zu verhindernd das Monat lauschte.

Da sass er nun. Das Übel das es zu erweichen galt. Beschäftigt schrieb der Kommandant weiter konzentriert an seinem Bericht. Süss lächelte ich. Meine Blick wanderte zu seinen Beinen unter dem Schreibtisch. Wie erwartete fing er den ungewöhnlichen Blick auf. Worauf er mir schnell seine volle Aufmerksamkeit schenkte. „Heraus damit. Was willst du?“ Das kam alles andere als Einladend.

„Ist es so offensichtlich?“

Er lächelte genauso gerissen. „ich kenn den Gesichtsausdruck. Also lass hören!“

Zuerst holte ich tief Luft. Vor Aufregung verlor ich den perfekt zurecht gelegten Formulierung für den Anfang. Wie ein Musterschüler trat ich vor sein Pult. „Dein Wunsch ist es doch das ich mich perfekt in die Gruppe einfüge? Ein paar neue Bekanntschaften schliesse, mit ihnen was unternehme?“

Seine halb zugekniffenen Augen verrieten ansteigendes Misstrauen, „wo ist der Haken?“

Entrüstest entgegnete ich. „Kommandant Dongard, Bitte! Der einzige Nachteil ist das ich hier stehen muss um nach Erlaubnis zu fragen ob wir Frauen,“ ich hielt drei Finger hoch, „heute Abend das Lager verlassen dürfen. Es könnte etwas spät werden. Ein paar Stunden nach dem Abendessen sind wir schon wieder zurück.“

„Aha,“ sagte er bereits halb in Hintergedanken versunken. Er suchte weiterhin nach dem Haken, fand ihn aber nicht. „Das ist alles? Keine weiteren Bedingungen oder kleine wichtigen, vergessenen Details?“

„Tja,“ liess einen unschuldigen Tonfall hören. „Jetzt wo du es erwähnst. Es wäre von Vorteil wenn wir reiten könnten.“

Gewappnet setzte er sich gerade auf. „Vergiss es!“ kam es zu schnell. „Ascha ist mit zu unsicher im Dunkeln. Starie traue ich es allenfalls zu. Also begrab schon mal deine Pläne!“

Meine Finger schwenkte deutlich verneinend. „Kommandant,“ rügte ich genüsslich. „Ich erwähnte neue, erweiterte Bekanntschaften. Soll ich das Wort Fortschritt benutzen, ich glaube das bevorzugst du doch?“

Bedrohlich funkelten seine dunklen Augen ab der unverschämten Belehrung. Anspielung.

Also beschloss ich den letzten Pluspunkt einzusetzen. „Agnome und Cynt sind sehr fleissige Mitarbeiter. Wir sind schon fertig mit unserem Tagespensum. Das ist doch Vorbildlich?

Es geht um eine harmlosen Musikwettbewerb. Cynt will mir etwas Kultur von diesem Land übermitteln. Ist es das denn so verkehrt wenn wir uns mal unters Volk mischen?“

Wachsam musterte mich Dongard. „Mir stösst das Wort harmlos auf. Wenn das auftaucht, bei dir, ist es alles andere als Harmlos!“

„okay,“ verbesserte ich mich. „Cynt möchte sich auch gerne mit ihrem langjährigen Freund nebenbei treffen. Besser?“

„Unverbesserlich,“ sagte er mit eiserner Ruhe. „Deine Ehrlichkeit in Ehren. Du fragst mich ohne heimlich zu verschwinden? Dieses Verhalten rechne ich dir hoch an. Deswegen nimm dir drei harmlose Dulies. KEINE DRACHEN!!“ Betonte er messerscharf.

Aufjubelnd hielt ich mir rasch die Hand vor den Mund. „Danke, sehr lieb von dir.“ Wirbelte herum. „Safina,“ säuselte mahnend seine Stimme. Wartete bis ich mich herumdrehte. Direkten Augenkontakt hielt. „Du passt mir auf die anderen zwei auf! Keine Unfälle, keine Skandale! Verstanden! Ansonsten ziehe ich dich alleine zur Verantwortung.“

„ja, Kommandant,“ kam es fast singend wie bei den Melfen. „Damit kann ich leben.“ Flitzte bevor er seine Einwilligung verschärfte hastig aus dem Büro. Schneller als eine Kakerlake auf der Flucht. Gewiss Dongard war kein Mann der Zugeständnisse grundlos zurücknahm. Zum Glück viel ihm nicht ein uns einen störenden Begleiter auf den Hals zu schicken.

Fröhlich schwebte ich in den Gang hinaus. Monat verschmierte vor Schreck gleich einen weiteren Fleck auf sein Papier. Übermütig reizte ich. „Das sieht aber nicht schön aus. Bist du immer so ungeschickt?“

Eilig knüllte er verstimmt das Papier zu einem Ball. Goss weitere Tinte darüber. Seltsam. Verwundert beobachtete ich sein unerklärliches Verhalten. Bis er ausholte. Mein Blick schwenkte zur Dongards Tür. Erschrocken kam es mir wie ertappt, „Kommandant!“ Meine erschrockenen Augen genügten das Monat schuldbewusst zusammenzuckte. Zur vermeidlichen Tür blickte. Lachend nutzte ich den Moment zur sicheren Flucht während ihm die schwarze Tusche den Arm hinunter floss. Hinter mir Kreischte ein empörter Monat während ich schadenfroh zu den wartenden Kameradinnen flüchtete. „Was,“ überfiel ich sie. „Ihr seid noch nicht umgezogen! Beeilt euch, ich sattle schon mal die Dulies.“

Ihrem Glück misstrauend meinte Agnome. „Wie hast du das geschafft?“

Scherzhaft gab ich zurück. „ich hatte schon mal einen Freund. Von daher weiss ich wie man sie um den kleine Finger wickelt. Nein, ernsthaft. Dongard rechnet mir hoch an das ich um Erlaubnis bat und nicht einfach verschwand.“

Aufgeregt hüpfte Cynt, wie ein kleines Mädchen auf der Stelle. „ich sehe Kaman heute Abend.“ Quietsche wie ein liebestoller Teenager. Erst als ich bemängelt. „hast du was zum anziehen.“

Typisch Frau. Wie ein begossener Pudel stand sie still. Überlegte angestrengt. Lächelte wie ein Engel. „Das kurze hellblaue Kleid.“ Agnome drängte, „Lasst unser Glück nicht herausfordern. Gehen wir.“

Ich räusperte mich. „Sagte den andern bitte nichts davon. Es genügt schon das ich auf euch aufpassen muss.“

Darauf lachte Agnome. „Sieh an das ist seine wahre Absicht. Er will das du lernst Verantwortung zu übernehmen. Keine Angst, wir machen dir keine Schande. Unsere liebe Anstandsdame.“

„Kaman,“ jauchzte Cynt. „ich sehe ihn heute.“ Sang die letzten Worte bei ihrem Abgang.

Gewarnt durch eine verschwommene Bewegung der Augenwinkel, bückte ich mich automatisch. Weit über mich hinweg segelte der verschmierte Papierball.

„Pah,“ streckte Monat frech meine Zunge entgegen, trippelte überlegen davon.

„Weiber,“ kam es verächtlich hinter mir her.

 

Perfekt wollte sich Cynt ihrem Freund überraschen. So nahmen wir verständlicher Weise die längere Wartezeit in Kauf. Unbedingt wollte sie ihre Haare noch waschen. Zum ersten Mal dachte ich darüber nach ob ich zuwenig tat.. Wofür eigentlich? Himmel, bereit spukte Dongard in meinem Gedanken herum. Lass das dir ja nicht zur Gewohnheit werden, nahm ich mir vor. Es reichte schon mit anzusehen wie die verliebte Cynt zwischendurch völlig neben der Rolle stand. Ausserdem bevorzugte Dongard bestimmt nicht eine Frau welche ihn ständig anhimmelte.

Inzwischen half mir Agnome die sanfteren Dulies auszuwählen. Zu zweit schafften wir es spielend die reizbaren Gemüter zu satteln. Während ich den groben Kopf festhielt zäumte Agnome mit ihren geschickten Fingern in Windeseile. Wir lagen gut in de Zeit. Seit der Idee und der Abreise trennte nur eine halbe Stunde. Mit einer schwarzen Strickmütze, welche die feuchten Haare vor der kühlen Zugluft schützten, rannte Cynt auf uns zu mit einem kleinen Paket in der Hand. Ausgezeichnet, wenigsten dachte sie daran das man mit einem kurzen Rück nicht reiten kann. Sie nahm das Abendkleid mit.

Der wilde Galopp begann. Am Anfang gelassen bis die Tiere ihre dünnen Gelenke aufwärmten, danach spornten wir sie zwischendurch zur Höchstleistung an. Wie wahre ausgebildete Meister hielten sich mein Begleiterinnen. Während ich schon mal vorsorglich zum Sattelleder griff um mein Gleichgewicht bei einem Sprung zu halten. Mit dem günstigen Tageslicht leisteten die ausgeruhten Dulies wahre wahre Wunder.

Wie wilde Amazonen stürmten wir los sobald die Geröllhalde hinter uns lag. Nach dem „Backofen“ stürmten wir in die entgegengesetzte Richtung der Sonne. Das wärmte zwar unseren Rücken aber weniger die ungeschützten Gesichter. Aufkommender Wind, eine unangenehme Bise verschlimmerte die Reise. Dankbar blickte ich auf meine dünnen Reiterhandschuhe hinunter. Dabei befanden wir uns erst mitten im Herbst. Mein erster Winter stand bevor den ich jetzt bereits mit Bangen erwartete.

Trotz dem strengen Ritt benötigten wir dreiviertelstunde bis wir die ersten Farmhäuser sichteten. Ungebremst steuerte Cynt, wie ein starkes Magnet, einen bestimmten Hof an mit zwei Haupthäusern und einer riesigen Scheune. Von weitem roch es nach Tiermist und gebratenem gewürztem Fleisch. Das verwunderlichste das ich hier noch echte, dicke Strohdächer vorfand obwohl das zweistöpckige Hauptgebäude ganz modern einen getrennten doppelstöckigen Kuhstall besass. Agnome berichtete mir dass sie oben Gänse züchteten. Eine wahre Tierfabrik.

Mitten im Hof zwei Zierbrunnen die mehr als Zierde ihren Zweck erfüllten. Verschiedenste Reittiere standen in der Nähe angebunden da. Abseits entdeckte ich zwei gewaltige Kunuschis welche bescheiden an einem Strohhaufen kaute. Genau das richtige für drei heisse, aufgedrehte Dulies. An dem zotteligen Fell der mutierten Kühe bestrafte jeder launische Angriff mit scheusslichen Haaren zwischen den Zähnen. Also bestens um ihnen die schlechte Angewohnheit zu vertreiben und um keine Schadensmeldung anderer Leute zu erhalten. Wir stiegen ab. Cynt zog sich gleich um. Unentwegs summte sie vor sich hin. Dazwischen immer dasselbe Wort, „Kaman, Kaman.“ Verliebt sein ist schön. Ich gönnte ihr den Zustand.

Ein Bauernjunge, eben aus der Schule entwachsen, steuerte uns an. Verlangte nach einer kleinen Entschädigung fürs Aufpassen der Tiere. Ohne zu Handeln drückte Agnome eine dünne Tasche in die Arbeiterhände. Zuerst zeigte er sich empört, als er den Inhalt erkannte strahlten seine hellblauen Augen. Beschäftigt wandte er sich an die nächsten eintreffenden Gäste. So zupfte ich Agnome am Ärmel. „Was hast du gegeben?“

„Ein Glas reinster Honig. Der wird in dieser Ebene hoch gehandelt. Gewöhliches Weideland, ohne Unkraut oder Kräuter lockt nämlich selten Bienen an. Dafür sind wir mit unserem warmen Hügelhonig sehr berühmt. Bei unserer Blumenvielfalt und den klebrigen Tropftannen das ideale, lohnende Geschäft.“

„So eine kleine Flasche reicht ihm?“ ich mass dem ungefähr ein Deziliter zu.

Agnome lachte. „Für einen kranken Magen reicht ein Löffel am Morgen und am Abend. Die beste Medizin und beliebter als die grässlichen Tabletten von Arzt.“

Jetzt viel mir auch wieder ein das Dongard oft N`toki in die Hügel schickte um nach den Bienen zu schauen.

Ungeduldig stürmte Cynt davon. Agnome hielt sich gesittet an meiner Seite. „Wir besitzen drei Schwärme. Aber nur wenige wissen wo das flüssige Gold zu finden ist. Vermutlich weiss es ausser Dongard, N`toki und Derek keiner. Sie hüten sie noch schlimmer als unsere Drachen.“ Sie senkte die Stimme vertraulich. Obwohl es kaum noch nötig war. Rund um uns sammelte sich die Bauern und Handwerker in ihren schönsten Familienkleider. Es gab keine speziellen Trachten. Aber die meisten Familien, im Schlepptau die Gesellen, zeigten häufig eine Gemeinsamkeit. Manchmal glichen sich die Farbe der Knöpfe an einer Weste oder jeder trug dieselbe reichverzierte Brosche an derselben Stelle. Ob ein gehäkeltes Halstuch oder gar einen spezieller Hut auffiel eine gemeinsame Sache teilte sich jeder Hof. An die fünfzig Leute zählte ich flüchtig die versammelte Menge. Erleichtert um Agnomes Begleitung wich ich ihr nicht von der Seite. Zwar standen die zwei Freundinnen unter meiner Aufsicht, doch ich fühlte mich dermassen unwohl unter all diesem Fremden das ich die Unterstützung meiner Kollegin brauchte. Diese Leute kannten sich nämlich genau unter einander. Fröhliche Gesichter, vom Wetter gezeichnet, begrüssten einander. Die ständige Anpassung an die Natur hinterlies ihre Spuren. Manch hielten sich durch die Einsamkeit der abgelegen Höfe geprägt lieber im Hintergrund. Zeigten sich anfangs sehr zurückhaltend. Sobald sie einige Hände schüttelten, tauten ihre herzlichen Gemüter auf. Cynt hellblaues, schlichtes Kleid blitzte gelegentlich zwischen den reich verzierten Gewändern auf. Die meisten Ehefrauen trugen stolz ein gesticktes Tuch um ihre Schultern. Auffällig auch die langen traditionellen Röcke. Dazwischen huschte Cynt wie ein unschuldiges Schulmädchen nach ihrem Geliebten. Selbst ich mit meinem schlichten Pullover fühlte mich bereits wie eine abgesonderte. Obwohl die Stiefel und die Reithosen meine Beine betonten so lag ich für einen festlichen Anlass schon beträchtlich daneben. Einige schauten uns neugierig an. Lächelten freudig wenn sich die Blicke kreuzten, hielten aber einen gewissen, kühlen Abstand bei. Dabei fand ich Angnome mit ihrem ledernen, schwarzen Hosenrock und der weissen Spitzenbluse absolut unauffällig. Lag es einzig an mir? Mein Haare, viel mir ein. Wie seltsam das mir das nicht gleich auffiel. Natürlich! Erleichtert das es nur an diesem Lag atmete ich auf. Richtete mich stolz gerade. Erhielt von Agnome einen sanften schubs. Lies mich von ihr in die grosse Scheune dirigieren. Auf langen geschickt ineinander abgestützten Holzbalken tronte weit oben das einfache Dach aus Schindeln. Feiner Holzgeruch, eine warme Atmosphäre hüllte einem ein. Bewundernd folgte ich in der dichten werdenden Menge meiner Begleiterin auf die oberen hinteren Tribünen. Die gewaltigen Ausmasse. Doppelt so gross wie ein gewöhnliche Scheune in meiner Zeit und hier arbeitete man praktisch ohne Maschinen. Eine wahnsinnige Leistung! Agnome interessierte sich mehr für das untere Geschehen. Wir setzten uns an einen schmalen Tisch der mitsamt den Bänken zu einer versetzten Treppe gehörte. Als ob vier verschiedene Baars sich abgestuften, seitlich anreihten. Als letzte Reihe besassen wir das Privileg einer duftenden Strohwand in unserem Rücken. Leichtes essen, Früchte, frische wie getrocknete wurden verteilt. Elektrisches Licht. Da mir das so spät auffiel was in meiner Welt so selbstverständlich erschien. Was für eine Kostbarkeit. Lange Mundgeblasene Gläser die das Licht der an die Decke warfen. Ausgeklügelte Spiegel verdoppelten dann die Helligkeit. Bereits flatterte die ersten lebensmüden Nachtfalter an die heissen Glässer hoch.

Hungrig knabberte Agnome an den kleinen herum gereichten Häppchen. Sammelte ein paar Vorrätig für Später. Erstaunlich in dieser beschäftigen Umgebung vergass ich fast das essen. Es gab so viel zu sehen. Eine gelungenen Abwechslung zum eintönigen Lager. „Safina, woran denkst du?“ „Ich wünschte das ganze Lager wäre hier. Es ist einfach phantastisch. Dieser Moment... warum erlaubt uns Dongard so was nicht öfters?“

„weil es so was nur selten statt findet,“ sagte sie schlicht. Sie erinnerte sich, zweifelte, „Willst du wirklich auf das ganze Lager aufpassen wenn sie hier alle hier wären.“

„Gütiger Himmel, nein. Dafür ist dann Dongard zuständig,“ wehrte ich mich.

„Glaub mir, der hat schon genug um die Ohren. Es wundert mich das er das Lager praktisch alleine leitet. Derek ist ja nur mehr ein Assistent für Notfälle. In den anderen Lager, soviel ich hörte, kommen auf zehn Leute ein Kommandant. Und Dongard nimmt gleich fünfundzwanzig alleine auf. Er ist verrückt aber ich möchte ihn auf keinen Fall gegen einen anderen eintauschen.“ Sie grinste mich vielsagend an.

Es lag schwerer auf als ich zugeben wollte. „Wegen seinem Aussehen oder... so viele wollen mit ihm ihn Bett.“

Ein wenig Betroffenheit lag ihn ihren Augen, hinter den festen Brillengläser. „ich gehöre nicht zu denen. Für eine Bettgeschichte habe ich zuviel Respekt vor ihm. Sogar Angst. Mein grosser Liebling ist der blonde Stefkan. Er ist absolut zuverlässig und viel sanfter als Okleras. Suchst du was sanftes, einfühlsames kann ich Stefkan wärmsten empfehlen. Besonders wenn man nervös ist oder einfach einen miesen Tag hinter sich hat. Er hört einem einfach nur zu und hatte jede Menge Geduld. Was? Deine Augen, was bedeuten sie?“

Ungern gestand ich. „zu spät. Ich fürchte ich bin auch von Fieber befallen das Dongard auslöst.“ „oh,“ ihr Mundwinkel zuckte. „umso besser. Es geht ein ernstes Gerücht umher das er an dir wirklich interessiert ist. Seit du das bist ist er vollkommen verändert. Es scheint zwar alles wie sonst aber es gibt so viele Kleinigkeiten die er auf einmal anders anpackt. Am schlimmsten ist es mit seiner zunehmenden Ungeduld. Hoffentlich ändert sich das sobald du mit ihm schläfst.“ Sie blickte wieder nach vorne. Mich schockierte ihre Kenntnisse. War das Ausmass wirklich so beträchtlich? Kein Wunder das ich so eine Wirbelsturm im Lager auslöste da sich der oberste Liebling bei meiner Anwesenheit so veränderte. Zum Schlechten. Mit passte es überhaupt nicht in den Kram aber ich sollte vielleicht doch mit Dongard mal darüber reden. Im Hinterkopf lockte bereits eine verräterische Stimme; oder mit ihm öfters schlafen. Entschlossen schüttelte ich meine Kopf. Ich war heute hier um den Abend zu geniesse und nicht um über Dongard nachzudenken. Auf einmal vernahm ich seinen merkwürdigen Dialekt. Agnome flüsterte, „sie kommen aus dem Westvierte. Zwei Tage sind sie gereist um hier zu sein.“

Anscheinend schätzte man diesen einmaligen Anlass. Kein Wunder, diese Leute kannten kein Fernsehen. Darum schätzten sie diese Art von Unterhaltung. Mich wunderte nur das es so was nicht öfters gab. Oder ein Theater.

Allmählich wurde es auf den Bänken eng. Nirgends entdeckte ich Cynt. Als zwei lustige Kinder in einem Pferdekostüm, mit einem fliehenden, bunt geschminkten Clown spielten, vergass ich die Abwesende ganz. Seit langem amüsierte ich mich nicht so köstlich, unbeschwert. Wünschte mir tatsächlich, Dongard könnte die Vorführung miterleben.

Fast fünfzig Leute schätzte ich auf allen drei Seite um die Bühne verteilt. Die lebhaften Kinder die unter den Bänken herumtollten, nicht mitgezählt. Man löschte das blendende Licht. Ersetzte es gegen ein warmes Kerzenlicht. Einzig auf die Bühne zielte gnadenlos ein Scheinwerfer. Draussen legte sich die Dunkelheit über die Erde. Die Scheune kühlte sich trotz der Menschenmasse leicht ab. Ein helles Klingeln ertönte. Der erste Kandidat trat ein.

In den folgenden Stunden fanden nur wenig auserwählte Sänger Gnade. Dementsprechend überraschte es mich nicht das einige aus dem kritischen Publikum, die Anfänger und die langweiligen Auftritte, mit schmeissendem Essen zum Abgang beschleunigten. Ein junger Mann kam relativ unsicher auf die Bühne, klimperte probeweise auf seiner Gitarre, schon platschte eine angebissenes Sandwich an seine Wange. Gekränkt stand er würdevoll und überlies das heikle Schlachtfeld anderen. Ein anderer Erwachsener zeigte da mehr Durchhaltevermögen. Weigerte sich hartnäckig die Niederlage einzugestehen. Wich geschickt, während er unbekümmerte auf der Mundharmonika spielte, den Früchteregen aus. Was weitere Misstöne seinem unbeherrschten Instrument entlockte. Er ein aufgehetzter Hund überredete ihn die Flucht zu ergreifen. Allerdings langsam, da das gereizte Tier sich an seinem Hosenbein festbiss und erbarmungslos zerrte. Jemand fegte mit einem Besen rasch das Essen von dem verschmierten, rutschigen Boden weg, weiter ging es. Um erhlich zu sein ich genoss die phantasievollen Rausschmisse mehr als die Musikalischen Darbietungen. Obwohl es ein paar talentierte Gruppen gab die mit Geigen, Harfen und Flöten endlich Das Publikum erfreuten. Besonders bei einem Greisenquartett. Die sorgten allein mit ihrer unbeholfenen Art für Unterhaltung. Beim Singen viel doch tatsächlich einem das Gebiss heraus. Reflexmässig schaffte er es mit einer Hand einzufangen, dafür verklemmte sich sein langer Bart in den engen Seiten seines Zupfinstrument. Jemand schrie, „Sehr gut. Ich hoffe ich sehe euch nächstes Jahr wieder aber gewinnen lasse ich euch trotzdem nie.“

Andere Sänger besassen erstaunliche Talente.

So gegen Zehn Uhr Abends spähte ich vermehrt im Publikum und hinter den Kulissen herum. Cynts Abwesenheit beunruhigte mich dermassen das ich selbst die himmlische Solostimme ignorierte. Ausserdem fand ich den ausgeschmückten Liebessong etwas übertrieben. Wo steckte Cynt? Mir viel zunehmend auf das andere in meine Richtung zurückstarrten. Also suchte ich auf einer anderen Seite ob ich mein Problemkind doch nicht irgendwie übersah. Komisch die...?!

Mich überkam ein schrecklicher Verdacht. Sofort sah ich gerade aus. Alle mochten diesen schnulzigen, klassischen Sänger. Zudem erschien er sehr hübsch mit dem braunen halblangen Haar. So viele sogen seine gepriesene Romanze auf,nur anscheinend ich nicht. Was dem ... Kerl da vorne, trotz dem blendendem Scheinwerfer auffiel. Anfing seine schwärmenden Worte auf mich abzuschiessen. Meine grosse Liebe, süsse Sehnsucht und all den schmachtenden Unsinn. Für einen Moment haderte ich ob ich mit meine Fingern eine Kralle bilden sollte und in der Luft andeutete seinen Hals zuzudrücken. Im Mittelpunkt des Publikums gehörte sich das nicht, so beherrschte ich mich und tat das klügste um meinem eigenen Interesse nach zukommen. Trat den Rückzug an. Vorteil die Nottreppe wenige Meter neben mir. Zu Agnome sagte ich kurz, „Gehe Cynt suchen.“

Über meinen gewagten Abgang schnappte sie nach Luft. Ohne auf das enttäuschte Publikum zu achten, rauschte ich schleunigst nach draussen. Für schmachtende Kindereinen fehlte mir die Zeit.

Draussen blies ein eisiger Wind mir über die Wangen. fröstelnd hielt ich die Arme vor der Brust verschränkt, zitterte. Hinter mir erstarb die Stimme in tiefer Klage an das ungerechte Leben, Traurigkeit und bitterer Abschied. Enttäuscht schreien einige weiblichen Fans auf. Begeistertes Klatschen forderte eine Verlängerung.

Mist in der Dunkelheit erkannte ich kaum was. Wenn die Augen versagten achtete ich auf Geräusche. Neben mir stand ein im inneren beleuchtetes Zelt. Bereits aufgetretene Sänger quatschten eifrig über ihren Erfolg oder Misserfolg. Ziellos schlenderte ich in der Nähe des Zeltes. Dabei schnappte ich einige Worte auf. Drei bis vier Personen diskutierten, fachsimpelten über Klänge und Akustik. Tratschten übel über die verabscheuten Konkurrenten. Beim Namen Kaman hielt ich abrupt inne. Schlich näher. Sie rügten seine Handlung, über seine Verrückte Neigung zu einer Geliebten. Nannten ihn töricht.

Eine tiefere Stimme lachte, „Der Angeber will unbedingt vor seinem Auftritt noch eine Flach legen. Als Letzter Teilnehmer kann er sich das leisten aber danach... den können wir abschreiben. Garantiert findet der seine besten Töne nicht mehr. Schade für so ein Talent . Besser für uns die sich wenigsten Mühe geben.“ „Geschieht ihm Recht. Meine Freundin bleibt immer zuhause schliesslich will ich meine Fans nicht enttäuschen, ausserdem kann ich mich auf das wesentliche konzentrieren.“

„Vielleicht ist besteht er den Wettbewerb. So viel ich hörte ist es nicht seine direkte Freundin. Auf keinen Fall seine aktuelle Nummer.“ „Quatsch, der vorausgabt sich. Semour hat bessere Chancen auf einen Sieg. Hörst du den verlängerte Applaus. Irgendwie schafft er immer das Publikum auf seine Seite zu ziehen. Letztes Jahr hat er ein kleines Mädchen in den Arm genommen. So was lieben die Leute.“ „mir fällt was besseres ein. Suche mir ein hübsches Mädchen und schenke ihr eine rote Rose. Und eine Figur sollte sie haben, erste Sahne.“

Typisch Männer. So wie ich sie auch aus meiner Zeit kannte. Stellte sich nur die Frage ob Cynt die aktuelle Freundin war, oder die weniger hoch geschätzte. Vor allem wo fand man sie?

Ausser dem beleuchteten Zelt, gab es noch zwei Fenster im Haupthaus hinter denen ein schwaches Kerzenlicht flackerte. Unangenehm stellte ich mir der nächsten Aufgabe, zu spionieren. Wenigstens gab es hier keine wachenden Hofhunde. Unbemerkt schlich ich zum Wohngebäude. Neben der Türe lagen unzählige Kerzen und mit Wachs übergossene Streichhölzer. Eine wohl geplante Strategie, falls der festliche Abend zu verschiedenen Stunden ins Bett rief. Dennoch es dauerte ein paar aufwendige Minuten bis ich herausfand wo man die Streichhölzer heiss rieb. Direkt am Türrahmen festgenagelt auf einem kleinen Plättchen.

Mit Kerzenlicht, trat ich zaghaft ins unbekannte Innere. Schon früher empfand ich fremde Häuser als äusserst Unwohl. Alleine der befremdliche Geschmack. Fühlte ich wie ein unerlaubter Eindringling in ein markiertes Teretorium. Getrieben von einem inneren Drang, suchte ich nach der Treppe. Leise wie ein Katze trippelte ich auf den hölzernen Stufen empor. Schwierig das richtige Zimmer zu finden. Im ersten Stock gab es alleine Sechs Zimmer an der Aussenfront. Zwei aus der Mitte vielen in die engere Auswahl. Unter den Türschwellen gab es kein noch so schwaches Licht. Also drückte ich meine Ohr an den Türrahmen. Wissend aus Erfahrung das er wie ein Telefon leitete. Schon beim ersten hörte ich aufgeregte Stimmen... aus dem oberen Stockwerk. Hastig eilte ich zur Treppe, als von oben ein flackerndes Kerzenlich aufleuchtete. Drückte mich seitwärts unter die Treppenstufen an die Wand. Energisch rauschte jemand hinunter. Vorsichtshalber presste ich mich näher in die Nische. Dabei stolperte ich über ein paar dreckige Arbeitschuhe. Von dem Geräusch gewarnt spähte eine junge blonde Frau um die Ecke. Entdeckte meine Kerze. „was machst du hier,“ fragte die kaum zwanzig Jährige.

Das beste in so einer Situation ist sich einfach dumm zu stellen und schüchtern. „ich bin hier wegen einer Einladung. Aber ich bin etwas zu früh. Eigentlich sollte ich erst in einer halben Stunde hier Kaman ...“ Von weiter oben schrie ein zorniger Mannund eine weinerliche Stimme antworte. Mir gefror das Herz als ich Cynt dabei erkannte.

Säuerlich fuhr mich die selbstbewusste Bäuerin an. „Du willst zu Kaman?“

Diesmal verhielt ich mich wie die verliebte Cynt. Seufzte schwärmerisch. „Ja. Er sieht ja so süss aus. Und er hat mich ganz lieb geküsst...“ Das ländliche gebräunte Gesicht verdüsterte sich. Verärgert wollte sie sich abwenden, entschied sich auf einmal anders. Steif im Schritt kam sie auf mich zu. Wie eine Furie. Sofort hob ich die Arme schützend vor mein Gesicht, aber die schnappte sich nur ein Handgelenk. Riss mich grob hinter sich her. Diese einfache Landmädchen besass erstaunliche Kräfte. „Du willst Kaman sehen. Ich zeig ihn dir. Er ist alles andere als süss.“ Ihre schweren Hausschuhe schlugen die angelehnte Türe polternd auf. Im Zimmer brannte bereit ein halbes Dutzend Kerzen. Auf den ersten Blick erkannte ich Cynt , im Bett sitzend. Hielt sich eine Bettdecke auf um ihre Nacktheit zu verbergen. Gerötete Tränenaugen weiteten sich bei meinem hineingezerrten Auftritt. Alles andere als Ruhig schrie die eifersüchtige Bäuerin. „Kennst du die auch noch oder hast du sie auch schon vergessen?“

Mitten im Raum stand der wahrhaft hübsche, junge Mann. Hellblond, eine freche kleine Nase, leuchtende hellblaue Augen und was mir am ehesten gefiel, nur mit einer kurzen Shorts bekleidet. Aber zu Jung und zu Blond für meinen persönlichen Geschmack. Ich spielte sofort die beleidigt, schockierte. „Du bist mit meiner besten Freundin, im Bett?“

Ein seitliches Aufheulen liess mich hastig zurückweichen. Wie eine aufgedrehte Bestie stürmte die kräftige junge Frau auf Kaman zu. Ehe er begriff schlug sein schlimmster Alptraum die Faust ins Gesicht. Ohne eine Laut von sich zu geben, sackte er geschockt auf dem Boden.

Abgekühlt rauschte die gekränkte Bäuerin aus dem Zimmer.

Weinen unterbrach das schmerzerfüllte Stöhnen. Vorsichtig richtete sich Kaman auf, damit ja kein weiterer Schaden entstand. Hielt sich eine Hand an die gerötete Wange. Wahrhaftig. In meiner Zeit käme er leicht mit diesem Aussehen auf die Stufe eines Mädchenschwarms. Er besass das Zeug dazu. Wen wunderte es das dieser halb erwachsene sich zwei Freundinnen hielt. Furchtsam schätzten mich die hellblauen Augen verstört. „wer bist du?“ fragte er mühsam sprechend. Himmel, der verlor den Wettbewerb nach dieser Attacke haushoch.

„oh, zufällig war ich im Treppenhaus als mich deine Freundin entdeckte und anscheinend gleich ausflippte. Aber keine Sorge, ich hege keinerlei Rachegefühle.“ Sagte ich total lieb. Mir kam längst eine geniale Idee. Bei seinem ungeschickten Aufstehen entdeckte ich auf dem Stubentisch Schminke. Während er sich nach einem Stuhl umsah deutete ich mit dem Zeigefinger an den Lippen, zu Cynt, das sei still sein sollte. Mitfühlend fragte ich besorgt: „Willst du so auftreten? Du blutest ja!“

Geschockt fasste er sich erneut an die Wange. Tatsächlich fand sich da ein kleiner blutender Kratzer. Stumm um Hilfe flehend sah er sich um. Suchte dringend nach einem Spiegel. Ich winkte ihm zu. „komm her! Lass mich das machen.“

Fand eine sauberes Taschentuch, tauchte es in einem Getränkeglas, in kühles Wasser.

Erleichtert plumste er mit einem befreiten Seufzer auf eine gepolsterte Bank. Mit einer milden Stimme, „endlich mal eine vernünftige, liebe Frau.“

Wie bei einem Kind tupfte ich ihm behutsam über die verfärbte Wange. Mit der anderen Hand hielt ich seinen Nacken still. Leicht bewegte ich meine Finger Massierend. Geniesserisch hielt er still.

Auf jede Kleinigkeit achtend gab ich dem eitlen Künstler zu wissen. „Warte, da ist ein kleiner Staubfleck.“ Wischte ihm oberhalb der gepflegten Augenbrauen. Auf der anderen Seite legte ich eine vorwitzige Haarsträhne zurück. Fasste ihn am Kinn und drehte sein Gesicht kritisch zur Seite. Unzufrieden meinte ich, „die Wange... ein bisschen.. Schminke... So jetzt sieht man von überfall nicht mehr. Du solltest in Zukunft vorsichtiger sein.“ Ein Blick auf mein Uhr. „Du bist bald dran. Nein,“ wehrte ich seine Hand ab. „Fass dein Gesicht bis nach dem Auftritt ja nicht an. Sonst geht der helle Puder ab.“

Cynt hielt sich nicht länger zurück. „Du bist gemein! Wir Frauen sollten eigentlich zusammen halten.“

Hochmütig warf ich ihr einen Seitenblick zu. „Im Krieg und in der Liebe sind alle Mittel erlaubt.“ Auch Kaman wollte seinen Senf dazu geben. Spähte um mich herum zu Cynt. Rasch stellte ich mich als Trennwand dazwischen. Lächelte ihn zuckersüss an. „ich helfe jedem der so gut aussieht,“ dabei wanderte mein Blick mit anderem interesse andeutend nach unten. Kaman bedankte sich artig mit belegter Stimme. Die überrumpelten Abendteuer sassen ihm noch in den Knochen. Was ihn nicht daran hinderte sich an der Türe umzudrehen. Zögernd, bitten, „ Sehe ich dich nach der Vorstellung?“ Neckisch gab ich zurück. „Wenn du mich dann noch sehen willst? Ich finde dich schon.“

Mit einem schiefen Lächeln, wegen seinem schmerzhaften Gesicht, verabschiedete er sich. Sobald das Türschloss knackte, zuviel. Schüttelt sich jemand hinter mir unter der Decke. Grinsend wischte ich mir die schwarzen Fingerkuppen am Lappen. Diese schwarze Tusche haftete wie ein gutes Tatoo.

Hinter mir kicherte Cynt ungebremst, hielt sich dämpfend die Decke vor den Mund. „ein teuflischer Plan.“

Dem stimmte ich vollkommen zu. „Ja so sieht er jetzt auch aus mit seinem aufgemalten Ziegenbart und den zugespitzten Augenbrauen. Komm, zieh dich an. Ich will den Auftritt auf keinen Fall verpassen.“

„Uhhh,“ rief sie schaudernd vor Freude. Vergessen die Tränen.

 

Wenig später standen wir rechtzeitig auf der Tribüne. Um die andern nicht zu stören setzten wir uns mitten im Gang auf den Boden. Der Hauptredner verkündete nämlich das es eine kleine Änderung im Programm stattfand. Zuerst dachten wir das Kaman den hinterhältigen Streich bemerkte und sich abmeldete. Stattdessen schickten ihn seine „Kameraden“ schadenfreudig vor bevor der Streich platzte. Teils auch weil sie verunsicherte wissen wollten was tatsächlich hinter der unpassenden Maskerade steckte. Mutwilliger Streich oder gar berechnete Absicht. Auch die Zuschauer verstummten als er den Gang entlang schritt. Heftig begann man zu tuscheln.

Elegant, stolz wie ein überzeugter König marschierte Kaman in den Mittelpunkt. Konzentriert sammelte er sich, fing mit seiner gewaltigen, beeindruckender Stimme den Raum zu füllen. „Als Jüngling bin ich gar so rein,“ schmetterte er kräftig los. „Lass mich bei deiner Unschuld sein.“

Manch einer verschluckte sich am Essen. Erheiterung breitete sich aus. Da stand das angeschmierte Teufelchen und lobpreiste die Reinheit der Jugend und unbefleckte Damen. Das absolute Gegenstück seiner provozierenden Fassade. Unerwartet hörte man ihn bis zu Ende an. Wartete unentschlossen was man von dem gewagten Auftritt halten sollte. In der ersten Reihe, meldete sich eine dicke Frau, begleitet von sieben Kindern. Unüberhörbar ihre grelle Stimme. „He, Süsser! Für dich habe ich noch eine Platz frei in unserem Zirkus, als Clown.“

Allgemein lachte man los.

Kaman sah aus wie ein verstörtes frisch geschorenes Schaf. Verstand seine Welt nicht mehr. Schliesslich klatschte man sogar über den einfallsreichen Clown. Gekränkt marschierte er enttäuscht hinaus.

Cynt lebte neu auf. „Komm lass uns was trinken gehen bevor alle Leute aufstehen und gehen.“ Nach Kaman folgten noch zwei Vorträge, dann war endgültig Schluss.

Heiter schmunzelnd suchten wir draussen einen beleuchteten Stand. Erst jetzt kurz vor Schluss errichte man draussen hastig ein paar Stände um den letzen Tausch abzufertigen. Im Vorraum der Scheune warteten bereits die Händler auf die grosse Menge. Diesmal duftete es nach warmer Schokolade und unzähligen Kuchen in de verschiedensten Varianten. Tee in verschiedenen Sorten und sogar herrlichen Kaffee. Trotz dem geschlossenen Haupttor zitterte cynt leicht vor Kälte. In dem Moment erspähte ich einen Bauern der abseits sich Wasser in ein kleines Glas eingoss. Geniesserisch schlürfte. Seine Kleidung verriet das er sich was besseres als Wasser leisten konnte. Sein entzückter Blick.... das war kein Wasser. Mit Hintergedanken wandte ich mich an Cynt die wieder mit traurigen Blick über das verlockende Kuchenangebot, wahllos streifte. Vorsichtig begann ich. „Hast du Honig vorrätig?“

„mhm,“ bestätigte sie abwesend. „einen kleinen.“ Sie wirkte teilnahmelos. Studierte statt dem Kuchen bereit wieder Kaman nach. Ich bat, „Darf ich ihn tauschen. Du wirst es bestimmt nicht bereuen.“

Schon aufgeweckter überreichte sie mir das kleine Glas. Folgte mir mit den Augen wie ich zu dem Bauern anvisiert. Der trank sein Glas aus als enthielte es göttlichen Nektar. Sein Nachbar sichtete mich. Warnte mit einem deutlichen Räuspern den Abgelenkten. Hastig verschwand die Flasche unter dem Stand.

Direkt traf ich den Punkt. „wie wäre es mit Tauschen?“

Er versuchte unbeschwert zu wirken. Deutete aus sein feinen gebackenen Kuchenstücke. „Was darf denn sein,“ sagte er mit heiserem Hals. Deutlich schnupperte ich in der Luft. Wie ertappt zuckte er zurück. Ich grinste. „Zu spät. Wie viel Prozent,“ fragte ich wie ein langjähriger Kenner. Sein schräger, dümmlicher Blick stimmte mich heiter. Verschwörerisch winkte er mich heran. Flüsterte, „Die ganze Flasche kann dich vergiften, besonders wenn man so wenig wiegt wie du. Also besorg dir lieber was anderes,“ riet er mir. Wollte wahrscheinlich vermeiden das später auch Ärger auf ihn zurückfiel.

Vollkommen ernst sah ich ihm in die grauen Augen. „wir brauchen eine kleine Stärkung auf dem langen Heimweg. Ausserdem liebe ich Alkohol in kleine Mengen im Dessert. Schon mal einen Kuchen mit Rhum und Rosinen probiert? Unser Koch weiss so ein Geschenk zu würdigen. Ausserdem tausche ich doch Medizin gegen Medizin!“ Ich stellte den Honig auf den Tisch. Die grauen, kleine Augen blitzten auf. kleine Fältchen alterten ihn. „Ist es das wofür ich es halte.“

Bestätigen nickte ich. „Bester Berghonig.“ Fügte ganz brav in fraulichem Unterwürfigen Ton hinzu. „Wie viel bekomme ich davon.“ Spähte andeutend hinter den Tisch. Schmale Lippen lächelten, „Warte.“ Zügig spazierte er zu seinem Wagen. Als er wieder vor mir stand reichte er mir eine Literflasche. Mahnend. „Du weist damit umzugehen?“

Beschwichtigend gab ich zurück. „Besoffen hat mich bisher keiner gesehen. Ich mag das Zeug nur in kleinen Mengen oder an einem geschwollen Gelenk eingerieben. Es hilft in kleiner Dosis gegen Kopfschmerzen oder erleichtert einem überfüllten Magen das verdauen,“ verdeutlichte ich meine Erfahrung. Zum ersten Mal sah ich einen erfreuten Ausdruck. Er drückte seine Mütze zurück. Es klang anerkennend. „Dann gebe ich dir eine Zweite als Geschenk des Hauses. Wir hatten das Jahr eine gute Ernte.

Probiert das Zeug erst wenn ihr etwas weg seid. Gewisse Leute übersehen es zwar wenn wir Erwachsene gelegentlich einen Schluck genehmigen. Bei deinem jungen Alter würde ich kein Risiko eingehen. Brauch ja keiner zu wissen was du herum schleppst,“ riet er mit väterlich.

Dankbar drückte ich mit Freude seine dargebotene, trockene Hand. Senkte mein Haupt.

Danach wickelte ich die kostbaren Flaschen in eine Menge weiches Papier das als Servietten zur Verfügung standen.

Lustlos knabberte Cynt an eine Stück Kuchen. Drückte bei meinem entzückten Gesicht gleich den Rest in die Hand. Ohne Bedauern sagte sie, „können wir nach Hause aufbrechen. Ich nickte. Drückte ihr die Flaschen in die Hand. Angelte mir eine leeren Teebecher vom nächsten Stand. Füllte höchstens vier Esslöffel von den Alkohol hinein. „Probier einen Schluck. Das vertreibt vorübergehend die Kälte und bringt ein bisschen Farbe in deine Wangen.“

Gespannt wartete ich ihr Reaktion ab. Sobald das vermeidliche Wasser in ihrem Hals brannte, hustete sie verrückt los. Hielt sich die glühende Kehle fest, dann denn Magen. Ihr Augen weiteten sich. „Du willst mich wohl umbringen. Was ist das für ein Gift...?“ Sie verfolgte die einschlägige Wirkung.

Scheinheilig fragte ich, „Und?“

Sie bekam wässrig Augen, schnappte nach Luft. „Absolut scheusslich. In einem hast du Recht, es fliesst wie ein wärmendes Feuer durch meinen Darm. Oh, Mann, Entsetzlich. Was hast du was wertvolles Eingetauscht?“

„Glaub mir es ist es wert,“ drückte ihr die Flaschen in die Hände. „Ich glaube ich kann dich getrost damit alleine lassen. Verstaue sie bitte sorgfältig bei meinem Sattel. Ich hole inzwischen Agnome.“

Zustimmen nickte sie mir zu mit schon glänzigen Augen.

In ausholenden Schritten marschierte ich quer durch den Raum. Jedes Pferd das diesen entschlossenen Schritt sieht weicht nachgeben aus. Deswegen wunderte ich mich als mir ein junger Mann aufdringlich den Weg verstellte. Ach, irgendwie kam er mir sogar gekannt vor. Jung, kaum zwanzig, schlank, braune kürzere Haare die ihm glatt mit leicht abgestuften Schnitt hinten herunterhingen. Erinnerten mich an den Hintern eines Glatthaar Meerschweinchen. Frech, unverschämt liess er mich nicht vorbei. Streckte seine Arme seitlich aus um es genau zu verdeutlichen. Grund genug den Unhöflichen genauer zu betrachten. Dichte, geschwungene Wippern, darunter funkelten haselnussbraune Augen mit interessanten grünen Punkten. Sie drückten Entschlossenheit aus. In Kampfbereitschaft gehend stemmte ich die Hände in die Hüften. Er lächelte milde, beschuldigend. „Von woher kommst du?“ Fragte er zwar harmlos.

„Von weit, weit, sehr weit entfernt weg,“ gab ich ruhig zurück.

„Verstehe, dann habt ihr andere Bräuche, Gesänge als wir hier?“ Wirkte er auf einmal verständnisvoller. Was sollte das? Genauer sah ich ihn mir an. Es dämmerte, „Semour,“ rutschte mir über die Zunge.

Semour straffte stolz seinen Rücken, „demnach bin ich dir nicht unbekannt! Weshalb dann die kühle Abfertigung vorhin..“ er deutet über seine Schultern zum aktuellen Schauplatz. „Jede andere hätte es genossen im Mittelpunkt zu sein. Besonders wenn man schon so auffällige, gefärbte Haare trägt.“ Wirkte er wieder gereizt. „liegt es an mir?“ Seine Finger streifen bewundernd eine meiner seidigen Strähnen. Fliessend seine Bewegung ohne Hast, so vergass ich gänzlich auszuweichen. Zudem fand ich das der jüngere kaum eine Gefahr darstellte. Spielerisch zielte ich ist meiner Hand nach seiner. „Willst du mich beleidigen. Meine Farbe ist echt! Vom Vater geerbt.“ Erklärte ich fast mit einer Spur Hochmut. Ungläubigkeit machte sein Gesicht älter. „Das gibt es noch?“ Zweifelte arg an meinem Wort.

„Ich sagte bereits das ich von weit her stamme. Allerdings hat meine Abfuhr nicht mit deinem bemerkenswerten Talent Singen zu tun, sondern ich bin momentan weniger daran interessiert romantische Dinge zu hören.

So und jetzt lass mich vorbei. Ich reise ab.“

„Jetzt schon, vor der Preisverleihung. Das ist grenzenlos bedauernswert. Dabei freute ich mich schon dich ausgiebig kennen zu lernen. Hast du einen Freund der auf dich wartet?“

Empört zog ich die Brauen zusammen. „Was hast du für Absichten,“ fuhr ich ihn aufgeweckt an.

Unschuldige Augen trafen die meine. „Ganz einfach. Willst du mit mir Tanzen?“ Bot mir seine feine Hand an. Besser er fasste schon nach meinen Fingerspitzen. Beschämt entdeckte ich mein Schwielen an den innern Handflächen. Dagegen besass er so makellos, gepflegte Haut wie eine Frau die sich ausgiebig mit Kosmetik beschäftigte.

„Tanzen,“ entfuhr es mir zurück schreckend. In diesem Vorraum gab es nur Stände die allerlei anboten. „Dafür habe ich keine Zeit. Ich muss zwei Kolleginnen nach Hause begleiten.“ Wich ich ihm aus. Rechnete damit das ich seine Geduld strapazierte. Er schien meine Verlegenheit zu merken. Einfallsreich wusste er sich zu helfen. Winkte drei seiner Freund heran welche ihn schon lange gespannt beobachteten. Garantier spekulierten sie über seinen Erfolg der Eroberung. Schelmisch eilten sie herbei. Semour redete mit ihnen in einem unverständlichen Dialekt.

Worauf ich erneut mit böser Vorahnung eine Braue hob. Er beschwichtigte, „Alles ganz einfach. Darf ich?“ verbeugte sich halb, elegant und gar abermals um meine Hand. Zwei verschiedene Tonlagen begannen im gleichen Rhythmus zu singen. Absolut astrein harmonisch. Begleitet von einem Tschelaba und einer Flöte. Es erinnerte mich stark an Mittelalter. Höflich, traurig verdrehte ich die Augen und gestand. „Semour, das ist sehr aufmerksam von dir aber ich kann überhaupt nicht tanzen. Kenne eure Drehungen überhaupt niiiicht.“

Unerbittlich schnappte er sich meine Hand, hielt sie dafür umso weicher fest. Als ob es ein zerbrechlicher Vogel sei. Verdeutlichte seinen Harmlosigkeit. „Dann wird es Zeit ds du endlich dazu lernst. Mach mir mal alle einfach nach. Na los!“

Schwer meine Verlegenheit einfach so abzulegen. Dongard lernte mich allmählich selbstsicher zu sein, also riss ich mich zusammen. Hob anmutig nachahmend meinen Arm. Fester hielt er meine Fingerspitzen. Los ging es. Wirklich wie ein Tanz aus dem Mittelalter. Einfache Schritte vor, zurück, einmal drehen, einmal... nahe drückt er mich an seine Seite. Sein süss, herber Duft viel mir auf. mehrmals hielt er mich energisch um die Taille fest. Führte in die richtige Position. Schon folgte ich Semour vertrauensvoll. Ein erfahrener Künstler in seinem aufgehenden Element. Geniesserisch entspannte ich mich. Eine gelungene Abwechslung nach Drill unter Dongards Kommando. Hier fühlte ich mich gänzlich als Frau anerkannt. Unbeschwert, ausgelassen liess ich mich am Ende gerne umarmen. Ein wenig atemlos von letzteren flotteren Schritt sagte ich, „Danke.“

„Wo hast du nur so lange dein Lächeln versteckt. Es ist wunderbar,“ sagte er begeistert.

Den Gedanken mich aus seinem Griff zu befreien kam mir überhaupt nicht. „ich lache sehr oft. Meistens bei meinen gelungenen Streichen. Hast du Kaman gesehen?

Zugegeben, sonst ist es lange her seit ich so unbeschwert..“ Semour rückte näher. Ohne Aufdringlich zu werden. Hielt mich so leicht wie eine flauschige Feder. Unauffällig schnupperte er an meinem Hals. „Du riechst gut. So einladend wie frisches Brot.“

Spielerisch entrüstet glaubte ich kein Wort. Doch er wirkte ziemlich überzeugt. Um ihn vorweg zu bremsen meinte ich leise, „Du riechst auch gut. Könnte aber leicht herber in der Note sein. Wenn du mit einem süsseren Blumenduft herumspazierst könnte man meine du hast dich am Parfum deiner Schwester vergriffen,“ zog ich ihn neckisch über den Tisch. Darauf funkelten seine seltenen Augen umso schöner. Ungebeugt strich er mir mit einem Finger über die Wangen. Flüsterte genauso rücksichtsvoll. „Schütze deine Wangen besser vor Wind und Wetter. Ausserdem könnte deine Frisur weiblicher sein sonst wirst du eines Tages von Frauen angemacht.“ Einer seiner Freund vernahm die leisen Worte und verschluckte sich an seinem Saft gehörig. Besorgt runzelten seine Kollegen die Stirn.

Unbeirrbar strich mir Semour durch die Haare. Hielt mich weiterhin mit dem Blick gefangen. „Wenn deine Augen so leuchten..“ Bevor ich begriff löste er sein Hände von der Taille. Zwei feine Hände hielten sachte mein Gesicht fest und er küsste mich auf den Mund. Zwei, drei Sekunden rieb er seine Lippen über die meinen. Auf eine Seite wünschte ich mir tröstliche Zärtlichkeit, anderseits empfand ich so herzlich wenig wenn ich mit Dongard verglich. Wohlbemerkt wann bot sich aber wieder so ein unbekümmerter Abend. Nachgeben öffnete ich meinen Mund.

„Safina,“ schrie eine entsetzte Agnome hinter meinem Rücken.

Wie zwei ertappte Kinder wichen Semour und ich auseinander. Schmunzelten beide schelmisch, ohne Reue. Er entschloss die neue Störung zu ignorieren. „Safina?“ Ein Wort so lieblich, fliessend ausgesprochen. Bestätigend schloss ich meine Augen für einen kurzen Moment. Wagte mit meiner gewöhnlichen Stimme nicht den entspannten Augenblick zu zerstören. Lautlos trat er näher. „Noch einmal,“ forderte er mich locken auf. Sachte schüttelte ich den Kopf. Grübchen erschienen auf einer Wangenseite als ich ihn schief anlächelte. „lieber nicht.“

Warnend, unüberhörbar Agnome, „Nennst du das die Suche nach Cynt?“

Schwach grollend drehte ich mich herum. Im Gegensatz zu Dongard hatte Agnome vorher diesen halb knurrenden Ton nie vernommen. Erschrocken blieb sie stehen. Erst meine milden, verzeihenden Augen erlösten sie aus ihrer Starre. „Safina. Für einen Moment rechnete ich wirklich mit einem Angriff. Herye, du kannst einem richtig erschrecken.“ Sie griff sich ans Herz. „Aber...“ Abgelenkt durch einen herbei eilende Gestalt sah sie an mir vorbei. Der junge Bauer, der Hüter über die angebunden Tiere, steuerte aufgeregt auf uns zu. Seine winkenden Arme unterstrichen die Dringlichkeit der Mission. Er wirkte überfordert. „Cynt,“ entfuhr es mir wissen. Wirbelte herum, raste davon.

Wie eingefroren blieb Agnomes Arm in der Luft hängen. Als sie sich faste, schüttelte sie unbegreiflich den Kopf. „Die kann ja ein erstaunliches Tempo vorlegen.“

Bedauernd wandte die Semour , nach dem übereilten Abschied, an die übrig bleibende Agnome. „Ist sie immer so?“

Ziemlich abweisend musterten die dunklen Augen hinter der Brille. Seine leuchtenden Augen versprühten Charme und Offenheit.

Aufgeben plapperte Agnome gegen ihre Vernunft los. „erst vor wenigen Tagen erfährt sie das ihr Freund, auf den sie über ein Jahr wartete, sich eine Geliebte anschaffte. Dongard der sich seit Wochen um sie kümmert lässt sie kaum in ihre Nähe und... Du? Schon... Unfassbar! Wie kann sie unseren geliebten Kommandanten einfach übersehen? Gegen jemanden wie dich eintauschen? Wieso rede ich eigentlich überhaupt mit dir?“ Erregt zeigte sie ihm demonstrativ die kalte Schulter. „ Grüne Jungs!“ Meckerte sie abwertend.

Semour sah ohne Bedauern ihr nach. Streckte wortlos seine Hände nach hinten aus. Nur einer seiner Kameraden legte sein begehrtes Taschenmesse hinein. Sein Kumpel protestierte, „ Das war kein echter Kuss. Für meinen seltenen Ring musste du schon was mehr bieten! Oder länger!“ Selbst der Dritte weigerte sich zu zahlen.

Ausdruckslos schritt Semour Richtung Bühne wie ein Sieger. Verwirrt blieben seine Freund zurück. Derjenige der als einziger den Handel erfüllte rief ichm nach. „Wehrst du dich denn nicht?“

Nachdenklich blieb der langjährige Sänger stehen. In seinem weit gereisten Leben erlebter er die merkwürdigsten Geschichten. Mit Freude erinnerte er sich an den Verdienten Auftritt von Kaman. Mehr noch an die sanften, lachenden Augen mit der traurigen Fröhlichkeit. Beides zusammen, was für eine unvergessliche Mischung. Entschlossen drehte er das handliche Werkzeug in seinen Händen. Reichte es zurück. „Es war es wert, in diesen offenen Augen zu ertrinken. Ihre Seele zu berühren. Ihr gutmütiges Herz zu öffnen. Keine Eitelkeit, keine Hintergedanken, keiner Verurteilung über das was ich in Wahrheit bin. Das bei einer Frau zu finden die älter ist und schon einiges vom Leben weiss... ein wahres Geschenk.“

„Deine männliche Seite übertreibt mal wieder,“ witzelte einer. Zwar lachten die andern dezent mit, hielten aber sonst den Mund.

 

„Oh nein,“ jammerte ich. Ziemlich unordentlich sass Cynt vor mir auf dem Boden. Ihre Beine gespreizt, ihre Haare zerzaust. Laut gedehnt sagte sie betroffen. „Ich habe ihn geliebt.“ Völlig überdreht fuchtelte sie wirr mit den Armen als wollte sie jemand in der Luft wegstossen. „Ich habe ihm vertaut. MISTKERL. Das ist er, jawohl eine HURENSOHN! Alle sollen es hören. Alle musst man vor ihm warnen.“

Besorgt entriss ich ihr die dreiviertel volle Flasche. Herzzerreissend schluchzte sie los. „Gönnst du mir nichts. Jetzt bin ich wieder allein, niemand hat mich lieb.“

Am besten ich versteckte mal die Flaschen in Sicherheit bevor weiterer Schaden entstand. Dann versuchte ich und Agnome sie zu trösten, zu beruhigen und irgendwie in den Sattel von einem nervösen Dulie zu schaffen der ihre Ausbrüche gar nicht schätzte. Es war bereits halb zwölf und wir hatten eine schwierigen, dunklen Heimweg. Mit einer Betrunkenen als Bremsklotz. Sollte Dongard davon erfahren... Das grösste Donnerwetter lastet auf mir. Sie mit Kaffee abzufüllen um Nüchternheit zu erreichen blieb keine Zeit. „Schnallen wir sie gut am Sattel fest. Hilf mir,“ entschied ich kurzerhand. Angelockt von dem ungewöhnlichen Schauspiel beobachteten uns bereits ein paar müde Schaulustige. Kaum erblickte ich den jungen Tierwärter winkte ich ihn heran. Unsicher bot er seine Hilfsbereitschaft an. Gemeinsam hieften wir die vollkommen Unkontrollierbare auf den zappelnden Dulie. Damit er nicht bockend davon lief band ich sogar ein Seil um sein Bein. Einfallsreich überreichte der Bauernsohn einen Jutesack den wir dem beissenden Dulie über Maul banden. So hielt ich ihn in der Nähe meines Sattels ohne das ich um mein Bein Attacken erlitt. Dankend schüttelte ich unserer Hilfe die Hand. „Wenn jemand fragt, sag einfach sie hat eine Allergie.“

Er lachte, weil er wusste das ihm niemand die Geschichte abnahm. Die vermeidlichen Skandalflaschen verstaute ich bei Agnome in der Satteltasche. Gut verpackt ritten wir in de Kälte los. Als ich prüfend nach Cynt zurücksah, entdeckte ich im Lichtstrahl eines Zeltes wie Semour lässig an ein gespanntes Seil lehnt. Verabschieden hob er eine Hand.

Gerne erwiderte ich die Geste. „Meine Stimme für den Sieg gehört dir! Viel Glück!“ rief ich ihm zu. Kitzelte mit den Absätzen. Sofort galoppierte mein Dulie los.

Auf die ersten Kilometer verteilten die Organisatoren des Festes nach jeder Abzweigung eine brennende Langstielfackel. Danach hiess es dem Instinkt und Erinnerungsvermögen der geschulten Dulies zu vertrauen. Wenige Sterne bescherten uns ein schwaches Licht. Immer wieder verdunkelnde Wolken und ein kühler Wind der unter die Kleider zu gehen schien.

Cynts erbärmlicher Zustand drückte schwer auf mein Gemüt. Plagte mein Gewissen.

Furchtlos hetzten die zähen Dulies dem heimischen Stall entgegen. Stolperten schon mal in eine vom Regenwasser ausgewaschene Vertiefung oder schupsten eine unvorhergesehenen Stein weg. Jedenfalls wagte ich nie eine Hand von Sattel zu lösen. Egal wie sehr ich fror. Zwischendurch verriet Agnomes Stimme das sie sich absolut sicher fühlte. Cynt trennte nichts von Sattel, bei allen Stricken. Sie konnte sich erlauben ihrer Müdigkeit nachzugeben. Mir viel es schwer mich einigermassen wach zu halten. Beneidete sie schon fast um die unbequemen Stricke. Mit war klar das mir Morgen auch der Hintern schmerzte und Muskelkater meine ständig abfedernden Beine strafte. Dabei hätte eine minimale Sichtweite gereicht sich vorzubereiten. Blind stürzte ich auf den harten Mähnenkamm hinunter als men eifriges Reittier in die Knie stürzte. Agnomes schlaueres Tier merkte sich die Stelle, reagierte dementsprechend ausweichend. Weigerte sich aus diesem triftigen Grund sie Führung zu übernehmen. Selbst jetzt nach ermüdendem Ritt hielt ich fest die beiden Zügel in einer Hand damit mein launische Reittier nicht nach meinem Bein schnappte. Da half kein Strafen mit Peitsche, es verschlimmerte die Agression. Auch würde das Tier mich sonst zum persönlichen Feind erklären und ich dürfte mich nie wieder halbwegs in seine Nähe wagen. Mir blieb also nur die Verhinderung seiner feindlichen Pläne.

Gegen ein Uhr Morgen taumelte ich fast wie Cynt im Sattel. Kälte lähmte meine Hände, versteifte meinen Körper.

Zeitlos, nie endende Schwärze. Düster. Ausgeliefert sein. Kummervoll dachte ich bereits an den bevorstehenden Morgen. Mal sehen ob die mich überhaupt aufwecken können. Mich aus dem Tiefschlaf zu holen, daran scheiterten schon einige in der früheren Klinik. Zwei probe Feueralarme verschlief ich. Vielleicht war es auch nur ein Scherz der Schwestern gewesen. Jedenfalls erinnerte ich mich in den besagten Nächten an keinen Hinweis.

Ausnahmsweise überholte Agnomes Dulie. Was ich kaum wahrnahm. Genauso wenig dass mein Dulie auf einmal in der Box stand. Meinen blinzelnden Augen taten selbst das schwache Fackellicht weh. Seitlich blickend realisiere ich halbwegs das meine fleissige Begleiterin bereits ihren Dulie versorgt hatte. Träge glitt ich am Sattel hinunter. Lehnte ein paar erholsame Minuten an den dampfenden, warmen Dulie. Wärmte meine Hände unter der schweissfeuchten Satteldecke. Unachtsamkeit bestrafte mich mit einem schmerzhaften Biss in den Oberarm. Wütend klatsche ich unbeherrscht mit der flachen Hand auf den empfindlichen Bauch. Erschrocken zappelt er vorne fast in die Krippe hinein. Erst als seine Ruhe zurückkehrte befreite ich ihn vom Leder. Senkt seine Nüstern ins Stroh. Genügsamer Dulie. Zum Glück war ihm das Fressen wichtiger als meine Bestrafung. Mit fehlte auch nur ein Bett für mein Glück. Friedlich döste Cynt vor sich hin. Langsam hoben wir sie hinunter. Die Hauptlast auf meinen starken Schultern. Dafür kümmerte sich Agnome in windeseile um das Tier. Mit ihrem wachen Zustand schaffte sie es sicherer und ich schlief förmlich im Stehen. Die Stirn einfach an den nächsten Pfosten gestützt.

Die teuren Flaschen versteckten wir unter den Futterkisten wo sich ausser Ratten und ekligen Spinnen nie was anderes wagte. Endlich erleichterte mich Agnome um etliche Kilos. Gemeinsam schleppten wir Cynt den ganzen Weg auf ihr Zimmer zu. Irgendwo unterwegs hatte sie eine Menge gekotzt, so blieb garantiert ihr Zimmer bis morgen sauber. Bereits im heiklen Gang flüsterte ich. „Zum Glück schläfst sie.“

Agnome hielt die Kerze tiefer. „So friedlich.“

Vor uns im Gang kratzte etwas an eine der Holztüren. Agnome zerrte hastig nach vorne, ich rückwärts. Meine letzte Kraftreserve schwand, verlor das Gleichgewicht. Unglücklich schlug ich mit meinem verletzten Arm an die Höhlenwand. Aufstöhnend presste ich meine Zähne zusammen. Alles verschlief Cynt auf dem Weg bis hierher. Ausgerechnet dieser kleine Ruck und mein Stöhnen durchdrang ihren benebelten Zustand. Mein verzerrtes Gesicht erweichte mitfühlend ihr Herz. „Es tu so weh. Mir tut es auch soooo weh. Dieser MISTKERL ,“ krähte sie überlaut in den stillen Gang. Mit einem Schlag war meine Wunde vergessen. Dafür stockte mein Herz. Dongard, schoss es durch meine Gedanken. Wo bringe ich mich am besten in Sicherheit. Was Tun? Panik überfiel mich. Bis zu Cynts Quartier ca. dreissig Meter. Meines Zehn. „Zu mir,“ zischte ich der ratlosen Agnome zu. Wie angehende Weltmeister, mit ungeahnten Kräften rannten wir auf mein Zimmer zu. Mein sicheres Appartment. Cynt beschwerte sich bereits über den ruppigen Umgang. „Was, nehmt Rücksicht auf mich. Ich bin genug bestraft. Keiner liebt mich..“ Ihre Stimme schwoll unkontrolliert an. Verzweifelt presste Agnome ihre Finger über den plappernden Mund. Hastig sucht ich im hintersten Winkel der Kommode nach Pflaster. Innert Sekunden, mit zittrigen Finger , verklebten wir zu unserer Sicherheit das laute Organ zu.

Leises Pochen an der Tür stockte mein empfindliches Herz aufs neue. Was die kalte Nacht nicht schaffte, Cynt Schrei hatte mich völlig aufgeweckt. Auf leisen Sohlen ging ich zur Türe. Wagte kaum zu öffnen. Einen schmalen Spalt. Tarie?

Erleichtert viel mir ein Berg von Herzen. Kein Stein sondern ein Berg! Wie eine verbündete schlüpfte sie in meine Stube. „Seid um Himmels Willen leise. Unter Dongards Türe hat es noch Licht,“ warnte sie uns. Dann bemerkte sie die verklebte Cynt. Prustend versuchte sie ein Lachen zu verbergen. „Die Arme, bekommt sie überhaupt genug Luft?“

Agnome hielt ihrer zappelnden Freundin die Hände fest damit sich diese nicht selber befreite. Sie selber riet ihrer Kollegin. „Sobald du still bist lassen wir dich auch los. In der Tat schien diese Logik zu wirken. Ich gab den Wink ihr das Band zu lösen, als es erneut an die Türe klopfte. Diesmal bedeutend kräftiger. Gespannt sahen wir und furchtsam in der Runde um. Gähnen begleitet mit einem schlechten Gewissen, öffnete ich wie eine gespannte Feder. Mit verdrehenden Augen erkannte ich N`toki. Genauso Begeistert begrüsste sie mich. „Hallo du kleiner Unruhestifter. Was ist mit dir los?“ Alles andere als Mitfühlend ihre eisige Stimme. Was sollte ihr überflüssiger Besuch hier? Erst ihre aufdringliche nächste Frage verriet ihren eifersüchtigen Verdacht. „Bist du allein? Hör zu du jammerndes Bündel. Störst du noch mal meinen Schlaf wirst du vor mir unfreiwillig Schlafen. Dafür sorge ich,“ drohte sie.

Müdigkeit verleitete mich zur unachtsamen Äusserung. Träge musterte ich sie, „Okay, Du hast ihn wirklich nötig, deinen Schönheitsschlaf. Man wird ja nicht jünger.“ Worauf sich ihre Asiatischen Augen zu schmalen Schlitzen verengten. Aufbrausen packte sie mich am Kragen. Erst einmal in ihren Händen gefangen liess Ich sie gleich wissen. „Hey, du grosses Ekel. Wenn du mir auch nur ein Haar krümmst, habe ich mehrere Zeugen das due auf eine Wehrlose losgegangen bist !“

Beschützend gab sich Starie hinter mir zu erkennen. Ihre missbilligenden Augen zwangen N`toki zum widerwilligen Aufgeben. Sie gab mich hastig frei als hätte sie was ekliges angefasst. „Kinder,“ meinte sie verächtlich. Um vor weiteren Beleidigungen sicher zu sein schloss rasch die Tür. Wir gönnten uns eine Verschnauf Pause. Starie winkte mir zu bevor sie in ihr Zimmer verschwand. „Viel Glück mit ihr.“ Damit meinte sie Cynt. Inzwischen schaffte es Agnome eine Seite zu von dem Klebeband zu lösen. Gekränkt beschwerte sich der Pflegefall. „Was tut ihr mir an. Niemand hat mich lieb. Ihr...“ Agnome brauste allmählich auf. „Sei gefälligst mal leiser. Oder willst du Dongards Ärger herauf beschwören? Glaub mir im Bunker fühlst du dich wirklich einsam.“ Das wirkte. Schluchzend drehte Cynt ihr nasses Gesicht ins Kissen. „Ich will nach Hause,“ traute sie den Federn an. Es klopfte abermals. Himmel. Um diese frühe Uhrzeit lief bei mir mehr als in den emsigen Nachmittagen. Verärgert stampfte ich zu Tür. Die gefürchtetste Stimme flüsterte von draussen, „Safina!“

Mein Fuss verharrte auf der Stelle. „Dongard,“ hauchte ich erbleichend. Sah mich hastig um, fand ein altes Taschentuch auf der Kommode. Riss mir das verstaubte Ding an die Nase was mich gleich zum Niesen reizte. Mit traurigen Augen öffnete ich die Tür. Achtsam wenige Zentimeter. „Dongard,“ sagte ich müde, schleppend. Kaum weniger verschlafen sah er mich mit kleinen Augen an. Stand vor mir mit weiten schwarzen Trainerhosen und einem hastig übergestreiften Hemd das er vorne gänzlich offen hielt. Zum ersten mal bedauerte ich das ich Besuch in meinem Zimmer versteckte. Voll Sorge fragte er, „Alles in Ordnung? War der Ausflug schön.“

Ungern löste ich meine gesenkten Blick von dem flachen Bauch nach oben. Wirklich perfekt elegant. Gefährlich verführerisch. Ich schämte mich bereits für den Kuss mit Semour. „Häh?“ kam es mir phantasielos.

„Safina, was ist los? N`toki sagte..“ Das wirkte bereits wie ein kalter Wasserfall auf mich das N`toki bei ihm war. Von wegen Schuldgefühle. Warum hatte ich Semour nicht gleich richtig geküsst. Schliesslich war ich nicht prüde, nur anständig.

Dongard bohrte weiter. „sie sagte mir du hättest einen Anfall. Natürlich übertreibt sie. Aber wenn du Probleme hast das vergangene zu Verarbeiten... Du kannst jederzeit mit mir reden.“ Bekümmert stich er mir eine abstehende Haarsträhne auf die Seite. Niesend hielt ich mir das Tuch vor die Nase. Meine Augen tränte. Alles war so echt. Gerne hätte ich mich über ein Problem unterhalten. Zum Beispiel wie man einen vermasselten Ausflug vor seinem Chef geheim hielt während dieser vor der Türe lauert. „Du willst jetzt mit mir reden? Wo ist Kaffee und Kuchen.“

Ha, das brachte ihn zur Vernunft. „kann man dir helfen?“ kam es bereits gereizt.

Müde sah ich hoch. „um diese Zeit will ich nur schlafen, aber jedem scheint es heute wichtig mich unbedingt vor dem Morgenappell zu besuchen. Dongard danke für dein Mitgefühl. Glaub mir wenn ich es nicht mehr aushalte komme ich freiwillig zu dir. Gute nacht, bitte!“ verlangte ich nach meinem Schlaf. Ein seltsamer zweifelnder Seitenblick begleitete seinen Abgang. Unsäglich schwer viel es mir ihn heute zu vertreiben. Bei diesem freizügigen Nachthemd. Sehnte mich danach da meine Hände..

Agnome gelang es mit einem ruck das Pflaster zu entfernen. Animalisch krähte Cynt los. „Scheisse,“ entfuhr es mir seit langem wieder. Bewaffnet mit einem Kissen drückte Agnome unbarmherzig zu. Zu spät.

Es klopfte energiegeladen nach Einlass. Verzweifelt suchte ich nach Kraftreserven um den bevorstehenden Sturm zu überleben. Dunkle Augen funkelten mich vor der Türe, mit gemischten Gefühlen an. Sagte kein Wort. Was alles verschlimmert. Geplagt schloss ich für einen Moment meine Augen. Lehnte für einen schwachen Moment an die Türe und zuckte zurück. „es ist nur eine Kleinigkeit. Himmel, ich bin völlig müde an den Kasten gestossen.“

Ungläubig zweifelte er meine Ausrede an. „ich kenne dich!“

Ich rieb meine schmerzhafte Stelle. „Wirklich ich war nur ein bisschen unvorsichtig.“

Kurzerhand packte er meinen Arm, tastete ihn oberflächlich ab.

„Hör auf,“ wehrte ich mich. „Der Dulie hat mich vorher mit den Zähnen erwischt. AUH!“

Diesmal verstand er keinen Spass. „Zeig her!“ Rollte schon meinen Ärmel nach hinten. Da sie ziemlich eng waren entschied er sich anders. Ausdrücklich sah er mich an. „Ausziehen!“

Gehorsam wagte ich nicht zu wiedersprechen. Rot- blau die unterlaufene Quetschung. Freudlos presste er die Lippen aufeinander als täte es ihm selber weh. Ohne mich zu berühren hielt er einfach seine Handfläche dicht über der verfärbten Haut. Feine Häärchen von meinem Arm stellten sich auf. Obwohl ich im dünnen Hemd zitterte, diese fast unsichtbaren Körperhaare reagierten auf seine reine Energie. Konzentriert schloss Dongard die Augen. Seine andere Hand legte sich in meinen Nacken. Wärme breitete sie fliessend der Wirbelsäule nach unten nach aus. Hingebungsvoll genoss ich seine Heilung. Vertraute seinem unglaublichen Talent. Entspannte mich vollkommen. Schlief beinahe im Stehen ein. Erst als er stützend meinen Kopf an seine Schulter lehnte, liebenswürdig anbot, „Soll ich dich ins Bett tragen?“ erschrocken zuckte ich zusammen. Wünschte es mir so sehr. Aber meine Gäste, meine zugeteilte Verantwortung erlaubte es nicht. Meine abgeschalteten Gehirnzellen auf Notreserve stellte. „es geht schon.“

Äusserlich sah man ihm keine Gefühlsregung an. Mit Gewissheit wusste ich das ihn Enttäuschung traurig stimmte. Aus diesem Grund fühlte ich mich förmlich gezwungen ihm zu sagten, „Gern ein andermal.“ Zupfte ihn liebevoll am Hemd. Träge schwankte ich in mein Zimmer zurück. Übersah völlig sein strahlendes Lächeln.

„Gut Nacht,“ flüsterte er mir nach.

Ausatmend lehnte ich neben der Tür an die Wand. „Das war knapp!“ Nachdem ich mich einigermassen von dem Schock erholte liess ich mich schwer neben Cynt aufs Bett fallen. „Hallo, wir haben dich gerade gerettet, hoffentlich weißt du das zu schätzen.“ Grossen Augen schauten uns lieb an. Sie entschuldigte sich leise. „Es hat so weh getan.“

Müde schloss ich einfach die Augen. Wortlos löschte Agnome die Kerze. Zu dritt legten wir uns ins schmale Bett. Zum Abschied murmelte Cynt, „ich habe euch lieb.“

Ich drückte ihr die Hand, deckte sie zu. „lass uns ausruhen. Morgen wird es mühsam.“

Irgendwann in der Nacht fühlte ich mich an die Kante gedrängt. Klammerte mich am nächsten Halt, einer Hand fest. Traute mich keinen Zentimeter zu bewegen. Dementsprechend steif rührte ich mich am Morgen kaum. Erst heiteres Kichern veranlasste meinen schweren Kopf zu heben. Jemand streifte meinen Oberschenkel. Exakter, ein Bein legte sich dazwischen. Worauf das Kichern in ein Lachen anstieg. Also Agnome stand frisch angekleidet neben dem Bett und beobachtet uns amüsiert. Uns? Entsetzt riss ich meine Hand von dem umschlungenen Körper zurück. War das wirklich ein weicher Busen den meine Hand streifte? Ausserdem schmiegte sich Cynt an mich als sei ich ihr Geliebter! Vor lauter Lachen sank Agnome bereits erschöpft in die Knie. „das hat ja ausgesehen als wäret ihr Lesbisch.“

Das fand sie noch lustig? Empört rollte ich aus dem Bett. „Erzähl das ja keinem anderen,“ grollte ich drohend.

„keine Bange, du kannst dich auf mich verlassen,“ schnaufte sie unter Tränen.

Cynt zu wecken dauerte länger. Sie verdiente Erholung. Doch der gestrige Abend musste abverdient werden. Schliesslich war nicht Dongard Schuld das Cynt einen miesen Abend verbrachte. Wir schüttelten sie heftig bis sie auf einmal unanständig rülpste. Es roch unangenehm säuerlich. Sie murmelte matt. „Mir ist so schlecht.“ Bekam grosse Augen und stürmte aus dem Zimmer hinaus. Ich beruhige Agnome. „Übelkeit ist eine unliebsame Nebenwirkung.“ Unbekümmert hob sie ihre Schultern. „Wenn es weiter nichts ist.“

Meine Gedanken wanderte weiter. Ein schlimmer Verdacht stieg in mir hoch. „Sie ist doch geimpft? Dongard hat doch alle Mitglieder geimpft, oder?“

Berechtigt sah mich Agnome zweifelnd an. „wer weiss. Soviel ich weiss wollte sie nie damit anfangen. Zuerst Heiraten und so. Sie steht auf alte Traditionen. Aber soweit ist die Beziehung mit Kaman ja nicht gegangen.“

Blinzelnd starrte ich sie an. Klar, ich hatte Cynt im Bett überrascht. Davon wusste ihre Freundin gar nichts. Vielleicht sollte ich es auch verschweigen. Es als Cynts persönliche Angelegenheit betrachten. Bestimmt das klügste. Oh, Kaman! Wenn Cynt schwanger sein sollte dann..“ ich ballte meine Hände.

Bevor der erhitzte Derek erschien, um unser Aufstehen zu beschleunigen pflegten eir unserer angespannten Gesichter. Trotz Massage und Salben, der Schlafmangel zeichnete sich deutlich ab. Wenigstnes präsentierten wir tadellos unsere Uniformen. Sogar unsere Stiefel glänzten.

Ein Morgen wie alle andern, dachte ich. Nur das selbst Kommandant Dongard unter der kurzen Nacht litt. Seltsamer Weise bestrafte er uns in keiner Weise. Wunderte sich allerdings gehörig über Cynts misserables, bleiches Aussehen. Sie getraute sich sogar gleich nach dem Essen in seinem Büro einen Termin anzufordern. Wegen den Kopfschmerzen. Allein wie sie öfters verstohlen ihre Schläfen massierte, bewies ihr Leiden.

Nach dem Essen verteilten wir uns and die zugeteilte Arbeit. Agnome stand Aufräumen im Stall bevor. Mir das Holzsuchen draussen an der kühlen Luft. Während wir im Gang aus der Höhle schlenderte, bereits umgezogen. Kaum jemand anders zu sehen blieb Agnome plötzlich stehen und versteckte ihr Gesicht hinter den Händen. Wischte sich eine Träne aus den feuchten Wangen. „man, ich kann es einfach nicht vergessen. Das Bild bleibt mir einfach im Kopf festgeankert. Wirklich ihr wäred eine schönes Liebespaar. So eng aneinander geschlungen. Deine Hand über ihrem Busen. Ihr Oberschenkel rieb sich an deinem. Das war der Hamm..“

Aschas gelockter Blondschopf spähte unverhofft um die Ecke. Ungläubig zwinkerten ihre hellblauen Augen. „Wie bitte? Safina hat..? Ist das wahr oder hast du nur geträumt?“

„Nein,“ schrie ich fast unnötig scharf. „Es ist keinesfalls so wie du denkst.“ Verteidigte ich mich ungeschickt. Agnome trat vor mich. „Wirklich Ascha, eine harmlose, unwichtige Geschichte. Vergiss was du gehört hast. Miss dem keine Bedeutung bei.“

Aschas Gesicht bleichte aus. „Du bist tatsächlich ..“ verurteilte sie ich, konnte es aber nicht aussprechen. Abwehrend hob ich die Hände. „Nein, du verdrehtst die Dinge. Anders was du denkst, damit meinte Agnome, das was du eben nicht denkst. Eine andere Erklärung.“

Damit verfehlte ich die erlösende Wirkung. Ascha liebte schichte einfache Verständigung. Das war ihr viel zu kompliziert.

Vergeblich versuchte ich klarzustellen. „Ich bin nicht lesbisch. In keiner Weise. Ich stehe auf knackige Männerhintern.“

Darauf prustete Agnome wieder ungebremst los und ich fühlte wie meine Wangen sich peinlich rot färbten. Zu allem Übel marschierte Dongard mit einem Bestellordner hinzu. „Darf ich euch auf den Weg in den Stall begleiten, damit ihr heute noch anfangt zu arbeiten?“ Begann er liebenswürdig. Wir setzten uns alle in Bewegung. Keiner wollte den andern Verlassen obwohl uns verschiedene Aufgaben bevorstanden. Zuerst wollte unbedingt das mit Ascha klären bevor unliebsame Gerüchte entstanden. Aufmerksam bemerkte Dongard mein erhitztes Gesicht. „Was gibt es interessantes zwischen euch?“

Vorschnell platzte Ascha heraus. „Safina ist lesbisch.“ Errötete selber als sie ihr vorlautes Mundwerk auffiel. Dongard reagierte zuerst amüsiert über ihren üblen Scherz. Ihre Ernsthaftigkeit übertrug sich auf ihn. Sofort schüttelte ich den Kopf, „Alles nur erfundener Quatsch.“

Beleidigt dass man sie als Lügnerin darstellte, verschwand Ascha verbittert. Da half auch kein, „Es tut mir leid, aber ich muss dich wirklich enttäuschen.“

Dongard fasste sich theaterisch ans Herz. „Ich bin sehr erleichtert. Bis jetzt gab es nie einen Grund daran zu zweifeln.

Wartet hier! Ich gebe Dir die Liste fürs Büro mit. Du hast bist eh geschickt im Holzsammeln. Damit räume ich dir ein paar vorige Minuten ein ohne Stress. Ihr seht nämlich beide ein bisschen blass aus. Nächstes Mal kommt ihr mir früher nach Hause.“ Betonte er ausdrücklich den letzten Teil. Verschwand in eiligen Schritten in der Futterkammer deren Tür er offen liess. Wir warteten in der Vorhalle. Ruhig kauten die Dulies an ihrem morgendlichen Heu.

Erleichtert flüsterte ich zu Agnome. „Da haben wir noch einmal Glück gehabt. Schliesslich ist es nicht angenehm das so ein Gerücht...“ Mir viel gerade was ein was bei näherer Betrachtung... mir sogar ausserordendlich gefiel. „Es könnte mir zwar die eifersüchtige N`toki von Hals schaffen.“

Agnome hielt den Kopf schief. „Du hast zuviel Phantasie!“ genauso freimütig lachte sie vor sich hin. „Ich sehe schon wie du ihr nachläufst! Spass beiseite, N`toki ist eine gefährliches Pflaster. Lass besser die Finger von ihr.“ Vergebens, ich schmunzelte bereits an den bevorstehenden Spass.

Die Stalltüre flog auf. Fröhlich spazierte Cynt auf uns zu. Streckte ihre Arme aus, „Safina,“ sagte sie eine Spur zu laut für meinen Geschmack. „Du bist ein Schatz! Du hast mich gestern gerettet. Dafür liebe ich Dich!“

In der Kammer hinter uns schepperte etwas auf den Boden. Das Missgeschick war perfekt. Völlig verstört, mit ein paar losen Blättern in der Hand tappte Dongard aus seinem Raum. Fassungslose, grosse Augen die bis ins innerste erschütterten. Cynt sackte selbst vor Überraschung der Unterkiefer hinunter. „Oh,“ versuchte sie kläglich zu retten was übrig blieb. „Gestern hat Safina wirklich gut auf uns aufgepasst.“ Rasch fügte ich hinzu, „und sie liebt mich daher wie eine Schwester. Nur wie eine blutverwandte Schwester!“

Dongard murmelte, „Natürlich.“ Seine bleichen Hände zitterten leicht als er mir die Bestellblätter überreichte. Vermied eine Berührung. Suchte in meinen Augen nach der Wahrheit und zweifelte trotzdem an dem was er fand. „Nur ein Scherz,“ murmelte er verwirrt.

„Ja,“ gab ich fest überzeugt zurück, verärgert. „Nur ein blöder Scherz.“

Vergeblich bemühter er sich ein entspanntes Lächeln aufzusetzen. Ohne ein weiteres Wort spazierte er nach draussen. Wer Dongard näher kannte vermisste glich seinen lockeren Schwung.

Enttäuscht über den vergeblichen Fehlschlaf alles zu richten, fielen mir die Schultern hinunter. Betroffen schwiegen Cynt und Agnome.

Mit wenig Hoffnung auf Erfolg sagte ich, „Machen wir das beste daraus. Ignorieren wir einfach die falschen Gerüchte.

„Ja,“ stimmte Agnome zu. „Im schlimmsten Fall versuchten höchstens die Jungs dich zu überzeugen das sie die bessere Wahl sind.“

Nach dieser düsteren Prognose steuerte ich das Büro an. Die ersten Zwei, drei Leute benahmen sich normal. Hoffnung keimte auf das die gekränkte Ascha ausnahmsweise ihre Mundwerk hielt. Gelöst platzte ich, ohne mich vorher klopfend anzumelden, rein in den Vorraum. Überfiel Monat förmlich bei seiner aktuellen Tätigkeit, feilen seiner Fingernägel. Erwartungsgemäss zuckte er zusammen was mir eine befreiende Genugtun verschaffte. Nicht nur ich war unperfekt in diesem gesitteten Lager. Seine nette Art passte mir überhaupt nicht zu seinem sonstigen gehässigen Verhalten. Statt gewohnte Gemeinheiten empfing mich ein neutraler Blick. Mindesten eine Prise vom Gerücht hatte er erschnuppert. Verstimmt knallte ich ihm die Liest auf den Tisch. Bevorzugte unsere kleine Reibereien dem fast mitleidigen Getue. Unfreundlich herrschte ich ihn unnötig an. „liste zum Abschicken!“

Endlich knisterte es Angriffslustig in seinen Augen. Der alte Monat, ich hatte ihn wieder. Eilig schnappte ich die Papierunterlagen erneut, formte eine stärkerer Rolle und hämmerte damit auf seinem Haupt herum. „hallo,“ beschleunigte ich seine Reaktion. „geht das hier oben noch rein?“

Fuchtelnde Arme retteten seine sonst so gepflegte Frisur vor weiterem Schaden. Wo sonst kunstvoll aufgebauschtes, gekrauste Haare herrschten zeigte sich eine geplättete Schneise. Drohend richtete sich Monat hinter seinem Schreibtisch auf. Finsterer Blick den er besonders auf ein kritisierendes Auge verlegte. Diese übertriebene Geste kupferte er bestimmt Dongard ab. „Du,“ grollte er geladen. „Du...“ Vielsagend schwenkte er eine geballte Faust vor meinem Gesicht. Absolut wirkungslos. Hielt meine Blätter so wie ein Schwert und drohte zurück. „Glaubst du ich habe Angst vor dir?“

Allmählich dämmerte ihm der harmlose Scherz. Erlöst setzte er sich auf seinen bequemen Sessel zurück. Polsterte ihn mit einem zusätzlichen Kissen. Was mich erneut auf die unverschämte Idee brachte. „hast du einen weichen Hintern oder hat dich jemand gebissen?“

Ein spitziger Reisnagel hätte ihn nicht schneller hochfahren lassen können. Empört beugte er sich vor. „Safina, Du hast dich verändert. Früher warst du ganz anders Also ziehe ich diesmal auch ein anderes Register. Wenn du eine Partnerin findest für ins Bett wäre ich nicht abgeneigt eine Einladung zu erhalten. Um ehrlich zu sein ich würde gerne auch nur einfach zusehen oder euch zur Hand gehen, wenn es erlaubt ist?“

Das sass tief. Mit diesem unmoralischen Angebot versetzte er einen unvergesslichen Tiefschlag. Geschockt legte ich brav die Blätter auf den Tisch zurück. „Behalt deine schmutzigen Angebote für dich. Man muss sich ja fast schämen.“

„Wieso,“ Verteidigte er sich ehrlich. „Was ist schon dabei. Wenn du einen Mann dabei hast der das gewisse übernimm...“ „Klappe zu! So genau will ich es gar nic hat wissen. Denkst du eigentlich auch an mal was anderes? Schick lieber diese Liste los! Unser Kommandant mag keine Verzögerungen.“ Schlagfertig konterte Monat, „Dasselbe gilt auch für dich! Wie lange willst du ihn eigentlich hinhalten, was das Bett betrifft? Oder ihm wenigstens deine sexuelle Neigung gestehen?“

Dieser Vorwurf verlangte förmlich nach Ärger. Konzentriert sammelte ich meine Kräfte, da öffnete sich die hintere Türe. Gelassen spazierte ahnungslos Dongard herein. Ein müder Blick wechselte zwischen Monat und mir hin und her, dann schlenderte er auf sein privates Büro zu. Kaum drehte er mir den Rücken Verabschiedete ich mich von Monat. Im letzten Moment streckte ich unhöflich die Zunge heraus. Sichtlich provoziert holte Monat tief Luft. Streckte seine Finger vor sein Gesicht und deutete mir eine lange Nase an. Dongard der beim schliessen seines Privatraumes noch einmal umdrehte, blickte ungläubig, erstarrte. Anders reagierte ich. Nutzte die vorteilhafte Nähe zum Ausgang und flitzte rettend in den Gang hinaus bevor der Sturm losrauschte.

 

.

.

Impressum

Texte: Alle Rechte liegen bei der Autorin
Tag der Veröffentlichung: 25.08.2012

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /