Regentropfen trommelten stark an die Scheiben als suchten sie eine Ritze um einzudringen. Ununterbrochen regnete es schon die ganze trostlose Nacht. Tränkte gütig die Erde, damit die Pflanzen noch einmal kräftig wuchsen, bevor der heisse Sommer Trockenheit brachte.
Gewaschene Pflastersteine glänzten im Licht der Strassenlaternen. Die dunklen, tief hängenden Wolken täuschen noch frühe Morgenstunden vor. Erst der aufkommende, unfreundliche Wind, der den Regenschauer heftig an die Fenster klatschte, weckte an diesem späten Morgen Safa Burgler aus dem tiefen Schlaf. Eine junge Frau, Mitte Zwanzig, streckte als erstes die Hand aus um den elektronischen Wecker ins Sichtfeld zu ziehen. Unruhig war sie schon die halbe Nacht wach gelegen, mit so einem seltsamen Gefühl, dass der heutige Tag eine böse Überraschung für sie bereithielt. Eigentlich stand heute ein wichtiges Gespräch mit dem stellvertretenden Chef an. Da es um eine zähe Lohnverhandlung ging, vermutete sie stark, dass die lang ersehnte Lohnerhöhung wieder ausblieb. Im schlimmsten Fall fürchtete sie erneut eine Kürzung, welche sie dem sinkenden Eurokurs verdankte.
Kaum erwischten ihre Finger endlich das weisse Stromkabel, zog sie gnadenlos den stillen Wecker, über einen hohen Stapel Bücher hinweg, heran. Schon als sie das rote Blinken der Anzeigte erblickte, stöhnte sie auf. Denn das rote Blinken hiess, dass die Anzeige neu eingestellt werden musste. Das stürmische Gewitter in der Nacht verursachte demnach einen kurzzeitigen Stromausfall, der wiederum ihren Elektrowecker lahm stellte.
Hastig sprang sie aus dem warmen Bett. In der Eile liess sie die flauschigen Hausschuhe unbeachtet. Mit kalten Füssen rannte sie ins Badezimmer hinüber. Ein paar Bürstenstriche um die glatten, braunroten Haare zu zähmen. Ein grünes Gummiband folgte um sie im Nacken zusammen zu halten. Schminke blieb diesmal unberührt. Der durchsichtige Nagellack hielt noch. Raus aus dem dünnen grünen Nachthemd, rein in bequeme dunkelblaue Jeans und violetter Bluse die sie ausserhalb über der Hose trug. Zwar trug sie immerhin nur Grösse M. Hielt es dennoch für unangemessen ihren Hintern zur Schau zu stellen. Ihrer strengen Meinung nach war dies nur bis S oder 36 in Ordnung. Sie liebte feines Essen, vor allem selbst gemachte Pasta. War keine Vegetarierin und gönnte sich auch einmal in der Woche einen kalorienreichen Burger. Achtete sorgsam auf ihr Gewicht, dass sie schon mal draussen ein paar Kilometer im Park an den Ufern des Zürichsees joggte um überzählige Fettzellen wegzuschmelzen. Ansonsten zog sie es vor im grossen Bücherladen stundenlang zu schmökern und sich weiterzubilden ohne dabei Geld auszugeben. Studierte Psychologie, vertiefte ihre Englisch, Deutsch und Japanisch Kenntnisse genauso gerne wie sie im Internet eine Herausforderung im Schach, der mittleren Stufe, ausfocht. Zum entspannen malte sie gerne in der Freizeit grosse bunte Bilder. Liebte das gegensätzliche Spiel mit den warmen und kalten Farben. Allerdings erlaubte ihr schmaler Geldbeutel nur das bemalen von Papier. Dessen Plakatgrösse sie, einmal im Jahr, direkt ab er Papierfabrik bestellte. Sie besass sanfte rehbraune Augen mit einem guten Farbensinn. Eine geschickte Hand und eine geniale Kreativität die ihr auch in ihrem Job diverse Vorteile verschaffte.
An diesem unfreundlichen Morgen flitzte sie ohne Frühstück aus der Mietwohnung. Nur mit einer leichten Regenjacke und Autoschlüssel in der Hand sprang sie das triste Treppenhaus hinunter. Besonders wenn es feucht war roch es unangenehm muffig. Die preiswerte Mietsiedlung lag in einem etwas herunter gekommenen grauen Betonviertel. Wenn man gewisse Regeln beachtete, blieb man vor unangenehmen Überfällen verschont. Einbrüche fanden selten statt. Drogen konsumierte man in einem andern Viertel. Dafür lag der Alkoholkonsum in den umliegenden Quartieren weit über dem Durchschnittswert der normalen Stadtbevölkerung. Mit Sorge betrachtete Safa die Zunahme der immer jüngeren Abhängigen. Sie selber rührte kein Glas von diesem Gebräu an. Nahm nie eine Einladung, in eine der nahen Bars oder boomenden Clubs, an. Einzig einen Tiramisu oder ein Pudding mit Kaffeelikör erlaubte sie sich gelegentlich.
Auf den letzten Stufen draussen zuckte sie zusammen. Obwohl Safa immer in der Nähe von ihrem Mietshaus parkierte, da hier die Strassenlaternen zuverlässig funktionierten, sah sie schon von weitem, dass wieder jemand bei ihrem alten Porsche die Scheiben eingeschlagen hatte. Ein riesiges Lock klaffte in der Seitentür. Dabei gab es gar kein Autoradio das sich zu klauen lohnte. Ihr schlechtes Gefühl welches sie die halbe Nacht wach hielt bestätigte sich, als sie zudem den aufgestochenen Pneu gewahrte. Safa hasste solche ungebildeten Neider die mutwillig zerstörten. Der alte schwarze Sportflitzer wurde ihr vererbt. Zum verkaufen brachte er mit seinen vielen Kilometern, zu wenig Gewinn. Taugte höchstens noch als Ersatzteillager.
Verärgert verstaute sie ihre unnützen Schlüssel in der Hosentasche. Ausgerechnet heute wo sie eh zu spät war, sabotierte man ihr Auto. Safa überlegte kurz, wo die nächste Strassenbahn, besser ein schnellerer Bus fuhr und rannte los.
Geschickt, wendig fand sie ihren Weg durch das morgendliche eilige Volk. Mit ihren 1.58 war sie klein, aber enorm flink. Bestach nicht durch Schnelligkeit sondern durch zähe Ausdauern. Da nahm sie statt der Strassenbahn lieber die Abkürzung durch den Park. Sprintete kurzzeitig mutig neben einem Auto, als hilfreiche Deckung, frech mitten über die Strassenkreuzung durch. Da nutzte das aufgebrachte Pfeifen der Verkehrsaufsicht wenig. Sie grinste nur frech zurück, was den erhobenen Zeigefinger noch schlimmer winken liess. So regelmässig wie der standhafte Regen planschten ihre Turnschuhe über den nassen Asphalt. Duckte sich unter den bunten, aufgespannten Schirmen durch. Schlüpfte durch jede sich bietende Lücke bevor ein anderer sie nutzte. Die belebte Stadt war ihr bevorzugtes Gebiet, ihr Revier wo sie sonst die Leute beobachtete. Sprang in einen alten Bus, über die zwei Stufen, bei der offenen Hintertür, direkt hinein. Falls ihre alte Karosserie versagte besass sie im Notfall ein Abonnement zum Abstempeln, in ihrem Portemonnaie. Schon nach fünfundzwanzig Minuten erreichte sie, mit nassen Haaren die ihr ins Gesicht klebten, nassen Socken in den Innenschuhen, aber sonst trocken, den Klinikplatz. Pflastersteine in einem geschwungenen Muster um ein paar Dekorative grosse Blumentöpfe bildeten den Vorplatz. Hier fuhr, höchstens einmal im Monat, ein Krankenwagen rein um jemand mit einer engen Zwangsjacke abzuliefern. Sonst herrschte hier strenges Parkverbot.
Bei der Treppe überflog sie die drei Stufen, um abzukürzen. Die automatische Tür reagierte so langsam dass sie fast dagegen knallte. Jedenfalls blieb ein feuchter, abstützender Händeabdruck von ihr zurück. Der ältere Wächter im Innenhäuschen hob nur erstaunt eine seiner buschigen grauen Augenbrauen über ihr ungewöhnliches Tempo. Nach dem eher dunklen Eingang begann die Beleuchtung mit dem künstlichen Oberlicht in den Gängen. Ganz vorne dann bremste Safa ab um auf den letzten Metern ihren Atem wieder zu beruhigen. Die letzten zehn Meter reichten nicht ganz aus um ihren rasenden Puls zu senken. Aber ihrer Atmung hörte man die Anstrengung, vom morgendlichen Stress, nicht mehr an. Kräftig klopfte sie an die weisse Holztür. Eine antrainierte Gewohnheit um ihre frühere Unsicherheit gar nicht wieder heraufkommen zu lassen.
Sobald das rote Lämpchen, neben der Tür seine Farbe wechselte, trat sie ein. Leicht gerötet ihr Gesicht von der ungewohnten Wärme des Raumes.
Klein aber mit vorteilhaften Fenster nach draussen, das Chefbüro. Verschiedene Akten sammelten sich in mehreren Grautönen auf dem Schreibtisch. Wohl geordnet nach Jahrgängen. Hinter dem alten, robusten Schreibtisch sass der stellvertretende Chef, Herr Schwarz, vertieft in eine Akte. Er tat so, als ob er sich höchst ungern von der spannenden Lektüre trennte.
Unbeeindruckt von dem aufgeblasenen, gespielten Gehabe, setzte sich Safa unaufgefordert auf den leeren Stuhl vor dem beladenen Schreibtisch. Ausreden prallten bei Herr Schwarz nach dem ersten Wort ab. Sie kannte den eifrigen Assistenten ihres Chefs zulange. Wegen ihrer Verspätung wartete sie geduldig ab bis seine dunklen Augen endlich über den oberen Rand der Akte, zu ihr spähten. Unangenehm eindringlich starrte er sie an wie ein giftiges Insekt. Schwarz glänzte sein Kurzhaarschnitt vom Gel. Stand ihm ab wie bei einem Igel und vermittelte genauso einen abweisen, stacheligen Eindruck. Irgendwie fand Safa den Kaktus auf dem Fenstersims, den ihr freundlicher Chef so liebevoll pflegte, passender zum Inventar von Herr Schwarz.
Flink legten die sorgfältig gepflegten Hände des Assistenten die Akte auf einen Stapel nieder. In der Psychiatrischen Klinik stand eine umfangreiche Jahressitzung bevor. Eine erste Bewährungsprobe für den stellvertretenden Posten da ausgerechnet der höchste Chef seine immensen Überstunden in Ferien umwandeln musste. Zudem quetschte er sie auf den letzten Drücker vor der Jahressitzung hinein. Da Schwarz seit einem Jahr erfolgreich selbständig managte, stand nun alles unter seiner ganzen Verantwortung für einen vollen Monat. Diese Prüfung wollte er um jeden Preis bestehen und sogar eine Gehaltserhöhung heraus pressen. Wo bei anderen eine Entlassung drohte, wegen den Sparmassnahmen und den mageren privaten Spendengeldern da kalkulierte er scharf um mit einem positiven Bericht auf dem Arbeitsmarkt unabkömmlich zu bleiben.
Ausgerechnet ihm stand heute ein heikles Gespräch mit einer Angestellten bevor, die spezielle Privilegien genoss. Eigentlich hätte er gerne nach einem belastenden Grund geschürft um sie zu entlassen. Das zu spät erscheinen kam ihm gerade Recht. Er genoss jede Minute Verspätung auf ihren Termin. Dummerweise überbrückte er die Zeit indem er den Aktenberg weiter kontrollierte und aussortierte. Bevor der alte, bequeme Chef von den sonnenverwöhnten Inseln zurückkehrte, plante er einige Fälle der Insassen erfolgreich abzuschliessen. Mit Hilfe starker Medikamente liessen sich einige harmlose Kandidaten entlassen und einige hoffungslose Fälle bestimmt in andere Kliniken abschieben. Das schuf Platz und senkte die Kosten was sich wiederum für seinen verdienten Bonus günstig auswirkte.
Bevor Frau Burgler mit Verspätung eintraf, war ihm eine gelbe, hässliche Akte ins Auge gesprungen. Allein der abschreckende Anblick liess seine vorgenommenen Ziele zusammen schrumpfen. Etwas was ihn ziemlich Deprimierte. Dementsprechend mit verkniffenem Gesicht, von dem er selber wusste dass es ihn ziemlich älter als seine vierzig erscheinen liess, ergriff er das dicke Dossier. Auf der hellbraunen Oberseite eine vergilbte Tintenschrift. Kaum entzifferbar: nur für oberste Chef Instanz persönlich. Das übersah er unbeeindruckt. Klappte den alten Deckel auf, dessen robustes Papier sie längst nicht mehr verwendeten. Nach einigen gebleichten Seiten fand er eine schwarzweisse Fotografie. Verschwommen blickte ihm ein junges, kaum erwachsenes Gesicht entgegen. Emsig suchte er nach einer Jahreszahl und seine schlimme Vorahnung stieg an. Niemand übernahm freiwillig so einen alten Fall der schon so oft ergebnislos weitergereicht wurde. Als wenn das alles nicht ausreichte, stand da mit neuer roter Farbe ein Hinweis. –Darf nicht entlassen werden trotz guter Führung.
Weil er jetzt gerade vor zwei Problemen stand, sah Schwarz ziemlich angesäuert auf sein wartendes Gegenüber. Schmiss förmlich die alten Papiere auf den hohen Stapel zurück und wünschte sich sie wären älter und würden dabei in Staub zerfallen. Gnadenlos glaubte er Frau Burgler einzuschüchtern. Seine miese Laune stieg als er feststellte, dass dies nicht funktionierte.
Um unschuldig zu wirken zuckten kurz ihre schmalen Schultern hoch. Fest ihre klare Stimme. „Stromausfall in der Stadt. Das ist natürlich keine Entschuldigung und es tut mir leid, dass sie warten mussten. Ich sehe ja, sie sind ein schwer beschäftigter Mann. Daher hoffe ich sie gönnen mir trotzdem ein paar wenige Minuten ihrer wertvollen Zeit?“
Klar einfach und gab ihm keinen Grund zu schimpfen. Irgendwie fühlte er sich weiter mies. Wenn sie glaubte ihm einen Schritt voraus zu sein, so liess er sie nun mit seinem nächsten Problem direkt konfrontieren. „Das unangemessene Warten wirft nicht gerade in ein positives Licht auf sie. Was erwarten sie da von mir eigentlich noch?“ Dieser fiese Dämpfer bereitete ihm immense Freude. Allerdings nur so kurz bis er ihr Lächeln entdeckte.
„Herr Schwarz. Ich sehe immer ein Licht, in jedem Tunnel. Daher geben sie mir den nächsten Fall der ihnen finster… schwer aufliegt.“
Gefährlich funkelten seine dunklen kleinen Augen. Wirkungslos perlte alles an ihr ab. Sie wagte sogar offenherzig zu fragen. „Heute ist doch ein wichtiges Gespräch? Um was geht es? Bekomme ich eine Gehaltserhöhung.“
Es zuckte gefährlich um seine Nase, doch er beherrschte sich meisterhaft. „Sie träumen wohl noch? Aufwachen, wir sind bei der Arbeit! Da gibt es viiiel…“ Die gelbe Akte viel ihm allerdings ins Augen. Ein hoffnungsloser Fall. Eine schöne Knacknuss für jemand der geschickt war und nie aufgab. Sie verfolgte sogar gespannt seinen Blick. Ein geschickter Köder.
„Was ist mit dem da! Die Akte ist ja völlig vergilbt.“ Safa erlaubte sich sogar noch den übermütigen Witz, „Lebt der überhaupt noch?“
Herr Schwarz grinste heimlich innerlich. Lies sich aber nicht anmerken wie sehr ihn ihre bösen Sticheleien reizten, geradezu herausforderten seine Fassung zu verlieren. Nur Frau Burgler besass dieses unheimliche Talent bei ihm die Knöpfe zu drücken die richtig triggerten. Er quittierte ihre gewitzelte Bemerkung höchstens mit einem abfälligen Nasenrümpfen. Schob seine dünnrandige Brille auf der Nase höher und gönnte sich einen offen, widerwillig Blick auf die lange vernachlässigte Akte. Hier sah er eine günstige Chance hervor blitzen wie er prächtige Bonuspunkte beim Chef abräumte, sollte er diesen unbeliebten Fall endlich lösen. Erneut spähte er über den goldigen Brillenrand zu der unscheinbaren Safa hinüber. Unauffällig ihre gesamte Erscheinung. Eher etwas weite Kleidung was ihre mollig Figur unschön betonte. Im Gegensatz zu den sonstigen weiblichen Hungerhaken, die mehr Wert auf Mode und perfektes Aussehen legten, jedoch eine gelungene Abwechslung. Laut der Kurzbeschreibung seines Chefs, war sie sehr einfallsreich. Warf selbst auf eingefahrene hoffnungslose Fälle neues Licht. Trotzdem hallte da unangenehm auch eine Warnung dazwischen, dass sie unberechenbar die gesetzlichen Vorgaben missachtete um ihr Ziel zu erreichen. Wenn er ihr einen so schwierigen Fall übergab, lag es auch in seiner Verantwortung sie gelegentlich zu überprüfen. Er fragte sich, ob ihm das einen Teil seiner kostbaren Zeit wert war. Unentschlossen zupfte er die alte Akte zwischen den Finger näher als fürchte er sich davor etwas Ekliges anzufassen.
Gespannt verfolgte Safa jede seiner trägen, zögernden Bewegung. Aus Erfahrung wusste sie, dass Drängen bei solchen Chefs, genau das Gegenteil auslöste. Dennoch riskierte sie einen sanften Treffer. „Kommen Sie schon, Herr Schwarz! Sehen Sie nicht so ... düster“ Der ungünstige Name reizte sie einfach zum austesten was er so aushielt. Scharf und finster gab er ihr mit einem giftigen Blick zu verstehen, dass er hier gar nicht ihren Humor teilte. Da sie die Grenzen des Anstandes sonst beibehielt, konzentrierte er sich lieber auf den seltsamen Fall. Seine Neugierde war geweckt. Für ihn selber bedeutete das dicke Dossier zu viel Aufwand. Eilig überflog er erneut ein paar Randnotizen auf der Vorderseite. Räusperte sich, da er ein aufkommendes Lächeln rasch unterdrückte, versteckte. Ja dieser schwere Fall hatte definitiv seine vielseitigen Knoten aufzuweisen. Er versprach eine laaaange Beschäftigungszeit … was wiederum für Herr Schwarz positiv aufleuchtete, wenn er sich so Safa bis zu seiner nächsten Ablösungszeit auf Distanz hielt. Einen voll durch geknallten Psychopathen, der widerspenstig behauptete ein Vampir zu sein. Auf keine hoch dosierten Medikament oder Drogen aus der früherer Zeit mit dem gewünschten Resultat reagierte, bei so was rührte sich fast sein schlechtes Gewissen. Allerdings NUR fast. Immerhin schien Safa nervenstark und belastbar zu sein. Gleich zwei Hauptgründe weswegen sein oberster Chef darauf bestand sie als eiserne Reserve in seinem Team zu behalten. Wenn dieser kranke Irre auch so ein Durchhalte Vermögen besass, passten sie beide herrlich zusammen. Schliesslich gab sein Chef ja den betreffenden Hinweis, ihr hoffnungslose Fälle zuzuweisen. Mit keinerlei Regung in seinem eingefrorenen Gesicht reichte er ihr die rekordverdächtige Akte. Eigentlich waren es sogar drei verschiedene Akten zu einem Bündel gefasst. Er wollte gar nicht wissen wie lange es dauerte sich da durch zu beissen. Meisterhaft verbarg er seinen Triumpf als sie doch etwas überrascht nach dem dicken Bündel griff. Allerdings löschte ihre Kommentar sein überlegenes Hochgefühl.
„Sieht ja ganz spannend aus“. Ein Lächeln sogar auf ihren ungeschminkten Lippen. Die ehrliche Herzlichkeit mit der sie es aussprach sprengte sogar seine eiserne Maske. Mit einem kritischen Blick musterte er sein fremdes Gegenüber als sei sie selber eine seiner gestörten Patientin. Erst nach einigen Sekunden erholte er sich von dem Schreck. Steif erhob er sich aus dem bequemen Chefsessel. Wünschte sich heimlich das einmal als sein eigenes Büro zu nennen. Schalten und walten nach seinem Gutdünken. Genau den gebührenden Respekt mit dem ihm Safa die Tür öffnete, auch von den anderen so selbstverständlich zu erwarten. Sie überliess ihm freiwillig die Führung und hielt sich nicht mal an seiner Seite. Heimlich warf er einen flüchtigen Blick zurück, nur um festzustellen, dass sie bereit abgelenkt einen Maschinen getippten Bericht las. Ohne aufzublicken streckte sie automatisch die Hand nach vorne als er anhielt um eine Tür zu öffnen. Zielsicher packten ihre Hände blind nach dem Türrahmen. Erst als er unerwartet neben der Türe anhielt, sah sie fragend hoch. „Was ist?“ Er schüttelte über seine eigene Unvernunft den Kopf. Marschierte weiter auf den Hochsicherheitstrakt zu. Zweifel nagten in ihm ob seine schnelle Entscheidung wirklich sich zu seinem Vorteil entwickelte.
Trotz der angeschalteten Heizung war es kühl in den hohen langen Gängen. Die vielen vergitterten Seitenfenster brachten viel Licht in den Raum, verschleuderten aber kostbare Wärme. Ein Kostenpunkt den er beabsichtigte zu senken. Verschlossene Türen zu seiner Rechten. Selten vernahm man Geräusche der Anwohner. Höchstens mal ein nervöses Klopfen an den Wänden. Ein rasseln der Schlüssel und eine der ganz in weiss gekleideten Leiterinnen trat, bei ihren täglichen Kontrollgängen, aus einem der Zimmer.
Blitzsauber der graue Plattenboden. Öde und leer der Gang. Alles zur Sicherheit der Insassen. In einer anderen Abteilung rieselte, beruhigende Musik aus kleinen Lautsprechern, zum Wohl der Patienten. Doch im letzten Anbau dominierte eiserne Ruhe. Der hinterste Hausflügel zugleich der Sicherste. Separat abgesichert durch einen beständigen Wärter. Auf seinem harten Stuhl kühlte sich das Sitzkissen nie auf Zimmertemperatur hinunter. Neben einem Holzknüppel standen ihm auch Elektroschocker zur Verteidigung bereit.
Wer jedoch Einblick bekommen sollte, wie viel Betäubungsmittel in diesen Räumlichkeiten eingesetzt wurde, der wusste dass diese groben Hilfsmittel nie zum Einsatz kamen. Forsch schritt Dr. Schwarz über die abgeflachte Türschwelle. Mit einem mulmigen Gefühl dagegen folgte Safa. Ein kalter Schauer legte sich über ihre Schultern. Einmal im Jahr, besuchte sie hier eine persönliche Bekannte. Trotz dem warmen Geburtstagskuchen, den sie sonst immer mitnahm, fröstelte sie es jedes Mal sobald sie diese speziellen Gänge betrat. Die Räumlichkeiten unterschieden sich äusserlich nicht von den anderen. Ausser, dass die Türen besser gepanzert waren und im Besucherraum eine unzerbrechliche Panzerglasscheibe als Trennwand zur Verfügung stand. Irgendwie dünkte es Safa, dass es an den speziellen Charakteren der Bewohner lag, die hier das Klima ins frostige drückten. Also ob einige der stillgelegten Personen ihren betäubten Körper in ihren Zimmern zurück liessen und ihre verwirrte Seele in den Gängen herum geisterten. Dementsprechend eilig folgte sie Herr Schwarz dicht auf den Fersen ins Besucherzimmer. Setzte sich gleich an den Tisch in der Mitte. Blätterte eilig die Akten durch wobei sie ihr diagonales schnelllesen benutzte um im Eiltempo das interessanteste aufzuschnappen. Dass er sich einbildete ein todbringender Vampir zu sein, erschreckte sie keinesfalls. Erst im letzten Monat kurierte sie einen anfangs arroganten Napoleon. Nach drei Wochen intensiven Verhandlungen wurde er als normaler Bürger entlassen. Weitere Tage darauf verhalf sie ihm zu einem schönen Job, als Allrounder in einem beliebten Touristengebiet an der Küste in Frankreich. Entschlossen nahm sie sich vor diesen Möchtegerne Vampir weich zu klopfen oder wenigsten seine Nahrung auf Ketschup umzustellen. Erstaunt überflog sie den vielseitigen Bericht. Wunderte sich darüber wie viel man diesen seltsamen Patienten umher schob und schon alles zumutete. Was er alles aushielt, da man ihn praktisch als günstiges Versuchskaninchen mit allem durchteste. Sein hohes Alter lies ihre letzte Begeisterung verdampfen. Mit den 59 Jahren auf dem alten Buckel war er sicher alles andere als ein flexibler Kandidat, der auf jede Veränderung empfindlich reagierte. Da hiess es bei ihm mit angezogener Bremse auf ihn einzuwirken, damit er sich nicht tiefer von der Realität entfernte.
Entfernt hörte Safa wie Herr Schwarz den alten Einwohner herbeorderte. Sie zuckte empfindlich zusammen ab dem grausamen Geräusch des Stuhles, den Herr Schwarz neben ihr unter dem Tisch hervorzog. Unentschlossenheit in seiner Stimme. „Soll ich nicht einen geeigneten Fall für sie aussuchen?“ Sein plötzlicher Richtungswandel liess Safa von der spannenden Lektüre aufsehen. „Bitte? Ich habe keine Angst vor dem Versagen. Mir ist durchaus Bewusst, dass ich nicht jeden Fall lösen kann. Allerdings reizt mich dieser Vampir sehr. Ich möchte selber sehen was er alles auf Lager hat.“
Ernst sah ihr Vorgesetzter tief in die unschuldig blickenden Augen. „Safa, vielleicht Übernehmen sie sich da?“
Sie winkte alleine wegen des freundlichen Tons ab. „Wenn ich es während ihrer Amtszeit hier, schaffen sollte ihn einigermassen bis zur Entlassung zu zähmen, dann will ich eine Gehaltserhöhung von 100euro!“ Verhandelte sie scharf. Erntete dafür ein unwilliges Schnauben. Nachdenklich, störrisch starrte Dr. Schwarz die nächste blanke Wand an. Schliesslich streckte er ihr eine offene Hand entgegen. „Keine Erhöhung aber einen Bonus von 400 Euro aus meiner eigenen Tasche gespendet.“
Grinsend nahm sie das Angebot an und schlug ein. „Immer her mit dem Opa!“
Im gegenüberliegenden Raum öffnete sich tatsächlich die Tür. Hier arbeiteten nur erfahrene Pfleger, die jedoch nie länger als ein paar Jahre blieben. Der Angestellte schob einen Patienten am Arm herein, der kaum älter als er selber war. Er hielt sein Gesicht gesenkt. Lange glatte Stirnfransen bis über die Augen. Als erstes viel Safa die merkwürdige Haarfarbe auf. Sand, schoss er ihr durch die Gedanken. Wie frischer trockener Sand direkt am Meer. Fast wie strohblond mit einem bis zu bräunlichen Farbton je nach Lichteinfall. Mit gebeugten Schultern blieb der Hauptkandidat willenlos im Raum stehen. Der Pfleger selber drehte ihn Richtung zu der getönten Glasscheibe. Er gab zu verstehen. „Die Wirkung des Gegenmittels fängt erst nach ca. einer Minute an. “
Diskret wollte er den Raum verlassen. In dem Moment hob der sonst reglose Patient den Kopf. Zielgerichtet fiel sein Blick, trotz der getönten Trennscheibe, genau auf Safa. Die hastete zum Mikrophon. „Moment. Wir wollten einen…“ sie blickte hastig auf die Notizen hinunter. „Siri… Sirinovska Mikael.“ Entschuldigend hob der Pfleger seine Schultern. „Das ist Mikael Sirinovska!“
Überrascht starrte Safa Burgler auf ihren alles andere als Opa Erwartung. Niemals älter als 35 hätte sie ihn bestenfalls geschätzt. Schlankes Gesicht mit der entsprechenden langen geraden Nase. Im Gegensatz zu den ungepflegten Haaren war er glatt rasiert. Jung einfach viel zu jung, schloss sie ihre erste Analyse. Ihr kam ein rettender Gedanke. Meinte zu dem selber verblüfften Herr Schwarz. „Vielleicht hat sich Mikael heimlich verdrückt und ein anderer hat seinen Platz eingenommen. Irgendeine Verwechslung…“ Doch gegen ihre Verschwörung Theorie hob Herr Schwarz nur die erste Seite an von ihrem Bericht an. Da war ein schwarzweisses altes Passfoto. Verschwommen und mit viel Ähnlichkeit sah ihr da jemand entgegen.
Selbst Herr Schwarz gestand. „Das wird immer mysteriöser.“ Sichtbare Zweifel standen in seinem verzerrten Gesicht. Er wollte Safa die Akten aus den Händen reissen, doch die hielt sie automatisch fester, obwohl sie langsam an ihrem Unterfangen zweifelte. Stumm, stritten sie beide wie kleine Kinder, um die wichtigen Papiere. Unbemerkt summte die Klimaanlage über ihren Köpfen auf. Auf einmal ertönte eine heisere Stimme schwach aus dem Lautsprecher, welche beide gleichermassen erschreckte. „Hilf mir.“
Sogar Safa erbleichte äusserlich, selbst wenn das bei ihrer hellen Hautfarbe kaum sichtbar war. Sofort wandten sich ihre geweiteten Augen zur Scheibe hin. Absolut unverändert stand der reglose Patient unverändert an seinem Platz. Beunruhigend visierten seine dunklen Augen unter den langen Stirnfransen, sie genau an, als ob er sie durch die gespiegelten Scheiben erkannte. Nachdem Safa ihre Sprache wieder fand, kam es ungewollt etwas höher als üblich. „Die Scheiben sind doch getönt. Der kann mich unmöglich sehen!“ Kritisch wanderte der Blick von ihrem Vorgesetzten zwischen ihr und dem Klienten hin und her. Ungern pflichtete er ihr bei. „Die Lichter sind auf rot geschaltet. Der kann uns auch nicht hören. Vielleicht hat er einfach ein spezielles Gespür oder man nennt das schlicht Zufall, “ wagte er Safas Verunsicherung ins lächerliche zu schieben. Wieder versanken die beiden in ein finsteres lautloses Duell.
„Hilf mir.“ Diesmal mit so fester, sicherer Stimme, dass Safa zusammen zuckte. Gleichzeitig wollte sie den kalten Krieg gegen Herr Schwarz nicht unterbrechen. Gönnte ihm kein Sieg. Entschlossen, „Ich kläre den Fall. Und wenn ich ihn zwischendurch an ein Kosmetik Unternehmen vermieten muss damit die sein Geheimnis, über den ewigen Jungbrunnen, heraus foltern, “ verhandelte sie hart.
Finster böse funkelte ihr Vorgesetzter die Furchtlose an. Verbissen umklammerte sie die Akten weiterhin fest. Auch wenn er im Geiste sie bereits mit einem Holzpflock in den Händen dem Patienten nach rennen sah, gab er nach. „500 Fr. wenn sie das Geheimnis aufklären. Bringen sie mir belegbare Beweise. Ansonsten zahlen sie mir 500 Fr! Er bleibt gefälligst unverletzt! Und falls er wirklich, vor Ende meiner Ablösungszeit, hier tatsächlich raus spazieren sollte, schenke ich ihnen sogar einen fetten Bonus 1000 bar auf die Hand. Aber wirklich nur wenn wir den Fall endgültig im Archiv ablegen können.“
„Deal.“
Einen Moment benötigte Dr. Schwarz bis er ihre rasche Zusage verdaute, dann verließ er mit einem Kopfschütteln, über sich selber, den Raum. Mit einer gewissen Erleichterung wartete sie bis die Türe sich hinter ihm schloss. Tief atmete Safa einmal ein und aus. Endlich war sie alleine und wagte sich ihren Ängsten zu stellen. Sah zum Trennglas und liess diese Gestalt mit den hängenden Schultern, auf sich einwirken. Der erste Eindruck täuschte bei ihr selten. Mikael war mittlerweile sogar bis an die Scheibe getreten. Seine Stirn presste sich ans kühlte Glas als ruhte er sich aus. Die langen Stirnhaare fielen ihm wild mitten ins Gesicht. Verdeckten beinahe seine geheimnisvollen Augen die mit einer gewissen Trägheit sie direkt anzuschauen schienen. Trennscheibe hin oder her. Safa fühlte sich beklommen, unheimlich und versuchte sich auf ihre Analyse zu konzentrieren. Gerade die ausgeprägte männliche Nase und hohe Wangenknochen in einem länglichen Gesicht mit makelloser, bleicher Haut. Entweder rasierte man ihn heute Morgen, oder ihm wuchs aus genetischer Veranlagung kein Bartwuchs. Sie erschauderte innerlich bereits bei der Vorstellung, wenn er ein paar Kilo zunahm und wieder aktives Leben dieses leicht eingefallene Gesicht füllte, wie Attraktiv er eigentlich aussah. In den nächsten Wochen durfte sie diese Verwandlung miterleben. Ein wenig Stolz und Vorfreude kam auf. Ja, sie liebte ihren Job, mochte er manchmal auch sehr anstrengend sein. Aber da war noch etwas anderes in der Luft, in der kurzen Distanz zwischen ihnen. Je länger sie ihn ansah, fluteten ungewohnte Gefühle ihren Verstand. Als ob eine unsichtbare Magie in sie hineintanzte. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Es lag vermutlich an seiner Ausstrahlungskraft. Selbst in diesem erbärmlichen Zustand strömte er eine gewisse Faszination aus. Dünn, blass, schlank, das kurierte man mit guter Küche. Das nutzte sie gerne zu ihrem Vorteil. Mit selbstgebackenen Kuchen erreichte man viel bei dünnen, anspruchsvollen Patienten welche die fade Küche der Kantine verabscheuten. Unentschlossen trat sie näher. Diese seltsame undefinierbare Augenfarbe. Das getönte Glas verfärbte das wahre Urteil. Sie drückte den Schalter nieder um mit offenen Karten zu spielen. Der Spiegel auf seiner Seite verwandelte sich zu einem klaren Fenster. Ungetrübt traf sie der bittende, erschöpfte Ausdruck seiner einzigartigen Augen. Was sie anfangs für gewöhnliche blaue Augen hielt, war tatsächlich ein helleres Lila. Welches sich von der Mitte zum äusseren Rand hin in ein sattes Violett steigerte. Für einen Bruchteil einer Sekunde glaubte sie darin ein aufglühen zu entdecken. Es steckte da sehr viel unterdrücktes Leben in ihm. Abermals überrollte eine ungewöhnlich starke Gefühlswelle ihren gesamten Körper, als stünde sie unter Strom. Erschütterte jedes Haar ihrer Kopfhaut bis hinunter zu den kribbelnden Zehen.
Fasziniert versank sie in seinem bittenden, verzweifelten Blick als stünde sie unter Hypnose. Brauchte all ihre innere Kraft um sich aus seinem anziehenden Bann zu lösen. Somit bestätigte sich ihre erste Befürchtung, dass sich dieser spezielle Patient zu tief in ihr Herz einnistete. Dieses kurze aufblitzen von Furcht reichte aus um die aufkeimende Euphorie zu unterbrechen. Hastig sah sie auf ihrer Raumseite auf den langweiligen Plattenboden hinunter. Ordnete erst einmal ihre wirren Gedanken. Abgrenzen, mahnte sie sich streng und fuhr die eigene innere Schutzmauer hoch. Zur eigenen Sicherheit imaginierte sie einen undurchdringlichen dicken Betonpanzer, warf eine Schicht Panzerglas darüber, dazu die Vorstellung von allerlei magischem Schnickschnack , der sie schützen sollte. Wenn sie auch all diesem modernen magischen esoterischen Kram anzweifelte, beruhigte immerhin die Vorstellung er könnte ja Anwesend sein.
Der mysteriöse Kandidat glich einem abgemagerten Panther der zulange verweichlicht in einer warmen Stube untätig herum lag. Safas Instinkte, denen sie immer vertraute, verrieten ihr, dass eine tiefliegende Kraftquelle in ihm schlummerte. Bei keinem bisher anvertrauten Patienten hatte sie auf Anhieb so eine verborgene, unbeschreibliche Präsenz wahrgenommen. Unterdrückte Aggression oder zum Beispiel Napolenons überspieltes, tiefsitzendes Misstrauen witterte sie gleich in der ersten Minute. Das hier übertraf alle bisherigen gesammelten Erfahrungen. Was war mit diesem Patienten nur los? Was verbarg er in Wirklichkeit. Und sie witterte eine Menge Geheimnisse hinter diesen leidenden Augen. Diese Schmerzen entstanden nicht nur von den fiesen Behandlungen der letzten Jahrzehnte in dieser Klinik. Trotz allem brodelte da eine verborgene, ungebrochene Kraft in ihm. Eine unglaublich starke Präsenz. Sie glaubte nicht an den niedergeschriebenen Unsinn mit dem Vampir. Daran zweifelte sie keine Sekunde. Aber sehr wahrscheinlich war er vor der Einweisung eine ziemlich solide Selbstbewusste Persönlichkeit gewesen. Selbstbewusst und zielgerichtet. Mit einer Prise von etwas aus seinem Elternhaus, was seinen Charakter stärkte. Ihre sonst zuverlässigen Sinne sandten so verwirrende Signale. Was war überhaupt mit ihr los?
Tief durchatmend stützte sie sich mit einer Hand an der kühlen Scheibe ab. Zeit spielte gerade jetzt, in diesem speziellen Fall, keine Rolle. Sie wurde nicht wie die anderen Festangestellten nach Zeit Einsatz, sondern mehr nach erzieltem Erfolg bezahlt. Also überlegte sie sorgfältig den nächsten Schritt. Blickte hoch und bemerkte, dass er seine Hand an die Stelle drückte wo ihre lag. Ohne die kalte Trennscheibe würden sie sich genau berühren. Natürlich raste wieder ein kurzer Energieschauer durch ihren Körper. Einerseits durchaus angenehm, weil es ihre eigene Lebensenergie in die Höhe schnellen lies. Anderseits hasste sie es, weil ihr Körper so eigenmächtig handelte. So was durfte sie nicht dulden. Schon gar nicht wenn es sich dabei um eine Rektion auf einen Insassen ihrer Klinik für Ausgeflippte handelte. Nach einem starken Espresso, oder einem aufputschenden Epic Song von TSFH, ja dann genoss sie diesen erfreulichen Energiekick. Aber bestimmt nicht nach einem ersten Blickkontakt in seine sehnsüchtigen, lilavioletten Augen. Erneut fokussierte sie innerliche Konzentration. Seine Hand, die gespreizten Finger welche sie um ein paar Zentimeter überragten, lieferten wertvolle Hinweise. Entlockte ihr ein wissendes Schmunzeln. Die langen, schmalen Finger verrieten nämlich seine sensible Seite. Von Natur aus war dieser Mann, selbst gut genährt, kein grossartiger Kämpfer. Höchsten im geistigen Sinn.
„Hilf mir“, ganz klar seine angenehme Stimme.
Dabei rührte er sich keinen Zentimeter von der Stelle. Zuversichtlich richtete sich Safa gerade. Wagte ihm nicht mehr direkt in seine Augen zu blicken sondern wich geschickt auf andere Gesichtspunkte aus. Sie räusperte leise um ihre Stimme zu finden „Nun, wie kann ich ihnen helfen?“ Startete sie einfach.
Seine starren Augen wechselten in einen sanften, entspannten Ausdruck. Ein erfreuliches Lächeln zauberte sich in sein hübsches Gesicht. Die gebeugte Gestalt streckte auch ihren Rücken gerade. Sein Gesicht bisher im Schatten des Lichts nahm scharfe Konturen an. Während er auf einmal auf überraschende Grösse anwuchs, schrumpfte Safa innerlich zusammen. Knapp reichte sie ihm gerade mal an seine Schulternhöhe heran. Schimpfte innerlich erneut, dass er einfach für sie zu gefährlich war, allein durch sein aussehen. Zu viele Gefühle, schalt sie sich. Wohl bemerkt entdeckte sie keinen aggressiven Zug in seinem glatten Gesicht. Nicht mal ein nervöses Zucken. Er hatte sich voll unter Kontrolle. Sollte er dazu körperlich wieder voll fit sein, traute sie ihm schneller eine Reaktion zu als ihre lückenhafte Verteidigung reagierte. Nicht umsonst hatte ihr Respekt und gesunder Verstand sie schon vor manchem Angriff gerettet. Sei er verbal oder nonverbal abgeschickt worden. Die besonderen Insassen hier besassen wie normale Leute ihre spezifischen Talente. Von denen einige Geschicklichkeiten die eines normalen Bürgers immens übertrafen.
Seine tiefe Stimme wurde hörbar sicherer. „Ich möchte hier raus“, sein schlichter Wunsch. Wobei Safa nach den holprigen hochdeutschen Worten bemerkte, dass dies von einem leichten Akzent herführte und nicht von blockierenden Medikamenten. Seinem Namen nach vermutete sie ein östliches Land. Rasch kontrollierte sie seine aufgeschriebenen Personalien. Exakt; Russland. Ein Räuspern erinnerte sie an den ausgesprochenen Wunsch. Worauf sie zuerst mit grossen Augen, dann mit einem erleichterten Lachen reagierte. Der besass ja einfache Wünsche. Sie überlegte kurz. „Was wollen sie als nächstes Unternehmen, wenn ich sie hier raus bringe?“ Jetzt startete der Tag durchaus interessanter. Nicht zuletzt plante der einstige Insasse Napoleon gleich die ganze Weltherrschaft zu übernehmen.
Bescheiden gab Mikael an. „Frische Luft atmen und die Sonne im Gesicht spüren.“
Safa gab ihm gleich zu bedenken. „Ich dachte Vampire sind allergisch gegen das Sonnenlicht?“
Er stutzte und sah sie genauer an. Nachsichtig lächelte er freundlich zurück. „Es gibt viele falsche Experten und noch viel mehr erfundene Geschichten. Glaub nicht alles was du hörst. Im Übrigen finde ich den Zeitpunkt perfekt um hier raus zu kommen. Bist Du für mich Zuständig?“
Nachdem sich Safa gespielt gründlich umsah, meinte sie lässig, „Scheint so!
Dir ist schon klar, dass Du hier nicht einfach so raus marschieren kannst. Da gibt es so einige hinderlichen Vorschriften. Hast Du einen zeitgemässen Vormund der auch noch lebt?“
Langsam verschwand die bleierne Müdigkeit aus seinen einmaligen Augen. Aufmerksam sah er zu ihr hinunter. Nachdenklich und leicht tadelnd klang es. „Du hast die Akten nicht gründlich genug studiert.“ Er lehnte sich träge mit der Schulter an die Wand.
„Dafür hab ich später noch Zeit. Sie sind erst seit knapp einer halben Stunde in meinem Besitz“, erklärte Safa.
Anders als Herr Schwarz zeigte Mikael seine Verblüffung offen. „Was!“ Hauchte er. „Jetzt verstehe ich warum du mich übernimmst. Wir beschleunigen das ganze massiv, wenn die rote Telefon Nummer auf Seite drei oben anruft. Und ja… er lebt garantiert noch.“
Safa staunte wie gut er sich mit den Unterlagen auskannte. Beziehungsweise funktionierte sein Gedächtnis einwandfrei. Sie fischte aus ihrer Hosentasche das alte Nokia Handy hervor. Legte die Akten vorsorglich auf den Tisch und suchte die niedergeschriebene Nummer. Eine lange Nummer deren Vorwahl garantiert ins Ausland führte. Nur so aus dem Handgelenk wusste sie nicht welches Land. Gespannt wartete sie auf den ersten Klingelton. Sieben Mal zählte sie genau ab, wollte aus Höflichkeit gerade auflegen als es in der Leitung knackte. Eine männliche Stimme räusperte sich tief und brummte in verständlichem Englisch. „Wer stört?“
Mit einem schiefen Blick strafte Safa das unschuldige Telefon. Eine Sekunde lang war sie absolut baff. Die Sekunde reichte jedoch aus um Gedanken wie, was ist das denn für ein Idiot, oder der gehört ja auch hierher ins Irrenhaus, blitzte. Die beiden waren sicher verwandt. Genau so unpassend entsprechend ihre höfliche Antwort. „Safa Burgler und ich störe mit dem grössten Vergnügen das mir der Tag heute bietet. Es geht um einen Einwohner namens Mikael Siri…“ „Ja was ist mit dem? Lebt er noch?“, drängte der andere barsch zu wissen. Am liebsten hätte sich Safa den makaberen Scherz erlaubt, ihn zu bitten den Sarg abzuholen. Aber das kurzfristige Vergnügen hätte ihre spätere Glaubwürdigkeit versaut. Also sagte sie stattdessen vernünftig, „Sie übernehmen die Vormundschaft, wenn er raus möchte? Und er will raus!“
„Waaassss!“ Das klang alles andere als erfreut. Ein warmes Willkommen war Mikael schon mal nicht gegönnt. Genuscheltes Fluchen drang aus der Ferne durch den Hörer. „Wieso gerade jetzt?“
Bedauernd meine Safa zu ihrem wartenden Patienten. „Warum jetzt gerade frische Luft schnappen?“ Da sie den Hörer nicht abdeckte vernahm der andere ihre Worte und sie verstand deutlich von dem aufgebrachten Ausländer. „Der spinnt wohl.“
Dagegen reagierte Mikael besonnener. Überlegte sich wohl seine richtige Antwort. Entschied sich dann kurzerhand anders. „Sagen sie ihm, er soll die entsprechenden Anwälte in Bewegung setzen und mein Vermögen wieder freischalten. Ich möchte nach Hause.“
Gerade hob Safa das Handy an ihr Ohr als es in der anderen Leitung schon bellte. „Geben sie ihn mir! Ich will es persönlich von ihm hören.“
Langsam kam sich Safa vor wie eine unterbezahlte überbeschäftigte Sekretärin, zwischen zwei rivalisierenden Firmenbossen. Ohne Nachzudenken drückte sie den Schalter, der die Scheibe automatisch seitwärts schob. Bewusst streckte sie Mikael das Handy so entgegen, dass sich ihre Hände nicht zu berühren brauchten. Sirinovska betrachtete die ihm fremde Technik aufmerksam. Streckte seine Hand danach aus. Zögerte im letzten Moment und streifte verlangsamt, absolut gewollt, mit seiner Hand über ihre vordersten Finger. Mit keinerlei Regung bestätigte sie den ausgelösten Energieschub. Das gönnte sie ihm dann trotz seinem sympathischen Lächeln nicht. Insgeheim wunderte sie sich bloss, wie warm seine Hand war. Von wegen Vampir und eisiger Inhalt. Mikael wechselte zu ernsthaft hinüber und begrüsste kühl den wohl weniger beliebten Bekannten. Vom folgenden Gespräch verstand sie kein einziges Wort. Es beunruhigte sie keinesfalls da sie wusste, dass im Kontrollraum die aufmerksamen Wächter alles auf Tonband bannten. Sie kannte die Summe um die strengen Vorschriften zu umgehen. Ein bisschen Taschengeld knisterte daher immer in ihrer Hosentasche.
Kaum eine Minute dauerte das kurze Wortgefecht. Sie verfolgte genau wie Mikael sich dabei verhielt. Wie normal die Bewegung der langen Finger, die Neigung seines Kopfes, wie er allgemein auf das Gespräch reagierte. So intensiv brütete sie über sein Verhalten nach, dass ihr gar nicht auffiel wie ihr eigener misstrauischer Ausdruck sie verriet. Erst sein „Bist du nicht zufrieden mit dem was du siehst?“ weckte sie auf. Kritisch mustert sie ihn erst Recht. Als Standard trug er über einem weissen Baumwollhemd den weiten Kittel wie alle Insassen. Bequeme robust graue Hosen. In den dünnen Hausschuhen stand er ohne Socken. Wortlos streckte sie nur die Hand nach dem Handy aus. Der Graus vor dem anstehenden Papierkram begeisterte sie wenig. Einzig Herr Schwarz Gesicht wollte sie sehen, wenn er in den nächsten Tagen bereits die Entlassungspapiere unterschreiben musste. Das war sicher sogar Wert die Handykamera heimlich einzuschalten. Sie entschied. „Sie gehen zurück in ihr Zimmer bis ich das mit den Papieren erledigt habe. Bis morgen muss ich ein paar Leute für die erste Anhörung organisieren. Es wird eine Befragung stattfinden und wenn alles gut geht sind sie entsprechend dem Resultat in ein paar Tagen ein freier Mann. Da sie anscheinend bereits über eigene Anwälte verfügen, verkürzt das alles. Allerding braucht es für die Auswertung ein bisschen mehr Geduld. Vor allem nach so vielen abgesessen Jahren wird das keine leichte Anhörung. Ich hoffe sie sind gut vorbereitet. Ich lasse bis Morgen ihren Medicocktail streichen damit sie einen klaren Kopf bekommen. Sollte es aber Unklarheiten geben die sie nicht gleich ausräumen, werden sie für die nächsten Jahre Aufenthalt in Verlängerung geschickt. Haben sie das verstanden?“ Safa hielt ihren Blick gesenkt um ihn nicht anzusehen. Ein geschicktes Ausweichmanöver. Tat stattdessen so als ob sie die Papiere ordnete. Die offene Trennscheibe machte ihr Bewusst, dass sie gerade die gleiche Luft atmeten. Sogar sein angenehmer Geruch verzückte sie ungewollt. Ihm so nahe zu sein, machte sie mehr als nur leicht nervös. Wieso konnte er nicht wie andere Patienten leicht säuerlich nach altem Schweiss stinken? Nein, Sirinovska nahm es mit seiner Körperhygiene genau und roch nebst dem Seifengeruch einfach schwach, auf seine spezifische Weise unbeschreiblich, gut.
Er protestierte. „Warten wir hier lieber ein paar Minuten!“ schlug er vor. Lehnte sich zurück an die Mauer. Nun nahm es Safa Wunder, „Auf was warten?“
Er deutete ihr nur mit dem Finger an still zu sein. Zum ersten Mal bekam Safa das ungute Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Sie lehnte sich schräg gegenüber, auf der anderen Seite, an die Wand. Aus den Augenwinkeln verfolgte sie sie so jede seiner Bewegungen. Er verhielt sich ruhig. Zu ruhig für jemand der es eilig hatte raus zu kommen. Es knackte über ihnen im Lautsprecher. Eine Stimme der Wärter orderte sie beide umgehend ins Büro. Mit einem siegessicheren Lächeln deutete Mikael nach oben dann nach draussen. Safa verzog ab seiner Überlegenheit nur ihren Mund zu einem Strich. Als sie endlich beide neben einander im Gang standen deutete er ihr höflich an vorauszugehen.
Dankend lehnte Safa ab. „Noch sind sie nicht als geheilt entlassen. Also gehe sie vor! Ich will sie im Auge behalten.“ Er nahm es sichtlich mit offenem Humor. Es genügte ein entsprechender amüsierter Blick nach unten, was er von so einer kleinen Person wie Safa, bei einer Verteidigung erwartete. Dennoch folgte er brav ihrer Order. Der Gang war lang. So gab er ihr zu verstehen. „Da sie die Akten nicht gelesen haben darf ich hinweisen, dass es vielleicht kleinere Schwierigkeiten gib. Dennoch bin ich überzeugt, dass wir eine gemeinsame Lösung finden.“
Sie gab zu, „Hab mir schon gedacht, dass es nicht so einfach reibungslos abläuft, wie sonst üblich.“ Arglos fragte sie beiläufig. „Halten sie sich nun weiterhin für einen Vampir oder ist die Geschichte Vergangenheit?“
Es folgte ein träger Blick, über seine Schultern, nach hinten. Nach einer kurzen Überlegung winkte er sie näher. Trotzdem verstand sie ihn kaum als sein kühler Atem absolut leise in ihr Ohr flüsterte. „Solange wir uns in der geschlossenen Anstalt befinden, bekommst du darauf keine ehrliche Antwort.“ Danach zwinkerte er ihr sogar vertraulich mit einem Auge zu.
Ah, das war der schöne Moment wo sie die Herausforderung wieder packte. Sie hätte eine rasche mühelose Entlassung schon bedauert, trotz ihrem leicht verdienten Bonus. Dabei hätte sie so gerne nach seiner Schwachstelle gegraben. Jeder hier lies sich mit was ködern. Jetzt blieb die Antwort ungewiss ob er seine Anhörung bestand. Anderseits lotsten teure Anwälte die schlechtesten Leute problemlos aus den schlimmsten Schlammassel. Sie fragte sich auf welche Methode Sirinovska wohl zurück griff. Verstand oder Geldbeute? Nicht umsonst forderte er bereits das freischalten seines Vermögens. Das tönte auf keinen Fall nach einem Geringverdiener wie sie einer war.
Seine guten Manieren zeigend, hielt er ihr die Bürotür auf. Anständig nahm sie den angebotenen Vortritt an. Wusste von den zwei Wachen drin, die sie jederzeit beschützten. Dicht folgt er auf ihren Fersen.
Sofort spürte Safa, dass etwa anders war als sonst. Die zwei Wächter von der robusten, eher trägen Sorte warfen ihr sonst nie so lange, neugierige Blicke zu. Offensichtlich war sie das Objekt der Verwunderung und nicht die grosse Person hinter ihr. Zunehmend fühlte sich Safa unwohl. Sie war es gewohnt, dass man sie ignorierte oder übersah. Letzteres bevorzugte sie, da sie so die Leute ungestört beobachten konnte. Das hier war gar nicht normal. Hinter ihnen raste plötzlich ein atemloser Herr Schwarz ins Büro hinein. Einen Schritt nach der Türschwelle stoppte er, als sei er gegen eine unsichtbare Mauer geraten. Selbst Safa fiel auf, dass mit ihm nun der kleine Büroraum ziemlich einengend wirkte. Und obwohl der grosse Sirinovska dicht genug hinter ihr stand, so dass sich ihre Kleidungsstücke fast berührten, fühlte sie sich absolut sicher. Ganz anders empfand das der überraschte Dr. Schwarz. Feindselig starrte er Sirinovska an, als stünde er einem gefährlichen Objekt gegenüber. „Sie“, spie Dr. Schwarz ungewöhnlich laut aus, um seine aufsteigende Nervosität zu überspielen. Kalter Schweiss stand auf seiner glänzenden Stirn. Offensichtlich rannte er den ganzen Weg bis hierher. „Ihr beide, mitkommen!“ Orderte er barsch. Führte sie rasch in ein leeres Nebenzimmer. Zwar riegelte er die Tür nicht ab, versperrte aber den Ausgang indem er sich dagegen lehnte. Fassungslos sein gequälter Ausdruck. Wirkte um etliche Jahre gestresst und gealtert. Lockerte erst einmal seine enge Krawatte um den Hals. Sobald er seinen kostbaren Sauerstoffvorrat wieder auf ein normales Level auffüllte, schoss er aufgebracht auf Safa los. „Was hast du angestellt? Oder wie? Mit wem hast du in der kurzen Zeit telefoniert?“ forderte er schreiend zu wissen. Arglos sah sie in die funkelnden, stechenden Augen ihres Chefs. Hob die leere Handfläche um ihre Unschuld zu verdeutlichen. Aufdrängend rückte Schwarz unerbittlich näher. „Was hast du Sirinovska versprochen, damit er dieses dämliche Schauspiel brav mitmacht? Darauf falle ich nämlich garantiert nicht herein. Hast du ihm Geld angeboten? Oder hast du dich ich bestechen lassen? Was!“
Langsam wich Safa zurück. „Nichts dergleichen. Ich hab ihn nur gefragt, was er will und er will entlassen werden. Darauf hat jeder ein Recht, wenn er es entsprechend vernünftig vorträgt. Es wird eine Untersuchung geben, die über seine Zurechnungsfähigkeit entscheidet. Schliesslich hat er sich das seit seiner letzten, längst verstrichenen Frist, redlich verdient. Wenn er bestehen sollte, dann ... bye, bye!“
„Das ist doch“, entrüstet schnappte er nach Atem. Verzweifelt fuhr er sich durch die kurzen Haare. Es schien im unbegreiflich. Er suchte nach einer Sitzgelegenheit fand aber keine. Tigerte erneut um seine Angestellte mit einem derartigen giftigen Blick der jeden Kommentar auslöschte. Nach einer Minute beruhigte er sich allmählich. „Was mich nicht stört sind die ersten Anrufe. Zwei Anwälte haben sich gleich gemeldet. Einer blieb sogar in der Warteschleife trotz dem minutenlangen ersten Gespräch. Überhaupt kein Problem“, gab er sich überzeugt. „Aber der dritte Anruf danach, von oben. Nicht unserem Chef sondern von der letzten Verwaltung die unsere und die anderen Institution finanziert! Das ist der Hammer. Wir dürfen Sirinovska wegen dem Gesetz nicht einfach so entlassen. Von Gesetzes wegen hätte er aber auch längst eine Resozialisierungstherapy durchlaufen dürfen. Wir haben ihn sozusagen zu lange Isoliert, ihn ignoriert. Das machen die uns oben gerade zum Vorwurf. Beschuldigungen, dass trotz geflossenen Spendengelder wir uns nicht genügend um ihn gekümmert haben. Was für eine Sauerei! Es gibt irgendein Problem in der E-Mail Kommunikation und jetzt schlagen dir mir alte, kopierte Dateien um die Ohren. Beweise wir hätten seinen Zustand sogar bewusst manipuliert! Herrgott Safa, ich dachte schon die wollen uns verklagen oder eine Untersuchungskommission schicken!“ Nervös brauchte er ein paar Sekunden sich zu fassen. Safa getraute sich kaum zu flüstern. „Und jetzt?“ „Jetzt! Das ist kaum zu glauben. Sie haben uns bereits ein Entgegenkommen zugesichert. Sie nehmen grosszügig eine Teilschuld auf sich, wenn wir im Gegenzug seine umfangreiche Akte kürzen. Sozusagen auf den neuen Stand bringen und unnötige Details, die auch uns Belasten könnten verschwinden lassen. Diese einflussreichen Leute wollen Sirinovska so schnell wie möglich raus haben. Ich übernehme das mit dem aktualisieren seiner Akten. Es ist mir zu heikel dir das zu überlassen. Bis alles amtlich abgeschlossen sein wird, dauert das einige Tage. Man hat uns Vorgeschlagen ihm Ausgang zu gewähren. Wir verwenden das als überfällige Bewährungsprobe. Jemand begleitet ihn ständig und trägt auch Sorge dafür, dass er in der jetzigen Zeit klar kommt. Eigentlich dachte ich dabei an einen männlichen Begleitschutz damit es zu keinen Komplikationen kommt. Aber die haben bereits klare Order in diesem Punkt verlangt. Dreimal darfst du raten wer ihn bewachen soll? Du wirst spezielle Fussfesseln bekommen und er auch. Solltet ihr euch weiter als zwei Meter auseinander entfernen geht ein Alarm los. Wenn er länger als eine Minute, dreissig Zentimeter oder weniger Abstand hat, geht der Alarm los. Ihr dürft sogar die Stadt verlassen, jedoch nicht die alte Eurozone. Jederzeit auf dem Handy erreichbar sein. Wenn alles gut geht findet nächste Woche eine einzige Formelle Befragung statt. Dann sind wir Sirinovska definitiv los.
In ein paar Minuten werden diese elektronischen Fesseln geliefert. Heute ist Freitag und wäre nicht Wochenende würde vermutlich alles noch viel schneller ablaufen. Das alles, weil ich euch vielleicht eine halbe Stunde allein gelassen hab! Ich begreife es jetzt noch nicht.“ Klar hielt er Safa als für die einzige Schuldige. Erst als Mikael beunruhigt sich neben Safa an die Wand lehnte, stellte Dr. Schwarz seine nervösen Schritte ein. „Bleibt hier bis diese Spezialisten eintreffen.“ Gab er aufgebend kund. Am liebsten hätte er richtig Dampf abgelassen. Jedoch in der Nähe des so grossen Klienten der noch höhere Kontakte einsetzte um sein Ziel zu erreichen, da hiess es klug Abstand einzubehalten. Als er draussen durch den Gang zurück preschte, wurmte ihn zudem, dass er bald 1000 Euro los war.
Sobald sich die Türe automatisch hinter ihm schloss senkte sich Stille in den Raum. Unentschlossen wie es weiter gehen sollte, verharrte Safa. Brauchte Zeit um das eben gehörte zu verdauen. Ihr geduldiger Zellengenosse dagegen liess es einfach bei seinen stummen Beobachtungen. Ausserdem brauchte er mehr Zeit bis die Wirkung der starken Medikamente ganz nachliessen. Nach ein paar Minuten reichte es Safa mit der langen Untätigkeit. Raffte ihre Schultern hoch. Gelassen informierte sie Mikael. „Schön dableiben. Ich hole nur die Akten aus dem Büro.“ Mit keinerlei Reaktion verriet er, dass er sie hörte. Nur die lilavioletten Augen folgten ihrem schwachen Hüftschwung aus dem Raum. Unschön seine Bewertung, Trampel. Er vermisste die übliche Leichtigkeit mit der sich junge Frauen durch den Raum bewegten. Schwebten, nannte man es zu seiner Zeit. Hier mit den breiten Turnschuhen kam es zum hässlichen Vergleich einer Kuh welche etwas flott durch den Raum marschierte. Er vermisste die fraulichen Röcke welche die Hüften betonten und die Taille schlank hielten. Diese seltsamen Hosen die wie angegossen an den Rundungen des Hintern klebten, hielt er für den grössten Unsinn. Ihr hellgrauer gestrickter Cardigan traf am eheste seinen Geschmack. Allerdings wünschte er sich er würde eine Handbreite unter ihrem Hintern enden und nicht darüber. In Sachen Kleidung musste er da einiges an Überzeugungsarbeit leisten. Hoffte, dass er nicht zu altmodisch rüber kam und sich die aktuellen Mode komplett gegen sein Wunschdenken stellten. Es wurde ihm schmerzlich bewusst, wie viel er in den letzten Jahren verpasste. All die verschlafenen Jahre wartete er geduldig auf ein Zeichen. Hoffte das die Zeit für ihn arbeitete und ihn für alle andern vergessen lies. Ausgerechnet heute endete sein sorgfältiges Versteckspiel. Genau nachdem sich die Klimaanlage eingeschaltete wusste er Bescheid. Der unbeschreibliche Geruch der ihn aus seiner Trägheit katapultierte. Schon öfters rüttelte ein schwacher Duft ihn gelegentlich aus seinem dämmerigen Zustand. Nie jedoch so intensiv wie heute. Er fühlte die frische unsichtbare Energie, das richtige Gespür, das ihn Zwang aufzuwecken. Dabei spielte es keinerlei Bedeutung, dass sein engster Verwandter den Zeitpunkt für ungünstig hielt. Seine Zeit war gekommen. Das sinnlose anstarren der Wände hatte endlich zu Ende. Neben bei fragte er sich warum die junge Frau soviel Zeit brauchte um bloss seine Papiere abzuholen.
Safa flitzte schnell rüber. Schon beim ihrem raschen öffnen verstummten die Wärter abrupt. Den heimlichen Blickwechsel danach bemerkte Safa auch. Ziel orientiert deutete sie auf die liegen gebliebenen Akte. Auch das war ein Teil ihrer Absicht gewesen. Einen Grund zu haben, kurz die beiden allein an zutreffen. Da die zwei sie absichtlich übersahen und sich zudem stumm nonverbal amüsierten, räusperte sie sich kurz. Sobald man sie anvisierte setzte sie ihr offenes Lächeln ein, von dem sie wusste, dass es erfolgreich die Türen öffnete. „Vorhin gab es ein Gespräch im Besucherzimmer. Wären sie so freundlich mir eine Übersetzung des Telefons zu geben, wenn sie Zeit haben. Ich kann auch… “ Sie griff schon in eine ihrer Hosentasche, aber einer der brummigen Wärter winkte ab. „Nicht nötig“, eine wahrhaft tiefe Stimme. Der anderen schmunzelte schon wieder über seinen Kaffeetassenrand hinweg. Als Safa ihn mit einem befremdenden Stirnrunzeln betrachtete, wandte er nur den Kopf ab. Eindeutig verbarg er grottenschlecht ein Lachen. Rieb er sich die Augen um sogar eine Träne wegzuwischen? Sein älterer Kumpel nahm sich da mehr zusammen, grinste. „Wir haben ihn verstanden. Einfaches Russisch. Also er wollte, dass sein Bruder ihn so schnell wie möglich rausholt... ihm etwas Geld zuschickt…und ...“ Er zögerte schwer als die breiten Schultern vom Kollegen verräterisch zu zucken begannen. Er beeilte sich mit seinem Geständnis. Hastig nuschelte er daher, „er steht auf Frauen. Er sucht eine.“ Beschäftigt widmete er sich seinem eigenen Kaffee als wäre es importierter hochprozentiger Wodka.
Träge versuchte Safa hinter den Sinn der Worte zu kommen. „Ahaa.“ Gedankenversunken zog sie am Türknopf, als es ihr dämmerte. „Was! Geht es noch?“ Verständnislos blickte sie auf die grölenden Wärter zurück. Schliesslich kratzte sie doch den restlichen Mut zusammen. „Was ist bitte daran so lustig? Ist doch nachvollziehbar, dass er nach all den Jahren…“ Sie verdrehte viel sagend die Augen.
Der Ältere rang wieder um normale Fassung. Die Lachfältchen in seinem Gesicht passten so gar nicht zu dem Erscheinungsbild einer beschützenden Kampfmaschine. „Er... nun... es gab so eine detailierte Beschreibung seiner gewünschten Auserwählten. Aber die wollen sie bestimmt nicht hören.“
Abwinkend entschloss sich Safa für einen schnellen Rückzug. Verabschiedete sich von den grossen Jungs die ungeniert weiter Kicherten.
Einigermassen gefasst betrat sie den Raum wo der, sie schmunzelte selbst heimlich bei dem Gedanken, dass Mikael ziemlich notgeil sein musste, wartete. Zwanzig Jahre, nein sogar fast vierzig Jahre hier, in seinen besten Lebensjahren eingesperrt. Sie staunte ab der enormen Dauer. Sie verstand den dringenden Wunsch, sobald er draussen frei war nach einer… einem willigen Betthasen, der ihn in jeder Hinsicht befriedigte. Bei seinem Aussehen garantiert kein Problem. Bei ihrem Job, wusste sie aus eigener schmerzhaften Erfahrung, sah das wieder ganz anders aus. Die letzte Beziehung scheiterte da sie keine feste Freizeit bekam. Flexibler Einsatz verursachte die Trennung. Das war jetzt fast ein Jahr her. Allerdings war ihr der Job schlussendlich wichtiger, als eine unsichere Beziehung ohne abgesicherte Zukunft. Sie lernte nach vorn zu blicken. Da war allerdings nur eine weisse Wand. Sicherheitshalber bremste sie vorher ab. Erst als sie sich umsah, entdeckte sie wieder die reglose Gestalt in Weiss, die mit geraden Rücken, an die Wand lehnte. Körperlich wirkte er immer noch sehr müde. Dagegen blitzten sie wachsame Augen, zwischen den langen Stirnfransen hindurch, an. Unter seiner scharfen Beobachtung fühlte sie erneut eine innere Wärme hochsteigen. Ihr Herzschlag beschleunigte automatisch. Das musste sie schleunigst in den Griff bekommen. Mauer, magische Mauern hochfahren, rief sie streng in Erinnerung. Seine sanfte, ruhige Stimme „So tief in den Gedanken versunken.“
Safa versuchte ihre aufkommende Unruhe zu verbergen. Mit gespielter Gleichgültigkeit hob sie kurz ihre schmalen Schultern. Mit einem leisen Klicken schloss sich die Tür hinter ihr. Jedoch war vorher deutlich das Lachen der Wärter bis hierher zu hören. Da es in dem leeren Raum keine Sitzgelegenheit gab, setzte sie sich kurzerhand neben ihm auf den Boden. Was ihn deutlich verwunderte, „Keine Angst vor mir?“
Verstimmt hob sie das Deckblatt von seiner Akte auf die Seite. Selbstverständlich brachte sie seine Anwesenheit unangenehm aus dem Gleichgewicht. Jedoch verbarg sie das meisterlich. Kritisch äugte sie kurz mit einem Auge nach oben. Schüttelte den Kopf. „Du siehst nicht annähernd gut trainiert aus.“ Es war eine schlichte Ausrede um ihn etwas zu demoralisieren. In Wahrheit wusste sie genau, dass die verrückten Insassen hier mehr Kräfte als durchschnittliche Leute entwickelten, alleine dadurch weil sie ihre Grenzen nicht kannten oder akzeptierten. „Benimm dich einfach“, riet sie ihm.
Gesundheitlich Angaben überflog sie. Erst als der spannende Bericht begann mit dem anklagenden Grund seiner Einlieferung, las sie aufmerksamer. Man fand ihn zusammen mit zwei blutleeren Leichen. Unstimmigkeiten bei den Blutspuren. Fehlende Zeugen. Dafür ein klares Geständnis, dass eine rasche Verurteilung vereinfachte, jedoch viele Fragen offen lies. Sogar Safas erster Gedanke war, der konnte niemals vier Liter Blut in einer Nacht trinken ohne zu kotzen. Und doch stand eindrücklich, das Blut der Leichen sei auf unerklärliche Weise verschwunden. Da Sirinovska standhaft behauptete ein Vampir zu sein und dafür weiterhin Menschen töten wollte, erklärte man ihn für Unzurechnungsfähig und sperrte ihn ohne Einspruch in die Klinik ein. So ein ausgemachter Blödsinn. Für so eine Aktion musste zwingend im Hintergrund eine Menge Geld geflossen sein. Was hatten die sich vor vierzig Jahren dabei gedacht? Wunderte sich Safa kopfschüttelnd.
Von oben kam erneut seine Stimme. „und immer noch keine Angst?“
Ein genervter Seufzer kam Safa über die Lippen. Sie bereute bereits ihm so nahe zu sein. Es lag keinesfalls an dem ausführlichen Bericht der ihn Verurteilte. Vielmehr an seiner geheimnisvollen Ausstrahlung, seine Stimme die ihre Energieschwingung in helle Aufregung versetzte. Bisher hatte sie so was noch nie erlebt, nicht mal ihre letzte Beziehung hatte annähernd dieses Chaos in ihr verursacht. Feigheit war keine ihre Eigenschaften. Daher kämpfte sie für nüchterne Vernunft und versuchte die ausgebrochenen tanzenden Gefühle klar ab zu stellen oder bestmöglich einzudämmen. Sie brauchte das Maximum an Klarheit in ihrer Tätigkeit. Ausserdem besass sie selbst eine spezielle Fähigkeit die sie selten einsetzte. Vielleicht war es an der Zeit, das Erbe ihrer Grossmutter wieder auszugraben und zu testen. Obwohl ihre verstorbenen Mutter darüber nur wenige Worte verlor, merkte Safa schon früh, dass sie auf gewisse Dinge die in der Zukunft bevorstanden, treffsicher wusste was da später ablief. Manchmal brauchte sie nur eine Tasse abzustellen und wusste sie würde zerbrechen, wenn man den Standort nicht wechselte. Anfangs hatte sie die leisen Warnungen ignoriert. Mittlerweile achtete sie sorgsamer auf die geschenkten Hinweise.
Also stand sie auf, indem sie sich einfach auf die Beine stemmte, ohne irgendwo abzustützen. Legte den Stapel Papier auf die Seite. Was sie jetzt plante, tat sie eigentlich nie so bewusst. Meist kam es einfach automatisch. Diesmal stellte sie sich gewollt direkt vor die Zielperson. Schloss die Augen und entspannte sich. Wischte alle belastende Gedanken weg. Konzentrierte sich nur auf das hier und jetzt. Schaffte sich eine neutrale Zone tief in ihrem Inneren. Fordernd ihre Stimme. „Sieh mich bitte an! Haare auf die Seite!“
Automatisch folgte er ihrem strengen Ton. Da war kein Lächeln oder Misstrauen. Nur ein offener klarer Blickwechsel zwischen fragenden violetten und entschlossenen braunen Augen. Innerhalb Bruchteilen von Sekunden klärten sich die starken Fronten. Bisher war Mikael gewohnt, dass er mit einem gewissen Blick die Leute in seinen Bann ziehen konnte. Manipulieren, oder gar ihre Erinnerungen teilweise löschen, war eine Leichtigkeit. Doch hier war ihm als zog sie sein Innerstes schonungslos heraus, betrachtete es und liess ihn wieder behutsam in sich zurückziehen. Selbst als sie bereits wieder harmlos neben ihm an der Wand sass, brauchte er weitere lange Sekunden um sich innerlich ganz zu erholen. Blinzelte, liess seine braunblonden Stirnfransen wieder nach vorn gleiten. „Was, war das?“
„Ich weiss was ich wissen will. Jedenfalls bist du keine Gefahr für mich. Warum du allerdings einen Aufenthalt in der geschlossenen Klinik bevorzugst statt draussen zu leben, ist mir schleierhaft.
Wenn ich das eben von vorhin tue, konzentriere ich mich auf eine Frage und bisher traf die Antwort immer ins Richtige."
Sofort nahm ihn Wunder, „Was war die Frage?“
„Darf man nicht sagen, sonst verfälschst es das Urteil. Denn mit dem Wissen kannst du wieder eine Veränderung einleiten.“
„Woher willst du… Was finden die Wachleute eigentlich so lustig?“ Demnach besass er auch so ein sensibles Gehör wir Safa. Sein Gesicht wandte sich gespannt zur Tür, doch sie hörte nichts. Also benutzte sie den Trick und presste ihr Ohr horchend an die kühle Wand. Keine Worte aber der Spass war eindeutig ungebremst zu vernehmen. Langsam kam ihr wirklich der Verdacht, dass sie den Kaffee tatsächlich mit Wodka panschten oder heimlich irgendwelche euphorischen Pillen einnahmen.
Dann begann sie den fatalen Fehler nach oben zu blicken. Gegen ihren Willen schmunzelte sie selber los.
Verstimmt forschte er nach, „Was?“ Ganz genau erkannte er, dass sie mehr wusste.
Sie haderte lange ob sie ihm die Wahrheit beichten sollte. Bei der Vorstellung die folgenden Tage mit Fussfesseln zusammen zu sein, war eine klärende Absprache nur von Vorteil.
„Okay. Normaler weise zahle ich ihnen ein kleines Trinkgeld um Gespräche sofort übersetzt zu bekommen. Diesmal bekam ich es sogar kostenlos. Sie finden es lustig, dass Du eine Frau suchst.
Dir ist hoffentlich klar, dass solange wir Fussfesseln tragen, dies sehr hinderlich sein wird bei deiner Suche.“
„Aha“, sagte er betroffen und wirkte leicht verstört. Es schien ihm sogar peinlich. Da lag noch ein spezieller besorgter Ton mit drin.
„Keine Sorge“, schmunzelte Safa. „Sie haben mir nicht alles detailgetreu geliefert. Nur eine nette Umschreibung.“
„So so“, kam es erneut wenig begeistert.
„Was soll das?“ reagierte da Safa genervter. „Ist doch nicht schlimm wenn dir dein Bruder eine Frau besorgen soll. Vierzig Jahre hier drin sind eine lange Zeit ohne nette Gesellschaft. Kann ich verstehen.“
Jetzt war er sichtlich erleichtert. „Das haben sie also gesagt? Wirklich nette Umschreibung.“ Beruhigt lächelte er leise vor sich hin. So das Safa kopfschüttelnd entfuhr. „Männer!“
„Darf ich den Bericht“, erbat er ihn zur prüfenden Einsicht. Hochhaltend reichte sie ihm die Akten.
Rhythmische Schritte polterten vom Gang her entgegen. Eindeutig fuhren sie hier schwere Geschütze auf. Vielleicht ein Notfall, dachte Safa, als man schon die Tür unsanft aufstiess. Ein heftiger kühler Windstoss begleitete die rein marschierenden Neuankömmlinge. Mit grossen Augen gewahrte Safa die reintrampelnde, gepanzerte Miniarmee. Anders umschrieb sich diese dreiköpfige Privatarmee wohl kaum. Von klein, mittel, bis Gross platzierten sie sich, wie die Hühner nebeneinander auf der Stange. Alle gleich ausgerüstet mit Schulterpanzer, schusssicher Weste, Stahlkappenstiefel und vor allem der scheussliche Militärhelm wirkte hier im Gebäude drin, völlig deplatziert.
Während Sirinovska staunte was man für einen riesigen Aufstand seinetwegen verursachte, lachte Safa ungehemmt los. „Ihr hab doch einen Knall! Übertreibt ihr nicht etwas. Wir sind immer noch in der geschlossenen Anstalt und nicht Ausserhalb!“
Unbeeindruckt kniete der Kleine der Sturmtruppe vor Safa nieder. Grau/ schwarz/ grüne Tarnkleidung. Eigentlich fehlte nur noch die grüne Kriegsbemalung im Gesicht um perfekt aufzutreten. Aus einer Schultertasche holte er einen kleinen Gegenstand. Ein Funkkästchen kaum grösser als eine Streichholzschachtel mit einem robusten Band. Unsanft, barsch zog er Safas Bein respektlos an sich näher ran. Ungefragt schob er rüde die Hosenbeine nach oben. Umklammerte ihre zarten Fussgelenke. Fragend sah er zu Sirinovska hoch. „Wie viel verträgt sie? Schon mal Schocker bei ihr eingesetzt, getestet?“
Bitter, finster veränderten sich Safas Gesichtszüge bis auf bösen Gewittersturm. Niemand reagierte für ein paar peinliche Sekunden. Dann um das Missverständnis aufzuklären riss Safa dem weissen Kittelträger barsch den Bericht aus den Händen. Während Sirinovska unverschämt, selbstzufrieden vor sich hin grinste, fuhr Safa den Chef der Truppe scharf an. „Sag das noch einmal und ich verpasse dir eine höllische Spritze die dich, eine ganze Woche, wie einen Idioten sabbern lässt.“
Unbeeindruckt schob der Kleine sein spitziges Kinn vor. „Dazu haben sie keine genehmigten Befugnisse. Ihnen fehlt die nötige Lizenz dafür!“
Safa winkte ihn näher, beugte sich selber vor. Boshaft glitzerten ihre Augen als sie ihm leise zuraunte, „Ich hab sehr wohl eine Bewilligung für meine Pfeilgiftfrösche zuhause.“ Ein vorsichtiger Klaps, an eine ihrer hinteren Hosentaschen, wo sie ihr breites Taschentuch versteckte. „Das Zeug ist verdünnt und überhaupt nicht nachweisbar wenn es gepanscht ist. Du glaubst doch nicht, dass wir hier nur mit legalem Stoff arbeiten. Eine Kostprobe gefällig?“ Sie brauchte gar nicht erst den letzteren Satz zu beenden. Freiwillig sprang er einen gewissen Abstand zur Seite. Kleine dunkle Augen funkelten sie ablehnend an. „Wer ist hier wer?“ Verschaffte sich der Truppenchef absolute Klarheit.
Auf einmal kam Safa ein gelungener Einfall. Fordernd sah sie zu Sirinovska hoch. „Zeig mal deine falschen Zähne!“
Sirinovskas freches grinsen erstarb sogleich. Betroffen sah er zu ihr hinunter. Unerbittlich winkte Safas gekrümmter Zeigefinger weiter. Er fletschte kurz seine makellosen weissen Zähne. Deutlich gewahrte Safa tatsächlich ungewöhnlich geschärfte Eckzähne. Gelassen meinte sie zu dem Militärchef. „Wer ist nun ein Vampir? Ein potentieller gefährlicher Psychopath? Ich oder der da?“
Irgendwie dauerte ihr die folgende Entscheidung, sein langes Zögern, etwas zu lange. Erst als sie ihn scharf anvisierte, zeigte der Truppenchef entwaffnet seine eigenen gelben Raucherzähne. „Gleiche Frage, anderer Kandidat. Elektroschocks, ist er die gewohnt oder ist ein schwaches Herz zu erwarten?“
Abschätzend sah Safa zu ihrem unfreiwilligen Begleiter hoch. „Der behauptet ein Vampir zu sein. Also unsterblich. Der hält mehr als normal aus. Da dürfen sie die Messlatte ruhig höher einstellen.“
Geschockt kam aus Mikaels betroffenem Gesicht kein Wort. Die übertriebene Einschätzung tat ihm sichtlich weh. Als man ihm die Fesseln eng umschnallte, liess er Safa kalt wissen. „Ich hab gute Anwälte. Also komm nicht auf die dumme Idee das hier Grundlos ausnutzen. Damals, als ich behauptete ein Vampir zu sein, war ich stark beeinträchtigt durch den übermäßigen Konsum von Alkohol. Kann man alles in meinem Bericht nachlesen.“
Abweisend zeigte sie ihm nur die kalten Schultern. Beobachtete gespannt wie man ihr auch einen kleineren Sender montierte. Ein kleines Licht blinkte regelmässig in grünen Abständen. Der Truppenchef packte diesmal sanfter zu, als er ihr Bein zur Probe, dicht neben das von Sirinovska stellte. Sofort wechselte das blinkende Licht von orange bis zu rot. Nach wenigen Sekunden ging in seiner Hosentasche ein Alarm los. Es klang wie der Anruf eines Handys. Zufrieden drückte er einen Knopf und der Alarm verstummte. Indessen überlegte Safa angestrengt, dass ihr vieles an dem Fall überhaupt nicht gefiel. So viele Ungereimtheiten. Es schrie gerade zu danach, dass damals Sirinovska Wert darauf legte, klar verurteilt zu werden. Trotzdem hielt er sich eine rettende Hintertür offen um, wenn es ihm gerade wieder passte, jederzeit raus zukommen. Sie spürte nicht den geringsten Anflug von Aggression oder Hinterlist bei ihm. Ganz im Gegenteil wirkte er gelassen, überdacht, kalkuliert und vor allem irgendwie vertraut. Letzteres wusste Safa, das dieses ihr neuer Schwachpunkt bedeutete und jede Menge Probleme verursachen würde. Sie vertraute blind ihrem Urteil. Aber Arbeit blieb nun mal ein sachlicher Auftrag. Dieser Sirinovska besass auch eine unheimliche Seite, das spürte sie genauso. Eine spezielle, verborgene Macht stärkte seine selbstbewusste Persönlichkeit. Seit dem tiefen Blick in seine wunderschönen Augen wusste sie allerdings ebenso, dass er diese verborgene Stärke nie gegen sie Einsetzen würde, solange sie nicht im Unrecht handelte. Als man ihr zu ihrem eigenen Schutz den elektronischen Clipanhänger zum aktivieren des Schockers überreichte, wusste sie genauso, dass dieser ungenutzt am Schlüsselanhänger baumeln blieb.
Sie warf Sirinovska einen heimlichen Seitenblick zu. Seit er diese elektronischen Fesseln trug, schien er wieder gebeugt. Als ob ihn die lange Zeit hier drin automatisch zu einem willenlosen Gefangenen formte. Vierzig Jahre streifte man nicht so locker ab. Zu tief verwurzelte sich diese Bewegungslosigkeit in seinem innern abgestellt zu sein. Draussen wieder klar zu kommen war bestimmt alles andere als leicht. Ihn darin zu schulen brauchte mehr als nur ein paar Tage mit ihr. Hoffentlich zeigte sein Bruder das gewisse Feingefühl und noch mehr Zeit um ihn wieder in die Gesellschaft einzugliedern.
Die Sender funktionierten einwandfrei dicht über ihren Knöcheln, direkt auf der Haut. Mit seinem leichten Gewicht versteckte er sich gut unter den Hosenbeinen. Zufrieden rieb der kleine Anführer die Hände aneinander. Baute sich in voller Grösse vor Safa auf und erreichte damit kaum ihre eigene Augenhöhe. „Wasserfest, Brandsicher und vor allem Reissfest. Ohne den Code sind die nicht zu öffnen. Neben dem Abstand wird eure Position überall auf meinem PC angezeigt. Falls der Sender 30 Sekunden keinen Herzschlag oder kritische Herzfrequenzen misst, geht der Alarm auch los. Kommt ihr beide damit klar?“
Safa nickte beruhigt. Ihr Gegenüber verhielt sich auch seltsam ruhig. Mit lautem Getrampel verabschiedete sich die Truppe. Rauschten so schnell ab, dass wieder ein kühler Luftzug entstand. Safa blickte hinterher und winkte entschlossen Sirinovska gleich zu sich. „ Komm mit ins vordere Büro“. Auf eine Weise tat ihr sein passiver Zustand ein bisschen Leid.
Eigenartig wie Still ihr die Gänge vorkamen. Hinter ihr verursachten seine dünnen Hausschuhe kaum Geräusche. So als ob er den Boden gar nicht berührte. Sie fragte sich ob er immer so hübsch folgsam wie ein braves wohlerzogenes Hündchen war. Hoffentlich auch so pflegeleicht. Langsam hob sich ihre Stimmung wieder.
Sobald sie die beschriftete Scheibe von Schwarz Büros sichtete, stürmte der schon heraus. Offensichtlich lauerte er wartend hinter den Jalousien bis sie endlich kam. Abweisend kreuzte der die Arme, vor seiner schmächtigen Brust, ineinander. Heimlich verglich ihn Safa mit ihrem rückwärtigen Patienten. Eindeutig war Sirinovska, trotz seinem mageren Zustand weitaus besser gebaut, als ihr aufgeplusterter Vorgesetzter. Dazu Dr.Schwarz unnötig bellende Stimme, die sie sobald er sich aufregte an einen kläffenden Mobs erinnerte. Kurz und heftig reklamieren, zusammenstauchen, seinen nächsten Befehl loswerden und Fertig. Keine Ausdauer, kein langer Atem. „Das ging ja auch schnell. Geht bei ihnen auch was im normalen Tempo? Also nach dem Wochenende gebe ich telefonisch bekannt, wann der Termin ist und wo ihr beide zu erscheinen habt. Bis dahin… “ Vor allem Safa sah er mit drohenden kleinen Augen an. Winkte sie heimlich etwas näher und flüsterte. „Wie stehen die Chancen für eine Freilassung? Spielt er den braven Bürger tagsüber und Nachts erwacht seine dunkle Seite?“ Er meinte es tatsächlich vollkommen ernst. Safa sagte genauso leise. „Ich stelle ihm noch einige Fallen. Aber er ist auf keinen Fall eine Bedrohung wie im Bericht aufgebauscht wird. Jedenfalls reagiert mein Radar in keinster Weise.“ Dr. Schwarz schnaubte. „Welcher Radar? Augenzeugen sind zuverlässiger als weiblicher Gefühlskram. Oder verraten deine Eierstöcke ob er unschuldig ist.“ Ganz klar machte er sich über sie lächerlich. Aber so wenig wie er auf ihren schwarzen Humor reagierte, missachtete sie seine Sticheleien. „Der Radar der mich im Fall von Bruno Machetti beschützte. Unterschwelliger Hass auf Frauen. Der spielte das Unschuldslamm um ohne erkennbaren Grund explosiv auszurasten. Fünfmal startete der einen Angriff, und hat mir letztendlich zum Glück nur einen Streifschuss mit der Faust verpasst. Eben weil ich vom Radar gewarnt wurde.“ „Ist Machetti noch bei uns?“ „Nö, wurde vor einem halben Jahr entlassen.“ Mit einer misstrauisch hochgezogenen Augenbraue sah Dr. Schwarz sie zweifeln an. „Wie haben sie den Kuriert? Selber vermöbelt?“ Gespielt schockiert sah ihn Safa an. „Sie überschätzen mich. Nein, ich habe herum telefoniert und eine nette Kollegin zur Mitarbeit gefunden. Sie organisierte ihm einen Platz in einem Aggression abbau Training.“ Beruhigt sah Dr. Schwarz auf seine Uhr am Armband. Er wollte sie loswerden. Trotzdem wollte Safa vorher klarstellen. „Sie ist Trainerin für Kickboxen, eigentlich nur für Frauen. Wer also nicht mindestens eine Runde vom aufgedrehten Machetti übersteht, kommt nicht in den Genuss von ihrem Weltmeisterschaftstraining.“ Safa liebte den schockierten Blick von Dr. Schwarz. Bevor er wieder loslegte beschwichtigte sie. „Keine Sorge. Machetti geht wöchentlich zu einem Psychologen. Aber er selbst möchte er gar nicht mehr darauf verzichten, seine Wut auf Frauen im Ring, abzulassen. Obwohl seine Gewinnchancen, selbst in der tiefsten Anfängerliga, bei unter 10% liegen. Letzthin habe ich gehört, dass er nur noch einmal im Monat auf das Spezialtraining besteht. Er hat dazugelernt und wird viel ausgeglichener. Hat mir jedenfalls sein Betreuer verraten.“ Kopfschütteln fragte sich Dr. Schwarz zweifelnd ob es wirklich klug war ausgerechnet Safa auf so einen delikaten Fall von Sirinovska anzusetzen. Hätte er bloss auf das rote Warnschild, nur Chefsache, gehört. Jetzt konnte er es nicht mehr ohne Aufsehen beenden. Also bestimmte er entschieden; „Ich will keinen von Euch, weder dich noch Sirinovska, in den nächsten Tagen sehen. Verhaltet euch möglichst unauffällig! Achte auf deine Taten, Frau Burgler. Wehe, sollte ich in den öffentlichen Medien auch nur ein Kurzfilmchen über dich finden! Diese neuen Sozialmediaplattformen für Handyfilme sind ein absoluter Fluch. Übrigens überweist die Klinik einen kleinen finanziellen Betrag auf dein Konto. Fürs Essen und so, für Sirinovska. Also Abmarsch und passt auf Euch auf!“ Rasch wandte er sich ab um keine weiteren Fragen zu beantworten. Nachdem er Safa den kalten Rücken zuwandte, räusperte sie sich kurz und wedelte mit den Dokumenten in der Hand. Erst als er aufsah, legte sie die Akten vor ihm auf den Tisch und meinte gelassen. „Ihnen auch viel Spass dabei.“ Damit sie das letzte Wort behielt, flitzte sie entsprechend schnell aus dem Büro hinaus.
Unentschlossen blieb Safa eine Weile vor dem Hauptausgang stehen. Ruhig stand Sirinovska hinter ihr. Einfach zu ruhig, fand sie. Daher fragte sie. „Alles in Ordnung?“
„Ja“, leise seine gepresste Stimme. „Hab nur leichte Kopfschmerzen.“
Bedauernd liess Safa aus Erfahrung wissen. „Da musst du jetzt leider durch. Die bleiben im schlimmsten Fall bis drei Tage. Das sind die störenden Nachwirkungen der ausbleibenden Medikamente. Sollte es unerträglich werden, kaufe ich dir rasch Aspirin, ansonsten habe ich Zuhause genug auch einige Placebos. Erst mal gehen wir an die frische Luft.“. Der Wachposten war informiert und lies die automatische Türe in Betrieb als sie vorbei spazierten.
Trüb und regnerisch hieß sie das feuchte Wetter willkommen. Wenigstens blieb der angekündigte Dauerregen aus. Dafür hingen die düsteren Wolken weiterhin tief drohend. Ein kühler Luftzug strich dem grossen Sirinovska die Haare aus dem bleichen Gesicht. Mit geschlossenen Augen stand er da. Dann, nach ein paar ungestörten Sekunden, beobachtete er müde was Safa wohl als nächstes tat.
Sie deutete auf die kaum befahrene Strasse hinunter. „Wir nehmen den Bus!“
Bereits als er hinter ihr durch den nassen Vorplatz spazierte viel ihr auf das er völlig abgelenkt so vieles Betrachtete. Sie folgte seinem Blick. Hinaus auf die Strassen wo heute für ihn fremdartige Autos vorbei fuhren. Bunte Werbeplakate in verschiedenen Grössen lauerten überall an Hausecke. Am längsten faszinierte ihn, neben seinen Schuhen, ein zappelnder Regenwurm der aus einer Wasserlache kroch.
Noch zwei Stunde fehlte bis zur Mittagszeit. Daher herrschte entspannte Ruhe auf den feuchten Strassen und breiten Gehsteigen. Die Schirme blieben zu. Dafür zog man schon mal den Kragen höher um sich vor der frischen Zugluft zu schützen. Dem unfreundlichen Klima schenkte Sirinovska kaum Beachtung. Dafür betrachtete Safa mit Sorge die viel zu dünnen Hausschuhe und den dünnen Kittel den er trug. Sie wunderte sich wo seine eigenen Sachen bei der Einlieferung abblieben. Als sie ihn darauf ansprach, erinnerte er sich. „Da waren überall Blutspuren. Meine Sachen sind sicher untersucht und eingelagert. Irgendwo im Polizei Archiv.“
„Das nützt uns jetzt aber herzlich wenig“, meinte sie verstimmt. Sie wusste von dem nächsten Geldautomaten und steuerte ihn an. Wenige Schritte vor dem Kasten sah sie sich prüfend um. In letzter Zeit häuften sich die Überfälle. Bei ihrer heutigen Pechsträhne passte das gerade wie das i Tüpfelchen. Niemand stand in der Nähe oder lungerte auffällig mit Abstand herum. Rasch ging sie zum Automat um zuerst die Festigkeit der Tastatur zu prüfen und suchte die Kamera welche wirklich zum Automat gehörte. „Man kann nie vorsichtig genug sein“, belehrte sie Sirinovska. „Wenn sie einem nicht auflauern, kann genau so gut die Technik manipuliert sein.“
„Aha“. Er verstand überhaupt nicht. Staunte dafür umso grösser als sie Geld von diesem Kasten bekam. Wenig erfreut informierte Safa. „Geizkragen. Lausige 150 Euro um die nächsten Tage zu überstehen. Dabei muss man dich neu einkleiden. Vor allem deine Schuhe. Ich will nicht, dass du krank wirst. Kannst du überhaupt krank werden? Oder Sterben?“ versuchte sie harmlos etwas über ihn heraus zu finden. Vor allem interessierte sie wie er selber darüber dachte.
„Klar“, trocken seine kurze Antwort.
Als nächstes steuerte sie einen Schuhladen an der keine grossartige Qualität, dafür bequeme Schuhe mit tiefen Preisen versprach. Auf jeden Fall hielten die Schuhe garantiert länger als ein paar Monate. Bei der Auswahl der Schuhe stiess sie auf ein kleines Problem. Sirinovska war anscheinend auf unifarbene Lederschuhe geeicht. Als sie ihm zuerst ein paar weisse Turnschuhe aus Kunstleder präsentierte die grüne Streifen als Dekoration aufwiesen, weiteten sich seine Augen entsetzt. Nicht mal anprobieren wollte er diese. Nicht mal anfassen. Demonstrativ hielt er seine Hände hinter den Rücken. Sie einigten sich auf ein paar schwarze Schuhe aus glattem Kunstleder und ein schwarze Turnschuhe mit rotem Linien Design. Als sie den Laden verliessen, stampfte Sirinovska probehalber und wirkte sichtlich erleichtert über das warme, bequeme Schuhwerk. Endlich entdeckte Safa ein schwaches Lächeln um seine Mundwinkel.
Danach überquerte sie einen kleinen Park um endlich den ersehnten Bus zu erwischen. Jedoch machte ihr unterwegs Sirinovska schlapp. Mitten im Park setzte er sich auf eine nasse Bank. Es war ihm egal, dass die perlenden Tropfen seinen dünnen Kittel durchnässten. Träge plumpste er schwerfällig hin. Hin und wieder versuchte die Sonne in der rasch vorbei ziehender Wolkenwand eine Lücke zu schmelzen. So als wollte sie Sirinovska, am ersten Tag seiner Entlassung, entsprechend begrüssen. Ihr Durchsetzungsvermögen zahlte sich aus. Nach wenigen Minuten hob Sirinovska den hängenden Kopf der Sonne entgegen. Warmes Licht steifte seine bleichen Wangen. Wenn er die Augen für ein paar Sekunden öffnete waren sie müde und kraftlos. Safa gönnte ihm die notwendige Zeit. Ahnte dass nach all den verschlossenen Jahren, die paar Minuten oder gar eine Stunde nichts zählte. Sie klopfte auffordernd laut auf ihre Oberschenkel hinunter, so dass er flüchtig aufsah.
„Komm schon. Leg dich hin. Ist sonst niemand da“, forderte sie ihn auf. Es zuckte belustigt in seinem Mundwinkel. Ohne richtig aufzuwachen, streckte er sich seitlich auf der Bank aus. Die langen Beine liess er über das seitliche Geländer baumeln. Die Oberschenkel von Safa dienten ihm als Kopfkissen. Eine halbe Stunde liess Safa ihn so entspannt liegen. Wissend, dass sein Körper einfach Zeit brauchte sich an die neuen Umstände zu gewöhnen. Um lange zu verweilen war das unbeständige Wetter zu unfreundlich. Niemand beschwerte sich über den Beschlag der ganzen Bank. Während er so friedlich schlief, beobachtete Safa die Eile der Leute ausserhalb des Parks. Stadtmenschen denen die Uhr alles vordiktierte. Reichte es nur für einen hastigen Hotdog oder durfte es sogar eine heisse, ofenfrische Pizza sein. Alleine kurz was reinwürgen, oder gemeinsam was teilen. Stumm, hastig oder man diskutierte heftig. Sie merkte wie ihr selber diese ungeplante Pause wieder verdeutlichte was sie genau an ihrem Job liebe. Beobachten und studieren der vielseitigen Menschen. Gerne hätte sie diesem oder jenen einen Rat mitgegeben wie das Leben einfacher zu nehmen sei. Aber solange nicht jemand um Hilfe bat, wusste sie selber, war manch gut gemeinter Vorschlag verschwendet. Sie streifte verträumt ihrem Patienten lieber die langen Stirnfransen aus dem hübschen schlanken Gesicht. Er schien es zu geniessen. Seine Gesichtszüge entspannten sich sichtlich. Vergebens suchte Safa nach Fältchen die seinem hohen Alter entsprachen und sonst meist etwas über den Charakter verrieten.
Allmählich gewannen die Wolken wieder die Oberhand. Besorgt prüfte Safa öfters den verdunkelnden Himmel. Vereinzelt tropfte ein schwerer Regentropfen aus dem düsteren Grau. Daher klopfte sie Sirinovska vorsichtig, aufmunternd auf den flachen Bauch. Sie tat es mit dem grössten Vergnügen, wollte ihn aber auch nicht erschrecken. „Aufstehen. Sonst wirst du mir tatsächlich krank.“
Fremdländisch murmelte er ein paar Worte vor sich hin. Schmal öffnete er unwillig ein Auge. Kritisch äugte er aufwärts. Unbeeindruckt schob Safa ihr schmales Kinn vor. „Es ist mir durchaus ernst. Wir sollten besser gehen, also komm in die Gänge!“ Mit Verspätung folgte ihr, „Bitte!“
Erst darauf erhob er sich langsam. Jede Bewegung kostete ihn eine enorme Anstrengung.
Safa Versprach. „Wir sind bald zuhause. Nur noch den Bus nehmen.“
Verlangsamt folgte er ihr. Bemerkte kaum wie sie an einem Automat ein gültiges Ticket löste. Die ungeduldigen Leute schubsten ihn beim Einsteigen an. Es war ihm gleichgültig. Wie eine willenlose Marionette liess er sich steuern.
Erst als sie bei ihrem herunter gekommenen Wohnviertel ankamen, bemerkte Safa eine erstaunliche Veränderung. Im düsteren Treppenhaus flackerte wieder einmal nervös die Deckenleuchte. Die gesprayten Wände boten nicht gerade einen Vertrauens erweckenden Eindruck. Erst Recht wenn man noch das Verstand was man in Englisch wüst an die Wand schmierte. Am verkratzten Lift marschierte sie ungeachtet vorbei. Da es dort, im Innern der engen Kabine, immer unangenehm nach Urin stank, benutzte sie freiwillig die Treppenstufen in den dritten Stock. Doch mitten auf der Treppe blieb er stehen und atmete tief ein. Da nur wenig Sonnenlicht in die kleinen Gangfenster fiel, dachte sie zuerst Sirinovska sei einfach nur erschöpft. Seine sonst so müden Augen linsten aber auf einmal sehr scharf. Erneut sog er tief die Luft in die Lungen. Blähte seine Nasenflügel weit.
Besorgt kam es von Safa. „Ein Stockwerk und wir sind zuhause. Schau einfach nicht so genau hin. Glaub mir drinnen ist es viel gemütlicher als draussen. Vor allem auch sicherer.“
Er schüttelte den Kopf wie um ihn klarer zu bekommen. „Es geht schon. Du hast hier ja ein schönes Viertel ausgesucht. Was die fehlende Sicherheit angeht, entspricht es schon eher meinen Geschmack.“
Verständnislos sah ihn Safa an. Ihn nahm Wunder. „Was ist mit dem Kerl passiert?“
Sie war verwirrt. „Von wem redest du?“
„Na von dem der hier fast verblutet ist!“
Safas Augen blickten erschrocken. „Bitte! Was redest du da für einen Unsinn. Hier wurde niemand verletzt. Jedenfalls nicht so, dass eine Ambulanz nötig war. Manchmal schleichen sich Obdachlose von der Strasse rein und übernachten im Treppenhaus, weil es draussen kalt ist, oder wie jetzt zu nass. Aber über einen Schwerverletzten, hier bei uns, hab ich nichts gehört. Deine Horrorgeschichten wirken bei mir nicht. Selbst wenn ausnahmsweise die Umgebung dafür wie geschaffen ist.“ Forsch marschierte sie hoch. Doch er hielt es für nötig sie zu bremsen. „Denk an den Abstand!“
Sie schnaubte nur auf. Schloss endlich die Tür auf zu ihrem gemütlichen Heim. Drinnen im Korridor betrat man eine vollkommene andere Welt. Die Enge des Ganges täuschte, da eine geschickt aufgemalte Dekoration vorgab, ein hohes Balkonfenster zu haben das gar nicht existierte. Man blickte in die Ferne einer ländlichen Landschaft, die nur mit Farben geschickt aufgetragen wurde. Am Ende des Korridors war dann eine einzige feste, reale Türe komplett in Hellblau. Ein vorheriger linker Eingang, die Türe wurde beim Einzug entfernt, führte in eine aufgeräumte Küche mit einem Tisch für zwei Personen. Gegenüber lag ein helles Wohnzimmer. Rechts neben dem blauen Badezimmer vorne, versperrte ein oranger Vorhang die Sicht ins Schlafzimmer. Zur linken Gangseite hin, hing ein graues Leinentuch. Was sich dahinter verbarg verströmte den Geruch von frischer Farbe, Leinsamenöl und einer aggressiveren Note vom Pinselreiniger. Als erstes schloss Safa die Haustüre sorgfältig hinter sich zu. Rauschte am stehen Sirinovska vorbei und steuerte aufs Badezimmer zu. Bevor sie allerdings im inneren verschwand sah sie sich kurz um. Deutete auf eine stabile Sitzbank im hellbläulichen Vintage Style, um Sirinovska zu verstehen wo er zwischenzeitlich warten sollte. Geduldig setzte er sich hin. Die Wohnung selber erschien ihm altmodisch. Die alten polierten Holzböden kannte er selber. Allerdings wunderte er sich wie weiblich alles aussah. Wer sammelte so viele kleine bunte Flaschen und füllte damit ein ganzes Bücherregal? Da waren seine neuen Schuhe weitaus spannender. Es überraschte ihn wie sehr die moderne Zeit sich weiter entwickelte. Auf einmal schreckte er hoch. „Safa. Den Abstand, “ warnte er. Stand schon auf und lehnte sich dicht an die Tür. Dennoch der orangerote Streifen blinkte weiter warnend. Im Innern des Raumes würgte Safa einen Verzweiflungsschrei hinunter. Warf ihre Pläne kurzerhand über den Haufen. Riss so hastig die Tür wieder auf, dass Sirinovska zurück schwankte. Finster funkelte sie ihn an als sei er die Wurzel allen Übels. Murrte. „Das darf jetzt aber nicht wahr sein!“ Ihr Zeigfinger hämmerte nervös an den Türrahmen wie ein Specht. Überprüfte, schätzte erneut den Abstand ab. „Das sind doch keine zwei Meter! Du sitzt doch gerade neben der Tür.“
Unschuldig hob er seine Schultern. „Anscheinend reagiert er wegen der festen Tür. Das vermindert den Abstand“, liess er sie wissen.
Nachdenklich sah abweisend an ihm vorbei. Ihre kleine Nase zuckte sogar. Es passte ihr überhaupt nicht was passierte. Als sie schlussendlich zu einem Urteil kam, war sie alles andere als gut drauf. „Wie soll ich das in den nächsten Tagen aushalten? Also komm rein, aber dreh dich gefälligst um.“
Zum ersten Mal seit sie ihn traf, teilte er ihre Meinung nicht. Verharrte unschlüssig im Türrahmen. Ungeduldig zappelte sie auf der Stelle. „Hast du einen anderen Vorschlag? Es ist nämlich dringend!“ Aufgebend betrat er in den kleinen Waschraum. Sah sich gespannt um. Vor allem die Badewanne schien ihn zu faszinieren. Luftige unaufdringliche Wolkenmotive verzierten die Kacheln. Beim weichen flauschigen Wollteppich hob er achtsam die Füsse. Solchen verwöhnten Luxus kannte er nicht in seinem letzten Wohnheim. Eine scharfe Stimme rief ihn zurecht. „Umdrehen!“
Ihre Finger öffneten schon den Knopf der Hose. Hastig wandte er sich herum und präsentierte ihr einen steifen geraden Rücken. Es war ihm auch Recht, dass sie sein schockiertes Gesicht nicht entdeckte. Insgeheim wunderte er sich wie sie diese Unschicklichkeit zulassen konnte. Es rutschte ihm murrend heraus.“Kannst du nicht mal ein paar Sekunden warten mit Hosen aufmachen.“ „Du hättest eh nichts peinliches gesehen. Jedenfalls nichts was dir gefallen würde.“ „Woher willst du wissen was mir gefällt?“ Es schnaubte kurz genervt ehe er vernahm. „Dann dreht dich um.“ „Auf keinen Fall!“ Schließlich hielt er sich für einen anständigen Mann mit Ehre. Sie forderte abermals. „Dreh dich um!“ „Nein!“ Er hielt sich nicht für wankelmütig. Blieb eisern, bis sie daher kam. „Du traust dich also nicht?“ Wie konnte sie es wagen ihn dermassen herauszufordern. Es war einerseits erbärmlich, aber er wollte auf seine Weise auch nicht wie ein Weichei daherkommen. Wenn sie unbedingt darauf bestand, sollte sie seinen strengen Blick bekommen. Einen bestrafenden, eindrücklichen Blick der sie ins innerste Mark treffen sollte. Doch als er mutig den Kopf wandte und hinsah, hielt es seine Augen länger gefangen als ursprünglich geplant. Geschockt wandte er sich herum mit leicht rosa gefärbten Wangen „Was zum…“ Selbst er erkannte den Schnitt von Männerhosen, schwarze Boxershorts. Wie sich die moderne Zivilisation, für seinen Geschmack so heruntergekommen, änderte. Sie ergänzte. „Schön so stehenbleiben. Die sind aus dem weichsten Baumwollstoff und am angenehmsten zu tragen. Weitaus bequemer als die kurvenbetonten Schnitte für Frauen.“ Er schüttelte leicht den Kopf. „Dennoch eine junge Frau sollte ein gewisses Mass an kultureller Ethik vertreten. Selbst ohne Publikum, ganz Privat, den weiblichen Lebensstandart auf geringe Weise entgegen kommen. Das was du trägst ist absurd.“ Er hörte mit seinen empfindlichen Ohren genau wann sie den weichen Stoff über ihre Knie streifte. Seine aufflammenden Gefühle hätten kaum anders reagiert, wären es die mit zarten Spitzen verzierten Unterwäsche seiner Zeit gewesen. Allein die Vorstellung sie trüge das, verstärkte die Hitze in seinem Innern. Ihr direkter Widerspruch kühlte ihn merklich ab. Auch dies hatte sich über die letzten Jahrzehnte, zu seinem Bedauern, geändert. „Ach, warum soll ich mich quälen und ihr Männer tragt so einen Komfort? Er ist zudem günstig und ich kann mir keine Satin Unterwäsche leisten. Die Boxershorts sind ausserdem bedeutend langlebiger und keiner meiner Nachbarn, falls er mich mal zufällig durchs Fenster anlinsen sollte, wird danach den Wunsch verspüren mit seinem Handy, hinter dem Vorhang lauernd, eine Erinnerungstrophäe zu schiessen.“ Dem stimmte er teilweise zu. In seiner früheren Zeit existierten auch schon allerlei Erpressung. Mit so einem peinlichen, veröffentlichen Foto stünde der Ruf vor einem endgültigen Ruin. Aber nach dem kurzen Einblick in die Schaufenster der Stadt, wusste er über seinen Irrtum in noch vielen Belangen. Für ihn schreckliche Veränderungen. Alleine die Tatsache, dass eine junge ledige Frau wie sie, für ihn tagelang die Verantwortung übernahm, war damals vor vierzig Jahren noch unmöglich. Alleine mit ihr in einem Badezimmer wo sie die Hosen runter liess, sollte ihn entsetzen. Was es nicht tat. Nicht bei ihr. Stattdessen ermahnte er sich nicht unanständig zu denken. Da fiel ihm auf wie lange sie so still da sass. Fragte ungeniert. „Immer so lange?“
Ein unwilliger Laut entfuhr Safa. „Halt bloss die Klappe. Ich kann mich schon so nicht genug entspannen.“
„Wie unhöflich“, erlaubte er sie zu tadeln.
„Wie! Wer ist denn in den letzten Jahren nur faul herum gehängt? Hast du überhaupt irgendetwas gemacht, weswegen man dich anklagt hat?“
Empfindlich trat er auf der Stelle herum. „Das ist kein geeignetes Thema hier! Obwohl ich zugebe einige Fehler vor meiner Verurteilung gemacht zu haben, ist jedoch meine Bildung auf einem Niveau, dass ich mir nie erlauben würde, Wörter wie, halt die Klappe, jemanden an den Kopf zu werfen.“ Hinter ihm betätigte man endlich die Spülung. Ein Reisverschluss ziepte und sie wusch sich aufgeregt die Hände. Sie wirkte gereizt als sie zu ihm trat. „Oh, was hast du denn vor deiner Verurteilung gemacht? Gearbeitet? Irgendein Handwerk gelernt?“
Höflich deutete er auf die Stube, doch sie zupfte ihn, diesmal respektvoller, ihn die Küche. Wies ihm ein Stuhl zu. „Ich habe Hunger. Hast du einen Wunsch was ich kochen soll?“ Nach kurzer Überlegung liess er wissen. „Hasenbraten, an einer gedünsteten Mehlsauce mit gerieben Nelken. Gebratene Kartoffeln mit einem Hauch Petersilie bestreut. Dünne, grüne Bohnen halbknackig gekocht und zum... ist das zuviel verlangt? Du hast gefragt!“
Ihre weiten, grossen Augen liessen ihn verstummen. Nach einem leeren Schlucken sagte Safa. „Kannst du den Wunsch bescheidener aufführen? Du hast die Wahl zwischen Teigwaren oder körnigem Reis. Fleisch oder Fisch?“
Man sah ihm an dass er seelisch litt. Gequält glitten seine langen Finger über das Tischtuch aus Plastik. Dessen gewellte Oberfläche verformte sich mehrfach von der einstigen Wärme der Teller.
„Bei uns war das Tuch immer aus Stoff und makellos gebügelt. Wir Jungs mussten immer Acht geben dass kein Tropfen daneben ging. Da war unsere Mutter sehr streng. Ja wir haben alle die Schule besucht. Mein Bruder sogar das Gymnasium mit Bestnoten abgeschlossen. Mir… ich musste leider abbrechen. Habe damals die Familie verlassen und floh ins Ausland. Hat mir wie mir scheint auch kein Glück…“ Gedanken verloren sah er Safa an. Verbesserte sich. „Nein, es hat mir Glück gebracht. Bin mir zwar etwas unsicher, aber sehr zuversichtlich. Meine Nase trügt genau so wenig wie dein tiefer Blick.“
Zweifelnd hob Safa eine ihrer feinen geschwungenen Augenbrauen. Gezupfte, aber was war heute schon alles bei einer Frau natürlich echt. Winkte mit einer Packung Spagetti vor seinem Gesicht. Da er nicht reagierte, nahm sie es als Zustimmung. Mit einer feinen selbst gemachten Tomatensauce, mit Zucker verfeinert, hoffte sie dass er weiter auftaute und mehr über sich erzählte. Sie nahm genauer Wunder. „Darf man fragen vor was du geflohen bist?“
Anscheinend konnte er heute darüber lachen. Denn er schmunzelte beim inneren Rückblick. Lehnte sich sogar entspannt, mit einem Ellbogen, am Tisch ab. „Damals hab ich es abgelehnt zu heiraten. Mein grosser Bruder hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er sein Erbe ablehnt. Er hat allen gesagt, die es hören wollten, dass ich die Nachfolge der Familien Tradition weiter führe. Das wiederum bedeutete für eine entfernte Verwandte von uns, dass sie unbedingt beabsichtigte mich zu heiraten. Sie war sehr erfinderisch, also zog ich eine rasche Flucht ins Ausland lieber vor als eine unglückliche Heirat. Leider sind mir ihre getreuen Leute gefolgt und na ja das ganze endete in einem unschönen Blutbad. Den Rest kennst du ja. Hab mich danach lieber verurteilen lassen als ständig gejagt zu werden.“ Safa reichte ihm eine heisse Tasse Tee. Er nahm sie in die Hände, trank aber nicht sondern schien einfach die Wärme zwischen seinen Handflächen zu geniessen. Behutsam bohrte sie weiter. „Warum hat dein Bruder dir nicht mehr geholfen. Schliesslich löste er den ganzen Rummel aus!“
Sirinovska presste die Lippen zusammen. Senkte seine Augen. „Das hat mit der Familie zu tun. Er ist der Erstgeborene. Auf seine Weise hat er entschieden, dass es besser ist wenn man mich jagt, damit er in Ruhe sein Studium abschliessen konnte.“ Sirinovska lächelte als er Safas finstere Mine gewahrte. „Keine Sorge. Ich hab mich auf meine Art gerächt. Niemand hat damit gerechnet dass ich mich in eine geschlossene Anstalt abschieben lasse. Dafür hat man ihm garantiert schon sprichwörtlich die Hölle heiss gemacht. Ich habe jede Unterstützung der Familie abgelehnt um selber über mein Leben zu entscheiden. Bis heute hab ich nichts an dieser Entscheidung bereut, ausser vielleicht, dass ich meine Eltern nicht mehr gesehen habe.“
„Willst du sie besuchen?“
Knapp sah er kurz hoch. „Nein, meine Mutter ist inzwischen gestorben, Unfall. Und von meinem strengen Oberhaupt halte ich mich lieber fern. Seit ich den Weg in die Anstalt wählte, denkt er, ich habe seinen Namen mit Schande beschmutzt. Das kann er nicht verkraften.“
„Oh“, meinte Safa betroffen. Er winkte ab. „Schon lange her. Jedenfalls bin ich endlich raus aus dem Gefängnis und kann anfangen mein Leben richtig zu geniessen. Zudem schuldet mir mein Bruder jetzt auch eine Menge, da kann ich mir einiges mehr leisten als vorher. Hat alles seine Vor und Nachteile.“ Zufrieden mit sich selber schlürfte er leise den heissen Tee.
Nachdenklich betrachte ihn Safa heimlich weiter, während sie auf dem Herd kochte. Erinnerte sich. „Was ist denn jetzt aus der Behauptung geworden du seiest ein Vampir?“
Mit neuer Kraft stellte er abrupt seine Tasse auf den Tisch, dass sie beinahe zerbrach. Erschrocken über sich selber zog er hastig seine Hand zurück. „Das möchtest du wo wohl gerne wissen? Wo ist dein Handy? Zeig her! Ich will überprüfen ob es ausgeschaltet ist. Das ist etwas das unter uns bleibt und nicht für externe Ohren bestimmt ist.“ Zweifellost überraschte er Safa damit. Also ganz so zurück geblieben war er während seiner Isolation nicht geblieben. Seine wache Intelligenz, was er in der kurzen Zeit ihres bisherigen Ausfluges alles abspeicherte, beeindruckte Safa.
Da er aber ziemlich ungeschickt die Elektronik betastete, erklärte sie ihm kurz die einzelnen Funktionstasten. Natürlich brauchte er nicht so viele detailierte Info, doch sie wollte ihn etwas von seiner Wachsamkeit ablenken. Seltsamer Weise blieb er in dem Punkt höchst konzentriert. Überhaupt sah er sich erst einmal wachsam im geordneten Raum herum. Schon verdächtigte er ein weiteres elektronisches Gerät, den harmlosen Backofen, ein sendender Bildschirm zu sein. Mit einem Lachen öffnete Safa die Ofentür. Allerdings musste sie zugeben, da ihr Gerät nicht grösser als eine Mikrowelle war und mit diesem gläsernen Sichtfenster ausgestattet, da konnte man schon mit Fantasy erwarten eine heimliche Überwachung installieren zu haben. Endlich entspannte er sich auf seinem Stuhl und stützte sich wieder am Tisch ab. „Da wir vielleicht bis eine Woche zusammen leben ist für dich nur ratsam zu wissen, dass absolut keine Gefahr für dich besteht. Die Zeiten da ich so was Blödes öffentlich behaupte sind längst vorbei. Sonst noch was du wissen willst?“ Er schien erpicht darauf reinen Tisch zu machen. Nur verrechnete er sich mit Safas langjähriger Erfahrung. Ihr Feingefühl schrie empfindlich auf. Alleine die Art wie er es Ausdrückte verriet ihr, dass er nicht bei der Wahrheit blieb. Seine auf einmal leicht nervösen Augen. Da änderte auch der klare, offene, fast unschuldiger Blick nichts an ihrem Urteil sondern verstärkte den schlimmen Verdacht auf ein verborgenes Geheimnis.
Verstimmt knallte sie das fertige Gericht dermassen auf den Tisch, dass die dickflüssige Sauce sogar aufspritzte aber brav zurück auf den Spagettis landete. Vorgebeugt sah sie wieder fest in seine aufgewachten Augen. Oh ja, sie liebte dieses verdunkelte, intensive Violett. Weg mit dem schmachten Blick, schau böse, ermahnte sie sich abermals streng. „Sirinovska! Bist du ein Vampir oder keiner?“ Genau entdeckte sie wie es hinter den schönen Augen angestrengt arbeitete. Schliesslich bekam sie zu hören. „Du wirst niemals handfeste Beweise über unsere Existenz abliefern können. Genauso wenig kannst du nicht beweisen, dass ich keiner bin“, wich er aus.
Entsetzt schlug Safa mit der offenen Handfläche an ihre Stirn. „Himmel, du bist gar nicht geheilt. Du glaubst wirklich noch an den Unsinn.“ Sie schüttelte mehr für sich selber den Kopf. Betroffen sah sie Sirinovska an der stritt sogleich ab. „Das tut nichts zur Sache. Ihr wollt mich doch auch entlassen. Ich bin kein… sieh doch ich Esse!“ Kläglich versuchte er abzulenken. Wickelte eilige seine Spagettis auf die Gabel und schlang sie hinunter. Wobei ihm das schlucken schwer fiel und sich beinahe verschluckte.
„Was?“ spottete Safa. „Zuwenig Blut in der Sauce?“
Mit der Gabel fuchtelte er in der Luft abwehrend. „Nicht doch. Bin nur überwältigt von dem… das ist gut!“ Tief holte er Luft. Sog das feine gewürzte Aroma ein.
Safa lenkte wieder zurück. „Nach dem Kantinen Frass in der Klinik wundert mich das überhaupt nicht. Da schmeckt sogar eine alte, gekochte Socke lecker.
So willst also entlassen werden? Dann benutz gefälligst Wörter wie UNS nicht. Wieso willst du ausgerechnet ein Vampir sein?“
Gierig schlag er sein Essen hinunter als wäre er sei einer Woche auf Diät. „Mhm“, mampfte er weiter. „Es fällt mir schwer in deiner Gegenwart zu lügen. Meine Kommunikation scheint ein bisschen eingerostet zu sein. Ausserdem, betreff meiner Herkunft, kann man sich manche Sachen nicht aussuchen sondern sind genetisch in die Wiege gelegt bekommen!“
Safa seufzte. „Die älteste Ausrede der Welt. Du kannst deinen Eltern nicht so einfach die Schuld zuschieben. Nicht in deinem Fall, wo dein Kopf erst als Erwachsener etwas fantasiert, was überwiegend die Mehrheit der Menschheit für Unsinn hält. Also was hast du noch auf Reserve?“ „Da bleibt immer noch eine kleine Minderheit die von unserer Anwesenheit überzeugt ist. Liegt nicht ein Körnchen Wahrheit in den Märchen und Legenden die man abends erzählt?“ Eindeutig kam hier der Generationsunterschied zum Vorschein. Safa brauchte einen Moment um ihn richtig zu verstehen. Anderseits ahnte Sirinovska nichts von den romantisierten Kinofilmen über Vampire. Auch klärte sie ihn auf. „Die brutalen Gutenachtgeschichten, wo in den Grimmmärchen gemordet, versklavt, gebannt und verbrannt wurde hat man schon vor Jahrzehnten umgeschrieben. Von einem grausamen Psychopaten, den aus den brutalen Horrorfilmen, bist du auch ganze Universen entfernt. Also in welche Kategorie fällst du? Ein Vampir, der bei Tageslicht in meiner Küche sitzt und gemütlich Spagetti rein schaufelt, ist was? Sicher Niemand dem man für die entsetzlichen Taten auf den ländlichen Vieherden verantwortlich macht. Du wärst da im Vergleich ein ziemlich weich gespülter Vampir. Ein Babyvampirchen. Also, bitte deine nächste gute Ausrede!“ Sprachlos vergass er für eine Weile sogar zu Essen. Der innere Konflikt war ihm deutlich anzusehen. Ein Blinder hätte förmlich seinen aufflammenden Ärger über die Beleidigung gefühlt. Für einen Moment schien in seinen Augen ein Feuer aufzuglühen, doch genauso wie die Energiewelle ausbrach, verschwand sie wieder. Unverändert ass er weiter. Er spielte Gleichgültigkeit vor, das sah Safa sofort. In Wahrheit rasten gerade seine Gedanken auf Hochtouren und es fiel ihm schwer zu sprechen. „Wieso soll ich dich überzeugen? Du glaubst mir nicht, dann lass es.“
Ernst, nachdenklich stützte sich Safa auf dem Tisch ab. Er ignorierte sie und widmete sich lieber dem Essen. Süss meinte Safa: „Geniess es. Denn nach Montag bekommst du sicher wieder den alten Frass. Wenn du bist dahin nämlich keine gute Ausrede hast, lass ich dich eiskalt bei der Anhörung durchfallen. Bedenke meine Bewertung zählt da am meisten, da ich gerade den Fall bearbeite.“
Verblüfft sah er sein Gegenüber genauer an. Ein paar Sekunden studierte er verschiedene Möglichkeiten durch, dann ass er unbekümmert seinen Teller leer. Anhand wie er sein Besteck ordentlich kreuzte und sich dann zurück lehnte, sprang Safa förmlich in die Augen. Eindeutig genoss er eine bessere Erziehung als die meisten Leute. So etwas lernte man garantiert nicht in der Klinik. Seine leicht gebeugte Haltung dagegen war von dem jahrelangen Aufenthalt geprägt worden. In seinen halb offenen Augen kämpfte er sichtlich gegen die Nachwirkungen der beruhigenden Medikamente an.
Mitfühlende meinte Safa, „Willst du dich hinlegen? Dein Körper ist es gewohnt nach dem Essen eine Weile auszuruhen.“
„Nein“, rutschte ihm ungewollt scharf heraus. „Ich bin nicht so ALT. Ich will nur wieder mein altes Leben… nein, mein neues Leben anfangen. Du hilfst mir dabei oder habe ich mich da getäuscht?“ Vorsichtig ein bittender Ton. Sprach langsam, als fürchte er sich vor der Antwort.
Safa nahm seinen Teller und füllte ihn für sich selber. Sie ass ohne Hast und ohne wirklich die feine Sauce wahrzunehmen. Wie automatisch schob sie jede Gabel rein. Ahnte, dass ihr Gegenüber gespannt auf eine Antwort wartete, doch sie selber brauchte etwas Zeit für eine klare Entscheidung. „Einfach so kommst du mir nicht raus. Ich muss wirklich von deiner Ungefährlichkeit überzeugt sein. Siehst du die Postkarte hinter dir?“
Sirinovska entdeckte die Karte rasch, da es auch die einzige an der Kühlschranktür war. Er zupfte sie von dem haltenden Magneten weg und sah sie sich genauer an. „Paris“, schmunzelte er.
„Ja, Paris. Die Unterschrift Napy ist eine Abkürzung, nur für mich. Der Spitzname des guten Kollegen heisst Napoleon. Er hält sich für eine Reinkarnation von ihm. An seinem starken Glauben der Seelenwanderung wollte ich nicht rütteln, weil ich selber an Wiedergeburt glaube. Jedenfalls solange bis wir eine höhere Ebene, das sogenannte Paradies, verdient haben. Also Napys grösster Wunsch war auch aus der Anstalt schnellst möglichst zu entfliehen und mit einer neuen aufgestellten Armee Europa zu erobern. Eine Woche habe ich gebraucht um ihm erst einmal das neue Rechtsystem zu lernen. Er wollte jedes Detail wissen, sogar wer die aktuellen Verteidigungsminister sind und wie man die Leute kontaktiert. Schonungslos habe ich ihn mit Daten und Ereignisse überschüttet was ihn als Machthaber erwartet. Vor allem als ich die gnadenlose Schattenregierung hinter der Vorzeigepolitik im Fernsehen erwähnte, bei denen er nicht mal ein Staubkorn an Verbündete besässe, hat ihn letztendlich ziemlich demotiviert. Aber ich wollte auch seinen Lebensfunken, seinen einzigen angestrebten Lebensweg nicht zerstörten. Eine zweite Woche brauchte ich um ihn davon zu überzeugen, dass er es in der Politik sehr weit bringen kann. Seinem geliebten Land zu helfen, statt andere zu erobern, sei eine noblere Geste und vor allem die Sympathie des Volkes läge voll auf seiner Seite. Er ist unter uns gesagt immer noch „Ungeheilt“. Dennoch habe ich ihn mit gutem Gewissen entlassen, da er nach einem Job suchte der ihm die Leute näher bringt. Als ich in einem Prospekt für Reiterferien in Frankreich am Meer durchblätterte, war er total begeistert. Nach mehreren Telefonaten hat er in dem Gestüt gleich einen Arbeitsvertrag ausgehandelt. Dort will er Kontakte zu den reichen Touristen knüpfen. Er sucht sich sozusagen seine neuen Generäle zusammen. Der Kleine Napy ist sehr geschickt und intelligent. Präsident wird er sicher nicht, aber dass er es zu einem erfolgreichen Bürgermeister schafft, daran zweifle ich keine Sekunde. Vielleicht bringt ihn aber auch seine Liebe zu den Pferden von dem Weg der Politik ab. Ein erfolgreicher Turnierreiter in Springen, Vielseitigkeit oder als einfacher Reitlehrer liegt voll in seinen Fähigkeiten. Ambitioniert ist er auf jeden Fall. Dasselbe wünsche ich mir auf dich bezogen. Daher würde es mich freuen, wenn du mit mir zusammen arbeitest. Wir haben eventuell nur dieses Wochenende zu Verfügung. Danach muss ich überzeugt sein, dass du keine Leute beisst um an ihr Blut zu kommen, oder du hast ein grosses Problem mit mir.“
Eindrücklich ihre gemauerte Haltung. Sirinovska zweifelte keine Sekunde darüber wie eine verstärkte Einschüchterung durch Anwälte, genau das Gegenteil bei ihr bewirkten. So kam er seinem gesteckten Ziel nicht näher. Anderseits da sie schon eine intensive Zusammenarbeit wünschte, kam er ihr gerne entgegen. „Dann suchen wir eben eine Lösung die für alle passt. Wenn du schon beim Napoleon so kompetente Arbeit abgeliefert hast, dann überzeuge mich doch einfach, dass ich kein Vampir bin.“
Bei diesen Worten grinste er breit. Seine Augen lachten innerlich. Safa wünschte sich diesen selbstgefälligen Ausdruck nie wieder in seinem Gesicht zu sehen, denn seine innere Überzeugung, den Wettbewerb als Sieger zu verlassen, kam allzu deutlich rüber. Wieso war er nur so Selbstsicher als Gewinner den Ring zu verlassen? Dabei würde er doch nur selber seine kostbare Freiheit verlieren. Oder gab es noch eine zusätzliche Option die sie ausser Acht liess. Oh ja, bestimmt versteckte er einen verborgenen Trumpf, den er erst später bei perfekter Gelegenheit sinnvoll ausspielte.
Dieses schelmische, verschmitzte Lächeln erreichte seine Augen und hinterlies nebst den aufhellenden Lila Glanz ein unausgesprochenes Versprechen. Für einen Augenblick blieb Safa einfach Bewundernd stehen. Einerseits verspürte sie einen Anflug von tiefem Respekt. Erkannte, dass er erfolgreich in einer höheren Liga spielte als sie es jemals gewohnt war. Egal solange sie dieser Ausdruck faszinierte würde sie Begeistert an ihm kleben.
Sie musste sich eingestehen, sosehr sie sein Ausdruck faszinierte, fühlte sie das leichte Unbehagen, wie eine eingefangene Beute. Eine zuziehende Schlinge die sich kaum spürbar enger fesselte. Was immer dieser seltsame Sirinovska im Schilde führte wurde ihr langsam unheimlich. Dennoch hätte ihr jemand, in dem Moment, ein Angebot gemacht den Fall zu tauschen oder abzugeben, sie hätte alles abgelehnt. Dieser mysteriöse Fall beinhaltete zu viele offene Fragen die sie mit Spannung gefesselt hielt.
Da sie schon mal sass, sammelte sie sich kurz. Eindeutig wollte sie eine Lösung finden um ihn zu kurieren. Da war jedes Fingerspitzengefühl gefragt. Vor allem fragte sie sich was er eigentlich wollte, neben seiner lieb gewonnenen Freiheit. „Was willst du tun wenn du erfolgreich deine Freiheit zurück hast?“
Gelassen lehnte er bequem in seinem Stuhl zurück. Besinnlich schaute er zum weissen Lampenschirm hoch ohne ihn richtig wahrzunehmen. „Wie mir scheint muss ich mich erst einmal nach einem festen Wohnsitz umschauen. Etwas Solides mit viel Land herum. Mein Heimatland ist mir eine Spur zu kalt, aber Europa käme durchaus in die engere Auswahl da ich eine nähere Distanz zu meinem einzigen Verwandten bevorzuge. Falls ich jedoch das Pech habe, dass Dimitros das Elternhaus mit seinen angrenzenden Ländereien vernachlässigt hat, bleibt mir nichts übrig als zu restaurieren und die Wirtschaft auf eine positive Bilanz zurück zu führen. Sollte sich mein Bruder in den letzten Jahrzehnten nicht charakterlich verändert haben, wartet da eine Menge Arbeit auf mich. Um ganz ehrlich zu sein, erwarte ich in dem finanziellen Punkt ein Desaster. Trotz bestandenem Studium hat Dimitros nie in Wirtschaftskunde gepunktet. Sein Schwerpunkt lag schon immer im rechtlichen Bereich und vor allem im Sport. Darüber wundere ich mich noch heute, wie er das zusammen geschafft hat.“
„So“, startete Safa besorgt, „Ein neuer Wohnsitz mit Land herum kostet schon eine schöne Summe. Hast du ein riesiges Vermögen auf der Bank gebunkert? Vor allem wenn sich Bestätigt, dass dein Bruder ein schlechtes Händchen für Vermögensverwaltung hat. Was tust du, wenn du arm bist und ohne deine Reserve dastehst?“
Wieder das breite selbstgefällige Lächeln. „Wir sind nicht arm. Soviel zu deiner Information. Und mein Anteil vom Ganzen ist für ihn unantastbar.“
Ganz klar verschwieg er eine Menge. Safa missfiel die geschlossene Grenze die er da spürbar zog. Verwandelte es dann in einen Vorteil um. So fürchtete sie sich nicht vor seinem mächtigen Einfluss und ihr Urteil blieb unverfälscht. Akzeptierte seinen Entschluss. Würde aber am Abend einmal auf Google seinen Namen durchleuchten lassen. Startete vorerst ein harmloses Thema. „Heute Nachmittag, bleibst du lieber zuhause oder willst...“
„Nach draussen. Egal wohin. Leute sehen. Es gibt soviel was ich nachholen muss. Technische Geräte… am liebsten in ein Einkaufszentrum. Eine Bibliothek oder einfach… nur umsehen“, bat er bereits aufgeregt. Es freute ihn wie ein ungeduldiges Kind das auf den Spielplatz durfte. Der Glanz seiner Augen verriet seine immense Vorfreude.
Sein Wunsch entsprach ganz ihrem geplanten Programm. Eifrig räumte sie die Küche sauber. Rauschte ins Schlafzimmer rüber und noch schneller wieder zurück. Schimpfte „So ein Mist! Diese doofen Fesseln machen mich noch Wahnsinnig.“
Leise lachte er vor sich hin. „Willst du meinen freien Platz in der geschlossenen Anstalt übernehmen?“
„Das hättest du wohl gerne. Kommst du nun ins Schlafzimmer!“ Forderte sie ihn ungeduldig auf.
„Gerne“. Seine Freude verschwand als er ihre warnenden Augen sah. Trotz ihrer kleinen Grösse verstand sie sich energisch durchzusetzen. Da er dem Frieden den Vorzug gab dackelte er brav hinterher. Weit offen standen Türen des Kleiderschranks. Wegen der geringen Grösse balancierte sie mit einem Fuss auf der Bettmatratze herum. Jeden Zentimeter ihres Rücken gestreckt um schräg gegenüber das oberste Regal zu erreichen. Wirkungsvoll stellte er sich praktisch, ganz dicht, neben sie hin. Freundlich wies er, ganz nahe bei ihrem Ohr darauf hin: ,„Kann ich dir helfen?“ Gegen ihren sturen Willen ankämpfend, lächelte Safa ihn an. „Okay, wenn du unbedingt leiden willst. Schau nach was ich ganz hinten versteckt habe.“
Entsetzt schüttelte sie über sich selber tadeln den Kopf. Wusste wenn man zulange alleine lebte, dass sich dann schlechte Maroden einnisteten. Hastig fügte sie verspätet hinzu. „Bitte.“
Für diese Nettigkeit schenkte er ihr ein breites Lächeln. Für ein paar Sekunden hielten sich ihre Blicke gefangen, ehe er seine langen Finger tastend, wühlend im oberen Schalregal versenkte. Während er konzentriert suchte, flutete Safa die Erkenntnis, dass der lange Augenkontakt eben die gegenseitige Anziehungskraft bewies. Er hatte genauso fasziniert den eingefrorenen Moment genossen. Es ging also nicht nur ihr so. Die darauf folgende Erleichterung hielt nur kurz an. Denn trotz dem wunderbaren jubelnden Hochgefühl schlichen sich bereits kleine Sorgen herbei. Sie würde später… Diese blöden Fussfesseln liessen aber auch später keinen privaten Moment zu, erinnerte sie sich wieder. Ihr Arbeitstag endete nicht wie üblich alleine zu Hause. Allerdings nahm sie das für einen faszinierenden Kerl wie Sirinovska gerne jederzeit wieder in Kauf.
Gerade wollte er fragen wonach er eigentlich suchen sollte, als er die vollgestopfte Leinentasche selber bemerkte. Neugierig zog er sie hervor und nutzte den Vorteil als Erster den Reissverschluss zu öffnen. Bereits nach einem flüchtigen Blick hinein, warf er sie derart hastig der lachenden Safa entgegen, dass sie fast aus dem Gleichgewicht geriet. Verächtlich sagte er, „Frauensachen!“
Lachend fischte sie einen alten ausgebleichten BH aus der gebeulten Leinentasche. Alles abgetragene löchrige Unterwäsche doch zuunterst fischte sie endlich den schwarzen Geldbeutel hervor. Diesmal triumphierte sie, „Der sicherste Platz. Kein noch so schäbiger Gauner würde da rumwühlen. Ist sicherer als der dickste Tresor. Gehen wir einkaufen! Denn glaube mir, keiner meiner Mantel steht oder passt dir.“ Mit einem eleganten Sprung federte sie über das Bett hinweg auf den Teppich zurück. Angenehm überrascht folgte Sirinovska dem Energiebündel hinterher.
Der Nachmittag gestaltete sich für beide angenehm. Das Wetter spielte brav mit und die dunklen Wolken hielten die Regentropfen zurück. Ein paar Glücksmomente waren ihnen sogar gegönnt um die Sonne kurzzeitig zu genießen. Gut kalkuliert steuerte Safa das erste Einkaufszentrum an. Ahnte, dass sie viel Geduld mitnehmen musste, denn wie ein neugieriges Kind wollte ihr Klient alles wissen was da neu das Leben erleichterte. Kleinigkeiten wie Mini- CD. PC kannte er nur als Informationsträger von der Anstalt. Fernsehen schaute er sich ein paar Stunden in der Woche an. Beruhigende Tierfilme. Die strenge Anstalt mied bewusst andere Kanäle. Filme der Neuzeit kannte er überhaupt nicht. Als er Safa nach Fortsetzungsfilmen von einem Komikerduo Stan and Ollie fragte, musste sie sich selber ahnungslos an das hiesige Fachpersonal wenden. Vor allem wunderte sich Sirinovska über die freizügige Mode, die bunt gemischte Kleidung und sogar wegen dem Kurzhaarschnitt für Frauen blieb er öfters geschockt stehen. Es tat ihm sichtlich weh wie die alten Werte verschwanden. Die einer schönen weiblichen Hausfrau welche sich nun in arbeitswütige Amazonen verwandelten. Das Frauen gleichberechtigt arbeiteten brachte ihn nicht aus seinem ruhigen Pol, aber dass sie sich teilweise wie Männer anzogen liess ihn mit ernsthaft verstörter Mine stehen bleiben. Manche der bedauernswerten Opfer blickten beunruhigt, streng zu ihm zurück. Er tat dann etwas, was Safa ein innerliches aufplustern bezeichnen würde, und seine aufmüpfigen Gegenüber krebsten sofort ausweichend zurück. Er benutzte eindeutig seine eindrucksvolle Grösse aus und verstand es irgendwie sogar seine Aura zu verstärken. Zweifellos besass Sirinovska eine natürliche anziehende Seite. Gerade eben setzte er erfolgreich das Gegenteil ein um sich nonverbal die gestressten, leicht reizbaren Exemplare der selbstbewussten Damenwelt, fernzuhalten. Einmal korrigierte er Safa mit einem enttäuschenden Tonfall. „Das sind keine Damen mehr. Hier tummeln sich nur gewöhnliche Weiber.“ Als Safa heftig wiedersprach, zog er sie eine ruhigere Strassennische hinein und deutete auf den vorbei eilenden Menschenstrom vor ihnen. „Damen sind vornehme Frauen. Vorbildlich, sie repräsentieren den guten Familiennamen. Sie werten die Gesellschaft der Familie auf und sind neben dem Mann gleichwertig als Juwel zu betrachten. Das hier sind, böse ausgedrückt, herum eilende Hühner die dem nächsten Körnerstreu nachrennen. Ich sehe vor allem müde Gesichter die sehnsuchtsvoll in die hellen Schaufenster blicken. Aber nur die wenigsten nehmen sich Zeit einmal stehen zu bleiben um interessantes zu begutachten. Ausser in dem billigen Ramschladen drüben wo sie unschlüssig alles anfassen, überlegen und dann die meisten ohne Ergebnis weiterziehen. Keine innere Ruhe. Eine leichte Agression ist bei vielen nach aussen spürbar. Ein, Komm mir nicht zu nah oder Geh du mir aus dem Weg ist viel intensiver, als zu meiner Zeit. Früher konnte man eine Dame ansehen, denn sie waren entsprechend ihrem Style perfekt gekleidet. Verheirateten Frauen schenkte man entsprechend zurückhaltende kurze anerkennende Blicke. Eine leicht bekleidete Dame nahm es gewollt hin, dass sie die Augen länger anzog. Sie genoss die geschenkte Aufmerksamkeit. Vor wenigen Minuten, das schrille Geschrei dieses aufgequollene Etwas, war absolut scheusslich. Ihr Atem stank deutlich nach Alkohol und sie besass die Dreistigkeit alle Leute im Umkreis von über zwanzig Meter kund zu geben ich hätte unverschämt auf ihren Hintern gestarrt. Wer presst ein zehn Kilo Hintern in eine so enge, rote Jeans in Kindergrösse und erlaubt keinen einschätzenden Blick wann dieser bedauernswerte Stoff hoffentlich nie in seinem gedachten Zweck versagt und reisst.“ Safa wusste nicht ob sie lachen sollte. Sirinovska war so aufgebracht, so entrüstet weil er wirklich nur ein paar Sekunden auf eine extrem sexy Jeans geschaut hatte. Leider war die kurze Distanz ungünstig gewesen. So fürchtete die Übergewichtige, kaum Zwanzig Jährige, sich mehr vor den verletzenden Worten, die gewöhnlich ein Mann mit so einem entsetzten Gesicht Aussprach. Sie fürchtete das abwertende Urteil und ging lieber in den Angriff über. Nur lag es Sirinovska weit fern jemand direkt ins Gesicht eine Beleidigung zu schleudern oder gar anzufassen. Entsprechend hatte ihn ihre unnötig überlaute Anschuldigung zutiefst getroffen. Selbst Safa musste zugeben, sie selber hätte sich niemals getraut so enge Hosen zu tragen. Schon gar nicht, weil sie mit Garantie so unbequem waren wie es auch aussah. Dass musste schon nach wenigen Minuten aufscheuernd wehtun. Was Safa auch bemerkte, wie aufmerksam Sirinovska die Leute einzeln studierte. Beinahe genauso oft über die Frauen, schüttelte er auch über junge Männer den Kopf. So bekam Safa den ersten Schock von ihm über die veränderte Aussenwelt hautnah mit. Ganz anders als am Vormittag war er jetzt voll bei klarem Verstand und reagierte empfindlicher auf die äusseren Eindrücke. Statt genervt über sein aufgebrachtes Verhalten, beobachtete sie ihn so wie er das fremde Volk studierte.
Nach zwei Stunden in den voll gestopften Strassen gab er sichtlich auf. Als er praktisch zugedröhnt auf einer Treppenstufe erschöpft sich niedersetzte, flitzte schon das übereifrige Wachpersonal heran. Das sogar das hinsetzten verboten war, verwirrte ihn gänzlich. Gehorsam liess er sich von Safina zu einer Gusseisernen Sitzbank ziehen. Auf einmal schien alles zu viel für ihn. All die isolierten Jahre forderten ihren Tribut. Es fehlte ihm an Kraft, dass er fast die ruhigen isolierten Wände zurück wünschte um sich zu entspannen. Wortlos gönnte ihm Safa seine Ruhe. Schliesslich schlug sie vor. „Ich kenne da einen ruhigen, kühlen Platz ideal zum sich zu erholen. Schaffst du es noch ein paar hundert Meter oder willst du lieber mit einem Taxi nach Hause.“
Träge winkte er ab. „Nur diese schlimmen Kopfschmerzen. Wie gesagt. Alt bin ich noch lange nicht!“ Seine müde Bewegung passte jedoch eher diesmal zu seinem wahren Alter. Gemächlich trottete er mit seinen langen Schritten hinter ihr her. Nach einem wärmenden Windvorhang, den er länger genoss als die vorbei eilenden Leute, wartete Safa schon neben einem Eisverkäufer. Gerne nahm Sirinovska das spendierte süsse Angebot entgegen. So zufrieden marschierten sie mit dem Eisbecher los als er von weitem den hohen Glockenturm sichtete. Er hielt mit seinem kleinen Plastiklöffel inne. Seine ausdrucksvollen Augen sahen klagend Safa an, in der Art – das ist jetzt aber nicht dein Ernst. Es perlte wirkungslos an Safa hinunter. Überzeugte ihre entschlossene Art. „Entweder heute oder Morgen. Auf jeden Fall schleppe ich dich mit in eine Kirche. Schliesslich muss ich doch herausfinden was an dem möchte-gern Vampir dran ist“.
Wenig beeindruckt brummte er. „Wenn es dir Freude macht.“ „Natürlich, es ist mein Job dich zu beobachten, also zeig Bitte eine Reaktion auf den geweihten Boden den deine Füsse gleich betreten. Mit ein bisschen Rauch oder einem schmerzhaften gequälten Ausdruck deiner gefolterten Seele, das würde mich vielleicht ein bisschen mehr überzeugen. Streng dich an! Sei ein Profi!“ Fassungslos blieb er auf dem mit fotografierenden Touristen gefüllten Vorplatz stehen. „Soll ich noch eine Runde bis zum Glockenturm hochflattern?“ Für eine Millisekunde war Safa gleichermassen geschockt. Zögerlich, „Kannst du das? Also ich meine, willst du das echt versuchen?“ Ihr graute vor der Vorstellung er würde gleich wie ein Irrer mit den Armen beginnen herum zu fuchteln und sie müsste hinterher rennen, ihn einfangen und zurück einliefern. Entrüstet funkelten seine violetten Augen dunkler, zorniger. „Nein, keinesfalls. Es gibt einen biologischen Unterschied zwischen uns und Gestaltenwandler. Eigentlich solltest du das bei deinem intensiven Ausbildungsgrad wissen.“ Erleichtert atmete Safa ihre Anspannung aus. Gut, denn so ein plötzliches Versagen, schon in seiner ersten kurzen Ausgangszeit, wäre ziemlich peinlich gewesen. Zudem wirkte es sich Karriere mässig negativ aus. Eine komplett böse Überraschung nach ihrer ersten positiven Einschätzung hätte vieles ruiniert, da ja Dr. Schwarz förmlich nach Schwachstellen bei ihr gierte.
Sie reihte sich hinter eine buntgemischte Gruppe einer Reiseveranstaltung in die Warteschlange ein. Die hölzerne Pforten der Fraumünster Kirche war ziemlich hoch und seitlich für zwei Person gleichzeitig betretbar, aber wegen dem ständigen Besucherstrom musste eben auch Platz für die Rauskommenden sein. Daher gab es Wartezeiten von ein paar Minuten. Safa nutzte den Moment und wandte sich an Sirinovska. „Ich habe im Studium Soziologie und nicht Kryptozoologie. Wenn auch manchmal das unverständliche Verhalten von verstörten, verzweifelten Immigranten mich annehmen lässt, zukünftig besser Mhytologie hinzuzufügen. Zu meinem Bedauern häufen sich die Fälle von Besessenen oder Infizierten von dunklen Kulten. Mir ist also lieber ich habe einen harmlosen greifbaren Vampir in meiner Nähe als einen bösartiger Geist. Und jetzt reich mir mal kurz dein Eis. Man sollte da drin eigentlich nicht essen.“ Abgelenkt weil er sich von seinem heiss geliebten Vanillebecher trennte sollte, vergass er Safas Verharmlosung seiner Spezies. Tatsächlich verkrampften sich seine Finger sogar um den kalten Becher. Er als sie ernsthaft danach griff, reichte ihre warme Berührung aus, dass er sich entspannte. Für sie hätte er auf jedes Eis verzichtet. Gespannt wartete Safa auf den Augenblick als er durch das schwere, offene Portal schritt. Die Becher hatte sie kurz in ihrer breiten Handtasche vorübergehend gelagert. Zu ihrem Bedauern lief mit Sirinovska alles langweilig, reibungslos ab. Kein Zögern, kein ängstlicher Blick. Vielleicht war das hausgemachte Eis zu gut, dass er alles um sich vergass. Wer konnte allerdings in einer Kirche, dieser beeindruckenden Grösse, wie ein Schlafwandler durch spazieren? Sirinovska konnte es meisterhaft. Das alte Gemäuer interessierte ihn kaum. Die drei bunten wunderbaren Glasscheiben von Chagall, würdigte er mit einem einzigen flüchtigen Blick. Holzkreuze in jedem Ecker und überall die schwarzen Bibeln verteilt auf den Bänken, liessen ihn kalt. Für einen Moment blieb er im kühlen Mittelraum stehen um alles, eine erholsame Minute, auf sich einwirken zu lassen. Genoss die besänftigende Ruhe. In dem Punkt lobte er Safas gelungenen Einfall. Gespannt setzte sie sich eine Sitzreihe vor ihm auf die polierte Bank. Ihr langes Gesicht verriet die tiefe Enttäuschung. Einzig in ihrer Stimme eine gewisse Hoffnung. Leise flüsterte sie. „Und fühlst du dich wohl hier drin?“ „Absolut. Sogar meine unerträglichen Kopfschmerzen schwinden.“ Das liess ihre schmalen Schultern weiter sinken. Misstrauisch beobachtete sie ihn wie jemand der gerade Unwahrheiten gesagt hatte.
Er winkte ab. Zögerlich reichte sie ihm das halb geschmolzene Eis und leerte ihren eigenen mit Schokolade in einem zug. Geduldig genoss er jeden Löffel bis zum Ende. Ein Geniesser und Safa mochte den verzückten Ausdruck in seinem Gesicht. Sie selber kam ein bis zweimal Monatlich hierher, aber immer vor zehn Uhr Morgens. Hier Nachzudenken, in der Stille und der schönen Atmosphäre hatte schon eine gewisse Anziehungskraft. Aber im Moment hatte sie nur Augen für Sirinovska. Er hielt den Blick meist gerade ausgerichtet, zu dem dunklen Altar. Da Safa ihn schweigend, entschlossen ansah, liess er ein wenig von seiner Meinung durchsickern. „Wir sind alle Erdenbewohner. Einfach mit verschiedenen Genen ausgestattet. Es gibt sogar welche von uns die diesem christlichen Glauben folgen. Meinem Wissen nach sind die meisten bei der gewaltigen Institution dabei um ihre Macht auszuspionieren. Wir glauben auch an die allumgebende Macht im Himmel. Dazu brauchen wir jedoch keine Kirche die mit ihrem kostspieligen Pomp ermahnt den Geboten zu folgen und brav die Kirchsteuer zu zahlen. Viel von dem gespendeten Geld, Gold möchte ich noch lieber sagen, fliesst dem ohnehin schon reichen Vatikan zu. Ich respektiere jeden Priester der eine schlichte Tracht trägt. Der in seinem inneren Herz seinen festen Glauben trägt. Doch die reich bestickten Trachten möchte ich lieber einem armen Mensch geben, dem das Geld nicht für ein neues Hemd reicht. Lieber davon ein paar Mahlzeiten bezahlen. Ich fürchte weder den Glauben noch viel weniger die Wölfe die den Schafspelz tragen.“
Geschockt liess Safa das auf sich einwirken. Sie hatte eine negative Reaktionen erwartet, aber dass er so offen darüber sprach mit einer klaren Wahrheit und gesundem Verstand, überraschte sie völlig. Sie zweifelte mit brüchiger Stimme, raunte ihm zu. „Bist du wirklich ein waschechter Vampir?“
In einem seiner Mundwinkel zuckte es belustigt. Flüsterte genauso leise. „Ja, stelle dir vor. Eigentlich dürfte ich das dir zwar noch gar nicht verraten.“
„Aha“, wunderte sich Safa. „Warum machst du bei mir eine Ausnahme?“
Mit einer Hand strich er bewundernd über ihr feines Haar. „Ach du gehörst praktisch zur Familie. Du passt auf mich auf. Ich pass auf dich auf, “ meinte er einfach beiläufig. Dabei unterdrückte er seine wahren freudigen Gefühle, dass es ihm im Herz wehtat. Trotzdem schrillten bei Safa sämtliche Alarmglocken auf. „Sirinovska“, mahnte sie streng und ein bisschen zu laut. Was ihr einige tadelnde Blicke von den umstehenden Touristen schenkte. Sofort raunte sie leiser, „du planst hoffentlich nicht mich zu jemanden deiner Art zu machen? Glaube mir ich passe nicht in deinen Blutfetischen Verein. Ich kann nicht mal ein Medium T Bones Steak ansehen ohne Würgreiz zu bekommen. Dasselbe bei gebackenen Hühnchen die noch die dunkelroten Blutadern um die Beinknochen haben. Absolut widerlich. Ich bin zu 90% ein Frucht und Gemüse Esser.“
„Pah“, wies er mit gefurchter Stirn ab. „Du unterstellst mir ganz falsche Tatsachen. Vermutlich glaubst du auch noch an das Horrormärchen, dass ich dich einmal beisse und schon bist du Eine von uns. Vergiss das schnell wieder. So funktioniert das nicht.“
Nachdenklich meinte Safa, „Und wie funktioniert es deiner Meinung nach?“
Zum ersten Mal verdüsterten sich seine Gesichtszüge, dass sogar Safa ein unangenehmer Schauer über den Rücken kroch. Ernst gab er abweisend zurück, „Es ist zu früh dich in die volle Wahrheit einzuweihen. Alles zu seinem richtigen Zeitpunkt. Keine Sorge du erfährst es noch früh genug. Bis dahin bitte in Geduld üben.“ Empfindsam rieb er mit einem Zeigefinger über einen seiner längeren Eckzähne. Natürlich nahm es Safa sofort Wunder was los war.
Er rieb sich auch über den anderen als täte er sehr weh. „Du hast meine Akte nicht gelesen. Deine dümmeren Kollegen sind auf die blöde Idee gekommen mir die Zähne bis auf normale Grösse hinunter zu schleifen. Das hat selbst mit Betäubung geschmerzt. Zum Glück sind sie in einem Jahr wieder nachgewachsen, doch seit der rüden Behandlung reagieren sie überempfindlich. Das Eis war wohl zu kalt.“ Mehrmals versuchte er sie mit der Zunge wieder aufzuwärmen. Nach einer ruhigen Weile sah er Safa müde an. „können wir nach Hause gehen. Ich glaube etwas Fernsehen fände ich angenehm und nicht so schnell ermüdend.“ Zustimmend fand die junge Frau seinen Vorschlag passend. Sie liess ihm den Vortritt. Kurz vor dem Ausgang blitzte neben der Türe etwas auf einem Podest auf.
„Moment“, bremste sie hastig Sirinovska. Tauchte rasch ihre Finger in die Tonschale mit dem kühlen Nass. Sirinovska der Böses vorahnte was ihm blühte hielt rasch den Arm ausser Reichweite. Tobte, „Spinnst du. Weg mit dem grässlichen Zeug!“
Ausweichend hüpfte er erfolgreich weg, von der sprenkelnden Hand mit dem Wasser. Da packte Safa ungeduldig die ganze Schale mit dem Weihwasser und schüttete es erfolgreich über seinem Rücken aus. Hinterliess einen dunklen, nassen Streifen auf seinem dünnen Klinikkittel. Aufgebracht fuhr er sie wütend an. „Bist du verrückt. Hast du eine Ahnung wie viele Hände da reingefasst haben. Das ist alles voller Bakterien.“ Angewidert zerrte er hastig an dem weissen Kittel um ihn auszuziehen. Jetzt stand er da mit nur einem feuchten weissen Trägerhemd als Oberteil. Angewidert warf er Safa den Kittel entgegen. Kälte spielte da die nebensächliche Rolle. Zitternd umarmte er sich draussen, unter freiem Himmel, selber um sich etwas Wärme zu spenden. Nachtragend schaute er Safa böse an, als sie ihn endlich einholte. Die am Ende ihrer Weisheiten schaute arglos zurück. „Was, das ist doch bloss geweihtes Wasser. Sag doch vorher, dass du ach so grosser Vampir, dich vor den winzigen Mikroben fürchtest die da herum schwim…“ Bis jetzt hatte er einen gewissen Abstand respektiert. Nach dieser gemeinen Attacke stand er vor sie hin, in voller Grösse. Hände in den schlanken Hüften, dass selbst Safa ungewollt zusammen schrumpfte. Seine starke Hand wollte ihr zuerst an den Kragen, besann sich jedoch anders. Geballt zog er die Hand hastig zurück. Ein zuckender, mahnender Zeigefinger wedelte wild vor Safas kleiner Nase. Ziemlich verärgert zischte er ihr leise zu. „Hör auf mich, in aller Öffentlichkeit, als Vampir zu bezeichnen. Solange andere Menschen um uns herum sind will ich das nicht hören. Nenn mich lieber bei meinem Vornamen Mikael. Dass… und wenn du mich nochmals mit schmutzigen Wasser, das sicher tagelang da rum stand, hunderte haben da reingefasst… niemals wirfst du mir so was an oder ich zerre dich unter die nächste eiskalte Dusche! Und danach sage ich übertrieben unschuldig, das ist auch nur sauberes Wasser.“ Verstimmt schaute er weiterhin finster an um sich im nächsten Moment umzudrehen und den nächsten Busstop anzusteuern. Seine ganze angespannte Haltung, jeder energische Schritt drückte seine miesen Stimmung aus. Die entgegenkommenden Leute, wichen alleine wegen seiner bedrohlichen Ausstrahlung auf die Seite. Dazu brauchten sie nicht einmal sein verstimmtes Gesicht zu bemerkten.
Argwöhnisch schnüffelte Safa prüfend den so abgelehnten Kittel ab. Es roch eindeutig herb nach Mikael. Das Wasser war immerhin sauber in dieser Hinsicht gewesen. Ablenkend klingelte ihr Handy. Als sie die Nummer erblickte furchte sie leicht ihre Stirn. Was wollte Dr. Schwarz schon wieder? Angespannt nahm die den Anruf entgegen. Kaum eine Minute informierte er sie über die neuen Veränderungen in ihrem Fall. Nein, es würde kein Wochenende sondern eine Woche draus, da einer der anhörenden Doktoren auch im Urlaub sei und der Ersatz mit ansteckender Grippe im Bett. Eigentlich wollte Dr. Schwarz jemanden aus einer anderen Klinik rekrutieren, aber unerwartet lehnte der Verwandte von Sirinovska ab. Es sei auch im Sinne aller, wenn ihr Klient Zeit habe sich nach dem langen Eingesperrt sein wieder an die Aussenwelt zu klimatisieren. Natürlich mit der entsprechenden Fachperson. Auf jeden Fall sei vermutlich erst nach dem kommenden Mittwoch eine nächste Anhörung möglich. Geschockt schob Safa ihr Handy zurück in ihre Manteltasche. Sie wusste nicht so recht ob sie sich freuen sollte… Die blöden Fussfesseln. Verspätet bemerkte sie den grossen Abstand und rannte hastig ihrem flüchtigen Klienten nach. Der brütete Stumm vor sich still vor hin. Stampfte unruhig unter dem Bushäuschen hin und her. Ausserdem schien ihm ziemlich kalt. „Mikael, ich hab eben Erfahren, dass die Anhörung sich mindestens 5 Tage verspätet. Ein bisschen länger als nur das Wochenende. Wir müssen daher dein mageres Kleidersortiment wirklich vergrössern. Trägst du den noch wenn ich ihn wasche?“
Aufmerksam warf er einen kurzen intelligenten Blick über die vorbei ziehenden Leute. „Ich glaube er entspricht nicht gerade der… aktuellen Mode“, gab er trocken seinen Entscheid kund. Entschuldigend kam ihm Safa entgegen, schliesslich fühlte sie sich an seinem frierenden Umstand schuldig. „Nein, ich kaufe dir was Zeitgemässes. Hättest du dich früher beschwert, wäre der dringende Einkauf als erstes erledigt worden. Na ja, wir finden schnell was in dieser Einkaufsmeile.“ Sie schaute nach geeigneten Shops die in Richtung der Altstadt lagen. Näher und Preiswert mit seinen vielen Boutiquen. Frierend streckte er ihr eine Hand entgegen. Gleichzeitig forderte er nach ihrem Handy. Unsicher fasste Safa ihn an seiner kalten Hand. Ahnte dass Kribbeln bevor sie es fühlte als ihre warmen Finger seine eisige Kälte fühlte. Sie litt mit ihm und zog ihn entsprechend eilig vorwärts. Während er immer noch auf den Klingelton wartete zog sie ihn schon bei einem grösseren Einkaufsladen unter den warmen Luftvorhang. Dankend sah kurz zu ihr runter, dann sprach er bereits, wieder klar in seiner Landessprache, ins Telefon. Es folgte das übliche, aha, aha. Gespannt blickte er sich kurz um. Legte dann die freie Hand auf Safas Schultern und schob, lenkte sie so quer über die Strasse zum nächsten Geldautomaten. Er lehnte zittrig daneben an die Wand, so dass er selber den Bildschirm nicht sah. Verdeutlichte seiner Begleitung damit dass er ihre Privatsache durchaus respektierte. Drückte Safa das Handy in die Hand zurück mit den Worten. „Kontonummer!“ Dabei sah er sie so eindrücklich an, dass sie begriff wir ernst es ihm wahr. Rasch suchte sie ihre Nummer aus. Er lass sie ab und gab sie auf Russisch weiter. Danach gab er ihr das Telefon endgültig in die Hände ab.
Wie immer wenn eine längere Pause anstand lehnte er an die Wand. Schloss die Augen. Safa vermutete stark dass dies eine eher negative Eigenschaft war die er von der Anstalt übernahm. Aus Gewohnheit stillzustehen und sofort innerlich abschalten. In der Nähe schlugen die alten Glocken, der Kirche, vier Mal auf. Ein angenehmer Klang sofern man als direkter Nachbar nicht jede Stunde damit beschallt wurde. Ungeduldig spähte Mikael drängend zu seiner Begleitung rüber. Sie wandte sich dem Bildschirm erneut zu. Drückte, forderte den gegenwärtigen Kontostand heran. Als er aufleuchtete… sie blieb ein paar lange Sekunden erstarrt. Wie war so eine Überweisung ohne die übliche Wartezeit eines Tages möglich? „Wie?“ „In unserem Land haben wir eine eigene Bank,“ verriet er. „Okay, aber trotzdem…“ Unsicher klopfte sie mit dem Zeigefinger gegen den Bildschirm. Sirinovska runzelte die Stirn. Mit einem seltsamen Ausdruck sah sie ihn an, liess ihn kopfschüttelnd wissen. „Dein Bruder liebt doch nicht! Er hat nur einen einzigen Dollar überwiesen!“
Unbezahlbar der Ausdruck von dem entsetzten Sirinovska. Sein hoher Entrüstungsschrei, „Waaaas!“ Den hörte man eindeutig noch auf der anderen Strassenseite.
Doch Safa lachte ungehemmt los. Winkte beschwichtigend ab. „War nur ein Scherz!“
Mikael stützte sich tief vom Schock getroffen an der nächsten Wand ab. Atmete erleichtert tief ein. „Das hätte mir grade noch gefehlt, dass er mir die letzte Unterstützung wegnimmt.“ Erholt starrte er Safa finster an. Die jedoch merkte sofort seinen aufgeblasenen Bluff. „Komm schon Mikael“, dabei klopfte sie ihm freundschaftlich auf die Schultern. „ich passe gut auf dich auf. Sonst hab ich auch noch einen Joker im Ärmel. Dein Bruder ist sehr grosszügig. Eigentlich wünschte ich mir ein, zweitausend. Ich hoffe nur, dass das Steueramt nie nachfragt was der hohe Betrag übergangsweise auf meinem Konto zu suchen hat. Zweihunderttausend sind nicht leicht zu übersehen.“ Zweifelnd sah sie zu Sirinovska hoch. „Ist der Betrag wirklich nur für die kommende Woche oder gehört das schon zu deinem Landkauf?“
Er schmunzelte wissend. „Du darfst alles für mich ausgeben, wenn du willst. Wie ich sagte, mein Bruder hat kein Talent mit Geld sparsam zu sein. Den Teil der unseren Bedarf abgedeckt dürfen wir auch ausgelassen genießen. Normalerweise bin ich auch ein eher zurückhaltender Typ bei Ausgaben. Aber ein bisschen möchte ich schon meine neue Freiheit geniessen.“
Mit strahlender Mine hob sie fünftausend ab. „Das reicht erst einmal für eine ordentliche Garderobe. C&A und H&M haben vernünftige Preise. Und in diesem Viertel gibt es eine riesige Auswahl an Designerstücken.“ Unsicher linste sie gründlich um sich, bevor sie das dicke Geldnotenbündel fest in ihre Finger nahm. Der erste Gedanke, gut nachzählen. Allerdings siegte das Bedürfnis nach Sicherheit. Lieber rasch gut unten in der Tasche verstecken. Zielstrebig steuerte sie mit Mikael im Schlepptau die besagten Läden an. Eigentlich verharrte er auf der belebten Einkaufsmeile vor einem Grossen Schaufenster. Bevor er sich den perfekten Anzug wünschte zog ihn Safa unbarmherzig weiter. „Vergiss das! So ein Armani Anzug passt wirklich nicht zu dir. Wenn du dich mit Originalanzügen von Hugo Boss in mein Viertel traust, bist du innerhalb wenigen Stunden das Lieblingsopfer aller Gauner. Wenn die herausfinden wo du wohnst, gibt es nach Sonnenuntergang, jede Stunde unwillkommenen Besuch, der garantiert durchs Fenster reinschlüpft und gar nicht erst an die Türe klopft. Ausserdem kannst du nach dem langen Aufenthalt in der Klinik dich gar nicht perfekt darin bewegen.“
Zweifelnd wollte er protestieren, doch sie hielt ihn sachte am weissen Hemd zurück. „Mikael, glaube mir du hast nicht die Ausstrahlung die zu diesem Anzug passt. Jedenfalls noch nicht.“
Widerwillig nickte er. Trottete brav ihr hinterher, in den nächsten Laden hinein. Ihm genügte schon die behagliche Wärme. Das ungewohnte lange gehen liess ihn nach einem Sitzplatz suchen. Wahlweise brachte sie Kleidungstücke vor. Vor allem ihr klassischer, zeitloser Geschmack traf sich mit seinem auf einer Wellenlänge. Während sonst Frauen sehr grosszügig, ohne auf die Uhr zu schauen shoppten, wählte Safa die selber einen wählerischen Geschmack besass, zielsicher innert wenigen Minuten praktisches, schlichtes und modisch zugleich aus.
Graue Jacke die ihn vor Wind und Kälte warm hielt. Seine schlanke Figur betonte. Drei- vier T-Shirt sowie Hosen und einen weissen bequemen Traineranzug. Mikael bewunderte den feinen Stoff. Alles passte gut Kombinierbar zusammen. Selbst nach einem schwarzen eleganten Paar Schuhe, sah Safa zufrieden auf das restliche Geldbündel hinab. Schob Mikael übrige Zweitausend, ordentlich gefaltet in die obere Brusttasche seiner Jacke. „Falls du noch was siehst. Alles, ausser einen Anzug für Banker, bitte!“ Einen restlichen Geldschein steckte sie ihn ihr Geldbörse. „Heute Abend bekommst du deinen Hasen. Sag mir einfach nochmals was so alles dazugehört.“
Wunderbar die positive Veränderung in seinem bleichen Gesicht. Trotz seiner schweren Müdigkeit strahlte er so harmlos fröhlich, dass kein Mensch auf der Welt ihm so was wie brutalen Mord und Todschlag zutraute. Wirkte entspannt, glücklich und vor allem so als gäbe es keine Probleme für ihn.
Dennoch merkte Safa deutlich seine schwindenden Kräfte. Gerne hätte sie ihn einfach vor dem Lebensmittelladen warten lassen und ihre kurze Einkaufsliste flugs durchgeflitzt. Die hinderlichen Fussfesseln vereitelten die gekürzte Lösung. Mühsam suchte sie in Eile zusammen was gerade zum Hasen passte. Liess zum ersten Mal in ihrem Leben die Sonderangebote und Halbpreise ausser Acht. Sorgte sich nur noch um ihren tapferen Klienten der sich weigerte aufzugeben. Meist stützte er sich am Einkaufswagen ab. An der Kasse jedoch legt er schwer seinen Arm um ihre Schultern. Zuerst glaubte Safa an einen kompletten Schwächeanfall. Dann bemerkte sie zu ihrer heimlichen Verblüffung, dass der männliche Kassierer seltsame flüchtige Blicke zwischen ihnen wechselte. Der junge Mann wirkte nachdem der Arm plötzlich auf ihrer Schulter ruhte irgendwie verunsichert, verlegen. Anklagend spähte Safa zu ihrer grossen Begleitung hoch. Mit keiner Regung verriet Mikael seine Absicht. Der erfahrenen Safa gelang es mit einem geübten Blick die starrte Miene von ihm zu entziffern. Sie wusste nicht ob sie glücklich oder eher mit Furcht reagieren sollte, wie er sie eindeutig als sein persönliches Inventar beanspruchte. Überhaupt, wenn sie genau nachdachte, rückvollzog wie sie den ganzen Nachmittag durchbrachten. Mikael behielt sie ständig im Auge. Das lag nicht an der begrenzten Reichweite der Fussfesseln. Unauffällig stellte er sich öfters zwischen ihr und anderen Personen. Wenn sie ganz scharf nachdachte dann waren es eigentlich nur die männlichen Personen vor denen er sie unbemerkt abschirmte. Sie stolperte fast über die eigenen Füsse als ihr gewahr wurde, dass er kaum andere Frauen als attraktiv beachtete. Selbst wenn sie mit engen Kleidern oder Schuhen mit hohen Absätzen elegant vorbei huschten.
Besorgt stützte er sie nach dem kleinen Ausrutscher. Irgendwie bekam sie das leise Gefühl er lies sogar nur ungern ihren stützenden Ellbogen los. Auf einmal war er ihr doch zu nahe. Sachte schob sie ihn einen Schritt zu Seite.
Entschlossen packte sie die schweren Einkaufstüten und marschierte los. Der vollbesetzte Bus wegen dem engen Arbeitsverkehr wie immer dermassen schleichend unterwegs, dass Fahrräder ihn sogar überholten. Gedrängel da die müden Arbeiter fast alle zur gleichen Zeit in den wohlverdienten Feierabend stürzten. Diesmal achtete sie genau auf jede Kleinigkeit. Wie geschickt er sich in ihrer unmittelbarere Nähe hielt. In dieser Sache verschwand seine sonstige Trägheit. Einmal im Bus schabten seine Fingernägel testend über eine gepolsterte Sitzlehne. Das robuste Kunstmaterial schien ihm fremd. Er studierte einige bunte Reklamen. Ausnahmsweise betrachtete er eine schöne Floristenwerbung länger als sonst. Safa schmunzelte als sie darauf eine hübsche Frau mittleren Alters entdeckte welche einen langen Rock trug. Demnach besass Mikael ein gesundes Interesse, einfach mehr seinem Alter entsprechend. Warum kam sie sich bloss bei dem Gedanken ziemlich alt vor. Sie war erst fünfundzwanzig. Vielleicht lag es auch einfach an dem altmodischen Rock. Es gab so viel zu bedenken bei diesem seltsamen Fall. Vor vierzig Jahren war die Mode entsprechend anders. Eine andere Generation. Sein junges Gesicht liess sie immer vergessen, dass er ein reifer Mann war der bald vor der Pensionierung stand. Ihr kam ein entsprechender Gedanke. „Lässt du dich eigentlich vorzeitig Pensionieren? Du kannst es dir doch leisten!“
Seine sonst eher länglichen, trägen Augen wurden gross. Bestürzt sah er zu ihr hinunter. „Woran, um Himmels willen, studierst du wieder herum? Was hat meine Pensionierung mit der heutigen Zeit zu tun?“ Arglos sagte Safa die ungeschminkte Wahrheit hinaus. „In deinem Alter sollte man sich doch langsam Gedanken darüber machen.“
Worauf er innerlich ein Lachen unterdrückte. „Was interessiert dich mein Alter auf einmal?“
Leise damit es die anderen Mitfahrer nicht hörten hielt sie ihm vor. „Du bist immerhin fast sechzig. Wie hast du das bloss gemacht?“ „Mhm“, seine gute Laune verflog und er wirkte nachdenklich. „Eigentlich müsste es dir hier klar sein.“ Er tippte mit einem Finger an ihre Stirn. „Safa Burgler, das ist eines der heiklen Themen, die ich später mit dir genau besprechen werde. Und..“ Rüde drängte sich ein dünner Kandidat zu einem Sitzplatz durch. Bedauerlicherweise schob er dabei Safa auf die Seite. Abgebrüht schenkte sie ihm keine Beachtung. Hätte ihn glatt übersehen. Anders Mikael, der ihn genauso schonungslos zurückriss und ihn gewaltsam zurück zum Ausgang schob.
Glücklicherweise näherte sich Safas Station. Sie zupfte Mikael behutsam am Ärmel und bahnte sich geschickt, wie ein Fisch in einem grossen Schwarm zur nächsten Schiebetür. Unfair behandelt startete der kleine Passant, mit einer überraschend grossen Klappe, eine wüste Schimpfparade gegen den abgewandten Sirinovska. Safa bekam nur mit, als Mikael endlich begriff, dass die hässliche Beschimpfung ihm galt, er sich umwandte, dem anderen einen stummen Blick zuwarf, und Ruhe herrschte. Wie gelähmt stand er kleine Eingeschüchtert da, ohne dass der gross gewachsene Mikael auch nur einen Finger rührte.
Selbst als der Bus weiterfuhr blieb er wie im Boden festgewurzelt.
Verwundert betrachtete Safa auf der Haltestelle draussen ihren stillen Begleiter. Der gab sich völlig gelassen. Missverstand ihre eingelegte Pause. Als er nach einer schweren Tasche griff, handelt er sich einen leichten strafenden Schlag auf die Hand ein. Sie deutete mit einer Kopfbewegung Richtung Bus. „Was hast du gemacht, dass er so ruhig wurde?“
Abweisend marschierte diesmal Mikael voraus. „Ihm den entsprechenden Blick zugeworfen. Einfach mit dem gewissen einflössenden Respekt.“
Die Abenddämmerung brach herein. Die dicke Wolkenschicht liess alles dunkler erscheinen als sonst. Strassenlaternen leuchteten ungewöhnlich früh auf. Die breite Gasse zum Mietshaus war alles andere als einladend. Einer der grossen schmutzigen Müllcontainer war umgeworfen. Herumstreuende Katzen hatten die günstige Gelegenheit genutzt um die schwarzen Plastiksäcke aufgeschlitzten und ein paar Knochen oder Dosen mit Fischgeschmack zu ergattern. Dabei verstreuten sie fast den gesamten übel riechenden Inhalt der Säcke über die Pflastersteine.
Dementsprechend vorsichtig passte Safa auf wohin sie ihren Schuh setze. Das und die schweren Taschen liessen sie ihre Sicherheit nachlässig werden. Gerade als sie an ihrem Sportwagen vorbeiging, löste sich ein Schatten von der Rückseite. Sie reagierte eine Sekunde zu langsam. Zuckte zusammen, gleichzeitig ein geschickter Sprung seitwärts. Nach vorn war ihr der Weg versperrt. Rüde stand da ein ungepflegter Halbwüchsiger im Weg. Sie vermutete, dass starker Alkohol seinen Verstand trübte. Mit ein bisschen Vernunft im Hirn griff keiner alleine, gegen zwei an. In letzter Zeit war es leider oft so, dass viele Menschen einfach wegsahen, vor allem wenn jemand hemmungslos zuschlug. Da mischte sich selten eine Hilfe ein. Abwarten stand sie einfach da. Schliesslich setzte sie die schweren Papiertaschen ab.
Sein undeutliches. „Jetzt hast du Angst. Na los, renn doch weg!“ Bot er ihr gerne an damit er wohl leichter an seine Beute, die Taschen ran kam.
Sie seufzte auf. „Tut mir leid. Erstens trinke ich keinen Alkohol. Bier suchst du bei mir vergebens. Und Angst habe ich leider auch keine. Du kannst froh sein, dass ich heute genug Geld bei mir habe sonst hätte ich gerne DEINES abgeknöpft.“ Verwirrt taumelte der mit der stacheligen Frisur einen Schritt näher, als hörte er schlecht.
„Mikael“, ihre süsse auffordernde Stimme, „wärst du so nett das zu übernehmen?“ Später hielt sie es lange Zeit für eine Illusion. Doch wenn sie sich zurück erinnerte, an den Moment wo sie zu dem grösseren Schatten hochsah, der längst hinter dem unbedachten Jungen lauerte, da glühten seine Augen in einem Mal dunklen violett auf. Wenn auch nur für einen Bruchteil einer kurzen Sekunde. Sie sah die rasche Bewegung gar nicht kommen. Der betrunkene Taugenichts flog, tief über dem Boden, voll gegen ihr hintern Autoflügel. Was wiederum Safa schockierte. „Mikael“, schimpfte sie tadelnd. Unbeeindruckt sah er sich den verletzten Schaden an. Der Junge lag gekrümmt am Boden. Tastete sich ungläubig ab ob noch alles dran sei. Erst dann bemerkte Mikael die Beule in der schwarzen Karosserie. „Gehört das Auto dir?“ Seine späte Frage.
„Zufälligerweise ja. Moment mal. Halt mal Abstand.“ Sie rauschte erbost an Sirinovska vorbei zu dem verletzten. Rasch realisierte sie, dass keine Glasflasche herumstand die er als Waffe verwenden konnte. Sie bückte sich nieder um freundlich zu fragen. „Hast du eine Ahnung wer meine Scheibe eingeschlagen hat?“ Haltsuchen griff eine zittrige Hand nach ihr, doch sie wich aus. Er roch wirklich säuerlich nach Alkohol als er sprach. „Eine Ahnung schon. Aber wo ist meine Kohle. Gib mir erst einen Schein oder eine Dose Bier und wir sind im Geschäft.“
Sie brauchte sich nicht umzudrehen um zu spüren, dass ihr scharfer Wachhund, im Hintergrund bereit stand. Flink hob sie eine Hand um ihn zu stoppen. „ich löse das auf meine Weise. Dazu braucht man nur ein zartes Händchen“, meinte sie zu ihm. Und zu dem unverschämten Bengel. „Du willst also Geld?“ Fingerte aus ihrer Tasche den Autoschlüssel hervor. Öffnete die Vordertüre nur eine Handbreite. Ehe sich der ahnungslose verzogene Bengel versah, klemmte wirklich seinen ganze Hand im Türrahmen. Alles andere als behutsam drückte Safa mit ihrem Gewicht die Türe zu. Unangenehm kreischte vor ihren Füssen auf. Sie lockerte gerade soweit, dass er die Finger nicht rausziehen konnte.
„Nochmals. Wer hat meine Scheiben zertrümmert?“
„Vierter Stock, fünftes Haus. Klausel!“ Schrie er förmlich die Information hinaus. Seine Belohnung, er bekam seine gequetschte Hand frei. Sorgfältig schloss sie ihr altes Auto ab. Gerade als sie gehen wollte murrte es von unten aufmüpfig. „Dafür zerkratz ich dir den Lack.“
Safa drohte erfreut zurück. „Tu das! Ich werde genau nachmessen wie lange sie sind. Dann lass ich, meinen lieben Begleiter, dir genauso viel von deiner Haut aufkratzen. Ohne Desinfektionsmittel, mit einem rostigen stumpfen Messer“.
Krallte zornig ihre Taschen. Hinter ihr schleiften eilige Schuhe über den Asphalt. Wachsam lauschte sie bloss, dem Ton nach, ob er sich tatsächlich entfernte. „Blöde Scheisstante“ und weitaus schlimmere Beleidigungen begleiteten seinen Abgang. Schwere vertraute Schritte neben ihr. Genau so sein entspannter Tonfall. „Dein lieber Begleiter?“
„Bilde dir ja nichts sein“, kam es schnell wie aus der Pistole geschossen. Stumm eilte sie über den eindunkelnden Platz. Stampfte die Treppenstufen hoch. Froh endlich in den eigenen sicheren Wänden zu sein, steuerte sie direkt die Küche an. Er verharrte auf der Schwelle und bemerkte den süssen Orangenduft. So sehr er mit den Augen suchte, entdeckte er keine Früchte. Safa viel sein Schnuppern auf und deutete auf den kleinen Duftspender der auf Bewegung reagierte. Bevor er auf die Idee kam ihn genauer zu untersuchen, stellte sie den Automat ab. Nicht dass er sich noch eine Duftdusche ins Gesicht einhandelte.
Ordentlich versorgte sie die Lebensmittel an ihre Plätze. Das frische Hasenfleisch mit seinen Zutaten blieb davon verschont. Während das Fleisch, schonend auf niedriger Stufe vor sich hin brutzelte, schob sie eine dünne flexible Matte vor Mikael auf den Tisch. Zwei scharfe Messer neben seine Hand. Geschälte Zwiebeln und Knoblauch dazu. Widmete sich danach abgewandt den frischen Bohnen. Staunte selber über das frische Gemüse. Für gewöhnlich kaufte sie nur die praktischen Metalldosen ein. Schonte damit ihr Portemonnaie und sparte enorme Zeit.
Zum ersten Mal genoss sie es wieder in der Küche zu stehen. Zeit spielte an diesem Abend keine Rolle. Hinter ihr lies seine verblüffte Stimme sie herumfahren. „Du traust mit so was zu. Hast du keine Angst?“
Irritiert wusste Safa vorerst gar nicht was er meinte. Dabei war es so einfach Gemüse zu hacken. „Kannst du kein Blut sehen? Ich traue dir schon zu, dass du damit fertig wirst und alle Finger dran bleiben. Nach all den ruhigen Jahren wird es Zeit dich wieder ans normale Leben zu gewöhnen….Was hast du damit vor?“ Eine ihrer geschwungenen Brauen hob sich. Selbstgefällig hielt er eines der schlanken Küchenmesser in seinen grossen Händen. Eines das kaum zehn Zentimeter erreichte, aber stets scharf geschliffen war. Finster, ernst sein Ausdruck. „Ich finde du gehst ziemlich unbedacht damit um. Du kennst kaum meine Akte und lässt so eine scharfe Waffe in meine Nähe. Bis du so töricht oder liebst du einfach die Gefahr?“ Für sie schwer zu erkennen ob er eher Besorgt oder ernsthaft verärgert war. Völlig gelassen verschränkte sie die Arme vor sich. Lehnte sich zurück an die Kochnische. Liess keine seiner Bewegungen ausser Acht. „Was willst du eigentlich damit sagen? Dass du gefährlich bist für mich? Vergiss es! Das haben wir schon abgeklärt. Das ich zu leichtsinnig bin? Wie glaubst du hab ich, die letzten fünf Jahre, hier überlebt?“ Sei deutete auf das rohe Gemüse als seien es brutale Strafgefangene. „Hau gefälligst das klein! Oder hat dir Deine Mutter nicht beigebracht, dass man mit Messer nicht spielt!“
Sofort nahm er das Messer richtig in die schlanken Finger. Finster sah er zu ihr hoch. Unentschlossen drehte er eine Zwiebel in seiner anderen Hand. Da er so keine Ruhe fand, legte er alles beiseite und erhob sich. Gemächlich trat er hinter die rüstende Safa. So nahe, dass er ihre Körperwärme spürte, aber nicht einmal ihre Kleider berührte. Sie liess sich nicht aus dem Konzept bringen. Nicht drohend aber entsprechend hinweisend legte Mikael seine starken Hände in die Nähe ihres schlanken Halses. Belegt kam seine tiefe Stimme. „Was würdest du tun wenn…“ Weiter kam er nicht da ein heftiger Tritt an sein Schienbein, ihn unerträglichen Schmerzen lähme. Bevor sie gar schlimmeres anstellte wollte er zupacken. Doch sie tauchte, ganz ihre geringe Grösse ausnützend, unter ihm hindurch. Ein weiterer scharfer Tritt, genauso hart wie ein bockiges Maultier, traf nach oben in seine ungeschützte Seite. Bevor er gegen den Tisch krachte, bremste sie seine Hand greifend, den restlichen Sturz ab. Stützte sich bereits, mit dem ausgestreckten Fuss, auch am Tisch ab um wiederum sein schweres Gewicht überhaupt halten zu können. Erst nach einer Schrecksekunde gewann er seine Fassung zurück. Gerade wollte er etwas sagen, da bemerkte er dass sie, mit einem Finger, auf seinen Handrücken hinunter klopfte. Noch immer hielt ihre warme kleine Hand die seine Grosse fest. Dankend wollte er sie umschliessen doch eine geschickte Wendung schon fühlte er wie sein kleiner Finger gefährlich knackte. Der scharfe Schmerz konnte durchaus noch gesteigert werden, das wusste er, also gab er lieber nach bis sie ihren Griff lockerte.
Freundlich forderte sie. “Keine weiteren Angriffe mehr? Versprochen!“
Gepresst, wegen seinem gefolterten Finger, sein. „Ja. Ich habe es verstanden.“ Sobald sie ihre kleinen gemeinen Finger zurückzog, massierte er erst seine Hand. Schlimmer als der kleine Finger tat ihm das Bein weh wo sie ihn absichtlich mit der harten Schuhkante traf. Er humpelte unter ihrem scharfen Blick einen sicheren Schritt zurück. Lehnte sich selber an den Tisch um sein Bein zu entlasten. Unzufrieden schüttelte er den Kopf. „Das reicht mir nicht. Erstens hast du es mit mir zu tun. Ich kann im absoluten Erstfall den Schmerz total ignorieren. Ausserdem kann ich Kräfte freisetzen die kein normal sterblicher besitzt. Das reicht nur für die kleinen unbewaffneten Gauner da draussen.“ Er zeigte aus dem Fenster.
Gewarnt hielt sie den Abstand ein. „Ich habe einige Waffe hier versteckt die keine normale Hausfrau in den umliegenden Blöcken hat. Zwei Schusswaffen habe ich nach einem einfachen Überfall behalten. Sie sind einfach zu bedienen und die Munition ist leicht zu beschaffen. Als meine Schwester kurzzeitig hier wohnte hat sie jede Woche eine Pistole abgeliefert. Die habe ich jedoch in einem anderen Viertel entsorgt. Was da alles zusammengekommen ist…Zum Glück wohnt sie nicht mehr bei mir.“ „Wo ist sie den hin“, nahm es ihn Wunder. Safa bekam einen traurigen, bekümmerten Ausdruck. „Das ist heikle Familiensache über die ich nicht gerne rede. Schon gar nicht mit jemand den ich nicht gut kenne.“
Er verstand den deutlichen Wink mit den Geheimnissen. Wechselte das Thema. „Deine kriminelle Wohnumgebung behagt mir überhaupt nicht. Selbst für mich wäre das zu riskant. Ausserdem ist dein Job nicht ungefährlich. Mit all den unberechenbaren Klienten. Willst du nicht was dazu verdienen?“ Dabei lächelte er bereits schelmisch vor sich hin. Zweifellos war ihm ein vortrefflicher Gedanke gekommen.
Warum, fragte sich Safa selber, fühlte sie sich schon unbehaglich bevor er den Vorschlag verriet. „Was schwebt dir da vor?“
Er setzte sich an den Tisch um harmlos das Gemüse zu zerkleinern. Merkte selber wie seine ungeübten Finger Zeit brauchten um die Geschicklichkeit mit den scharfen Klingen zurück zu gewinnen. Genoss es Safa für ein paar spannende Minuten hinzuhalten. Dann startete er, „Ich hab meine Schwäche satt. Höre mich erst einmal an! Gegen deinen Verdacht, springe ich nicht allen Leuten an den Hals. Dazu bin ich zu wählerisch. Allerdings da ich deinen Geruch so mag, ich weiss du hörst das gar nicht gerne. Schaue nicht so böse! Es ist nun mal einen Tatsache also mache ich dir den Vorschlag; die Hälfte von dem Geld auf der Bank für ein bisschen Blut von dir. Wohlgemerkt ich nehme weniger von dir als wenn Du Blutspenden gehst. Hunderttausend für einen kleinen Deziliter. Schlaf erst mal eine Nacht darüber und sag mir morgen deine Entscheidung.“
Er gab sich sehr emsig beschäftigt mit seinem Gemüse. Stand dann auf um es dem köchelnden Hasen beizufügen. Allerdings störte ihn Safas Gelassenheit. Ihr Gehirn arbeitete aber auf Höchstleitung. Neben ihr stehend blies er ihr sachte in die feinen Haare, wie um sie abzukühlen. „Verrate mir deine Gedanken?“ „Gibt’s dafür auch Kohle?“ kam es in unverschämten Ton. Kurzes Auflachen das sofort stoppte als sie ihn humorlos anfuhr. „Das finde ich überhaupt nicht lustig. Auf eine Seite vermute ich, du willst mich bestechen. Dann weiss ich wieder nicht wo ich mit meiner Beurteilung stehe. Einmal wirkst du auf mich harmlos…danach möchte ich dich am liebsten wieder in die Klinik einliefern…“ Undeutlich ihre aufgebrachte Handbewegung in der Luft. Sachte fischte er sie aus der Luft. Hielt sie fest. Betrachtete mit Besorgnis die leicht angeknabberten Nägel. Behutsam strich er mit einem Finger über ihre Innenfläche. Wunderte sie ab der dünnen Hornhaut in der Innenfläche. Die feinen gepolsterten Hügel die verrieten, dass sie kräftig zupacken konnte. Er fragte sich insgeheim womit sie trainierte. Ihre Atmung beruhigte sich, als er sie so federleicht festhielt. Auf einmal kam ihm eine andere Idee. Beugte sich vor und schnupperte frech an ihrem schlanken Hals. Selbstverständlich erwartete er eine Attacke. Der wohl gezielte Fuss schoss allerdings ins Leere. Den harten Ellbogen bremste er ab bevor sie richtig ausholte. Seine Hände benutzte er nur zu Verteidigung. Weder hielt er sie fest noch berührte er sie. Nach wenigen Sekunden viel ihr das auch auf und stellte ihre Angriffe automatisch ein. Unsicher verharrte sie auf der Stelle, schielt aber höchst misstrauisch zu ihm hoch. Ihr nervöser Fuss stampfte jedoch dermassen heftig auf, dass er sich das Lachen nicht verkneifen konnte. Versuchte sich krampfhaft zu beherrschen, genauso wie sie gegen ihre Nervosität ankämpfte.
Schliesslich meinte er beruhigend. „Bringe ich dich wirklich so durcheinander?“
Liess seine Hand sachte durch die feinen Haare gleiten.
Hektisch warf sie die Erbsenhülsen vor ihr ins kochende, gesalzene Wasser. Als ihr dämmerte was sie gerade tat, schob sie Mikael energisch zum Tisch rüber. „hinsetzten bitte! Sonst wird das nichts mit dem Abendessen.“
Lachend gönnte er ihr eine Auszeit. Sie fischte mit einem Sieb die Hülsen wieder raus und warf diesmal richtig die Bohnen in Wasser, die kleinen Erbsen direkt in die braune Mehlsause. Ziemlich aufgebracht setzte sie sich zu ihm an den Tisch. Ihre braunen Augen funkelten lebendig zu ihm rüber. „Mikael“, versuchte sie es gefasst zu formulieren. „Du bist mein Klient. Heute frisch aus der Klinik auf Probe entlassen…“
„Ich bin also nicht dein Typ?“ Bedauerte er helfend. War erstaunt als sie sofort nervös an den Fingernägeln knabberte als gewänne sie damit einen Wettbewerb. Hilfreich streckte er seine Hand zu ihr hinüber.
Aufatmend legte sie ihre Hand äusserst zögerlich hinein. Eine schlichte Berührung die so viele unbeschreibliche Gefühle in ihr entfachten. Es viel ihr so schwer sich sachlich zu konzentrieren. Unbeeindruckt und gelassen zu bleiben nach allem was er alleine durch seine blossen Anwesenheit auslöste. Verzweifelt suchte sie nach den richtigen Worten, welche nicht ihr inneres Chaos verrieten. Genauso wenig wollte sie ihn kränken.
„Das stimmt nicht ganz. Mich stört nur dass du nicht geheil… du spinnst immer noch!“ Warf sie ihm unglücklich zu. Ungeachtet kitzelte er ihre Handfläche bis sie fester zugriff und ihn stoppte. Geschickt nutzte er den Moment, beantwortete gleichfalls ihren Griff. Er freute sich über den kleinen Sieg. Ihre Hand in seiner, ohne dass sie gleich fortzog.
Das Essen schmorte in der Pfanne leise vor sich hin. Schweigend sassen sie sich Gegenüber. Beide genossen die entspannte Ruhe. Nachdenklich begann Safa nach einer Weile. „Möchtest du den mein Typ sein“, begann sie vorsichtig.
Besonnen lies er sich Zeit mit der Antwort. „Manchmal kann man sich das nicht aussuchen. Ganz ehrlich wenn ich dich, vor Jahren, auf einem der Feste von meinem Bruder entdeckt hätte… Ja, auf den zweiten Blick hätte ich deine Gesellschaft gesucht. Sei es nur um mich kurz vorzustellen. Deine braunen Augen sind manchmal sehr lebhaft. Sie verraten so viel. Dieser Faszination kannst du dir gewiss sein. Das und deine zurückhaltende Art würden mich dann daran hindern wieder das Weite zu suchen. Selbst unter günstigeren Umständen, ja, in einem grösseren Zeitrahmen, wäre meine Freundschaft gewiss.
Was würdest du auf dem Fest tun?“ Gespannt wartete er auf diese Antwort.
Wohl lehnte sie sich auf dem bequemen Stuhl zurück. Liess ihre Gedanken schweifen. Sirinovska auf einem Fest. Irgendwie kannte sie ihn bisher nur müde, abgespannt sogar träge wenn er auch in kurzen Momenten durchblitzen liess das er alles andere als harmlos sein konnte. Rätselhaft faszinieren seine violetten Augen. „Trinkst du Alkohol?“
„Hin und wieder wenn ich eingeladen werde. Zuhause selten ein Glas Wein der zum Essen passt.“ „Rauchen?“ „Klares Nein.“
Sie zeigte offen ihr wohl gestimmtes Lächeln. „Ohne Klinik… Einerseits schwierig, da ich private Feste meide und selten öffentliche Veranstaltungen besuche. Angenommen ich würde dich auf einem Fest treffen…“ Sie lockerte erst seine angespannte Hand. Schliesslich gab sie zu. „Klar dass ich dich bemerke. Wer kann diese einmaligen Augen übersehen. Du kannst sehr hilfsbereit sein…“ sie verdrehte sie Augen und blickte lieber ausweichend zu Küchenuhr hoch.
„Was!“ Ungeduldig forderte er das Wissen.
„Was? Was! Klar bist du mir sympathisch. So sehr dass es mir Angst macht. Freundschaft… Hätte ich vermutlich abgelehnt. Überhaupt… Vermutlich würde ich dich meiden wie die Pest. Ja, schau mich nicht so an. Du bringst mich durcheinander…das ist nicht gut. Ich hab einen Job der mir Freude macht und muss mich darauf konzentrieren. Eine ernste Beziehung, dass ist…,“ sie lächelte verlegen. Alleine die wunderbare Vorstellung jemand wie Mikael würde sich ernsthaft für sie interessieren, das grenzte bei ihr an ein richtiges Wunder. Das wäre ja wie ein Hauptgewinn beim Lotto. Auf dessen Auszahlung sie gerne Verzichtete, wenn sie stattdessen Mikael im Ausgleich als Partner erhielte.
Gerade hielt er entschlossen ihre Finger in seiner warmen Hand fest. Eindeutig gefiel ihm ihre undeutliche Antwort überhaupt nicht. Miesmutig grübelte er vor sich hin. Fand aber keine erlösende Lösung. Schliesslich nahm er dankend ihren Vorschlag an. „Essen?“ Gut um vom ernsten Thema abzulenken.
Selbst als das köstliche Essen vor ihm auf dem Teller stand, gab er doch nicht so einfach auf. Energisch packte er die Gabel als sei es eine Waffe. Nervös stocherte er eine Weile auf dem unschuldigen Braten herum. Nachdenklich, konzentriert auf einer andere Ebene, bis er entschlossen zu Safa hinüber sah. „Morgen. Ich will das Blut von dir.“
Seine Miene heiterte sich schlagartig auf als er Safas geniesserische Freude sah. Wunderte sich das Essen alleine so was hinzauberte. Normalerweise strahlten so die Frauen wenn sie einen geschliffenen Diamanten sahen. Gewiss nicht bei einem schlichten Hasenbraten. Er sah ihn sich genauer an. Schmeckte normal, zart auf der Zunge. Hinterliess einen feinen, angenehmen Nelken Geschmack im Gaumen. Das erinnerte ihn an glückliche, unbeschwerte Zeiten seiner Kindheit. Ja, er gab es auch zu. Dieser einfache Braten schmeckte besser als jeder Diamant.
Nach dem Essen räumte Safa alleine ab. Innert wenigen Minuten war die Küche sauber. Die Küchenuhr zeigte erst auf acht. „Was jetzt“, sagte sie so dahin.
Soweit er sich zurück erinnerte. „Normaler Weise bekomme ich um diese Zeit meinen Medikamente und schlafe dann friedlich die ganze Nacht durch.“ Das erinnerte Safa an seine Kopfschmerzen. „Badezimmer“, bat sie. Übereiche ihm das ein leichtes Medikament. „Das die nächsten zwei, drei Tage um Nachwirkungen abklingen zu lassen und dann ist Schluss.“
Er nahm dankend das Glas Wasser aus ihren Händen. Ihr war wieder unbehaglich im engen Badezimmer. Während er seine Tablette runter spülte, rieb sie mit einer Creme die Haut unter den Fussfesseln ein. Er hingegen fand die Dusche auf einmal interessant. Leichtfertig fragte sie. „Willst du?“
Unsicher fragte er. „Hat warmes Wasser?“
„Sicher. Hat jeder in Europa! Wo kommst du her?“
Abweisend rümpfte er die Nase. „Aus einer sparsamen Klinik wo man kaum lauwarm Duscht.“ Erstaunt sah sie zurück. „Im ernst? Das hat…man mir gar nicht gesagt“ Sie schluckte leer. Er sollte nicht wissen dass ihre Schwester sozusagen seine Zellennachbarin war. Jetzt wunderte sie nicht mehr warum Katalina Zeitweise so mies drauf war. Diesen Umstand musste sie umgehend ändern. Eine solche Behandlung verdiente keiner.
Als ihr wieder bewusst wurde wo sie stand, in ihren Gedanken versunken sah sie sich hastig um. Blieb an Mikael hängen, der gespannt wartete. „Wieder am träumen? Darf ich?“ Wollte er in Bezug auf die Dusche Bescheid wissen. „Klar.“ Wieder zu spät dämmerte ihr was das bedeutete. Raus aus dem Badezimmer konnte sie wegen der kurzen Distanz nicht. Sie fischte aus dem Lavaboschrank ein Badetuch hervor. Winkte Mikael, der schon sein Hemd auszog, näher heran. Fuhr mit einer Hand prüfend durch sein glattes, dichtes Haar. Ihm gefiel offensichtlich diese Behandlung. Wunderte sich wie er zu dem Glück kam. Sie schüttelte schief den Kopf in der Art- nicht was du denkst. Stattdessen reichte sie ihm das geeignete Haarwaschmittel. Setzte sich dann auf das geschlossene WC nieder. Überrascht dass er sich ungehemmt auszog. Bewunderte seinen elastischen Rücken. Gerade Schultern die trotz Untätigkeit, in der Klinik, robust wirkten. Er war nicht besonders kräftig sondern elegant gebaut. Vor allem die schmalen Hüften. Erst als er in seinen weissen Boxershorts dastand blickte er prüfend zurück. Sofort rutschte Safina mit einem peinlichen gemurmelten, „Sorry!“ in eine andere Richtung. Senkte hastig den Blick zu Boden. Trotzdem hörte sie seinen amüsierten Ton aus der Stimme heraus. „Ich dachte du hast an einem frisch entlassenen Irren kein Interesse?“ Darauf hielt es Safa für besser zu schweigen. Liess nur ein leises verstimmtes Murren von sich hören. Den Rest zog er in der Dusche aus, hinter dem Wolkenvorhang. Nicht weil ihn das zusehen störte sondern mehr weil er sie nicht weiter in Verlegenheit bringen wollte.
Wasser rauschte los. „Safa, darf ich fragen, ist deine letzte Beziehung nur wegen dem Job zerbrochen?“
„Ja. Fast ausschliesslich. Ihn haben die Arbeitszeiten gestört und mich hat noch was anderes genervt. Nachdem er einmal meine Schwester stresste, hatte er sein Heil in der sicheren Flucht gesucht. Kluge Entscheidung.“ „Warst du je verlobt?“ „Wird das eine Fragestunde?“ „Willst du nur still dasitzen?“ Dasitzen und von einem nackten perfekten Mann träumen der hinter dem Vorhang duschte. Dem das warme Wasser über die feine Haut nach unten perlte. So verführerisch nah und gleichzeitig so unerreichbar. Er missverstand ihr Schweigen. „Okay“
„Nein, schon gut ich war nur in Gedanken abwesen.“ „Das bist du in letzter Zeit oft.“
„Normalerweise bringe ich auch keine Klienten mit nach Hause. Du bist eine Ausnahme und das bringt meinen normalen Haushalt ziemlich durcheinander.“ „Dann sollte ich mich wohl entschuldigen.“
Ein Leben ohne ihn je kennen gelernt zu haben. Nach diesem einen Tag zweifelt Safa ob sie auf das Vergnügen verzichten würde. „Nein, musst du nicht. Ist vielleicht gut so wenn man aus seinem eingefahrenen Trott aufwacht. Mir war das gar nicht mehr bewusst. Es hat mir heute wieder mal richtig Spass gemacht in der Stadt herum zu spazieren.“ Dabei dachte sie weiter. –Vor allem wenn man dabei nicht alleine ist. Manchmal war der Park ganz schön Deprimierend wenn sie manchmal die anderen glücklichen Paare beobachtete.
„Schön. Was steht Morgen auf dem Programm? Hast du schon einen Plan?“
Sie überlegte kurz und meinte mit deutlicher Schadenfreude. „Ja, da wäre noch ein Besuch beim Papst. Ich bin überzeugt sein frisches Weihwasser wirkt stärker als das heute in der Kirche.“
„HAHA,“ spottete er nur.
„Vielleicht kennt er einen guten Exorzisten. Der kann dich schneller heilen als ich.“
„Deine Medizin schmeckt mir aber besser.“
„Das glaube ich dir. Möchte gar nicht wissen was so einer dir zum Essen vorsetzt. Brechmittel.“
„Schlimmer. Ich habe da schon einige grausige Geschichten gehört. Wir sind allerdings auch nicht zart mit denen vom Vatikan umgesprungen, falls wir einen erwischt haben der unseres gleichen gefoltert hat. Gar keine Geschichte für eine junge Frau wie dich.“
„Okay. Dann was anderes. Denkst du, dass du heute Nacht schlafen kannst? Oder ist was dran dass Vampire überhaupt nie schlafen?“
Erheitert lachte er kurz. „Unser trainierten Körper braucht auch Ruhe und unser scharfer Geist erst Recht seine Erholungsphasen. Auch so ein Schwachsinn den alle glauben. Mir soll es Recht sein. Dann fürchten sie uns mehr. Es wäre wünschenswert, dass ich ohne zusätzliche Mittel durchschlafen kann.“
„Sonst… ich lege dir was auf den Nachttisch bereit. Dann musst du mich nicht wecken. Wenn man mich nachts aufweckt bin ich ziemlich mies drauf. Jedenfalls wenn ich meinen Tiefschlaf nicht bis zwei Uhr morgens durchziehe, könnte der folgende Morgen ziemlich ziemlich unter meiner schlechten Laune leiden.“
„Ich werde es mir merken. Ist Sonst noch was aus deiner Gebrauchsanweisung wichtig.“
Diesmal lachte sie selber. „Nein.“ Nutzte die günstige Gelegenheit sich gerade die Zähne zu putzten. Wenn er schon hinter dem Vorhang steckte, gleich auch kurz auf die Toilette.
Zwanzig Minuten genoss er ausgiebig die heisse Dusche. Sie reichte ihm, sobald das Rauschen des Wassers verstummte, unaufgefordert das Badetuch hinüber. Hineingewickelt trat er heraus. Seine Schultern waren frei und die Haut gerötet vom heissen Wasser. Besorgt betrachtete Safa ihn, sagte aber kein Wort. Wandte ihm den Rücken zu damit er sich in Ruhe anzog. Ihre langen Blick vorhin schienen ihn zu erheitern. „Und“, fragte er. „Wann darf komme ich in den Genuss dich einmal so ansehen?“ Sie drohte gespielt. “Wenn du mich noch einmal so was fragst, kneife ich dich in den Hintern.“
Er schlüpfte in seine Kleider. „Das ist schön. Nicht das Kneifen. Einfach dass du so offen bist. Meine Exverlobte Melanie hätte sich das nie getraut. Ins Badezimmer während ich dusche, undenkbar. Aber ich denke die Zeiten haben sich für alle geändert.“
Ungern fragte Safa, „Vermisst du sie?“
Ein entsetzter Ausruf folgte. „Niemals. Dieses aufdringliche Biest hätte sich nie ins Badezimmer getraut, aber ins Schlafzimmer musste ich immer meinen Diener vorschicken, damit er sich vergewissert, dass sie sich nirgendwo versteckte.“ Vor dem Spiegel überprüfte er seine Erscheinung. Blickte darin zu Safa zurück. Bat, „Morgen bitte etwa schönes vornehmen. Bin gespannt was du heute Nacht alles ausbrütest. Nur bitte nimm auch etwas schönes auf die Liste was dir auch gefällt. Ja?“
Einverstanden nickte Safa zustimmend mit dem Kopf. „Willst du noch eine Stunde Fernsehen vor dem Schlafen. Schwer hing er verträumt seinen Gedanken nach. „Mir steht der Sinn nach ganz anderem aber da würdest du mich einen Kopf oder mehr kürzen, selbst wenn ich dich ganz lieb darum bitten würde.“
Wissend lachte Safa. „Da reizen mich nicht mal deine hunderttausend.“ Als sie seinen seltsam merkwürdigen Blick bemerkte der stark nach Depression, oder einem geprügelten Hund aussah, ergänzte sie tröstend. „Versteh mich nicht falsch. Du gefällst mir. Da kann ich es mir nicht leisten mit dir was anzufangen und später… Leute wie du heiraten perfekte Frauen, die sich präsentieren lassen. Die einen anderen Status bevorzugen als ich. Und für ein Abendteuer auf Zeit, da verbrenne ich mir nicht die Finger bei dir. Verstehst du das?“
Er spazierte hinter ihr ins gemütliche Wohnzimmer das eher einer Bibliothek glich mit seinen unzähligen Gestellen an den Wänden. Einzig die hintere Wand bildete eine Ausnahme wo ein weiches Ledersofa anlehnte. Gegenüber eine Wohnwand mit einem Grossbildfernseher. Bequem setzte er sich gleich auf die kleine, alte Couch die nur zwei Leute fasste, so als sei er der Chef zuhause. Genauso überreichte ihm Safa sogleich die Fernbedienung hinüber. Verdutzt blickte er auf das ihm fremde Ding mit den unzähligen Knöpfen. Sie deutete auf den grosse Knopf dann auf die kleinen zum schalten. Als der Fernseher lief starrte er gebannt auf die Mattscheibe wie ein kleiner Junge. Testete wahllos die Knöpfe und verirrte sich mehrmals in Einstellungsprogramm. Genervt legte Safa ihr Buch nach einem Kapitel zurück. „Mach Platz!“ Quetschte sich auch auf Sofa wo er zurücklehnte und ihr über die Schultern schaute. Einmal zappte sie das ganze Programm durch. Und staunte was ihm gefiel. Entweder die Kurznachrichten oder bedauerlich eine Filmstory die schon nach zehn Minuten endete. Anscheinend fand er die meisten Tierdokumentationen gerade zum Umschalten schön. Das langweilige Programm genoss er auch meist in der Klinik neben der einfallslosen Werbung. Dafür gefiel ihm das bequeme Sofa in dem man so leger zurücklehnte. Sogar Safa lies seine Nähe zu, was er natürlich ausnutzte und sich genauso an sie lehnte, wie eine verwöhnte Katze. Das verleitete sie natürlich dazu in seinen feuchten Haaren zu kraulen wie bei einem Fell. Nach kurzer Zeit jedoch zog er die Hand auf sein warmes Hemd über den Brustkorb hinunter. Jeden Protest quittierte er mit einem rüden Stoss von seinem Ellbogen. Empört murrte Safa auf doch diesmal verstand sie was er meinte, da er einen gewissen Blick einsetzte der jeden Protest erstickte. Ausserdem wenn sie schon mal die Hand da hatte, presste sie fester hinunter und hoffte einen Herzschlag zu spüren. Als das nicht klappte, nahm sie die andere Hand. Verwundert spürte er zwei Finger die sich fest seitlich an seinen Hals drückten. Ihr „Halt still!“ beunruhigt ihn weiter. Er fasste ihr an die Stirn als hätte sie Fieber. Sein Resultat. „Sonst bist du gesund?“ „Eh“, kam es sofort. „Ich habe einmal gelesen Vampire hätten keinen Puls.“
„Ach, an den Osterhasen glaubst du wohl auch noch? Wie glaubst du kommt unser Blut ins Gehirn? Ach ich vergass, wir haben wohl gar kein Blut. Vielleicht nur Wasser, “ spottete er. Das er das so ins Lächerliche zog schmeckte ihr gar nicht. „Sag mal Mikael. Dein Bruder hat doch so einen guten Einfluss. Kannst du ihn nicht anrufen damit er bei den Behörden ein gutes Wort einlegt. Damit du hier auf dem kleinen Sofa schlafen kannst und ich das Schlafzimmer ganz für mich alleine hab.“
„Das hättest du wohl gerne.“ Rasch kam er auf die Beine. Mit einem leichten Humpeln zielte er rasch das Schlafzimmer an. Verwundert sah sie dem flüchtenden nach. Erst nachdem er rief „Dem ersten gehört das Bett.“ Da sperrte sie empört den Mund weit auf. Drückte hastig den Fernseher aus. „Das wagst du nicht.“ Statt versuchen ihn zu überholen stellte sie ihm schlauerweise gerade auf dem letzten Meter, einhaken den Fuss. Allerdings packte er schonungslos ihr Hemd. So dass beide unsanft auf die Matratze herunter krachten. Abrollend war es wieder ein starkes Bein das ihn unsanft auf die Seite schleuderte. Schwindlig setzte er sich am Boden auf den Teppich. Mit einem bittersüssen Siegerlächeln sass Safa auf dem Bett. „Hast du dir wehgetan?“ Ein wenig verstimmt sah er zurück. „Nein, sicher nicht. Ich habe nur vergessen, wie kräftig deine Beine sind.“
Auffordern klopfte Safa neben Platz an ihrer Seite. Zweifelnd stand in seinem Gesicht geschrieben. „Mikael das ist ein Doppelbett. Das hat auch Platz für dich. Bleib einfach brav auf deiner Seite… Dann lebst du länger!“
Das folgende trockene Lachen gönnte sie ihm. Unter ihrem Kopfkissen lag ihr hellgrünes Nachthemd mit Hosen. Sie verschwand mit beidem hinter die offene Schranktüre und zog sich hastig um. Er bevorzugte seinen weichen Traineranzug. Obwohl ihr Anzug weit geschnitten war, fühlte sie sich richtig von ihm beobachtet. Wühlte in der Nachttischschublade nach den flachen kreisförmigen Kautabletten um das schlafen zu erleichtern. Warf ihm zwei zu. Er betrachtete die Plastik Packung fragend mit grösser werdenden Augen. Erst nach einer Sekunde dämmerte ihr was typisch Mann als erstes durch den Kopf schoss. Zum ersten Mal war ihr es so peinlich, dass sie selber nicht verhindern konnte rot zu werden. „Das“, erklärte sie eilig, „Ist zum schlafen. Einschlafen. Schlaftabletten. Himmel nein, keine Kondome“, sie schlug sich selber auf die Stirn. „Was du wieder denkst!“
Belustig schmunzelte er vor sich hin. Legte die Packung auf seinen Nachttisch. Deckte sich zu. Wieder blieben seinen Augen auf ihr Ruhen, selbst als ihr Kopf auf dem Kissen ruhte. Safa hofften, dass er bald einschlief und sie ein paar Stunden schlaf bekam. Löschte das kleine Nachtlicht auf ihrer Seite.
Mitten in der finsteren Nacht, sogar die Strassenlaternen dämpften ihr Licht. Neuerdings ein Stromsparprogramm welches Safa verriet, dass es nach Mitternacht war. Eindeutig hatte sie tief geschlafen. Ihr Kopf schmerzte leicht von dem ungewohnten aufwachen. Irritiert horchte sie in die Stille des Raumes. Gleichmässiges Atmen neben ihr liess ihre Sinne schärfer werden. Sie, das Gegenteil von einem Kuscheltyp, störte sofort die zusätzliche Wärme in ihrem Rücken. Vor allem der fast heisse Atem, der an ihrem Hals entlang strich, leicht gepresst, hinderte sie daran beruhigt weiter zu dösen. Automatisch atmete sie selber flach um besser zu horchen und gleichzeitig tieferen Schlaf vorzutäuschen. Geduldig wartete sie und senkte gleichzeitig ihren Puls. Da, ein unterdrückter Seufzer, ein leiser gepresster Atemzug reichte ihr. Fast unhörbar raschelte das Kopfkissen neben ihr. Längst hatte sie in der Hand was immer unter ihrem Bett griffbereit lag. Die Matratze senkte sich, hinter Safas nahem Rücken, unter einem schweren Gewicht. Sirinovska spürte auf einmal einen kalten scharfen Gegenstand an seinem Hals. Instinktiv rührte er sich keinen Millimeter, den die scharfe Klinge ritzte jetzt schon gefährlich seine sensible Haut auf, allein durch ihr schweres Eigengewicht.
Völlig überflüssig Safas scharfer Befehl. „Beweg dich ja nicht!“ Zittrig taste ihre freie Hand nach dem Lichtschalter. Kaum blendete das ungewohnte Licht die empfindlichen Augen, sah Sirinovska ziemlich verwundert was ihn da in der Bewegung erfolgreich einschrenkte. Keuchte, „ein Schwert.“
Träge vom Schlaf leicht umnebelt, aber mit sicherer Hand, gähnte Safa ausgiebig um ihre Gänge aufzuschalten. Das Schwert so scharf wie eine neue Rasierklinge, war speziell für dafür gedacht jemanden Stillzuhalten. Für einen Kampf war es vom Material her viel zu brüchig, da es kaum Eisen enthielt. Sie hatte ein Dekorationsschwert das seine anderthalb Kilo auf die Waage brachte, eigenhändig geschliffen. Für grobe Gewalt wählte sie lieber den stabilen hölzernen Baseballschläger. Das schwere Schwert konnte sie dank ihren kleinen Händen sogar als Zweihänder benutzen. Ein aufgeknüpfter Lederbezug verhinderte, dass ihre Hand schwitzte.
Ihr anklagender Blick senkte sich auf Sirinovska. Bitter versuchte er ein entschuldigendes Lächeln aufzusetzen. Jede geringste Zuckung an seinem Hals strafte die Klinge erbarmungslos. So wagte er vorerst nicht einmal zu sprechen. Schön langsam hob sie mit einer Hand die breite Klinge weg, als wäre sie ein Fliegengewicht. Er wusste, dass dies täuschte. An ihre rauen Handinnenflächen konnte er sich gut erinnern.
Unsicher tastete er hastig an den verletzten Hals. Eine ganz dünne Linie von sieben Zentimeter hatte sie erreicht. So eine offene Verletzung erreichte sonst bei ihm allerhöchstens sein Bruder, bei einem Übungskampf. Niemand, vor allem kein Mensch, schaffte es bisher ausserhalb der Klinik ihn zu verletzen. In der Klinik war er ruhig gestellt, dass war eine vollkommen andere Sache. Vor wenigen Minuten waren alle seine Sinne voll angespannt und er bemerkte nicht den geringsten Hinweis auf einen Angriff. Das beunruhigte ihn schlimmer. Seine offene Wunde dagegen, das wusste er, heilte innerhalb einer Stunde ohne dass eine Narbe zurück blieb.
Ratlos dagegen sah er Safa an. Er fühlte sich in allen Punkten schuldig. Sein Plan, an das Blut zu kommen während sie abwesend schlief, war gründlich misslungen. So schüttelte er den Kopf. „Es tut mir leid!“ Sagte er mit betroffener Stimme wie möglich. Gab sich geschlagen. „Ok. Dann lege mal schön deine Hände ans Gitter hoch!“
Sprachlos hob er die Hände als das silbrige Schwert mit seiner glänzenden Schneide erneut auf ich zielte. Zufrieden schmunzelte Safa. Mit der freien Hand fischte ein geübter Griff unter das Bettgestell. Bestürzt entdeckte Sirinovska die zähen Plastikkabelbinder mit denen man eigentlich Baugerüste oder Vorhänge befestigte. Einmal angezogen brauchte es eine scharfe Klinge um sie wieder aufzuschneiden. Kompromisslos drohte Safa mit ihrer Waffen. Auf eine gewisse Weise fand er es lobenswert wie sie das grosse Schwert mühelos handhabte. Es hatte eine gewisse Faszination für ihn. Wünschte sich, einmal richtig mir ihr zusammen, auf Übungsplatz zu testen wo die Grenzen lagen. Widerstandslos liess er seine beiden Handgelenke an das Eisengestell binden. Beim beugen über ihn war ihr weicher Busen so nah. Safa Nähe, ihr blumiger Körpergeruch, raubte ihm vorübergehend den klaren Verstand. Erst als sie begann einen Fuss festzubinden wollte er aufmüpfig protestieren. Eine rapide Bewegung ihrer Hand liess ihn freiwillig spuren. Entsetzt starrte er auf die scharfe Klinge, hoch zwischen seinen Oberschenkeln, gefährlich nahe an seiner Haut.
Aufgebend liess er sich in die weichen Kissen zurück sinken. Auf keinen Fall wollte er sein hauptsächliches Ziel am morgigen Tag gefährden. Ihr kaltes. „Sonst noch Wünsche?“ veranlasste ihn nur brav den Kopf zu schütteln. Innerlich beglückwünschte er sich über ihrer Großzügigkeit. Immerhin gönnte sie ihm einen fingerbreiten Spielraum bei den Fesseln. Seine Zirkulation in den Gelenken war selbst bei einem unruhigen Schlaf gewährleistet.
Zufrieden schlüpfte sie wieder unter die Decke. Löschte das Licht.
Es schmeckte Mikael überhaupt nicht, dass er so hilflos ruhig gestellt war. Schlimmer als in der Klinik war er diesmal bei vollem Verstand und ohne die betäubenden Medikamente. Vergebens versuchte er von seiner Heimat zu träumen. Von den weiten Grassteppen wo er früher mit seinen Bruder einst um die Wette ritt. Von den wilden Schwertkämpfen, die ihn dermassen erschöpften das er keinen Finger mehr rührte. Wünschte sich die schönen Zeiten nochmals zu erleben. Diesmal gemeinsam mit seiner auserwählten Gefährtin. Qualifiziert genug war sie. Was er an diesem einen Abend erlebte übertraf bei weitem seine aufgestellten Erwartungen. Anfangs vermutete er noch sie sei angenehm zur Unterhaltung und einfach ungewöhnlich hübsch. In Betracht seiner seltenen Zwangslage fügte er hinzu, dass ihm garantiert nie Langeweile bevorstand. Schwere trampelnde Schritte rissen ihn aus seinen Träumen. Er rätselte welche Personengruppe um diese frühe Morgenstunden noch so kräftig auftrat. So gleichmässig im Takt die Treppe hochtanzten. Angestrengt horchte er genauer hin. Hörte sich an wie ausgebildete Leute vom Militär.
Zuckte böse zusammen als eine lärmende Faust brutal an ihre Haustüre hämmerte. Verschlafen murmelte Safa undeutlich vor sich hin. „Safa“, appellierte er an ihre Vernunft. Selbst auf die Gefahr hin, dass die gefährliche Klinge wieder auf ihn zielte.
„MHMM“, murrte sie missmutig. Richtete sich im dunklen auf. Selbst sie hörte das leise Kratzen, von Metall, bei ihrer Haustüre. Wusste sogleich, dass jemand versuchte einzubrechen. Im dunklen nahm sie ihr Schwert und eilte ihn Wohnzimmer. Presste sich flach neben dem ersten Büchergestell an die Wand. Genau hatte sie diese Lücke eingerichtet. Keiner der durch den Gang lief, nicht mal einer der ins Wohnzimmer trat würde sie auf dem ersten Blick wahrnehmen. Wenige Sekunden später krachte es leise bei der aufgebrochenen Wohnungstüre. Mit Stahlkappen verstärkten Stiefeln war es unmöglich auf dem Pakettboden leise zu sein. Wie ein tobender Hurrikan stürmte die Gruppe durch den Gang, dass die Bilder an den Wänden zitterten. Sobald die laute Meute am Wohnzimmer vorbei rannte, versperrte Safa den Rückzug. Schaltete als erstes das helle Ganglicht ein. Was die mit den geschwärzten Tarnanzügen aufschreckte. Bevor der hinterste sich umwandte schlug ein harter Baseballschläger unterhalb von seinem gepanzerten Helm in den Nacken. Er sackte einfach in sich zusammen. Dem Zweiten Kickte sie kräftig von hinten in die Knie und bevor er vollends einknickte bekam er eine volle Dröhnung auf den Hinterkopf. Ein wenig Wunderte sich Safa über den merkwürdigen scheppernden Ton als ihr Schläger traf. Sie realisierte jedoch nur seine Schusswaffe in der Hand und reagiert instinktiv. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Entsetzen in seinen aufgerissenen Augen weil er über seine verspätete Reaktion wusste. Ein harter schmerzvoller Schlag entstellte seine Nase. Wobei Safa genau auf den Schlagwinkel achtete um ihn nicht zu töten. Dem letzten brauchte sie nur das Schwert unten an die Kehle pflanzen. Die hinderliche Größe, von dem Winzling, erlaubte schlecht über seinen Kumpels hinweg zu schiessen.
Ein paar Sekunden erlaubte sich Safa selber die Lage zu ordnen. Trotz dem Schrecken war sie immer noch nicht richtig wach. Ihr Abwehrsytem hatte einfach gewusst was zu tun war. Die Gedanken hinkten da weit hinterher. So entstand eine Schweigeminute. Der vor ihr wagte wegen der Schwertspitze nicht zu sprechen also übernahm sie das Kommando. „So, wer von euch Ladys ist auf den dummen Gedanken gekommen bei mir einzubrechen?“ Der mit der blutigen Nase deutete auf den vorderen Zwerg. „Der Gartenzwerg mit dem Spatzengehirn. Kein Wunder habt ihr kläglich versagt. Wer von Euch Kohle vom letzten Überfall hat, bitte auf den Küchentisch hinlegen. Und Leute, ich hab empfindliche Ohren und kann sehr weit seitlich sehen. Jede schnelle Bewegung kann eurem Anführer die Stimmbänder versauen.“ Einzig der Anführer fasste in eine seiner gebeulten Jackentaschen. Hervor kam ein dickes Portemonnaie was Safa mit einem erfreuten, breiten Grinsen quittierte. Danke nahm sie es an sich. Wobei die dunklen Augen ihres Gegenübers böse auffunkelten. Sein Versuch zu sprechen würgte sie ab. „Um diese unchristliche Uhrzeit könnt ihr eure Beleidigungen bei Euch behalten.“ Zaghaft räusperte sich der Mittlere und sagte leise darauf hin. „Sorry, wenn wir stören, aber der Fuss blinkt rot!“
Verspätet erinnerte sich Safa an die elektronischen Fesseln. Stöhnte, „Auch das noch. Na dann bekommen wir bald Besuch von einem überflüssigen Sturmtrupp. Der kann euch gleich mitnehmen!“ Alles andere als Erfreut über den baldigen Zuwachs weiterer Trampeltiere die ihre Wohnung stürmten. Dennoch behielt sie Ruhe und eine sichere Hand. Inzwischen rollte der Gartenzwerg mit den Augen, schäumte fast vor dem Mund als hätte er die Tollwut. Davon liess sie sich unbeeindruckt. Wunderte sich wie lange eigentlich drei Minuten dauerten in einem Notfall. Wieder räusperte sich der blutige Kollege. Winkte schüchtern mit einer verschmierten Hand ihr zu. Mit Tränen, vor Schmerz, in den Augen legte er seinen Helm ab. Endlich begriff Safa das was nicht stimmte. Sie lies die Klinge sinken. Sofort brüllte der wütende Zwerg los. „Das ist doch die Höhe! Wo ist der Klient!
Verwirrt deutete Safa zur Schlafzimmertür. Gehässig warf der Kleine einen Kontrollblick ins besagte Zimmer. Inzwischen fragte Safa vorsichtig. „Ihr seid die Sturmtruppe? Unter dieser bemalten Schminke habe ich Euch gar nicht wieder erkannt.“ Finster, stumm funkelte der Verletzte sie an und hob erst einmal seinen liegenden Kollegen auf die Schultern. Aus dem Schlafzimmer jammerte Sirinovska. „Kann mich einer losbinden?“
Schäumend vor Wut trat er kleine Chef vor sie hin. Sie versteckte hastig ihre Klinge hinter ihrem Rücken und setzte einen unschuldigen Blick auf. Irgendetwas lag dem Kleinen auf der Zunge, der sich aber nicht entscheiden konnte was er ihr zuerst an den Kopf warf. Schliesslich ein schrilles, „Das wird ein böses Nachspiel haben!“ Marschierte aus ihrem langen Korridor. Seine Kollegen rasch hinterher. Sogar draussen im Gang wiederholte der Chef seine bitteren Worte. Safa murmelte nur ein affiges, „Ja ja. Ich habe eine gute Versicherung.“
„Wie bitte?“ Schrie es da wütend durch das ganze Treppenhaus nach oben. Sie: „Ich hoffe ihr haben auch so eine gute Versicherung wie ich!“
Schlenderte müde ins Schlafzimmer wo immer noch ein gefangener Mikael wartete. Gerade wollte er den Mund aufmachen. Da zeigte sie ihm drohend den Zeigefinger. „Noch ein einziges Wort und ich bin stinksauer. Du bleibst hier! Ich geh rüber und schlafe auf der Couch. KEIN Wort.“ Sie löschte endgültig alle Lichter. Erleichtert wollte sie in die Couch versinken als ihr die doofen Fussfesseln erneut einfielen. Schon im letzten Schlaf musste ihr Fuss zu lange, zu nahe bei Mikael gelegen sein. Träge stand sie auf. Schlurfte ans aufgemachte Fenster. Einmal tief, tief Luftholen. „He, Sturmtruppe, “ brüllte sie nach unten über den Platz. Versteckt in einer dunklen Ecke der schwarze VW Lieferwagen mit den vergitterten Fenstern. Es wackelte in dem Bus. Ein Vorhang zog sich zur Seite und man sah das gedämpftes rötliche Licht im inneren. „Zu Info! Wenn nochmals einer es wagen sollte meinen Schlaf zu stören schiess ich mit meiner Kalaschnikow auf alles was sich beweeeeegt!“ Knallte so heftig die Fenster zu dass Glas gerade noch heil blieben. Lachte innerlich über den gelungenen Scherz. Heute Morgen bis zum Sonnenaufgang würde garantiert keiner mehr besoffen draussen rumlaufen, oder einer der Nachbarn es wagen laut zu pöbeln.
Beruhigt liess sie sich in das Ledersofa fallen.
Der Ausflug
Sonnig startete der neue Tag freundlich. Die hellen Strahlen blieben dank einem dünnen Vorhang jedoch ausserhalb des Zimmers. Liessen die Stube in einem warmen orangen Ton erleuchten. Kraftlos erhob sich Safa aus ihrem einengenden Sitz. Kaum erblickte sie ihr Schwert fiel ihr die Misere der letzten Stunden wieder ein. Ein unglücklicher Umstand der passiert und nicht mehr zu ändern war. Also warf sie jeden schlechten Gedanken hinter sich. Fokussierte die halboffene Schlafzimmertüre. Widerstrebend ging sie ihrer Herausforderung entgegen. Gab der Türe einen sachten schubs um den Blick ins Innere freizulegen. Friedlich schlief er trotz seiner unbequemen Lage. Den Idyllischen Moment geniessend setzte sie sich zu ihm an die Bettkante. Mit dem halboffenen Nachthemd sah er so normal aus. Nein, sie korrigierte sich rasch. Selbst gefesselt und mit einem unordentlichem Anzug ähnelte er mehr einem mageren Model als einem Psychopaten. Seine Gesichtszüge verrieten Geheimnisse aber keine Hinterlist. Napoleons Gesichtszüge glichen, selbst nach der Entlassung, dem einen gerissenen Fuchs. Wachsame Augen die nach Lücken linsten. Dieser Mikael wirkte eher träge, gelassener. Bei ihm zündete der Antrieb auf seine frische Freiheit im Sparmodus. Er wirkte zwar aufmerksam aber sie vermisste ein gewisser Funken. Etwas was er aus seiner Vergangenheit verschwieg. So viel was sich widersprach in dem Fall. Auf die eine Seite logisch erklärbare Fakten. Sie wünschte sich das er lieber vorgab eine Wiedergeburt von einer Persönlichkeit zu sein als ausgerechnet ein Blutsaugender Vampir. Damit verband sie keine romantischen Ansichten. In den letzten fünf Jahren gab es wieder diese kitschigen romantisiert Vampirwellen in den Kinos. Ganz selten eine echte Horrorgeschichte darunter. Sie hatte jeden Film Ausgelassen. Vielleicht war sie wegen ihrer Vergangenheit zu sehr mit der Realität konfrontiert, dass ihr keine Zeit zum Träumen blieb. Allein der Gedanke an ihre liebe Schwester. Eine so hübsche, kesse Frau die vermutlich kaum vor dem Pensionsalter ihre Freiheit wieder sah. Katalina mit ihrem starken Beschützerinstinkt der ihr zum Verhängnis wurde. Als ihre Mutter noch lebte, folgte das Leben so unbeschwerten Bahnen. Nach einem Autounfall änderte sich das in wenigen Jahren komplett in einen Alptraum. Seelen zerbrochen, zur Grausamkeit gezwungen. So vielen Patienten heilte sie erfolgreich oder fand eine vernünftige Lösung ihr Leben teilweise selbstständig zurück zu bekommen. Nur bei Katalina… Dieser Energie war sie nicht gewachsen. Seit sie Mikael begegnete verspürte sie eine ähnliche Energie wie bei ihrer Schwester, das bereitete ihr Sorgen. Nicht um ihre eigene Sicherheit sondern für ihn selber. So ein schöner Mann, der gerne und viel lächelte, sie wünschte ihm kein Leben in einer geschlossenen Anstalt. Sie hoffte wirklich zur Überzeugung zu gelangen, dass er für die restlichen Menschen auch keine Gefahr mehr darstellte.
Eine warme Stimme schreckte sie aus den Gedanken. „Schon wieder am Träumen?“ Ihr trauriges Lächeln tat ihm weh. „Safa, was ist los“
Sie griff in ihrem Nachttisch nach dem scharfen Cutter. Auch im Schlafzimmer waren die schweren Vorhänge zu. Dennoch sah er das scharfe Werkzeug deutlich. Ihr Zögern bereitete ihm Unbehagen. Mittlerweile kannte er Safa zu gut um zu wissen, dass wieder eine neue Runde alter Märchen anstand. Sie legte unentschlossen das Messer auf die Seite. Lehnte sich über ihn und betrachtete seinen Hals. Ihm schwante schlimmes. Sie setzte die dünne Klinge, anstatt auf den fesselnden Plastik, auf die direkte Haut des Handgelenkes.
Entsetzt hauchte er, „Tu das nicht?“
„Was passiert wenn doch? Ich kenne die Schärfe meines Schwertes. Eine kleine getrocknete Blutspur ist noch an deinem Hals, aber sonst ist alles wie vorher, ohne Anzeichen einer Vernarbung“.
„Was soll da schon sein? Ich blute und empfinde genauso schmerzen wie alle anderen Menschen. Der einzige Unterschied besteht darin…“ er zögerte. Sie drohte. „Soll ich dich wie einen Frosch sezieren bis du mit der Wahrheit rausrückst.“
Seine Augen wurden gefährlich dunkel. „Willst du mir ernsthaft drohen?“
Gerne hätte sie ihre Macht voll ausgespielt da er schon mal so wehrlos dalag. In ihrem Inneren sträubte sich etwas dagegen. Sie wusste, wie bei ihrer Schwester schickte es sie auf den falschen dunklen Pfad, der innerliche Narben zurück liess. Sie suchte nach einer anderen Lösung. Begann behutsamer. Setzte sich gemütlich neben ihm. „Möchtest du gerne ein feines Frühstück mit frisch gebackenem Brot aus dem Ofen. Käse der auf der Zunge vergeht und einen heissen Kaffee oder …“ Sie tippte an seinen kleinen Finger. „Welcher tut da noch weh? Was passiert wenn man ihn abschneidet?“
Innerlich kämpfte er mit sich selber. Gab sich stark nach aussen aber sie hörte den inneren Zweifel „Das traust du dich nicht!“
Sie nahm den Cutter in die Hand. Liess die Klinge wieder hochspringen. Demonstrativ vor seinem Gesicht. Deutlich vernahm sie sein leeres schlucken. Mit einem falschen Lächeln auf ihren Lippen, näherte sie sich entschlossen seiner Hand. Fokussierte behielt sie ihn mit einem gemeinen Blick gefangen. Es viel ihr so schwer ihre böse Rolle zu spielen. Da war ständig die innere Stimme die ihr riet; tue ihm das nicht an.
„Safa, bitte! Er wächst nicht nach, wenn du das wissen willst. Nur die Wunden heilen schneller. Safa, “ schrie er förmlich. Sie schüttelte den Kopf und mit einem gekonnten Ruck… zerschnitt sie die Plastikfesseln. Entwarnte. „In einen Punkt hast du Recht. Ich kann dir nicht so einfach mutwillig wehtun. Solange mich keiner Bedroht… ich bin nie die Erste die angreift.“ Sie befreite ihn von seiner misslichen Lage. Er massierte sofort seine geröteten Handgelenke. Enorm Erleichtert sah er sie an. „Du hast mir wirklich Angst gemacht. Mein Bruder kann auch ausrasten, aber bei dir ist das was anderes. Ich kenne dich zu wenig. Es hätte mich zutiefst enttäuscht, wenn du mein Vertrauen missbraucht hättest.“ Sie legte die entschärfte Klinge wieder ordentlich an ihren Stammplatz zurück. „Frühstück?“
Schief sah er sie von der Seite an. Verstimmt. „Du hast meinen Hunger momentan vertrieben.“
Sie öffnete die Schranktüren. Zog da und dort ein Kleidungsstück heraus um hinter der Türe zu verschwinden. „Soll ich dir was verraten. Anfangs wollte ich dir wehtun. Jedenfalls testen ob das mit der Heilung tatsächlich stimmt. Wir hatten da einen Insassen. Onkel Mattis. Jahrelang ist er bewegungslos im Rollstuhl rumgehängt. Medikamente wirkungslos. Nachdem ich ihn lange betrachtet habe ist mir aufgefallen dass seine Schuhe verschieden abgenutzt sind. Die Pfleger habend die Schuhe vor Jahren neu gekauft. Es sind seine, beschriftet. Eines schönen Sommertags hab ich ihn mit dem Rollstuhl bis an den See mitgenommen. Sehr früh am Morgen wenn kaum jemand unterwegs war. Hab ihm gesagt, dass ich kurz weg bin um Brot für die Enten zu besorgen und unauffällig seinem Rollstuhl einen Schubs gegeben. Bin laut auf dem Kies weggegangen aber heimlich hinter ihm zurück. Er hat versucht mit der Hand noch den Rollstuhl zu bremsen. Mein erster Erfolg. Der zweite… er hat auf Wundersame Weise, nach wenigen Sekunden, unter Wasser schwimmen können. Ich hab gespielt geschrieen: sie sind ja geheilt. Welch ein Wunder! Du hättest sein finsteres Gesicht sehen sollen.
Der Witz ist; ich wusste wie brandgefährlich es für mich war, wenn ich diesen schweren Kerl hätte selber aus dem Wasser ziehen müssen. Nachdem ich das mit der Hand gesehen hab bin ich das Risiko eingegangen.
Bei dem Gedanken dir den Finger nur anzuschneiden, ist mir schon richtig übel geworden. Du brauchst also wirklich keine Angst vor mir zu haben.“ Sie sah neben der Schranktüre zu ihm rüber. Unverändert sass er auf dem Bett, einen gebeugten Rücken ihr zugewandt. Das Hemd leicht über seine offenen Schultern gerutscht. Versunken in seinen eigenen Gedanken. Bei näherer Betrachtung kam ihr eine bessere Idee, denn etwas Unerklärliches sehnte sich danach seine blosse Haut dort zu berühren. „Funktioniert deine Selbstheilung nur bei offenen Wunden?“
Verwirrt sah er hoch. Da lag in ihrem Tonfall etwas das ihn erneut wachrief. „Einfach bei Verletzung. Auch innerlichen. Wieso fragst du so genau? Für was soll ich wieder hinhalten.“
Besänftigend zeigte sie erst ihre harmlosen, leeren Handflächen. Trat dicht zu ihm hin. Schob seine offene Trainerjacke weiter nach hinten. „Weil du eine ganz trockene Haut von duschen hast. Beisst dich das nicht?“
„Das freut dich wohl wieder. Wenn du mir nur ein bisschen Blut geben würdest dann hätte ich solche kleinen Probleme gar nicht. Mein ganzer Kreislauf regeneriert sich dann viel besser.“ Schmollte er. Safa lachte. „Ich kenne eine einfache, angenehmere Methode um da zu helfen.“ Kurzerhand spurtete sie ins Badezimmer. Sekunden später ächzte das Bett erneut unter ihrem aufgesprungenen Gewicht. Hielt ihm eine kleine Flasche unter seine gerade Nase. Er roch das Oel, konnte es aber nicht erkennen. Abwartend sah sie ihn an. Er gab seine Zustimmung. Sie rieb zuerst eine Portion zwischen ihren Handflächen warm um es dann vorsichtig über seinen breiten Schultern zu verteilen. Anfangs kostete es sie Überwindung ihn anzufassen. Sie wollte es so gerne, fürchtete sich aber vor ihrer eigenen Körperreaktion. Während ihre Herzfrequenz anstieg, entspannte er sich unter ihren geschickten Finger. Sie massierte fester, legte all ihr Geschick hinein. „Feinstes Arganöl. Ich hab da so meine Quellen beim Transport, “ verriet sie. Seine Gedanken waren ganz woanders. Auf einmal zog er sein Hemd ganz aus und legte sich mit dem flachen Bauch aufs Bett. Ein flaches Kissen zog er rasch noch unter den Kopf. Eine gute Viertelstunde verwöhnte sie ihn. Genoss es selber diese schmalen festen Hüften anzufassen. Er wirkte wirklich zu dünn auf sie. „Du musst unbedingt mehr essen. Ganz wenig mehr. Nicht zufiel nur maximal zehn Kilo zulegen. Dann bist du perfekt“
„Mhm“, schnurrte er entspannt. „Und gehst du dann mit mir richtig ins Bett.“ Sie gab ihm einen gespielten Klaps auf den Hintern. „Schäme dich!“
Schraubte ihre Flasche zu. Sobald er das hörte drehte er sich protestierend auf den Rücken. Eine Hand klopfte fordern auf seinen Brust. Unsanft knallte Safa die Flasche auf den Nachttisch. „Sorry, du bist nicht mein fester Freund. Nur den lass ich in den Genuss einer Komplett Behandlung.“ Es war eine Sache den Rücken zu massieren. Jedoch vorne ihn zu berühren wo sein Herz schlug. Sein schönes Gesicht dabei zu beobachten. Ihr schwanden allein bei dem Gedanken die Sinne. Ihre Hände kribbelten schon genug vor Aufregung. Die Finger über den flachen Bauch wandern lassen und… weiter wagte sie gar nicht zu denken. Aufgeschreckt sah sie hoch. Eine seiner Augenbrauen war hochgezogen. „Zu gern möchte wissen was du eben gedacht hast“, fragte er direkt. „Was muss ich tun um dein Freund zu werden.“ Er überlegte kurz. Dann gespielt fröhlich jubelte er. „Ah ich bin geheilt. Ich bin ab sofort ein ganz normaler Mensch. Was willst du mehr? Blumen? Pralinen? Schmuck?“ Ihr lachen perlte durch den Raum. „Mikael schenke mir ja keine Blumen. Mit dem farbigen Gemüse kann ich nichts anfangen. Und den Rest…“ Ernsthaftigkeit kehrte zurück. „Du bist nicht geheilt.“ Sie klang wieder traurig.
„Gehen wir essen um auf andere Gedanken zu kommen“, schlug er geschickt vor. Sie nahm an.
Draussen auf der Strasse wehte ein kalter Wind entgegen. Die Sonnenstrahlen am Himmel täuschten über die Wärme des Tages. Höher stellte er seinen Kragen um seinen Hals vor der eindringenden Kälte zu schützen. Sie zog einen violetten Schal aus der Tasche der zu ihrer dunkelroten Wollstrickjacke passte. Heute Morgen war Sirinovska erheblich flotter unterwegs als am letzteren Tag. Sicherer seine langen Schritte. Zwischendurch lobte er. „Bequeme Schuhe. Wohin gehen wir?“
Zuerst mit dem Bus in eine Einkaufstrasse. Wo es eine Bäckerei und Kaffee zusammen gab. Frisch gestärkt bummelten sie unentschlossen durch die belebten Strassen. Die verschiedenen Autos interessierten ihn. Papier zum schreiben besorgte er sich, mit einem kleinen Kalender dazu. Bei Geschäften wo es stark nach Parfum roch, eilte er drängend weiter. Dafür betrachtete er in einem Juwelierschaufenster eine goldene Kette, mit einem Pferdemotiv, lange. Nachdenklich verharrte er in einem Bücherladen wo er einen wunderschönen Bilderband über arabische Hengste entdeckte.
Kurz studierte sie. Blättert dann auf ihrem Handy herum. „Zuerst machst du mir einen Gefallen, danach… kannst du reiten?“
Überrascht blieb er stehen. „Ich denke schon. Ist zwar lange her. Was ist das? Wieder für ein verrückter Einfall den ich vorher bestehen soll?“
Sie deutete auf das Gebäude neben ihnen. Es dauerte bis er das Sonnenstudio bemerkte. Er blickte zum Himmel hoch. „Da ist doch auch Sonne.“
„Das ist nicht dasselbe. Oder ist es so, dass du als …“ Warnend stoppt er ihr Wort. Sie seufzte. „Getraust du dich als Eckzahn nicht auf eine Sonnenbank? Verwandelst du dich in Staub? Bist du nun ein Eckzahn oder nicht?“ Ab der Bezeichnung lachte er los. Er tat ihr den Gefallen. Fünf Minuten legte er sich entspannt auf die Sonnenbank. Zitterte dafür umso stärker als er wieder aus dem Geschäft in die Frische trat. Empfindlich rümpfte sie ihr kleines gerades Näschen. „Du bist kein echter Va… Eckzahn.“
Ganz kurz erlaubte er sich frech die Zunge raus zu strecken. „Willst du noch nachsehen ob meine Zunge gespalten ist?“
„Zeig her!“ Natürlich wollte sie nur herausfinden wie locker er auf der Strasse aus sich heraus ging. Er trat einen schnellen Schritt näher und flüsterte dreist in ihr Ohr. „Wenn du willst ziehe ich mich heute Abend gerne ganz aus und du kannst mich in aller Ruhe untersuchen. Allerdings fordere ich auch einen geringe Gegenleistung!“ Eiliger als gekommen trat er grinsend ausser ihrer Reichweite. Bescheiden meinte er bloss. „Nicht so schlimm. Nur eine kleine Massage von deinen sanften Händen.“
Da sie ziemlich zielorientiert mehrmals umstieg. Nahm es ihn Wunder. „Wohin so eilig?“
Die hohen Bauten der Stadt verschwanden. Ein Bus mit harten alten Holzsitzen führte in einen Außenbezirk. Kleinere umgebaute Bauernhäuser standen an den Strassen. Alte Riegelbauten mit viel Holzbalken und Kalksteinverputz. Er wunderte sich. „Du willst aufs Land. Bitte keine Hexenverbrennung. Für dich halte ich auch keine meiner Hände ins Feuer. Verbrennungen tun nämlich verdammt weh und sind etwas vom schlimmsten bis sie heilen.“ Er hielt ihr seine linke Hand hin. Handfläche nach unten. Oben sah man violette dünne schimmernde Narben. Sie ahnte wer dafür verantwortlich war. „Meine überfleissigen Kollegen?“ Stumm nickte er. Mit einem Zeigfinger fuhr sie sachte über die dünne, hartnäckige Vernarbung. Wieder neigte er ihr den Kopf zu. Entschied sich, in letzter Sekunde, auf einmal anders. Als sie ihn hartnäckig schief ansah. Flüstere er leise. „Bitte bitte.“ Flehend seine hellvioletten Augen dass es Safa ehrlich, tief ins Mark, nahe ging. „Was?“
„Bitte,“ ganz in einem warmherzigen Tonfall. „Ein bisschen…“ Schnupperte mit seiner geraden Nase seitlich an ihrem schlanken Hals entlang. Einen feinen hauchzarten Duft von Vanille stellte er als Veränderung fest.
Sie überlegte wie sie das zu ihrem Nutzen umwandeln konnte. „Wenn ich dich da ranlasse. Was passiert da eigentlich wenn du mein Blut trinkst?“ Sie erwartete kaum, dass er darauf nützliche Information lieferte. Doch ehrlich antwortete er. „Für dich ändert sich absolut nichts. Ausser ein bisschen schwach für einen Abend. Für mich, mein ganzer Körper bekommt neue Energie. Ich kann mich besser heilen. Meine Sinne werden schärfer. Mhm… Das bringt dir keinen Vorteil. Auf mein Geld bist du auch nicht scharf. Aber...“ er strahlte übers ganze Gesicht. „Ich wette, dass mein Bruder es schafft uns von den Fussfesseln zu befreien. Gib mir einen Tag Zeit um das zu organisieren. Dafür heute Abend…“
Diesmal hielt sie absolut Still als er so verführerisch mit dem warmen Atem über ihren Hals streifte. Fasziniert genoss sie seine Nähe. Ihre Gedanken rasten wild. Am Ende entschied sie sich nicht wegen den lästigen Fussfesseln seinem drängelnden Wunsch nachzugeben. Es siegte einfach die Neugierde was für Veränderungen bei ihm eintraten. Was konnte er simulieren und was würde wirklich als belegbarer Beweis mit Video festgehalten werden.
„Heute Nachmittag gebe ich dir Bescheid.“ Natürlich genoss sie es ihn extra hinzuhalten. Obwohl sie es diesmal meisterhaft versteckte, verspürte er eine positive Veränderung. Sie wirkte eine Nuance Gelassener als sonst, so als hätte sie endlich eine Lösung gefunden. Gespannt stützte er einen Ellbogen am Fensterrahmen ab und betrachtete ausführlich ihr bleiches Gesicht mit den wenigen Sommersprossen. Selber, mit einem rätselhaften Ausdruck wie Mona Lisa, gab er genauso wenig Preis wie sie. Unbeirrbar schaute sie geradeaus in den leeren Gang. Gerade eine Handvoll Personen sass, jeder für sich allein, im Bus verteilt. Manchmal schloss Safa müde für ein paar Sekunden die rehbraunen Augen. Herber Duft, eindeutige Landluft riss ihn aus den Gedanken.
Unangenehm stank es in seiner empfindlichen Nase nach Kuh- Pferdemist und künstlichem Dünger. Dank dem späten Frühling blieb er von dem ersten grossen Blütenstaub verschont, dafür genoss er den liquiden Duft der Blumen. Eine angenehme Abwechslung nach der schweren Abgase der Stadt. Selbst in der Klinik bemerkte er an heissen Sommertagen den Russ der Strassen, den die Klimaanlage mit hinunter gekühlter Luft, in die Zellen verteilte. Hier atmete seine Lungen entschieden freier. Was seine feinfühlige Nase betraf wusste er auch, aus früheren Zeiten, dass sich diese nach einer gewissen Eingewöhnungsfase, daran gewöhnte. Sachtes zupfen an seinem Ärmel ermahnte ihn aufzustehen. Nach dem verlassen des warmen Busses schwabte die volle Breitseite der Gerüche an. Was ihn verwunderte wie angenehm viele Pferde er da herausfilterte. Hohe weissgefärbte Holzzäune verrieten, dass hier ein grösserer Stall seinen Tieren öfters Auslauf gönnte. Kleine Weiden, kleine trocken gelegte Paddocks, vor allem auch viel Platz für Traktoren auf den breiten Strassen. Safa schien den Weg zum Hauptgebäude genau zu kennen. Bog aber kurzerhand vorher ab zu einem niedrigen lang gestreckten Gebäude wo die Offenstallungen lagen. Schon von weitem erkannte er die gutmütigen Schulpferde. Statt einfach nur zu schauen, öffnete sie gleich eine Schiebtür welche den halbdunklen Gang zu den Boxen freigab. „Rose?“ schalte ihr Ruf durch die leeren Innenboxen. Sauber gefegt, bis auf den letzten Strohhalm, der mittlere Innenraum. Einzig die Spinnweben an den Decken durfte hier Staub ansetzen. Ganz hinten eine Plastikkarre die unter dem Gewicht der vielen Strohballen fast einknickte. Ein schlanker Schatten spähte aus der Box hinaus.
„Safa?“ Eine klare Stimme, die es gewohnt war lautstark über grössere Distanzen sich gehör zu verschaffen.
„Ja, ich bin’s!“
„Katalina?“ Erfreuter rief die Stimme erneut.
„Bedaure, Katalina ist immer noch der alten Stelle treu geblieben.“
Selbst das enttäuschte Oh, vernahm man klar aus der fern. Safa erklärte ihrem Begleiter. „Katalina hat hier für ein paar Monate gearbeitet. Der einzige Job der ihr gepasst hat.“ „Warum ist sie dann weg?“ Fragte er vorsichtig wohl wissend, dass er ein heikles Thema ansprach. Erwartete gar keine Antwort.
„Sie hat mir bei einem Problem geholfen. Genauso wie du deinem Bruder geholfen hast.“
Er lacht trocken auf. „Aha, und ist dafür auch in eine Anstalt eingewiesen worden.“ Lies er mit schwarzen Humor durchblicken. Gekünstelt lächelte Safa ihn an. Ungeduldig spähte sie zu Rose. Die lies sich Zeit da Safa nicht den Freundschaftsbonus wie Katalina genoss. Verärgert wollte sie nochmals rufen, doch Sirinovska lege ihr eine Hand auf die Schulter und schüttelte den Kopf. „Beruhig dich! Ich will es doch gar nicht so genau wissen.“
Weiterhin verstimmt wich Safa einen Schritt zur Seite aus und marschierte energisch auf Rose zu.
Er holte sie rasch ein damit nur Safa es hörte. „Komm schon. Was gibt es schlimmeres als unzurechnungsfähig in einer Irrenanstalt Jahrelang eingesperrt zu sein. Also nimm es nicht so persönlich. Deine liebe Schwester ist sicher ein guter Mensch, die hat niemanden umgebra…“ Empfindsam war Safa stehen geblieben um erst einmal tief durch zu atmen. Sie schloss die Augen um sich innerlich besser zu beruhigen. Immer noch ziemlich aufgeregt wandte sie sich näher an Sirinovska. „Wenn ich meiner Schwester verraten würde, dass du mir gestern Nacht an meinen Hals wolltest, um mein Blut zu trinken… sie nimmt die nächste Pistole und knallt dich ohne Prozess nieder. Gegen sie wirkst du wie ein verwöhnter Schosshund.“
„Was“, protestierte er lachend. „Übertreib nicht so! Ich hab sie in der Klinik nicht gesehen.“ „Du hast auch nicht nach ihr gesucht! Sie könnte im Gang an dir vorbeispaziert sein. Du kennst ja ihr Gesicht überhaupt nicht.“
Sein Lachen stoppte und er wirkte verunsichert. „Das ist jetzt ein böser Witz? Glaub mir damit schüchterst du mich nicht ein! Sie…“
Warnend hielt Safa einen Zeigefinger an ihre Lippen. Rose trat flott zu ihnen. Stutzte ab Safas Geste. Entwaffnend lächelten die jungen Frauen erst einmal einander zu. Eine unbeschwerte Begrüssung. Dann fragte Safa. „Ist ein Platz frei zum reiten?“ Rose verzog verlegen ihre Mine. „Heute ist es kalt, da sind alle drei Hallen voll belegt. Draussen, der Sonnenplatz ist schon vermietet…bleibt nur das schattige Viereck hinten beim Heulager frei.“ Zustimmend nickte Safa. „Mit einem alten Militärmantel hält er das schon aus. Oder?“ Sirinovska blinzelte zuversichtlich. „Ich denke schon.“ Rose hakte weiter, „Anfänger, Freizeit oder Dressur?“ „Freizeit.“ Abschätzend sah Rose über Sirinovskas schlanke Gestalt. Sie trug selber anliegende beige Reithosen und robuste Arbeiterschuhe. Was sie bei ihm erblicke erfreute ihre Augen. Wünschte sich sie würde besser riechen als nach Stall und Pferdemist. Auf einmal strich sie nervös ihre dunkelbraunen Haare zurecht. Straff hatte sie ihre langen Haare zu einem festen Zopf geflochten, der ihr bis weit über den Rücken hinunter reichte. Es schien ihr gar nicht aufzufallen, dass sie Mikael unschicklich lange anstarrte. Dann aber merkte sie „Deine Ausrüstung“, wunderte sie sich. Safa genoss bisher stumm das Schauspiel. Trat nun dazwischen und mit voller Berechnung. „Er ist ein Klient von mir. Einzelstunde. Ich habe dabei an Kolumbus gedacht, wenn er frei ist.“
Wieder verzog Rose ihr hübsches Gesicht mit den klaren Zügen. Auf einmal war ihr Sirinovska deutlich weniger Sympathisch, denn sie kannte Safa Beruf. Aus einer Hosentasche fischte Safa einen Geldschein. Übereichte ihn in Rose kräftige Hand. Als Arbeitsschutz benutzte sie ledrige Fingerlose Handschuhe. Kurz ihr ungläubiger Blick auf was sie in der Hand hielt. Einverstanden nickte sie. „Bei Freizeit können wir uns das erlauben. Hast du eine Versicherung?“ Fragte sie Sirinovska. Irritiert sah der zu Safa rüber. Sie Anstelle seiner. „Geht über mich. Also bitte Standart, Helm und Stiefel, damit im schlimmsten Fall bezahlt wird.“
Erfreut steckte Rose den Geldschein ein. „Sicher. Kommt mit.“
Gemeinsam spazierten sie zur Sattelkammer. Es roch hier deutlich nach Honigseife, Öl und vor allem nach Leder. Aus einem grossen, massiven Kleiderschrank zupfte sie alles hervor was Sirinovska brauchte. Ihr geübtes Auge vorhin speicherte auf Anhieb seine richtigen Masse. Sogar Safa staunte, dass selbst in einem alten Militärmantel Sirinovska gut aussah. Der Militärlook passte zu seiner aufrechten grossen Gestalt. Als er erst noch mit den anliegenden schwarzen Reiterhosen vor ihnen sich auf die Bank nieder setzte, glotzte sie genauso fasziniert wie die versteinerte Rose. Abgebrüht lies sich Sirinovska nicht anmerkten, dass ihm die festgesaugte Aufmerksamkeit längst auffiel. Schlüpfte in die speziellen Reitstiefeletten. Nachdem er sich jedoch den abgetragenen, hässlichen Kübelhelm über den Kopf streife, kühlte Rose Interesse merklich ab. So wirkte er wie ein linkischer Reitanfänger. Selbst Safa verkniff sich schlecht das lachen. Meinte zu Rose. „Manchmal liebe ich meinen Job.“ Perplex sah sie ihre flüchtige Bekannte an.
„So viel interessante Leute“, rettete sich Safa geschickt. Zustimmend nickte Rose.
Bei den Eisenschränken, alle schön mit einem Namen versehen, suchte sie nach dem richtigen. Flugs landete ein Zaumzeug in Safas Hand. Rücksichtsvoll nahm Rose den englischen Sattel selber in den Arm. Nun ging es zum Pferd.
Zwischen den unzähligen Boxen, die meisten leer da die Pferde selber draussen auf ihrem kleinen Platz sonnten, blieb Rose vor einer umgebauten, breiteren Version stehen. Im inneren schnarchte es regelmässig. Sobald sie den Eisenriegel zurückschob, dass es klickte, verstummte der kehlige Laut. Kolumbus selber, ein dunkelbrauner, fast schwarzer Wallach hob seinen schweren Hals. Verschlafen blickte er erst prüfend hoch, ob da nur neugierige Besucher oder ein Reiter kam. Rose empfing ihn streng. „Auf mit dir. Arbeit für dich!“ Gemächlich stemmte er sich auf die Beine. Schüttelte sich wild, so dass Stroh von ihm abfiel. Entspannt stand der einstige importierte Spanier breitbeinig da. Mit Sorge betrachtete Sirinovska das alte Pferd. Safa beruhige. „Keine Sorge. Sobald er wach ist, geht die Post ab. Er ist das Prüfungspferd der Reiter welche Papiere für Turniere beantragen. Solange er nicht anfängt zu bocken, hat man den Test bestanden.“
Sie trat beiseite als Sirinovska in die Box trat um seinen Untersatz genauer zu betrachten. Rose überreichte einen Hufkratzer in seine Hände. Aus einer aufgehängten Stofftasche, ausserhalb der Box, fischte sie Striegel und Bürste hervor. Safa wollte den Gummistriegel in Empfang nehmen aber Mikael schubste ihre Hand auf die Seite. „Mach ich selber“, bestimmte er. Sie hob nur ihre Schultern kurz. „Wenn du willst.“
„Sicher. Wenn ich ihn schon reite muss ich wissen ob kitzlig ist oder irgendwelche Probleme im Rücken oder Beine hat. Das findet man am besten beim Putzen heraus.“
Rose gefiel das. „Wie lange reitest du schon?“ Gebückt beim Hufauskratzen hielt Mikael inne. „Früher bis zu meinem achtzehnten Geburtstag. In den letzten … zwanzig Jahren bin ich nicht dazu gekommen.“ Schummelte er frech.
Rose versicherte tröstend, „Das verlernt man nie. Auf was bist du für einer Rasse geritten?“
„Unsere Familie züchte eine eigene Rasse die sie erfolgreich für Distanzritte einsetzt. Ist eine Mischung aus Akhal-Teke und Shagya- Araber.“
„Ah, wir hatten auch mal einen Akkal- Teke hier auf der Durchreise. So ein silbrig glänzendes Fell, das vergisst man nicht mehr. Wir haben uns um die feinen Haare im Striegel gerissen, “ schwärmte sie begeistert. Er grinste sie wissend über den Pferdrücken hinweg an. „Wir züchten die Goldigen bis Falben bei den Sirinovs im Stall. Bei den wild gehaltenen hat sich ein Schwarzer mit blauem Schimmer durchgesetzt. Eigentlich haben wir gar nicht geplant mit ihm zu züchten. Aber Qualität ist uns lieber als nur ein schönes Fell.“
Leise, abwesend flüsterte sie vor sich hin. „Siriniov… Das hab ich schon mal gehört… wo?“ Fleissig striegelte er das staubige Fell sauber, mit der Bürste bis es glänzte. Er meinte, „Jedes Pferd hat seinen eigenen Glanz.“
Ihr entzückter Aufschrei liess ihn aufblicken. Selbst der sonst ruhige Kolumbus wich vor ihr weg. „Sirinovs. Klar, mein Chef hat einen von der seltenen Rasse auf einer Russland Tour gesehen, aber die Stute stand nicht zum Verkauf. Der hat sich vielleicht geärgert, weil er nicht mal einen Preis zu hören bekam.“
„Die stehen gar nicht zum Verkauf. Ohne Ausnahme, allerhöchstens verschenkt an Freunde der Familie…. Sattelt bitte!“ Geübt nahm er ihr den Sattel ab. Dank seiner Grösse ein Kinderspiel ihn sanft auf Kolumbus abzulegen. Schob ihn an die richtige Stelle zurück und schnallte den Gurt selber provisorisch an. Seit er anfing zu striegeln schien sich Mikael förmlich zu verändern. Seine Bewegungen wurden flüssiger und bewegte sich auch allgemein schneller als je zuvor, als hätte er es plötzlich eilig in den Sattel zu kommen. Unter seinen geschickten Fingern hielt der sonst heikle Wallach schön still. Wissend, dass sie bald aus der Boxe kamen ging Safa schon mal voraus. Auf einmal rannte Rose hinter ihr her um sie einzuholen. „Sag mal, seine Bewegungen sind völlig normal. Ist es ein leichter Fall oder… darfst du mir was über ihn verraten?“ Ganz weit hinten führte Mikael sein Pferd am Zügel herbei. Safa flüsterte leise. „Ist was mit dem Gehirn. Posttraumatische Störung. Fast normal bis auf gewisse Wahnvorstellung.“ Dann laut nach hinten. „Mikael. Ich dachte ihr von der Gruppe Eckzahn habt nicht gerne Tiere um euch. Oder ist das auch ein erfundenes Märchen.“
Aufgeschreckt verschwand seine lockere Art. Zog ungeduldig Kolumbus nach vorn. „Safa, was schreist du so herum?“ Verlegen lächelte er Rose zu, und meinte über sie hinweg zu seinem Plagegeist. „Diese Tatsachen sind teilweise war. Tiere können die Ausstrahlung von Menschen fühlen. Daher haben nicht alle von uns Haustiere. Meine Familie ist da eine… Ausnahme.“ „Ich zweifle immer mehr, dass du überhaupt ein Eckzahn bist, denn bis jetzt hast du nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem was in den Lehrbüchern steht.“
„Pah“, spottete er, „die sind längst nicht mehr auf dem neuesten Stand.“
Rose mischt sich ein. „Was ist ein Eckzahn wenn er nicht bildlich ausgesprochen wird.“ Meinte sie schlau.
Sirinovska drehte warnend den Kopf nur sachte zu Safa. Gerade genug um wortlos anzudeuten- pass auf was du sagst!
Sie sagte völlig unbeschwert. „Das sind eine Gruppe Leute die sich die Eckzähne beim Zahnarzt haben verändern lassen. Jetzt halten sie sich für was Besseres und wollen die Welt verändern.“
Ein kalter Kübel Wasser hätte dieselbe Wirkung gehabt. Betroffen stand Sirinovska auf der Stelle still. Als er endlich wieder die Worte fand. „Hast du einen Knall und ich? Wir sind ein friedlicher, anständiger Verein“, protestierte er.
„Mag sein. Die Regierung hat euch aber nie öffentlich anerkannt.“
Er schrie schon fast förmlich. „Wie haben die …“ verstummte als ihm bewusst wurde was er gerade tat. Die Kontrolle zu verlieren und Geheimnisse auszuplaudern, da schützte ihn nicht mal mehr sein guter Familienname. Beruhigend tätschelte er den Hals von seinem nun nervösen Wallach.
Hingegen freute sich Safa diebisch. Rose kam auf ihre sichere Seite um genug Abstand zu dem Irren zu halten. Ihre Schritte hallten durch die leere Boxenhalle. Draussen klapperte die Hufe auf dem Asphalt. Nach wenigen Schritten quer durch den Hof verstummten die Geräusche wieder auf dem weichen, speziellen Sandboden. Sie folgten einen schmalen Durchgang der hinter das Gebäude führte wo ein viereckiger Platz mit zwanzig Metern Seitenlänge wartete. Mit einem geschmeidigen Sprung federte Mikael vom Stand auf dem den Sattel hoch, ohne die Steigbügel zu benutzen. Beugte sich dann aber tief vor um genau diese einzustellen als schon der Sattel zur Seite rutschte. Mit einem Schimpflaut sprang er wieder auf den Boden zurück. Legte den Sattel nochmals neu auf.
Von ihrem erhöhten Stand auf einer kleinen Zuschauertribüne lachte Safa leise vor sich hin. Rose schmunzelte selber. „Zwanzig Jahre sind lange, da darf man sich schon kleine Schnitzer erlauben. Immerhin kommt er elegant in den Sattel.“ Gespannt nahm sie eine der gefalteten Wolldecken, vom Stapel in einer Ecke, um drauf zu sitzen.
Endlich war der Gurt nachgezogen. Die Steigbügel stimmten. Gemütlich schritt er brave Wallach voran. Entspannt sass Mikael im Sattel. Als er bei Safa vorbei ritt fragte die verschmitzt, „Bringe ich dich so durcheinander?“
Worauf Mikael heftig schnaubte. „Sei bloss froh, dass ich keine Dressurpeitsche bei mir habe.“
Rose warf Safa einen merkwürdigen Blick zu. „Ist er wirklich nur dein Klient?“ „Ja“ Sagte sie knapp. Zögerlich rutschte Rose näher. „Ihr kommt mir vor wie ein altes, zankendes Paar“, meinte sie entschärft als Scherz.
Diesmal mass Safa sie kritisch ab. „Wir sind auch aneinander gefesselt.“ Sie deutete auf ihren elektronischen Apparat. Zu spät erinnerte sie sich auch an den weiten Abstand den Mikael gerade hielt. Sie wollte gerade etwas sagen als Rose sie anstupste. „Sind das Deine oder Seine Fans?“ Deutete quer über den Platz auf die gegenüber liegende Seite. Drei verschieden grosse Leute, in tarnenden Militäranzügen, standen da angelehnt am Zaun. Der mittlere Winkte. Unerfreut zischte sie Rose zu. „Eindeutig seine. Die sind nur hier wegen den elektronischen Fesseln. Sie haben Angst, dass Sirinovska abhauen könnte. Der Spielraum ist auf drei knappe Meter begrenzt. Aber die Freude, dass ich hinter Sirinovska durchs Viereck hinterher hetze, dass gönne ich ihnen nicht.“ „Willst du ein auch ein Pferd?“ Bot sie hilfsbereit an.
Mit gespielt entsetzten Augen sah Safa sie an. „Nein danke. Ich blamiere mich nicht gerne. Was bei ihm so leicht aussieht… ich schaukle da nur wild durch die Gegend. Ausserdem brauche ich meine Knochen heilt um ihn weiterhin zu überwachen. So schnell habe ich es nicht eilig den Fall abzugeben.“
„Verstehe!“
„Verstehe!“
„Ist es so offensichtlich?“
Die aufwärmrunde endete. Wechselte aus dem gemütlichen Trab in einen versammelten. Der träge, alte Kolumbus verwandelte sich in ein junges, elastisches Pferd. Reagierte auf Schenkelweichen. Anerkennend meinte Rose. „Der schafft das ja wunderbar. Ich bin im Stall drüben wenn ihr mich noch braucht.“ Gemütlich schlenderte sie über die Bänke davon. Allerdings nur bis gerade dahin wo das Viereck aufhörte. Beim letzten Blick den sie zurück warf übte Sirinovska bereits die fliegenden Galoppwechsel. Wechselte erst nach vier, in der nächsten Runde schon auf den dreier… ohne einen Patzer.
Staunend beobachtete Safa ihren verwandelten Klienten. Sein Gesicht angespannt, volle Konzentration bei den Lektionen. Muskeln, jede noch so kleine Bewegung der Hände, Fersen, sie entdeckte keinen Makel. Er hatte sich voll unter Kontrolle. Zwischendurch gönnte er dem aufgeweckten Kolumbus, wie sich selber, ein paar Minuten Ruhepause. Ritt, ohne Steigbügel, am langen Zügel. Dann wieder versammelt, Piaffe und sogar eine Galopp Pirouette auf der Stelle präsentierte er Olympiareif. Da vergass selbst Rose ihre drängende Arbeit und eilte ziemlich schnell wieder an Safas Seite. „Wie heisst der Kerl nochmals?“
„Sirinovska“, gab Safa weniger begeistert zu.
„Also einer von den Jungs höchstpersönlich…was macht der mit dem Pferd! Das habe ich, bei Kolumbus, noch nie gesehen. Wusste gar nicht, dass er den spanischen Tritt dermassen perfekt ausführt.“ Eine harmonische Einheit bildeten Ross und Reiter. Die Frauen verfolgten jede Sekunde gebannt dieser perfekten Vorführung. Safa fehlte die Worte, aber Rose traf es auf den Punkt. Gab Safa sogar einen hinweisenden Stoss. „Den möchte ich nicht von der Bettkante stossen.“
Worauf Safa süsssauer lächelte. Am liebsten wäre sie Rose an den Kragen gesprungen. Gestand sich aber ein, dass Rose vollkommen Recht hatte. Im Moment strahlte Mikael eine gewaltige Anziehungskraft aus, wie er so mit dem Pferd tanzte. Auf einmal schreckte Rose hoch. „Hab ihr noch Zeit? Was meinst du… Las Vegas? Sollen wir ihn testen lassen?“ Geschockt wirkte Safa alles andere als Begeistert. „Du meinst …“ sie machte mit dem Finger eine nervöse Geste in die Luft wie eine flitzende Kugel im Flipper.
„Jepp! Wenn er den für mich bewegt bekommst du alles…“ sie überlegte kurz, entschied sich vernünftig anders. „Die Hälfte vom Geld zurück?“ Safa grinste zustimmend. „Der Arme wird recht durchgeschüttelt. Das wird interessant. Und wir reissen uns später darum wer Sirinovska gesund pflegen darf?“ Spitzbübisch sahen sich die Frauen übereinstimmend an, dann rannte Rose lachend los. „Ich hole ihn!“
Zehn Minuten später, tänzelte ein aufgeregter Fuchs am langen Führseil, hinter Rose her. Voll gesattelt, seine Ohren gespitzt und eindeutige Hengstmanieren indem er erst einmal laut loswieherte um seine Anwesenheit allen kund zu tun. Kolumbus schwitzte mittlerweile beträchtlich, so durfte er ohne weitere Anstrengung gemütlich seine letzten Randrunden drehen um sich abzukühlen. Schonungslos führte Rose den nächsten hochblütigen Kandidaten in den Innenraum. „Sirinovska! Wie wäre es mit einem Pferdewechsel?“
Selbst ihm dem erfahrenen Pferdekenner war es nicht geheuer als er das zappelnde Energiebündel betrachtete. Safa spornte an. „Komm schon. Wenn du noch eine Stunde arbeitest dann schläfst du auch besser in der Nacht.“
„Woran du wieder denkst“, rief er ohne Freude.
„Wenn du dich weigerst die Medikamente einzunehmen, dann finde ich eben eine andere Lösung damit du müde wirst. Tu was für dein Geld!“
Nachdem er das zu hören bekam, wandte er sich empört im Sattel herum. Ungläubig spähte er mit, offenem Mund, über den Platz zu ihr hinüber. So hatte noch niemand mit ihm zu reden gewagt. Jedenfalls nie vor dem Klinik Aufenthalt. Nur für einen Moment träumte er davon was geschehen wäre, wenn er den Heiratsantrag seiner anhänglichen Comtesse angenommen hätte. Ein Leben in undenklichem Komfort und überflüssigen Luxus. Sein Wort, dass niemand anzweifelte. Schon gar nicht eine Frau. Leider ahnte er auch, dass sobald seine Ehefrau ihm Pflichtbewusst einen Erben schenkte, danach alle Ausreden erfand um ihn wieder aus ihrem Leben zu halten. Comtesse Melanie war eine eitle Persönlichkeit die es liebe alleine zu Regieren. Eine schlimmere Version tauchte in seiner Vorstellungskraft auf. Was wenn er sie heiratete und danach später sein Bruder wirklich den Thron beanspruchte. Vermutlich würde dann seine vorher so besessene Ehegattin versuchen ihn genauso intensiv wieder loszuwerden. Trotz dem dicken Mantel fröstelte es ihn. Die Spötteleien zu ertragen war einfacher als die Vorstellung eine machtbesessene Comtesse zu heiraten. Allerdings tat es schon weh sich nicht wehren zu können. Sogar die Bewachungstruppe amüsierte sich sichtlich über seine schwer hinab gestufte Gefährlichkeit.
Von seinen Gedankengängen abgelenkt stieg er ab und überreichte automatisch Rose seinen Wallach. Bevor der neue lebhafte Untersatz zu Seite sprang sass er schon oben und ging mit der Bewegung mit. In letzter Sekunde schaffte er einigermassen vernünftig die Zügel zu fassen, ehe der verrückte Gaul bockend höher zur Seite ausbrach. Gleichzeitig pfefferte er seine Hinterbeine scharf seitwärts. Hier war absolutes Feingefühl angesagt da er merkte, wenn er durch parierte, der unvernünftige Hengst gleich überreagierte. Mit einem gewissen Mass an Freiheit stürmte das Pferd los quer über den Platz. Liess sich kaum lenken. Scheute vor jedem verwelkten Blatt auf dem Sand. Ein kleiner blasser Schmetterling veranlasste den so edlen Hengst rasant die Bahn zu wechseln und wild schnaubend eine Runde so zu rasen, dass es ihm in den engen Kurven fast die Beine wegzog. Ohne Vorwarnung wechselte er die Richtung dermassen abrupt dass, mehr als einmal, der arme Sirinovska seitwärts im Sattel hin. Meisterhaft fand er jedoch rasch sein Gleichgewicht zurück. Erst nach einer halben Stunde gelang es dem erfahrenen Reiter sich allmählich durchzusetzen. Einigermassen vernünftig galoppierte der Hengst seine Runden ganz zu Ende ohne die Spur zu wechseln.
Erleichtert sah Safa auf ihre verkrampften Hände hinunter. Wunderte sich über ihr eigenes Verhalten. Sie kannte diesen Sirinovska so kurz und doch ging er ihr so tief unter die Haut. Sie sollte den Fall lockerer angehen, aber ihre angespannten Finger bewiesen ihr das Gegenteil.
Inzwischen parkierte Rose den Wallach zurück in seiner Box. Wieder bei Safa lachte sie erfreut. „Er lebt ja noch.“ Reichte ihr das restliche Geld zurück. „Bringe mir ruhig weiter so talentierte Kunden.“ Sprang übermütig in den Sand hinunter. „Reitstunde vorbei!“ Erlöste sie Sirinovska. Sobald seine Stiefel den Boden berührten suchte er denn nächsten Halt um sich erst einmal zu erholen. Allerdings war er dieses Eine Mal, vom Glück verlassen, nicht flink genug. Die Hinterhand des Pferdes schwenkte herum, da der Hengst von Rose weg wollte. Kurz, heftig traf ein beschlagener Huf an Sirinovskas Bein. Im ersten Moment stockte Safa der Atem. Rechnete fest mit einem glatten Beinbruch. Doch Sirinovska, humpelte nach einem schmerzhaften Aufschrei einfach weiter. Düster seine Stimmung, das war ihm anzusehen. Rose versuchte entsetzt zum verletzten Mikael zu gelangen, doch der nervöse Hengst lies es auf einmal nicht mehr zu. Zerrte völlig in Panik Rose über den halben Platz. Riss sich los und stürmte in die entfernteste Ecke um da zitternd, mit hängendem Kopf ängstlich Mikael zu beobachten. Dieser drehte sich herum um zu sehen wo Safa blieb, da presste das Tier sich an den Zaun zurück, das Holz ächzte. Erst allmählich erholte sich Safa von dem Schock. Langsamer, gefasst eilte sie zu Mikael. Zögerte selber auf dem letzten Meter da sie deutlich wie gegen eine unsichtbare Mauer prallte. Daher rief sie ihm erstes besorgt zu. „Alles okay mit dir?“ Seltsamer Weise traute sich nicht einmal Rose in seine unmittelbar Nähe. Betroffen starrte sie erst Mikael an, dann den zitternden Hengst in der Ecke. Es passte überhaupt nichts zusammen. „Mikael!“ Rief Safa mit mehr Forderung endlich eine Reaktion zu zeigen, zuzulassen. Auf einmal war der Mentale Schild weg. Ein müder, erschöpfter Sirinovska sah rüber zu Safa. Hielt ihren Blick fest. Blieb sonst bewegungslos. Aufatmend rannte Safa zu ihm hin. Klopfte Sirinovska sachte aufmunternd auf die Schultern. „Mikael, zeig her.“
Mitfühlend kniete neben ihm nieder um den Schaden zu begutachten. Allerdings zog seine Hand Safa energisch wieder auf die Höhe. Er beugte sich vor zu Safas Ohren. „Wenn du dich endlich mal entscheiden könntest, hätten wir es viel einfacher“, kam es gepresst durch seine Zähne. Rose hielt auf der anderen Seite seinen Arm. Mit beruhigter Stimme versuchte er zu besänftigen. „Keine Sorge. Ist nur halb so schlimm. Einen Tag Ruhe und ich gehe wieder normal.“ Es gelang ihm nicht so recht sie zu überzeugen. Also schlug er vor. „Umziehen, ich will nach Hause!“ Dabei stimmte ihm jeder zu.
Trotz der hoch stehenden Sonne blieb es kalt was stetiger Wind verschlimmerte. Dennoch war Mikael froh statt dem schweren Mantel, zurück in seine bequemere Jacke zu schlüpfen. Stützte sich nur halbwegs an Safa ab als sie zurück zum Bus marschierten. Rose freundliches Angebot sie zu einem Arzt zu fahren lehnte Sirinovska strikt ab.
Mit einem ächzen lies sich Sirinovska auf einen der unbequemen Holzsessel fallen, dass er fast krachte. Fing wieder Safas beunruhigten Blick auf. „So besorgt um mich“, versuchte er zu necken. Sie fand es leichtsinnig, das er keine Hilfe zuliess. Eine schnelle Bewegung und er hatte ihre Fingernägel wieder gerettet, an dem sie abwesend knabberte. Weil er sich da einmischte, gab sie verstimmt zurück. „Sicher bin ich besorgt um dich. Alter Mann!“ Das schleuderte ihn fast vom Stuhl hoch. Jedenfalls versteifte sich sein gekrümmter Rücken wieder grade. Seine Stimmung schwankte von böse, verzweifelt und einfach müde. Verständlich nachdem er das durchmachte. Prüfend sah Safa sich um, dass niemand ihnen zuhörte, dann fragte sie leichtsinnig. „Angenommen ich würde dich mein Blut trinken lassen, kannst du dann das heilen? Heute noch, ohne das es danach dir weh tut?“ Dabei blickte sie stur gerade aus. Horchte gespannt was er darauf antwortete. Bei seinem Vorwurf zuckte sie fast zusammen. „Klar. Wie oft muss ich das noch sagen.“ Nach kurzer Besinnung veränderte er seinen gereizten Ton. Zwar hörte sie immer noch tiefe Bitternis darin. Er überraschte sie jedoch von der lockenden, weichen Stimme so dicht an ihrem Ohr. „Bitte.“ Dabei war ihr klar wie schwer im Moment ihm das viel.
Sah weiter stur gerade aus. „Okay.“
Auf einmal sein verwirrtes, „Bitte? Was!“ Sie lachte leise vor sich hin. „Ja, du hast richtig gehört.“
Fassungslos starrte er selber gerade aus. Geduldig wartete sie. Bis er einen klaren Gedanken fasste. Sie kamen rasch wieder in die belebten Wohngebiete. Bis zur Wohnung selber dauerte die Fahrt fast eine Stunde. Nach so einer wertvollen Zusage eindeutig zulange für ihn. Schliesslich bedeutete jede Sekunde, dass sie ihre Meinung ändern konnte. Zum unzähligen Mal hielt der Bus an einem Stopp. Entschlossen fasste er Safa an der Hand und zog sie hoch. Sie verstand den klaren Wink, ihm nach draussen zu folgen. Drückte rasch den Schalter und trat, mit ihm, in die frische Luft hinaus. Das saftige Grün sprang ihr als erstes in die Augen. Glücklicherweise lag der Busstop an einer ausgedehnten Parkanlage. Wegen der ungewöhnlichen beissenden Zugluft war praktisch niemand im Park ausser denjenigen die gezwungenermassen wegen ihren Hunden die Runde hetzten. Hinkend lenkte Sirinovska seine Begleitung zu ein paar breiten Bäumen. Ein prüfender Blick, dass niemand von der Strasse sie entdeckte da der breite Stamm sie verbarg. Ausserdem gab die andere Seite dafür den Blick frei über einen kleinen See. Ein idyllischer Platz. Schwerfällig setzte sich Sirinovska auf den trockenen Platz unter den ausladenden Ästen. Lehnte sich an den Stamm zurück und winkte Safa vor sich. Klopfte auf den freien Platz zwischen seinen gespreizten Beinen. Zaghaft kauere sie nieder. Ungewöhnliche Ängstlichkeit in ihren braunen Augen. Entschlossen fasste er sie um die Taille und zog sie mit dem Rücken zu sich heran, dass sie an ihn lehnte. Oberhalb von ihnen rauschte das dichte Laubwerk. Vor ihnen verhinderte ein Schilfgürtel, teilweise, den klaren Blick auf den See. Verhüllte sie gerade genug vor neugierigen Zuschauern. Safa fröstelte und nicht wegen der Kälte. Die Nähe zu Mikael brachte sie durcheinander. Von hinten umarmte er sie. Locker genug, dass sie sich nicht eingezwängt fühlte. Gespannt wie ein dünner Faden der zu reissen drohte wartete sie ab. Vorerst tat er gar nicht. Leise flüsterte nahe an ihrem Ohr. „Entspann dich. Es tut nicht weh.“ Hier brauchte es mehr als einen tiefen, langen Atemzug. Heftig wich sie so weit wie möglich zu Seite aus um ihn an zu funkeln. „Damit eines Klar ist. Wenn wir heute Abend ins Bett gehen und das tut dir noch weh, dann hab ich gewonnen! Du solltest dann langsam einsehen dass du kein Eckzahn bis!“
Mit einem Schmerz verzogenen Gesicht beugte er sich vor um sein Hosenbein nach hinten zu ziehen. Die bleiche Haut, die Stelle dicht unter dem Knie war dunkelblau geschwollen. Belegt seine Stimmte. “Die Schmerzen verschwinden erst morgen ganz. Die blauen Flecken sicher heute Abend, spät. Von der Schwellung siehst du bald gar nichts mehr. Wenn das soweit für dich in Ordnung ist, dann stehe ich auch dazu kein Eckzahn mehr zu sein, falls der Erfolg ausbleibt.“ Seine Zuversicht teilte Safa weniger. Prüfend tastete sie mit einem Finger zart über die hässliche Schwellung. Zuckte genauso hastig zurück wie er. Mutig holte sie tief Luft für ihre Lungen, dann lehnte sie vertrauensvoll an ihn. Seine warmen Finger schlossen sich sanft um ihrer kleinen Hand. Lange Zeit blieb er passiv. Ruhiger regelmässiger Atem an ihrem Ohr. Der Verdacht stieg ihr hoch er sei inzwischen sogar eingeschlafen. Langsam zärtlich strich er mit den Lippen an ihrem Hals seitlich entlang. Seine tiefe Stimme hauchte. „ Ich hoffe wir haben Zeit, das dauert nämlich etwas länger. Schätzungsweise fast eine Stunde.“ Entsetzt wollte sie den Kopf zu ihm wenden. Ein entschlossener Finger hinderte sie daran und lenkte ihren Hals in die alte gerade Position. Er fuhr besänftigend fort. „Falls du dich nicht gut fühlst, dir schwindlig wird, dann sag es und wir brechen sofort ab. Das funktioniert hier nicht mit Eile. Vermutlich kennst du die Märchen wo man in den Hals beisst und fünf Minuten später ist da ein ausgesaugter menschlicher Körper. Das ist hausgemachter Schwachsinn. Das ganze hier funktioniert so als wenn ich dich mit einer Nadel in den Finger steche und dann den Finger eine Stunde lang in meinen Mund halte. Mein Speichel verhindert, dass sich die Wunde schliesst. Bisher habe ich das selten gemacht und wenn dann immer schön behutsam. Ich bevorzuge einen Blutgeschmack ohne hohen Adrenalinspiegel darin. Zugegeben, einige von uns lieben es die Angst zu schmecken. Davon distanziere ich mich. Ich gehöre nicht zu diesen ungebildeten Primitivlingen. Also fühle dich ganz sicher und mach es dir richtig bequem. Ich nehme sowenig…“ er strich mit seiner rauen Wange kitzelnd ihrem Hals entlang. „Du merkst es kaum“ liebkoste mit seinen Lippen sanfter. Sachte zog seine Hand spielerisch an ihren Fingern. Nach ein paar Minuten reklamierte Safa ungeduldig. „Wann fängst du endlich damit an?“
Es gluckste Lachend an ihrem Hals. Befreite seine Hand aus ihrer und strich flüchtig über ihren Hals. Hielt ihr dann die blutverschmierte Fingerkuppe vor ihre Nase.
„Oh“, staunte Safa beeindruckt. Er hatte bis dahin ihr die Wahrheit gesagt. Tatsächlich merkte sie gar keine Veränderung an sich selber. Gelegentlich fuhr seine Zunge etwas stärkte an ihrem Hals entlang. Manchmal war es nur so als berührte er flüchtig ihre Haut. Ihre Augen blickten klar. Im Kopf spürte sie keinen Druck nur eine leichte Müdigkeit von dem Schlafmangel letzter Nacht. „Ist dir Recht wenn ich etwas schlafe?“ wollte sie wissen,
Besorgt hielt er inne. „Sollen wir besser aufhören?“
Safa winkte ab. „Ich möchte mich einfach nur von letzter Nacht erholen. Mach ruhig weiter. Nicht mehr als ein Deziliter, wie abgemacht.“
„Klar, Chef“, neckte er. „Du darfst... deinen Geldanteil ruhig behalten.“
„Mhm, das ist zuviel. Zehntausend reichen mir. Allerdings will ich den Betrag bar im Haus aufbewahren. Steuerfrei. Schliesslich waren wir heute auch etwas gemein, als wir dir Las Vegas aufdrängten. Der gilt eigentlich als unreitbar. Wird höchstens Longiert. Sein Besitzer bezahlt einem Jockey den doppelten Preis, damit er hin und wieder ein Rennen gewinnt, um die Decktaxe in die Höhe zu treiben…. AU.“ Sein Finger Kniff sie deftig in die Seite. Weil er sie als Bestrafung nicht schmerzhaft biss, rechnete sie ihm das hoch an. Entspannt schloss sie die Augen. Ein paar Minuten.
Durch eine Bewegung wachte sie sachte auf. Bemerkte verwundert das dichte, hellgrüne Blätterdach über ihr. Wie dunkel sich das Holz von den Ästen gegen das blasse Blättermeer abhob. Ein wärmender Körper bewegte sich hinter ihr. Eine sanfte Stimme über ihrem Haar. „Bist du wach?“ Sein Griff hielt sie weiter fest umfangen, lockerte sich jedoch als sie sich aufsetzte. „Safa willst du gehen? Es ist erst ein Uhr wir können also zu deiner nächsten verrückten Idee starten.“ „Doof ist nur mir gehen langsam die Ideen aus. Das einzige was bei dir mit einem Eckzahn übereinstimmt ist, dass du Blut trinkst. Sonst gibt es da… kannst du dich eventuell in eine Fledermaus verwandeln.“ Fragte sie eher genervt.
Lachend schüttelte er den Kopf. „Wieder so ein haltloses Märchen. Wobei ich zugebe es hat einen gewissen Grund warum es entstanden ist. Den kann ich dir leider noch nicht verraten.“ Safa begab langsam auf die müden Beine. Im Grunde genoss sie die vertrauliche Nähe zu dem rätselhaften Kunden. Doch die Anhäufung der Geheimnisse nervte sie. Vor allem, dass er wie ein drapierter Köder zuerst darauf andeutete, um sie wieder sicher weg zuschliessen. „Wann ist den Zeitpunkt günstig um mich einzuweihen? Bei nächsten Vollmond.“
Vorsichtig erhob er sich. Schonte sein Bein dabei sichtlich. Schloss erst die Augen um sich voll auf die Verletzung zu konzentrieren. Verlagerte dann sein Gewicht voll darauf und schien zufrieden mit dem neuen Resultat. Gerade wollte Safa fragen, da humpelte er in alter gewohnter Manier los. Sie verkniff sich den bösen Kommentar da er schon genug bestraft war. Zurück bei der windgeschützten Busstation stellten sie sich an die von der Sonne aufgewärmte Glaswand. Sichtlich genoss er die Wärme. Von wegen, dass Vampire die Sonne mieden, dachte Safa enttäuscht. Ihr Kunde liess sich nicht in diese gewöhnliche Schatulle schieben. Offensichtlich liebte er die wärmende Sonne. Seine Hand streckte sich zu ihr rüber. „Telefon. Bitte.“ Sie liess es aus der gestrickten Schutzhülle rutschen und legte es in seine Hand. Obwohl die Nummer von seinem Bruder längst gespeichert war, benutzte er die lange Version der Eingabe. Tippte umständlich jede Zahl. Es dauerte lange bis jemand an der anderen Seite abnahm. Da Safa von ihm Geld bekam war es ihr Gleichgültig wohin er telefonierte und wie lange. Auf jedenfalls erkannte sie auf Anhieb die russische Sprache. Der Name Maurice viel öfters. Nach fünf Minuten war das Handy wieder in ihrem Besitz. Er liess sie diesmal wissen. „Lust auf einen Ausflug? Da wir gütiger Weise das Land verlassen dürfen, empfehle ich einen Abstecher nach Frankreich. Ein Bekannter unserer Familie hat ein geschicktes Händchen für Elektronik. Einverstanden?“
Das nannte man Begeisterung. „Klar! Wann willst du los?“
Eine bremsende Handbewegung mit der Hand. Er überlegte. „Hast du einen Pass?“ Sie belehrte. „Für Schweizer Bürger reicht die ID. Hast du einen?“
„Hm“, kam es abweisend. „Ich denke, wenn wir den Zug nehmen, brauche ich keinen. Hab da einen Trick auf Lager.“ Bevor sie fragte legte er ihr seinen Zeigefinger auf den Mund. Deutete still zu sein. „Safa. Vollmond reicht da nicht. Erst wenn du ein bestimmtes Blutritual durchführst, vor Zeugen meinesgleichen, darf ich dich ungestraft in alles einweisen.“
Entsetzt wich sie von seiner Seite. „Hast du einen Knall? Darauf kannst du länger als hundert Jahre warten.“ Immerhin besass sie noch einen gewissen Humor. Darauf ging er ein. „Okay. Versprichst du mir dann aber im hunderteinen anzunehmen?“ „Wenn ich dann noch lebe! Wie alt wirst du eigentlich so durchschnittlich. Oh ich vergass, ihr seid ja unsterblich und du bist quasi noch in Babystadium.“ Rechnete wieder damit, dass dies eines seiner Geheimnis blieb. Prüfend spähte er zu Seite um sich zu vergewissern ob sie wirklich alleine waren.
Verneinte. „Fast richtig. Schon mal eine Bibel oder Koran gelesen? Weißt du wie alt früher die Leute wurden? 700 bis 900 Jahre ist da niedergeschrieben. Sie haben Recht! Diese Gene sind bei uns erhalten geblieben. Es gibt vieles in der langen Evolution was die Dinosaurier überlebt hat. Genauso sind bei den Menschen, seit ihrem Ursprung gewisse Gene erhalten geblieben. Zum Glück haben wir eigene qualifizierte Leute in der Forschung stationiert, die das erfolgreich geheim halten. Wenn du das herum erzählst glaubt dir das keiner denn wir haben die Beweise bis heute erfolgreich verschwinden lassen.“
„Darum darfst du mir das sagen.“
Seine Mine schwankte zwischen Ja und Nein. Genauso seine schwenkende Handbewegung. „Sage wir es so. Ich besitze, geniesse einen gehobenen Status. Da ich unsere Situation gut kenne habe ich es selber entschieden.“
Nun wurde Safa hellhörig. „Gehobenen Status. Was bist du den bei den Eckzähnen? Gibt es da einen eigenen Staat im Land Russland?“ Er wusste gleich, dass er vorhin zuviel erzählte. „Nennen wir es so; ich bin ein Mitglied das Mitspracherecht bei den Entscheidungen hat.“ Versuchte er Safas Interesse abzuschwächen. „Mir gehört eine Stimme im Rat.“ Was sogar stimmte. Sein älterer Bruder überliess ihm sein Erbe. Vorerst. Ganz überzeugt von der Situation war selbst er nicht, denn es war alles nur mündlich abgesprochen. Die unstabile Lage war eines von den vielen Dingen die er dringend abklären musste. Er gehörte zur russischen königlichen Familie. In anderen Ländern herrschten andere Könige seiner Art. Doch Russland war sein schweres Erbe. Wenn… wenn sein Bruder tatsächlich öffentlich, vor dem Rat, abdanken sollte. Innerlich freute er sich überhaupt nicht über diese Aussichten. Er genoss sein Leben lieber unbeschwert im Schatten seines Bruders. Er war nicht der Kämpfer wie Dimitros. Besass nicht dessen robuste einschüchternde Ausstrahlung. So wie er seinen Bruder kannte war genau das der Hintergedanke warum er ihm zeitweise die Führung überliess. Dimitros ahnte, dass wann immer er es wollte, bekam er die Führung anstandslos zurück. Allmählich fand Mikael sollte das ausschweifende von Dimitros ein Ende finden. Für das Leben in der Klinik hatte Mikael selber auf vieles Verzichtet. Nun war sein Bruder dran endlich Vernünftig zu werden.
Der einfahrende Bus lenkte Sirinovska ab. Vorsorglich liess er Safa den Vortritt. Allein da er sie endlich nach all den Jahren gefunden hatte, seine neue Gefährtin, da wollte er ihre Zukunft nicht gefährdet sehen. Sie war noch so verletzlich vor ihrem ersten Ritual. Er musste eine schnelle Lösung finden um ihre Abneigung zu umgehen. Dabei dachte er an Maurice und schmunzelte. Zusammen fanden sie sicher eine Hintertür die Safa vergass abzuschliessen.
Ahnungslos was er gerade über ihre Zukunft dachte sass Safa munter auf ihrem Sessel. Achtlos schweiften ihre Augen über die dichten Häuserreihen. Sie beschäftigte der Umstand den sie damals im Viereck erlebte. Mehrmals rief sie in Erinnerung wie es ihr nicht gelungen war in Sirinovskas Nähe zu gelangen. Sie stand nicht in Schock. Es gab kein Blut und dennoch war da diese unsichtbare Wand gewesen. Sie fand keine logische Erklärung dafür. An eine übersinnlichen Erfahrung glaubte sie erst Recht nicht. Ratlos sagte sie. „Mir fällt nichts ein, als nach Hause zu gehen. Was feines Kochen und du kannst in der Zwischenzeit einmal den Cyber erobern.“
„Was soll ich erobern?“ „Das Internet! Wird mir aber ja nicht süchtig! Ich backe dafür heute einen feinen Kuchen.“
Die Sache schien verlockend für ihn.
Früher Abend, kurz vor der Dämmerung. Mittlerweile klebte Sirinovska förmlich am Bildschirm, untrennbar über der Tastatur. Innert kürze stellte Safa bei Facebook ihm einen Account her und schon beschäftigte ihn die Suche nach bekannten Freunden. Wobei er immerhin aufhorchte als Safa ihn warnte, dass alle Daten gespeichert wurden. Über den regen Handel von den Daten im riesigen Netzwerk. Nachdem er jedoch tatsächlich ein paar wichtige Kontakte fand, surrte der PC Marke Schlepptop dermassen laut auf, dass Safa neugierig hinter ihm über die Schultern guckte. Gelassen meinte er. „Neues Programm.“
Wie bei allen PC Besitzern stiess das erst einmal auf wenig Gegenliebe wenn ohne Absprache eine dramatische Veränderung stattfand. Scharf gab sie zurück. „Aha. Was für eine?“
Seine Schultern zuckten gelassen. „Privates von uns Eckzähnen. Bitte stehen lassen. Ohne Passwort kommt du nicht in den persönlichen Chat.“ Sagte er wie ein alter Profi. Und das nach erst zwei Stunden an ihrem PC. Ihre Hand mit dem Löffel zuckte unwillig. Schliesslich gab sie ihre Zustimmung. „Ich hoffe nur ihr habt einen guten Virenschutz. Auf aggressiven Bakterien und getarnten Troyaner hab ich keinen Bock.“
„Dann kauf doch einen guten Spray“, kam es ohne den versteiften Blick, von der Scheibe, zu lösen. Der Löffel sauste kurzerhand schmerzhaft auf seinen Kopf nieder. „Viren sind Programme die Blockieren, weil es Wichtigtuer gibt die um jeden Preis auffallen wollen, oder glauben sie könnten damit der Welt einen gefallen tun.“ „Oh.“ Rieb sich betroffen die pochende Stelle in den Haaren.
Es roch in der ganzen Wohnung nach frisch gebackenem Kuchen. Vanille mischte sich mit Kakaogeschmack. In diesem Punkt hatte sich Sirinovska schwer getan zu entscheiden was ihm besser schmeckte, nach dem jahrelangen Verzicht auf süsses. Ein Punkt den Safa entschied bei ihrem Chef auch anzuprangern. Denn soweit sie wusste bekam Katalina immerhin in den Genuss von einfacher Schokolade. Warum Sirinovska all die Jahre übergangen wurde, das schien ihr eine ungewöhnliche Entscheidung. Vor allem nahm sie Wunder wer das einseitige Kostensparen so ungerecht veranlasste.
Daher bekam Sirinovska ihren Lieblingsmarmorkuchen zum späten Nachtisch, den mit den feinen Schokoladenstücken dazwischen.
Zum abkühlen stellte sie ihn auf ein Gitter auf dem Küchentisch. Obwohl das Küchenfenster weit offen stand, beherrschte der süsse Duft eindeutig die Wohnung und weigerte sich der Kühle nach zu geben. Da Mikael mit dem PC eine Vollbeschäftigung fand, wollte Safa weiter in ihrem persönlichen Tagebuch ein paar neuen Einträgen schreiben. Doch bereits nach dem Datum Eintrag vernahm sie leise Schritte neben sich. Nachdenklich verharrte Sirinovska im Türrahmen. Lehnte sich gemütlich dagegen und wirkte, mit einem angespannten Blick über den Tisch, völlig abwesend. „Deine Schwester“, begann er zögernd. „Das war demnach kein Scherz. Deine Schwester ist tatsächlich eine Patientin in der Klinik.“
Safas Stimme klang belegt. „Wie kommst du darauf?“
„Der Kuchen. Ich kenne den süssen Duft von diesem Kuchen. In meiner klaren Erinnerung kenne ich Euch zwei unzertrennlich. Mir war bald klar wenn ich den Kuchen rieche dann kommt dein schwacher Geruch hinterher. Jedes mal so verflucht flüchtig, dass es nicht reichte um mich wirklich aus dem Medikamentenschlaf zu reissen. Ich wusste nicht ob du Real bist oder ein reines Wunschdenken von meinem Gehirn, dass mir einen schönen Streich spielte. Es war so schwierig unter dem Einfluss der Medikamente das zu unterscheiden. Ausserdem war es praktisch unmöglich festzustellen in welchem Zeitrahmen du kamst. Andere Pfleger erscheinen regelmässig in der Woche oder Monat. Bei dir war es ganz anders. Immer nach einem vollen Jahreszeitenwechsel durfte ich erst wieder mit dir rechnen. Einmal im Jahr besuchst du deine Schwester mit diesem Kuchen?“
Sprachlos legte Safa ihr Tagebuch auf die Seite. Wie konnte er das so präzise erraten, erschnüffeln? Eindrücklich musterte sie geschockt ihren Sirinovska genauer. Als ihr Gehirn wieder funktionierte, wollte sie wissen. „Du klingst gerade so als ob du auf mich gewartet hast?“
„Sicher“, gestand er auf Anhieb. Verliess seinen Platz um einen Stuhl neben Safa zu schieben. Flüchtig einen Blick über das Tagebuch und suchte wieder ihre Augen. Sie hielten sich gefangen. Safa fühlte sich unsicher wie schon lange nicht mehr. Trotz allen schlauen Bücher über Körpersprache und Kommunikation… alles war einfach wie weggewischt. Nur diese offenen, klaren violetten Augen. In ihrem Bauch tausend Schmetterlinge die herum wirbelten. Sie fühlte sich gar nicht gut. Zu unsicher, wie beim ersten Date.
Mikael leicht nach vorn gebeugt, ihr zugewandt.
Sie stockte. Suchte nach einer plausiblen Erklärung. „Es war aber nicht weil der Kuchen so fein riecht.“
Er schmunzelte. „Sicher nicht. Den hätte ich gerne weggelassen um ein eindeutigeres Resultat zu erhalten.“
Auf einmal schnappte sie Luft wie in Fisch auf dem Trockenen. Anklagend verschmälerte sie ihre Augen. „Du! Jetzt ist mir einiges klar warum die Wärter so unverschämt gegrölt haben. Du hattest von Anfang an mich im Visier gehabt! Und du hast es am Telefon erwähnt.“
„Dimitros brauchte einen überzeugenden Grund um mich raus zu lassen. Also hab ich ihm die ganze Wahrheit erzählt.“
Eigentlich wollte Safa böse auf Mikael sein, doch er nahm ihr ständig den Wind aus den Segeln. Ratlosigkeit machte sich in ihr breit. Um dem Auszuweichen schnitt sie lieber den Kuchen an. Etwa Süsses beruhigte manchmal. Wenn da nicht Sirinovska ihr unverschämt den Teller wieder aus den Händen zog. „Moment noch. Zuerst das abklären. Du willst keine feste Beziehung momentan. Je nach dem, falls sich das bis nach Abschluss meiner Anhörung nicht ändert, werde ich für ein paar Monate nach Hause gehen um eine alte Familien Angelegenheit aufzuräumen. Sobald ich das bereinigt habe, komme ich zurück. So einfach wirst du mich also nicht los. Das ist meine grobe Entscheidung für dieses Jahr. Nähere Ziele sind, dass wir die Fesseln als erstes loswerden. Heute Abend fährt ein direkter Zug nach Frankreich. Nach dem Abendessen also packen. Hast du einen Koffer?
Und lass mich endlich probieren.“ Er schob ihr den Teller, mit dem einsamen schmalen Stück, zu und zog den letzten riesigen Rest vor sich hin.
Da Protestierte Safa zu Recht. „Das ist aber nicht dein Ernst?“ Gespielt hieb er auf ihre zugreifende Hand. „Doch. Im Gegensatz zu dir muss ich nicht aufs Gewicht achten. Ausserdem hab ich was aufzuholen.“
Safas Augen funkelten gefährlich wegen der Anspielung ihres Gewichts. Gab ihm jedoch Recht. Lieber still sein als schlimmere Anspielungen herauszufordern. Nach einer Weile wollte er wissen. „Lässt du mich wissen, weswegen deine Schwester in der Klinik sitzt?“
Abweisend schüttelte Safa den Kopf. „Unsere, meine Familien Angelegenheit. Scheint so als habe jeder von uns seine Geheimnisse.“
Mehr als ihre Portion genehmigte er sich selber nicht. Auf einmal wurde er seltsam Still. Seine Bewegungen langsamer, die Gesichtszüge konzentriert nach innen Gerichtet. Aufdringlich rumorte sein Magen. Safa sah selber misstrauisch auf ihre angebissene Portion hinunter. „Der ist aber in Ordnung. Ich hab den Gifttest überlebt.“ Meinte sie spasseshalber auf den Kuchen deutend.
In diesem Punkt wirkte er unbesorgt. „Das ist was anderes. Dein Blut regeneriert gerade meine Körper.“ Er klang betroffen als er sich mit den Händen an den eigenen Kopf faste. „Das darf nicht Wahr sein. Ich habe vollkommen die Entgiftungsfase vergessen.“ Bekümmert kündigte er an, „Das wird eine schlimme Nacht. Wir verschieben die Reise besser um einen ganzen Tag.“
Vergessen der feine Kuchen. Sie hielten es für Ratsamer sich ins gemütliche Wohnzimmer zurück zu ziehen. Eine Weile schaffte er noch konzentriert am PC zu arbeiten, während diesmal Safa entspannt die Nachrichten am Fernseher durch zappte. Sie hielt das ganze noch für ein inszeniertes Schauspiel. Etwas was er sich ausdachte um glaubwürdiger seiner Vampirstory zu beweisen. Ohne Vorwarnung stürzte er ins Badezimmer. Nie hatte ihn Safa so schnell gesehen. Der Bürostuhl drehte sich sogar noch eine Weile um sich selbst. Um die Fussfesselnbesitzer nicht zu beunruhigen folgte Safa in gemässigtem Tempo. Er sass nicht auf der Toilette sondern kauerte vor der Keramikschüssel. Nach Atem ringend würgte er den sauren Inhalt seines Magens hoch. Unbegeistert trat Safa hinter ihn. Mitfühlend reichte sie ihm ein Glas Wasser. Erschrak zutiefst als sie den fast schwarzen zähflüssigen Inhalt in der Kloschüssel entdeckte.
„Was ist das denn? Wir sollten besser zu einem Arzt? Das sieht schrecklich übel aus!“
Seine Hand winkte zittrig ab. Geduldig wartete sie bis er genug Luft fand um zu sprechen. „Das wird schon wieder. Einfach… abwarten.“
Was so schlimm begann, hielt sich hartnäckig in den folgenden Stunden. Vor Mitternacht war Safa mit den Nerven fertig. Keine Minute war Sirinovska aus dem Badezimmer gegangen. Eine Decke lag auf dem Boden damit er weicher und wärmer sass. Ihr Handy konfiszierte er vorsorglich da er ihr zutraute gegen seinen Willen den Notfall anzurufen. Allerdings ahnte er nicht, dass sie immer noch einen alten Kabelanschluss besass. Ratlos sass sie abwartend neben ihm und respektierte seine Entscheidung solange er noch bei vollem Bewusstsein war. Welle um Welle spuckte er das getrunkene Wasser blaugrün verfärbt wieder hoch. Selbst sie gestand sich ein, dass hier was überhaupt nicht normal ablief. Dann quälten ihn wieder Krämpfe, die ihn für eine halbe Minute erstarren liessen. Nach ein paar kläglichen Schlücken Magnesium schaffte er es wieder sich halbwegs zu entspannen. Zum Glück hatte Safa genug Vorrat davon in ihrer Hausapotheke. Kalter Schweiss perlte ihm über die Stirn. Öfters legte ihm Safa einen warmen Waschlappen in den Nacken. Dankbar lehnte er sich ein paar Minuten zurück. Manchmal senkte er die Stirn erschöpft gegen Safas Schultern.
Nach Mitternacht verschwanden die Übelkeitswellen soweit das er sich endlich ins Bett getraute. Statt Taschentücher gab es ein Badetuch neben das Bett falls er noch Schleim spuckte. Mittlerweile nahm er kleine Schlückchen Kamillentee zu sich. Schwer liess er sich ins Bett fallen. Safa half ihm beim Ausziehen. Abwechseln schien er mal zu glühen dann wieder erschauderte ihn Kälte. Am einfachsten war es für ihn in den schwarzen Boxershorts und die Decke je nach Bedarf umher zu schieben. Die folgenden zwei Stunden plagten ihn regelmässige heftige Krämpfe. Manchmal schreckliche fünf Minuten lang fiel er dann in eine unnatürliche Starre wo ausser einem gepressten Atmen nichts zu hören war. Kein Fingermuskel, kein Augenzucken verriet menschliches Leben in ihm. Besorgt deutete Safa mehrmals an, Bitte doch Hilfe anzurufen. Er machte ihr eine Heidenangst. Und ihre Grenzen des Möglichen ihm zu helfen waren längst erreicht. In seinem schlimmsten Zustand war er nicht mal fähig den Kiefer zu öffnen. Einzig seine gelegentlich offenen Augen wechselten von verzweifelt, leidend bis zu sehr böse. Je nach dem wie sehr sie nach dem Telefon verlangte. Mehr als einmal biss er verzweifelt ins Kissen um vor Schmerzen zu schreien und vor Angst sich mit seinen Zähnen selber zu verletzten. Für dieses Problem kam Safa eine helfende Idee. Er verfolgte ihre Bewegungen liess sie aber, ohne Widerspruch, die Wohnung verlassen. Nur einen Stock höher klopfte sie bei einem verschlafenen Nachbarn. Überreichte etwas Münz und bekam von ihm das gewünschte. Obwohl das ganze weniger als drei Minuten dauerte, winkte sie für ihre Spezialeinheit munter aus dem Fenster. Die steckten rasch ihre Köpfe zurück in ihr Panzerfahrzeug. Mit einem weichen Beissknochen, aus Gummi, der eigentlich für Hunde gedacht war setzte sie sich neben Mikael. Genug erholt, funkelte er sie bitter an, griff aber nach dem hässlichen, knochengeformen Ding. Er war heilfroh, dass sie ihm ein unbenutztes noch verpacktes Original besorgte. Besser darauf mit seinen scharfen Zähnen beissen, als ins Federkissen oder gar sich selber die Zunge aufreissen. Eigengeschmack von Blut hasste er. Mit dem Knochen, es war ihm so peinlich, dennoch half er, das er ein wenig entspannter schlief. Sobald ihn die kurzen Schlafpausen einigermassen erfrischen plagte ihn wieder die Nähe von Safa. Tief entspannt schlief sie an seiner Seite. Ein kurzes Trägerhemd gab ihre schmalen Schultern frei. Obwohl er es für Unklug hielt streichelte seine Hand von der Schulter, über ihren Arm, bis zu der feinen Hand. Verführerisch duftete ihre natürliche Haut nach Vanille. Einzig in der Halsregion roch er einen Hauch nach…echtem Rosenöl. Das war kein günstiges Aroma sondern hervorragend gute Qualität.
Unruhig schreckte sie hoch. Er schalt sich selber. Verschlafen blinzelte sie ihn an. Das kleine, matte Nachtlicht in der Steckdose blieb die ganze Zeit an. Schlaftrunken fragte sie besorgt. „Geht es besser?“ „Ja“, gab er genauso leise zurück damit sie gleich beruhigt weiterschlief. Seine Gedanken wanderten ununterbrochen weiter. Also da sie schon mal soweit wach war riet er ihr. „Willst du wieder eine Hand oder beide festbinden?“
„Ist das denn nötig?“
„Wenn du sicher schlafen willst kann ich es wärmsten empfehlen.“
Erstaunt richtete sie sich auf. Schlafmangel drückte empfindlich auf ihre Augen. Kopfschmerzen wegen der ungewohnten Wachzeit. Alles las er deutlich. Genauso ihr angestrengtes Nachdenken darüber was ihn diesmal bedrückte. Ihre Stimme gewann die Festigkeit zurück. „Okay. Was ist diesmal los?“
Zu Sicherheit rückte er brav an seine Bettkante zurück. „Nichts. Es ist absolut nichts. Du hast wirklich einen leichten Schlaf und ich wollte dich nicht wecken.“
Kritisch musterte sie ihn trotz dem schwachen Licht. „Warum kannst du nicht schlafen? Wieder deine Anfälle? Mehr Durst auf mein Blut?“
Er wusste er hätte lieber still sein sollen. Aber Mann ist eben Mann. Vor allem wenn da eine halbbekleidete junge Frau neben einem lag im selben Bett. Lügen wollte er ungern. Belanglos sagte er. „Schlaf einfach weiter.“
Zu seinem Kummer kam sie auch noch näher. Himmel, ihr war nicht bewusst, dass sie keinen BH trug und das dünne Trägerhemd neben ihren Schultern einen schönen Einblick auf ihre weichen Busen bot. Dafür knallte er sich selber mit der Hand eine fest auf die Stirn, und drehte ihr hastig den Rücken zu. Räusperte sich zuerst um überhaupt seine Stimme zu finden. „Kannst du nicht ein anderes hochgeschlossenes Hemd anziehen!“
Sie stutzte erleichtert. „Aha, daher weht also der Wind! Ich dachte du bist ernsthaft krank?“
„Schon, trotzdem, das ist… wie soll man da schlafen?“
„Das erst noch nach vierzig langen Jahren Enthaltsamkeit“, half sie ihm übertrieben mitfühlend.
Leise flüsterte er verbessernd. „Zwanzig.“
„Eh!“ Ihre Augen staunten. Vorsichtig drehte er sich herum. Blieb schön an seiner äussersten Kante. „Vor zwanzig Jahren hat mich eine junge Pflegerin darum gebeten und ich konnte sie nicht abweisen.“ Statt entsetzt darüber, lachte Safa nur leise.
Er verwundert: „Du bist nicht schockiert?“
Sie schüttelte sachte den Kopf. „Wenn ihr beide Spass hattet, ist doch in Ordnung. Ich habe selber schon zwei Beziehungen hinter mir.“
„Zweimal dein Glück nicht gefunden?“ Es klang beinahe traurig. Safa wollte nicht darauf eingehen.
„Was wird das jetzt? Die nächste Fragestunde mitten in der Nacht? Ich hab die Absicht noch zu schlafen. Also Hände nach oben!“ Drohte sie unwillig schärfer. Feiwillig liess er sich die Handgelenke binden. Bei den Füssen sah sie ihn zuerst Fragend an. Er gab sich gleichgültig und sie gönnte ihm den Spielraum.
Nach kurzer Zeit löschte sie selbst das Nachtlicht. Gleichmässig ihr Atmen. Selbst er versuchte zu schlafen doch seine unerfüllten Träume quälten ihn erbarmungslos. Wanderten umher bis sie am Ende wieder bei Safa endeten.
Schliesslich schlug sie unbeherrscht eine Faust in ihr Kissen. Motzte, „Ich kann selber nicht schlafen. Du..“ Das kleine Licht flackerte wieder auf. Sie setzte sich wieder auf schaute ihn gedankenvoll lange an. Schweigend. Ihre Sehnsucht spürte er wie einen schweren Trunk in seinem rauschenden Blut. Lachte innerlich weil sie ihn genauso quälte. Schliesslich traf sie es auf den Punkt. „Wir beide haben ein echtes Problem. Warum benehmen wir uns eigentlich nicht wie zwei vernünftige Erwachsene und lösen das. Einverstanden?“
„Ja“, er wusste nicht Recht was er Erwarten konnte, seine Zustimmung fand es allemal.
Sie rieb sich die feuchten Handflächen an einer sauberen Badetuchecke trocken. „Erst einmal muss ich wieder diese nervöse Unsicherheit ablegen.“ Beruhigend versuchte sie langsam zu atmen. Fischte was aus dem Nachttisch. Rieb die Hände wieder aneinander.
Hilfreich schlug er vor. „Binde mich doch einfach los?“
Sie schnaubte, „Dass du nach zwanzig Jahren einfach auf mich stürzt! Vorerst schwebt mir da was anderes vor.“
Deutlich spürte er ihren inneren Kampf der Überwindung. Sie rutschte näher. Auf einmal, ohne Vorwarnung schob sie eine ihrer warmen Hand, unter den elastischen Hosenbund, nach unten. Sie schmunzelte zufrieden. „Typisch Mann. Egal wie krank, das hier unten funktioniert jederzeit.“ Sie wusste genau was sie tat, das merkte er an ihren geschickten Bewegungen. Stöhnend reagierte er ungeduldiger als er es eigentlich wünschte. Kämpfte gegen seine innere Hitze an. Duft von dem feinen Arganöl drang an seine Nase. Ganz so einfach wollte er seinen Körper ihr nicht überlassen. Sie prophezeite neckisch. „jetzt kommt der Flaschentrick.“ Zwinkerte ihm siegessicher zu. Bewegte die geölten Finger geschmeidig so als ob den losen Deckel einer Flasche sachte wegdrücke. Wie schmelzende Butter wurde er unter ihr. Mit der einzigen Ausnahme was sie gerade in den Händen hielt. Sichtlich genoss sie diesen überlegenen Zustand. Er kämpfte erfolgreich gegen das einfache loszulassen an. „Binde mich sofort los“, forderte heiser bevor seine Schwäche ganz wegbröselte.
„Von wegen. Geniess es einfach.“
Er lachte rau. „Damit hättest du gute Chancen gehabt bevor du mir dein Blut geschenkt hast. Du hast diese Gelegenheit verpasst. Ich überlasse dir sicher nicht die Kontrolle. Jedenfalls nur teilweise.“
Unbeeindruckt spottete sie zurück. „Was willst du schon dagegen tun?“
Erst tief Luft holen. Innehalten, spannte seine Muskeln. Ihr schöner Mund stand offen als sie zusah wie er die stabilen, soliden Fesselbänder einfach durchriss. Tief schnitten sie vorher in seine Gelenke. Ein paar Bluttropfen rannen aus der Schnittwunde, tropften auf Kissen hinunter. Jedoch endete die Blutung bereits automatisch nach wenigen Sekunden. Hastig zog sie ihre Hand unter der Decke hervor und setzte sie sich auf die Fersen zurück. Hauchte. „Das ist unmöglich. Selbst für einen Irren der immense, überdurchschnittliche Kräfte entwickeln kann.“
Er beachtete die selbst heilenden Schnittwunden überhaupt nicht sondern hielt gleich sein Gesicht dicht vor ihres. Leiser Tadel in seiner rauen Stimme. „Wann glaubst du mir endlich? Ich hab andere fortgeschrittene Gene. Verbesserte Qualitäten als ein normaler Mensch und ich beweise es dir gerne jetzt und später. Allerdings bin ich jetzt gerade bereit mit dir zu wetten, meine Süsse, dass du zuerst kommst!“ Obwohl er innerlich noch gegen eine gewisse körperliche Schwäche ankämpfte, bis zum Morgengrauen gehörte sie ganz ihm.
Orientierungslos tastete sich Safa um. Sie lag unter einer Decke, also zog sie den hinderlichen Gegenstand von sich. Gedämpftes Licht der Morgensonne die sich öfters hintern den eiligen Wolken versteckte. Jedenfalls blies ein kräftiger Wind die dunklen Wattewolken auseinander und schob sie wieder zusammen. Zwischendurch blitzte immer die Sonne bis kräftig durch jede Lücke. Ein Blick auf den Wecker, sie staunte, dass sie fast bis Mittag durchschliefen. Das war vorhersehbar. Frösteln hob sie rasch ihr Nachthemd auf, schlüpfte geziert hinein bevor ihr leise schnarchender Kollege aufwachte. Selbst er lag noch von der Wärme geborgen unter der leichten Daunendecke. Gut gemeint damit er besser Sauerstoff erhielt, entfernte sie sachte die Decke von seinem Gesicht. Am liebsten wäre ihr gewesen sie ganz auf den Boden zu werfen, damit sie seinen schönen kräftigen Körper ungehindert bewundere. In schmerzlicher Erinnerung blieb der letzten Abend. Eine Erkältung war das letzte was sie ihm wünschte, also liess die Decke an ihrem Ort obwohl es in ihren Fingerspitzen juckte. Anerkennend lobte sie sein Geschick in den frühen Morgenstunden. Ihre Gedanken wanderten zurück an seine unerwarteten Zärtlichkeiten. Ihr Eckzahn erwies sich als ein begabter Schmusekater. Nicht nur, dass er gerne Küsste, es war absolut ungefährlich, da er die Zähne schützend irgendwie zurückzog. Gerne liess er sich von ihr in der zweiten Runde verwöhnen. Wenn sie all ihr Wissen hervor kramte erschien es ihr so als wollte er letzte Nacht beweisen, dass er der oberste Chef war. Erst als sie ihn gewähren liess, vertraute er sich ihren Händen an. In der bittenden Art, lass mich Chef sein dann gewähre ich dir, fast alle, Freiheiten. Sie wurde aus diesem alten Mann einfach nicht schlau. Sein Arm streckte sich tastend über ihrer Schlafseite aus. So als suchte er nach ihr. Dann brummte seine müde Stimme. „Mach das Licht aus.“
„Das Licht ist aus, mein Lieber, das ist die Mittagsonne.“
„Mhm“, schnurrte er vor sich hin. „Das gefällt mir. Tu mir einen Gefallen, schliesse die Vorhänge und komm wieder ins Bett.“
„Was gefällt dir? Die Wärme der Sonne und trotzdem willst sie weg haben. Noch so erschöpft“, fragte sie völlig ahnungslos. Die klare Antwort haute sie fast um. „Nein. Mir Gefällt wie du mich ansprichst. Das Licht hingegen tut meinen empfindlichen Augen weh. Ich habe mich noch nicht an die neue Schärfe gewöhnt.“
„Bitte?“ stotterte sie fast verwirrt. Träge und gleichzeitig geschmeidig wandte er sich herum. Als ob ein satter Panter ausgestreckt in ihrem Bett lag.
Gerade erhielt die Sonne Gelegenheit ihn zu begrüssen, da zupfte er blitzschnell die Decke erneut über seinen Kopf. Unter den Daunen seine erstickte Stimme. „Schliesse sofort die Vorhänge. BITTE!“
Perplex erfüllte sie seinen Wunsch. Gespannt wartete sie bis er prüfend die Decke wegzog. Weiter nach hinten viel ihr Blick wo sein abgewinkeltes Bein lag. Sie keuchte auf vor Überraschung. „Dein Bein,“ ihre ungewohnte hohe Stimme. Mit einem Schwung sprang sie selber auf Bett zurück. Bis er endlich seine Decke aus dem Gesichtsfeld nahm, hatte sie längst sein Bein abgetastet. Keine verfärbten Flecken, absolut gesund lag da ein kräftiges Bein. Überhaupt, der ganze Körper erschien ihr heute kräftiger, muskulöser. Schlank wie sonst, einfach mit einer gesunden sportlichen Eleganz. Wie weggezaubert die Schwäche der Klinik. Mit einem Ruck wollte sie die die Decke ganz wegreissen, stiess aber auf hartnäckigen Widerstand. „He“, protestierte er. „Ich bin nicht angezogen.“
„Ein guter Grund mehr für mich. Lass dich ansehen. Ich will wissen was neu ist!“ „Warte“, eroberte seinen Teil, soweit die Arme reichten, zurück. „Lass sofort los“, drohte er unecht. Kaum überliess sie ihm alles, suchte er seine Shorts um sie anzuziehen. „Sobald du anfängst, unbefangen unbekleidet vor mir herumzulaufen, gönne ich dir auch meinen Anblick“, versicherte er mit Überzeugung. Jedoch genügte es Safa schon, ihn in den schwarzen Shorts zu sehen, raste ihr Puls in die Höhe. Rückwärts taumelnd, setzte sie sich erst auf den nächsten Halt, einen Stuhl. „Du bist viel Kräftiger in den Schultern. Überhaupt viel robuster und … Genauso schlank wie gestern in den Hüften.“, staunte sie. Breiter in den Schultern, vor allem die Oberarme. Ein angedeuteter Waschbrettbauch. Ein zum dahin schmelzender Anblick, vor allem sein manchmal etwas träger Ausdruck seiner violetten Augen. Ihr Mister Perfekt, dessen Gesellschaft sie eine knappe Woche geniessen durfte. Was danach folgte, daran wollte die sie und ihr armes Herz gar nicht denken. Auf einmal erinnerte sie sich an seinen Plan. „Wolltest du heute nicht schon in Frankreich sein? Schaust du nach wann der näch..“ Ihre Stimme flachte ab da sich sein Gesichtsausdruck in blankes Entsetzen steigerte.
„Mir tut alles weh,“ jammerte er. „Muskelkater von letzter Nacht. Ausserdem das unerträgliche Licht! Ich schlage vor wir reisen heute Abend kurz vor Sonnenuntergang los.“
„Waas. Was. Waaaas!?! Was ist denn mit dir passiert? Bis gestern hast du keins der Klischees über Vampire erfüllt, bis auf das grausige Blutsaugen. Ausgerechnet heute fängst du damit an! Dir ist schon klar dass du mich noch nicht von dem Unsinn überzeugt hast ein Eckzahn zu sein! Du bist nur ein Mensch der es irgendwie geschafft hat seine Gene voll zu entwickeln. Es gibt überall auf der Welt besondere Menschen mit seltsamen Fähigkeiten. Bluttrinken macht dich nicht zu einem Vampir!“ Sie verschränkte ihre Arme vor sich um zu zeigen wie ernst es ihr war.
Wolken eroberten ihr Terrain zurück. Flinke Finger korrigierten rasch eine Lücke im Vorhang. „Erstens wir saugen kein Blut. Den Mist mit den Zähnen…“ Er trat nah zu ihr hin und deutete auf einen seiner Eckzähne. „Die sind nicht Hohl. Wir benutzten sie nur um absolut schmerzlos die ahnungslose Beute anzustechen. Wie eine spitze Nadel die kaum die Haut berührt und dennoch tief eindringt. Den Rest übernimmt unser Speichel der veranlasst das Blut weiter fliesst und nicht gerinnen kann.
Sobald ich mich anklimatisiert habe, kann ich auch bei Sonne unbeschwert draussen spazieren gehen. Wir lieben die Sonne. Das einmal dahin gesagt.“ „Warum meidet...“ rüde unterbrach er genauso. „Weil selbst gewöhnliche Menschen tagsüber besser sehen. Euch würden unsere schnellen Bewegungen nicht entgehen. Unsere Tarnung kann tagsüber fiel leichter auffliegen. Wenn unsere Körpertemperatur abgekühlt ist bewegen wir uns normal wie alle gewöhnlichen Menschen. Das ist eine unserer Überlebensstrategien gegen die grosse Masse. Die Mehrheit der unterentwickelten Erdbewohner hat schlichtweg Angst vor neuen fremden Zivilisationen. Uneinsichtig, gewalttätig und lassen sich von jedem Unsinn beeinflussen. Es gibt Ausnahmen. Du gehst mit offenen Augen durch die Realität. Nur klammerst du dich zuviel an alte Tatsachen. Akzeptiere endlich was ich bin und ich öffne dir jede Tür an meiner Seite. Lass dir von mir eine andere Welt zeigen die schon weitaus länger existiert als die ersten Schriftzeichen an Höhlenwänden. Oder auch der alte Kampf, Gut gegen Böse, was das ganze wiederholende Evolutionsrad betrifft, könnte ich dir ein paar interessante Fakten erzählen die mehr Sinn ergeben als die Lügen aus den jetzigen Schulbüchern.“
Sie zweifelte. „Du nimmst dir da aber viel vor.“
Verschwörerisch raunte er ihr zu, „Ich habe viel mehr Zeit als du denkst.“
Über seine Unverbesserlichkeit schüttelt sie den Kopf. „Frühstück?“ „Gerne. Kommst du?“ Er lag schon wieder im Bett, die Decke einladen gehoben und klopfte auf den Platz vor sich. Safa tadelte, „Und was bitte soll ich frühstücken? Ich bevorzuge immerhin wenigstens Brot oder Cornflakes. Daran Interesse?“
Vielsagend rümpfte er abweisen die Nase. Bedauerte. „Heute brauche ich nicht so viel. Da warte ich lieber bis zum Abend. Bis du eventuell mir einen kleinen Schluck erlaubst von meinem Lebenselixier.“ Bevor er weitere Forderungen stellte, stampfte sie in die Küche. Eile nach wenigen Sekunden zurück. Mit singendem Tonfall erinnerte sie ihn. „Sirinovska, kommst du bitte in die Küche.“
Stöhnend erhob er sich. Da er sich ungern von der warmen Daunendecke trennen wollte, wickelte er sich einfach hinein. So gepolstert glich er wie der gepolsterte Reifentyp aus der Michelin Werbung. Safa fand ihren unbeschwerten Humor zurück. „Ja, ja“, äffte er zurück. „Was ist aus deinem, mein Lieber geworden? Schon wieder vergessen?“
Safa grinste schelmisch. „das kommt sicher wieder am heutigen Abend hervor.“
Zuversichtlich setzte er auf einen freien Stuhl am Tisch. Rasch brühte Safa heissen Tee hoch. Stellte die ziemlich heisse Kanne auf den Tisch. Mikael angelte sich ein Küchentuch um es um die Kanne zu wickeln. Wohl bemerkt die Kanne hatte einen Griff. Er jedoch umschloss mit den Händen die Wärmequelle, dank dem schützenden Tuch, ohne sich zu verbrennen. Sichtlich genoss er die Wärme. Genehmigte sich auch eine Tasse davon zum Trinken. Safa selber, die schnelle Küche bevorzugte hatte von Beutelsuppen jede Menge auf Vorrat. So wie sie Mikael kannte würde er kaum heute Nachmittag nur schlafen wollen und nahm daher vorsichtshalber selber leichte Kost zu sich. Eine Woche ging schnell vorüber und sie wollte jeden Tag mit ihm auskosten.
Sie erinnerte sich undeutlich an das Gespräch in den frühen Morgenstunden. Zwar war sie entsetzlich müde und gleichzeitig ziemlich scharf auf Mikael gewesen. Eine gefährliche Kombination, dennoch war sie erleichtert, dass sie kühlen Kopf bewies und ihn auf die Kondome ansprach. Eine unerwünschte Schwangerschaft war das letzte was sie gebrauchen konnte. Schwarz würde ihr sofort kündigen, gegen alle Regeln.
Sie hoffte allerdings auch, dass die Information, welche Mikael ihr verkündete, dass sie überhaupt nicht schwanger werden konnte, weil sie nicht von derselben Art sei, stimmte. In diesem Punkt tat sie sich schwer ihm schon voll zu vertrauen. Im Hinterstübchen lauerte jedoch ihr Plan B. falls er Unrecht sprach. Dann zahlte er eben kräftig Unterhalt. Schliesslich konnte er sich das leisten. Es nagte in ihr die Zweifel. Sollte er wirklich veränderte Gene haben? War so etwas möglich? Sie wusste auch das die Zeit 2008 in der sie lebte, man keiner Information richtig glauben konnte. Weder über die Mondlandung noch dem elften September wo eventuell nie ein Flugzeuge in die Hochhäuser rasten. Soviel Information verfälschte man. So viele unverschämte Lügen tischte man der breiten Massen auf. Das ewige Spiel mit der Angst. Ganze Völker täuschte man, belog sie mit Impfprojekten nur um an den Profit zu gelangen. Längst zählte man bei den Konzernen nicht mehr mit Millionen sondern Milliarden Gewinne.
Mit Interesse sammelte sie Information, bei Youtube über Menschen mit aussergewöhnlichen Fähigkeiten. Ausserirdische oder was an den Gerüchten über die Echsenmenschen herumschwirrte. Zu 99% hielt sie das meiste für Fake. Leider blieb da noch ein Prozent übrig und sie fragte sich ernsthaft wieso sollten alle Lügen. Von hundert Menschen sollte zumindest einer die Wahrheit verbreiten.
Was immer da draussen im Hintergrund für gewaltige Geheimnisse lauerten, sie hoffte das am Wahrheitsgehalt von Mikael etwas echt dran war. Kein Mensch legte Muskelmasse, bis zu fünf Kilo, in einer Nacht zu. Soviel schätzte sie grob, betrug Mikaels Veränderung.
Nachdenklich blieb ihr Blick auf dem mysteriösen Mann neben ihr. Ahnungslos löffelte der seine stärkende Suppe zu Ende. Ein paar Mal hielt er zwischendurch inne, liess sich aber nicht stören. Am Ende stand er auf. Legte seine Decke halb über Safa. Meinte einladend. „So schwere Gedanken. Komm lieber ins Bett, entspannen. Heute Abend sind wir wieder lange unterwegs und selbst ich habe nicht gerne wenn ich unter Übermüdung leide.“
An diesem Nachmittag bekam er seine komplette Massage, alleine um seinen Muskelkater zu lindern.
Die Sommerzeit lag noch in weiter Ferne. Es dunkelte bereits ab sechs Uhr Abends. Ein Umstand der einzig für Safa positiv war da die dunkle Zeit der Depression, ihr mehr Kundschaft bescherte. Ein Koffer mit praktischen vier Rädern holte sie rasch aus dem muffigen Keller. Sirinovska wie immer klebte ihr dicht an den Fersen. Seit sie das Bett teilten hielt er kaum mehr als einen grossen Schritt Abstand. Im Keller betrachtete er lange die vielen Bücher. „Da ist einiges zusammen gekommen und…“ Fragend betrachtete er die andere eingepackte Hälfte ihres Abteils, wo dünne gepolsterte Pakete, sich schön in einer Reihe stellten.
„Das sind Gemälde, Handskizzen und sonstige Kunst die mir auf E-bay gefallen hat. Wegen der hohen Luftfeuchtigkeit hier unten sind sie gut eingepackt.“
Den hellblauen Schalenkoffer zupfte sie unten aus dem Regal hervor. Bevor sie die Treppe wieder hoch stiegen, deutete sie in den feuchten Keller. „Soll ich nicht ein Bett hier unten für dich aufstellen, oder einen luftdichten Sarg,“ lachte sie. „Die Nachbarn öffnen den garantiert nicht, auch wenn sie vor Neugierde fast platzen.“
Handelte sich für den makaberen Scherz einen angedeuteten Schlag auf den Hinterkopf ein. „Bestell so ein Kasten und schliesse dich selber ein. Am Morgen wärst du Tod wegen Sauerstoffmangel und mir erginge es nicht anders. Auch wir ersticken wenn keine Luft für die Lungen da ist. Diese Gruselgeschichte mit den Särgen hat rein nichts mit Vampiren gemeinsam. Früher im Mittelalter hat man gelegentlich die normalen Toten unten im Keller für ein paar Tage gelagert, bis sie unter die Erde kamen. Damals gab es eben keine Kühlhäuser.“
Oben begann sie das nötigste zu packen. Da er selber wenig Auswahl besass reichte der Koffer allemal. Da fiel ihr auch das Tagebuch wieder ein. „Was ist wenn ihr sterbt? Gleich zu Staub zerfallen oder was.“ „Du hast vielleicht makabere Gedanken. Wir sind wie alle anderen Sterblichen. Vielleicht zerfallen unsere Körper langsamer. Was weiss ich“, kam es leicht genervt. „Ich habe nie so genau nachgefragt… Moment.“
Dank seiner überragenden Grösse fiel es ihm leicht das Tagebuch aus ihren Händen zu entwenden. Kurz warf er ein Blick hinein. Staunte und reichte es zufrieden ihr zurück. Sie packte es mit in den Koffer. „In Geheimsprache, die wiederum wie Steno abgekürzt ist. Also nichts da mit einfach abzählen.“ „Gut“, lobte er. „Wenn du schreibst möchte ich dir gerne zusehen. Schöne Schrift.“
Eindeutig roch sie einen Haken, erkannte ihn bloss nicht.
Ohne Eile verliessen sie wenig später die Wohnung. Der gestrige Kuchen war als Proviant eingepackt in ihrem kleinen Lederrucksack. Als sie die Treppe runter mit dem Koffer wollte, nahm er ihn vorher aus ihrer Hand. Ganz anders als am Vortag schienen heute die fünfzehn Kilo für ihn Federleicht. Trotz den Rollen behielt er ihn in der Hand. Bewegte sich mit einer lässigen Eleganz durch die Menge, selbst am hektischen Hauptbahnhof. Safa genoss es hinter seinem Rücken zuzusehen wie die Menschen rings um ihn herum wie selbstverständlich Platz schafften. Als ob ein satter Haifisch durch einen Schwarm Heringe hindurch glitt. Weder im vollen Bus, der wieder dank es Abendsverkehr aus allen Nähten platzte noch im Tram rempelte ihn jemand an. Sobald er Safa hinter sich an eine Wand stellte und er sich davor, rückten die Männer freiwillig einen Schritt auf die Seite als spürten sie eine unsichtbare, überlegene Macht. Frauen hingegen, stellte Safa bedauerlich fest, bemerkte ihn genauso. Jedoch mit verschiedensten Reaktionen. Während die einen furchtsam das Weite suchten, himmelte andere ihn förmlich an. Sobald sie jedoch ihn ansprechen wollten, tat er meist so als sei er mit Safa beschäftigt. Entweder den dekorativen Schal richten oder eine der braunen seitlichen Haarsträhnen hinter ihr Ohr schieben. So kleine vertrauliche Gesten wirkten, das andere Interessen sich abkühlten. Dafür beobachtete sie ihn weiter wie einen unerreichbaren Glückstern am Himmel.
Ohne besondere Vorkommnisse erreichten sie den Nachtzug mit dem Schlafwagon. Er suchte ihr reserviertes Abteil. Gerne überliess ihm Safa die Führung. Ein schmaler Gang führte an der Seite zum nächsten Abteil. Auf der andern Seite die Abteile für bis zu sechs Personen. Sie fanden ihres leer vor. Die Sitze schon aufgestellt. Obwohl die Putztruppe schon durch geflitzt war, hatten sich die alten Gerüche wieder an ihren Stammplatz zurück gefunden. Fremdes Parfum, ein leichter Schweissgeruch und vor allem der Fussboden müffelte wie ein nasser Hund. Wegen der vorhandenen Klimaanlage waren die Wagons mit Fenster ausgestattet, die sich nicht öffnen liessen. Nur bei den Fenstern im Gang draussen, wo sich hin und wieder auch jemand erlaubte heimlich zu rauchen, war das möglich. Also riss Sirinovska erst einmal die Fenster draussen weit auf und dann die Abteilungstüre. Bis auf die letzte Minute hatten sie Glück. Es gab nur Leute die ihre reservierten Abteilungen suchten und jeder schob seine Koffer an ihnen vorbei. Ungeduldig spähte Safa auf die grosse Bahnhofsuhr. Mikael genoss hingegen den Durchzug der den Gestank vertrieb. Dann gab es einen Ruck und der Zug rollte gemächlich an. Sofort stellte Mikael seinen Fenstersitz auf bequem ein. Winkte Safa neben sich. Legte ihr den Arm um die Schultern und sie lehnte gemütlich ihren Kopf bei ihm an. Sachte strichen seine langen Finger durch ihr noch feuchtes Haar. Sie hatten vor der Abreise beide geduscht. Entspannt schloss Safa die Augen. Bis schwere Schritte im Gang vor ihrem Abteil anhielten. Eine Frau mittleren Alters spähte durch die Tür hinein. Überglücklich weil hier so viel Platz frei war. Als sie den Rest des Körpers herein schob war eindeutig klar warum. Sie war hochschwanger.
Sie setzte sich auf die gegenüberliegende freie Seite. Die vorbei huschenden Häuserfasaden draussen färbten sich im Licht der untergehenden Sonne in orange Farbtöne. Eine Weile blickte sie nach draussen, dann gelangweilt, richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf die Mitreisenden. Strahlte mütterlich übers ganze Gesicht. „Ihr seid so ein schönes Paar. Sicher schon lange zusammen.“
Mikael freute sich natürlich. Etwas distanzierter betrachtete es Safa. Sie genoss einfach sonst die Ruhe. Ausserdem wackelte der Zug heftig, da er beim Ausfahren des Bahnhofes mehrmals die Gleise wechselte. Wie selbstverständlich umfasste ihr Kollege sie sicherer.
„Wie süss“, flüsterte die Schwangere. Da hob Safa ihr Bein hoch. Zog das Hosenbein so zurück, dass man den blinkenden Sender sah. „Ist das auch romantisch? Wir sind gezwungener Massen dicht beieinander, da der da…“ sie zeigte unverblümt auf Mikael und seinem Sender am Bein. „Ein Insasse einer Hochsicherheitsklinik ist und seit vorgestern seinen ersten Ausgang verdient.“
Ihr Gegenüber verharrte geschockt. Selbst Mikael sah tadelnd zu Safa hinunter. Die tätschelte vertraulich das ausgestreckte Bein von Mikael. „Keine Sorge er ist handzahm, sonst gibt’s eine böse Bewertung und das möchte er vermeid… Wow, ich wusste gar nicht das Schwangere so schnell sind.“ Staunte sie über den davon flitzenden Rock. Mikael legte Safas Hand zurück auf ihre Seite. Tadelte, „Da war nicht nett.“
Sie setzte sich kurz auf. Klare Augen untersuchten ob er das ernst meinte. Lächelnd gab er auf. Belohnend küsste sie ihn zärtlich auf die Lippen. „Wie gesagt es wird ein langer Abend und ich nahm nicht an, dass du brav bleiben willst. Aber diese Fussfesseln sind echt lästig. Vor allem da immer einer daran denken muss sie auf Distanz zu halten.“
Eine Stunde bei beinahe gleich bleibender Geschwindigkeit ratterte der alte Zug dahin. Auf einmal verringerte sein Tempo. Hielt kurz im Bahnhof Basel an. Safa wusste, dass bald die Grenze kam. Ihr Körper spannte sich an als sie unter ihrem Sitz den Rucksack hervorzog. Das gedämpfte Nachtlicht im Wagon liess sich nie ganz abstellen. Dafür schaltete sie eine Stufe höher als sie draussen Stimmen vernahm und die Schiebtüren quietschten. Mikael überfiel auch eine seltsame Unruhe. Gespannt blickte er konzentriert zur Tür. Safa suchte nach ihrer ID. Meinte zu dem Angespannten hinter ihr, „Willst du deinem Bruder telefonieren oder wie willst du die Ausnahmebescheinigung erreichen?“
Er stand auf. Drückte sie so, dass sie zur Tür hin blickte. Flüsterte ernst. „Sie nach vorn. Einfach nicht umdrehen. Nach vorn. Tue es!“ Es war ein schlechter Moment für Ungehorsam. Sie hörte die Dringlichkeit in seiner alles andere als bittende Stimme. Vernünftig entschied sie zu gehorchen. Aus den Augenwinkeln gewahrte sie eine Fussbewegung die weiter nach hinten, ausser ihrer Sichtweite, verschwand. Kleider raschelten. Vor ihr schob sich die Tür auf. Sie hielt die Tickets und den Ausweis hin. Geübt überflog der Zöllner die Gütigkeit der ID. Erst bei den beiden Tickets hielt er inne. Safa blickte selber drauf. „Ach, der ist nicht gekommen“, gab sie belanglos bescheid. Mit einem „Aha“ sah der fremdländische Beamte sie kritisch an. Spähte kurz unter die Sitze, Nickte und verabschiedete sich.
Kopfschüttelnd über ihren eigenen fatalen Fehler verstaute sie alles wieder sicher in ihrer Tasche. Unerwartet riss man die Türe erneut auf und ein zweiter Kontrolleur sah herein. Da sie alles noch in ihren Fingern hielt, zückte sie es halt erneut hervor, doch ihr Gegenüber winkte verständlich voll ab. Sachte zog er diesmal die Türe zu. Beruhigt atmete Safa auf. Wunderte sich nur warum keiner Mikael erblickte. Seitlich schielte sie rückwärts. Jedenfalls sass er nicht auf seinem Sitzplatz. Dafür lag ein Teil seiner Kleider achtlos dort wo sie ihn zuletzt vermutete. Ganz getraute sie nicht den Kopf zu wenden um sich voll zu überzeugen. Der Zug rollte an und sie nahm es schon Wunder wo er steckte. Sie blickte an die Decke über ihr, da sie so einen dämlichen Trick a la Hollywood erwartete, wo man sich dank den Ecken, sein Gewicht, hoch drückte. Mit seinen neuen Muskeln war dies durchaus zu erwarten. Als sie nichts als eine fleckige Decke gewahrte wurde sie ziemlich unruhig. Nervös wollte sie sich umdrehen, doch auf einmal gewahrte sie seine volle Präsenz. Er bremste mit einer entschlossenen Hand ihre kühlen Wangen. Flüsterte dicht über ihrem Haar. „Bitte noch ein bisschen Geduld.“
„Wo warst du?“ kam es verstört. Unmöglich, dass er durch Wände ging. Dennoch musste er den Raum vollkommen verlassen haben. Die Fenster waren mit der Fassung verschmolzen. Es gab kein Schlupfloch. Nicht mal eine Maus fände ein Schlupfloch in der Klimaanlage die einen festen Staubfilter besass. Verwirrt rätselte sie nach einer Lösung. Deutlich erkannte sie an den Geräuschen wie er sich anzog. Da er all seine Hände beschäftigt hatte, wandte sie sich langsam herum. Tatsächlich schlüpfte er hastig in seine Kleider zurück. Was in aller Welt tat er unbekleidet hinter ihr damit ihn niemand sichtete? Sein Oberkörper war noch frei. Sie legte vergewissernd eine Hand zart, vorsichtig auf die starke Brust. Geduldig wartete er bis sie seinen Herzschlag unter sich spürte. Er war zweifellos aus Fleisch und Blut. Dennoch bemerkte sie. „So kalt. Du zitterst zwar nicht, aber deine Haut fühlt sich eiskalt an.“ Umarmend zog er sie dicht an sich. „Dann wärme mich ein bisschen.“ Angelt mit seinem langen Arm das Hemd um auch die Kälte im Rücken abzuschirmen. Die Jacke war so eng geschnitten, dass sie nur reichte um ihn zu umspannen, daher liess er sie vorn offen. Ihm war die Nähe zu Safa lieber. Quer über den Stühlen streckt er sich aus. Halb lag Safa über ihm. Unter ihren Händen bewegte sich ein Brustkorb regelmässig. Dennoch zweifelte sie ob hier doch etwas anderes als ein normaler Mensch mit speziellen Fähigkeiten lag. Beruhigend streichelte seine Hand über ihren schön geschwungenen Rücken. „Wenn du, für den Anfang, bloss ein paar Tropfen von meinem Blut annehmen würdest. Dann wäre mir erlaubt dir einen weiteren Schritt entgegen zu kommen. Ein Geheimnis weniger.“ Fast unmerklich schüttelte sie den Kopf. „Was man nicht weiss ist manchmal weniger gefährlich für einen. Das ist auch eine kluge Regel aus meinem Viertel.“ Bewundernd strichen ihre Finger tastend über seinen geheimnisvollen Körper. Irgendwann schlief sie müde ein.
Vor Mitternacht erreichten sie die grosse Hauptstadt. Der Zug hielt zweimal an einem belebten Vorort um dann in den Hauptbahnhof einzufahren. Behutsam weckte Mikael die schlafende Safa auf. Wohl wissend das dies einer ihrer ungünstigen Momente war. Hartnäckig hielt der Schlaf sie gefangen. Da half kein heftiges Rütteln oder lautes ansprechen. Erst als er kühles Wasser, aus einer Trinkflasche, in ihr Gesicht tropfen liess, kam sie langsam aus dem Reich ihrer Träume zurück. Einmal protestierend laut aufschnarchend und verstört blinzelte sie ihn an. Finster mit Augenringen als hätte man sie wirklich unsanft nach einem hundertjährigen Schlaf gestört. Erst als durchsickerte wo sie waren, hellte sich ihr Gesicht eine Stufe versöhnlicher auf. Ein sanfter Blick aus seinen violetten Augen und erneut rutschte die Skala nach oben. Mit einem angedeuteten Lächeln erhob sie sich. Überall im Bahnhof brannten die Lichter. Manche Glühbirnen steckten noch in altertümlichen Dekolaternen. Einzig die gedrehten Sparlampen schienen da fehl am Platz. Die Menschen bewegten sich träge, der späten Uhrzeit angepasst. Die letzten Züge warteten noch auf die Abfahrt. Einige wenige Spatzen sammelten die letzten Krummen von Sandwichs zusammen, bevor die Putzmaschinen ihnen das letzte Abendessen einsammelten.
Safa viel es schwer sich einigermassen vernünftig auf den Beinen zu halten. Trottet hinter Mikael her und bemühte sich seinen schlanken Rücken im Auge zu behalten. Ausserhalb des mächtigen Gebäudes, blendeten kräftige Spotlampen empor. Sirinovska beschleunigte seine langen Schritte. In der einen den Koffer, in der anderen Hand zerrte er die stolpernde Safa hinter sich her. Beim Taxistand hielt er kurz inne. Nachdem er kurz ins Wageninnere prüfend reinschaute, entschied er sich für den dritten, alten Mercedes. Weil der Fahrer ihm gefielt, nicht zu alt um in der Nacht lange zu fahren und nicht zu jung und ungeduldig um zu rasen. Ausserdem gab es zwei kleine Kissen auf dem Rücksitz. Nach kurzer Verhandlung winkte Mikael seine Gefährtin heran. Ihn wunderte wie sie überhaupt, so halb weggetreten, es schaffte zu gehen ohne Hinzufallen. Schmiss den Koffer hinten rein und hielt ihr die Tür auf. Es roch unaufdringlich nach einem frischen Zitronenbäumchen. Ein alter Klassiker im Auto. Safa verstand nur wenige Worte von dem Französisch das Mikael und der Fahrer fliessend wechselten. Der Fahrer schien einzig überrascht über den langen Weg. Zwei lange Stunden waren keine Kleinigkeit bis zum Ziel. Sie lehnte sich einfach entspannt an ihren Kollegen, der sich selber rasch die Kissen hinter den Rücken stopfte. Den Türriegel zu Sicherung runter drückte um selber gemütlich müde in der Polsterung anzulehnen. Dann hob er Safa wieder halb über sich als wollte es sie nie wieder gehen lassen. Strassenlaternen blendeten mit ihrem orangen Licht in regelmässigen Abständen.
Später als sie hochsah, vernahm sie ganz leise Musik vorne aus dem Radio. Draussen war es dunkel. Die Sterne leuchteten an ihren alt gewohnten Platz. Und Mikael hielt ihre Hand mit weichem Druck über seiner Brust. Das Schaukeln des Fahrzeuges verleitete sie erneut zum einschlafen.
Beim nächsten Aufwachen stellte sie fest wie angenehm viel Platz zum wenden zur Verfügung stand. Es roch nicht mehr nach künstlicher Zitrone sondern ein wunderbarer Lavendelduft betörte die Sinne. Unter ihrem Rücken ein stabiles Bett. Es erstaunte sie höchstens, dass sie allein in dem breiten Himmelbett schlief. Draussen stand die Sonne noch nicht ganz oben. Die Fenster nur schräg gestellt, die dunkelblauen Vorhänge darüber zugezogen. Ein seltsames Rauschen draussen. Es dauerte bis sie, als Stadtmensch, dies als Wind der durch die Baumkronen siebte erkannte. Sie schaute an die schmucklose Holzdecke des Bettes hoch. Es war mit hellblauen Vorhänden an den Pfosten schmückend ausgerüstet, mehr zur Zierde, als zum Zweck. Ein sauberes ungewöhnlich grosses Schlafzimmer. Hohe, alte Fenster auf der Aussenwand. Dies war kein kleines Häuschen, das musste ein grösseres Hotel sein, mutmaßte sie. Bevor sie sich erhob, roch sie kurz an dem anderen Kissen neben ihr im Bett. Es roch neutral nach Waschmittel. Mikael war demnach gar nicht neben ihr zum Ausschlafen gekommen. Etwas steif erhob sie sich. Ihre schlanken Füsse berührten, versanken in einem flauschigen Teppich. Ihr geschlossener Koffer stand neben dem Bett. Sie suchte darin ein paar bequeme Hausschuhe zum anziehen. Unverändert war sie mit ihren gestrigen Kleidern angezogen. Dieses Zimmer war gleichzeitig eine kleine gemütliche Stube mit einer Sitzbank an der Fensterfront. Auf der gegenüber liegenden Wand, wo ihr Bett stand, gab es eine eingebaute Nische mit einem kleinen Waschbecken. Ein runder Spiegel mit verzierter Holzdekoration hing darüber. Ausgelassen, da sie niemand drängte widmete sie sich ausführlich der Morgenwäsche. Ohne Sirinovska, im Rücken, getraute sie sogar eine unauffällige Schminke aufzutragen. Ein bisschen um die Augen grösser zu betonen. Dafür benutzte sie einen dunkelbraunen Stift der perfekt mit ihrer Haarfarbe harmonierte. Ein bisschen auf die Augenbrauen um sie eleganter wirken zu lassen. Den schwarzen Klassiker hielt sie für ihre Augen zu hart, egal wie dünn man ihn auftrug.
Ein Tropfen Öl um die müden Augenringe letzter Nacht weg zu massieren. Mit einem orangeroten Stift die Konturen der Lippen verschönern und nur mit durchsichtigen Lippclose eine feuchte frische verpassen. Die Haare mehrfach glatt gekämmt und zu einem Pferdeschwanz im Nacken zusammen gebunden. Ein Tropfen Rosenparfum an ihren Hals und je an ein Handgelenk.
Ein letzter prüfender Blick in den Spiegel. An den Seiten eine freche Locke raus lösen um jugendlicher und weniger streng zu wirken. Endlich war sie zufrieden. Die trockene Haut ihrer Beine juckte und so rieb sie mit einem feuchten Waschlappen darüber. Erst jetzt dämmerte ihr was da wichtiges fehlte. Die Fesseln! Leicht gerötet, die Haut, wie ein Ring um ihr Fussgelenk wo der Elektronikkasten einst lag.
Ungläubig tastete sie über die leere Stelle. Nahm ein paar Tropfen Öl um die Stelle zu massieren. Kein Wunder das Mikael nicht an ihrer Seite war. Von den Fesseln befreit… und sie war für ihn verantwortlich, dämmerte es ihr spät. Also wo steckte er bloss? Geschwind hastete sie zu Türe. Unbeachtet die Schönheit des Raumes mit seinem polierte Holzboden, der fein nach Bienenwachs duftete. Draussen im Gang, ein Korridor der zur linken weiter führte, vor ihr hinunter in den Parterre Bereich. Sie sah hinunter wo mitten im Raum sich eine dunkelgrüne Couchgarnitur in Hufeisenform um einen Salontisch reihte. Auf der langen Rückseite lag Mikael ausgesteckt, auf dem bequemen Ledersofa, und schlief. Sonst entdeckte sie niemand im unteren Raum. Lautlos, mit den Hausfinken, die wie gepolsterte Socken waren, schlich sie die Treppe runter. Überflüssig zu überprüfen ob seine Fesseln noch dran waren. Garantiert waren sie wo anders, aber wo? Sie mussten einen Puls messen, sonst ging der Alarm auch los, und regelmässig den Abstand einhalten. Wohl kaum hatte er ein paar gute Kollegen die das freiwillig übernahmen, trugen? Oder für einen guten Preis! Korrigierte sie rasch ihre Gedanken. Er wirkte so entspannt, friedlich wie jeder andere wenn sie ihn so im Schlaf betrachtete. Sogar fremde Worte wie Süss, die sonst eigentlich gar nicht zu ihm passten, geisterten durch ihre Gedanken. Sie trat neben ihm. Eine Sehnsucht in ihr wollte ihn unbedingt berühren. Da sie nicht ahnte wie er reagierte, wenn man ihn aus dem Schlaf weckte, strich sie vorwarnend eine seiner langen Haarsträhnen aus dem Gesicht. Sie vermisste schon die Farbe seiner Augen. Beugte sich vor und küsste ihn sachte auf die Lippen. Es sollte nur eine vertraute Geste werden und wolle sich neben ihn setzten. Doch sie wurde unsanft am Hemd gepackt und wieder entschlossen nach unten gerissen. Seine Lippen pressten sich fast schmerzhaft auf die Ihren. Seiner Kräfte bewusst küsste er zärtlicher aber nicht minder leidenschaftlich. Als sie beide Luft holten sah er sie verträumt an. Sein Vorschlag. „Gehen wir nach oben?“ „Wie hast du das Problem mit den Fesseln gelöst?“
Er schmunzelte. Von oben, auf dem Balkon, erklang eine ältere, reifere Stimme. „ich glaube es ist ein guter Moment uns Vorzustellen. Sonst sehe ich Euch für den Rest des Tages nicht mehr.“
Während Safa eher erschrocken aufsah, reagierte Mikael gelassen. „Du kommst besser runter. Oben im Zimmer ist es mir zu hell.“, riet er ihm.
Besonnen trat ein älterer Herr die Treppe hinunter. Bei ihm hätte Safa auf Anhieb die Jahre getippt die eigentlich Mikael zählte. Da sie nun aber Mikael kannte wusste sie nicht mehr ob das jetzt ein Rentner war oder ein lebendes Fossil. Gerade seine stolze Haltung. Bedächtig jeder sichere Schritt. Wachsame graugrüne Augen die, hinter einer Brille mit runden Gläser, Safa genau massen. Straf zurück gekämmte blondsilbrige Haare. Die im Nacken von einer Brosche, mit schwarzer Masche drauf, gebändigt wurden. Eine ganze Handvoll länger, als Safa selber, mass seine Haarpracht. Trug eine grünsilbrige West die hervorragend zum weissen Hemd passte. Genauso eine beige Hose mit perfekten Bügelfalten. Obwohl der Schnitt eher altmodisch galt, machten die modernen Farben alles zu einem Klassiker. Eindeutige handgeschneiderte Massarbeit. Es sass nicht nur wie angegossen sondern unterstrich auch einmal die Würde des Trägers. Safa hatte Mikael einmal vorenthalten, dass er nicht die teuren Anzüge tragen könnte weil er schlichtweg nicht de Typ dazu sein. Nun trat jemand auf sie zu, bei dem jeder Zoll darauf passte. Jede Bewegung schien ausgezeichnet dafür einen edlen Anzug zu tragen. Ein gutmütiges Gesicht mit einem scharfen Verstand lächelte ihr entgegen. Erinnerte sie in der Bewegung an einen Vatertyp oder wie jemand der jahrelang als Butler arbeitet und jetzt den Ruhestand genoss. Auf den letzten Metern schmunzelte Mikael. Sie erinnerte sich an den Namen, Maurice. Genauso als kommunizierten sie sprachlos miteinander lächelte der ältere Herr.
Mikael hielt eine ausgestreckte Hand zu seinem guten Freund. „Maurice de Vlamnick, einer unserer besten Freunde unserer Familie. Wenn du je ein Problem hast kannst du dich an ihn wenden. Wenn er sich entscheidet sollte sich des Problems anzunehmen, dann hast du wirklich Glück. Bis heute hat er mir nie eine Bitte abgeschlagen.“ Mit wirklich gütigen, dankbaren Augen sah er zu seinem Kollegen, dass selbst Safa niemals an Mikaels Unschuld zweifelte. Schliesslich deutet Mikael auf Safa und liess Maurice wissen. „Das ist meine liebe Freundin. Die es einfach nicht so Recht wahrhaben will, dass es das Schicksal so voraus bestimmt hat. Ich hoffe sie bald richtig davon zu überzeugen.“
„Um deinem Klub der Eckzähne beizutreten? Meine ablehnende Meinung kennst du, bisher hat sich nichts daran geändert.“ Erfreut nahm sie die warme, feste Hand Maurices de Vlamnick entgegen. Ein Vorbildlicher fester Händedruck. Sei warmes „Willkommen in meinem Land!“ In perfektem Hochdeutsch ohne den geringsten Akzent. Sie bedankte sich höflich. Als er sein Gesicht verzog als hätte er in eine bittere Zitrone gebissen. „Eckzähne?“
Mikael lachte bei dem aussergewöhnlichen Ausdruck. „Ich hab ihr verboten, in Anwesenheit anderer Leute, mir den Ausdruck Vampir an den Kopf zu werfen. Aber Safa, Maurice gehört zu unserer Familie. Daher ist es erlaubt offen darüber zu reden.“
„Ah“, gespannt setzte sich Maurice gegenüber Mikael in einen Sessel. „Du glaubst also an uns!“ An ihrem zweifelnden Ausdruck war deutlich zu lesen, dass sie das noch nicht zu Ende abhackte. „An eure Organisation sicher. Den Rest…“
Besorgt sah Maurice de Vlamnick seinen Freund an. Doch der Winkte ab. „Alles im Grünen Bereich. Unsere Fähigkeiten, das Know-how, davon keine Silbe. Ich kenne die Regeln und befolge sie ohne Ausnahmen.“ Beruhigt wirkte Maurice wesentlich erleichtert.
„Gut so. Nichts wäre mir unangenehmer als dich zu ermahnen. Das nachdem ich dich praktisch gross gezogen habe.“
Nachdenklich wirkte Mikael. „Du hast mich aber nie im Ausland besucht?“
Maurice deutete nach oben. „Es ist gesünder für mich, wenn ich mich aus diesen Familien Angelegenheiten raushalte. Dimitros hat nach deiner Einweisung einen Schuldigen gesucht um seine Wut raus zulassen. Wenn ich dich besucht hätte… ich hänge an meinen letzten Jahren. Ausserdem darf ich hinweisen, dass bei einem auswärtigen Besuch niemand Mascha versorgt. Die überlasse ich nur ungern in fremde Hände. Immerhin“, verteidigte er sich. „Hab ich mehrmals probiert dich telefonisch zu erreichen. Doch die Klinik hat strikt abgelehnt und mir verdeutlicht, sie lasse nur Anrufe von Angehörigen zu. Dir ist wohl klar, dass ich bei deinem Bruder nie um eine Genehmigung bitte.“ „Nett gerettet. Zum Glück sind 50 Jahre für uns eine Kleinigkeit.“
Daran zweifelte sein vertrauter Freund. Jedoch beschwichtigte Mikael. „Die meiste Zeit war ich eh weggetreten. Voll gepumpt mit Drogen oder anderem chemischen Zeug. Hat mir schöne Träume beschert. Habe nur zu spät gemerkt wie leicht man von dem schweren Stoff abhängig wird. Zum Glück hat sich mein Körper bereits entgiftet.“
Maurice wirkte ziemlich besorgt. Eine kleine Falte mehr bildete sich auf seiner Stirn. „Du warst hoffentlich nicht allein? Diese gefährlichen Krämpfe sind in einzelnen Fällen so heftig das der Körper sich mehrere Minuten nicht mehr aus der Starre löst. Man kann durchaus auch ersticken und sterben.“ Tadelnd sah Safa zu Mikael. Der wehrte schnell ab. „Ist alles gut gegangen. Das starke Magnesium hat mir geholfen.“ Tätschelte loben er ihre kleine Hand. Dann als er seinen Freund so allein betrachtete, „Wo ist eigentlich Mascha?“
Maurice deutete nach oben. Blickte auf die Uhr die ganz hinten an der Wand hing. Eine alte Pendeluhr mit zwei Gewichten die nach unten zogen. „Es ist immer noch Zeit für ein Frühstück. Bleibt schön da. Bin gleich wieder zurück.“ Geschmeidig erhob er sich was völlig gegen sein Alter sprach. Dann wollte es Safa genau wissen sobald der besagte den Raum durch eine Seitentür verliess. „Lässt du mich wissen wie alt er ist?“
Sirinovska schmunzelte. „So genau weiss ich es selber nicht. Irgendwas anfangs 800 Jahre. Fünfhundert davon verbrachte er als treuer Mitarbeiter unserer Familie in Russland. Staunst du was. Sobald in einem Land unter den Menschen Krieg ausbricht, verlassen wir die Region, dadurch bleibt man um einiges länger am leben. Am Krieg selber profitieren wir nie, obwohl wir die finanziellen Mittel hätten, halten wir uns raus. Unser Reichtum kommt daher weil wir die schönen Dinge lieben. Kunst, Handwerk und bei meiner Familie die herausragende Pferdezucht. So verabscheuungswürdig, grausam wie es in alten Geschichten oft dargestellt wird sind wir überhaupt nicht. Wir distanzieren uns weit davon.“
Von der Türe her, verbesserte eine andere Stimme. „Es gab allerdings Ausnahmen. Einige unserer Art, waren so unvorsichtig und tranken von kranken Menschen. Unglücklicherweise wütete zu der Zeit gerade die Tollwut im Land. Hat natürlich den Virus übertragen. Aus der dunklen Epoche entstammen die blutigen Horrorgeschichten. Erst nach einem Jahr gelang es uns alle gestörten auszulöschen. Das war vielleicht eine wilde Verfolgungsjagd. Sogar unsere eigenen Leute ängstigten sich vor einer Ansteckung, wenn sie einen Infizierten erwischten.“
Schwer beladen stellte er das runde Silbertablett auf den Tisch. Es duftete herrlich nach frischem Lavendeltee und warmen Brötchen. Dazu Honig, verschiedene Sorten von Käse zur Auswahl und Oliven mit verschiedenen Gewürzen. Safa wunderte sich über die Vielfalt, die er da auftischte. Nachdem er den Tee rundum einschenkte, gab ihr Maurice, mit einem Augenzwinkern, zu verstehen. „Ist noch wegen dem empfindlichen Magen von unserem Küken da. Daher besser beruhigenden Tee und leichte Kost.“
Sie fand es übertrieben Mikael als ein Küken zu bezeichnen. Er nahm es auf sich als sei er das öfters gewohnt. Erst als Maurice einen dampfenden Teller mit Haferbrei vor ihm auftischte, protestierte er heftig.“
Allerdings ermahnte Maurice. „Das wird schön aufgegessen, bevor es kalt wird. Dein Körper, vor allem deine neuen Muskeln brauchen das!“ Definitiv stiess das auf wenig Gegenliebe. Gut gemeint reichte ihm Safa den Zucker. „Streu das darüber mit einem bisschen Zimt und es schmeckt wunderbar.“
Mikael rutschte gekränkt, weiter zurück auf seinem Sitz. „Ich bin doch kein kleines Kind mehr!“
Safa erinnerte. „Wer trägt hier den Namen Küken?“
Für sie begann ein exzellentes Frühstück. Vor allem für eine Schweizerin genoss die den französischen Käse anerkennend. Lustlos stocherte dagegen ihr Freund in seinem eintönigen Brei. Erst nachdem Maurice ihn eindrücklich mit einem entsprechenden Blick ermahnte, begann er schweren Herzen zu essen. Brav löffelte er ihn leer bis auf den letzten Rest. Da zog Maurice de Vlamnick, unter den Sofa, aus einer Kiste einen Bund langer Karotten hervor. Mikaels Augen wurden zuerst gross, dann sehr schmal. „Das ist jetzt aber nicht dein Ernst!“
Munter kicherte Maurice vor sich hin. Beherrscht versuchte er Haltung zu wahren, doch es endete in einem trockenen Husten. „Das ist nicht für dich.“ Dann schrie er laut nach oben. „Mascha! Mascha komm runter! Essen!“
Vom oberen Stockwerk her schnaubte es sprichwörtlich. Schwer polterte es als ob jemand auf den Fussboden sprang. Maurice verzog unwirsch das längliche Gesicht. Drückte seine Brille höher auf der Nase. „Sie war wieder auf dem Bett“, analysierte er treffsicher das bekannte Geräusch. „Langsam wird sie mir zu fett. Vielleicht sollte ich wieder mehr raus mit ihr, auch wenn ihr das nicht passt.“ Und viel lauter. „Komm Mascha, schieb deinen runden Hintern hier runter!“
Diesmal verschluckte sich Safa heftig am Tee ab den unschönen Worten. Wunderte sich welche von aller Intelligenz verlassene Frau das ohne Widerworte einfach so runterschluckte.
Dann allerdings, es klang wie die spitzen Absätze von High Heels, auf der Treppe. Da kam… ein Shetlandpony die Treppe runter. In den Farben eines Falben. Dichte Mähne und buschiger Schweif in glänzendem Schwarz. Gepflegtes Fell und ziemlich rundlich, erkannte man schon den übergewichtigen Speck. Dementsprechend träge schritt es langsam neben Maurice Sessel. Wo es sich gleich, wir gut Dressiert auf die Hinterhand setzte. Kaum streckte es seine Hinterbeine seitlich aus, erspähte Safa wo die elektronischen Fesseln waren. Eine um sein Hinterbein. Schön eingebunden mit einer Bandage. Die andere vorn damit ein gewisser natürlicher Abstand gewährleistet war und gleichzeitig jeder Schritt Bewegung meldete.
Frech zupften ihre Nüstern an seinem Ärmel um ihren dringenden Wunsch zu verdeutlichen. Wenig überzeugt von der guten Erziehung, schüttelte Mikael den Kopf. „Warum kannst du nicht wie andere dir einen Hund zu tun?“ Sofort verteidigte der Hausbesitzer seinen ungewöhnlichen Gast. „Sie war ein Geschenk. Sozusagen ein Tausch weil der Besitzer kein Geld besass mich auszuzahlen. Als ich ihn bat mir etwas zu überreichen was in seinen Augen in etwa, den gleichen Wert hat, gab er mir die Leine mit Mascha die Hand. Ich betrachte es als sein gelungenes Kunstwerk. Schade habe ich nicht dein Händchen für Tiere. Die Gute hat ihren eigenen sturen Kopf sich durch zu setzten…“ Seine Gute riss ihm wirklich den Rübenstrauss, wie ein gieriger Mähdrescher, aus der Hand. Rasch brachte er seine Finger in Sicherheit.
Sirinovska tat es von zusehen weh. Streckte fordernd seine Hand zu seinem Freund.„Wo ist das Halfter!“
„Eh, ich lege ihr höchstens einen Strick um den Hals und geh so mit ihr draussen spazieren.“
Schwer atmete Mikael aus. „Diese falsche Tierliebe. Kauf ihr ein Halfter und lasse sie auf keinen Fall ins Haus!“
Entschieden wehrte sich der arme Maurice. „Wo soll ich sie draussen hintun? Sie ist gar nicht gewohnt auf hartem Stroh zu schlafen. Ausserdem ist sie stubenrein. Also kommt es nicht drauf an wo sie schläft.“
Diesmal mischte sich Safa ein. „Sei ehrlich und gestehe wie gerne du ihre Gesellschaft im Haus bis geniest. Alleine sein ist nicht so dein Ding. Ich würde dir gerne zu einem Hund anraten aber solange du nicht mit Mascha klar kommst, ist es sogar noch gefährlicher einen Hund zu halten.“
Weil er von seiner Safa keine Unterstützung bekam schaute Mikael etwa enttäuscht zu ihr hinüber. Schlimmer erschien ihm wie klar sie die Wahrheit aussprach. Bevor Maurice fragte, kam von Sirinovska die hinweisende Antwort. „Psychologin! Tja, sie kannst du nicht so einfach täuschen. Ich flechte dir ein Halfter, dann demonstriere ich dir den richtigen Umgang mit deiner süssen Mascha. Morgen wird dann Safa aufpassen, wie gut du Deine Lektion gelernt hast.“ Safa trank gerade ihre Tasse leer. „Warum soll ich aufpassen? Du verstehst eindeutig mehr von Pferden.“
„Tja“, kam es bedauernd, „ da ich schon in Frankreich bin, nutze ich die Gelegenheit um Geschäftliche Kontakte aufzufrischen. Voraussichtlich, es klappt alles, werden wir uns Morgen Abend wieder sehen.“
Alleine hier zu bleiben passte ihr überhaupt nicht. Verbarg jedoch meisterhaft ihre enttäuschten Gefühle. Da ging die schöne Zeit die sie sich mit ihm erträumte vorbei. Allerdings bemerkte sie. „Du brauchst dringend ein eigenes Handy damit ich dich erreichen kann, sobald der Bescheid von der Klinik kommt.¨
Das gab selbst ihm zu denken. Maurice half nach. „Du bekommst eines von meinen. Ich lösche meine Daten, dann kannst du es sogar behalten.“ Damit gab sich Safa zufrieden.
Wie angekündigt startet Sirinovska nach dem Essen mit dem Sammeln gewisser Unterlagen die er dringend Benötigte. Dafür sass er vorher eine Stunde am PC und der Drucker lief heiss. Im kleinen Arbeitszimmer das direkt unter Safas Schlafräumen lag, hatte er gegen das blendende Tageslicht, jeden der Vorhänge sorgfältig zugezogen. Als das Summen der Maschinen verstummte, kam Maurice mit verschiedenen Anzügen herein aus seiner für Gäste Kleiderschrankkollektion. Unter seinen strengen Kriterien fanden sie den passenden. Darauf folgte eine Auswahl von getönten Sonnenbrillen. Eifrig schwirrte Maurice um seinen Schützling. Gab ihm da und dort Anweisung und Ratschläge mit. Dass schliesslich Mikael so der Kopf schwirrte das er froh war das Haus zu verlassen. Nicht jedoch ohne sich vorher von Safa zu verabschieden. Als er sie zu sich rief, liess sie das Tagebuch oben liegen und eilte hinunter. Schon auf der Treppe bewunderte sie seine elegante Erscheinung. Wenn auch der perfekte Anzug hervorragend zu seiner schlanken Figur passte, sie bestens zur Geltung brachte, wirkte Mikaels Erscheinen befremdend auf Safa. Diesen Sirinovska kannte sie bisher nicht. Bisher sah sie nur einen nervenkranken Klienten in ihm und weit entfernt davon einen selbständigen, erfolgreichen Unternehmer. Zum ersten Mal bewies er was wirklich in ihm steckte. Sie erinnerte sich an das Eisbergsystem. Bekam eine gewisse Ahnung davon wie wenig sie ihm bisher zutraute.
Obwohl sie kein Wort ihre halboffenen Lippen verliess, loben ihre strahlenden Augen seine makellose Erscheinung.
Zufrieden kam er ihr auf den letzten Metern entgegen. „Das genügt mir vollkommen.“ Beugte sich vor um mit seinem Mund über die Kurve ihres Kiefers zu streifen. Liebkoste ihre Wangen mit der Pfirsichhaut und küsste sie verlangend auf die hab geöffneten Lippen. Es viel ihm schwer sich von ihr zu lösen. Safa ihrerseits hielt ihn sachte an den schmalen Hüften. Sie fragte sich, warum um alles in der Welt gab sich so ein perfekter Mann, überhaupt mit ihr zufrieden. Eigentlich müsste er längst eine ebenbürtige Schönheit an seiner Seite haben. Was nicht war konnte leicht geschehen. Mit einer gewissen Traurigkeit in den Augen trat sie zurück. Er strich mit einem Finger sachte ihren feinen Wangen entlang. „Mach dir keine Sorgen. Ich bin bald wieder zurück und ich kann dir genauere Angaben über unsere Zukunft liefern.“
Dann wandte er sich dem diskret abgewandten Maurice zu. Lautlos wechselten sie nur stummen Blickkontakt. Bis Maurice laut beschwichtigte. „Es wird nichts passieren. Dazu ist es viel zu früh. Erst nach deiner offiziellen Einführung wird der Tanz um die umstrittene Führung beginnen. Bis dahin geniess deine unbeschwerte Zeit…“ Es begann erneut ein kurzer Schweigefase. Abrupt wandte sich Mikael ab. Warf Safa ein letztes zuversichtliches Lächeln zu, ehe er das Haus verliess um in ein wartendes Taxi einzusteigen.
Maurice liess genügend Zeit verstreichen, bis er die Haustüre schloss. Das klicken des Schlosses brachte Safa zurück in die Realität. Sie war nun einen ganzen Tag mit einem Fremden im Haus zusammen und fragte sich was sie mit ihrer ungewohnten Freizeit anfangen sollte. Beziehungsweise wie die Zeit totzuschlagen sei. Bücher sichtete ihr geübtes Auge in diesem alten kleinen Schlösschen genug. Allerdings liessen ihre mangelnden Französisch gewiss keine Interessante Übersetzung einer Lektüre zu. Also blieb vorerst eines, für ihr Tagebuch weiter Berichte zu schreiben. Oder auf dem E-Phone Spiele runterladen. Mit neuem Hochgefühl steuerte sie ihr Zimmer an. Kam jedoch nur bis zur ersten Treppenstufe. Hinter ihr fragte Maurice harmlos ihr nach. „Darf ich dich einmal genauer ansehen.“
Diese komische Frage lies Safa zögern. Den Fuss auf der Stufe sah sie zurück. Maurice winkte mit einer Hand zu sich hin. Mit gesunden Misstrauen folgte sie Maurice hinterher ins sein Arbeitszimmer. Als erstes riss er die Vorhänge harsch auf die Seite. Von wegen Vampire mögen keine Sonne. Neben dem PC, in einer schattigen Nische, gab es ein bequemes Sofa das ein weisser Überwurf zudeckte. Ringsum an der Fensterfront genau wie bei ihr oben die gepolsterten Sitzbänke und einen kleinen Tisch Marke Eigenbau. Seine Holzplatte war so beweglich wie eine Staffelei, in der Höhe und Schräge der Ablage. Unter der Platte gab es ein grosses Kästchen als Ablage. Sonst wirkte der Raum, mit dem polierten Holzfussboden ziemlich leer. Wieder wanderte ihr Blick zurück zu Maurice, der sie genauso interessant betrachtete wie sie den Raum. Nur nahm er es um einiges genauer. Stellte sich dicht neben Safa, hob mit einer Hand fordernd ihr Kinn nach oben. Studierte ihre Seitenfront. Hände umspannten ihre Taille, schoben das weite Hemd das sie trug, kurzerhand auf die Seite. Sie kam sich vor wie ein Pferd auf dem Markt. Erst recht als er begann ihr dunkelrotes Halstuch zu lockern. Lose liess er die Enden an ihrer Seite hinunter baumeln. Schliesslich wich er einen Schritt Abstand einräumen zurück. Liess ihren Eindruck auf sich einwirken. Gerade als ihre Augen Bände sprachen was für einen eigenartigen Spass er sich da erlaubte, sagte er mit Überzeugung. „Ich will dich malen. Wir haben jede Menge Zeit bis Morgen und die will ich nutzen. Bis du damit einverstanden?“ Zwar war Safa selber eine Kunstliebhaberin. Sammlerin diverser Kataloge und Besitzerin mehrer hundert original Skizzen vom Internet. Jedoch als Modell hinzuhalten war gänzlich eine andere Sache, daher zögerte sie unentschlossen. Maurice bat mit einem entgegenkommenden Tonfall, „Hast du einen besseren Vorschlag? Es wäre mir eine Freude und glaube mir nicht jeder gewinnt einen Platz auf meiner Leinwand. Allerdings musst du vorher was anderes anziehen und darf ich dir die Haare anders frisieren?“
Das klang einigermassen vernünftig. Gerne gab sie ihre Zustimmung. „ Wenn du das kannst.“
Sein bis dahin ernstes Gesicht lächelte siegessicher. „Lass dich überraschen.“ Auf einmal wirkte er richtig Energie geladen. Von wegen ein 800 jähriger hat Mühe sich zu bewegen. Er flitzte energiegeladen durch den Raum, dass es Safa bange wurde. Aus einem eingebauten Wandschrank, wühlte er verschiedene Kostüme durch. Neugierig trat Safa hinter ihn und wunderte sich ab der Vielfalt an Frauenkleider die er da hortete. Vor allem auch die vielen bunten Ausführungen. Vertieft in seiner Auswahl summte er leise vor sich hin. Gab hin und wieder einen Kommentar für sich selber auf Französisch. Schliesslich angelte er sich ein weisses Unterkleid, Dunkelgrünen Rock, hellgrüne Schürze und etwas in fast schwarz hervor. Mit den Sachen in seinem Arm bewaffnet sah er Safa wie eine Beute an. „Ausziehen!“
Da sie zusätzlich ein enges Trägerleibchen trug und bequeme breite Unterhosen folgte sie unbesorgt seinem Wunsch. Schliesslich sah man in jedem Badeanzug mehr Haut. Als sie schliesslich mit dem wenigen dastand, verzog er freudlos sein Gesicht. Zupfte einmal an ihrem Hemd herum und eine vielsagende wegwerfende Bewegung. Erst als sie oben herum im BH vor ihm stand, schien er einigermassen zufrieden. Sie wiederum war aber weit entfernt von begeistert zu sein. Unschön rümpfte er die Nase. Schmiss die Kleider auf einen Stuhl und rauschte erneut zum Schrank. Es gab unten Schubladen. Mit einem geübten Griff zog er einen spitzenbesetzten, trägerlosen BH hervor. Safa wollte es nicht eingestehen, aber ihr wurde es langsam unheimlich und vor allem peinlich. Sie konnte nicht mal verhindern, dass ihr Gesicht weiterhin so bleich blieb wie sonst. Sie spürte die Wärme in ihren verfärbten Wangen. Sofort warnte er. „Keine Grimassen. Lass dein Gesicht schön entspannt. Anziehen!“ Da er weiterhin wie ein unnachgiebiger Chef vor ihr stand, drehte sie sich um. Ihm die uninteressante Rückseite zu zeigen war immerhin ein kleiner Vorteil beim Umziehen. Allerdings als sie bereits den BH öffnete stutzte sie. Vor ihr gab es einen kleinen Wandspiegel an der Wand, neben der Tür versteckt. Dieser heimliche alte Spitzbube. Todernst drehte sie sich zu ihm und diesmal forderte ihre Hand ihn energisch auf zum umdrehen. Bedauernd folgte er ihrer entsprechenden Anweisung. „Schade. Gönnst du einem alten Mann wie mir denn gar nichts? Wird wohl auch nichts mit Aktmalerei. Ich zahle gut für offenherzige, freizügige Modelle. Überlege es dir?“
Ihre aufgebrachte Stimme. „Du hast wohl einen Knall in der Schüssel!“
Empfindsam zuckte er sogar zusammen. Solche Worte hatte wohl kaum jemand gewagt ihm anzuwerfen. „War nur ein geschäftlicher Vorschlag. Ein einfaches NEIN hätte auch genügt.“ Genauso harmlos gab sich auch Safa als es sie insgeheim Wunder nahm. „Sind die Schwerter über dem Schrank, Original scharf oder nur als harmlose Zierde gedacht.“
Zum Glück bedeckte, wenn man das so kaum sagen durfte, eher schmückte der BH halbwegs schicklich ihren Busen. Misstrauisch flitzte nämlich Maurice flink auf einem Fuss herum. „Mir sind deine Schwertkünste schon zu Ohren gekommen.“ verriet er. Dann jedoch schnalzte er entzückt mit der Zunge. Bewundernd verharrte er auf ihrer weiblichen Figur. Mit sehr langsamer Bewegung reichte er ihr die weisse Chemise aus leichter Baumwolle. Nachdem sie es über den Kopf streifte, reichte es bis zu den Fussknöcheln. Sie bemerkte auch die extreme Weite um den Busen. Da sie mit so einem mittelalterlichen Kleid keine Erfahrung besass suchte sie erst einmal vergebens wo man das Dekolletee verkleinerte. Achtlos schubste er ihre unfähigen Hände auf die Seite. Trat hinter ihren Rücken. Kurze geschickte Finger zogen an den verstecken Schnüren. Danach half er ihr in das dunkelgrüne Überkleid mit dem Rock der vorne offen war. Schulternfreie Ärmel und vorne eine Schnürbustier mit hübschen silbrigen Schmuckborten. Auf eine Weise liebte Safa das fremdartige Kostüm. Anderseits bevorzugte sie weibliche Hilfen um es anzuziehen. Wieder waren es Maurice ungeduldige Finger welche ihr vorn den Busen zurecht drückten. Vor allem die vorderen Bänder zog er in Rekordeile an und verkürzte auch die seitliche Taille ein Spur schärfer zu. Mehrmals strich er bewundernd über die Taille um zum Schluss mit der hellen Schürze abzuschliessen.
Schliesslich deutete er zum Spiegel. Als sie sich dort erstaunt betrachtete in dem mittelalterlichen Bauernkostüm, schob er bereits den Stuhl heran. Drückte ihre freien Schultern nieder. Genauso ein sanfter, energischer Stoss, der darauf hinwies den Rücken, auch beim sitzen, gerade zu halten. Wohl eine Stunde brauchte er bis er nach dem anfeuchten der Haare, sie mit einem Lockenstab einrollte und dressierte. Am Ende meinte er, „Luft anhalten!“ Schwirrte mit Haarspray rasch über die neue Frisur um ihr einen längeren Halt zu verschaffen. Riss zum Schluss ein Fenster weit auf und lies frischen warmen Frühlingswind über ihre freien Schultern streifen. Safa selber staunte über die Verwandlung. Inzwischen holte er noch eine alte, hässliche Ledertasche aus dem Schrank und schritt zur Tür. „Jetzt können wir gehen“, drängte er zur Eile. „Hast du ein Buch oder sonst etwas gegen langweile? Letzter Moment um das einzupacken. Ich warte in der Küche.“
So rasch es die weiten Kleider zuliessen, hastete sie die Treppe hoch. Packte in ihren kleinen Rucksack ihr Tagebuch und das Handy. Sauste wieder hinunter. Vor der Küchentüre erst ein tiefer Atemzug. Gespannt schob sie die Türe auf die Seite. Gegenüber erblickte sie den nächsten Ausgang ins Freie. Er wartete schon im Türrahmen. Aufmerksam hielt er die Türe schon auf. Mit den Turnschuhen war es einfach schnell zu sein. Jedoch bremste sie kurz ab als sie aus den Augenwinkeln gewahr wurde, in welchem traurigen Zustand man die Küche vernachlässigte. Gerade wollte sie entsetzt den Mund aufsperren, da zerrte er sie am Handgelenk nach draussen. „Dafür habe ich keine Zeit. Habe die Putzfrau schon angerufen.“
„Ok“, sie rieb sich das schmerzende Handgelenk. Für so einen alten Mann besass er erstaunliche Kräfte. Draussen in der Sonne, er breitete die Arme aus um jeden Sonnenstrahl zu geniessen. Auf einmal erinnerte er sich an den Hauschlüssel den er unter einem hässlichen Gartenzwerg schob. Ausserdem packte er einen seltsamen Sonnenschirm. Statt einer dunklen Version bot dieser kaum Schatten, schützte aber dank der superdicken mehrfach geklebten hellen Folie vor direkten Sonnenstrahlen. Mascha sobald sie das Rascheln der Folie hörte, spitzte die Ohren. Bequem lag sie im Schatten, eines breiten Obstbaumes, im kurz gehaltenen Gras. Statt einem Gartenzaun gab es hier eine kleine Mauer aus Steinen, verschiedenster Grösse. Zudem ein stabiles Holztor dessen braune Farbe bereits abblätterte oder von Maschas Fressgier abgeknabbert wurde. Obwohl die gute Gesellschaft wünschte, eilte Maurice bereits zum Gartentor und flitzte hindurch als gäbe es einen Wettlauf zu gewinnen. Hastig folgte Safa seinem Beispiel und es gelang ihnen schneller zu sein als die wiehernde Mascha. Enttäusch polterte sie mit einem Vorderhuf an das Hindernis aus Holz. Aufmuntern kraulte Maurice tröstend ihren Hals. „Sorry, wir haben heute volles Programm. Geniess den Garten und lass keinen rein ausser Simone. Bis später.“ Ohne sich umzudrehen wandte er sich hinter dem Haus einem Feldweg zu bei dem höchstens die alten Autos mit höherem Fahrwerk durchkamen. Schmal und in der Mitte eine bis zu zehn Zentimeter hohe Grasnarbe. Es ging anfangs leicht aufwärts. Sollte es hier wieder Regnen würde das Wasser seitlich über die polierte Steine hinweg fliessen. Zu beiden Seiten des Weges wucherten teilweise dichte Brommbeerbüsche. Wechselte dann zeitweise in eine Baumallee die wie ein dunkelnder Tunnel die Strasse einhüllte. Oben auf dem Hügel, nach dem das Bord abflachte zu einem Grasstreifen, öffnete sich ein schöner Blick über die Felder hinaus. Blühende Lavendelfelder zu beiden Seiten, soweit das Auge reichte. Exakt fast in geraden Linien, regelmässige Stauden die bereits ihre violetten Blüten öffneten. Der endende Frühling mit seiner Regenzeit liess auch die grünen Blätter fleissig spriessen. Ein duftendes Meer aus Violett und zartem hellgrün über die Hügelwellen gleichmässig verteilt. Hin und wieder trennte eine hohe Baumgruppe als Windfang die Feldergrenzen. Deutete auch auf einen Weg oder befahrbare Strasse hin. Ausser Maurice kleines Schlösschen, ein umgebautes Weingut, gab es erst weit in der Ferne das nächste Dorf zu entdecken.
Safa blickte über das weite verlassene Land. „Wohnst du so alleine? Ist ja einmalig anzusehen aber auf Dauer ist das doch ein bisschen Deprimierend?“
Worauf er sie befremdend ansah. Es klang abwertend. „Ahnungsloser Stadtmensch. Jeden Tag ist das Wetter anders. Allein hier oben auf dem Hügel zu sitzen und Raum für seine Gedanken zu lassen ist unbezahlbar. Hier entsteht keine Depression, hier heilen wir sie. Hinter dem Tal im Süden wohnt Simone und ihre kinderreichen Familien. Hinter dem Westhügel ist Jean-Pierre zuhause, dessen Haus du auch nicht so einfach siehst. Er ist berühmt für seinen hervorragenden Wein. Produziert immer zuwenig aber er ist zufrieden. Wir sind hier nicht alleine, wenn es auch den Anschein hat. Mindestens einmal am Samstagabend sind wir im Dorf, Versammlung. Donnerstagabend gibt es bei Jean- Pierre Braten für mich. Ausserdem schieben wir Männer dann eine Boule Runde. Der Gewinner entscheidet dann bei von wem er das nächste Abendessen bezahlen lässt. Es ist also immer was los. Und wehe dem der Krank wird. Ein Anruf genügt dann kommen alle. Manchmal ist man ganz froh wieder einen Tag in Ruhe zu verbringen.“ Sein geübtes Auge fand den besten Platz auf dem Hügel. Quer über vier Reihen trennte hier ein Trampelpfad rüde die sonst fast einen Kilometer langen Lavendelbeete. Breitete eine karierte Decke über dem geebneten Platz in der Mitte aus. Hilfsbereit reichte er Safa eine Hand als sie sich mit dem breitfächrigen Rock hinsetzte. Pflanzte dann den Sonnenschirm in die Erde. Mit seinem kritischen Auge begann er dann jede Rockfalte zu richten. Drückte Safas Rücken von ihm die gewünschte Position. Vor allem die hässlichen Turnschuhe flogen rasant ein paar Meter entfernt auf den Weg zurück. Den Rocksaum drapierte man unauffällig hoch damit jede schlanke Fussfessel voll zur Geltung kam. Maurice besass eine konkrete Vorstellung und wollte sie perfekt Verwirklichen. Präzise richtete er Safa Gesicht unentschlossen in verschiedene Richtungen. Schliesslich zog sie ihr Buch hervor und legte es neben sich. Sofort riet er. „Schreib einfach drauf los.“ Dementsprechend glücklich griff Safa nach ihrem Stift und begann alte Berichte nach zu tragen. Genauso emsig arbeitete Maurice mit seinem Pinsel und den Ölfarben auf seiner Staffelei. Zwischendurch warf Maurice Kommentare zu. „Hals runder, Kinn nach oben, Fuss wieder mehr nach vorn.“ Dennoch wurde es ein angenehmer Tag. Gegen Mittag bekam Safa zwar Hunger. Schonungslos beharrte Maurice auf gleich bleibender Pose. Obwohl sich bei ihr, wegen der abgedrehten Position, die Rückenschmerzen verschlimmerten. Ausserdem schwitzte sie zunehmend unter dem robusten Baumwollstoff. Der Schweiss lief ihr unangenehm über die Stirn, am Gesicht hinunter und vor allem unten in den grosszügigen Ausschnitt ihres Busens. Mehrmals reichte Maurice ihr die Wasserflasche. Trotzdem wurde ihr sichtlich unwohl. Irgendwann am Nachmittag musste sie auf die Toilette. Erst eine Stunde später erlöste sie Maurice. Legte endlich seine Malsachen auf die Seite. Halb ihr beim Aufstehen, wobei ihre erstarrten Muskeln, erst mal ihren Dienst versagten. Hilfreich kniete er neben ihr nieder und hob kurzerhand den Rock hoch. Ihr entsetzter Aufschrei hallte über die Felder. „Maurice!“
„Was, schrei doch nicht so laut. Bist ja keine Jungfrau mehr. Ich massiere dir nur die Beine.“ Zittrig stand sie unsicher da. Wagte kaum sich bei ihm abzustützen als er tatsächlich nur ihre Muskeln lockerte. Bereits nach wenigen Minuten war sie in der Lage die ersten Schritte zu tun. Unsicher sah sie sich nach einem WC Örtchen um. Diesmal lachte er los als er ihr ungeschickt bemerkte. „Mach es eben wie früher. Heb einfach deinen Hinteren Rocksaum damit er nicht nass wird. Oh, ich vergass…reiche mir vorher die Unterhosen, dann hast du es entschieden einfacher.“
Gegen ihren Willen färbte sich ihr Gesicht diesmal ganz rot. Sah aber keinen anderen Ausweg. Nochmals eine halbe Stunde zu warten, bis sie das Haus erreichten, war entschieden zu lange. Maurice selber genoss mittlerweile heimlich die Situation. Allerdings bekam er ihre rosa Spitzenunterhosen nicht in die Hand. Sie stopfte sie vorher in ihre eigene Tasche. In einigen Metern Abstand versuchte sie dann entspannt ihre volle Blase zu leeren. Mit berechnender Absicht erwähnte er in diesem Moment. „Darf ich dir zu Hause beim Umziehen zusehen?“
Erzürnt schnappte sie nach Luft. „Hast du eigentlich keinen Anstand? Ich bin die Freundin deines Freundes und du machst solche unverschämten Angebote! So was gehört sich nicht.“
„Pah“, verteidigte er sich. „Mikael trinkt zwar dein Blut aber solange du nicht seines bekommst bist du nicht seine feste Partnerin. Also sozusagen Freiwild für alle die Interesse zeigen. Sei doch froh, dann hast du eine grössere Auswahl. Ich kann dir hier auch ein angenehmes Leben bieten. Finanziell hättest du auch überhaupt keine Sorgen mehr.“ Dabei betrachtete er die schlichten, schwarzen Turnschuhe, ohne Markennamen, als seien sie aus dem Billigmarkt.
Überzeugt stampfte Safa auf ihn zu. „Stell dir vor, ich bin zufrieden mit dem wenigen was ich besitze. Ausserdem hab ich einen guten Job der mir gefällt. Und zu deiner Info, ich habe Mikaels Angebot abgelehnt sein Blut zu trinken. Aber ich hab damals auch nicht gewusst, dass nachher so ein unverschämter Kerl wie du daherkommt und sich Hoffn…“
„Waaas! Er hat dir sein kostbares Blut angeboten?“ Ungläubig starrte sie Maurice an.
„Ja, mehrmals.“ „Und du hast nicht angenommen?“ kam es weitaus verstörter in höherem Ton. „Frau! Hast du den einen blassen Schimmer was du da abgelehnt hast. Welche Vorteile…“ Seine Stimme senkte sich gefasst wieder. „Du hast wirklich keine Ahnung. Er hat tatsächlich nichts verraten.“ Abgewandt sah Maurice nachdenklich über die weiten Felder hinaus. Lachte leise vor sich hin. „Diese Entscheidung ist völlig übereilt. Seine Nachsicht kann so leicht zum zerstörerischen Nachteil werden. Was hat er sich bloss dabei gedacht?“
Angestrengt grübelte er nach. Safa lies ihn ungestört in Ruhe und setzte sich in den kühleren Schatten zurück. Durch die starke Hitze fühlte sie sich unwohl, dann noch der leere Magen dazu. Liess ihren Kopf auf ihre Hand abstützen, sinken. Als sie wieder hoch sah, war Maurice lautlos vor sie hingetreten. Ernst sprach er das Thema vorsichtig an. „Weist du ob er beabsichtigt dir erneut das Blut anzubieten?“
„Ja, falls ich nochmals ablehne dann in hundert Jahren wieder.“ Diesmal lächelte selbst Safa ab dem alten Scherz. Anders fasste es Maurice auf. „Er meint also wirklich Ernst. Die Wahrheit! Magst du ihn nur vorüber gehend oder liebst du ihn wahrhaftig?“ Dabei wagte er sie nicht anzusehen, weil er anscheinend die Wahrheit fürchtete. Dennoch war es Safa als seien alle seine scharfen Sinne auf sie gerichtet. Die bittere Wahrheit ängstigte sie selber. Natürlich fühlte sie sich unheimlich stark zu Mikael hingezogen. So sehr, dass sie sich immer bemühte ihn einigermassen auf Distanz zu halten. Sie braucht diesen letzten Abstand um nicht die Kontrolle über sich zu verlieren. Diese eine Woche gehörte er ihr. Danach…ihn vergessen unmöglich. Einen gleichwertigen Partner zu finden bei dem sie nicht fürchtete den Verstand zu verlieren, grenzte an reines Wunschdenken. Es gab keinen Ersatz für Mikael, einfach unvorstellbar. Bereits als sie das erste Mal in diese violetten Augen sah, wusste sie was für ein ungeheures Risiko sie einging. Sie hatte sich entschieden mit ihm einzulassen, trug es mit allen Konsequenzen. Nach langem Zögern gab sie zu. „Sagen wir es so. Ich hoffe die Beziehung wird in dieser Woche noch nicht zu ernst. Das geht mir sonst etwas zu schnell. Ich meine, wir kennen uns erst seit letztem Freitag. Was erwartest du da?“
Diesmal setzte er sich sogar zu ihr in den Schatten. „Klartext! Willst du keine Familie oder Kinder?“ Diesmal gab dich Safa zurück haltender. „Irgend wann in ferner Zukunft sicher.“
Unnachgiebig bohrte Maurice weiter. „Mit Sirinovska oder nicht?“ Ihn wunderte langsam wie schwer sie sich gab, deutlich zu entscheiden. Sie hingegen erinnerte sich an den Mikael den sie zuletzt sah. Von diesem Mann kannte sie einfach zuwenig um so eine weit reichende Entscheidung zu fällen. Wünschen tat sie es mit jeder Faser, mit jedem Gedanken der von Mikael handelte. Jedoch hatte sie zuviel Leid gesehen um jetzt einfach blind einem Traum nachzulaufen. Danach traf einen die Realität umso härter. Noch einmal ihr Leben auf den Boden der Tatsachen schmettern zu lassen, darauf verzichtete sie gerne. Einmal die traurigen Scherben einer zerstörten, heilen Welt einzusammeln reichte ihr. Sie verdankte ihrer Schwester ein normales Leben, ohne Narben. Doch die Warnung, die Angst als sie an dem Tag, blutend ihren eigenen Vater aufgeschlitzt vorfand, liess sie heute noch zittern. Er der immer so lieb, freundlich und hilfsbereit war. Sie hatte ihrer Schwester lange Zeit nicht geglaubt, dass er in Wahrheit ganz anders sein konnte. Eine dunkle gestörte Seite besass die lauerte bis sie ihren fünfzehnten Geburtstag erreichte. Vergass nie den Nachmittag als er sich das erste mal mit Gewalt aufdrängte. Zuerst sie mit vielen Geschenken überhäufte und dann seine grausame Forderung sich vor ihm auszuziehen. In seiner Gier begann er ungeduldig die Kleider von ihr runter zu reissen.
Ihre Schwester hatte sie kurzerhand weggezerrt, in den Schrank gesperrt und war mit dem Schlüssel weggerannt. Sie kam allerdings nur bis in die Küche. Dort eskalierte der Streit. Als später der Schlüssel sich leise wieder wendete. Das Abendlicht in ihr Schlafzimmer viel, stand ihre Schwester da mit einem sanften, zufriedenen Lächeln im Gesicht. Überall an den Händen, Ärmel tropfte rotes Blut herunter das nicht ihr eigenes war. Selbst im Gesicht als sie sich eine Haarsträhne zurück schob, hinterliess eine rote Spur. Damals schwor ihr Katalina. „Niemals wird dir jemand so weht tun wir mir. Das verspreche ich dir. Du wirst ein normales Leben führen. Einen guten Job haben, einen tollen Mann finden, aber bitte sei immer vorsichtig. Frage dich zweimal ob du die Wahrheit siehst.“
Damals fragte sie unsicher. „Was wenn du dich geirrt hast?“ Darauf kicherte ihre Schwester nervös. „Du glaubst mir immer noch nicht. Das Schwein, den du noch Vater nennst, vergewaltigt mich seit drei Jahren. Glaubst du auch immer noch daran, dass ich eine liebe Schwester bin die nie jemanden wehtun kann. Nie jemand geschlagen hat. Lieb, freundlich… komm in die Küche… ich zeigte dir was ich mit dem Arsch gemacht habe.“
Unvergessen die verschmierte Küche. Überall die kleinen Fleischstücken, der Geruch von warmen Blut und Urin.
Safa sprang zittern auf die Beine. Diese Bilder gehörten vergessen. Ungehemmt zitterte sie, ihr Atem ging zu schnell. Gehetzt sah sie sich um entdeckte jedoch keine Gefahr. Nur die schönen Felder mit den ebenmässigen Blumenreihen. Ein Besorger Maurice der langsam hinter ihr aufstand als wollte er vermeiden sie zu erschrecken. Hastig machte Safa eine wegwerfende Handbewegung. Versuchte ruhig durchzuatmen. „Es gibt da was, in der Vergangenheit, das mich hindert voreilige Entscheidungen zu treffen. Familienplanung gehört für mich definitiv dazu. Bevor ich nicht mit einem Partner ein Jahr zusammen gewohnt habe, kommt mir dafür keiner in Frage. Mit Mikael bin ich nicht einmal eine Woche zusammen und du verlangst so eine Antwort.“ Die alte Safa war zurück. Die tippte mit dem Zeigefinger an ihren Kopf. Du hast wohl einen Vogel!
Gemächlich packte ein nachdenklicher Maurice seine Sachen zusammen. Auf einmal sah er Safa entschlossen an. „Auch wenn es unangebracht wirkt. Ich möchte dich auch um ein wenig Blut bitten. Nein, schaue nicht so. Es gibt etwas in das ich dich heute Abend, bei einer gemütlichen Tasse Tee einweihen werde. Danach verstehst du es.“ Mit dem eingerollten Schirm, über den Schultern, spazierte er neben ihr her. Sie hatte es zuerst eilig nach Hause zu kommen. Nach ein paar Schritten merkte sie ihre Unvernunft. Zuhause würde sie nur wieder nachdenken. Sie wusste gar nicht mehr was sie im Moment tun wollte. Auf einmal legte ihr Maurice eine Hand auf die Schulter. „Beruhig dich, Safa. Hier bist du sicher. Wir Eckzähne“, er schmunzelte bei dem Ausdruck. „Wir beschützen unser Eigentum. Jedenfalls wenn es zur Familie gehört und wenn Mikael dir sein Blut angeboten hat, betrachte ich dich immerhin als so was wie seine Verlobte. Ich passe auf dich auf!“ Gespielt misstrauisch sah Safa ihren nahen Begleiter an. „Das glaube ich dir beim ersten Mal. Und wer passt auf dich auf?“ Maurisch spielte auf Unschuldig. „Ach, vergiss meine Anspielungen. Ich lebe hier alleine und dachte du bist nur ein unbedeutendes Betthäschen von Mikael. Dass es ihm bereits so ernst ist, glaubt keiner von unseren Leuten. Und ihr beide tut auch gut daran es nicht zu verbreiten bevor du nicht das Ritual mit ihm vollzogen hast. Aber ich bin etwas enttäuscht darüber, weil er wenigstens nicht ausprobiert hat dir heimlich von seinem Blut etwas ins Essen zu schmuggeln.“ Er probierte ein breites unschuldiges Lächeln aufzusetzen. Nur mit den Eckzähnen sah es alles andere als ungefährlich aus. „Ein paar harmlose Tropfen“
Düster ihr drohenden Blick, was sie davon hielt. Das liess ihn kalt. „Wieso? Dann hätte ich sofort seinen Besitzanspruch auf dich gerochen.“
Da er dran war ihr wertvolle Information zu liefern, nutzte sie den günstigen Moment. „Dazu reichen ein paar Tropfen Blut?“
Sein Mund war offen um zu antworten. Schloss ihn allerdings und sah sie mit einem klaren, scharfen Blick an. Grinste. „Soviel. Ein paar Tropfen wirken nur kurze Zeit. Funktioniert so, als ob du einen Tag lang nach seinem persönlichen Parfum stinkst. Danach verflüchtigt sich die Wirkung.“
Wachsam grüssten geblähte Nüstern über die Mauer hinweg. Gutgemeint wollte Safa über die weichen Nüstern streichen, wurde aber sanft abgewiesen. Das loyale Pony wusste genau von wem es unendlich verwöhnt wurde und von wem nicht. Schon beim betreten des Gartens war ein Scheppern von Töpfen und fliessenes Wasserrauschen aus der Hausküche zu hören. Eine talentierte Stimme sang leise vor sich hin. „Simone“, begrüsste Maurice seine Haushälterin mit Freude. Sie winkte mit den angezogenen gelben Gummihandschuhen. Bevor sie Safa sichtete fragte sie schon. „Wo ist dein Besuch? Soviel Geschirr machst du nie allein oder war Pierre hier?“
Da hielt Maurice Vlamnick die Tür weit offen für Safa. So ein Rock brauchte eben mehr Platz als eine enge Jeans! Vor Staunen viel Simone fast der Teller aus der seifigen Hand. Mit den grauen Haaren und den Fältchen im Gesicht sah sie wie eine gutmütige Oma aus, die gerne lachte und das Leben genoss. Trotz schmutziger Küchenschürze, schaumigen Putzlappen, sie liebte ihre Arbeit. Ein Kopftuch hielt ihre Haarpracht im Zaum. Ihre kleinen dunklen Augen sprühten vor Energie, erst Recht als sie Safa mit dem herrlichen Kostüm erblickte. „Endlich, hast du wieder ein Model gefunden. War ja auch Zeit. Sie werden auch immer hübscher. Wie machst du das bloss?“ neckte sie ihn.
Er begleitete Safa durch die süss duftende Küche. Warme Luft aus dem Backofen verriet, dass dort etwas Feines kochte. Eine kurze obligatorische Begrüssung der Frauen folgte. Küsschen da, Küsschen dort. Für das brauchte Safa keinen Dolmetscher, diese Sprache verstand man Weltweit. Dann rauschte sie in ihr Zimmer davon. Sie wollte unbedingt raus aus den heissen Kleidern.
Maurice blieb kurz in der Küche stehen. „Simone, warum schickst du bei dir Zuhause nicht eine hübsche Tochter als Köder voraus. Sobald die schönen Männer zuhause sind, verriegle alle Türen. So angelt man sich den vielversprechendsten Schwiegersohn.“ Meinte er mit viel Humor. Sie scherzte zurück. „Wenn die mich sehen, springen die aus den Fenstern. Ich hoffe nur, sie machen die vorher auf und springen in der Eile nicht durchs Glas!“
„So wie einst der alte Geissen, der deiner Tochter nachgestellt hat.“ Sie fuchtelte drohend mit der Putzbürste. „Ja dem hab ich einen schönen Schreck eingejagt. So schnell rennt der nie mehr in seinem Leben. Immerhin besass er den Anstand die Reparatur der Scheibe zu bezahlen.“
Oben gelang es Safa erst die Dekorative Schürze zu lösen. Als hinter ihr eilige Schritte ertönten. Mit einem grossen Badetuch flitzte Maurice förmlich hinter ihren Rücken und öffnete die Ösen im Rücken. Danach half er ihr das ganze Kostüm über den Kopf zu streifen. Safa staunte über das Tempo und Geschick von Maurice. „Du bist aber schnell.“
Seine Antwort kannte sie bereits darauf. „Ausziehen geht immer schneller. Darin sind wir Männer geübt. Nein ehrlich, ich glaube du hast soviel Hunger wie ich, also helfe ich dir gerne um schneller an den Tisch kommen.“ Sie erkundigte sich noch nach dem Badezimmer. Es gab eines draussen im Gang am anderen Ende der Balustrade. Sobald sie nur noch in spärlicher Unterwäsche vor ihm stand, wickelte er sie ins Badetuch.
Als sie davon huschte lies er sie wissen. „Kleider lege ich dir vor die Türe!“
Zuerst glaubte sie einen weiteren Scherz als sie nach der heissen Dusche, nach dem Abtrocknen, die Türe einen Spalt öffnete und die ordentlich gefalteten Kleider sah. Da ihr praktisch keine andere Wahl blieb, fügte sie sich ihrem Schicksal. Statt ihrem bequemen BH legte Maurice erneut ein trägerloses Exemplar in ihr Inventar. Ein schulterfreies Leinenhemd das immerhin ihren Busen dezent deckte. Und sie staunte über die kleine lederne Weste. Es dauerte bis sie Begriff wie dieses nützliche Teil den Busen stützte, zu Zeiten wo es noch keine modernen BHs gab. Es lies sich diesmal zum Glück vorne selber verschnüren. Wieder schlüpfte sie in einen hellbraunen Rock der sich glücklicher Weise, breiter stellen lies. Eindeutig bewies Maurice eine Vorliebe für schlankere Frauen mit übigen Busengrössen.
Frisch gekämmt, die feuchten Haare, sparsam parfümiert und unauffällig geschminkt, wagte sie sich wieder unten zu erscheinen. Auf dem Salontisch dampften zwei klare Suppen in den Tellern. Leise unterhielt sich Maurice der entspannt auf dem Sofa sass, mit Simone die bereit stand um wieder in die Küche aufzuräumen. Kaum erblickte die Safa, klopfte sie ihrem Chef wohl gesonnen auf die Schultern. „Endlich eine die nicht so dünn ist. Das sind richtigen für eine Familiengründung!“ Selbst Safa verstand das einfache Französisch. Nur Maurice warf einen unwilligen Blick nach oben. Teilte diese Vorzüge weniger, doch die Küchenfee war schon zurück an ihrem Backofen. Dennoch gestand er sich ein, dass Safa eine faszinierende Persönlichkeit besass. Der spontane Anreiz sie zu malen hatte ihn selber überrascht. Dummerweise realisierte er auch wie sie seinen Beschützerinstinkt weckte, obwohl er gegen eine Verbindung mit Sirinovska war. Falls Dimitros seinen Rang unverhofft ablegen sollte, dann war Safa für ihn als zukünftige Königin völlig unpräsentable. Sie konnte keinerlei Verbindungen zu ihren reinblütigen Linien aufweisen. Nicht mal einen Erstkontakt oder eine einfache angestellten Basis. Alleine wegen dieser einfachen Tatsache war es Maurice unmöglich, Safa als Herrscherin, zu tolerieren. Auf den Thron gehörte eine starke Frau die sich verteidigen konnte. Zwar sprach er ihr ein gewisses Talent zu, jedoch reichte das lange nicht aus um in der obersten Liga der überlegenen Vampire mitzuspielen. Schon gar nicht um als frisch gewandelte Königin, über die kommenden Jahrhunderte, ihren König erfolgreich zu stärken. Intrigen, Verschwörungen und Rangkämpfe galt es zu überleben. Obwohl er die Comtesse Melanie verabscheute traute er ihr mehr zu diesen Platz zu verteidigen. Ihr bestreben um den nächsten Queentitel war längst in seiner Szene bekannt. Wer von den Damen Mikael erobern wollte, musste erst an Comtesse Melanie vorbei. Es würde also noch mächtig Zoff geben zwischen den Damen und Maurice wusste nicht ob er das öffentliche Schauspiel dann geniessen sollte. Seine frühere Position am Königshof verpflichtete ihn dazu Skandale aus dem Rampenlicht zu entfernen. Aber als gelangweilter Pensionär, fühlte er einen Stich der Vorfreude. Der schlafende Palast brauchte längst einen neuen frischen Schubs um für jüngere Generationen wieder populär zu werden. Dafür eignete sich Safa perfekt. Schade löste sie in keinster Weise das entsprechende Gefühl aus, sich ihr unterordnen zu müssen. Beim blossen Gedanken an Prinz Dimitros, der öfters fürs seine Ungeduld bekannt war, krebste er freiwillig zurück. Wenn dieser Mann in Rage war und einen Raum betrat überfiel einem schon von weitem die unheimliche Sehnsucht sich rasch zu verkriechen. Ohne ein Wort verschaffte der sich Respekt. Mit einem Lächeln sicherte er sich die Treue für Jahrzehnte und niemand wagte es sich gegen ihn zu stellen. So einen klaren Herrscher wünschte er sich, nur weigerte sich Dimitros hartnäckig in die Fusstapfen seines Vaters zu treten. Niemand getraute sich den alten Herrn Herauszufordern um den Platz als rechtmässiger König zu übernehmen. Nun kam Mikael mit einer völlig ungeeigneten Partie daher. Maurice wäre mit wenig zufrieden gewesen. Eine respektable Frau die Mikaels Rücken stärkte und gleichzeitig diplomatisch verstand den Haushalt im Königshaus zu leiten. Jemand der entschlossen über ein Volk regierte. Vor allem Führungserfahrung mit sich brachte. Mikael, bedauerte Maurice ehrlich, besass für den zukünftigen Thron einfach zu viel Gutmütigkeit. In seinen Augen liebte er ihn wie einen Sohn. Keinen besseren hätte er sich je gewünscht. Jedoch ein ganzes Reich zu regieren forderte andere Qualitäten als Sanftmütigkeit. Mit einer unentschlossenen Frau die so vorsichtig eine Beziehung anfing, wäre ihr ohnehin schon wackeliger Thron bald Opfer einer feindlichen Übernahme. Ein komplettes Desaster braute sich da gerade vor Maurice Augen zusammen. Es brauchte einen längst überfälligen Rettungsplan sollten die Sirinovskas weiterhin auf ihrem alten Kurs beharren. Er nahm sich vor noch am selben Abend herum zu telefonieren. Mit seinem Geld, hatte er ja schon gemerkt, kam er bei Safa überhaupt nicht weiter. Wenigstens in diesem einen Punkt war sie eine gute Person. Ein kleiner listiger Funke flackerte bereits durch Maurices Gedanken. Heute Abend würde er seinen verwöhnten Neffen wieder mal anrufen und wachrütteln. Einen zweiten Anruf musste er dringend in die Schweizer Zentrale erledigen um mehr Informationen über Safas Vergangenheit raus zu schürfen. Er ahnte da bereits etwas was vermutlich nie in einem Lebenslauf zu lesen war. Sein Instinkt erwies sich stets als zuverlässig. Es galt so viel in kurzer Zeit zu erledigen.
Zuerst genoss Maurice aber ein entspanntes Abendessen mit einer hübschen Frau zusammen, die auch seinen Zeichenstift sehr inspirierte.
Respektvoll wartete Safa bereits vor dem gedeckten Tisch bis er zuerst nach dem Essen langte. Obwohl er im geheimen ihr weitere Pluspunkte schenkte, würde es nie reichen um sie als zukünftige Königin anzuerkennen. Gewisse Aspekte fand er höchst anziehend bei ihr. Gönnte Mikael eine so treue Seele, wenn da einfach nicht das dunkle Schwert vom Thron im Hintergrund gelauert hätte.
Nach ein paar Minuten revidierte er sein Urteil wieder eine Stufe weiter nach unten. Lieferte ihr sogar den entsprechenden Hinweis. „Ihr esst manchmal als ob es kein Morgen gäbe!“ Sie ungeduldig. „Ich hab Hunger.“ „Sonst bist du aber erwachsen?“ „Hm, ich ahnte schon das du auf minderjährige stehst“, begab sie sich auf dünnes Glatteis. Wenn es ums Essen ging verstand sie anscheinend keinen Spass. Mässigte aber ihr Tempo bevor das Hauptgericht eintraf. Er behielt sie ihm Auge wie eine hungrige Katze bereits ihre nächste Beute. Ohne sich dessen Bewusst zu werden spielte ihre Hand in der Nähe des Messers. Zum Glück kam die gute Simone mit einem Apfelkuchen herein und entschärfte die Situation. Der süsse Geruch von Zucker und Zimt breitete sich in der Halle aus. Bereits in der Küche hatte sie den runden Kuchen in kleinere Teile geschnitten. Verteilte sie auf die sauberen Teller. Sie merkte die angespannten Blicke am Tisch. Daher suchte sie nach einem Grund die beiden zu lockern. „Schönes Kleid, passt zu ihnen!“ Lobte sie Safas tadellose Erscheinung. „Danke, sehr nett“, erwiderte sie. „Ich hatte leider keine andere Wahl da er“, sie deutete über den Tisch. „Die anständigen versteckt.“
Heftig verschluckte sich Maurice an seinem Tee. Diplomatische Geschicklichkeit strich er auf der Liste für ihre besonderen Talente durch. Als dann ein anklagender Blick seiner sonst so treuen Haushälterin folgte, fühlte er sich richtig Schuldig.
„Simone, wirklich du kennst mich. Ich bin ein ehrenwerter Künstler. Die jungen Leute von heute sind eigentlich nicht so prüde zugeknöpft wie Safa“
Diese fuhr ihm gemein dazwischen. „Wieso hat ein Mann ihres Alters überhaupt so viel Frauenwäsche im Haus? Vor allem so viele spitzen Dessous.“
Diesmal blähten sich Simone Backen erstaunt auf. Hielt sich rasch die Hand vor den Mund. Hustete verlegen und verschwand in die Küche. Sie durfte nie sein Arbeitszimmer betreten. Jetzt wusste sie den peinlichen Grund.
Seit über hunderten von Jahren, war Maurice selten dermassen angegriffen worden. Überhaupt, kein Frauenzimmer wagte es, allein wegen seinem hohen Stand, ihn so zu beleidigen. Er drohte leise. „Vorsicht, ich reiße dir den Kopf ab.“ „Huh“, funkelte Safa, über den Tassenrand hinweg, ihn genauso finster an. „Schlecht für dich, es gibt einen Zeugen die mich zuletzt mit dir zusammen gesehen hat.“
„Verdammt noch mal“, brauste er auf. „Du hast mich vor einem Zeugen bloßgestellt.¨“
„Steh doch einfach zu deiner… amourösen Neigung. Ich kann nichts dafür, wenn du hinter jedem Rock her bist.“
„Das ist doch… du schuldest mir was! Ich vergesse die Sache wenn du mir für ein Aktbild zur Verfügung stehst.“
„Ja sicher“, bestätigte Safa. Er staunte über ihre schnelle Zusage. Sein Gesicht hellte sich verwundert auf. Sie jedoch vollendete. „In deinen Träumen. Da darfst du das von mir aus. Das kann ich dir nicht verbieten.“ Nachdenklich setzte er sich wieder hin. Betrachtete sie mit einem seltsamen undefinierbaren Ausdruck. „Mikael kommt erst Morgen Abend wieder. Bis dahin stehst du mir morgen früh um 6 bis 8 Uhr abends als Modell zur Verfügung. mt Kleidern!“
„Ich bin kein V…“ Sie erinnerte sich an die brave Simone in der Küche. „Eckzahn. Ich brauchte meinen Schönheitsschlaf oder bevorzugst du es deine Galerie mit einem Portrait einer Hexe zu bereichern.“ Ihm schien dieser Vorschlag zu gefallen. „Könnte mir glatt gefallen. Ich male dich extra hässlich!“ Beruhigte sich nach dem wohlwollenden Gedanken. Jedoch war Safa noch nicht am Ende. „Hänge es bitte mitten in die Aktbilder. Es kann sehr hilfreich sein wenn du etwas brauchst um dich zwischendurch wieder abkühlen.“ Abermals rutschte ihm der Tee fast in den falschen Hals. Von wegen sie und Prüde. In ihr steckte weitaus mehr als der anfängliche schlichte Eindruck den sie vermittelte. Kein Wunder hing Mikael so an ihr als sei sie ein Staatsschatz.
Erneut musterte er sie eindringlich. „Zugern wüsste ich deine Gedanken. Was mich zu einem neuen Thema bringt. Wie angekündigt.“ Diesmal gab er sich die Mühe Ausgeglichen zu wirken und sich neben sie zu setzen. Vorsichtshalber stellte er seine Tasse, in Sicherheit, in der Mitte des Tisches ab. Bei ihr blieb er vor keiner Überraschung sicher. Daher schlug er leise vor, damit Simone nicht hörte. „Was ist mit einem Schlückchen Blut?“
Sie hielt es gar nicht nötig den Kopf zu wenden sondern schielte nur zu ihm rüber. „Bietest du mir auch Hunderttausend wie Sirinovska an?“ „Hhmmm. Hun…“ Dummerweise hatte er gerade den köstlichen Kuchen probiert. Verschluckte sich daran. Heftig klopft ihm Safa schonungslos auf den Rücken. Laut knallte seine empörte Faust auf den Tisch. Nach einem kräftigen Schluck Tee verschwand er kommentarlos in der Küche. Leise wechselte er ein paar Worte mit Simone. Schüchtern war diese noch einen ängstlichen Blick auf Safa, verliess aber rasch mit dem zugesteckten Geld das Haus. Nachdem er ein Problem löste ging er das nächste an. Vielleicht kam er doch mit Geld weiter. Sie spielte einfach nur in höheren Gefilden als er sie bisher einschätzte. Wieder gefasst setzte er sich kampfbereit neben sie. „Hunderttausend und ich bekomme das wie Mikael?“ Sein Ton der eines Geschäftsmannes der hart Kalkulierte.
Ratlos sah ihn Safa an. Niemals rechnete sie damit das Blut so wertvoll sich verkaufen liess. Sie rieb sich mit einer Hand die müden Augen. „Sorry. Das mit Mikael war etwas anders. Er ist … ich hab eine Schwäche für ihn. Für dich nicht!“
„Wie viel?“
Sie schüttelte den Kopf. „Bedauere. Dir traue ich überhaupt nicht!“
„Doppelt?“
Fest ihr Entschluss. „Es geht mir nicht ums Geld. Ich hab nie hunderttausend angenommen. Das war nur sein Vorschlag. Ich will dich einfach nicht an meinem Hals. So einfach.“
Er hob bequem eine silbrige Augenbraue. „Ich geh dir nicht an den Hals.“ Hinweisend klopfte sein Zeigefinger auf ihre Innenseite des Armes, dort wo die Blutader pumpte. Ergänzte, „Soviel wie bei einer Blutabnahme, mit einer kleinen Nadel, wenn es ins Labor muss.“
Verwirrt rückte sie von ihm weg. „Du willst mein Blut untersuchen?“
„Nein. Soviel nehme ich für mich. Es wird auch fast gar nicht wehtun.“ Seltsam dieselben Worte auch von ihm zu hören. Sie fragte sich wozu er die Spritze brauchte. „Ich habe eine böse Abneigung gegen Spritzen?“ Gestand sie sogar ehrlich.
„Ich kann dich nicht beissen. Jedenfalls nicht mehr.“ Dabei klopfte er sich selber an einen seiner Eckzähne. „Sind nicht echt. Meine echten hab ich schon längst ersetzt.“
„Wow“, staunte sie. „Ein Eckzahn mit einer Prothese. Was ganz neues.“
„Nein, die gibt’s schon lange auf dem Markt. Der erste Run auf diese Ersatzzähne kommt nicht mal von unserer Spezies. Wir haben nur das Praktische übernommen. Also steht das Angebot noch?“
Kopfschüttelnd ihr endgültiger Entschluss. „Nein. Akzeptiere meinen Entschluss oder ich schlafe mit einem deiner Schwerter im Bett, zur Sicherheit.“
Ihm kam da ein anderer Gedanke. „So du willst also mit einem Schwert von mir ins Bett.“
Schräg hob sie die ihm zugewandte Augenbraue spöttisch. „Eines aus Eisen und nicht…“ wagte sogar an seine besagte Stelle zu blicken. Schüttelte über seine herausgeforderte Kinderei den Kopf. „Wirklich. Frauen in erotischen Kleidern zu malen ist dir Peinlich. Die Bilder in deinem Arbeitszimmer finde ich trotz allen, wunderschön. Verstehe nicht wieso du die versteckst. Aber falsche Zähne als Vampir zu tragen ist normal?“ Sie vollzog mit ihrer ganzen Handfläche vor ihrem Kopf eine schaukelnde Bewegung, die eines irren Vogels. „Bescheuert!“
Auf einmal lacht er mit ihr zusammen.
Friedlich genossen sie den köstlichen Apfelkuchen. Nach einer stillen Zeit des Schweigens begann er freundlich. „Nach dem wir das geklärt haben verrate ich dir was. Versprich mir vorher es niemanden einfach so weiter zu sagen. Es kann sonst echt gefährlich für dich werden.“
„Sag es mir einfach nicht. Dann hab ich meine und du deine Ruhe.“
„Eben nicht. Wenn Mikael dein Blut trinkt, kann er besser Verbindung zu dir aufnehmen. Er kann praktisch fast telepathisch deine Gedanken lesen. Anfangs noch nicht perfekt. Aber wenn man das über Jahre mit einer bestimmten Person macht, dann ist das problemlos möglich. Ich unterhalte mich manchmal so mit ihm. Dir ist das auch schon aufgefallen. Jede Vampirfrau, die ich kenne, würde dafür töten, wenn sie dafür in den Genuss von Mikaels Blut käme. Darum bin ich so entsetzt, weil du sein Angebot abgelehnt hast. Verstehst du die Dringlichkeit dieses Angebots. Es kann dich in doppelter Hinsicht nützen, schützen.“
Urplötzlich kam Safa eine andere Idee. „Ihr trinkt kein Tierblut! So was wie Vegetarier gibt es wohl überhaupt nicht?“
Über diesen bescheuerten Unsinn hatte er nur ein schwaches Lächeln übrig. „Alles Quatsch. Wir wollen garantiert nicht von einem Tier trinken. Es bringt keinerlei Vorteile für uns. Es gibt genug Menschen auf der Welt die für wenig Geld freiwillig Blut spenden. Genug Frauen die denken, es sei so romantisch mit einem von uns ins Bett zu hopsen und drängen ihr Blut quasi auf. Viele sind hinterher enttäuscht, weil sie vom Bluttrinken nichts gespürt haben. Sie wollen einfach nur den gewissen Kick der Gefahr erleben. Gewiss es gibt auch solche die ganz Enthaltsam leben. Solche die sich wünschen ein gewöhnlicher kurzlebiger Mensch zu sein. Diese Fälle sind höchst selten. Diese kranken deprimierten Vampire wählen meist den Freitod. Eine unserer Regel lautet; Die starken überleben und der stärkste Regiert. Für Schwächlinge ist bei uns kein Platz in der Gruppe. Die müssen raus aus unserer geschlossenen Gesellschaft. Sie werden erbarmungslos gejagt, damit sie keinen weitern Schaden anrichten. So ist nun mal die Evolution, das ganze Leben. Auch wir müssen uns ständig weiterbilden und die besten Gene weitergeben. Unsere Frauen sind daher auch sehr wählerisch. Männer wie Mikael gehen meist nur eine einzige Ritualverbindung ein. Zeugen aber mit andern Frauen mehrere Kinder. Die meisten Frauen wollen nur zwei bis vielleicht fünf Kindern in ihrem ganzen Leben. Natürlich von den besten erfolgreichsten Männern. Daher tolerieren wir diese Untreue, solange sie nur eine Nacht lang dauert. Es ist für unsere ganze Rasse von Vorteil. Damals in meinen Besten Zeiten hatte ich eine Gefährtin an meiner Seite. Sanna war unbeschreiblich schön. Ein dummer Reitunfall, Genickbuch hat sie aus meinem Leben gerissen. Damals bekam ich schon vorher und nachher haufenweise Angebote. Ich habe sie alle abgelehnt und es bis heute nicht bereut. Obwohl ich ausgerechnet jetzt, zurückblickend auf die vergangenen Jahrhunderte erkenne, wie sehr mir wenigstens ein Erben fehlt. Jemand der dieses alte Haus so liebt wie ich. Der meine Bilder mit stolz betrachtet, und meinen Reichtum weiter verwaltet.“
Diesmal ahnte Safa, dass sie den echten Maurice zu Gesicht bekam. Einer der gerne eine hübsche Frau an seiner Seite präsentierte wie andere ihren glänzenden Goldschmuck oder ihr getuntes Prestige Auto. Trotz all den genossenen Jahren immer noch seiner alten Liebe nachtrauerte. Seinem Leben einen Sinn gab, trotz dem schweren Verlust. Nun über sein Leben nachdachte und sich einen tiefsinnigeren Grund wünschte, zum Abschluss, in seinen letzten Jahren.
Bei näherer Betrachtung traute sie ihm durchaus zu, sich dieses eine Ziel noch zu erfüllen. „So alt bist du nun auch wieder nicht. Ausserdem scheinst du hier gut zu leben, also findest du bestimmt eine geeignete Frau die deine Qualitäten bevorzugt. Gut Hundert Jahre nimmst du dir Zeit eine zu suchen, dann noch fünfzig weitere um dein Kind aufwachsen zu sehen. Was willst du mehr?“
„Danke, aber ich habe bereits die achthunderter Grenzen überschritten. Ich spüre bereits die wenigen Jahre die mir bis zum Ende bleiben. Keine ganzen hundert mehr.“
„Mensch! Vampir, “ verbesserte sich Safa rasch. „Bist du nie zufrieden! Es gibt Männer die schon mit vierzig Viagra nehmen um einen hoch zu bekommen. Du bist über achthundert, alles funktioniert und deine Sorge ist keine Frau zu finden? Dann geh mal in die Stadt oder mehr unter die Eckzahn Versammlungen. Hier auf dem Land riecht dich sicher keine Vampirfrau mit all dem schweren Lavendelduft um dich rum.“
Seine breiten Schultern zuckten. „Alter schützt vor Torheit nicht. Stimmt wohl. Vielleicht sollte ich wieder einmal meinem Heimatland einen Besuch abstatten.“
„Oder Mikael begleiten. Halte gefälligst die anderen Frauen von ihm fern“, zwinkerte Safa ihm zu. Wieder lachten sie gemeinsam. Er pflichtete bei. „Der war gut. Der war richtig gut!“
Eine ganze Weile lag sie auf dem Sofa und er zeichnete eine um die andere Skizze. Wie von selbst glitt der Zeichenstift übers hochwertigen Papier. Seine Augen blieben manchmal länger auf Safa haften als ihm lieb war. Seine beschäftigen Gedanken arbeiten auf hoch Touren. Suchte nach einer Lösung für die Zukunft. Auf einmal blitzte was Brauchbares durch. Ein Plan für Notfälle. In einer Pause holte er für sie beide zu trinken und erledigte ein Telefonat. Er bedauerte zutiefst nicht mehr Zeit zu haben um seine Pläne zu überprüfen. Der Zeitrahmen war so knapp bemessen. Nach der Pause riet er ihr lieber nach oben zu gehen da er einiges im Büro noch zu erledigen hatte. Sie begrüsste den Vorschlag. In diese Nacht schlief sie vor Mitternacht traumlos. Etwas quälte sie doch sie mochte nicht Erkennen was. Erst in der zweiten Nachthälfte weckte sie eine innere Unruhe aus dem Tiefschlaf. Abrupt schreckte sie hoch, weil hässliche, alte Bilder sie wieder verfolgten. Mondlicht lies Umrisse in ihrem Zimmer in einem dunklen Grau erkennen. Erst nachdem sie ein Fenster weit öffnete, die kühle Nachtluft hereinströmte mit ihrem hervor herrschenden Lavendelduft, beruhigte sie sich. Die Grillen draussen zirpten ihre Konzerte. Eine wohltuende Ruhe lag über dem Land. So friedlich. Keine frisierten Mofas die nachts durch die Strassen röhrten. Keine Sirenen vom Polizei oder Krankenauto die einem einen Schauer über die Haut jagten. Kein Gekreische von trockenen Tramschienen. Es fehlte die Lärmenden Autos. Das Klirren von Glasflaschen von einem Betrunkenen der durch die Hinterhöfe taumelte und pöbelnd seine Wut an einem Container los lies. Es fehlte die Rock Pop und sonstige Hintergrundmusik von den Nachbarn. Deutlich wie schon lange nicht mehr sah sie die Sterne funkeln. Es war ihr beinahe unheimlich still. Nach einer Weile versuchte sie im Bett wieder einzuschlafen. Allerdings hielt die Sehnsucht nach violetten Augen sie noch eine Weile davon ab.
Am nächsten Morgen, früh um sechs, war Maurice heimlich in ihr Zimmer geschlichen um die Vorhänge zu schliessen. Bis exakt um acht gönnte er ihren verdienten Schlaf. Nutzte die Zeit die hastigen Skizzen auszuwerten und zu verbessern. Noch bevor Safa aufwachte erhielt er einen Anruf und einen mehrseitigen Fax. Nachdem er ihn durch las, setzte er sich um ihn ein paar Minuten zu verdauen. Danach versteckte er ihn gut zwischen seinen Büchern. Unentschlossen rätselte er noch herum ob er jetzt einen wertvollen Trumpf in den Händen hielt, oder nur eine wertlose Information. Safa schien nicht so einfach beeinflussbar, trotz ihrer schwieriger Vergangenheit. Ihr einziger Schwachpunkt war deutlich ihre Schwester. Die wiederum verstand sich zu verteidigen. Er beschloss vorerst das ganze Ruhen zu lassen und telefonierte Simone damit sie genug Zeit hatte das Mittagessen vorzubereiten. Er selber legte die Frischbackbrötchen auf ein Kuchenblech und schob es in den vor geheizten Backofen. Entschlossen marschierte er nach oben um Safa zu wecken. Hinter ihm, in der Stube, schlug die alte Uhr acht.
Schonungslos riss er die Decke weg und genoss den Anblick als sie ihn schlaftrunken anblinzelte. Energie geladen zog er die Vorhänge auf die Seite. „Auf“, herrschte er sie an. „Der Tag ist kurz und ich weiss nicht wann genau heute dein geliebter Mikael zurück kommt und dich mir entreisst. Also jede Stunde ist wertvoll. Waschen! Schminken! In zehn Minuten, so wie du bist, in meinem Arbeitszimmer sein!“ Stellte er sein Ultimatum auf. Da sie ohne Einwände folgte, verstärkte seinen Plan, den er letzte Nacht mit seinem Neffen durchsprach. Lange sucht er mit Makar nach einer geeigneten Lösung. Falls unverhofft den Sirinovska Söhnen etwas passieren sollte, was er ihnen niemals wünschte, dann würde automatisch Makar der nächste Thronfolger. Der bald Achthundertjährige Taras, der Vater vom Dimitros und Mikael hielt sich seit vierzig Jahren im Hintergrund. Nach dem üblen Skandal, weil Mikael sich weigerte die Comtesse zu heiraten, verschwand er unerwartet in der Einöde von Sibirien. Allerdings kursierten üble Gerüchte herum die neben Dimitros Dominanz von einer Herausforderung auf den russischen Königtitel ziemlich abrieten. Nur jemand der zu Sterben wünschte, legte sich mit dem Ältesten an. Maurice setzte alle Hoffnung auf den gutmütigen Mikael. Um den Herauszufordern brauchte es einen triftigen Grund. Einfach den Thron zu fordern, reichte da nicht aus. Ausserdem war dieser Sirinovska ein geschickter Diplomat. Ihn einfach zu beleidigen, absolut nutzlos. Nein, er hatte den perfekten Plan falls Mikael den Thron bestieg. Allerdings wusste er wie schlecht die Überlebenschancen bei einem Kampf für Mikael standen. Makar war ein geborener Killer. Unberechenbar und Gnadenlos nutzte er jeden Schwachpunkt wenn er ihn entdeckte. Er hoffte Makar war klug genug sich an den Plan zu halten nämlich das Mikael überlebte. Natürlich erst nachdem dieser freiwillig ihnen den Thron überliess. Danach wäre sein rächender Bruder an der Reihe. Die Demütigung von Mikaels Niederlage machte Dimitros zu einem anfälligen Gegner. Ihn zu verschonen, also am Leben zu lassen, war weitaus kniffliger. Der sture Brocke würde eine Niederlage erst auf der Schwelles des Todes annehmen. Wenn beide Söhne überlebten, würde Taras mit Sicherheit in seiner abgelegenen Pampa bleiben. Die Schmach über den doppelten verlorenen Thron würde denn Alten vermutlich nicht mehr aus seinem alten isolierten Versteck locken. Die Gerüchte besagten, der Alte sei mehr an neuem Nachwuchs interessiert als seine erwachsenen Söhne zu unterstützen. Maurice nickte sich selber zu. In der richtigen Reihenfolge gehandelt, bestand durchaus eine Chance das lukrative Königshaus zu übernehmen.
Wie gehabt bewegte sich Safa praktisch geräuschlos, mit den Socken, in Maurice Arbeitszimmer hinein. Rasch wählte er mit geübtem Auge ein Kostüm aus das herrlich mit seinen hellen Brauntönen zu ihrem Haar harmonierte. Wählte diesmal ein Magdkleid mit kurzen Ärmeln, grosszügigem Dekolletee. Dafür einen bodenlangen gelben Unterrock der perfekt zum restlichen farblich passte. Geschickt halfen seine flinken, geübten Hände ihr in das neue Kleid. Diesmal flocht er hinten die Haare zu einem kurzen Zopf. Für mehr war keine Zeit. Ein paar ziemlich gewöhnliche Sommersandalen vervollständigten das Ganze. Weiter drängte er zur Eile. Vor zehn Uhr war es draussen herrlich angenehm. Später wurde das Kostüm sicher wieder zu Qual. Hastig warf ihr den Rucksack zu mit dem frischen Brot in das er flüchtig Käse schmierte. Ausserdem genügend Wasserflaschen und ihr gestriges Tagebuch mit Stift steckte er rein. Ab ging es wieder durch die Hintertür. Hinter dem Haus holte er, aus einer Kiste, ein Teil Heu damit Mascha beschäftig war bis sie wiederkamen. Wasser aus der Regentonne gab es noch genug.
Safa kannte den gestrigen Weg und spazierte, den Rock leicht hochgehoben, gemütlich los. Maurice genoss den rückwärtigen Blick den ihren schwingenden Hüften boten. Bedauerte, bereute fast, dass sie zum politischen Spielball wurde. Seine Finger tasteten prüfend über seine hintere Hosentasche wo das kleine scharfe Messer steckte. Er musste geschickt handeln, bevor heute Mikael zurück kam.
Oben auf den Hügel wartete sie auf seine Anweisung. Es viel im schwer sich auf seine Arbeit zu konzentrieren, solange ihn seine Hintergedanken quälten. Selbst sie schien heute eine schlimme Vorahnung zu haben, bewegte sich unruhig. Abermals formte er ihr Bein in die richtige Position, drapierte den Rock neu, dass jede Falte ihre richtige Tiefe bekam. „Was ist los“. Nahm es ihn Wunder.
„Ich habe das eigenartige Gefühl, dass ich etwas Wichtiges vergessen habe?“
Sein Blick senkte sich wieder auf seine Staffelei. Verbarg so seine Erleichterung. Nach gut einer Stunde flog ein Insekt an ihr vorbei. Die blutgierigen Mücken mieden, seit die Lavendelfelder blühten, diesen Landesteil. Dafür stieg rapide der Anteil der Wildbienen. Ihm kam eine glänzende Idee. Nachdem wieder so ein fleissiger Honigsammler dicht an ihr vorbei flitzte, legte er sein Pinsel auf die Seite. Mahnte, „Nicht bewegen!“ Kauerte in ihrem Rücken nieder. Besorgt wollte sie ihn ansehen. „Hab ich was?“
„Ja so eine Biene hat sich in deinem Kleid verfangen. Also halt schön still.“ Er hielt seine Hände gesenkt damit sie das scharfe Messer nicht sah. Wischte ihr zuerst flüchtig, harmlos mit der Handfläche über die Schultern. Dann blitzschnell stach er zu. Nur einen halben Zentimeter tief drückte er die Klinge rasch rein und riss sie zurück. Erschrocken wollte sie aufspringen, doch er besänftigte hastig. „Nicht Bewegen! Das dumme Vieh ist weg, aber der Stachel ist noch drin. Tut es weh?“
„Ja Sicher.“ „Halte endlich still. Bleib am Boden. Ich versuche ihn raus zu ziehen.“ Dabei schnitt er sich selber kurz in den Finger. Während ihr bereit Blut aus der Wunde tropfte, kam seines mit Verzögerung. Er hasste es seinen Speichel, bei ihm selber, einzusetzen damit es genau so tropfte. Tupfte ihre Wunde mit einem Taschentuch trocken und liess sein Blut in ihre Wunde fliessen. Es dauerte eine halbe Minute bis endlich der Saugeffekt startete. Sein Blut mischte sich wie ein gieriger Virus unter ihres und begann mit der Invasion. Ungeduldig versuchte Safa nach hinten zu fassen. Sanft hieb er ihr eines über die Hand. „Ist schon weg. Verschmiere es nicht. Ist ein bisschen entzündet. Warte einfach noch eine Minute.“
Er war froh um jeden Tropfen den ihre Wunde aufsog. Hoffte, dass sein altes Blut noch die Kraft besass wirkungsvoll ihres zu verwandeln. Manchmal waren zwei, drei solche Versuche nötig um einen gesunden Menschen in einen Vampir zu verwandeln. Auf jeden Fall dauerte es schon mehrere Tage bis zu einem Monat, je nach Gesundheitszustand. Vor hundert Jahre hätte er sich den Erfolg zweifellos zugetraut. Heute misstraute er seinem Urteil. Dabei brauchte er die positive Wirkung so Dringend.
Sobald er ihre Wunde zudrückte, heilte sie dank seinem roten Klebstoff. Ein Grund weshalb Vampire so eine gute Heilungskraft besassen. Nachteil sie brauchten, wie beim Ölwechseln vom Auto, hin und wieder Blutauffrischung um den Stoffwechsel neu zu aktivieren. Beruhigend zupfte er ihr Kleid zurecht. „Moment, da ist es eingetrocknet.“ Mit seiner Zunge wischte er die letzte störende Farbe weg. Unvermittelt drückte Safa ihren Rücken durch und warnte scharf. „Maurice. Bleib mir weg mit deinen Zähnen.“ Sachte klopfte er auf ihre Schultern. „Die sind schon lange entschärft. Und jetzt lass….“
Sie schnappte nach Luft und wurde urplötzlich bleich. So eine rasche Reaktion erwartete er eigentlich nicht mal in seinen besten Jahren. Entsetzt keuchte sie. „Wo ist mein Telefon? Hast du das eingepackt?“ Für seine überflüssige Furcht schalt er sich innerlich. Typisch Stadtmensch! Ohne ihr unersetzliches Handy waren sie so hilflos verloren. Ihre nächsten Worte brachten ihn aber in die Gänge. „Heute ist erst Dienstag. Ich hoffe der Anhörungstermin für Mikael kommt erst Donnerstag oder Freitag. Aber mir wäre es wirklich wohler ich hätte das Telefon als Bestätigung bei mir“ Ihr zweifelnder Tonfall gefiel ihm gar nicht. Nach seiner Uhr war es erst halb zehn. Die richtige Zeit um das erste Frühstück auszupacken. Also schlug er vor. „Gehen wir nach Hause und trinken einen feinen Tee. Verlegen das Essen nach vorn, dann haben mir einen längeren Nachmittag vor uns!“ Zustimmend nickte sie hastig. Er half ihr auf die Beine. Sie, „Ich hatte schon den ganzen Morgen so eine ungutes Gefühl. Das war es also!“
Die Wärme liess ihn flott ausschreiten, dass sie mit Mühe, in den flachen, haltlosen Sandalen mithielt. Verwundert schnaubte die kleine Shetlandstute über den wiederkehrenden Besuch. Liess sich aber nicht von ihrem feinen Heu trennen. In der Küche der obligatorisch Halt der beiden, um Simone zu begrüssen. Maurice eilte wie immer einen Schritt voraus. Nachdem er die Stube betrat hielt er jedoch so abrupt an, das Safa beinahe an seinen Rücken knallte. Schob sich, im letzten Moment, in dem sie ihm eine Hand am Rücken abbremste zu Seite. „Wo ist meine Tasche“, fragte sie den erstarrten Maurice. Als sie an ihm vorbei, die Treppe hoch blicke, entdeckte sie sein Problem. Erfreut strahlte sie übers Gesicht. „Mikael du bist schon da?“ Sie erinnerte sich an die Dringlichkeit ihres Telefon und stürmte an ihm achtlos vorbei ums in Maurices Arbeitszimmer nachzusehen. Jedoch packte Sirinovska verwundert über Safas kostümierte Verwandlung nach ihrem Arm. Hielt sie fest und gedachte sie nicht loszulassen. Fragend sah sie ihn an. Erst allmählich bemerkte sie die festgesaugten Augen die bewundernd über ihren Körper glitten. Typisch Männer, kaum erblickten sie ein tiefes Dekolletee, flippten sie fast aus. Erfreut über ihre aussergewöhnliche Erscheinung lächelte er sie sprachlos an. Liebevoll glitten seine hellvioletten Augen über ihre schmalen Schultern. Eine Hand streichelte über die zarte Haut bis hinauf zu ihrem Kinn. Hielt sie fest und senkte seine Lippen auf ihre hinunter. Sie vergass das blöde Telefon und erwiderte lieber seine Zärtlichkeit. Schlang ihre Hände um seinen Nacken und küsste ihn genauso Leidenschaftlich. Ziemlich überflüssig am Platz begab sich Maurice allein auf die Suche nach dem Handy. Sein erster Schock war eigentlich ob Mikael etwas von Safas Blut roch. Falls er länger vor dem Haus statt drin stand, der Wind günstig in seine Richtung blies, dann bestand die Möglichkeit einer Witterung. Es gab Vampire die problemlos Blut von ihren Gefährten über einen Kilometer hinweg wahrnahmen. Da Mikael Gedanken ihn jedoch nicht darauf ansprachen, sperrte er seine Bilder besser weg. Im schwarzen Rucksack fand er das Objekt der Dringlichkeit. Eine Nummer blinkte und als er drauf klickte stand der Name Klinik. Da die anderen beschäftigt im Gang standen war er so frei, den Rückruf zu betätigen. Ein mürrischer schlecht gelaunter Dr. Schwarz empfing ihn. „Ah endlich am Apparat. Hab ich dir nicht ausdrücklich gesagt, das Handy in Griffweite zu haben. Was ist los? Wohl zulange faul in den Ferien herum gelegen? Lebst du noch? Falls du es noch schaffst dann schiebt eure Hintern noch heute hierher. Vier Uhr ist letzter Termin. Die Leute waren ziemlich sauer, dass sie ihre Termine verschieben und unseren vorlegen mussten. Also sei PÜNKTLICH! …..ist jemand da?“ Langsam dämmerte ihm das niemand reagierte. Maurice de Vlamnick hielt es nur nötig zu erwidern. „Schauen sie zu, dass sie selber pünktlich sind.“ Danach unterbrach er die Leitung. Eilte zurück zu den anderen. „Ich störe ungern aber wir haben ein kleines Problem. Um vier ist die Anhörung in der Klinik.“ So ziemlich alle Augen suchten die Zeit auf der tickenden Stubenuhr. Es war in wenigen Minuten schon zehn. Safa sah keinen Weg. „Der Zug braucht mindestens vier Stunden, wir sind aber noch weit vom Bahnhof entfernt.“
Erneut klingelte das Telefon. Maurice tat sich diesem rüden Umgangston nicht gerne an. Drückte Safa das Handy in die Hände. Winkt zu Mikael. „Packen. Ausweise!“
Gespannt nahm Safa ab, hielt es aber gleich von Anfang auf sichere Distanz. Sie kannte von früher Dr. Schwarz Gebrüll am Telefon. Vorsichtig ihr süsses singendes. „Jaaaa Chef?“ Hielt es eine Armlänge weg von ihrem Ohr und vernahm dennoch deutlich jedes seiner aufgeregten Worte. „Wer war vorher dran? Ist ja egal. Einfach Drei Uhr hier sein. Spätestens um vier ist das Ultimatum abgelaufen. Wenn du bis dahin deinen hochgeschätzten Patienten nicht abgeliefert hast, geht alles in die normale Verlängerung. Er, einen Monat, solange zurück in seine einsame Zelle. Und schuldest mir einen Tausender. Das war die Anstrengung der Woche wert. Also beeile dich ja nicht.“ Ein freundlicher Rat auf seine Kosten. Safa erwiderte heiter ungeniert. „Sie wissen schon das auf meinem Gerät alle Gespräche aufgezeichnet werden? Ich hoffe die Angaben wegen drei Uhr stimmen?“ „Bitte?“ bellte er zurück. „Traust du mir zu das ich dir falsche Information zukommen lasse? Was unterstellst du mir? Ich bin dein Chef! Vorübergehen!“
„Sorry, Herr Dr. Schwarz aber manchmal sehe ich, speziell bei ihnen, eben alles andere als farbig“, wagte sie ihh zu reizen. Er drohte, „ Das ist eine Unterstellung. Ich könnte dir dafür Kündigen!“
„Komm schon.“ Unterbrach sie mit ungetrübter Freude. „War doch ein Spass unter Kollegen. Dr. Schwarz sehen sie die Welt etwas bunter. Sie sind doch kein Schwarzmaler! Wir sehen uns… heute irgendwann.. hoffe ich wenigsten.“
Sie drückte ihn rasch weg bevor sie seine nächste Explosion erlebten durfte. Sogar den Empfang stellte sie auf Tod. „So“, betrübt ihr Ton. „Was machen wiiiiiiir.“ Mikael zog sie schon an der Hand ins Taxi das vor dem Haus, mit angestelltem Motor, wartete. Maurice warf der verblüfften Haushälterin die Hauschlüssel zu. „Bitte nach Mascha sehen! Ich rufe dich später an.“ Stieg vorne neben dem Fahrer ein. Der grinste bloss gelassen. „Haben wir es heute doppelt eilig?“
Vlamnick erwiderte genauso gedehnt. „Kommt ganz auf den Fahrer drauf an ob er auch das Doppelte verdienen will?“ Der Fahrer spuckte seinen Kaugummi, aus dem offenen Fenster, einer entsetzten Haushälterin vor die Schuhe. Sein alter Mercedes heulte ungewohnt auf. Die losen Steine spritzten unter den hinteren Pneus übers Pflaster. Auf der sicheren Rückbank schnallte sich Safa besorgt an. Mikael lachte, legte ihr nur den Arm um die Schulter und zog sich näher. „Kein Sorge. Wir kommen sicher an.“
Unsicher wagte sie zu fragen. „Fährt den gerade ein Schnellzug wenn wir am Bahnhof ankommen?“
Darauf schüttelte er den Kopf. „Wir nehmen den Eckzahn Express. Die Firma ist sehr zuverlässig was Termine angeht.“
„Aha“, klang Safa wenig zuversichtlich.
Die chaotische Fahrt über die Landstrassen schüttelte die Insassen arg zusammen. Sobald sie die breite Autobahn erreichte, presste der Fahrer alles aus seiner Karosserie. Zuerst schien es als fahre er orientierungslos im Kreis. Jedoch holten sie eine weitere Person von Zuhause ab. Maurice quetschte sich neben Mikael auf den Rücksitz. Sobald Safa die schwarze Uniform sah, die Ärmel mit drei goldigen Streifen vor verziert und die Mütze unter seinem Arm war klar, dass hier ein alter Pilot einstig. Normalerweise wäre Safa beunruhigt über sein überschrittenes Pensionsalter gewesen, aber da sie nun Maurice kannte, erschien ihr alles im grünen Bereich. Irgendwie sickerte plötzlich bei ihrem Verstand durch wie selbstverständlich sie die Geschichte mit den Vampiren glaubte. Es gab so viele unerklärliche Abweichungen von der Normalität. Selbst ein talentierter Mensch könnte nie alle Kriterien ausführen. Jetzt stand sie vor einem neuen ungeahnten Problem. Was sollte sie bei der Befragung ansprechen, was lieber sein lassen damit Mikael nicht in die Zwickmühle geriet. Mikaels Finger strichen ihr über die Stirn. Küsste ihr Haar das immer noch nach den Lavendelfeldern duftete. „Was brütest du wieder aus? Verrate mir deine Gedanken.“ Da erinnerte sie sich an Maurice Hinweis. Eventuell konnte Mikael einen Hauch ihrer Gedanken lesen, dank dem Blut das sie ihm spendete. Sie erlaubte sich einen prüfenden Scherz. Unterdrückte ihr Lachen und sah ernst Mikael an mit dem Gedanken (Du riechst komisch. Du stinkst!)
Sofort zuckte Mikaels Arm geschockt zurück. Ungläubig wirkte er auf einmal verunsichert. Blickte fragend zu Maurice, der seine verstörten Augen auffingen. Auf einmal verzog Maurice einen Mundwinkel nach oben. Kopfschüttelnd gab er seinem Küken einen leichten Stoss mit dem Ellbogen. „Kinder.“ Sprach er zu sich selbst.
Gespielt böse verzog nun Mikael seine Augen zu einem Stich. Safa lachte nur unschuldig vor sich hin. „Es funktioniert also.“ „Nur mit einfachen, wenigen Worten. Mit dir stehe ich erst am Anfang. Also was beschäftigt dich.“
„Was ich bei der Anhörung für Fragen stellen soll? Wie ich es Formulieren ohne dich…“
„Vergiss es.“ Sein Blick sprach von etwas anderem, das ihn interessierte Solange sie dieses Kostüm trug, wusste er nicht so Recht wohin mit seinem Augen. Dann bemerkte er Safas bekümmerten Ausdruck. Verbesserte sich, „Du bist von Fall weg. Ich entziehe dir die Erlaubnis mich zu befragen. Du bist zu einvernommen. Solles du dich weigern, verkünde ich öffentlich unseren engen Beziehungsstatus.“ Sprachlos sah Safa ihn eine Weile an. Auf eine Seite war dies eine sinnvolle Entscheidung. Lehnte näher an ihn. „Und wer soll dich dann befragen?“ Es war Maurice der antwortete. „Ich glaube wir sollten Dr. Schwarz hinzuziehen. Sein Urteil zweifelt niemand an. Wir faxen ihm im Flughafen deine neutral formulieren Notizen zu. Das gibt ihm Zeit sich vorzubereiten.“
Damit war es Entschieden. Galt nur noch das Rennen gegen die Zeit zu gewinnen.
Es läuteten die schweren Glocken von Grossmünster dreimal hinter einander. Ihr Taxi fuhr vernünftig am Zürichsee entlang auf die Klinik zu. Da es hier einige gemeine Radarfallen gab, die jede Woche ihren Standort wechselten, fuhr man im erlaubten Höchsttempo. Fünfzehn Minuten später hielten sie, alle Erleichtert, vor der Klinik. Bei dem schönen Wetter warteten die Experten draussen im Garten, im Schatten der Bäume.
Automatisch übernahm Maurice de Vlamnick die Führung. Redete mit den angespannten Leuten, bevor Dr. Schwarz, mit seinem giftigen Kommentar, die Stimmung zu kippen drohte. Einig spazierten sie dann ins innere Gebäude, wobei Dr. Schwarz eindeutig Safa vor die Türe wies. Nachdem er erfuhr, dass sie die Bewertung zurückzog, verwehrte er ihr den Zugang zur Verhandlung. Weiter genügte für alle ein Blick auf Safas aufreizende Kostüm um sie von so einer wichtigen Konferenz auszuschliessen. Da sie weiteres Aufsehen vermeiden wollte, nahm sie ihren Reisekoffer und begab sich zu nächster Gartenbank wo sie sich nach den Strapazen der Reise erholte. Genoss den ruhigen Augenblick unter den Bäumen. Einige wenige Patienten spazierten gelassen durch die kleine Parkanlage. Ein paar rauchten ihre genehmigten Zigaretten in genüsslichen Zügen, da drinnen im Haus striktes Verbot herrschte. Ausgang gab es höchstens zweimal am Tag. Nachdem sie ein paar Minuten ihre Gedanken ordnete, überfiel sie eine Idee. Zum nach Hause fahren, Koffer abliefern, fehlte ihr die Zeit. Sie wollte hier abwarten bis in ca. einer Stunde Sirinovskas Urteil feststand. Hoffte von Herzen er möge frei und als Gesund diagnostiziert frei kommen. Ihren Koffer erneut in der Hand steuerte sie den hinteren Trakt der Klinik an. Bei der elektronisch abgesicherten Hintertür drückte sie auf die Sprechanlage in der Wand. Betrachtete die stabil vergitterte Türe als es endlich aufsummte und eine männliche Stimme nach ihrem Wunsch fragte. Da es hier eine kleine Kamera gab zur Gesichtskontrolle überfiel wieder einmal Safa eine freche Idee. „Schalt die Kamera ein und entscheide selber ob du mich reinlassen willst oder nicht!“ Riet sie ihm. Sie stemmte ihre Hände in die Hüften, drückte ihren Rücken durch und brachte ihre Kurven, des runden Busen, vorteilhaft zur Geltung. In dem idealen Kleid eine Kleinigkeit. Es dauerte einige Sekunden bis er andere sich vom dem seltenen Augenschmaus erholte. Ohne weiteren Kommentar summte die entsicherte Türsicherung auf. Rasch trat sie in den inneren Gang. Diesen hinteren Weg betrat sie selten, kannte aber die Gänge. Ihre Sandalen klapperten durch den leeren Korridor. Den Koffer liess sie nach der Türe stehen. Wie immer die obligatorische Beschnupperung der beiden Wächter. Einer stand ungeduldig an der Tür, gespannt auf ihren Auftritt. Winkte seinen Bruder grinsend zu, als er Safa erblickte. Genauso breit grinste Safa übertrieben zurück. „Nächstes Mal ist die Übersetzung wieder gratis, wenn ihr mich schon in diesem Anzug zu Gesicht bekommt. Geniesst es, allzu oft komme ich ja nicht vorbei.“
Die beiden staunten und freuten sich über beide Ohren. Der Älter wagte tatsächlich direkt zu fragen. „Hat er es geschafft?“
Safa warf ihm den entsprechenden Ausdruck in den Augen zu. Sie brauchte nichts zu verraten. Ihr süsses, verträumtes Lächeln verriet genug. Zufrieden nickte der ältere Bruder. Streckte die Hand aus zu seinem nächsten Verwandten. „Du schuldest mir eine Flasche Wodka.“ Der behielt einen kühlen Kopf ab der Niederlage. „Burgler warum bist du hier? Sicher nicht um das uns vorzuführen.“
„Zehn Minuten mit Katalina. Steht sie unter Medis?“
Er überprüfte kurz an seinem Monitor. „Die Medikamente sind im grünen Bereich. Sie ist ansprechbar.“ Gab ihr den entsprechenden Wink zu verschwinden. Mit einer gewissen Furcht suchte sie das besagte Zimmer. Eines der mittleren gesicherten Klasse. Katalina war nur eine Gefahr für die Bewohner draussen. Hier drin galt für alle strickte Einzelhaltung. Man gewährte ihr sogar zwei Wüstenmäuse als Unterhaltung. Solange sie niemand frech ansprach, oder sie gegen ihren Willen anfasste galt Katalina sogar als harmlos. Jedes Mal wenn Safa hier war fühlte sie sich unwohl. So lange bis sie vor ihrer Türe stand, Anklopfte. Anders als das Pflegepersonal wartete sie bis Katalina entweder mündlich Bescheid gab oder selber aufstand um die Tür aufzumachen. Gab ihr so Normalität in ihren Alltag. Ihr Zeichen, dass sie ihre Schwester nicht als Patientin betrachtete der man alle Rechte beschnitt. Daher entsprechend überrascht riss Katalina die Türe auf. „Heute ist aber nicht mein Geb… Wow! Was für ein Kleid!“ Ihre Stimme erstarb ehrfürchtig. Runzelte sofort die Stirn. „Warum trägst du so was? Das ist doch überhaupt nicht dein Geschmack!“ Von wegen Irre haben ihren Verstand verloren. Katalina besass ihren messerscharf. Bat ihre Schwester einzutreten. Auf einem Tisch der am Boden angeschweisst war, ruhte ihre unfertige Hausarbeit. Auf einem kleinen gespannten Rahmen durfte sie einen Teppich mit Wollfäden flechten. Da für Katalina keine Selbstgefährdung bestand durfte sie mit Faden und Nadeln arbeiten. Messer oder Scheren bekam sie nie in die Hände. Schmucklos der Innenraum. Bis auf den speziellen Mäusekäfig der richtig auffiel. Sonst alles im schlichten Weiss gehalten. Nachdem sie sich innen umsah, winkte sie ihre Schwestern heran. Umarmte sie stürmisch. Obwohl ihre Schwester so tat als missfalle ihr das, wusste Safa genau das sie in Wahrheit diese herzliche Umarmung brauchte. Genauso wie sie. Dann setzte sie sich aufs Bett. Betrachtete ihr älteres Ebenbild. Während sie der mollige Typ war, fiel bei Katalina die schlanke Figur auf. Sie trug nur Grösse S. Safa winkte sie neben sich. Katalina folgte wie gut Dressiert bei einer Pflegerin, nahm ihre Hand und drückte sie. Der feste, gesunde Gegendruck erleichterte Safa. Ein wissender Blick huschte durch ihre Gesichtszüge. Mit Rücksicht auf die Kameras und Mikrofon flüsterte sie ganz leise an Katalinas Ohr. „Du trainierst immer noch heimlich nachts.“ „Sicher. Zwanzig Liegestützen täglich nach dem Aufstehen. Hast du noch mein Schwert?“
Sie sprach völlig in normaler Lautstärke. Ihr war es egal ob andere mitbekamen wie brutal sie mit ihren Feinden ins Gericht ging. Safa erinnerte sich an ihr eigenes Schwert mit dem sie, Sirinovska einst bedrohte. „Ja, deines ist wie immer auf dem Schrank. Meines…unter dem Bett.“
Sofort viel die winzige Verzögerung Katalina auf. „Du hast deines benutzt! Wofür?“ Safa liess sich zurück ins weiche Bett fallen. „Das ist eine lange Geschichte. Mir ist ein seltsamer Fall zugeteilt worden. Durfte ihn mit nach Hause nehmen. Dummerweise sieht er gut aus, ist charmant. Er ist einfach perfekt trotz den vielen Geheimnissen.“
Besorgte meinte ihre Schwester, „Das klingt nicht gut.“
„Nicht gut, aber interessant. Es ist… Mikael ist einfach…“
Katalina blickte kurz hoch zur Decke, seufzte. „Du bist verliebt. Das höre ich schon am Klang wie du seinen Namen aussprichst. Es reicht ein Blick in dein Gesicht. Es hat dich schön erwischt. So intensiv war es bei den anderen nicht. Ich hoffe du bleibst auf dem Boden der Tatsachen. Soll ich ihn für dich abchecken? Bring ihn einfach her?“
„Mhm...“, verträumt hing Safa ihren Gedanken nach. „Er war mal dein Zimmernachbar. Sirinovska. Er hat…“
„Violette Augen. Schlank, verschlossen und unheimlich. Der sitzt immer alleine in der Pause. Dem kommt niemand zu nahe. Da fühlt man sich so unwohl. Mir war als ob er mich ein-zweimal beobachtete. Unheimliche Augen… kalt.“ Sie erschauerte. „Kalt, tödlich“, ergänzte sie ihr unschönes, ehrliches Urteil.
„Du hast niemals gesehen wie er mich anlächelt. Und…“ „Der hat eine empfindliche Nase. Hat mich einmal so komisch angeschnuppert. Wäre er mir damals näher gekommen, ich hätte ich ihm glatt eine reinhauen. Wenn der stark unter Medis stand hab ich mich nicht in an seinem Tisch vorbei getraut. Liebt er dich so sehr, dass er dich ehrbar heiraten will?“
Safa strich liebevoll den langen Zopf hinunter den ihre Schwester trug. Deren Farbe war ein helleres Oranges leuchten, das sogar ohne Sonne hier drin glänzte. Während Safas Haar nur matt braun wirkte.
„Er ist in einem speziellen Club Mitglied und möchte mich auf diese Weise binden wie es dort der Brauch verlangt.“ „Aha“, wirkte Katalina misstrauisch. Senkte ihre Augen fragend zu Safas.
Diese suchte nach Worten. „Es ist ein Blutritual.“ Unbarmherzig schoss Katalina dazwischen. „Ich reisse ihm den Kopf ab.“
„Nein“, bestimmte Safa energisch. „Es ist harmlos. Es gibt Sachen die ich nicht mal dir Weitersagen darf. Ich habe sie nur in meinem Tagebuch notiert.“
„Lass mich raten. Irgend so eine geheime Loge. Hat er wenigstens Geld um dich anständig zu…. Na ja bei dem Kleid. Das du das freiwillig in der Öffentlichkeit anziehst? Bist du nicht zu sehr von ihm eingenommen!“
„Du meinst wohl blind vor Liebe! Nein! Das Kleid hat sein Kollege Maurice de Vlamnick ausgesucht. Er malt gerne im alten Stil. In Frankreich. Wir mussten überstürzt mit einem privaten Firmenjet her fliegen. Dr. Schwarz hat mir erst nach dem Frühstück den Termin verraten. Das war vielleicht eine Jagt hierher. Keine Zeit zum umziehen.“
„Warum bist du bei mir?“ Strafend klatschte Safas Hand auf Katalinas Oberschenkel. „Du bist meine Schwester. Meine einzige Familie. Ich wollte dich einfach sehen.“
Wissend erkannte ihre Schwester. „Du willst einfach dein Glück mit mir teilen. Lieb von dir. Aber keine Chance damit ich zum Normalo werde. Sollte der Kerl dir einmal wehtun… dann reiss...“ „Pst“, stoppte Safa. „Denk an was Schönes. Deine Nummer hab ich gespeichert. Wenn ich dich brauche rufe ich dich an. Versprochen. Bis dahin freue dich. Ich weiss ja selber noch nicht ob ich mit dem Kerl zusammen bleibe, da…“ „Spinnst du“, unterbrach Katalina genauso entschlossen. „Man braucht dich nur anzusehen. Du bist wie eine aufgeladene Batterie sobald du an ihn denkst. Du bist mir auf einmal unheimlich.“ Sie lachte eines ihrer seltenen Lächeln. Es war als ob ein frischer Wind die Stimmung im Raum anhob. Draussen klopfte es an die Türe. Safa bedauerte. „Zeit ist wohl um. Kommst du klar hier?“
Katalina ging bereits zum Ausgang. „Mit mir selber immer. Ich bereue nichts was ich je getan habe. Nächstes Mal bring mir wieder was Süsses mit, oder etwas zum knabbern für die Mäuse. Danke für deinen Besuch.“ Safa beschlich der trübe Gedanke; ihre Schwester wollte sie raus aus dem Zimmer haben. Katalina machten Freundlichkeit und netten Worte schnell verlegen. Trotzdem umarmte sie diese kräftig zum Abschied. Sonderweise küsste Katalina Safa sogar auf die Stirn. Etwas ganz neues. „Pass auf dich auf, kleine Schwester.“ Diese nickte. Im Gang draussen wartete bereits der ältere Russe. Ihm war es unbehaglich zu stören. Dennoch sagte er leise. „Heute sind viele Leute von oben da. Ohne Voranmeldung von dir…“
„Ich weiss. Jede Minute war es mir wert und ich danke Euch vielmals dafür.“ Ohne weiteren Kommentar steuerte sie den Ausgang an. Winkte dem Arbeitskollegen zum Abschied zu. Hastig winkte der zurück. „Komm einmal her!“ Gespannt betrat Safa den Kontrollraum. Falls er wegen dem Kleid… er deutete jedoch auf den Bildschirm. Schwarz, weiss. Deutlich ihre Schwester auf dem Bettrand sitzend. Sie drückte ein Kissen fest an sich als würde sie immer noch ihre Schwester umarmen. Völlig aufgelöst weinte sie still vor sich hin. Safa selber stiegen feucht die Tränen hoch. Ihre Schwester hatte ihr nie gesagt wie sehr ihr die Besuche nahe gingen. Leise meinte einer der Russen noch. „Das ist jedes Mal so. Besser sie beschränken die Besuche auf nur einmal im Jahr, würde ich meinerseits empfehlen.“
Draussen an der warmen Sommerluft viel Safa auf wie klar sie, in der Ferne, die Bergrücken mit ihrem ewigen Schnee wahrnahm. Sie setzte sich zurück auf eine Bank, im Schatten, auf der immerhin noch ein Platz frei war. Gleich nach vier Uhr, kamen die meisten Insassen hier nach ihrer Mittagsruhe in den Vorgarten. Hastig öffnete sie ihren Koffer um nach einem Schal zu suchen. Der passte zwar farblich wie die Faust aufs Auge, schützte aber vor den neugierigen Blicken, welche ihr auffälliges Kostüm auf sich zog. Die Bäume wechselten von ihrem hellweissen grün in ein kräftigeres hinüber. Sie bemerkte es nicht. Obwohl sie nicht hinsah realisierte sie nur wie ein neuer Banknachbar unangenehm nach Alkohol stank. Dabei war hier auf dem ganzen Areal sogar leicht alkoholisiertes Bier verboten. Ihre feuchten Augen sahen grenzenlos in die Ferne. Realisierte aber nichts von dem schönen Sommertag. In Gedanken schwebte ihr erneut das traurige Bild mir ihrer weinenden Schwester vor. Bisher dachte sie Katalina sei die stärkere von ihnen beiden. Die gnadenlose, brutale Schwester die sie kompromisslos beschützte. Alles ablehnte um aus der Klinik zu kommen. Sich weigerte an einem Hilfsprogramm teilzunehmen. Katalina fand die Welt zu verwahrlost. Hatte ihr einmal zu verstehen geben; „Wenn ich aufräume, räume ich richtig auf. Müll bleibt Müll. Da gibt es keinen Unterschied ob einer nur eine kleine Kette vom Hals stielt oder aus Wut einfach eine unschuldige Katze schlägt. Jemand sollte sie sofort bestrafen, denn die Gesetze laufen zu langsam. Die schützen sogar den Täter und nicht die Opfer. Daher bleibe ich konsequent. Keine halben Sachen mehr. Über den Rest meines Lebens bestimme ich selber. Wer damit nicht zufrieden ist sollte einfach, nach einer Warnung, nicht mehr in meiner Nähe stehen.“
Jemand blies sachte an ihr Ohr. Überrascht sah sie zur Seite direkt in Mikaels glückliche Augen. Kaum gewahr er Safas trübe Stimmung setzte er sich rasch neben sie. Zog sei fest in seinen Arm. „Warum so traurig?“ „Ich habe meine Schwester besucht.“ Nachdenklich sah er sie an. „Die in der geschlossenen Abteilung. Wie kommst du da einfach so rein?“ Andeutungsweise schwenkte sie den Schal hin und her über ihrem tiefen Spitzen besetzten Ausschnitt. Von ihr kam ein abwertendes, „Tz, tz, Ihr Männer seit zum Glück alle gleich gestrickt. Die Wächter von der Klinik sind mir wohlbekannt. Du hast einem von ihnen eine Flasche Wodka verschafft. Dem der auf mich gesetzt hat.“
Sirinovska lachte kurz und wechselte wieder zu ernst. „Willst du sie raus holen. Deine Schwester?“ Verwundert schaute sie Mikael an. Ihm war es todernst bei dieser Sache und sie wusste bei einem Ja erfüllte er ihren Wunsch egal was es kostete. Dankbar strich ihm Safa über den Arm. Schüttelte den Kopf. „Das wäre zu gefährlich. Ich kann die Verantwortung nicht übernehmen. Was ist mit dir? Alles gut gelaufen?“
„Sitze ich neben dir oder bin ich in Handschellen in einer Zelle? Ich bin ein freier Mann!“
Es wurde ihr richtig leicht ums Herz. Sie freute sich so für ihn. „Das ist gut…“ Wusste gar nicht so richtig wie sie es perfekt zum Ausdruck brachte. Die letzten Stunden hatten sie einfach überrumpelt.
„Dein Gesicht sagt genug“, gestand er ihr. Dafür hielt sie sich abdeckend, für ein paar Sekunden, die Hand vors Gesicht. Solange bis sie wieder klarer dachte. „Das hat Katalina mir auch gesagt.“ Es folgte eine Minute des Schweigens. Bis sie über ihre eigene Zukunft nachdachte. Wie es weitergehen sollte. Wie mit Mikael. Ging er wie angekündigt für ein paar Monate weg und kam wieder. Blieb sie solange alleine. Irgendwie drückte die Vorstellung, selbst für eine Woche, ohne ihn zu leben sie ziemlich hinunter. Bisher dachte sie ein paar Tage ohne ihn waren einfach zu überstehen. Sie fühlte sich so seltsam. Fühlte sich übel bei dem Gedanken. Vielleicht lag es an dem Stress der Reise. Übermüdung oder die ungewohnte Sonne. Besorgt hielt Mikael ihr Gesicht hoch. Fühlte kurz ihren Nacken. „Du denkst zu tiefsinnig. Willst du was unternehmen?“
Im Moment genoss sie einfach seine Nähe. Die Realität traf sie hart als sie hinter sich Stimmen reden hörte. Verzog ihren Mund. „Mit Schwarz darf ich mich auch noch unterhalten. Plan für nächste Woche abholen, bevor er nach Hause geht. Was hast du vor?“
Zuerst blickte er an sich runter. Wieder zu Safa zurück. Atmete tief ein, weil ihm das Thema schwer viel. „Geschäftlich nach Russland. Heute Abend verlasse ich das Land. Vorher habe ich hier noch einiges zu klären. Mit den Ausweisen und der Bank. Eigentlich möchte ich gerne ein paar Tage ausspannen. Jedoch sind zwei gar drei untätige Tage ein zu grosser Vorsprung für meine… ich will nicht Feinde sagen. Aber es gibt einfach Leute die mein Erscheinen nicht so willkommen heissen. Wenn die mich untätig sehen, ziehen sie den Nutzen draus mich sofort aus den oberen Rängen zu stossen. Für Rangkämpfe bin ich momentan aus der Übung, also muss ich meinen Platz auf andere Weise absichern. Und das ziemlich schnell. Mit Verhandlungen, alte Freundschaft auffrischen und Neue finden. Das dauert…Mein guter Familienname zwingt mir ein schweres Erbe auf. Erst einmal geht es darum zu beweisen, dass man ihn verdient. Viele meiner neidischen Genossen vergessen die Verantwortung die so ein hoher Rang mit sich bringt. Plötzlich steht man als attraktive Zielscheibe im Rampenlicht. An die harte Arbeit, von neuen verfassten Verträgen, Finanzsektor oder selber die Anpassungen in der Landwirtschaft ist ein unendlicher Job. Der Wohlstand unserer Familie ist eine hart verdiente Berufung.
Er verschränkte seinen Finger mit den ihren. Drückte sie vertrauensvoll. Belegt ihre Stimme. „Wann sehe ich dich wieder?“
Eine völlig störende Stimme von Schwarz, liess sie zusammen zucken. „Sieh an, das traute Liebespaar. Ich muss dir noch zu deinem Sieg gratulieren Safa. Du kannst im Büro dein Geschenk abholen. Noch bis fünf Uhr bin ich dort.“
Freudlos sackten ihre Mundwinkel nach unten. „Ich komme gleich.“ Unvermutet sagte Sirinovska in völlig normalen Tonfall. „Bevor ich gehen. Gibst du mir noch etwas von deinem köstlichen Blut?“ Zu allererst blickte sie erschrocken rückwärts. Klar verstand Dr. Schwarz jedes einzelne Wort. Vor ungläubigem Schreck stolperte er fast über seine eigenen Schuhe. Fassungslos wandte er sich herum. Strafend funkelte Safa Mikael an. Das war keine Unvorsicht sondern pure Absicht gewesen! Doch Mikael reagierte völlig gelassen. Lehnte sich lässig an der Bank zurück. „Darf ich an deinen schönen Hals für kurze fünf Minuten?“
Von hinten donnerte Dr. Schwarz Stimme. „Ich höre wohl nicht Recht. Eben haben sie vor Zeugen ausgesagt, dass sie kein Vampir sind. Das ihnen Blut egal ist. War alles gelogen!“ Seinen durchdringenden Ton vernahm man noch in zehn Meter Entfernung deutlich. Gemächlich stand Mikael auf. Milde sein Ausdruck in seinen dunklen Augen. Selbst Dr. Schwarz der sonst gar nicht leicht zu beeindrucken war, trat einen Schritt zurück. „Sie wirken überarbeitet. Ein paar Tag Ferien täten ihnen auch gut.“ Winkte Schwarz näher mit einer Hand. Flüsterte dicht an seinem Ohr, dass es allerhöchstens noch Safa gerade hörte. „Ich habe gesagt ich bin kein Vampir der allen an den Hals springt. Mir genügt einer! Ein spezieller Hals. Mir ist Ihr Blut, Herr Schwarz, scheiss egal. Da können sie sich sogar die ganze Schlagader aufschlitzen, ich würde sie verbluten lassen. Mir ist aber jeder Tropfen von ihr, “ er deutete auf Safa, „Heilig.“ Hinter der Bank fiel ein Kugelschreiber zu Boden. Mikael lass ihn auf. Nahm ihn in drei Finger. „Glauben sie wirklich, ein gewöhnlicher Mensch das kann?“ Es knackte als der stabile Stift mit der Aluminiumhülle brach. Eben keiner dieser dünnen durchsichtigen Marke sondern ein robustes, teures Firmengeschenk.
Schwarz blieb der Mund offen stehen. Misstrauisch untersuchte er den Stift. Man sah ihm auch an wie sehr ihm der Verlust des persönlichen Designerstücks schmerzte. „In der Klinik waren sie immer schwach. Das ist ein mieser Zaubertrick.“
Erneut kam Safa eine geniale Idee. Zückte schon mal heimlich ihr Handy hervor. Hielt es aber versteckt. Innerlich lachte sie schon. „Mikael mach mal so! Präsentiere mal Dr. Schwarz deine neuen Armmuskeln.“ Mikael ahnte bereits hinter allem eine böse Falle. Mittlerweile kannte er seine Safa und da es ihn wundern nahm, was für einen Streich sie auf Lager hatte, spielte er einfach brav mit. Voreingenommen witterte Schwarz keine Hinterhalt. Als Mikael seinen Arm hoch winkelte meinte Safa unschuldig. „Fühlen sie mal Dr. Schwarz. Ist das nach der Klinik möglich?“ Anfangs zögerte Schwarz noch doch dann kam er der Aufforderung nach. Während er Mikaels gewölbten Bizeps abtastete, versuchte dieser möglichst nicht zu grinsen. Heimlich filmte das Safa mit der Handykamera. Schwärmte, „Und erst der Bauch. Was für ein Traum.“ Mit einer seitlichen Handbewegung forderte sie Dr. Schwarz auf seine Untersuchung weiter zu führen. Dr. Schwarz traute wirklich seinen Händen nicht als er die Veränderungen abtastete. Dennoch bekam er das Gefühl nicht los, da stimme etwas nicht. Innert vier Tagen eine solche verbesserte Steigerung. Flüchtig hob er Mikael Hemd hoch. Sirinovska schaute über Dr. Schwarz Kopf hinweg Safa fragend an, doch die zwinkerte vergnügt und filmte vergnügt weiter. Aus den Augenwinkeln erkannte Dr.Schwarz plötzlich die neue Gefahr. „Was soll das?“ Fragte er auf das blinkende, eingeschaltete Handy. Safa meinte nur. „Ich verliere dadurch zwar hundert Euro. Das ist es aber einfach Wert. Meine Freundin hat mit mir gewettet. Wenn sie das sieht hat sie eindeutig gewonnen.“ Misstrauisch schlich Schwarz nähern. Rasch versteckte Safa ihr flaches Telefon in ihren tiefen Ausschnitt hinein.
„Um was habt ihr Gewettet“, forderte er zu wissen.
Diesmal konnte Safa ein Kichern nicht verstecken. „Ob sie auf Männer stehen oder nicht? Sie haben so schön meinen Freund abgetastet. Sie scheinen Übung darin zu haben.“
Drohend hielt er Safa eine offene Hand hin. „Handy, sofort.“ Rückwärts trat sie langsam die Flucht an. Signalisierte mit ihren Gedanken zu Mikael- Geh weg!- Abstand! Mit Sorge hielt er sich zurück im Hintergrund. Sorgfältig prüfte sie zuerst ob noch einige der hochrangigen Experten auf den Platz vor der Klinik warteten. Zumindest unterhielten die sich noch bis ihre Taxis eintrafen. Bevor das Geschah trat sie unauffällig rückwärtsgehend in deren Nähe. Spielte Dr. Schwarz die Ängstliche vor. Mit voller Absichtlich hielt sie ihm dabei die ungeschützte Vorderseite verlockend zu. Der Unverschämt wollte sich natürlich das Handy krallen. Ihr entrüsteter schriller Aufschrei war über das gesamte Klinikareal zu hören. Delbst der abgebrühte Mikael zuckte empfindlich zusammen.
„Dr.Schwarz, Hände weg aus meinem Busen!“ Einerseits hielt er ihre Schürze fest. Mit der anderen hatte er vergeblich versucht kurz mit den Fingern nach dem Handy zu fischen. Da sie schwitzte rutschte ihr elektronisches Gerät tiefer. Klemmte unter ihrem Busen förmlich fest. Ein sicherer Griff hätte genügt um es raus zu holen. Selbstverständlich traute sich Dr. Schwarz nur zögerlich, was seinen Missstand verschlimmerte da Safa nun seine Hand festhielt. Seine Hand zu befreien gelang ihm, dafür klatsche ihre Handfläche dermassen heftig an seine Wangen, dass er beinahe umfiel. Hielt sich fassungslos die brennende, aufgeflammte Wange. Sie drohte ihm „So was ist sexuelle Belästigung!“
Dagegen wehrte er sich entschieden. „Von wegen! Gemeine Erpressung! Du hinterhältiges Biest.“ „Sie arbeiten entscheiden zu lange. Mein Eigentum gehört mir und ich hab dir nicht erlaubt darüber zu verfügen. Also Finger weg!“ „Das sind meine Fotos. Bilder. Film. Ich habe ein Recht darauf zu verlangen, dass sie sofort gelöscht werden“, verwirrt wegen der unbeliebten Aufmerksam die er auf sich zog. Vor allem die Leute vom einflussreichen Komitee äugten gespannt über die Büsche hinweg zu ihnen hinüber, was ihn sehr beunruhigte.
Safa blieb stehen. Erinnerte ihn. „Was nicht öffentlich gemacht wird, sondern nur in meinem privaten Bereich bleibt, ist offiziell mein unantastbares Eigentum. Erst wenn ich es teilen oder rufschädigend verwenden würde, dürfen sie mich verklagen. Aber dieser Film kommt nur in mein Archiv. Also alles im legalen Bereich.“
Ratlos verharrte Dr.Schwarz auf der Stelle. Sie deutete auf seine Stirn. „Sind wir heute durcheinander? Ich habe ja nicht geahnt, dass so ein einfacher Rock sie dermassen aus der Fassung wirft.“
Gehässig winkte Dr.Schwarz mit seinem Arm eine wegwerfende Geste. Steuerte lieber sein Büro an um dort sich zu verstecken. In der Öffentlichkeit war er Chancenlos gegen freche Safa. Freute sich aber schon auf den morgigen Mittwoch. Als sie hinter ihm herrief. „Dr. Schwarz bitte lassen sie Morgen ihre schlechte Laune zuhause. Das Geschrei tut meine empfindlichen Ohren nicht so gut.“ Ihre Provokation prallte diesmal fruchtlos an ihm ab. Er formte bloss gespielt eine Faust hoch und warnte. „Halten sie einfach ihr loses Mundwerk im Zaum. Wenn sie das Video jemanden zeigen, sind sie erledigt. Sie bekommen nie ein Diplom in unserer Berufsbranche, dafür sorge ich.“ „Öffentliche Drohungen vor Zeugen“, Safa deutete vielsagend hinter sich. Dr.Schwarz rauschte, nach dem er einem leer Schluckte, geschwind davon. Er verfluchte den Tag als er zum ersten Mal diese verdammte Akte gesehen hatte. Nur Chefsache, nur für oberste Liga. Ja, er hatte sich gehörig daran die Finger verbrannt.
Besorgt schritt Maurice zu Safa. „Ist er jeden Tag so gereizt?“
Unbekümmert hob sie die Schultern. „Das bin ich mich gewohnt. Ganz ehrlich, er hat lieber die unterwürfigen Angestellten als jemanden wie mich der ihm die Wahrheit unverblümt ins Gesicht knallt. Ich kann mir das leisten, da ich nicht von ihm angestellt wurde?“
Wieder an ihren Job denkend, fiel ihr Mikaels Anliegen wieder ein. Auf einmal krampfte sich in ihrem inneren alles zusammen. Sie biss sich auf die Lippen. „Du musst wohl gehen?“ Wollte sie ausgeglichen sagen, doch die innere tiefe Traurigkeit zu verbergen fiel ihr schwer. Eine schnelle Bewegung und er stand vor ihr. Sie erkannte es sofort. Auch bei ihm lag etwas schwerer auf dem Gemüt. Trotzdem wirkte er kaum besorgt. Lächelte. „Drei Möglichkeiten. Entweder du gehst nach Hause und vergisst mich.“ Diese deprimierende Vorstellung verwarf sie sofort. Unmöglich ihn zu vergessen. Fragte sich wie sie es verkraftete sollte, falls er die Verbindung ganz abbrach. Schon da stiess sie an ihre Grenzen. Energisch schüttelte sie den Kopf.
„Zweite Möglichkeit. Wir legen eine Pause ein. Bis ich die dringenden Angelegenheiten in meinem Land gelöst habe. Das kann sich jedoch ungeahnt in die Länge ziehen. Mindestens einen Monat bis vielleicht ein halbes Jahr.“ Das schien ihr sehr willkommen. Selbst Maurice in seinem Rücken nickte ihr bejahend zu. Bevor sie was sagen konnte zog jedoch Mikael mit einem geheimnisvollen Lächeln einen gefalteten Zettel aus seiner Hemdtasche. Schaute vorher prüfend über das Handgelenk von Vlamnick auf die Uhr. Erst danach wedelte er mit dem karierten Zettel vor ihrer Nase rum. „Option Nr. Drei. Du musst dich allerdings beeilen wenn du den strengen Zeitplan einhalten willst.“
Gespannt nahm sie den Zettel in die Hand. Er riet ihr. „Gib gut auf ihn Acht. Das wäre mein persönlicher Favorit. Fahr mit dem Taxi und lies ihn durch bis du zuhause bist. Über das Geld auf deinem Konto kannst du selbstverständlich Verfügen. Ganzer Betrag.“ Ab ihren entsetzten Augen lachte er. Andere Frauen wären erfreut, sie jedoch war eine ehrliche Seele die dieses Angebot niemals ganz Ausschöpfte, sondern es sogar als Bürde betrachtete. „Wir sehen uns je nachdem wie du dich entscheidest.“ Hupen hinter seinem Rücken bestätigten die Ankunft der Taxis. Einmal noch drückte er sie fest an sich. Verwundert merkte Safa dass es diesmal ihr körperlich nicht wehtat. Normale Weise überschätzte er leicht seine körperlichen Kräfte.
Dafür schmerzte es seelisch tiefer. Am liebsten hätte sie nie mehr losgelassen. Alles in ihr sehnte sich nach ihm. Doch Maurice mahnende Stimme trenne sie. Kurz, dafür intensiv küsste Mikael sie auf die Lippen und verschwand ins Auto.
Sie verharrte unbeweglich einige Minuten stehend an ihrem Platz. Ihr Gehirn brauchte Zeit zum Realisieren. Er war weg und mit ihm schien für einen Moment all ihre Freude abgereist. Nachdenklich fuhr Safa sich mit einem Finger über die noch kribbelnden Lippen.
Erst als eine fremde Frau, hinter ihr, eine erfreute Bemerkung machte über das schönes Kleid, lächelte sie traurig. Eine Schlimme Zeit stand ihr bevor. In ihrer Hand lag der vor Anspannung zerknüllt der Zettel. Sie wollte seine Schrift lesen, seine letzten tröstenden Worte.
Nach den ersten Zeilen stockte ihr der Atem. Nr.1 Mietverwaltung anzurufen und die Kündigung ihrer Wohnung bestätigen. Nr.2 Umzugsfirma Eckzahn benachrichtigen, damit die ihre Sachen holten und zur neuen Wohnung brachten. Ein Familienhaus das in einem Villenviertel Zürichs lag und ganz den Sirinovskas gehörte. Nr.3 Schriftlichen Kündigungen eingeschrieben abschicken. Nach jedem Punkt die Zeit beachten. Selber nach Hause. Umziehen, das wichtigste in den blauen Koffer. Pflanzen den Nachbarn schenken. Falls die Pfeilgiftfrösche??? existierten, Zoohandlung! Das wichtigste. Nr.7 spätestens um 21:00 beim Flughafen Zürich Business Terminal (B1 )sein, mit allen Ausweisen.
Erleichtert lachte Safa. Dies war ein Hilfsplan. Damit gelang es ihr heute Abend mit ihm nach Russland, zu reisen. Für einen längeren Aufenthalt im Ausland.
Eine Minute sammelte sie ihr Gedanken an Ort und Stelle. Konzentrierte sich. Morgen Mittwoch ihren Alltag bei der gereizten Wespe namens Dr. Schwarz wieder aufzunehmen, darauf hatte zu zum ersten Mal keine Lust. Blieb ihr also nur Option drei. Ihre einzige Sorge war was sie in Russland den ganzen Tag tat. Erst Sprache lernen…da hatte sie sich einen schweren Brocken vorgenommen. Vielleicht reichte ihr Englisch. Sie musste das mit Mikael am Abend genauer besprechen. Da ein Taxi auch eine gewisse Zeit benötigte, stieg sie kurzerhand in den Bus. Noch während der Fahrt erledigte sie die Telefonate. Nach bereits dreissig Minuten erreichte sie ihre Wohnung. Von wegen Pfeilgiftfrösche. Dies war nur ein guter Bluff gewesen zur Einschüchterung. Sie besass kein einziges Haustier. Dafür tausende Bücher. Momentan reichte ihr Tagebuch aus um ihr Leben im Gleichgewicht zu halten. Das wichtigste in ihrer Wohnung waren die Schwerter. Ihres war höchst gefährlich scharf, jedoch nur ein Hausschwert von geringem Wert. Anders dagegen dagegen die kleinere, schwere Version von ihrer Schwester. Für diese extra Anfertigung bezahlte sie vier Tausend Euro. Das Heiligtum ihrer Schwester. Selbst sie durfte es nur im äussersten Notfall anfassen. Echter gefalteter Stahl. Stabiler als jedes überdurchschnittliche Schwert. Absolute Topklasse. Dafür musste sie auch einen tausender drauflegen. Da ihre Schwester sonst nie einen Wunsch äusserte, erfüllte sie ihr die aussergewöhnliche Bitte. Jetzt wollte sie es auf keinen Fall zurück lassen. Es war dick eingewickelt in zwei ganze dunkelrote Ziegenleder. Schmucklos das feste Band mit dem man es um die Schulter trug. Niemand vermutete darunter einen so gefährlichen Schatz. Eilig zog sie sich um. Lies das besondere Kostüm separat in einer Migros Tasche, die sie mit Maurice beschriftete. Packte nur die praktischen Kleider ein, insbesondere die persönlichen Frauensachen. Verlor eine Stunde bis die besagten Papiere über Krankenkasse und sonstige Versicherungen zusammen trug. Sirinovska erledigte Gründliche Arbeit mit seiner Liste zum abhaken. Alles was später noch in Daueraufträge umgewandelt wurde, musste mit. Gerade als sie die Wohnung gegen sieben verlassen wollte, klopfte es an ihrer Türe. Die Leute von der Umzugsfirma kamen wie versprochen. Eine Weile, bis vor allem ihr PC Sicher eingepackt war, beobachtete sie die fremden Leute. Man merkte ihre Professionalität im Job an. Es gab nichts zu bemängeln. Zufrieden überreichte sie die alten Schlüssel. Auch für eine Endreinigung würde die Firma in den kommenden Tagen sorgen. Beruhigt, noch im Zeitrahmen ihres Zettels, hiess sie ein dunkler Treppenflur willkommen. Wieder einmal war die Sicherung rausgeschossen oder eine Glühbirne kaputt. Fest entschlossen hielt sie den Koffer, das Gewicht des Schwertes drückte ihre Schultern nach unten, da hörte sie ein Schluchzen. Sie kannte ihre Anwohner. Eindeutig aus dem oberen Stock vernahm sie die verzweifelten laute. Das Herz der Psychologin schlug gequält auf. Wenn sie die Stufen nach unten nahm würde sie das schlechte Gewissen verfolgen. Also lieber von Anfang Zeit sparen und nach oben. Deutlich vernahm sie das Schluchzen hinter der Türe vom Hundebesitzer. Damit sie es sich nicht anders überlegte, klopfte sie entschlossen an. Misstrauisch öffnete sich die Türe einen Spalt. Darüber war sie froh, denn die säuerliche Alkoholfahne war so grässlich, dass sie fast vor Übelkeit kotzte. Sie unterrückte den Drang die Luft vor ihrer Nase mit der Hand zu vertreiben. Endlich realisierte der Süchtige ihre harmlose Anwesenheit. Schwankend öffnete er ganz seinen Wohnraum. Angewidert trat Safa einen Schritt zurück. Fragte tapfer. „Wie geht’s?“ Schalt sich selber zu spät. Sie hatte das W Wort benutzt welches mehr als nur ein kurzes Ja oder Nein zuliess. In der nächsten halben Stunde musste sie geduldig seine Probleme anhören. Zwar plante sie nach zehn Minuten einen Gesprächsabschluss, jedoch stellte sich heraus, indirekt war sie auch an seinem Elend schuld. Genaugenommen Sirinovska. Der auf den glorreichen Gedanken kam dem Vermieter einen Bonus zu zahlen, wenn er ihre ausser terminlicher Kündigung, akzeptierte. Dieser Funke reichte aus um dem Eigentümer an die längst überfälligen Renovierungen zu erinnern. Kurzerhand kündigte seinerseits den Mietern auf zwei Etagen, oder drohte mit Mieterhöhung. Während also Safa ahnungslos ihren Koffer packte, hatte der Vermieter bei ihren Nachbarn die frohe, bez. Schlechte Nachricht verteilt.
Der unrasierter Mitte Vierziger vor ihr besass ein grosses Problem, welches ihm bei anderen Wohnungen nur Absagen einhagelte. Nein, es lag nicht am übermässigen Alkohol oder seiner vernachlässigten Erscheinung. Er besass anscheinend einfach einen grossen Hund, den garantiert jeder Vermieter ablehnte. Jedoch schwärmte der Verzweifelte so von seinem kaum ausgewachsenen Baby, dass Safa beschloss wenigstens einen kurzen Blick auf die arme Seele zu werfen. Mit einem mulmigen Gefühl erwartete sie einen kräftigen Kampfhund oder etwas in der ungefähren Grössenordnung von einer Bulldoge oder Schäferhund. Was da brav auf seinem aufgewühlten Bett sass, lies sie ihre Augen gross werden. Ihr stockte der Atem. Sie selber wog ihre 57 Kilo. Was das so unschuldig vor sich hinträumte war mindestens zehn Kilo schwerer! Mit einem verlegenen Lächeln versuchte sie unauffällig den Rückwärtsgang einzulegen. Doch ihr Nachbar rief ganz leise mit heiserer Stimme. „Whisky.“
Sofort erhob sich geschmeidig, die ausgewachsene, deutsche Dogge. Ihre blassgrauen Flecken auf dem sonst weissen Fell gaben ihr den Eindruck, wirklich wenigstens farblich, ein Welpe zu sein.
Das schwere Gewicht polterte jedoch auf dem Holzboden als sie übermütig zu Safa sprang. Zum Glück hatte diese schon Erfahrung gesammelt mit Hunden von einem früheren Arbeitskollegen. Wich keinen Zentimeter zurück. Sprach nur freundlich. „Ja komm her. Stopp!“ Ihre Hand bremste den Wildfang. Liess ihm erst einmal Zeit daran zu schnuppern. Überrascht gestand Safa. „Hübsch und gut erzogen!“ Ihr Lob freute den stolzen Besitzer. Safa ahnte nicht wie sie damit ihr Schicksal besiegelte. In einem weiteren Gespräch erhielt sie Info über Whisky. Sie war eine weibliche Hündin, wurde aber aufgrund ihrer Fellfarbe nicht zur Zucht zugelasssen. Daher verschenkte man sie einfach. Eigentlich wollte Safa nur einen ihrer 1000 Franken Banknote dem Nachbar schenken. Kaum drückte sie jedoch das Geld in seine Finger, drückte er im Gegenzug Lederleine, Impfzeugnis Leckerli und einen halben Trockenfuttersack in die Arme gedrückt. Sie brauchte einen Moment um den Schock zu verdauen. Anscheinend hatte sie gerade ein Hund adoptiert.
Als sie die Treppe runter sauste, drängten sich die Umzugleute respektvoll ausweichend an die Wände. Wenigstens verschaffte ihr die wandernde Fleischmasse Raum und Platz.
Was alles im Film so einfach aussieht ist in Realität viel Anstrengender. Erstens wieder einen Geldautomaten suchen. Geld abheben fürs Taxi. Denn zuständigen Tierarzt aussuchen, für Whisky. Diesmal öffnete wirklich Geld die Türen. Bekam ein Gesundheitszeugnis mit Stempel. Wieder ein Taxi finden welches solche Riesenhund mitnahm und zum Flughafen rasen. Es war fünf vor neun als die dessen Pforten erreichte. Während der Fahrt rief sie Mikael an. Es gab für Notfälle unten eine Nummer auf dem Zettel. Erfreut und besorgt nahm er ihren Anruf entgegen. Auf ihr. „Kannst du eine Transportkiste für ca. 60 bis 70 Kilo Lebendgewicht finden. Das Gesundheitszeugnis habe ich. Bin gleich bei dir!“
Auf dem Flughafen um diese späte Zeit wenig Leute unterwegs. Mehr das Putzpersonal das aufräumte. Sie rannte über den glänzenden Boden. Bis ihr bewusst wurde wie gross der Flughafen war. Erst einmal abchecken wo man selber sich befand. Das gab sie nach fünf Minuten auf. Fragte sich direkt beim den Putzhelfern durch, das ging schneller. Leider war ihr Gate ausgerechnet am weitesten entfernt. Zehn Minuten später, keuchte sie am Ende ihrer Kräfte, durch die Halle mit den Souvenir Shop. Ihr Körper versagte ihr heute seine Glanzleistung. Übelkeit und Durst zwang sie erst einmal auf die Toilette. Obwohl sie nichts gegessen hatte, kam ihr dunkler Mageninhalt hoch. Sie hatte keine Zeit sich damit zu beschäftigen. Trank flüchtig Wasser, sprintete draussen wieder los. Bis sie endlich auf den glorreichen Gedanken kam. „Zieh Whisky, zieh!“
Jagte sie mit neuer Energie durch die Gänge. Whisky war eine hervorragende Hilfe. Endlich nach einer Ewigkeit fand sie den Speziellen Ausgang der zum Flugzeug führte. Das Labyrinth aus verschlossenen Gängen und Scheiben nahm ein Ende. Eine letzte Kontrolle Pass und Gepäck. Seltsamerweise stellte niemand eine Frage über das gescannte Schwert. Allerdings wurde es notiert und vermerkt. Man hielt ihr die Türe für nach Draussen auf. Auf dem Rollfeld wartete diesmal eine grössere Maschine als der Privatjet von Frankreich. Auf der Treppe zum einsteigen, wartete Mikael ungeduldig. Seine gross gewachsene Gestalt, seine stolze Haltung erkannte sie selbst im Halbdunkeln von weitem. Die Spotlichter erhellten die Rollfelder. Beim ihrem Flieger checkte der Pilot gerade seine Liste zu Ende. Auf ihr. „Zieh, zieh!“ Flog sie förmlich die letzten Meter über den Boden. Ihre Beine zitterten als sie endlich vor Sirinovska stand.
Seine Augenbrauen schossen entsetzt in die Höhe. „Das ist nicht dein Ernst?“
Sie brauchte eine ganze Minute ehe sie Luft zum sprechen bekam. Eine der Flugbegleiterinnen sah sie schon besorgt an. Safa sorgte sich selber über ihre schlimme Verfassung, lächelte aber als sei alles Ok. „Geschenk für Maurice.“
Beruhigt lachte Mikael los. „Für ihn also? Na dann bin ich ja beruhigt!“
„Wo ist die Kiste?“ Sosehr sie suchte, sie sah keine.
Er deutete nach Oben. „Dafür ist keine Zeit mehr. Die haben nach Zehn Uhr abends in diese Richtung Startverbot, also hoch mit Euch.“
Besorgt bemerkte er Safas kraftlosen Gesundheitszustand. „Alles klar bei dir? Du siehst krank aus?“
Zuerst warf sie ihm einen finstern Blick zu. Nach ein paar wackeligen Schritten merkte sie selber einen Unterschied zu früher. „Heute ist einfach nicht so mein Tag. Liegt vielleicht an dem ungewohnten Reisen. Stress“ Ihre Beine fühlten sich so schwer an als hätte sie Bleiklötze statt Schuhe an. Der zusammenpressende Druck in ihrer Lunge beruhigte sich auch nicht gerade. Ihr ganzer Körper schien gelähmt im Kampf gegen eine unsichtbare Infektion. Mit Mühe schaffte sie die wenigen Stufen. Herzlich das Empfangskomitee das gleich ihren Pass erneut prüfte. Das breite Lächeln wirkte sehr aufgesetzt nachdem sie Whisky zu Gesicht bekamen. Im innern, Safa staunte. Bisher war sie nur mit Easy-jet oder Airberlin geflogen. Das hier wirkte nicht nur, sondern war echte erste Klasse. Verstellbare Sitze mit viel Platz für die Beine. Es wirkte beinahe so wie in einem Bahnabteil, der ersten Klasse, wo man wahlweise entweder zu zweit einander Gegenüber sass oder lieber seinen Einzelplatz auswählte. Maurice de Vlamnick fand sie Zeitungslesend in einem Einzelsessel in der Mitte des Fliegers. Hier flogen noch an die zwanzig Fremde Personen mit. Safas starker Vermutung nach alle Angehörige der Spezies Eckzahn. Mit einem frechen Grinsen warf sie dem ahnungslosen Maurice die Lederleine in den Schoss. „Hier dein Whisky.“ Gespannt blickte er müde auf die Leine. Zog probeweise daran. Als der grosse Kopf um die Ecke kam, sprang er mit einem Aufschrei fast an die Decke hoch. Bestimmt hätte er es als junger Mann noch bis an die Decke geschafft. „Was ist das? Woher hast du das Riesenvieh?“ Er drückte sich geschockt an die Aussenwand. Seine Augen wirkten grösser durch die Brillengläser.
„Na dein Geschenk. Ich nenne es Therapie damit du lernst dich zu durchzusetzen. Sitz!“ Sogleich setzte sich die Dogge brav hin. Dafür gab es auch gleich belohnend ein Leckerli aus Safas Hosen. „Ist ein bisschen Präsentabler als ein keines Pony. Ein Pony ist doch ein kitschiges Mädchengeschenk. Das passt besser zu dir. Du kommst doch damit klar?“
Deutlich schluckte er leer. Wischte sich mit einem gefalteten Taschentuch den Schweiss von der Stirn. Mittlerweile wurde ihm so ziemlich bewusst dass, nach seinem ungewöhnlichen Aufschrei, ihn fast alle beobachteten. Vor allem sein unübersehbares Geschenk liess sich nicht so leicht verstecken. Er hätte es niemals zugegeben, aber in dem Moment, tauschte er gerne diese Dogge gegen jeden Paris Hilton Schosshund ein. Fast getraute er sich nicht auf seinen Sitz zurück. Besorgt fragte eine Flugbegleiterin de Vlamnick. „Wie sollen wir sie absichern so können wir nicht starten.“
Safa fragte, „Haben sie zwei Gurten für Kinder?“ Innert wenigen Sekunden überreichte man ihr das Gewünschte. Sie schlang die Gurten wie bei einem Führergestell um den Hundekörper. Am Ende befestigte sie die letzte… „Platz!“ Unter Maurice Sessel fest. Das ging nur weil die gut dressierte Dogge so schön an ihrem Platz unter dem engen Sitz, dalag. Sie genoss auch die Kühle des Bodens und legte den Kopf über die grossen Vordertatzen. Anscheinend bekam sie von ihren früheren Besitzer nur wenig Bewegung und dementsprechend Müde, genoss sie die Pause.
Danach sah Safa fragend zu Mikael hoch. Er legte ihr eine Hand auf die Schulter und lenkte sie auf ein freies Viererabteil zu. Bot ihr an. „Fensterplatz?“
Müde schüttelte sie den Kopf. „Ist mir egal. Draussen ist es eh dunkel und ich bin zu müde um wach zu bleiben.“ Nach kurzer Überlegung setzte er sich ans Fenster, in Flugrichtung. So lehnte er besser zurück. Nachdem sich Safa neben ihn setzte, anschnallte, zog er sie an seine Schulter. „Schön bist du da. Hat alles geklappt?“
Ihre Hand klopfte zufrieden an den Zettel in der Bluse. „Alles abgehakt. War echt ein Stress, weil ich dem Gesundheitszeugnis nachrennen musste. Zum Glück hab ich Reserve auf der Bank, das hat es erleichtert.“ Er lachte leise in ihr Ohr. „Ja ausreichend Geld zu haben ist sehr angenehm.“
Kurz schnupperte er sie an. Hastig kramte sie in ihrer Tasche nach einem süssen Kaugummi. Statt Mittags die Zähne zu putzen, trug sie solchen Ersatz ständig dabei. Ausserdem lenkte es davon ab an den eignen Nägeln zu kauen. „Besser?“ Bestätigend nickte er. Trotzdem war stand ihm eine gewisse Besorgnis weiterhin ins Gesicht geschrieben. Sie liess beruhigen eine Hand auf seiner Brust nieder sinken. „Das Reisen zerrt an meinen Kräften. Ich verkrieche mich gerne in meiner Wohnung und geh nur zum joggen raus. Seit ich dich kenne bin ich ständig in Bewegung.“
Unglaublich sogar bei der Air Eckzahn demonstrierte man wie man die Schwimmweste am besten anzog und die Sauerstoffmaske benutzte.
Abgelenkt hörte Mikael gar nicht hin. Schnupperte an Safas Hals. Sie wusste was er wollte. Drückte ihn verständnisvoll die Hand. Gab die Zustimmung ohne Worte. Doch sie irrte. Zärtlich küsste er ihren Hals. „Du brauchst deine Kraft. Morgen Abend sehen wir ob es dir besser geht. Ich bleib den Abend zuhause.“ Rücksichtvoll hielt er bloss seine Stirn an ihre Gepresst. Bis das Flugzeug auf die Startbahn rollte. Bequem setzte er sich zurück. „Wenn du etwas willst, bestell es einfach. Bis später.“ Müde lehnte er an die Flugzeugwand. Schloss die Augen.
Eine Weile lang beschloss sie es ihm gleich zu tun. Liess ihre Gedanken schweifen. Wenigsten kannte sie keine Angst vor dem Fliegen sondern genoss die Kraft, Geschwindigkeit der Maschinen. Es wurde nur leise geredet. Die Stimmung so zurückhalten wie sie es sonst selten unter Menschen in öffentlichen Verkehrmittel kannte. Einmal sah sie eine flüchtige Bewegung, unter anderen, die Andeute leise zu sein. Auf was nahmen sie so Rücksicht? Mit einem ewigen Lächeln huschte die Flugbegleiterin ständig auf Abruf an ihr vorbei. Safa schien es als ob sie breiter lächelte wenn der Blick auf Sirinovska viel. Allmählich fragte sie sich ob sie überspannt war oder einfach… eifersüchtig war?.
Nach kurzer Zeit wurde sie gefragt was sie zu essen wünschte. Tatsächlich lag ihr Abendessen, ein Sandwich in weiter Ferne und was sie davon hoch kotzte, wollte sie gar nicht wissen. Sie nahm nur eine Chinesische Nudelsuppe mit viel künstlichen Zutaten. Egal, Hauptsache es schmeckte. Auf reisen durfte man nicht wählerisch sein. Danach fühlte sie sich auch wohler. Schlief an Sirinovska angelehnt bald ein. Sein herber vertrauer Geruch verleitete sie zu träumen.
Unwohlsein störte ihren seichten Schlaf. Trocken fühlte sich ihr Hals an. Husten reizte sie. Ringsum war es ruhig bis auf das leise schnarchen von einem Reisegast. Ein paar lautere regelmässige Schnaufer und ganz leise vor sich hin Dösende. Hastig löste sie die Gurte und trat lautlos auf die Toilette zu. Was dann kam schockierte sie. Sie spuckte genauso schwarzen Schleim wie einst Mikael. Da es in der kleinen Toilette jedoch nur blaues gedämpftes Licht gab, hoffte sie noch auf eine Täuschung. Hielt es keinen Grund für eine Panik. Erst einen Tag abwarten, vielleicht legte sich das. Schliesslich versicherte ihr Mikael, dass sie zu keinem Vampir wurde nur weil er Blut von ihr Trank. Bedrückt liessen sich nicht alle gepflanzten Zweifel ausräumen. An ihrem Platz zurück, rüttelte sie sachte Mikael an. Sein Kopf wandte sich ihr zu. Murmelte undeutlich ein paar Worte und war schon wieder ganz weg. So friedlich sein Ausdruck wenn er schlief. Unbeschreiblich die Welle von Gefühlen, die sie überfielen, wenn sie ihn so sah. Vergeblich versuchte sie eine Stunde einzuschlafen. Legte schliesslich wieder eine Hand zu ihm rüber um nur sein gleichmässiges Atmen zu spüren. So beruhigt gelang es ihr allmählich den Schlaf zurück zu erobern. Im Halbschlaf hörte sie die leisen Schritte an ihr vorüber gehen. Ohne die Augen zu öffnen spürte sie eine eigenartige Feindseligkeit. Über diese kuriose Fähigkeit wollte sie sich später wundern.
Ebenmässig ausrollend landete der Flieger, der Firma Vampire, in den frühen Morgenstunden auf der frisch sanierten Landebahn. Weit ausserhalb der normalen Route von den Touristenstätte und Einheimischen. Diesen Landesteil erklärte man für Militärisches Sperrgebiet. Verseucht von nuklearen Waffen und atomaren Testversuchte. Genau genommen bildete der Abschnitt, wie das Land Lichtenstein, seinen eigenen Staat. Nach einer abgezäunten Grenze wo man sich die Mühe machte, alten Militärschrott auszustellen und dem Rostzerfall überlies, wagten sich nur wenige Einheimische in den unheimlichen Bezirk. Dies war das zentrale Herzstück der Sirinovskas. Abgeschirmt von dem Rummel der schwachen Menschen gab es hier eine Ruhezone wo nur Eingeweihten Zutritt erhielten. Selbst die einfachen Bauern, selber Vampire, in dem Sperrgebiet waren beschäftigt, gleichzeitig neben der Landwirtschaft, in ihrem Sektor die Fremde fernzuhalten. Ob mit Schauergeschichten, versteckten Fallgruben oder nächtlichen Lichtern, vor ihrer Fantasy waren keine Grenzen sicher. So erlaubte sich mancher auch den Spass die übersinnlichen Fähigkeiten zu demonstrieren.
Auf dem idyllischen, friedlichen Boden landete das Flugzeug pünktlich nach Flugplan, wie es sich gehörte. Gleich nach der Landung verschwand es in einer riesigen Halle. Diese diente im Winter dazu die nicht anklimatisierten Reisenden vor der Kälte zu schützen. Ansonsten vor allem um auf Sattelitenbilder keinen Hinweis, auf eine gute technisierte Zivilisation, zu liefern.
Aufgeregt freute sich Mikael riesig wieder einen Fuss auf sein geliebtes Heimatland zu setzten. Hier wo er die Schönsten Jahre seines Lebens verbrachte. Freute sich vor allem, neben seinem Bruder auch auf sein erfolgreiches Gestüt. Dann war da noch der alte Palast, der umgebaut gleichzeitig als Hotel diente. Die Zentrale von den einflussreichsten Vampiren. Hier wurden Gesetzte vorgeschlagen und abgestimmt. Oder Konferenzen mit anderen Ländern geführt. Kurzum er konnte sich nicht mehr vorstellen überhaupt je wieder solange Zeit im Ausland zu verbringen, wie die vergeudete Zeit in der Klinik. Immerhin blieb er dort vor Anschlägen verschont und von den Intrigen. Diese Auszeit liess ihn nun gestärkt in sein Amt antreten. Er wusste auch bereits wie viel er körperlich nachzuholen hatte. Um in seine Bestform zu kommen, brauchte es mindestens ein, zwei Monate. Den bösen Spott von seinem Bruder konnte er bereits vorahnen.
Erst einmal hiess es sich auch um Safa zu kümmern. Den eigenartigen Geruch, den er gestern wahrnahm, war zurück gekehrt, trotz der langen erholsamen Schlaffase. Seine innere Unruhe verstärkte sich. Er wusste aber nicht ob es die Freude über sein Heimatland war oder Sorge um Safa die ihn innerlich so aufpeitschte.
Sobald die anderen Reisegäste ihr Handgepäck aus den oberen Fächern hervorzogen, wachte Safa von alleine auf. Das Klicken der Schlösser, das quietschen, schleifen, rollten der Räder vertrieb ihren restlichen Schlaf. Es ging ihr einigermassen gut. Ein wenig Müde von dem wenigen Schlaf, ansonsten spürte sie wieder neue Kraft. Packte entschlossen ihren eigenen Koffer um hinter Whisky das Flugzeug zu verlassen. Zögerlich hielt Maurice seine neue Begleitung schön auf einer Armlänge Distanz. Misstraute der sanften Riesin. Dafür hielt sich Safa ständig in der Nähe von Mikael. Manchmal bekam sie fast den Eindruck die andern Leute mieden ihn. Anderseits konnte es durchaus Respekt sein, da sie ihm so viel Abstand gönnten. Einzig ihr geschulter Blick erkannte die unauffälligen Beobachtung unter dem er stand. Auf jeden Fall hielt man ihn bei der ersten Kontrolle noch auf. Die Inspektoren reagierten auf einmal hektisch. Danach winkte man ihn, auf wunderbare Weise, überall durch. Zurückblicken entdeckte sie nur wie die aufgescheuchten Angestellten auf einmal dringend herum telefonierten. Sie kam sich vor wie mitten in einem hektischen Ameisenhaufen, indem Alarmbereitschaft ausgelöst wurde. Mikael selber benahm sich völlig normal. Liess seinen Koffer freiwillig scannen. Als jedoch Safas Schwert erhöhte Werte anzeigte, ging er zurück um zu sehen was der piepsende Alarm bedeutete. Fand es eigentlich eher zum Spotten das Safa ihre Waffe hierher mit schleppte. Ab seinem Ausdruck. „Ist das nicht übertrieben? Du bist bei mir völlig in Sicherheit.“ „Das ist nicht meines. Das gehört meiner Schwester. Das darf nicht einmal ich selber anfassen sonst reist sie mir den Kopf ab. Darum ist mir lieber ich nehme es mit. Besser als ihr die Gelegenheit zu geben zuhause ein Blutbad anrichtet. Wäre ja nicht das erste Mal. Was wenn dein Personal es aus Versehen abstaubt. Sie versteht da keinen Spass. Sie hat es irgendwie Präpariert und ich werde mich hüten es auszupacken. “ Die Vampire besassen ausgezeichnete Gehöre. Alleine das Wort Blutbad behagte den meisten wohl kaum. Das gefährliche Objekt wurde gleich auf dem Rollband ohne weiteres durchgelassen. Allerdings war Safa auch bewusst, alles lief nur so glatt weil der Name Sirinovska diese einmalige Ausnahme erlaube. Sie kontrollierte trotzdem sorgfältig ob die Bänder straff angezogen waren und legte es wieder an ihren Rücken. Probeweise nahm Mikael das lederne Packet kurz in die Hand. „Wow“, staunte er über das Gewicht. Safa grinste zurück. „Das ist kein billiges Dekorstück. Das kostete mich zwei Monatsgehälter. Einzel Speziale Anfertigung. Lass ja deine kostbaren Finger weg.“
Mit der starken Hand auf ihren Schultern lenkte er sie Abseits von den anderen Leuten auf einen speziellen Ausgang zu. Vor einem gesicherten Ausgang, öffnete man eilig, zuvorkommend die Schlösser. Achtungsvoll hielt man ihnen die Tür weit auf. Safa wurde das langsam unheimlich. „Was bist du noch mal in deinem Klub.“ Er grinste wissend. „Ein Ratsmitglied.“ „Wie viele gibt es von denen?“ Heiter sein tiefes Lachen. Sie kam ihm zu gefährlich auf die Schliche. Anderseits war es kaum zu verbergen wie die eingeweihten Leute hier ihn als den zukünftigen König behandelten. Erst Recht als man sie in die separate Halle der Edelkarosserien führte. Jemand in Uniform rannte ihnen entgegen. Beugte kurz sein Haupt. „Welche darf sein?“
Sieben glänzende teure Prachtstücke standen da. Von der Stretchlimousine bis zum robusten Hummer. Sirinovska beugte sich zu Safa. „Welches gefällt dir?“ Rasch sah sich Safa um schüttelte den Kopf. „ Ist kein schöner schwarzer Porsche dabei mit dem breiten Arsch!“ „Ja aber das neue schlanke Modell?“
Ablehnend schüttelte sie den Kopf. „Das ist wie ein Magermodel. Haut und Knochen. Habt ihr auch normale Taxis?“ Amüsiert lachte er sie aus. „Ich sehe schon, ich muss selber eine Wahl treffen. Mhm. Zu auffällig…“ An der Limousine spazierte er rasch vorbei da Safa Gesicht Bände sprach- da bringst du mich nicht rein. Sie half nach. „Welches ist das älteste Modell?“
Zielsicher deutete er auf einen soliden Landrover in schlichtem dunkelgrün. „Panzerglas, robust, zuverlässig und unauffällig für ein…Ausflug übers Land.“
Mit einem zufriedenen Seitenblick gab sie ihm zu versehen, wie gut ihr diese Ausführung gefiel. „Was wolltest du zuerst sagen?“ Aufgebend stiess er die Luft aus. „Vor dir ist es schwer etwas zu verbergen. Flucht! Für eine Flucht durchs Naturschutz Gebiet. Darum auch der sichtbare hässliche Aufkleber vorn auf der Motorhaube und hinten.“ Fügte ganz leise hinzu. „Fälschung.“
Sie betrachtete die hellgrüne Aufschrift genauer. Dummerweise auf Russisch verstand sie kein Wort. Da er ihren Gedanken verfolgte übersetzte er laut. „Tierschutz. Aufsichtsbehörde.“ Mit so einem Gefährt aufzutreten fand sie dann doch zu peinlich. Schliesslich gehörte zu Sirinovskas Erscheinung etwas das seinen Auftritt unterstrich. Deutete auf den kürzeren grünen Jeep daneben. Erfreut stimmte er zu. „Sportlich, für die richtigen Ausflüge übers Land. Nehmen wir den! Darin erkennt man uns nicht. Erst wenn wir aussteigen. So was fahren viele hier, da die Strassen teilweise vernachlässigt sind.“ Er hielt ihr die Türe auf und stieg selber zu ihr hinten rein. Fragend sah Safa auf den Fahrersitz nach vorne. Entschieden wehrte sich Mikael. „He, ich bin vierzig Jahre nicht gefahren. Willst du selber?“ Bot er ihr an. Auf einmal war da ein älterer Chauffeur. Deutlich an seiner grauen schlichten Uniform erkennbar. Sprach eine paar Worte auf Russisch und Sirinovska bestätigte eindeutig. Sofort brummte der Motor los. Rückblicken, beim Verlassen der Halle, fiel Safa auf. „Was ist eigentlich mit deinem Kollegen de Vlamnick passiert?“
Mikael wirkte auf einmal leicht gereizt. „Vermisst du ihn?“
Beschwichtigend legte sie ihre Hand über seine. „Es ist so ungewohnt, wir alleine. Fast alleine.“ Da gab es noch den Fahrer.
Erleichtert legte er ihr den Arm über die Schultern. Zog sie näher. Warnte, „Sobald wir das Hotel erreichen wird es schwierig für uns ein paar Minuten allein zu sein. Es sei denn wir bleiben auf den Zimmern. Wir haben da einen ganzen Flügel für uns. Es sei denn mein Bruder ist da. Allerdings haben wir separate Zimmer. Nur den grossen Saal teilen wir uns gemeinsam. Hoffentlich haben sie das so belassen…“ verwundert schaute er über die Natur belassenen Felder. Zwischendurch gab es bepflanzte Ackerfelder wo Weizen in die Höhe schoss. Oder Kartoffelstauden in lange Reihen standen. Darauf folgten wieder ganze Feuchtgebiete oder hohes Gras wucherte ungehindert über hügelige Abschnitte die höchsten ein Traktor riskierte zu befahren. Manchmal standen da auch mannshohe Steine im Gras wie Monumente. Irgendwo in so einem überlassenen Gebiet entdeckte Safa in dem grünengelben Gras, eine kleine Pferdegruppe die wachsam zu ihnen rüber starrte. Sie wunderte sich nirgends Zäune zu erblicken. Sogar Mikael zog seine Stirn in Falten. Fragte den eingesessenen Chauffeur um Rat. Die Antwort gefiel ihm gar nicht. „Anscheinend haben sie nach einem Brand in den Ställen die Pferde sich selber überlassen. Dimitros hat eben andere Interessen als sich um Tiere zu kümmern. Dieser Dummkopf“.
Safa liess ihre Hand über seinen langen Oberschenkel wandern. „Du bist ja wieder da. Brauchst sie nur einzufangen. Wenn ich reiten lerne hab ich was zu tun in der Freizeit“, gab sie einen tröstenden Wink. Seine zusammen gepressten Lippen entspannten sich. Mutiger streichelte sie die warme Innenseite der Schenkel. Deutlich hörte sie ihn schneller atmen. Genoss es ihn so verspielt zu verwöhnen. Entschlossen fing er ihre freche Hand ab. Hielt sie an seine Lippen. Küsste sie kurz. Ernst sah er Safa tief in die Augen. Dabei erkannte sie, wie ihm das folgende schwer tat zu verlangen. „Solange du mir das Blutritual verweigerst, bitte ich dich, in der Öffentlichkeit, immer mindestens einen Schritt Abstand zu halten. Kein vertrautes Händchenhalten. Keine noch so liebevolle Geste. Mir wäre es wirklich wohler du würdest von meinem Blut, ein klein bisschen, trinken. Du stehst unter meinem Schutz und das soll allen möglichst schnell klar werden. Sobald wir allein im Zimmer sind…“, versprach er ihr. „Kannst du mir anstellen was du willst. Was die verwilderten Pferde angeht, musst du zuerst unser Land kennen lernen. Vor allem seine begehbaren Grenzen. Es gibt spezielle Gebiete die selbst unsere erfahrenen Leute meiden. Zu gefährlich.
Ich probiere am Morgen früh, oder jeden Vormittag, Zeit für uns Beide zu finden. Dann kann ich dir jeweils ein paar Bruchstücke, über unser abgesondertes Leben, beibringen. Die meisten wichtigen Geschäfte wickeln wir spät am Abend ab. Das wäre grob gesagt…“ Bedauerd sah er das grosse dreistöckige Hotel auf sich zukommen. Bevor der Rummel startet, blickte er mit saften Augen Safa an. Langsam beugte er sich zu ihr und legte seine Lippen auf die ihren um seinen süssen Besitz zu geniessen. Viel zu schnell kam das prächtige Hotel näher. Als der Wagen anhielt, lösten sie sich schwer atmend. Er wirkte fast verzweifelt. „Bitte, nach dem Frühstück, sobald wir unsere Zimmer erreichen, nimm selbst wenn es nur ein paar Topfen sind, Blut von mir.“ Sie kannte die Antwort bereits. Bei so einem gefühlvollen Anblick der ihr selbst im inneren Weh tat, wie konnte sie ihm da so eine Bitte abschlagen. Wie gewohnt zögerte sie es hinaus. „ich denke darüber nach.“
Seine Hand, bereits am Türschloss, stoppte mitten in der Bewegung. Gut gemeint öffnete der Chauffeur seine Seite. Sirinovska packte den Griff und schlug nochmals zu. Drehte sich unnachgiebig Safa zu. Seine Augen hielte sie gefangen. „Entscheide dich bitte jetzt, sofort!“ Selten sah sie ihn je so entschlossen. Sie konnte es wohl kaum länger hinaus schieben. Schmeichelnd seine Stimme sanft an ihrem Ohr. Sein wohl bekanntes „Bitte“ Mit einem gespielt, genervten Aufschrei stiess sie ihn weg. „Schon gut. Ja, ich mach es.“ Ein Wimperschlag und er wartete schon draussen. Grinsend über seinen Triumph. Sie hasste ihre Schwäche. Dennoch entdeckte sie auch einen gewissen Vorteil, wenn sie danach einen Tag nach seinem Parfum stank. Diesen Effekt hatte sie nicht vergessen.
Warmer Sommerwind streifte ihre Haare aus dem Gesicht. Was sie hier sah mit dem mächtigen Bäumen an den Seiten liess sie klein wirken. Von wegen ein Hotel. Zwar bescheidene drei Stock hoch, dafür zwölf Fenster in der Länge. Sechst Balkone, aus verschnörkelten schwarzen Gusseisen. Hübsch die halbrunde Einfahrt welche vor einer schlichten vier Stufen Treppe endete. Ein kleines Vordach schützte die Ankommenden. Ein mächtiges Gebäude das seltsam schlicht wirkte. Schon bei den wenigen Schritten bis zur Treppe fühlte sich Safa erneut schlecht. Obwohl saubere Landluft ihren Lungen wohl tat, streikte ihre Gesundheit ungebrochen. Wie angeraten hielt sie einen Schritt Abstand als sie Mikael im Schatten folgte. Erneut kratzte sie ein Husten im Hals. Unterdrückte den Impuls mit aller Kraft. Nach dem breiten Eingang aus Glas öffnete sich vor ihr eine grosse Eingangshalle. Es wirkte alles wie im alten Stil. Nur statt dunkler Tapete gab es hier eine Weisse mit schwarz und goldigen Verzierungen. Was sofort auffiel, der neue glänzende Parkettboden und der hohe Kronleuchter mit den unzähligen Glastropfen welche durch das Licht von oben wie tausende von Swarovskisteinen leuchteten. Für einen Moment vergass sie ihre Übelkeit. Wie selbstverständlich steuerte Mikael die seitliche Treppe neben dem kleinen Lift an. Ein dunkelroter Treppenteppich dämpfte die Schritte. Genügend Licht fiel von den grosszügigen Fenstern hinein. Im ersten Stock sammelten sich bereits einige Leute die anscheinend auf Sirinovska warteten. Freiwillig bevorzugte Safa eine sichere Distanz. Zu viele Menschen waren ihr unheimlich. Ihr Husten verstärkte sich wieder. Dennoch beobachtete sie mit Interesse wie Souverän Mikael mit seinen Artgenossen umging die alle zumindest einmal die Hand schütteln wollten. Worte wurden gewechselt die sie nicht verstand. Für jeden nahm er sich ein paar Sekunden Zeit. Kaum hörte er im Hintergrund Safa erneut husten, winkte er einen der Hoteljungen heran. Nach dem er was zuflüsterte eilte dieser sofort an Safas Seite. Er nahm ihren Koffer ab und winkte ihm zu folgen. Sie verliess gerne die beschäftigten Leute. Da der kleine zügig Voraus ging, versuchte sie dementsprechend Schritt zu halten. Der Magen stiess wieder übel auf. Aus freien Stücken rannte sie förmlich dem Jungen nach. Als er ihre Hand am Mund bemerkte und ihren gequälten Blick, lieferten sie sich gegenseitig fast ein Wettrennen die Treppe hoch. Oben eilte er in den linken angewinkelten Seitenflügel vom Haus. Hastig suchte er die Schlüssel aus der Hose als er vor der grossen Eichentüre stand. Safa hielt den Kopf hoch um möglichst ihren Mageninhalt unten zu halten. Er riss förmlich die schweren Türen auf. Ein heller Raum, der leicht muffig roch begrüsste sie. Er zupfte sie drängend am Ärmel in einen Seitenraum. Lavabo , WC und Toilette ein Bad. Es reichte ihr nicht mal auf die Toilette als sie schon ins nähere Lavabo kotzte. Erst als sie wieder Luft bekam trat sie einen Schritt auf die Toilette und würgte weiter das schwarze schmierige Zeug hoch. Bedauernd blieb der Junge in seiner schlichten grauen Uniform eine Weile stehen. Da erinnerte sich Safa, dass man nach der Türe höflich Weise, ein Trinkgeld überreichte. Mit einer sauberen Hand suchte sie die Hosentaschen ab, fand aber nicht mal ihre grosse Note in der Eile. Lächelte verzeihend in die Richtung des geduldigen ausharrenden. Der winkte ab und eile davon. Ihr schrecklicher Anblick vertrieb jeden aus der Nähe. Erschöpft stützte sie sich am Lavabo ab. Versuchte mit Toilettenpapier die grässliche Spritzer wegzuwischen. Hielt den Atem an den es Stank erbärmlich. Was da aus ihr raus kam. Sie wollte es gar nicht genau wissen. Spülte erst einmal alles runter bevor ihre nächste üble Welle aufstiess. Von wegen das die Wandlung in einen Vampir cool ist. Sie wünschte sich beinahe lieber Tod zu sein als so eine unbeschreibliche Drecksbrühe zu kotzen. Auf einmal überfiel sie auch noch Angst. Sie ahnte ja überhaupt nicht was da für neue Änderungen auf die zukam. Niemand hatte sie darauf vorbereitet. Zittrig lehnte sie an den hölzernen weissen Türrahmen des Waschraumes. Raus in die kleine Stube getraute sie sich nicht mehr. Alles so hübsch fremdländisch als stamme es von einem alten Adel. Von dem Sofa im alten Stiel dessen Holzrahmen verschnörkelt war. Von den hochbeinigen Stühlen. Ein dunkler Teppich mit arabischem Muster. Der dunkle Tisch mit dem glänzenden Lack auf dem eine gehäkelte Decke, eine bemalte Keramikvase und ein frischer bunter Blumenstrauss dekorierte. Ihre Augen wanderten zu den langen, dicken Vorhängen in einem Natur belassenen Leinen Farbton. Es wirkte Alt und zugleich luxuriös. Alles deutete auf einen gehobenen Lebensstiel hin. Bevor sie das Gemälde an der Wand genauer betrachtete, öffnete sich die Haupttüre und ein besorgter Mikael stürme herein. „Stimmt es das was der Page berichtete?“
Erschöpfung sah sie in seine Richtung. „Was hat er den gesagt?“ Sirinovska wirkt leicht durcheinander als er zuerst ausweichend, dann direkt auf sie zustürmte. „Er meinte deine Verwandlung sei verzögert. Das kann aber nicht sein!“
Träge lächelte Safa matt. „Du hast auch gesagt , es sei unmöglich zu einem Vampir zu werden, wenn du mir an den Hals gehst.“
„Das ist auch unmöglich!“
„Warum kotze ich dann genau das schwarze Zeug wie du damals in meiner Wohnung.“
Aufgebracht musterte er sie. Drehte ihr Gesicht zum Licht entgegen. Ein Finger hob ihre Lippen hoch, musterte das entzündete Zahnfleisch ihrer Eckzähne.
Wirkte verzweifelt schon zum zweiten Mal an diesem Tag. „Das darf einfach nicht sein. Ich wollte nie so früh… Hast du jemals in meiner Abwesenheit geblutet?“ Sie schüttelte den Kopf.
„Verletzt? Eine offene Wunde… das ist so unmöglich.“
Dann erinnerte sich Safa an den Bienenstich. „Gestern am Morgen. Eine Biene hat mich gestochen. Maurice war dabei?“
„Wo?“ Knapp und aufgeregt.
Sie streckte eine Hand aus um auf ihrer Schultern Rückseite zu suchen. Fand aber die Stelle nicht. Unter ihren Fingerkuppen spürte sie nur gesunde Haut.
„Wo?“ Wirkte er ungeduldig.
„Irgendwo da hinten. Maurice hat mir den Stachel raus gezogen. Das hat vielleicht wehgetan. Ausserdem erwähnte er es sei entzündet.“
Seine Finger tasteten selber über die Haut. „Da ist überhaupt nichts? Bist du sicher?“ Dank seiner scharfen Augen bemerkte aber die minimale Veränderung der Sommersprossen. Rau seine düstere Stimme. „Verdammter Vlamnick! Was hat er sich dabei gedacht, ohne mich vorher um Erlaubnis zu fragen, eine Verwandlung einzuleiten. Dieser Mistkerl.“
Auf einmal war es Safa, als ob eine unsichtbare Macht, sie zurück an die Wand presste. Erkannte sofort von wem das Ausging. Mikael Augen wirkten fast schwarz. Wütend wandte er sich zum Ausgang. „Ich dreh ihm…“
In dem Moment hustete Safa los. Rannte selber zur Toilette um wieder den eigentlich leeren Magen erneut umzudrehen. Nachdem sie wieder Luft fand bemerkte sie Sirinovskas stützend Hand auf ihrer Schulter. „Wann hat das begonnen?“
„Gestern Abend“ „Das dauert viel zu lange. Nach einer Nacht sollte der erste Prozess vorüber sein. Der Junge hatte Recht. Wieso…?“ Freudlos lachte er wissen. „Klar, der alte Maurice. Das wirkt bei ihm nicht mehr so schnell. Darum hat er sich auch heute Morgen so schnell verdrückt. Er ahnte bereits was da auf ihn zukommt.“ Mikael liess sich neben Safa auf dem Boden nieder. Tätschelte ihre Hand aufmunternd. Drückte sie fest an sich. Raufte sich mit der anderen in den Haaren. Auf einmal sah er ernst und traurig zugleich an. „Safa. Was ich dir jetzt sagen werde muss unter uns bleiben. Mit uns meine ich Vampire. Du wirst zu einem unserer Art und niemand kann das stoppen. Du musst damit klarkommen. Erste Regel, du sprichst mit keinem Mensch darüber, dass du ein Vampir bist. Zweitens, niemals, wenn du verletzt bist und blutest gehst du jemand anderem helfen. Ganz wichtig. Unser Blut ist wie ein gefährlicher Virus. Wenn du damit einen anderen Menschen, seine offene Wunde berührst, wird er auch zu einem Vampir. Du darfst keinem verletzten, blutenden Menschen helfen wenn du selber offenen Wunden hast. Es sei denn du willst auf ewig die Verantwortung für ihn übernehmen. Einige von uns sind schon bei Autounfällen so verletzt worden. In seltenen Ausnahmen haben sie die Kinder gerettet, beziehungsweise adoptiert.
Du musst ab sofort nach unseren Regeln leben. Falls du absichtlich dagegen handelst… Tu mir das bitte einfach nicht an. Du wirst sonst sterben. Ab Morgen werde ich dir jeden Tag etwas Neues beibringen.“ Safa fühlte sich so mies. Hielt sich fest an Mikael der sie genauso drückte als sei sie der letzte Anker in seinem Leben. Nach einer Weile meinte er rücksichtsvoll. „Wir sollten ins Wohnzimmer. Da ist es wärmer und heller. Ich muss das, was Vlamnick angefangen hat, richtig zu Ende bringen sonst leidest du unnötig lange.“
Ihr war kaum bewusst was er damit meinte. Willenlos lies sie sich im Wohnzimmer aufs Sofa setzten. Eilig suchte er im Nebenzimmer nach einem Gegenstand. Dabei klapperten die Schrankkästen in der Eile lauter als gewollt. Bei ihr setzte er sich neben sie auf Sofa. Liebevoll strich er ihr über einen Arm, drehte dann die Innenseite nach oben. Sachte sträubte sie sich. „Was hast du vor?“
Er taste über ihre feine Haut: „Dafür wird mir Vlamnick noch bitter bezahlen. Ich kann diesen Virus nicht aufhalten aber beschleunigen, damit du, in den nächsten Tagen, weniger leidest. Bis du wirklich körperlich eine von uns wirst, dauert das schon bis einen ganzen Monat. Danach bis du alle Fähigkeiten richtig beherrscht, kann sich das bis zu Jahren ausdehnen. Nur in den nächsten Tagen wird dein neuer Mechanismus die alten Sachen abstossen. Deine Organe werden alle gesäubert. Bei mir dauert das nur eine Nacht, weil ich eben schon ein geborener Vampir bin. Da reichte vollkommen eine Blutauffrischung und die neue Energie war da. Dein Körper wird nach und nach erst alles zum Besseren aufbauen. Das schwarze Zeug, dass wir bei der Verwandlung kotzen sind Giftstoffe die wir über Jahre angesammelt haben. Schlechte Luft, Abgase, chemisches Bestandteile die du in jedem Essen oder Trinken findest. Darum werden wir auch so alt. Wir stossen all das schlechte Zeug ab und lassen kein Krebsgeschwür in uns wuchern. Der Vortrag vorhin gehörte eigentlich zum Ritual. Ich wollte das erst später mit dir durchführen. Es ist ein bedeutsamer Unterschied ob du nur ein paar Tropfen von mir trinkst oder ich mein Blut mit deinem mische. Ich wollte dich das Entscheiden lassen. Es hätte nie ein Zwang sein sollen. Jetzt hast du definitiv keine Wahl mehr. Keine Sorgen, es dauert nur wenige Sekunden.“
Vorsicht hielt er ihren Arm hoch. Weit hinter dem Handgelenk stiess er ganz vorsichtig seine Zähne unter ihre Haut. Es tat nur weh, weil sie dabei zusah. Er beschwichtigte. „Ist zur Betäubung, dann tut weniger weh. Mach besser die Augen zu.“
Vertrauensvoll lehnte sie an ihn. Folgte seinem Rat. Als sie merkte wie ein scharfer, kühler Gegenstand ihre Haut aufschlitzte, blinzelte sie nur überrascht auf, da der Schmerz wirklich ausblieb. Dummerweise reagierte ihr Unterbewusstsein auf das kurze Bild, mit Panik. Sie füllte eine wuchtige Welle purer Angst hoch schwappen. Riss die Augen auf. Erinnerte sich an früher als sie das viele Blut und die aufgeschlitzten Körperteile sah. Sirinovska hielt zudem ein scharfes Messer in den Händen. Angst purer Schreck lähmte ihren Verstand. Sie wollte weg, schreien. Ihrer eigenen Schwester hatte sie auch blind vertraut und sie wurde zu einem Monster das gnadenlos verstümmelte. Jetzt sass Mikael, ein mysteriöses Wesen den sie kaum kannte da und hielt genauso ein blutverschmiertes Messer in der Hand. An ihrem Arm schimmerte Blut aus der offenen Wunde. Seine besänftigenden Worte drangen gar nicht mehr zu ihr durch. Sie bekam einfach keine Luft mehr.
Safa merkte gar nicht wie sie flach auf den Boden gelegt wurde. Erst als kaltes Wasser in ihr Gesicht spritze, war sie fähig normal zu atmen. Setzte sich auf und drückte sich in die Ecke des Sofas als könnte sie sich in den Ritzen verkriechen. Hemmungslos zitterte sie. Hörte neben sich jemand fluchen. Er liess sich neben ihr nieder und riss förmlich ihren Arm zu sich rüber. Presste seine eigene blutende Wunde darüber.
Erneut versuchte er sie zu beruhigen. „Entspanne dich endlich. Sonst funktioniert das nicht. Atme langsamer. Und keine Angst sonst wird das schlimmer. Du blockierst sämtliche Energieflüsse…“
Hemmungslos heulte sie fünf Minuten, ohne Absicht, vor sich hin. Unfähig es zu kontrollieren. Ständig fielen ihr wieder so viele grässliche Einzelheiten ein, die sie bis dahin einfach verdrängte. Die abgeschnitten Finger, die herausgebrochenen Rippen. Nie hätte sie ihrer Schwester so eine unmenschliche Brutalität zugetraut. Vor allem der Geruch des Blutet war wieder da. Nur schwach doch ihre Nase schmeckte auf einmal alles Intensiver. Sie sah sich wieder in der Küche, und die voll gespritzten Wände. Das herausgerissene Fleisch schlimmer als in einem Schlachthof. Dickes dunkles Blut unter ihren Hausschuhen. Plötzlich spürte sie eine fremde Präsens die sonst nie da war. Etwas veränderte sich an der verankerten Erinnerung. Es kam nicht von Katalina. Wie ein unsichtbarer Schatten näherte sich was von hinten. Tastete nach ihrer Hand um sie zurück zu ziehen. Als das kaum fruchtete, schien eine andere Hand sich auf ihren Bauch zu legen. Warte bis sie die Berührung vertrauensvoll annahm und zog sie rückwärts, weg von dem unmenschlichen Horror den kein Kind je sehen sollte.
Es dauerte mehrere Minuten, bis Safa realisierte die Hand um ihren Bauch war echt. Mikael hielt sie umfangen. Ihre Arme hingen frei an ihrer Seite. Hastig sah sie nach, was mir ihrer Wunde sei, fand aber nur einen geschlossenen Strich auf ihrer Haut. Von selber heilte er enorm schnell. Erlöst lies sie sich zurückfallen. In alter Manier schnupperte Sirinovska an ihrem Hals. Wieder lehnte er ihre Zustimmung dankend ab. Seufzte. „Frühestens in einer Woche, wenn du bei Kräften bist. Bis dahin geniesse ich nur deinen verführerischen Duft. Wenigsten hat Vlamnik seine Duftnote nicht bei dir hinterlassen. Und das mit den unschönen, brutalen Bildern, erklärst du mir auch später. Also ich hoffe du erzählst es mir?
Schockiert sah sie zu ihm hoch. „Du hast es gesehen?“
„Ja. Ich musste dich beruhigen, sonst hätte dein Körper mein… er hätte es nicht angenommen, da du bereits eine starke Verteidigung aufgebaut hat. Ich musste erst deine Barriere lösen.“ Er vermied es auf jede Weise das Wort Blut zu benutzten um sie nicht weiter zu erschrecken.
Sie genoss seine vertraute Wärme im Rücken. Murmelte schläfrig. „Ich möchte einfach nur so liegen bleiben.“ Beruhigend strich seine Hand liebevoll durch ihr seidiges Haar. „Habe nichts dagegen wenn wir unseren Platz sogar auf das weiche Bett verschieben.“ Er half ihr beim aufstehen. Hob ihr leichtes Gewicht in seine Arme. Ohne die Decke zurück zu schlagen legte er sie auf das breite Himmelbett nieder. Safa staunte als sie das herrschaftliche Antike Einzelstück betrachtete. Die Holzdecke war mit handgemalten Bildern ausgeschmückt. Er deutete auf die Seite. Es gab noch ein altmodisches Kabeltelefon. Jedoch eines das bis zu zehn Nummern speicherte und einen Anrufbeantworter enthielt. Eine Weile telefonierte er auf Russisch umher. Nach dem fünften abgeschlossenen Gespräch versicherte er ihr „So alle Termine auf Abend verschoben. Nach dem Nachmittag wird sich dein Körper beruhigen und du wirst mir ein paar Teller Suppen auslöffeln. Bis dahin… ich hab viel Wasser bestellt. Das erleichtert dir das brechen.“
Seine Voraussagung traf ein.
Gegen den Abend kräftigte sich ihr Zustand. Mit einem ruhigen Gewissens stürzte er sich auf die anstehende Arbeit zurück. Unbemerkt kehrte er in den frühen Morgenstunden zu ihr ins Bett zurück. Erst als er leise, vor Erschöpfung, vor sich hin schnarchte, erfasste Safa seine Anwesenheit. Da die Sonne bereits den Horizont draussen hell färbte, stand sie auf. Zog die Vorhänge zu damit ihm mehr Zeit zum erholen blieb. Wie immer wenn er schlief, fand sie ihn so süss. Da ihr Schlaf endgültig verflog, schmiegte sie sich an ihn und liebte es ihm über, durch die langen Haare zu streichen. Überhaupt genoss sie es ihn so zu beobachten. Hier und da… sie schmalen Hüften, der flache Bauch… sie bewunderte seinen perfekten Körper. Eine tiefe Sehnsucht die sie einfach zu ihm hinzog wie eine alte Prophezeiung die sich erfüllt. Sichtlich genoss er ihre wandernden Finger. Dränge sich näher an ihre Wärme. Hauchte leise in die Stille. „Mach weiter!“ Sie kam erfreut seiner Aufforderung nach, erfüllte seinen erotischen Wunsch.
Es startete ein perfekter Morgen.
Die alte Uhr lies einen weichen tiefen Gong zehn mal leise, aus ihrem Holzkaste ertönen. So spät war es als Mikael das Frühstück bestellte. Erst jetzt erfasste Safa die ganze Schönheit des alten Raumes, den man vornehm und mit hochwertigen Materialien Renovierte. Vom Marmor um den Kamin, die robusten Leinenvorhänge, sowie die feinen fast durchsichtigen Vorhänge für den Tag, mit den… sie entdeckte eingestickte Bärenmuster. Eine absolute Sonderanfertigung. Bären schienen hier eine bevorzugte Vorlage. Ob für das Gitter vor dem offenen Kamin oder sonst aufgemalt auf dem Porzellan. In kleinen Holzrahmen entdeckte sie sogar vergilbte Fotos von Mikael als Kind. Solche mit seinem Bruder zusammen oder ein ganz schönes wo er ohne Sattel auf einem schlanken Pferd sass. Der ganze Raum sprach davon wie er hier aufwuchs. Kleine geschnitzte Tierfiguren aus Holz, mit denen er einst spielte, standen liebevoll aufgereiht auf dem Kaminsims. Selbst der Geruch kam ihr Vertraut vor, wenn auch die unbenützten Räume jahrelang geschlossen blieben. Nur der polierte Parkettboden strömte einen künstlichen Zitronenduft aus, da man ihn in den letzten Tagen mehrmals aufgefrischte. Das alte ausgetreten Holz glänzte in dunklen Farbtönen. Gelegentlich ein paar böse tiefe Schnitzer drin. Ohne Zweifel spielt sie hier als kleine Jungs. Obwohl Safa zum ersten Mal in diesen Boden betrat fühlte sie sich so wohl wie zuhause.
Das Frühstück kam praktisch per Aufzug zu ihnen hoch. Zugegeben dieser ganze ungewohnte Luxus war für Safa etwas unangenehm. Sie hoffte darauf sich bald richtig einzuleben. Eine Aufgabe die sie richtig ausfülle, fand sie sicher sobald sie sich in dem alten Herrenhaus besesr auskannte. Im Gegensatz zu andern Personen die sich Reichtum wünschten, wusste sie genau, ohne sinnvolles Hobby konnte man das viele Geld nicht geniessen. Ausserdem wollte sie kein schlechtes Gewissen bekommen, hier nur ganz abhängig von Mikael zu sein. Eine kleine Beschäftigung steigert ihr Hochgefühl. Einfach nur untätig an der Sonne liegen war nie ihre Absicht oder Lebensziel gewesen. Daher kam auch ihr Wunsch nach dem Frühstück. „Darf ich spazieren gehen, wenn ich brav auf den Strassen bleibe.“ „Sicher, ich kann dir vor allem den Garten empfehlen. Er beginnt mit der Obstplantage gleich hinter dem Haus und reicht zu einem Kilometer weit hinaus. Ach ja, kannst du nachsehen ob die Bienenkästen alle geöffnet und bewohnt sind? Das sieht man schon aus zehn Meter Entfernung. Es sollten an die zwanzig Kolonien verteilt sein.“ Diese Tätigkeit übernahm sie gerne. Daher zog sie kurz den schlichten grauen Traineranzug an. Kurzärmelig wegen der Sonne. Da gelegentlich kleine Wölkchen angenehme Kühlung verschafften, verzichtete sie auf Sonnencreme aber nicht auf den Sonnenhut. Die hellbraune sportliche Kappe trug sie eigentlich bei jedem Wetter. Ab in den Turnschuhen eilte sie hinter Mikael her, der ein weisses Hemd mit Krawatte, schwarze Hosen mit Bügelfalten und polierte schwarze Schuhe trug als ginge er in ein Büro. Bevor sie unten die Empfangshalle erreichten vernahmen sie die vielen Stimmen von einer grossen Masse. Mikael brummte. „Scheint viel los zu sein. Vermutlich siehst du mich erst zum Abendessen wieder. Ich versuchte später oben eine Pause einzulegen. Ansonst, wenn du Hunger verspürst gehe ungeniert in die Küche.“ Riet er ihr bevor er sich den Bittstellern stellte. An die fünfzig Leute verschiedenster Klasse versammelten sich in der, auf einmal zu engen, Halle. Manche von den Leuten hielten eine Tasche oder sogar schon fertige Pläne in der Hand um sie nur noch abzusegnen. Sobald Sirinovska die letzten Stufen erreichte wurde es merklich stiller in dem Raum. Daher fiel der tiefe Belllaut von Whisky sofort auf. In gleichen Moment spürte Safa Mikaels verfinsternde Stimmung. „Vlamnick“ Ausgesprochen wie ein Fluch. Sofort reagierte Safa. Stellte sich trotz seiner bösen Ausstrahlung an seine Seite. „Warte“, zischte sie leise und rief danach laut. „Whisky!“ Klar und Auffordernd. Der gute Maurice hielt die Leine fest um sein Handgelenk geschlungen. Dies war Safas scharfen Augen nicht entgangen. Bevor hier die einstigen Freunde einen erbitterten Kampf anzettelten hielt sie es für klüger das auf ihre Weise zu lösen. Whisky jedenfalls vernahm ihren Ruf und startete erfreut. Das hiess sie setzte ihre über sechzig Kilo, mit Anlauf, in Bewegung. Erst recht als sie die erfreute Reaktion sah, wir Safa in die Hände klatschte und übers Gesicht strahlte. Vlamnick wusste gar nicht wie ihm geschah. Es riss ihn abrupt von den Beinen. Der Schock als er auf den Boden krachte, bremste seine Reaktion und so schleifte es ihn fast zwanzig Meter durch die erstarrte Menge, die hastig zur Seite auswich als sie das Hundemonster heran galoppieren sahen.
Zufrieden flüsterte Safa zu Mikael. „War das Strafe genug?“
Bitterböse funkelten seine dunklen Augen. Jedoch war es ihm unmöglich das selbstgefällige Lächeln zu verbergen.
Safa indessen lobte Whisky die ihre Arbeit hervorragend leistete. Dann beugte sie sich zu dem Ramponierten Vlamnick der hastig auf die Beine kam und sich die Kleider zurecht zog. „Ach lieber Maurice. Tut mir furchtbar leid. Ich habe mich so gefreut Whisky wieder zusehen. Bist du verletzt?“
Unversöhnlich blickte er beherrscht hoch. Seine unterdrückte Wut über den peinlichen Auftritt war ihm anzusehen. Brachte durch seine zusammen gepressten Zähne ein. „Nur mein Stolz.“ Dabei zwang er sich noch zu einem Lächeln. „Wenn sie dir so gut gefällt dann gebe ich sie dir gerne zurück!“ Hielt ihr schon die Leine entgegen. Nachdenklich sah Safa von ihrer erhöhten Treppenstufe auf ihn herunter. Wandte sich mit einem unschuldigen, naiven Blick zu Sirinovska. „Ich dachte Geschenke gibt man nicht zurück?“
„Ja“, freute es Mikael seinen alten Freund jetzt leiden zu sehen. Gedehnt stimmt er ihr zu. „Geschenke gibt man üblicher Weise nicht zurück. Es wäre äussert unhöflich.“ Vlamnick zuckte wie unter einem erhaltenen Schlag zusammen. Zerknirscht wollte er seine Hand zurückziehen, da riss ihm Safa die Leine aus den Händen. „Ich behalt sie lieber. Bei mir ist sie besser aufgehoben.“ Winkte Mikael übermütig zum Abschied. „Ich bin weg. Wie versprochen.“
Zufrieden sah ihr ein innerlich besänftigter Sirinovska nach. Richtete sein Augenmerk dennoch mit deutlicher Abneigung auf Vlamnick. Drohte jedoch nur Gedanklich mit einem späteren Gespräch. Gerade wollte er sich seinen Leuten widmen hörte er noch die überlauten Worte im Hintergrund.
„So Whisky. Wie oft hast du Vlamnick ans Bein gepinkelt? Erzähl mal?“
Seine Freude kehrte ganz zurück und er hoffte viele seiner Anwesenden mögen Safas einfaches Englisch verstehen.
Im Gegensatz zu Europa war dieser Abschnitt so vom Norden beeinflusst, dass hier selbst im Sommer, das Thermometer niemals über 30 Grad stieg. Schon zwanzig reichten Safa an diesem Morgen um den Tag zu geniessen.
Mit dem grossen Hund bevorzugte sie den bescheidenen Lieferanten Ein- Ausgang. Ohne weiteres Aufsehen liess man sie durch, stellte ihr gar keine Fragen. Draussen suchte sie das Gartentor für den hintern Garten. Da sie keines fand, sprang sie kurzerhand über die ein Meter hohe Mauer aus Steinen. Whisky mit ihren Massen zögerte, also löste sie die störende Leine. Mit Schwung donnerte die treue Dogge hinter ihr her. Das Gras reichte ihr kaum bis zu den Knien. Die roten Mohnblumen verrieten ihr dass hier nie künstlich gedüngt wurde. Hier wuchs ungehindert frei Natur. Daher entdeckte sie auch bald ein paar weisse Schmetterlinge. Sobald Whisky einen sah, jagte sie verspielt, übermütig hinter ihnen her. Vergebens. Safa selber begann vorsichtig mit ihrem Training. Früher genoss sie das Spiel mit der Geschwindigkeit, nur stiess sie mit ihrem Asthma rasch an ihre Grenzen. Daher spielte sie seit der Schule, im Turnunterricht, höchstens in der mittleren Klasse mit.
Nach zehn Minuten Aufwärmzeit startete sie schneller. Streckte ihre Beine. Spürte den Unterschied zu früher. Mühelos pumpten ihre Lungen den Sauerstoff. Wo sie sonst nach einer halben Minute die Luft verliess, merkte sie kein Hindernis ausser fehlende Kraft in den schwachen Muskeln. Fröhlich lachte sie befreit los. Es war so schön frei über die Wiesen zu jagen. Whisky selber bellte freudig hinter ihr her. Keine graue Stadt wo kantige Häuserecken bremsten. Nur das grüne saftige Gras, hin und wieder ein paar wuchernde Büsche… sie liebte den Rausch der Geschwindigkeit. Nach fünf Minuten bremste sie ab da die Müdigkeit in ihren Beinen zunahm. Brav trottete die Dogge dicht an ihrer Seite. Hin und wieder spähte sie ins Gras. Ihre Schlappohren zuckten. Zweifellos gab es hier unzählige Mäuse. Der Mäusebussard, der hoch über ihren Köpfen in der Thermik kreiste, kam hier zu genügend Futter. Fliegen, Bienen Käfer summten hier zuhauf. Es wirkte so friedlich. Fast eine Stunde marschierte sie auf den Hügel zu auf dessen Oberseite die Bäume mit den weisen Blüten standen. Sie freute sich auf die Apfelbäume. Als Stadtmensch versagten da ihre Kenntnisse. Bevor der Hügel mit den Bäumen anstieg, versperrte ihr abermals ein hoher Zaun aus Holz den Weg. Seine Funktion musste früher als Weidezaun für Pferde gewesen sein. Denn es gelang ihr mühelos unter der ersten Latte durchzuschlüpfen.
An die hundert blühende Bäume standen da. Durch den seichten Wind fielen manche Blüten wie schwerer Schnee zu Boden. Bewundert staunte Safa einfach über das weisse Wunder, indem sich die verschnörkelten Äste dunkel abhoben. Die Leute hier kannten wohl kaum das Problem mit Antibiotika in ihrem Honig. So rein natürlich, die Luft sauber. Obwohl das Whisky, häufiger wegen dem Blütenstaub, zum Niesen reizte. Dagegen hoffte Safa das ihr Vampirblut sie inzwischen von der lästigen Pollenallergie heilte. Früher bekam sie immer rote beissende Augen und schnupfen für die drei Wochen. Danach war sie Immun gegen den restlichen Pollenflug.
Hier ein Bild wie aus einem Märchenbuch. Sie steckte die Arme aus und tanzte wie die Blätter, unbekümmert im Wind. Dann bemerkte sie die fleissigen Bienen. Die Schärfe ihrer Augen hatte beträchtlich zugelegt an einem Tag. Es bereitete ihr keine Mühe eine dieser kleinen fleissigen Arbeiterinnen zu folgen. Den ersten Bienenstock fand sie einfach. Sobald sie ihn sichtete wagte sie sich gar nicht näher. Ihr Augen reichten völlig um zu erkennen das alles seine Ordnung besass. Selbst ihre Ohren, die eine Minuten lang dem Summen lauschten bestätigten ihr es. Das nächste Bienenhäuschen, war mit sechs verschieden farbigen Kasten versehen. Aus allen kam ein lebhafter Flugverkehr. Sie schätzte den Abstand auf zwanzig Meter, dennoch zuckte Whisky aufjaulend zusammen. Sofort vergrösserte sie den Abstand damit die Völker sich nicht bedroht fühlten. Die letzten vier Kasten suchte sie lange. Statt wie die anderen stand er nicht an der hintersten Grenze. Als sie am höchsten Punkt der Landschaft stand und über die unzähligen Hügel hinunter blickte erinnerte sie das an ein Meer von Sanddünen in der Wüste. Jetzt stand alles noch im saftigen Grün. Doch der Sommer mit der wasserarmen Zeit kam, dann würde hier auch das ausgetrocknete Gras bald eine durstige Sandfarbe annehmen. Sie zählte einige Bauernhäuser. Alle mit ihre Gemüsegarten ringsum. Verschiedene Bäume da und dort. Sogar einen kleinen Hang mit Rebstöcken. Weit hinter ihr das Hotel. Ein leerer Magen knurrte. Die gesteigerte Kraft die sie jetzt benutzte forderte auch einen grösseren Energieschub als früher. Sie nahm sich vor auf den Rückweg langsamer zu sein.
Erst als die die letzten drei inneren Reihen durchsuchte fand sie den letzen Wagen mit den vier verbleibenden Bienenstöcken. Allerdings lag hier einer Abseits im Gras und schien verschlossen. Sie wunderte sich über die zehn Meter Distanz zu den anderen. Warum lag er im Gras und nicht auf dem Wagen? Deutlich vernahm sie das dumpfe zornige Summen. Ohne Zweifel das aufgebrachte Volk lebte. Ausserdem war sie vernünftig genug nicht einfach dahin zu gehen und den Schieber zu öffnen. Mit ein Feuerzeug hätte die Gras zum qualmen bringen können. Aber die besass gar nichts um ein Feuer zu produzieren. Sie war kein Dummkopf und beschloss lieber Mikael zu informieren. In dem Moment zuckte ihre Dogge erneut zusammen. Sprang von ihr entsetzt weg. Horchte und galoppierte in die inneren Obstbäume davon. Safa wusste nicht ob sie wegrannte, oder was hörte das ihre Neugierde weckte. Nach wenigen Sekunden folgte ein aufgeregtes Bellen. Einen letzten Kontrollblick warf sie zurück. Die anderen Bienen auf dem Wagen waren alle frei. Es war rätselhaft warum gerade nur eine verschlossen blieb. Wie ein Stich spürte sie selbst empfindlich den Schmerz in ihrem Rücken. Zuerst verdächtigte sie Vlamnick, der wieder mit dem Messer… doch als sie herumfuhr war da nichts. Das kurze schmerzhafte Stechen war unangenehm gewesen. Sie verdächtigte die Bienen und rannte selber Richtung Hotel los. Nach wenigen Metern vernahm sie ein seltsames dunkles Klopfen auf Holz. Mehrmals hintereinander. Ihre empfindlichen Ohren vernahmen das wilde Summen der aufgeregten Bienen. Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden rief sie laut nach Whisky und rannte so schnell sie konnte bergab.
Unten beim Gatter bremste sie ab. Nutzte den Moment nochmals nach ihrem Hund zu rufen, der keuchend aus der Obstplantage her trabte. Irgendetwas stimmte nicht. Jeder Atemzug schien ihn anzustrengen. Daher senkte sie freiwillig ihr Tempo. Wachsam blickte sie um sich. Etwas Unbekanntes schien heimlich zu lauern. So wie es in jedem Märchen einen verwunschen Wald gab, misstraute sie unerklärlich den Bäumen. Dort wo das feine Rauschen der Blütenblätter alle anderen Geräusche verschluckte.
Auf geradem Weg steuerte sie das Hotel an. Dabei war ihr egal das die zweimal einen seichten Bach überquerte und dabei nasse Füsse bekam. Sobald sie das Hotel sichtete, rannte sie förmlich durch die Hintertür in die Küche hinein. Erst dort fühlte sie sich wieder sicher. Emsiges treiben da die Mittagszeit längst begann. Schmutzige Teller kamen bereits zurück und man putzt fleissig bereits die ausgeleerten Pfannen.
Eine empfindliche Nase hatte ihre Vorteile. Sie erkannte verschiedene Gerüche auf Anhieb. Parkierte ihren Hund neben der Türe und sause los. Das frischgebackene Brot, neben dem Ofen. Majonaise aus dem Kühlschrank und von einem habvollen Teller den verschmähten Aufschnitt. Sowie ein paar liegen gelassene Tomaten. Ein paar Köche blickten flüchtig auf. Als sie jedoch merkte was Safa tat, widmeten sie sich wieder ihrer Tätigkeit. Eine Scheibe Fleisch hielt sie sogar Whisky vor die Nase. Die lange Zunge glitt über die Schnauze, doch winselnd zog sie sich zurück. Eindeutig das dieser Hund fürchterliche Schmerzen litt die garantiert nicht von einer kleinen Biene stammten. Sie setzte sich draussen auf die Treppe, schlang ihr Mittagessen hinunter und überlegte. Da hier Verständigungsprobleme herrschten nahm sie einen Zettel. Suche den jungen gestrigen Pagen und schickte ihn zu Mikael. Zehn Minuten später hatte sie ihre Antwort und hasste sie. Der nächste Tierarzt war im ausserhalb der Vampirzone. Er riet ihr es zuerst beim Hauseignen Arzt zu probieren. Gab ihr die Zimmernummer. Also startete sie die Suche nach diesem Zimmer. Sauber beschriftet das Schild. Wenigstens verstand sie das Dr. den Rest nur Bahnhof. Klingelte. Ohne Vorwarnung öffnete sich die Türe geräuschlos. Eine beeindruckende hoch gewachsene Person, die sogar selber Sirinovska um einen Kopf überragte, schaute hinter kleinen getönten Brillengläser auf sie hinab. Mikael hatte ihr verraten, dass er englisch verstand. Also trat sie auf die Seite, Whisky trat schön brav keuchend einen Schritt vor. Da sanken die ernsten Mundwinkel des Dr. so viel tiefer das Safa sich gar nicht mehr getraute zu fragen ob er den Hund ansehen wollte. Sie kam sich so winzig vor als betrachtete er sie wie ein störendes Insekt. Eine unsichtbare Kälte hüllte sie ein. Erst Recht als sich die roten Augen zu schlitzen verengten. Freiwillig trat sie die Flucht rückwärts an.
Plan B begann. Taxi suchen. Sirinovska hatte ihr Geld mitgegeben. Für das Taxi und den Tierarzt. Nur die Taxis wollten nicht so Recht. Als Safa das erste herwinkte, kurvte der ignorierend um den Platz herum und wieder weg. Der Zweite zeigte ihr unmissverständlich den Vogel. Der Dritte sah sie an wie ein Stück Giftmüll. Schimpfte was von schlimmer Allergie. Der vierte liess sie einsteigen, sie liess die Tür offen und rief erst dann ihren Hund, den sie hinter einem Busch versteckte. Der Fahrer wollte glatt mir ihr, aber ohne den Hund losfahren. Der fünfte besass so einen kleinen italienischen Fiat, das dagegen ein Mini schon grosszügig wirkte. Sie wartete auf den sechsten. Da fuhr der mit der kleinen bereiften Konservendose erneut an ihr vorbei. Deutete auf die zwei leeren Plätze hinten wo höchstens zwei Kinder problemlos Platz fanden. Safa deutete auf ihr grosses Problem. Er kurbelte die Scheiben runter. „No Problem. Wenn sie ihn auf den Schoss nehmen!“ Hämisch lachte er über seinen eigenen Witz. Safa lachte genauso falsch los. „Okay.“ Sein breites Gesicht änderte zu schockiert lang. Wenn ein Vampir erbleichen konnte, so wechselte er von gesundem Weiss zu Chemisch gebleicht. Mürrisch deutete er an einzusteigen. Wohl an die zwanzig Leute amüsierten sich prächtig als sie zusahen wie Safa sich mit dem Hund auf die Rückbank quetschte. Einer er sich köstlich darüber amüsierte war der Taxifahrer selber. Sie verdächtige ihn das er sie überhaupt einsteigen lies nur um das zu beobachten. Jedenfalls klappte es nachdem Whisky halb über ihr lag und sich hinlegte. Rasch die Türe zu und die alte Klapperkiste rumpelte davon. Schon nach wenigen Minuten kurbelte Safa eines der Fenster eine Handbreit hinunter um frische Luft zu schnappen. Einen Kilometer weiter quietschte das Fenster vom Fahrer ganz hinunter. Kurz nach dem passieren der Grenze, des Sperrgebietes, passierte das was sich niemand wünschte. Der unwissende Hund furzte. Das in dem winzigen Auto. Nach wenigen Sekunden hielt sich Safa das Hemd vor die Nase. Lachte ausserdem Tränen. Der Fahrer sprang aus dem Wagen, als hätte ihn eine Giftschlange in den Hintern gebissen. Dabei vergass er sogar die Handbremse zu ziehen. Sie fand es peinlich und lustig zugleich. Im Schritt tempo rollte der Wagen weiter und sein kleiner Fahrer hielt es fünf Minuten lang nicht nötig einzusteigen. Selbst als ein steilerer Weg begann. Safa zog selber die Handbremse.
Ausgiebig schnüffelte der Vampir zuerst den Vorderteil ab, ehe er sich auf den mehrfach geflickten Sitz zurück setzte. Als er finster nach hinten Blickte, richtete sich Whisky, welche die Aggression spürte, halb auf und bellte tief. Danach herrschte schweigende Ruhe. Sie fanden einen Tierarzt der noch arbeitete… ansonsten löste man hier alle Probleme mit Geld. Sobald Safa in der Praxis drin verschwand, quietschten die Reifen vom Taxi gequält auf. Ahnte dass auf dem Rückweg neue Schwierigkeiten bevorstanden. Der erfahrene Tierarzt untersuchte die Hündin gründlich. Zum Glück folgte die Hündin müde alle Anweisungen. Lies das schieben und aufheben mit sich gefallen. Nach dem Röntgen fand man endlich das Problem. Drei Kugeln steckten in ihr. Eine im Brustkorb, Schultern und eine im Hinterschenkel. In Safa brach erneut eine heile Welt in Bruchstücke. Jemand hatte also mit purer Absicht auf ihren harmlosen Hund geschossen. Sogar zweimal nachdem sie ihn auf die Bäume scheuchte. Soviel fand der Arzt rasch fest, wegen dem Einschusswinkel. Die arme Whisky wurde zweimal von oben herab voll getroffen. Zum Glück war es kein Profi, da er so ziemlich den Kopf verfehlte. Nach dem röntgen verlange der Tierarzt schon Geld. Für die Operation deutlich seine Forderung nach mehr. Ihr Rückgeld brauchte sie selber. Zum Glück fand sie noch die tausend Schweizerfranken. Fröhlich begann der Wucherer mit seiner blutigen Arbeit. Eine knappe Stunde später taumelte Whisky unsicher auf ihren langen Beinen aus der Praxis. Lehnte sich immer nach ein paar Schritten schwer an Safa. Geduldig sah die zum eindunkelnden Himmel hoch. Die ersten Sterne funkelten. Hier auf der verlassenen Seitenstrasse wartete sie vergebens auf ein Taxi. Horchte in die Stille. Lachte in sich hinein. Den Helden im Kino passierte das nie. Immer kam gerade ein Taxi oder sonst eine günstige Fahrgelegenheit die sich erbarmte. Dafür besass sie den Vorteil eines Vampirs. Das ausgezeichnete Gehör lokalisierte rasch eine Hauptstrasse. Nach einer halben Stunde stand sie vor der stinkenden, rollenden Blechlawine. Da hier Umweltschutz wenig Beachtung fand, stank es dementsprechend gnadenlos. Schwarze Russwolken liessen sie zurückweichen. Sie fühlte erneut die alte Übelkeit aufsteigen. Hinter einem Container hiess sie Whisky warten. Diesmal liess sie einen rauchenden Taxifahrer vorbei. Der nächste war besetzt. Der dritte kurvte tatsächlich unverschämt an ihre Seite, in dem er rüde die anderen schnitt und mehr als nur eine Verkehrsregel missachtet. Hupend demonstrierte die anderen ihrem Ärger hinaus. Er kurpelte eine staubige Fensterseite hinunter, auf die ganz altmodische weise. Fröhlich nannte Safa ihr Ziel. Er beschleunigte als Absage. Raste ohne Passagier schnell zurück in die Kolonne. Langsam stieg in Safa Zorn und Verzweiflung hoch. Zählte innerlich auf zehn. Da hielt bereit freiwillig ein junger, ahnungsloser Taxifahrer an. Diesmal öffnete sie die hintere Türe, stieg ein und klappte schon mal ihr Schweizer Taschenmesser auf. Ihm wurde langsam unbehaglich da zeigte sie ihm das Geld. Sofort entspannte seine Haltung. Dann pfiff sie das Startzeichen für ihre Hündin. Träge humpelte sie heran. Natürlich wollte der entsetzte Fahrer los. Ein scharfes. „Hey“ rief ihn zur Vernunft. Eingeschüchtert betrachtete er die offene Klinge so nah seinem Hals. Sie hielt das Messer nur spielerisch abwägend in ihren Fingern doch er fühlte sich zu Recht bedroht.
Da er als Mensch eine Träge Reaktion besass, erlaubte sie sich diese notwendige Erpressung. Whisky plumpste förmlich auf den breiten Sitz. Safa schloss die Türe und verlange das er losfuhr. Leise murmelte der Fahrer auf Russisch vor sich hin. Auf keinen Fall wünschte sich Safa davon eine Übersetzung. Diesmal, ohne Gestankwolke, erreichten sie das Sperrgebiet. Niemand kontrollierte die offene Grenze. Dreimal ein Schild mit Warnungen reichte völlig aus. Auf dem grössten die Militärische Zone. Auf der mittleren ein Bild das ungefähr hiess; Vorsicht Beschuss von Panzer auf Auto!
Im Scheinwerferlicht leuchtete das letzte Schild neben dem Stacheldraht auf. Die Bremsen hinterliessen schwarzen Gummi als das Taxi stoppte. Laaaaange schaute der Fahrer nach oben, selbst als Safa gutmütig auf ihn einredete. Er deutete auf das Schild- Vorsicht Mienen auf der Fahrbahn! Welcher vernünftige Russe hörte da auf eine Frau! Die noch aus dem Ausland kam und kein Russisch sprach! Das ging doch gar nicht! Er hielt Safa für eine komplette Vollidiotin, weil sie da rein wollte. Hinter die Zone von dem Stacheldraht, stand da nicht noch ein Umriss von einem Panzer im Feld? In der Dunkelheit verursachte das erst Recht einen Abschreckenden Eindruck. Er wollte nicht mal das Geld annehmen. Steckte es ihr zurück. Wendete seine Klapperkiste. Diesmal flucht Safa. Ratlos stieg sie aus dem Wagen. Warf ihm das Geld auf den Vordersitz. Selbst nachdem sie ausstieg wartete er noch eine Weile. Nachdem die Scheinwerfer des Autos weg waren, stand sie nämlich ziemlich ratlos im Dunkeln. Ihre Augen hatten sich noch nicht auf die Nachsticht eines Vampirs eingestellt. Von wegen überlegene Rasse! Dieses Abendteuer entwickelte sich langsam zu einem Desaster. Ihr blieb nichts übrig als eigentlich im dunken, mitten auf der Strasse zu hocken, bis zum nächsten Morgen. Ihr grauste davon. Gab es nicht noch Wölfe und wilde Bären in Russland? Tatsächlich kam aber der junge Fahrer von vorhin zurück. Im Rückwärtsgang. Er bot ihr an in die Stadt wieder mitzufahren. Eine nettes Angebot. Als sie ablehnte machte er eine Geste auf das Licht. Safa verstand nicht. Eine Weile wühlte er in einem unter dem Fahrersitz herum, wo er eine Taschenlampe fand. Er schmunzelte und blickte entschuldigend. Es war so ein kleiner Laserschlüsselanhänger. So ein winziges scharfes Glühwürmchen leuchtete auf. Aber Safa freute sich riesig über die helfende Geste. Besser als gar nichts. „Na ganz toll. Immerhin.“Eine weitere Geldnote wollte er gar nicht mehr annehmen. Vermutlich wünschte er ihr nur viel Glück mit nach Hause. Oder mehr Gehirn. Safa verstand ihn ja nicht. Sie nahm das winzige Licht in Empfang und marschierte los. Zehn Minuten wartete der Fahrer an seiner Stelle. Sie sah die roten Rücklichter seines Autos, dann gab er auf, fuhr nach Hause.
Die Grillen zirpten ihr Nachtkonzert. Safa Schritte knirschten auf dem mit kleinen Steinen besäten Untergrund. Ungeschickt tapste Whisky an ihrer Seite. Wenigsten fühlte sie sich mit dem Monster an ihrer Seite sicher. Niemand kam freiwillig näher oder hielt an. Ein einziges Fahrzeug rauschte Richtung Hotel. Fuhr dicht und langsam an ihr vorüber. Der Fahrer rief ihr eine gut gemeinte Warnung zu die sie nicht verstand. Einsteigen war jedoch streng verboten, da heulte der Motor vorher wie eine Rakete auf.
Es war fast Vollmond. Aber da die Wolken ihn mehrfach verdeckten brauchte Safa dringend das Notlicht um nicht plötzlich neben der Strasse zu landen. Manchmal, wenn die Wolkendecke kurzzeitig aufriss, schimmerte die abgrenzende geteerte Strasse gräulich auf. In den Momenten beschleunigte Safa ihre Schritte. Seltsamer Weise blickte der Hund mehrmals wachsam in das hohe raschelnde Wiesengras hinaus. Stiess ein kurzes knurren oder warnendes Bellen aus. Safa war wirklich heil froh um so eine mutige Gefährtin. In ihrer Hosentasche klimperten die drei Patronen leise vor sich hin. Auf einmal fragte sich Safa, wie es sich wohl anfühlt, wenn so ein Geschoss sie traf. Ihre Hand wanderte suchend über ihre Schultern. Sie fand keine Wunde mehr. Roch aber deutlich eingetrocknetes Blut an ihrem Finger. Das beunruhigte sie sehr. Schätzte den Weg zum Hotel mit ein - zwei Stunden Wanderung ein. Mit der torkelnden Whisky wohl eher zwei, drei. Alles andere als erfreulich. Da kamen ihr zwei Scheinwerfer entgegen. Vorsichtig da die Lichter sie blendete spazierte sie ganz dicht am Strassenrand. Das Auto fuhr an ihr vorbei und hielt an. Wendete umständlich auf der schmalen Fahrbahn. Eine Tür öffnete sich und eine bekannte Stimme rief, „Willst du mit fahren?“
Erleichtert begrüsste Safa. „Mikael.“ Selbst der Hund humpelte freudig an Safa vorbei. Ohne Aufforderung sprang sie in den Wagen. Dafür bekam er auch eine entsprechende Belohnung. Müde setzte sich Safa hinten hin. Sirinovska vorne. Der Fahrer starrte verbissen vor sich hin. Es war klar, dass ihm der Auftrag nicht gefiel. Auf der Rückfahrt versuchte Sirinovska harmlos ein Gespräch anzufangen. Er fühlte sich insgeheim Schuldig weil er Safa ohne Begleitung in die Vorstadt schickte. „Und wie geht es Euch? Ist Whisky besser.“
Zur Antwort holte Safa die drei Geschosse aus ihrer Tasche. Legte sie ohne Worte in seine Hand. Fassungslos sah er sie an. Wagte kaum mit dem Finger sie zu betasten. Dann umschloss er sie fest in seiner Faust. „Sonst ist mir dir alles in Ordnung. Unverletzt?“ Rechnete eigentlich mit einem guten Bescheid. Zwar wirkte Safa leicht mitgenommen von der Reise, ihr Geruch verriet ihm keine körperlichen Schwierigkeiten, ausser die von der Verwandlung üblichen leichten Störungen.
„Kannst du Zuhause, bei besserem Licht, mir kurz die Schultern ansehen? Ich rieche da komischer Weise nach Blut.“
Tief ungewohnt sein zusammenziehen der Stirn. Vorne beim Fahrer schaltete er das Licht ein. Winkte sie zu sich nach vorne. Auf ihr zögern hin half er nach. „Komm schon.“ Geschickt kletterte sie nach vor. Setzte sich vor ihn hin. Zur Verbesserung stellte er seinen Sitz weiter nach hinten. Drückte Safas Schultern in eine günstige Lichtposition. Seine Finger wanderten gleich über die verheilte Stelle über ihrem Schulternblatt. Wenige verkrustete Bluttropfen auf ihrer glatten Haut. Sobald er fester drückte jaulte Safa empfindlich wegen der schmerzenden Stelle auf. Es fühlte sich gar nicht gut an.
Besorgt stellte er fest. „Das ist was unter deiner Haut. Das ist der Nachteil bei uns. Wir heilen so schnell das der Körper Fremdteile einfach umschliesst. Dabei kapselt er sie ein und zerfrisst langsam das Material. Bei Metall kann das mehrere Jahrzehnte dauern. Ich muss wissen ob das vierte Geschoss in dir steckt. Wir gehen gleich zum Arzt.“
Mit dem Taxi dauerte die restliche Fahrt durch die Nacht kurze zwanzig Minuten. Staub von der Strasse wirbelte hinter ihnen hoch. Der Tacho zeigte kaum mehr als 90 Kmh doch für Safa schien es als rasten sie wie auf einer Autobahn. Aus den Fenstern erspähte sie im Scheinwerferlicht merkwürdige Gestalten welche auf der Wiese wie angepflanzt standen. Einmal dachte sie wirklich sie erkannte einen Skelettarm der ihr sogar zuwinkte. Mikael der ihren verstörten Ausdruck folgte, lachte. „Unsere Nächtliche Geisterbahn. Die Skelette sind echt, aber keine von unseren Verstorbenen. Die hier sind mit einer Flüssigkeit präpariert worden damit kein Tier davon frisst. In der Nacht sind viele Plünderer unterwegs, auch solche die Altmetall sammeln. Seit die echten Skelette das sind, meiden sie unser Gebiet. Diese Wiesen hier darfst du nie betreten. Es gibt getarnte enge Erdlöcher die bis zwei Meter tief sind. Ein Genickbruch bedeutet im schlimmsten Fall selbst für einen Vampir einige hundert Jahre Auszeit im Bett. Kleine Minen die einem durchaus ein Bein abreissen. Wir haben versucht nach dem Landkauf alle zu entschärfen, aber hier in der vorderen roten Zone gibt es keine Garantie was alles unter der Erde liegt. Wir haben das gefährliche Zeug teilweise liegen lassen. Merken, niemals in die rote Zone rein. Wir haben die Bäume teilweise mit Farbe markiert. Anderorts mit Duftmarkierungen die bei uns Vampiren Übelkeit verursachen. Werden jedes Jahr erneuert.“
Nahe fuhr das Taxi an die Vordertreppe heran. Die Türe wurde sofort von aussen geöffnet. Safa kletterte als erste hinaus. Öffnete dafür ihrem Hund die Türe. Whisky wollte erst gar nicht raus. Genoss die behagliche Wärme im Auto. Safa zwinkerte ihr zu „Essen“. Aufgeweckt humpelt sie heraus. Zielsicher strebte Sirinovska die Türe an. In der Halle suchte er selber den hilfsbereiten Pagen. Winkte ihn zu sich. Deutete auf Whisky und überreichte ihm die Führleine. Eigentlich sollte die Hündin zu ihrem Abendessen kommen, doch zuerst weigerte sie sich standhaft dem neuen Führer zu folgen. Erst als Safa den kleinen Beutel mit den Leckerlis ihm überreichte, liess sich Whisky erweichen die Seiten zu wechseln.
Indessen wartete Mikael ungeduldig an der Treppe. Führte Safa entschlossen direkt erneut zu dem unheimlichen Arzt. Sie kannte bereits den Weg und bei jedem Meter sank ihre Begeisterung tiefer in den Keller. „Kannst du nicht selber das… rausholen.“ Er bemerkte ihre Abneigung vor dem Praxisraum. Stutzte, lachte dann leise „Angst“, spottete er. „Mir selber ist das zu gefährlich. Ich habe nicht die Anatomie des Menschen studiert. Wir sind also manchmal auch trotz unserer erstaunlichen Heilungskräfte auf gewöhnliche Ärzte angewiesen. Vor allem bei Operationen oder Knochenbrüchen. Wir laufen auch nicht gerne Verkrüppelt durch unsere Gesellschaft.“ Klopfte bereits energisch an die Türe. Genauso wie bei Mikaels Wut veränderte sich die Aura spürbar. Safa bemerkte erneut die nähernde starke Präsenz hinter der Tür. Keine Wut aber eine enorme mentale Kraft. Als sie das erste Mal mit Whisky da war, hatte ihre Angst um den Hund, das verdrängt. Diesmal registrierte sie diese gewaltige Präsenz. Anders als bei ihr damals öffnete sich die Türe weit. Ein tiefes angenehmes „Kommt rein.“ Hiess sie willkommen. Selbst Mikael wirkte überrascht. „Hast du uns erwartet?“
Trat in den dunklen Raum hinein. Betätigte erst den Lichtschalter. Die oberen Deckenleuchten blendeten Safas empfindliche Augen. Sofort drehte dieser Arzt an einem anderen runden Schalter die Helligkeit hinunter. Er trug anders als vorher einen dunkelroten Rollkragenpullover und schwarze Jeans. Wirkte aber im Gegensatz, zu Sirinovskas schlanker Erscheinung, absolut durchtrainiert. Es lag in jeder seiner geschmeidigen Bewegung. Trotz seinem enormen Körpergewicht bewegte er sich praktisch geräuschlos. Die wachsame Psychologin registrierte genau die schweren Schuhe mit den Stahlklappen. Alleine deswegen hielt sie es für seltsam unerklärlich wie er das mit dem schwerelosen Gang anstellte. Wie ein angeschalteter Radar bemerkte er ihre konzentrierte Beobachtung. Blickte sie über seine breiten Schultern zurück an und grinste Breit. Die Stirnfalte in Safa Gesicht vertiefte sich. Beunruhig über das ungewöhnliche Raubtiergebiss trat sie erneut automatisch einen Schritt zurück. Bei ihm waren sogar alle Zähne zugespitzt, was hiess er nahm nie vegetarische Nahrung zu sich nahm.
Aus einem Stahlspind entnahm er einen weissen Kittel so wie ihn Ärzte üblicher Weise trugen. Doch selbst in dem weissen Kittel glich er keinem der Ärzte die sie bisher kannte. Wohl eher einem perfekt getarnte Auftragskiller.
Selbst Mikael hielt es für angebracht zu beschwichtigen. „Keine Sorge er ist ein guter Arzt.“
Safas kleine Nase rümpfte sich einseitig als sie Mikael leise zuraunte. „Ja sicher. Dem traue ich sofort zu das er Leute gerne auseinander nimmt.“ Dafür erhielt sie von Mikael Ellbogen einen strafenden Stoss in die Rippen.
„Benimm dich! Dr. Card ist seit mehreren Jahrhunderten unser Gast. Wir sind froh über seine Unterstützung.“
Der besagte Riese mit den schwarzen halblangen Haaren, die wie bei Mikael ungezähmt ins Gesicht fielen, begab sich zu dem Liegetisch in der Mitte. Lehnte sich dagegen. „Also warum seit ihr hier,“ hielt er sich kurz. Mikael trat zu ihm rüber und öffnete freudlos seine Faust. Hinter den getönten roten Brillengläsern weiteten sich kurz die Augen für einen Bruchteil einer Sekunde. Sein sachkundiger gelangweilter Kommentar darauf. „Kinderkram. Das ist von einem Luftdruckgewehr. Harmlos für uns.“ Zustimmend nickte Sirinovska. „Solange sie den Hund damit beschossen haben, kann ich noch ein Auge zudrücken… Safa.“ Er winkte sie zu sich. Einen Moment zögerte sie. Da spürte sie einen unsichtbaren Sog der sie nach vorne zog. Eine saugende Macht die sie… sofort realisierte sie das Dr. Card eine seiner Fähigkeiten einsetzte. Einmal erkannt, entspannte sie sich, sah Mikael an und blendete den fremden Zwang einfach weg. Nach wenigen Sekunden war der unangenehme Druck weg. Hastig suchte die sie Nähe von Mikael. Der hielt sich erste einmal die Stirn. Wusste das Dr. Card viele unbewusst einschüchterte. Seine mächtige Ausstrahlung wirkte wie die von Dimitros. Dennoch hier verstand er keinen Spass. „Safa, bitte das ist wichtig. Ich bin da, also vertraue mir.“ Versuchte ihr wie im Auto das Hemd über die Schultern runter zu ziehen. Doch sie schob seinen Hände auf die Seite und zog es sich richtig über den Kopf. Schämte sich nicht nur im schwarzen Sport BH zu sein. So schüchtern war sie nun wirklich nicht. Dennoch zuckte sie ungewollt zusammen als ungewöhnlich kalte Hände ihre Schultern fachmännisch abtasteten. Wie bei Mikael wich sie empfindlich aus, als man den fremdeigenen Gegenstand bemerkte. Es tat erst weh wenn man versuchte ihn zu bewegen. Wortkarg der Entschluss des Arztes. „Das geht schnell.“
Suchte nach einem scharfen Skalpell. Schlimmes vorahnend flüsterte Mikael, „Halt einfach still. Du kennst mich.“ Merkte wie sie sich entspannte als er hinter sie trat. Wie immer genoss er ihren honigsüssen Geruch. Danach biss er sie vorsichtig um die markierte Stelle, mit den getrockneten Blutresten. Betäubte sie vorübergehend. Aufmerksam beobachtete Dr. Card den Vorfall. Legte seine Brille auf die Seite. Seine Augen glänzten wirklich in einem ungewöhnlichen leuchtenden Rot.
Genau wie einst Sirinovska hob er kurz prüfend ihre Oberlippe in die Höhe um ihre Eckzähne genauer anzusehen. „Die Verwandlung hat begonnen, das Vereinfacht.“ Über Safa Kopf hinweg, musterte er argwöhnisch Mikael. „Du?“
Dieser wies die Schuld sofort von sich. „Vlamnick.“ Der Hüne grinste breit. „Verstehe, darum die entsprechende Rache heute. Das wird er nie vergessen. Verzeihen vermutlich noch weniger. Der Alte plant noch was auf seine letzten Jahre.“ Safa spürte kaum etwas als das scharfe Werkzeug in ihre Haut eindrang. Es gab einen kurzen Ruck und sie fühlte sich erleichtert. Der kräftige Eigengeruch vom Blut stiess sie ab. Dr. Card war wenig überrascht als er das vierte Geschoss, in seiner Pinzette betrachtete. Bitterböse starrte Mikael auf den Gegenstand als könnte er ihn so vernichten. Völlig ruhig setzte sich Card neben Safa auf die Liege. Sie federte unter seinem schweren Gewicht, hielt aber stand. Auffordernd klopfte er auf den freien Platz neben sich. Unsicher ihre nervösen Augen. Doch seine ruhige Art beeinflusste ihre Ängste. Vertrieb sie. Sie hüpfte auf den dargebotenen Platz hoch. Er meinte nur. „Erzähle mal.“
In den nächsten Minuten berichtete sie was sich in der Obstplantage abgespielt hatte. Das erst als sie den abseits verschlossenen Bienenstock bemerkte das erste Mal dem Frieden misstraute. Das sie das Klopfen auf den Stock durchaus auch als Schüsse bezeichnen würde, das sie zur Flucht veranlasste.
Schweigend sahen sich Sirinovska und der Arzt eine Weile an. Beängstigt fragte Mikael. „Ein Anschlag?“ Worauf Dr. Card klar verneinte. „Kein Anschlag. Höchstens eine Warnung. Wem hast du von ihrem geplanten Ausflug in die Plantage erzählt?“
Angestrengt dachte Mikael nach. „Mir fällt nur… Vlamnick ein. Der kann am besten meine Gedanken lesen. Noch leider. Ab sofort verlässt er den inneren Kreis. Herrschaft, nach all den Jahren bei uns. Er hat bei Safa die Verwandlung eingeleitet. Wozu dann diese Warnung? Es waren auch einige Frauen da. Nur keine von denen ist im inneren Kreis. Comtesse Melanie hab ich gehört sei auch da, hab sie aber noch nicht gesehen. Das Motiv Eifersucht kann es also nicht sein.“
Safa wunderte sich über den Ausdruck innerer Kreis. Fragte Nonverbal Mikael. Er erklärtes. „Das sind die Leute mit denen ich das Blut teile. Das sind nur wenige. Mein Bruder, Vlamnick, vier bis fünf wichtige Geschäftsleute und früher auch Comtesse Melanie. Allerdings hat sie das Blut nicht freiwillig von mir bekommen.
Das sind für jemanden wie mich wirklich wenig. Die Wirkungsdauer ist auch begrenzt. Länger als ein Woche hält das selten. Daher verstehe ich nicht wer von diesem Kreis jetzt schon was gegen …Safa hat.“
Nur die roten Augen bewegten sich zur Seite zu der kleinen Frau. Dr. Card verbesserte Mikael. „Sag gleich Geliebte. Oder willst du sie als… okay… du willst also. Na dann wer weiss davon?“
Verstört sah Mikael ihn an. „Wie machst du…?“
Card grinste überlegen. „Ich brauche das Blut nicht um andere Gedanken zu lesen. Ich tue es einfach.“
Überrascht keuchte Mikael auf. „Mir war klar, du besitzt besondere Fähigkeiten. Jedoch in solchem Ausmass…. Nein, momentan weiss nur Vlamnick von meinen Plänen. Wenn er allerdings unvorsichtiger Weise die jemand erzählt hat.“
Dr. Card ergänzte. „Jemand wie die eifersüchtige Comtesse. Dann haben wir schon zwei Verdächtige. Feinde die sich bedeckt halten finde ich potenziell gefährlicher.“ Da beschäftigte ihn ein anderer Gedanke. Wandte sich an Safa. Worauf diese leicht zurück wich. „Warum trinkst du sein Blut nicht und machst das ganze Offiziell?“
Sie fühlte sich wie in die Enge getrieben. Zwei Männer wollten sie schon in den Hafen der Ehe treiben. Sie wagte ihn nicht anzusehen. „Wie alt bist du?“ Begann sie harmlos. Mikael warnte. „Safa!“ „ca. 600 Jahre“
Schonungslos überlegte Safa laut. „So alt und keine Frau an deiner Seite? Ich kenne Mikael seit erst zehn Tagen. Bei wem stimmt jetzt also was nicht?“
Sein tiefer Atemzug war deutlich zu hören. Ein seltsames Gefühl erreichte sie. Sehnsucht, Liebe, Enttäuschung, Vorwürfe und Zorn über sein Versagen. Dieses Durcheinander überwältigte sie fast. Dann kontrollierte er sich wieder. „Kleiner frecher Spatz“, das galt ihr. Zu Mikael donnerte er. „Bist du sicher ob sie die Richtige ist! Ich kann dir zehn andere nennen die besser geeignet sind für den Thron. Kein Wunder das… Vlamnick. Maurice de Vlamnick hat die Verwandlung eingeleitet weil er sie eben nicht als Königin…“ er stutzte am dem verzweifelten Blick der ihn traf. Mikael resignierte. „Ich bin kein offizieller König. Darum habe ich mit Safa nie über das heikle Thema gesprochen.“
„Ist doch egal“ ,fuhr ihm Dr. Card dazwischen. „Wichtig ist nur, er wollte das wir nach unseren Gesetzen spielen. Darum die vorzeitige Verwandlung. Die Frage ist nur was er weiter plant. Der Anschlag kommt nicht von ihm. Das passt nicht… ein alter Mann redet manchmal viel und unvorsichtig. Wer auch immer schoss wusste nicht das Safas Verwandlung schon so weit fortgeschritten war. Einem Menschen kann so ein Geschoss ins Gehirn durchaus ernst verletzten. Nervös wegen dem Hund, der seinen Aufenthalt verriet…ein blutiger Anfänger.“
Sirinovska fuhr der Schrecken tief in die Knochen. „Was machen wir jetzt? Ich will Safa in meiner Nähe haben.“ Diesmal erntete Safa einen festen, rüden Stoss von Dr. Card in ihre Rippen. „Safa ein guter Überlebensrat von mir. Trink sein Blut noch heute. Meine menschliche Frau hat es nie getan, darum habe ich sie verloren.“
Betroffen schaute sie nach oben. Er fuhr ihr wie einem Kind tröstend über die Haare. „Sei vernünftig. Denk daran, wenn Sirinovska dich verliert steht ihm ein langes, trauriges Leben bevor.“ Sie nickte ab der zutreffenden Wahrheit.
Als sein Finger verträumt ihr am Hals entlang glitt, hieb sie ihm dennoch eines auf die Hand. Eine klare Absage nach dem er Gedanklich bat, von ihr trinken zu dürfen.
Besorgt rief ihr Mikael. „Safa.“ Beruhigend winkte der grosse Arzt ab. „Die Wunde ist Morgen verheilt. Die Kugeln behalte ich. Den Rest müsst ihr Organisieren. Jetzt raus aus meiner Praxis. Ich hab mir auch den Feierabend verdient.“
Erleichtert packte Mikael seine Gefährtin an der Hand. Zog sie raus aus in den dunkleren Gang, wo das gelbe Licht den Augen gut tat. Für einen Augenblick hielt er inne. „Reden wir im Zimmer?“
Einstimmig begrüsste sie seinen Wunsch.
Ihr Zimmer war angenehm kühl nach dem warmen, stickigen Gang. Die Vorhänge bereits zugezogen. Whisky döste auf dem dicken Teppich vor dem Kamin vor sich hin. Sobald Safa die Türe hinter sich hastig schloss, brannte ihr schon auf der Zunge. „König? Er nannte dich praktisch sein König!“ Mikael bestellte telefonisch was zu essen. Warf sich dann rückwärts ins breite Bett. „Richtig gehört. Ich bin ein König ohne Thron. Der erstgeborene Dimitros, ist der Rechtmässige König. Da er grosspurig allen erzählt, er lehne sein Erbe ab, muss ich es zurzeit leiten. Daher hab ich so viel Arbeit. Diese Unsicherheit wer wirklich die nächsten Jahrhunderte regieren wird, lässt viele Freunde an unserer Kompetenz zweifeln. Mein Vater Taras, der untätige König, hat sich zurückgezogen. Es ist zum…“
Sie legte eine Hand unter sein Hemd. Streichelte bewundert über seinen flachen Bauch. „Du hast eine schwere Bürde. Davon bin ich auch nicht gerade begeistert.“ Streckte sich neben ihm auf dem Bett aus. Mit geschlossenen Augen genoss er ihre Streicheleinheiten. Sie bot ihm an. „Eine Sorge kann ich dir nehmen, wenn du noch willst. Gibst du mir dein Blut?“ Strahlende hell violette Augen sahen zu ihr runter. „Wann immer du willst mein Schatz. Solange deine Zähnchen noch so stumpf sind übernehme ich jedoch das anstechen.“
Mitten in der Nacht wachte sie auf. Ruhig, gleichmässig atmete Mikael vor sich hin. Sie spürte eine Veränderung in der Luft. Eine bedeutende Sache die in ihrem Leben eine schwerwiegende Änderung mitbrachte. Beunruhig nahm sie die Warnung an. Da der Schlaf weiterhin ausblieb nahm sie ihr Handy vom Nachtisch und spazierte in den Gang hinaus. Stille im Haus. Sie liess die Dunkelheit sein und spazierte barfuss zum Fenster am Ende Gang. Noch drei Tage bis Vollmond. Sie kannte jetzt die Vorwahl von Russland. Suchte die Verbindung in die Schweiz. Die Russischen Angestellten dort teilten sich meist die Abend oder Nachtschicht zusammen. Die Verbindung stand. Als sie die Stimme des Wächters hörte, sagte sie als erstes. „Ja ich weiss, was wir für Zeit haben. Trotz Zeitverschiebung. Ich möchte gerne mit meiner Schwester reden. Ist ein absoluter Notfall.“ Die andere Stimme fragte und sie antwortete. „Kann schon sein. Jemand hat auf mich geschossen, also denke ich mal, die Frage ob es um Leben oder Tod geht, ist damit beantwortet.“ Sie wartete ein paar Minuten bis sie endlich ihre verschlafene Schwester dran hatte. „Safa, du hast einen Knall. Tauschen wir unsere Plätze?“
„Gerne für zwei Wochen.“ „Okay, erzähle. Aber bitte spannend sonst schlafe ich wieder ein.“ „Ich mache es kurz. Jemand hat auf mich geschossen. Wir wissen nicht wehr. Wenn mir was passiert. Ich geb dir die neue Adresse in Zürich durch wo all unsere Sachen eingelagert sind. Das Schwert und Tagebuch sind bei mir in Russland. Geld ist genug auf dem Konto zum abholen. Alles notiert?“
Es blieb ruhig. Es schnarchte auf der anderen Seite der Leitung. Dann aber liess Katalina hören. „Okay und jetzt nochmals zum langsam mitschreiben. Deine Adresse in Russland.“ Erfreut lachte Safa auf. „Da kommst du nicht einfach rein. Du kannst ja nicht mal die Klinik verlassen. Ich wollte dich nur informieren. Schlaf einfach weiter. Ich melde mich in ein paar Tagen sicher wieder. Bye.“ Bevor ihre besorgte Schwester protestierte unterdrückte sie den Anruf. Schalt sich selber. Sie sollte, wollte keine Panik auslösen. Schliesslich hatte Safa den Angriff kaum gespürt. Nur eine gut gemeinte Warnung oder spielende Kinder. Zum Glück war sie kein einfacher sterblicher Mensch mehr. Eine ganze Weile schaute sie in Gedanken verloren in die Ferne. So friedlich schien das Land. Seine Einwohner dagegen im Ewigen Kampf. Sie lachte leise vor sich hin. Es spielte keine Rolle in welchem Land man sich befand. Überall gab es die gleichen Machtkämpfe. Hoffte dabei nur das Dimitros wirklich zu Verstand kam, schnell. In die Rolle einer Königin zu schlüpfen, mit all der riesigen Verantwortung, behagte ihr überhaupt nicht. Diese Vorstellung machte ihr eine Heidenangst. Sie wandte sich ihrem Zimmer zu. Hörte eine leise Frauenstimme hinter einer der Türen aufgeregt reden. Leider war alles auf russisch. Ein einziges Wort liess sie aufhorchen. Amateur. Nachdenklich schlich sie in ihr Zimmer zurück. Unter der leichten Decke zu Mikael schlüpfen. Seine Anwesenheit geniessen. Sie fühlte sich so geborgen in seiner Nähe.
Ein neuer Tag begann. Wie der gestrige leicht bewölkt. Der kräftige Wind versprach aber einen kühleren Tag. Die Wolken bauschten sich zusammen um ein paar Tropfen fallen zu lassen und zerstreuten sich wieder. Nach einem gemeinsamen Frühstück mit Mikael, wollte sie wie gewohnt spazieren gehe. Whisky brauchte Auslauf. Sirinovska stimmte zu, jedoch nur unter der Bedingung dass der junge Page sie begleitete. Nach kurzer Überlegung stimmte sie ein. Wieder mit ihrem Jogging Anzug erkundete sie sie Felder.
Klinik Zürich
Von wegen nicht besorgt sein. Ihre Gedanken rasten wild umher. Es viel ihr schwer sich zu konzentrieren. Einen Plan zu finden der funktionierte. Erstens eine Schwachstelle finden. Die kannte sie. Der junge Russe, von der Wachstation stand auf sie. Zweitens, Ausgang verschaffen der länger als eine Stunde täglich dauerte. Wie sollte sie das anstellten? Die letzte Durchsuchung ihrer Habseligkeiten war schon lange überfällig. Dabei dachte sie an das versteckte Handy. Sie hatte es am Ladegerät umstehen sehen. Ein Besucher dachte er könne rasch zwischendurch auf die Toilette. Als er zurück kam hatte sie es bereits in ihrem Besitz. Benutzte es jedoch nur um damit die Zeit zu vertreiben. Manchmal spielte sie unter der Decke die darauf gespeicherten Spiele. Es gab so vieles zum lernen. Die Programmierung und Einstellung. Endlich eine Beschäftigung welche sie förderte. Die Kamera! Damit liess sich was planen. Unruhig tigerte sie eine Weile in ihrem Pyjama, in ihrem Zimmer, umher. Nachts waren die Türen verschlossen. Da kam ihr endlich die zündende Idee. Schaute zur Kamera hoch. Ihr kleines Nachtlicht immer noch an. Der junge Russe sass garantiert hinter dem Monitor und schaute ihr zu. Sie versuchte heraus zu finden wie weit er ging. Löschte kurz das Licht um das Telefon einzuschalten. Im Dunkel stellte, klemmte sie es an den Mäusekäfig. Liess die Kamera aufnehmen, laufen. Licht an. Ungeduldig sein vortäuschen. Wieder zur Kamera unschuldig hochblicken. Zuerst die Scheu spielen. Dann grinste sie hob ihr Hemd und zeigte ihren Busen. Momentan spielte ihre Abneigung gegen das Körper zeigen keine Rolle. Die hinter der Kamera bemerkte sicher nicht ihre roten Wangen sondern nur den winkenden Finger, die Einladung. Lächeln, süss Lächeln und still denken; komm her du geiler, blöder Bock.
In den letzten Tagen prüfte man die Heimleitung strenger. Gerade entspannte sich die Lage. Man fühlte sich wieder sicher und die langweilige Routine kehrte zurück. Das nächtliche Telefon wühlte den jungen Jan schon aus seiner gewohnten Bahn. Häufig weinte Katalina nach den Besuchen ihrer Schwester. Es tat ihm weh wie sie litt und es zu verbergen versuchte. Andere Insassen besassen auch ihre schwachen Momente, doch keine von denen berührte ihn so wie Katalina. Die stolze Katalina mit der sich niemand anlegte. Die sich selber akribisch pflegte. Ständig sauber durch die Gänge spazierte. Kein einziges Mal bemerkte er störender Schweissgeruch an ihr. Ihre Haare alle drei Tage gewaschen. Sie verlangte selber einen festen Zeitplan, wann genau was für sie ideal war. Genoss den Anblick von ihrem wunderschönen Haar, wenn sie alleine war in ihrem Zimmer. Einmal am Tag, öffnete sie den langen Zopf und bürstete sie langen Wellen durch. Massierte ihre Kopfhaut und flocht wieder einen strengen Zopf. Sie war die ungekrönte Favoritin von ihm und seinem älteren Bruder. Sie nannten sie einfach Klasse. Vor allem Nachts, konnten sie die Monitore umschalten. Man sah dann die warmen, roten Körper, von der Wärmekamera. Erkannte wer schon alles ruhig schlief. Während die Meisten weggetreten schlummerten, betätigte sich Katalina sportlich. Muskeln dehnen, ihre Beweglichkeit verbessern und ihre Schnelligkeit steigern. Sie hatten es schweigend hingenommen. Niemandem das Sportprogramm verraten, welches Abwechslung lieferte. In dieser Nacht, zweifelte Jan ob es nicht klüger sei das zu melden. Schaute auf den perfekten Busen hinunter. Ihren schlanken biegsamen Körper kannte er von der Kamera. Nie jedoch demonstrierte sie so ihre freigelegte Haut. Normaler Weise verschwand sie hinter der Schranktüre um vor der Kamera versteckt zu sein. Auch eine Kleinigkeit die er und sein Bruder nicht meldeten. Schon daher respektierten sie Katalina mehr als die anderen gedankenlosen Insassen. Heute war einfach ein spezieller Tag. Unsicher sah er zu seinem gelassenen Bruder. Während seine gierigen Augen praktisch am Monitor klebten, sich kaum von ihm lösten, trank sein Bruder ungerührt seinen starken Kaffee. An seinen glänzenden Augen erkannte er dessen Schalk. Er genoss es genau so, behielt einfach Ruhe.
Innerlich zerrissen sah er seinen Bruder an. „Soll ich fragen was sie will?“
Sein Bruder prustete fast den Kaffee amüsiert wieder hoch. „Was willst du da fragen! Hast du Kondome dabei?“
„Selbstverständlich nicht. Was wenn sie nur rumschmusen will?“ Nun lachte der alte Bruder ihn wirklich aus. „Ihre Anzeige ist auf Grün. Klarer Verstand. Frag sie halt einfach vorsichtig wie weit sie gehen will. Denk daran, dem letzten der ihr ungefragt an den Arsch fasste, hat sie kaltblütig kastriert. Ich hoffe es stört dich nicht, wenn ich bei allem zusehe. Ich überwache dich hier weiter. Jede Minute bis du wieder sicher da bist“, drohte er ehrlich. Fasste kurz in seine Jackentasche. Und schob ihm zwei Kondome rüber. „Schön aufpassen, Kleiner. Das ist eine gefährliche Tigerin. Eine falsche Bewegung, halte dich also zurück und mache sie zuerst müde.“
Verwundert blickte der Kleine hoch. „Wieso hast du Kondome in deiner Jacke?“ Nahm es ihn zuerst Wunder. Der Ältere schaute ihn von oben herab an. Hob eine seiner buschigen Augenbrauen. „Was ich nach Feierabend mache ist meine Sache. Nicht immer ist ein Bier in der Kneipe, ein Bier. Da gibt es andere Möglichkeiten.“
Beeindruckt sah Jan die bisher unbekannte Seite seines Bruder. Erinnerte sich an die weiche Haut Katalinas. „Frauen sollte man nicht warten lassen.“ Flitzte davon mit der Silberpackung in der Hand. Kopfschüttelnd über die Ungeduld der Jugend, widmete der andere sich wieder seinem Kaffee. Ab sofort hiess es doppelt aufpassen. Er misstraute Katalina. Liess sich von ihrer Schönheit nicht so einfach blenden.
Angespannt wartete Katalina auf Jan. Hoffte wirklich das der Jünger kam, den beim älteren, wusste sie nicht wie weit sie gegen dessen überlegene Kraft ankam. Die unerfahrenen Jungen liessen sich einfach besser kontrollieren. Es klopfte unregelmässig an ihre Tür. Verriet ihr schon die Nervosität. Leise weich ihre Stimme. „Komm rein.“ Vorsichtig öffnete er, wagte sich aber nicht so Recht über die Schwelle.
„Jan, bitte! Ich kann nicht schlafen. Also setze dich bitte zu mir.“ Bat sie mit kindlich unschuldiger Stimme. Hastig eilte er an ihre Seite. Setzte sich verlegen neben ihr aufs Bett. Fragte naiv. „Was willst du tun?“ Erfreut strahlte sie ehrlich übers ganze Gesicht. Das ging ja einfacher als sie dachte. Sie nahm ihren Mut zusammen. „Zieh dein Hemd aus. Ich will dich ansehen.“ Mit zittrigen Händen öffnete er seine Knöpfe.
„Jan. So heisst du doch?“ Eifrig nickte er. „Kann dein Bruder uns hören.“ Diesmal missfiel ihr sein Nicken, liess es sich aber nicht anmerken. „Kann er wenigstens den Ton abschalten?“ „Natürlich. Bruder bitte Ton aus!“ Hörbar knackte es in der Leitung der Kamera.
„Jan. Ich “, es brauchte so viel Überwindung für sie das Auszusprechen. „Ich steh auf Spiele. Kann du mich ausziehen?“ Sie spielte die Unnahbare. Obwohl ihr Gesicht Ablehnend wirkte, leise ihre fordernde, lockende Stimme. „Tu es, zeig mir deine Kraft. Du siehst gut aus, aber ich kann dich nicht anfassen. Beachte dir Regeln und wir werden viel Spass haben.“ Fast unhörbar ihre süsse, leise Stimme. Liess sich das Hemd über den Kopf ziehen, hielt es für einen Moment vor ihrer nackten Weiblichkeit fest. Er riss es ihr unsicher weg. Tat aber was immer sie leise flüsterte. Mit nur in seiner Unterwäsche stand er schliesslich vor ihr. Wieder ihr Wunsch sich zuerst auf sie zu legen, mit seiner erregten Männlichkeit sich an ihr zu reiben. Fünf Minuten später flehte er förmlich um Erlaubnis seine letzte Kleidung abzustreifen. Sie drehte ihm den Rücken zu. „Zieh mich zu dir.“ Er umfasse ihre schlanken Hüften, riss sie förmlich an sich. Sachte wand sie sich aus seinem Griff. Tief besorgt ihr Gesicht. Hauchte, „Warte.“
Stand auf, während er verstört über die Pause auf dem Bett sitzen blieb. Dann erinnerte er sich. „Ich hab selber Kondome dabei!“ Fiel ihm helfend ein. Sie trat zu dem Mäusekäfig. Rasch das Handy in ihre Finger. Stoppte die Aufnahme und verschickte sie ihrer Schwester. Triumphierend ihr Lächeln. Winkte mit dem Handy fröhlich in ihrer Hand. Diesmal stockte sein Herzschlag. Mit einem Schlag alle seine harte Erregung wie weggeflogen. Erkannte die hinterhältige Falle. Stottern seine Stimme. „W.. was willst du wirklich?“
„Gut. Kommen wir ins Geschäft.“ Winkte der Kamera hoch, den Ton einzuschalten.
„Ihr seid beide liebe Jungs mit denen man verhandeln kann.“ Sei gab das Telefon freiwillig in Jans Hände. „Ich hab das Video verschickt. Der Ton war abgeschaltet. Kannst du alles überprüfen. Ihr wisst schon wie das eben ausgesehen hat. Ich will eine Woche Ausgang. Nach einer Woche bin ich wieder freiwillig zurück. Vertuscht das irgendwie.. das ich vorübergehen verlegt worden bin. Euch wird schon was einfallen.“
Mit gekreuzten Händen vor ihrer Brust stand sie da. Selbstbewusst und Zielstrebig. Erwartete das sofortige Erfüllen ihrer Forderung, egal wie unverschämt diese rüber kam. Liess den Brüdern nur kurze Zeit zum verdauen. Eilig schlüpfte Jan beschämt in seine Kleider zurück. Verärgert über seine Dummheit. „Was wenn ich lieber eine Kündigung akzeptiere?“ Soweit reichte sein eingeschalteter Verstand. Er wusste genau was ihm drohte, sollte das Video veröffentlicht werden. Unbeeindruckt stolzierte Katalina überlegen vor ihn. „Bei einer einfachen Kündigung wird das nicht bleiben! Es wird ein öffentlicher Skandal über diese Klinik geben. Ich werde allen auf Youtube zeigen wie hier mit Patienten umgesprungen wird. Dein Ruf, dein Gesicht kannst du danach nirgendwo mehr zeigen. Wollt ihr beide das! Eine Woche Ausgang und Morgen werde ich das Video löschen… ne ich behalt es als Erinnerung. Aber ich bitte Safa darum, ihren Clip unangesehen zu löschen. Mein Wort darauf. Es wird nicht gegen Euch verwendet werden, wenn ihr mir den Urlaub verschafft.“ Nachdenklich drehte Jan das Telefon eine Weile unentschlossen in den Händen. Oberflächlich warf er einen prüfenden Blick auf das unheilvolle Teil. Schliesslich wollte er wissen. "Du willst zu deiner Schwester?" "Na klar. Wohin so..."
Ihre Türe wurde aufgerissen. Der Ältere stand zornig da. „Was redest du für einen Unsinn. Wir behandeln hier die Insassen anständig. Das hier war ein einsamer Ausrutscher und mein Bruder wird die bösen Konsequenzen ausbaden.“
Mit einem Ausdruck des Bedauern trat sie zu dem Überlegenen Part. Winkte ihn zu sich hinunter um ganz leise zu verraten. „Eure Kameras laufen noch. Die dürft ihr erst nach einem Jahr löschen. Ich hab nie laut gesagt, dass dies alles von mir geplant oder vorgespielt war. Das Band wird gegen Euch verwendet. Also bitte seit vernünftig. Lass mir eine Woche Freiheit. Und es wird kein Schaden angerichtet. Ich versuche auch ganz brav draussen zu sein. Unauffällig ohne Spuren zu hinterlassen. Wäre das ein Deal?“
Unzufrieden richtete sich der grosse Wächter auf. In seinem Gesicht zog sich jeder Muskel zusammen. „Nach einer Woche bist du wieder da. Dein Ehrenwort?“ Unsanft hieb er einen Finger dorthin wo ihr Herz schlug. Inbrünstig hauchte Katalina, „Ja, versprochen. Ich mag eigentlich euch zwei. Ihr seid immer höflich.“ Der grosse machte eine wegwerfende Bewegung zu offenen Tür. „ Lass die Schmeichelei und zisch ab!“
Sauer sein Blick zu Jan. „Ich habe es dir doch gesagt. Das ist eine unberechenbare Tigerin.“ Lachte. „Ich freue mich schon wenn die wieder da ist.“
Hinter seinem Rücken drohte Katalina. „Ich bin noch da! Muss erst was richtiges Anziehen. Ich renn doch nicht im Schlafanzug durch die Gegend. Bin ich den Irre oder was?“
Darauf ernte sie einen scheelen Blick von den Männern. Sie sparten ihre Kommentare.
Nach einer halben Stunde verliess sie heimlich durch einen Hinterausgang das Klinik Gelände. Feuchte Wolken zogen am Himmel dahin. Versteckten die Sterne. In dieser Nacht blieben die Strassenlaternen an. Die neue Adresse, in Zürich, kannte sie. So früh fuhren schon die ersten Tram und Busse. Brauchte beinahe eine Stunde bis sie vor der feudalen Villa stand. Grosse Eisengitter versperrte die breite Einfahrt. Anständig drückte Katalina auf den Klingelknopf. Nach dem vierten Klingel eine Stimme über die Sprechanlage. Schon auf dem Hinweg zerbrach sich Katalina den Kopf nach einem Grund wie sie in ein bewachtes Haus hinein gelangte. Wie an loyalen Angestellten vorbei kommen? Sie fragte höflich ob sie ein paar ihrer Sachen, welche Safa damals mitnahm, abholen könne. Die massiven Tore blieben geschlossen. Man beratschlagte sich im innern. Schliesslich fragte sie einfach nach einem grünen Koffer mit dem Totenkopf darauf. „Bitte sorgfältig tragen, ist Sprengstoff darin. Wenn sie mir nicht glauben. Ich kann ihnen die Zahlenkombination verraten um nachsehen.“ Diesmal summte das automatische Gitter zur Seite auf. Gespannt, mit langen Gesichtern wurde sie kritisch beäugt. Ihre einfache Erscheinung überzeugte wenig. Dankend stellte sich Katalina vor. Fragte nach ihren Sachen. Man führte sie die Treppe hoch. Alles schön fein geputzt. Jeder Bilderrahmen abgestaubt. In der alten Villa knarrten noch die hölzernen Treppenstufen bei jedem Schritt. Man führte sie in ein kleines Zimmer. Alles was man von Safa, nicht wusste wie es zu versorgen sei, stapelte sich hier ordentlich auf stabilen Gestellen aus Eisen oder Holz. Sie rieb sich die Hände. Suchte ihren gefährlichen Koffer hervor. Voraussehend hatte sie einmal einen Bild drauf geklebt der hiess nicht an die Sonne stellen. Daher suchte sie in den dunklen Ecken des Zimmers. Zwischendurch leerte sie einen Schalenkoffer. Stapelte die Taschenbücher in einer Ecke um danach ein paar alte, frühere Kleider von ihr einzupacken. Erst als der Kleiderkoffer beinahe halb voll war, öffnete sie ihre schweren Koffer. Andauernd stand während ihrer Sucherei jemand im Türrahmen und überwachte sie. Zu dieser Person meinte Katalina warnend. „Bitte in den nächsten Minuten keine Panik. Das Zeug ist gut gesichert. Ich habe mich informiert wie man mit dem Zeug umgeht. Und bitte erschrecken sie mich nicht.“ Sie hielt die Finger an die Lippen für still. Erst danach wählte sie den Code um zu öffnen. Langsam drückte sie den Deckel hoch. Auf einer Seite waren einige Waffen gut befestigt. Auf der anderen… sie packte erst ihre Eroberungen ein. In der Langstrasse war Nachts, zwischen den Kriminellen, viel los. Katalinas Beute nach einem Überfall. Vier Handgranaten. Zuerst hielt sie das ganze für einen miesen Bluff. Erinnerte sich jedoch genau an den Schock an diesem Abend. Ein Betrunkener schrie auf einem Balkon rum. Predigte der Welt den Untergang entgegen, Damals schrie sie zurück, „Ich werfe dir gerne den ersten Stein in den Garten.“ Schmiss eine der harmlosen Granaten hoch. Schlecht gezielt traf sie zum Glück nur den leeren Balkon von Nachbarn. Höhnend lachte der Betrunkene zu ihr hinter. Fünf Sekunden lang. Hunderte von Betonstücke schleuderte der explodierte Balkon in alle Richtungen. Ein Ohrendbetäubender Knall der die umliegenden Fenster zersplittere und die sensiblen Alarmanlagen der Autos losheulen liess. Sie war für einen Moment genauso erschrocken wie der Betrunkene der garantiert ein paar Splitter abbekam. Jedoch rannte sie entschieden schneller über die Gassen davon als er zurück in sein sicheres Zimmer.
Drei dieser kleinen grünen Granaten lagen harmlos da. Sie packte sie als erste rein. Kleider drauf. Vier hübsche Taser. Diese Elektroschocker hatte sie einst im Tausch gegen die vielen Waffen bekommen die sie in einem Monat erbeutete. Mit genügend Kartuschen um nachzuladen. Eine ihrer absoluten Lieblingswaffen. Die Handfeuerwaffen liess sie unbeachtet. Da sie immerhin noch einen Flug bis Russland brauchte, sorgte sie sich um die Kontrolle beim Gepäck. Sie brauchte unbedingt ein entsprechendes Kleid. Das Kostüm der braven Nonne fiel ihr spontan ein. Ja damit hatte sie schon grossen Erfolg in der Langstrasse. Mancher Sünder zahlte kräftig drauf, wenn sie die Seiten wechselten und auf einmal seine Geldbörse weg war. Hinter ihr ein sachtes Räuspern. Den wachsamen Augen war nicht entgangen was sie da einpackte. Vorsicht packte sie ihre Reserven wieder zu. Versorgte sie an den alten sicheren Platz. Ihren Koffer schloss sie ganz sachte. Ihre Stimme liess die Haushälterin zusammen zucken. „Bleiben noch Pass und Ticket und schon bin ich weg. Wo sind der PC und das Esoterik Bücherregal?“
Im Regal suchte sie nach einem speziellen Buch. Nach einigem Suchen, fischte sie ihren Pass heraus. Reichte ihn der Haushälterin hinter ihr. „Schauen sie selber.“ Setzte sich schon an den PC. „Hab meine eigene Seite. Ich komme genauso wenig bei Safa rein, wie sie bei mir. Aber das Postkonto teilen wir…u.. Himmel hoch mal!!“ Sie fiel fast vom Stuhl als sie die fast Zweihunderttausend bemerkte. „Der Typ Sirinovska hat ja wirklich Geld. Keine Sorge, ich nehme nur das fürs Flugticket, etwas zu Essen, Taxi…“, sprach sie mehr zu sich selber. Erneut räusperte sich die junge Frau im Hintergrund. Von wegen es gab nur ältere Haushälterinnen. Diese hier hatte ihre Job gleich nach der Ausbildung bekommen, so jung sah sie aus. Lächelnd reichte sie den Pass zurück. Strich mit einer Hand prüfend über ihr Kopftuch. „Fliegen sie mit der normalen oder unseren besonderen Airline?“
Unbegreiflich sah Katalina hoch. Manchmal waren sie und ihre Schwester zu ähnlich. Man las einfach deutlich aus ihrem Gesicht. Die junge Frau an ihrer Seite beugte sich zur Tastatur vor. So flink ihre Finger, das Katalina die Bewegungen nicht nachvollziehen konnte. Nach wenigen Sekunden blinkte am Monitor eine V-Airline auf mit den entsprechenden Angaben über Plätze und Preisvorschläge. Katalina murmelte. „Kenne ich gar nicht. Sind das nicht überteuerte Preise?“
Die Frau an ihrer Seite verneinte kopfschüttelnd. „Angemessen. Der nächste frühe Flug in zwei Stunden. Sie wollen bestimmt zu ihrer Schwester, nehme ich an?“ Tippte Hinweisend am Monitor an die entsprechende Stelle. Leider gab es keinen direkten Flug sondern nur einen mit dem sie erst am frühen Abend am Zielort ankam. Nachdenklich wägte Katalina ab als über ihre Schulter die Haushälterin riet. „Nehmen sie unsere Airline. Wir sind toleranter was…“ Vielsagend deutete eine Hand zum Koffer. Zustimmend nickte Katalina. Wunderte sich aber warum sie so vertraulich auf eine Fremde reagierte. Vielleicht lag es an der angenehmen ruhigen Stimme. Egal, sie löste das Ticket und bezahlte. Später fragte sie hoffungsvoll. „Könnten sie mir bitte die genaue Adresse schriftlich geben? Ich kann Russisch überhaupt nicht ausschreiben. Es wäre schön wenn sie mir einen Zettel mitgeben, damit der Taxifahrer besser versteht wohin ich möchte.“
Das „selbstverständlich“ gefiel ihr. Druckte bereits ihr Ticket aus. Legte es zu ihrem Pass. Das dieser kürzlich ablief, kein Problem. Für eine Woche gab es die Notverlängerung für hundert Euro, beim Flughafen.
Fehlte nur noch das gewisse Kostüm. Fand es in einem alten Karton. Hielt das schwarze Kleid probeweise vor sich hin, beim Spiegel, als es hinter ihr unverschämt losgackerte. Die dunkelhaarige Angestellte hielt sich am Türrahmen fest und lachte tränen. Rief nach unten. „Boris, das musst du dir ansehen!“
Energisch verteidigte sich Katalina. „Ich weiss es ist…krass. Aber gibt es eine bessere Lösung damit der Koffer beim Zoll weniger untersucht wird?“ Hinter ihr lachten sie schon ihm Duett.
Katalina fand den Witz eigentlich gar nicht so toll. Da half ihr die Frau nach. „Sie wissen wohl sehr wenig über unsere Art. Damit… wenn sie das wirklich anziehen, schaue ich mir die Liveübertragung von unserer Flughafenkamera an. In den Genuss kommen nur die engsten Mitglieder vom Königshof. Bisher sah ich keine Notwendigkeit mich einzuloggen, aber das lasse ich mir nicht entgehen. Da wird ein riesen Spass! Tun sie mir den Gefallen, bitte. Ich bin übrigens Sophia und Boris macht schnell Frühstück unten für uns alle.“
Umständlich kroch Katalina in das schwarze, weite Kostüm. Dann noch ein weisses Stirnband das ihre Haare vorn versteckte und ein weisse Halskrause. Am Schluss die schwarze Haube mit dem weissen Innenfutter. Staunend hielt Sophia inne. „Sie sehen darin wie eine echte Nonne aus. Mit dieser geraden Haltung, diesem bescheidenen Lächeln.“ Die gute Sophia ahnte ja nicht wie lange Katalina für so eine Unschuldsmine übte. Geprobt hatte bis zur Perfektion und sie jeder Gauner in der Langstrasse für ein leichtes Opfer hielt. Dabei war sie der Alphawolf im Lammfell. Mit kleinen Schritten tänzelte sie einmal in Kreis, wie ein junges Mädchen. Begeistert klatsche Sophie in ihre Hände. „Niemand wird ihre Identität anzweifeln. Übrigen… das wird helfen.“ Dabei hielt sie ein rundes Bild von 20 Zentimeter Durchmesser hoch. Ein Wappen aus rot /blauer Farbe und einem starken, aufgerichteten Bären in der Mitte. Als Katalina es mit den Fingern berührte, bemerkte sie die Rückseite war mit Selbstklebefolie beschichtet. Sophie klebte es sofort auf die Vorderseite des Reisekoffers. „Das Wappen der Sirinovskas und gleichzeitig als eine Diplomaten Etikette bekannt. Die dürfte sicher beim Schweizer Zoll helfen. Das Wappen verschafft in Russland einen gewissen Respekt. Aber passen sie gut auf den gezeichneten Koffer auf. Das Wappen erleichtert das Reisen wird aber auch gewisse unehrenhafte Kreise als lohnendes Ziel wachrufen. Darf man fragen wozu sie den Inhalt benötigen?“
„Jemand hat auf meine Schwester geschossen. Er wird es bitter bereuen wenn ich ihn finde. Niemand quält eine Burgler oder ich spring ihm an die Gurgel.“
Beruhigt stimmte ihr Sophia zu, verstand allerdings den Witz nicht, den Katalina so lustig fand. Ahnte glücklicher Weise nichts über Katalinas schlimme Vergangenheit.
Man beeilte sich mit dem Frühstück und Boris, der auch neben der Gartenpflege den Chauffeur übernahm, fuhr sie direkt zum Flughafen. Nach der Verlängerung des Passes, wo man kritisch ihre verhüllende Uniform betrachtete, ging es ohne Zwischenfälle weiter. Der Koffer wurde aufgegeben. Boris kannte bestens den Weg zu ihrer besonderen Airline. Was Katalina diesmal nicht ahnte, wie weit die hervorragenden Vampiraugen ihr nachsehen. Genau mit verfolgten wie die anderen Fluggäste der V-Linie grossen Abstand zu ihr hielten. Lachend kehrten Boris und Sophia zurück zu ihrem Auto. Telefonierten dort Mikael um ihn auf die bald ankommende Schwester vorzubereiten. Da sie ihn nicht persönlich erreichten hinterliessen sie ihm eine Nachricht auf dem Beantworter.
Auf diesem ruhigen Flug schlief die Nonne ungestört durch. Niemand wagte sie zu wecken oder gar anzufassen. Überhaupt war es ungewöhnlich still auf diesem Flug. Die Vampire wussten nicht ob sie lachen oder weinen sollten, als sie eine übereifrige Katholikin sahen, die sich in Zentrale ihrer heilige Hochburg wagte um zu missionieren. Manch einer hielt es für einen schlechten Witz. Auf jeden Fall für dringend Notwendig wieder neue Informationen zu sammeln was eigentlich in ihrem Königreich, seit der unerwarteten Ankunft ihres neuen Regenten, passierte. Nonnen in ihrem Königreich!! Was kam sonst noch?
Erst gegen den Abend, nach einem langen Zwischenstopp in Moskau der zwei Stunden versäumte, landete die Maschine auf dem geheimen Stützpunkt. (daher wird Namen hier auch nicht verraten). Katalina liess sich die ermüdenden Strapazen nicht anmerkten. Mit gerader Haltung stieg sie aus. Erst einmal umschauen in der hellen Halle. Die grossen Tore schlossen sich gerade und stoppten den Blick in die Dunkelheit hinaus. Angenehm überraschte sie diese moderne Fluggesellschaft. Staunend genoss sie den ersten Eindruck ein paar Sekunden, ehe sie die mobile Treppe runter stieg. Wohl bemerkt, solange sie oben stand, traute sich keiner an ihr vorbei zu drängeln. Sobald sie aber den breitflächigen Hallenboden betrat, eilten die anderen Mitreisenden förmlich an ihr vorbei als hätte sie einen blinkenden Atomgiftmüllaufkleber auf ihrem Rücken geheftet. Um den Anschluss nicht zu verlieren legte Katalina auch einen flotten Zahn zu. Schliesslich war es einfacher der Gruppe zu folgen als alleine in einem Land den Schildern zu folgen, die man nicht lesen konnte. Dabei entstand zwischen ihr und den Flüchtenden ein kleines Wettrennen. Das ahnungslose Bodenpersonal wunderte sich, warum auf einmal alle Fluggäste von diesem gewöhnlichen Flug, förmlich auf sie zurasten.
Bei der Passkontrolle, der zugeschobene Pass wurde nicht mal geöffnet. Nur überraschte, grosse Augen starrte sie verblüfft hinter den gepanzerten Scheiben an. Dann folgte hemmungsloses Gelächter. Die zwei Kontrolleure sahen sich gar nicht ihre Personalien an. Einer fragte keuchend nachdem er sich einigermassen erholte. „Wer hat sie denn hierher bestellt? Jemand der noch das frische Blut einer jungfräulichen Katholikin bevorzugt? Ich hoffe er hat angemessen dafür bezahlt!“ Winkte sie erfreut weiter. Dennoch verstand Katalina noch den anderen. „Müsste die nicht als Gepäckstück deklariert reisen?“ Das Gelächter verfolgte sie noch lange. Erleichtert fasste sie endlich ihren Koffer und fühlte so was wie willkommen Sicherheit. Frohen Mutes zur schlimmsten Fase ihrer Reise, die Kofferkontrolle. Hob ihn vorsichtig auf das Scanner Fließband. Mit dem Wappen nach oben. Die Leute von der Kontrolle grinsten ungeniert ab ihrer ungewöhnlichen Erscheinung. Einer Scherzte noch mit einem bedeutsamen Blick auf den schweren Koffer. „Bibeln.“ „Ja“, versicherte sie stolz. „Meine Religion. Meine Gerechtigkeit.“ Unter dem Bodyscanner kam sie ohne einen Piepser durch. Allerdings schrillten die Alarmglocken von der Scanner Maschine empört auf. Einer der Kontrolleure stand auf um am Monitor zu lesen was da leuchtete. „Roter Alarm!“ Brüllte er los. Alle flüchteten an die weit entfernte Wand oder unter ihren sicheren Bürotisch. Da alle in Deckung gingen nutze Katalina das für sich. Packte ihren Koffer und rannte zum Ausgang. Dummerweise schloss die Türe gerade vor ihrer Nase. Sie hob den Koffer und wandte sich herum. „Soll ich den hier drin aufmachen!“ Hastig drückte einer der Angestellten den Knopf. Lautlos surrten die Glasscheiben auf die Seite.
Die anderen Fluggäste staunten nur. Hielten das ganze für einen weiteren Scherz. Oder neuerdings versteckte Kamera für Vampire. „Bibeln?“
Aufgeregt die Stimme von Kontrolleur. „NEIN, Sprengstoff um einen ganzen Panzer in die Luft zu jagen!“ Danach lachte niemand mehr über die ungewöhnliche Nonne. Höchsten einer meinte gelassen. „ Haben wir doch hier im Land genug.“
Wie angeraten suchte Katalina hastig nach einem Taxi mit dem Wappen der Sirinovskas auf der Scheibenfront, da dieses Direkt zum Hotel fuhr. Kaum sass sie erleichtert drin, sah der flüchtig nach hinten. „Falsches Taxi“, gab er ihr einen gut gemeinten Rat. Wütend fuhr sie ihn an. „Beweg deinen Arsch!“
Er lachte unbeeindruckt dreckig. „Sonst was?“ Sie öffnete rasch den Koffer. Geübte Finger schoben eine Kartusche in den Taser der schon aussah wie eine zu breite Pistole, da raste das brave Taxi schon los. Sie fragte. „Darf ich.“ Hielt ihm das Kabel für den Zigarettenanzünder hin. In keiner Weise wirkte er beunruhigt. Auf einmal realisierte sie überrascht, dass niemand aus der Flugzeughalle ihr hinterher rannte. Oder auf sie schoss. Irgend etwas lief hier ganz seltsam ab. Er meinte ruhig. „Batterien leer.“ Sie nickte. „Könnte sein, hab sie seit einem Jahren unbenutzt gelassen.“ Länger warf er ein paar Blicke auf die Waffe die sie, nach dem Sichern, in einen Gürtelholster versorgte. „Das ist aber kein zugelassenes Model für Europa und von dort kommen sie doch her?“ Bemerkte er schnell.
„Nein, hab ich auf dem Schwarzmarkt eingetauscht. Fünf Meter Reichweite, bis 1000000 Volt einstellbar.“ „Nette Religion.“ „Womit kommt man heute weiter? Mit einer Bibel oder einer Waffe?“
Er lachte nur. Das beleuchtete Hotel kam bald in Sichtweite. Sie nahm wunder. „Gibt es einen Hintereingang für Angestellte?“ „Hey“, seine Stimme bekümmert. „Du machst aber keinen Anschlag auf den jungen König?“ Sie verstand nur Bahnhof. „König? Ich dachte es gibt nur einen Präsidenten. Pudel. Pudlin… egal. Würdest du mit so einem auffälligen Kleid den Vordereingang benutzten? Alle lachen mich aus.“
Übereinstimmend nickt er mit dem Kopf. Sie reichte ihm die alten Rubelnoten. Er übergab den aufgeladenen Taser. „Viel Glück beim rein schleichen.“ „Danke.“
Eine kleine Glühbirne, geschützt von einem Blechdach gegen Regen, beleuchtete den bescheidenen Hintereingang. Sie stellte den Koffer ab. Deckel auf. Taser ein. Schweizer Taschenmesser raus. Reisverschluss zu. Klopfte brav an. Sie schätzte so gegen neun Uhr Abend war bestimmt jemand da. Vor allem bei diesem grossen Hotel. Allerdings wusste sie nicht was hinter massiven Türe lag. In einer Küche wo gerade Hochbetrieb herrschte hörte man zwischen dem Brodel, Schmoren, Pfannen und Topfgelapper rein gar nichts von ihrem anklopfen. Die Türe liess sich aber mit einem Schlüssel öffnen. Also Taschenmesser raus, den Schraubenschlüssel suchen… Ein eiskalter Schauder erfasste Katalina. Als sie hochblickte stand neben ihr ein zwei Meter hoher Mann, in genauso seltsamer Kleidung wie sie. Dabei hatte sie hatte keine nähernden Schritte gehört. Er stand da in seinem dunkelroten Trenchcoat, schwarze Militärstiefel, schwarze Kleidung allgemein. Von der Weste bis zu Hose. Auffällig die runden Brillengläser mit dem getönten orangen Farbton. Er musterte Katalina genauso unverschämt. „Du meine Güte,“ sein gedehnter Kommentar. „Aus welchem Kloster hat man dich den rausgelassen?“ Er mit seiner dunklen, wilden Frisur und dem bleichen Gesicht. Daher antwortete Katalina genau so direkt. „Du siehst auch nicht so frisch aus. Eher als wärst du gerade vom nächsten Friedhof auferstanden.“ Er hielt es für unwürdig ihre Provokation zu beachten. Schmolz wie freie Materie einfach durch die Türe hindurch als sei kein Widerstand da. Ein monströser Schlag traf Katalina. Sie starrte geschockt auf die Türe. Das Messer glitt ihr aus der tauben Hand. Ungewollt kreischte sie hysterisch auf. „Oh mein Gott! Ein Geist!“ Sie schlug die Hand entsetzt vor den Mund und tat sich dabei selber weh. Vor purer Angst legte sie zum ersten Mal seit Jahren wieder einmal den Rückwärtsgang ein. Nach ein paar Schritten bekam sie wieder Luft. Sagte zu sich selber, „Beruhige dich! Nur ein harmloser Geist, absolut ungefährlich.“ Stemmte kurz ihre Hände an den Oberschenkel ab. Atmete tief durch. Das wertvolle Messer fiel ihr wieder ein. Sie begann es zu suchen.
Dr. Card hörte sehr wohl ihren entsetzten Aufschrei. Sein rasches Urteil: Immer diese ungebildeten Frischlinge, die keine Ahnung haben.
Besann sich dann aber anders. Ihre fürchterlichen Nonnenkleider reizten ihn geradezu sie noch einmal zu erschrecken.
Gerade als Katalina das Messer erleichtert zwischen ihren zitternden Fingern hielt, materialisierte sich die grosse Gestalt vor ihren Füssen. Wieder wurde ihr fast Schwindelig. Keuchte erschrocken nach Luft und sprang zurück, das Messer rutschte beinahe aus den Händen. Fing es im letzten Moment jedoch auf. Diesmal hatte sie ihren Atem schneller unter Kontrolle. „Sag mal spinnst du! Ich bekomme fast einen Herzinfarkt. Mach das gefälligst woanders!“ „Ich dachte du brauchst die Schlüssel“. In seiner grossen Hand baumelte dieser an einem Ring. Erleichtert wollte Katalina danach greifen. Er fragte ungeniert. „Bist du wirklich noch Jungfrau?“ Ihre Augen weiteten sich. Riss den Schlüssel förmlich an sich. Funkelte ihn böse an. „Danke. Der Rest geht dich einen blöden Scheiss an!“
Ihn wunderte allmählich wie schnell ihre Angst verflog. Andere junge Vampire bekamen erst richtig Angst nachdem sie seine mächtige Aura analysierte. Sie dagegen vollführte gerade das Gegenteil. Den tiefen Schreck konnte er ihr anriechen. Überhaupt roch sie voll nach Mensch. Ihre Verwandlung musste sehr frisch sein. Unerwartet kam sie neugierig auf ihn zu. Für gewöhnlich genügte sein normales zurückgehaltenes Kraftfeld um neugierige Artgenossen abzuschreckend. Jeder vernünftige Mensch mit klarem Verstand würde spätestes jetzt die Flucht ergreifen, im Eiltempo. Sie wagte sich unaufgefordert in seine Todesnähe. Ihr Zeigefinger berührte ihn vorsichtig am Ärmel. Als der schwere Stoff unter ihrem Druck nachgab, murmelte sie verblüfft. „Wie ist das möglich? Wo ist der Trick?“ Tastete bereits nach dem Ärmel mutiger an seiner Weste herum. Furchtlos ging sie ihm unter die Wäsche. Als sie ihm sogar am flachen Bauch anfasste wurde es zuviel. „Sind wir für Doktorspiel nicht zu alt?“ Wich durch die geschlossene Türe zurück, schliesslich brauchte man ihn noch in den oberen Räumen. Da hörte er nach wenigen Metern ihre kräftige Stimmte. „Komm zurück wenn du dich traust!“ Das tat ihm weh. Tausende hatte er im Krieg getötet. Unzählige in den Wahnsinn getrieben. Seine mächtigen Feinde respektierten ihn, genauso wie seine engsten Freunde. Doch dieser kleine, unbedeutende Wurm wagte ihn heraus zu fordern. Er war die Aufregung überhaupt nicht wert. Eine eisgekühlte Welle erfasste ihn, als ein Kellner neben ihm die Tiefkühlkästen öffnete. Still grinste er vor sich hin.
Nach seinem Verschwinden tauschte sie hastig das Taschenmesser gegen den wirkungsvolleren Taser aus. Geduldig wartete sie angespannt auf den Moment wo er wieder durch die Türe käme. Sie wartete vergebens. Nach einer Minute setzte sie vorsichtig einen Fuss nach vorne. Hinter ihr flüsterte jemand mit einem warmen Atem in ihr Ohr, „Zu langsam“.
Das Herz rutschte ihr förmlich in die Hosen. Sie zuckte abermals zusammen. Behielt allerdings ihre Waffe in der Hand. Fuhr herum doch da war niemand. Als nächstes spürte sie einen kräftigen Zug an ihrer Halskrause. Wieder umdrehen, da war niemand und das spöttische Lachen verschwand im Haus. Eiskalt rutschte ihr der Eiswürfel unangenehm den Rücken hinunter. Veranlasste sie eine halbe Minute, zu einem wilden Tanz, bis sie sich endlich befreite. Als erstes schmiss sie die doofe Nonnenhaube in ihren Koffer. Halskragen und Stirnband hinterher. Nur der Rest, damit musste sie bis zum Zimmer ihrer Schwester warten. Wütend schloss sie endlich die Türe auf. Nahm die Waffe in ihre Hüften. In die andere den Koffer und marschiere mit bitterer Miene hinein, in die geschäftige Küche. Das Abendessen, was davon übrig blieb, kam gerade zurück. Hastig schickte man denn Dessert gerade hinaus. Verwundert verfolgte sie das Treiben eine Weile bis sie sich zu Recht fand. Inmitten einer Menschenmenge völlig ignoriert zu werde, das kannte sie auch noch nicht. Ausserdem wusste sie bei dem fleissigen Gewimmel gar nicht wo der andere Eingang war. Jemand entdeckt beim vorbeigehen ihren Schlüssel und forderte ihn augenblicklich zurück. Ein Blick in ihre halb zugekniffenen Augen reichte aber aus um ihn zu bremsen. Bevor sie ihre zusätzliche Taserwaffe unauffällig nach vorne schob, wich er bereits zurück. Hob beide Hände. Da er ein harmloser Angestellter war, überreichte sie ihm den Schlüssel. Da er gar nicht wagte danach zu greifen, knallte sie ihn auf die nächste Ablage. „Safa Burgler. Wo ist die?“ „Safa“, Dieses Wort kannte er. Deutete nach oben. Zeigte mit dem Finger auf drei und hoch zur Decke. Dankend verliess Katalina die überfüllte Küche. Nur mit dem schwarzen Kleid, ohne die Haube fiel sie weniger auf. Da sie weder einen Gürtel noch Taschen bei dem schlichten Kleid besass, hielt sie den Taser einfach hinten an ihrem Rücken versteckt. Sobald sie neben der Treppe den Fahrstuhl fand, stand sie wartend mit den Rücken zur Wand. Beobachtete die wenigen Leute in der Empfangshalle die an kleinen Tischen ihren Kaffee genossen. Niemand schenkte ihre Beachtung.
Ausser einer hübsche junge Frau, Mitte dreissig, in einem schneeweissen Kleid und dunkelbraunem, offenem Haar, welches in gestylten Wellen die Schultern bedeckte. Katalinas ersten Eindruck; Wow, wunderschönes Model. Der zweite, die ist ja hässlich. Ihre gerade, leicht längliche Nase, das ging ja noch. Aber der hochmütige Ausdruck in den grossen, Augen mit den künstlich angeklebten Wimpern zerstörte ihre natürliche Schönheit aus der Nähe. Genauso wie der bittere Ausdruck um den rot geschminkten Schmollmund, sobald sie Katalina entdeckte. Die glänzenden rotbraunen Haaren sprangen der Dunkelhaarigen sofort ins Auge. Sie murmelte ein paar Worte zu ihrer blassen Begleiterin. Diese rief ihr noch besorgt nach, „Comtesse!“ Doch diese wollte nicht mehr hören. In ihren hochhackigen Schuhe tänzelte sie auf den Lift zu. Liess in dem engen Kleid ihre Hüften betont schwingen. In dem tiefen verzierten Ausschnitt kamen ihre prallen Brüste herrlich zur Geltung, genauso die schmalen Hüften. Dummerweise ihr breiter Arsch auch. Trotzdem verschmolz ihr eleganter Gang alles zu einer Perfektion. Darin verstand sie meisterhaft alle Blicke auf sich zu ziehen. Sogar die Bewundernden sowie Feindseligen vom anderen weiblichen Geschlecht. Comtesse Melanie war eine hohe Klasse für sich. Sie wusste das. Nutzte das schamlos zu ihren Gunsten. Mit einem verächtlichen Blick, versprühte sie ihre offene Feindseligkeit Katalina zu.
Nur einem stillen Beobachter fiel der krasse Gegensatz auf. Die in Weiss, hochadelige Comtesse, aufgebretzelt über allem erhaben, wie ein teures Luxusauto. Daneben die schlichte, junge Frau im hochgeschlossenen schwarzen Kleid, mit dem schönen geflochtenen Haar. Das reichte ihr genauso zur Zierde, wie die teuren Diamanten den die Comtesse um ihren Hals trug. Katalinas schlichte Eleganz benötigte keine Verschönerung.
Beim Warten auf den Lift, bemerkte Katalina zwei Sachen. Eindeutig betrachtete sie die andere Frau wie ein giftiges Insekt. Daher lies sie ungern diese unsympathische Person aus den Augen. Plötzlich nahm ein seltsames Gefühl überhand. Eine gewaltige unsichtbare Macht kam auf sie zu. Verunsichert sah Katalina abgelenkt für einen Moment zur Seite. Doch da war niemand. Nur Schritte eilten bereits die Treppe hoch. Schielte flüchtig zu der unnatürlichen Schönheit zurück. Drohend spähte diese wie auf einen ekeligen Wurm hinunter. Das unschuldige Klingeln schreckte Katalina aus ihren grübelnden Gedanken. Die Lifttüren schoben sich lautlos zu Seite. Ganz offensichtlich bestand die Brünette auf ihren Vortritt. Das entsprach sogar ganz Katalinas Absicht. Als zweite ging sie in den engen Lift. Von einer dritten Person klapperten die hastigen Schritte heran. Jedoch drückte Katalinas Finger auf das schliessen der Türe. Erkannte jedoch im Spiegel, der eine ganze Wand ausfüllte, dass die ältere Frau schneller war. Da hielt sie Absichtlich den Taser in ihrem Rücken etwas tiefer. Mit einem Aufkeuchen verzichtete die nette Person klugerweise auf die Liftfahrt. Comtesse drückte den zweiten Knopf. Kaum schlossen sich die Türen meinte ihre durchaus sanfte Stimme, „Sind wir die zweite Geliebte?“ „Welches ist den die erste?“
Abwertend ihr Ton. „So eine Safa. Was für ein absonderlicher Name. Wer sind sie?“ „Katalina, auch so ein Spezieller Name, den sie sich merkten sollten.“
Die schwarzen Augen der Comtesse leuchteten warnend auf. Durch den schwarzen Eyeliner den sie grosszügig Auftrug, wirkte der Effekt sogar für Katalina beeindruckend. Diese winkte und setzte ein frechfröhliches Lächeln auf. „Ich bin die böse Schwester und trete ihnen empfindlich in den Arsch sollten sie Safa je zu nahe kommen oder sie respektlos behandeln.“
Ungläubig musterte die Comtesse den Exoten vor ihrer Nase. Prüfte sekundenlang den Geruch. Dann lachte sie amüsiert Katalina aus. Wertete ihr Drohung als wertlos aus. „Lächerlich. Schwacher Mensch. Keine Sekunde hältst du einen Angriff aus.“
Das Klingeln verriet das Ankommen des Stockwerkes. Weiterhin lachte Comtesse vor sich hin. „Lerne erste einmal vor wem du dich zu verbeugen hast. So was wie du dient in unserer Gesellschaft höchstens als Fussabtreter. Unterstes Niveau.“ Rauschte, von sich selber überzeugt, auf ihr Zimmer zu. Katalina setzte einen Fuss zwischen die schliessende Lifttüre. Als diese wieder aufschwang legte sie den Koffer, Reissverschluss halb offen, neben den Teppich auf den Korridor. Ihre Stimme hallte in den Gang hinein. „Wie lange kannst DU meinen Angriff aushalten?“
Angesäuert hielt die Comtesse in ihrem schwingenden Gang inne. So eine offene Frechheit war ihr in den letzten Jahren nie begegnet und noch weniger überleben sie. Ihr Lächeln gefror zu einer aggressiven Maske. Ihre scharfen Zähne drückte sie aggressiv nach aussen. Es gab den Eindruck als ob ein bösartiger Hund die Schnauze fletschte. Fauchte. „Das beweis…“ Halb im Sprung erwischte sie Katalinas Taser mit den zwei Widerhaken, immer noch voll am Bauch. Dabei hatte Katalina richtig auf die Schultern gezielt aber die enorme Geschwindigkeit unterschätzt. Sie akzeptierte bisher auch nicht die Möglichkeit ob Vampire überhaupt existierten. Mitten im Flug, über die vier Meter Distanz, landete Comtesse unsanft in einer Bauchlandung auf dem harten Teppichläufer. Wie üblich probierte Katalina ob zwei Sekunden reichten den Hochmut zu vertreiben. Ihre Volt Anzeige stellte sie, auf Rücksicht da eine Frau weniger Körpergewicht wog, dementsprechend geringer ein.
Nach Ablauf der zwei Sekunden liess sie den Drücker los. Mit einem Stöhnen taumelte die Comtesse auf die Beine hoch. Knirschte durch ihre zusammen gepressten Zähne. „Das wirst du mir büss….“ Die Dunkle Vorhersage endete in einem neuen Krampfhaften zucken. Mit dem Gesicht voran knallte sie auf den Boden zurück. Das tat Katalina nur von Zusehen weh. Daher schaltete sie nach drei Sekunden auf Gnade. Wartete gespannt ab wer jetzt hoffentlich seine Niederlage einsah. Zittrige Hände stemmten den Oberkörper hoch. Wenn Augen töten könnten, hätte Katalina sich in Staub aufgelöst. Die zähe Adelige schaffte es sogar bis auf die Beine. Ihre einstige kunstvolle Frisur wild zerzaust. Wobei ein Lackschuh, den sie trug bereits nach Plastik stank. Sie warf ihre braune Mähne zurück. „Glaubst du,“ schrie sie zornerfüllt, „Das reicht aus! Dafür..“
Katalina stellte, ohne Bedenken, auf volle Kraft. „Sorry. Ich brauche hier nicht nachzuladen.“ Warnte sie noch. Drücke erneut den Abzug. Blickte auf den Boden damit sie die unschönen Bilder später nicht verfolgten. Zählte bis Fünf. Wechselte zur Sicherheit die Kartusche ohne ihr Opfer zu beachten. Damit ihre Nervosität nicht ihre Bewegungen beeinflusste. Erst danach spähte sie hinüber. Fünf Sekunden brachten einen grossen Mann zum Verlust seiner Orientierung. Aufgrund der starken Nervenschmerzen einen Schock der mehrere Minuten anhielt. Diesmal blieb die Comtesse liegen. Ihre Haare ein wildes Wirrwarr über ihren Schultern. Stöhnen drehte sie das Gesicht zu Seite um besser atmen zu können. Soweit funktionierte ihr Körper bereits. Heiser ihr flüstern. „Dafür bringe ich dich um.“
Katalina entsicherte ihre Waffe. „Ok! Mein Schwert wartet auf dich. Doch vorher gehe ich mich erst einmal umziehen“ Hinter ihr öffnete sich sogar die Lifttüre wie auf Bestellung. Katalina hielt rasch ihre Waffe mit dem Koffergriff zusammen, so erkannte niemand die lauernde Gefahr. Denn die Person die vor ihr aus dem Lift trat, war gross. Nicht so gross wie der Geist, aber viel Kräftiger. Breite Schultern die der dunkle Pelz, der nur den Oberen Teil der Jacke schmückte, noch verstärkte. Alleine der entschlossene Schritt den die Lederstiefel vorgaben verriet, dass sich niemand mit ihm anlegen sollte. Zügig marschierte er, ohne Katalina im Geringsten zu beachten, an ihr vorbei. Ihr blieb gar keine Zeit ihn richtig zu bewundern. Goldgelbe halblange Haare, erinnerte sie an den Sand, den ihr Safa einst auf Bildern zeigte. Mittellang seine gerade Nase, in dem eher breiten Gesicht. Klare wachsame Augen, die hinter ihr in den Gang spähten. Als er an ihr vorbei Schritt spürte sie eine beachtliche Welle an Energie die sie streifte, zur Seite ausweichen liess. Verblüfft verharrte sie eine Sekunde, genoss einfach diese starke Präsenz. Es war ihr vollkommen neu. Erste seine tiefe, besorgte Stimme. „Comtesse Melanie, alles in Ordnung?“
Schade dachte sie, interessiert sich so ein herrlicher Krieger von einem Mann, sich für so eine herzlose Frau. Vernunft kehrte zurück. Leider war der Lift wieder weg. Also wieder warten.
Verfolgte aus den Augenwinkeln wie der kräftige Mann die hysterische Comtesse hochhob. Wäre da nicht die hohe schrille Stimme gewesen. „Bringe Sie um… bringe SIE um. Mache sie fertig solange sie da ist!“
Es gäbe eine schöne romantische Szene ab. Aber eben diese heisere Stimme zerstörte alles. Er beschwichtigte. „Lege dich erst mal hin und ruhe dich aus. Ich hole den Arzt.“
Mit dem Koffer hatte Katalina einfach keine Lust auf die Treppe. Der lange Flug, das lange sitzen, ermüdete ihre Beine. Ein angenehmer Schauder erfasste sie als der fremde Mann zurück kam. Gut erzogen, überliess er ihr den Vortritt. Sie schnell hinein. Er drückte den ersten, sah sie fragend an. „Dritter.“
Sein Kopf zuckte nachdenklich zurück. „Was suchen sie im dritten Stock? Sind privat Räume!“ „Safa. Safa Burgler!“ Sein Gesicht hellte sich auf. Hielt ihr rasch seine Hand hin. Zögerlich nahm sie die Begrüßung an. Er schüttelte so kräftig ihre Hand, dass es höllisch wehtat. „Dimitros“, stellte er sich vor. „Sicher hat Mikael von mir erzählt. Jetzt kann ich verstehen warum er sie so toll findet. Sie werden ein wunderschöner Eckzahn sein. Eine Bereicherung für uns alle.“ Dabei zwinkerte er ihr lachend zu.
Kaum öffnete der Lift seine Türen entnahm er aus seiner Jackentasche einen Schlüsselbund. Mit einem schmalen Metallstreifen stellte er kurz den Lift anders ein. „Wir sehen uns.“ Winkte kurz und verschwand den Arzt zu suchen.
Aufatmend lehnte Katalina an die Wand zurück. Was schwafelte dieser Idiot von Eckzähnen? Es überfiel sie Zweifel ob sie tatsächlich in einer realen Welt war oder in der Klinik unter starken Drogen vor sich hin träumte. Blickte zögerlich einmal nach rechts und links in den breiten Korridor. Leise eher für sich selber rief sie ganz leise in die Stille. „Safa?“ Diesen teuren Luxusstil wagte sie nicht mit einem lauten Gebrüll zu beschmutzten. Links von ihr öffnete sich eine Flügeltür. „Ist sie zurück?“ Eine männliche Stimme voller Kummer.
„Nein, wieso? Wird sie vermisst?“ Schon von weitem kannte sie die schlanke grosse Figur. Nur diesmal hatte er statt gebeugten Schultern eine gesunde, normale Haltung. Ausserdem bemerkte sie, wie er mit dem neuen Gewicht viel besser aussah. Seine langen Schritte federten fast lautlos über den Boden. Dennoch war da ein unsicherer Zug. In seinen violetten Augen spiegelte sich das wieder erkennen. „Katalina?“
„Sirinovska“ Erfreut und bekümmert hielt er ihr die Hand hin. Sie stellte den Koffer hin. Eine Sekunde wo sie unaufmerksam zur Seite sah. Hörte noch seine Stimme. „Safa“. Verwundert blickte sie nach vorne. Da stand niemand mehr. Zum zweiten Mal löste sich vor ihren Augen, ein Mensch, in Luft auf. Nur seine Kleider fielen vor ihr auf dem Boden. Sprachlos verharrte Katalina mehrere Minuten unentschlossen auf der Stelle. Verspürte den inneren Drang genau wie die Comtesse hemmungslos loszukreischen. Schliesslich kam sie zu dem Entschluss, es lag an den Medikamenten! Eindeutig eine Nachwirkung der Medikamente. Sie spazierte, wie betrunken, auf den linken Flügel zu. Schleifte ihr Gepäck hinter ihr achtlos her. Nachdem sie den linken Flügel öffnet, sprang ein grosser, schwerer Schatten auf sie zu, mit grossen Zähnen. Ihr Panikschrei peitschte grell durch die Räume.
Als sie wieder zu sich kam, fiel ihr das Atmen grausam schwer. Ihr Bauch war vollkommen eingequetscht. Der Aufprall am Hinterkopf schmerzte auch. Sobald sie versuchte die Finger zu bewegen fühlte sich ihre rechte Hand taub an. Den ganzen Arm konnte sie nicht bewegen. Mit dem freien Arm versuchte sie sich auf die Seite zu drehen. Auf einmal verschwand das schwere Gewicht, dafür sah sie in die Augen eines grossen Furcht einflössenden Hundes. Die riesige Dogge schleckte ihr einige Male übers Gesicht. Jedoch als Katalina ihren linken Arm hob, schnappte der Hund warnen zu. Katalina selber ahnte nichts über diese Tiere. Der Taser war nur ein Meter von ihrer Hand entfernt zu Boden geglitten. Mit einem Ruck versuchte sie ihr Gewicht zu drehen. Streckte die Hand aus und spürte gleich ihren Fehler. Hastig zog sie den blutenden Arm zurück. Zudem legte sich der Koloss bequem über sie als sei sie nun sein weiches Kissen. Die feuchte Nase von dem Vieh so nahe, vor ihrer, dass sie den abstossenden Atmen selber ein sog. „Das darf nicht wahr sein. Das ist ein schlechter Traum.“ Sagte sie zu sich selber. Ein leises Knirschen unter Schuhsolen liess sie den Kopf heben. Warnend knurrte der Hund, dass sie einfach still aufgab. Sie sah einfach zu Decke hoch und hoffte jemand anders wäre da. Schliesslich bemerkte sie den ersten bekannten Geist über sich, der grinsend auf sie herabsah. Er schadenfreudig. „So sieht man sich wieder.“
„Ja“, keuchte sie in ihrer Not. „Heute ist definitiv nicht mein bester Tag. Wärst du so freundlich und befreist mich von diesem Monster.“ „Welchem Monster?“
Langsam zweifelte sie wirklich an ihrem Verstand. „Das Vieh das auf mir sitzt. Diesen Hund!“ „Ach so.“ Leise pfiff er. Sofort sprang Whisky auf ihn zu. Wartete freudig auf ein Leckerli. Er hatte keine. Streichelte dafür mehrmals lobend den Kopf.
„Kannst du aufstehen?“ Fragte er ohne ihr dabei behilflich zu sein. Sie wendete sich erste zur Seite um das Atmen zu erleichtern. Setzte sich langsam auf. Mit einem geschickten Ruck drückte sie sich hoch. Ihr Kopf dröhnte. Im rechten Fuss kribbelte es als die Zirkulation wieder funktionierte. Am schlimmsten schmerzte der blutende Arm wo der Hund sie biss. Das Zittern der Hände brachte sie auch nicht mehr unter ihre Kontrolle. Sie war von der Reise völlig erschöpft, streckte dennoch ihren Rücken gerade. Der grosse Geist stand tatenlos da und streichelte einfach den Hund. Sie schüttelte unbegreiflich den Kopf. Bückte sich nach ihrem Koffer und betrat hoffentlich das Zimmer ihrer Schwester. Verabschiedete sich mit einem „Danke.“ Und gab der grossen Flügeltüre, hinter ihr, einen festen Ruck das sie zudonnerte. Drinnen verschwendete sie keinen Gedanken an die Schönheit des Raumes. Blendete erst einmal alles aus. Ein paar Minuten stand sie einfach da und genoss die Stille. Diesmal erschreckte sie die unerwartete Stimme hinter ihr nicht mehr. Besass nicht mal die Energie zum zusammenzucken. Wusste genau wie er ohne die Türen zu öffnen sich einfach hindurch Materialisierte. Erst als er zum zweiten Mal fragte, drang die feste Stimme zu ihr durch. „Brauchst du Hilfe?“ Sie sah sich um. Bemerkte den vertrauten blauen Koffer ihrer Schwester. Erleichtert schüttelte sie den Kopf. „Nein!“ Das humpeln verschwand bei jedem Schritt mehr. Sie spazierte als erstes zum Bett hinüber. Liess sich davor in die Knie fallen. Schickte ein Stossgebet zum Himmel. Dabei war es ihr egal wie das, mit ihrer Nonnenkluft, aussah. Bückte sich. Mit einem Aufschrei des Entzücken entdeckte sie ihr verstecktes Packet.
Allerdings wunderte sich ihr Begleiter warum sie auf einmal unters Bett kroch. Um sich zu verstecken? Sie war völlig am Ende ihrer Nerven und Kräfte und hielt es für nötig unter das halbe Bett zu kriechen?!
Sie kam jedoch wieder hoch mit dem Lederpaket in den Händen. Ihn nahm es Wunder. „Gehört das dir?“
Ein empörter, erstickter Ausruf. „Und wie mir das gehört. Lass mal sehen…“ Suchend sah sie nach dem Lichtschalter. Er war schneller. Im matten Licht kontrollierte sie die versteckten Haare. Keines von ihren war geflickt oder gerissen. Endlich erhellte sich ihr Gesicht. In seiner Gegenwart wollte sie das kostbare Schwert nicht auspacken. Ihr Arm zitterte noch immer. Ihr hartnäckiger Begleiter roch das Blut. „Lass mal sehen“, bot er diesmal freundlich an. Selbst sie hielt es für klug die Wunde auszuwaschen. Steuerte das Badezimmer an. Ärmel zurück und wusch sich das trockene sowie neue Blut herunter. Die blau unterlaufenen Druckstellen, der Hundezähne, gefielen ihr gar nicht.
Sein plötzliche Feststellung. „Du bist nur ein Mensch!“
Verständnislos sah sie müde zu ihm hoch. „Ja du bist mir aber eine intelligente Leuchte! Was soll ich denn sonst sein?“
Ihm missfiel ihr Ton. „Bleib höflich. Ich bin der einzige Arzt hier und…“
Sie lachte über diese Verkündung. So viele Ärzte hatte sie in ihrem Leben gesehen. Doktoren und Psychologen. Und die unheimliche Gestalt in Schwarz hinter ihr sollte diesem Kreis dazugehören? Wenigstens hatte er den Trenchcoat abgelegt. Keiner ihrer Ärzte trug schwarze Lederstiefel, mit verstärkten Stahlklappen. Vielleicht war er ein toter Arzt der herumgeisterte. Daher versuchte die herauszufinden:„Wann bist du gestorben?“
Unwillen kam ihm wieder hoch. „Was ist das für eine Frage. Du hast wohl vergessen deine Tabletten zu nehmen?“ Es sollte nur ein harmloser Witz sein. Jedoch nicht für Katalina. „Ausnahmsweise hast du Recht!“ Stimmte sie ihm gerne zu. Verwundert folgte er ihr in die Stube. Zwischen alle den Kartuschen fand sie schliesslich eine gelbe Kapsel von den Ü-Eiern. Schüttelnd prüfte sie dessen Inhalt. Öffnete mit den Zähnen die grosse Plastikhülle. Ihre Hände zitterten immer noch als sie eine, von den länglichen Tabletten, aussortierte. Eine heimliche Sammlung aus der Klinik. Sie wollte gerade ins Badezimmer zurück als er sie brutal am Handgelenk stoppte. „Her damit.“ Besah sich die winzige Beschriftung. Staunte. „So was verträgst du? Damit legte man eine ganze Kuh schlafen.“
„Danke für die nette Beschreibung. Und ja so was brauche ich jetzt wirklich.“
„Komm mit mir in die Praxis runter!“
„Ich gehe heute nirgendwo mehr hin. Ich wäre nur froh wenn du mich alleine lassen könntest“
Hartnäckig verkündete er. „Dann lösen wir das eben anders.“ Lautlos verschwand er, vor ihren Füssen, versinkend im Boden. Verlangend spähte sie nach den weissen Tablette. Anscheinend hatte er jede mitgenommen.
Da sie Safa noch erwartete, nahm sie die Decke und ein Kissen, ging damit zu einer langen Sitzbank vor dem Fenster. Bevor ihr eigenwilliger Geist wieder zurückkam, dran zweifelte sie keinen Moment, riss sie sich förmlich die verschwitzten Kleider runter und schlüpfte in den weichen Schlafanzug von der Klinik. Was auch zu ihrem eisernen Standart gehörte, die Pflege. Obwohl sei beinahe im stehen einschlief. Zähneputzen, waschen. Ganz automatisch tat sie es, da es ihr lieber war sie übernahm die Hygiene, als die Pfleger in der Klinik. Zurück im Wohnraum wartete bereits ihr grosser Geist rücksichtvoll an der Wand angelehnt. Ein paar Sekunden benötigte sie schon um zu realisieren, er trug jetzt wirklich einen weissen Arbeitskittel. Sie stutzte. „Du bist tatsächlich ein Arzt!“ „Dr. Card! Setz dich hin damit ich die Bisswunde richtig reinigen kann.“ Willig setzte sie sich neben ihm auf die Bank. Faltete ihren weiten Hemdärmel zurück. Besorgt blickte sie auf den angeschwollenen Arm.
Beruhigend meinte er. „Das ist bei allen tiefen Hundebissen so, wegen den Bakterien.“ Nachdem er seine gefärbte Brille auf die Seite legte, bemerkte Katalina seine roten Pupillen. Erst durchzuckte sie Furcht, dann siegte der Verstand. „Tut das nicht weh?“
„Bitte?“
„Die gefärbten Kontaktlinsen.“ Sein Gesicht bekam den seltenen Ausdruck von Harmlosigkeit, während er über ihre falsche Aussage rätselte. Schliesslich grinste er breit und demonstrierte seine alles andere als harmlosen Fangzähne. Katalina winkte unbeeindruckt ab. „Ja ja. Safa hat mir verraten dass ihr Mitglieder in irgend einem Blutfetischen Verein sein. Mit dem Vampir Märchen kannst du höchstens kleine Kinder erschrecken, bei mir zieht so was nicht. Was bist du eigentlich wirklich? Ein Geist oder steckt so eine neumodische Technik dahinter, wie in der Mikrowelle?“
Seit langem rang Dr. Card wieder einmal um Selbstbeherrschung. Das seine einmaligen, einzigartigen Fähigkeiten mit der schnöden Technik einer Mikrowelle verglichen wurde, brachte ihn ziemlich auf die Palme. Gerne demonstrierte er ihr ein paar seiner überlegenen Talente, die sogar die meisten seiner Artgenossen weit in den Schatten stellte. Es juckte ihn grausam in den Fingern, aber er respektierte Regel Nummer eins. Niemals einem Menschen verraten man sei ein Vampir. So wählte er die bittere Variante. „Sagen wir so, dass du es Verstehst. Ich bin ein Geist der als Vampir herumspukt und den Leuten hilft.“ Diese Erklärung nahm sie ihm beim ersten Mal ab. Diesmal bekam er einen unsanften Zeigefinger in seinen Arm gebohrt. „Hey, Dr. Card. Sind wir nicht etwas zu alt für solche Spielchen? Wie lange geistert du den schon rum?“ Zufrieden schmunzelte er still vor sich hin. Sie hatte seine Erklärung geschluckt. Ein Mensch der sich normal mit ihm Unterhielt, sogar scherzte, das erinnerte ihn an seine frühere Frau. Die Antwort verblüffte sie daher kaum. Er bewunderte dagegen wie ruhig sie bei seiner Behandlung still hielt. Vor wenigen Minuten sah er bei Comtesse Melanie vorbei. Die hatte schon bei der geringsten Berührung, ihrer verkrampften Muskeln, aufgeschrien. Dabei war sie ein erfahrener Vampir der wusste wie schnell sie heilte. Ihre Ungeduld verschlimmerte den Heilungsprozess. Nach einem starken Medikament, flüchtete er aus ihrer unangenehmen Gegenwart. Dagegen war ihm der Schrei vom Rotkäppchen höchst willkommen gewesen. Sie biss fest auf die Zähne als er ihre Wunde mit starkem Alkohol ausspülte. Erst danach betäubte er die Stellen mit einem Speziellen Serum, welches nur ihnen Vampiren zu Verfügung standen. Die Wunde brauchte zwei, drei kleine Stiche zum nähen. Ihre schwere Müdigkeit verursachte das stille Hinhalten. Als er fertig war und seine Sachen zusammenräumte hörte er ihr leises bewunderndes. „Geschickte Hände.“ Er zeigte offen sein breites Grinsen. Dieselben Worte hatte früher seine Frau auch gesagt, allerdings in einem anderen Bezug als fürs Nähen. Er wusste selber nicht welcher Esel ihn ritt als ihm spontan heraus rutschte. „Solltest du den Wunsch verspüren länger als ein normaler Menschen leben zu wollen, dann komm zu mir und ich verwandle dich.“ Danach schalt er sich sogleich selber. Dimitros würde dass gar nicht gefallen, dass er so eigenmächtig handelte. Ihre Antwort liess ihn Nachdenklich innehalten.
„Nein danke. Ich hab schon genug durch gemacht, das reicht für ein Leben. Eine Verlängerung wäre eine Katastrophe.“
Gedankenverloren sah er eine Weile an ihr vorbei, aus dem Fenster, hinaus in die Dunkelheit. „Du weist nicht was du sagst. Sei froh hast du nie einen Krieg miterlebt.“
Sie kroch unter ihre Decke und sah matt zu ihm hoch. „Mein Krieg hat drei Jahre gedauert und ich habe ihn blutig beendet. Jeden einzelnen Tag hab ich dem Mistkerl zurück bezahlt. Bis zur Hälfte war er bei vollem Bewusstsein als ich ihn in Stück zerschnitt. Das reicht wohl… Mist, ich brauch meine Tabletten für die Kühe, sonst wach ich wieder auf.“ Bittend strecke sie die Hand aus. Ungewöhnlich leise trat er an ihr Bett. Katalina kam sich so winzig vor, wenn der zwei Meter grosse Geist daneben stand. Stumm betrachtete er ihren schwachen Körper. Wartete, lauerte auf den Moment bis sie ihn klarer ansah. Für Katalina fühlte sich das so an als ob die Umgebung sich auflöste. Es gab nur ihn und sie. Während er durch ihre Erinnerungen flitzte und sich interessanten Momente herauspickte. Bei der geschlossenen Küchentüre, dunkles Blut floss unten durch einen Spalt, hielt er inne. Zu öffnen gelang ihm leicht. Kurz gelang es ihm einen Blick hinein zu werfen, da katapultierte ihn ihre starke Verteidigung raus aus ihren Erinnerungen. Dr. Card schüttelte seinen Kopf um ihn klar zu bekommen. Er revidierte seine bisherige Meinung. Das war vielleicht im Moment ein geschwächter Mensch, dem aber immense innere Kräfte zur Verfügung standen.
Er reichte ihr ein Glas Wasser, mit einem Zusatz, der sie ohne Nebenwirkung schlafen lies.
Nachdenklich, wie seit langer Zeit nicht mehr, spazierte er nach draussen. Vor der Türe wartete immer noch Whisky. Ein Blick genügte und sie trottete ihm nach. Besser sie blieb die Nacht über bei ihm. Er bemerkte Mikaels Kleider am Boden. Wusste was das Bedeutete. Vermutlich einen weiteren Notfall in der Nacht. Vor ihm öffnete sich die Lifttüre. Die zornige Aura kannte er bereits. Nur im Bademantel bekleidet humpelte ihm da steif Comtesse Melanie entgegen. Seine Worte hallten eindrücklich durch die Halle. „Ich habe ihr ein Medikament gegeben, dass sie schlafen lässt. Darum lass sie ihn Ruhe. Sie weiss nichts über unsere Existenz als Vampire. Also zieh dich zurück!“
Gehässig warf sie ein, „Das geht dich überhaupt nichts an, also halte dich raus!“
Niemand stelle ihm solche Forderungen. Schon gar nicht so eine unbedeutende, jähzornige Comtesse. Sie spürte kaum den unsichtbaren Luftzug. Die ungeheure Wucht dagegen, mit der sie an die nächste Wand krachte, brach ihr fast das Rückgrad. Geschockt starrte sie ihn nur mit offenem Mund an. Ein hässlicher Anblick, fand er und wandte sich angewidert ab. Ihm unerklärlich, wie so viele sie Attraktiv fanden. „Wenn ich deinen Gestank erneut bei ihr Rieche, reisse ich dir persönlich den Kopf ab. Du wirst diese Begegnung nicht überleben! Habe wir uns verstanden?“
„Sie ist bedeutungslos. Ein dummer Mensch der sich hierher verirrt hat.“
Ohne Beachtung marschierte er die Treppe hinunter. Diesmal vernahm man seine schweren Stiefeltritte. Zudem knurrte Whisky an seiner Seite. Dr. Card Stimme war leise, messerscharf und drang dennoch bis zu ihr hoch. „Willst du sterben? Ich helfe dir gerne dabei.“
Ein sonniger, windiger Tag begrüsste Safa als sie die ersten Schritte, am späten Morgen, nach draussen wagte. Unartig zog Whisky bereits an der straffen Leine. Hinter ihr marschierte eilig der junge Page Sven herbei, der ihnen immer gerne behilflich war. So eskortiert bekam sie sie Erlaubnis, von ihrem lieben Mikael, die hinteren Weiden zu besuchen. Sven diente gleichzeitig als Navigationsystem da er als Einheimischer alles kannte. Ausserdem schleppte er einen kleinen Rucksack mit sich, der neben Verpflegung für den Mittag auch Werkzeug beinhaltete. Ein Hammer, Draht und verschiedene Nägel. Sirinovska fand, da jetzt Safa langsam ihre Muskeln entwickelte war es besser sie dementsprechend auch zu beschäftigen. Eine untätige Prinzessin an seiner Seite war das letzte was er sich wünschte. Die Rangkämpfe in seiner hohen Position entsprechend erbarmungslos. Seine männliche Position auf dem Thron erlaubte sogar bis zum Tod zu kämpfen. Bei Safa rechnete er mit weitaus weniger weiblichen Konkurrenz, die den wackeligen Thron als Ziel anvisierten. Beim blossen Gedanken an die eifersüchtige Comtesse Melanie fühlte er sich entsprechend unbehaglich. Sie war eine potenzielle Gefahr die nicht offen, aber heimlich hinter den Kulissen gerne ihre Macht ausspielte. Er wäre höchst seltsam, wenn sie keinen Anschlag ausübte. Dann rechnete er noch mindestens zwei, drei Kandidatinnen dazu. Vermutlich würden die meisten wegen dem Ehrenkodex warten, bis Safa im Vollbesitz ihrer Kräfte war. Danach galt es nicht mehr als beschämend öffentlich gegen sie anzutreten. Allerdings gab es in jeder Spezies ausnahmen. Im Allgemeinen passte der Ausdruck Hinterhältigkeit nicht zu einem Vampir. Schon gar nicht zu einem weiblichen. Daher hoffte er mit dem Schutz des Pagen, einer grossen Whisky und der Blutverbindung genügte um Safa abzusichern. Er forderte sie sogar auf, langsam zu trainieren. Solange sie auf dem hinteren weitsichtigen Weidegebiet blieb bestand garantiert keine Gefahr eines weiteren Anschlags.
Gemütlich schlenderte also Safa zu den Weiden. Den obligatorischen Sommerhut tief über der Stirn, damit der Wind ihn nicht wegblies. Nach einem zügigen Marsch von anderthalb Stunden erreichten sie die zerfallenen Weidezäune. Die meisten aufrechten Hauptpfosten trotzten dem pfeifenden Wind der an ihnen nagte. Dafür rissen die Stürme die meisten oberen Querlatten herunter. Die mittleren Latten waren zur Hälfte noch da und von den unteren praktisch alle. Höchstens wo ein wildes Tier sich unten durch zwängte gab es einige Lücken. Auch das hohe Gras bremste den Wind so dicht über dem Boden. Auf jeden Fall gab es eine Menge Arbeit. Der kluge Sven dachte sogar an ein paar gefütterte Arbeitshandschuhe. Denn bei dem trockenen Holz fing man sich leicht kleine Splitter ein.
Bis in den heissen Nachmittag arbeitete man fleissig um den Inventar von den Sirinovskas wieder in Top Zustand zu versetzen. Sie bekamen allerdings nur gerade mal eine einzige Weidenseite komplett hin. Gegen drei Uhr stoppte dann der angenehme Wind, der bis dahin erfrischende Kühlung gegen die erbarmungslose Sonne bot. Also spazierte man lieber auf den nächsten Baum zu um sich unter seinem Schatten zu erholen. Bedauerlich war der einzige geeignete Baum selber einen halben Kilometer, seitlich zu ihrem Rückweg, entfernt. Eine Kleinigkeit für einen Vampir. Vor allem merkte Safa schnell warum Vampire die Wärme der Sonne liebten. Selbst ihr heisser, schwitzender Körper lief wie ein hochgeschwindigkeits- Motor. Es frustrierte sie wie langsam Sven neben ihr Jogge. Der liebe Junge kannte seine Ausdauer. Die langen Beine von Whisky hielten locker mit. Schliesslich wurde Safa auf den letzten hundert Metern übermütig. „Wettrennen?“
Beistimmend steigerte Sven seinen Trab. Whisky galoppierte in weiten Sprüngen los. Verzögert gönnte Safa ihnen einen kleinen Vorsprung. Als sie endlich Vollgas einsetzte, hatten die anderen fast schon die Hälfte bis zum Ziel geschafft. Nur ein Vampir rechnet eben mit anderen Dimensionen. Bedauerlicher Weise überschätzte sich Safa mit ihrer Geschwindigkeit gewaltig. Flog über den Boden, dass hinter ihr vom Sprint kleine Steine aufschleuderten. Sie visierte die weiten Hügel hinter dem Baum an, da der halbe Baum ungünstig in einer kleinen Muldenvertiefung stand. Für den Baum von Vorteil, da er so als einziger die Stürme überlebte und viel mehr Wasser bekam. Für Safa die gerne vorausblickte… Sobald ihre Lungen an die Grenzen kamen suchte sie sich ein Ziel, die betreffenden entfernten Hügel. Konzentrierte sich nur darauf. Versuchte sie wie heranzuziehen. Ignorierte die Grenzen ihres Körpers. Ein paar Sekunden wäre das durchaus ungefährlich gewesen. Nur in den wenigen Sekunden spürte Safa so was wie einen verlockenden Rausch. Das Gefühl schwerelos zu rennen, kannte sie bisher nicht. Mikael hatte ihr angeraten zu trainieren und sie wollte ihre neuen Fähigkeiten testen. Diese wenigen Sekunden, waren ihr als würde sie dahin gleiten. Der Seitenblick verschwamm und die Hügel zogen sie wie ein Sog magisch an. Als ob sie viel zu schnell raste und nicht mehr wusste wie anhalten. Sie liess sich einfach nur zwei Sekunden von diesem neuen Gefühl verführen. Zuerst kam es ihr so vor als riss es ihr die Kleider vom Leib. Das brachte ihr die gefährliche Realität dann doch näher. Appellierte an ihre Vernunft und stoppte dieses schöne zeitlose Gefühl. Dabei prallte sie wie gegen eine unsichtbare Mauer von Luft. Den Körper schleuderte es dermassen vor, dass selbst nachdem sie plante still zu stehen, ungewollt noch ein paar Meter weiter stolperte. Vor ihr war nichts, ausser weiteren verwilderten Grasfelder und Gestrüpp. Verwirrt sah sie zum Baum hinunter… Fand aber keinen.
Eigentlich sollte sie auf der Erhöhung stehen, in dessen Senke der einsame Baum wucherte. Doch sie stand auf einem von mehreren seichten Hügeln. Verwirrt sah sie zurück. Ein kalter Schauder erwischte ihren verschwitzten Rücken. Sicher mehr als sieben Kilometer weit entfernt entdeckten ihre scharfen Augen Whisky auf einer Erhöhung. Wie…
Verblüfft sah sie an sich hinunter. Ihre Kleider waren noch da waren, stellte sie erleichtert fest. Nach der anfänglichen Schrecksekunde lachte sie befreit los. Jetzt wusste sie was damals mit Mikael im Zug, über die Grenze, passierte. Irgendwie war es möglich die normale Geschwindigkeit zu überwinden, oder gar den Körper einfach zu teleportieren. Zwar wusste sie nicht genau was in ihrem Fall passierte, aber sie freue sich etwas Neues gefunden zu haben.
Staunend trat sie auf der Stelle. Blickte in die verschwommene Weite wo Sven und ihre treue Dogge warteten. Erneut versuchte sie sich zu konzentrieren. Allerdings bemerkte sie schon nach wenigen Schritten einen sehr hungrigen Magen. Dieser mysteriöse Flug hatte sie jede Menge kostbare Energie gefordert welche nun im Körper fehlte. Auf einmal wurde ihr richtig gehend schlecht. Sobald sie ihre Geschwindigkeit drosselte und normal spazierte wurde das Sichtfeld vor ihren Augen klarer. Nach der anfänglichen Freude dämpfte nun das innere Gefühl eine leere Batterie zu sein. Wie sollte sie vielen Kilometer… Es war schwer die rückwärtige Distanz einzuschätzen bei der flimmernden Hitze. Ihr Hut war auch weggeflogen.
Eigentlich blieb ihr gar nichts übrig als in den sauren Apfel zu beissen und gemütlich zu Fuss den Rückweg einzuschlagen. Eine zermürbende Aussicht. Bereits nach wenigen Minuten langsamen spazieren, ihre Gedanken wurden klarer, erinnerte sie sich sogar an Mikaels warnende Hinweise auf dem Weg zu bleiben. Auf jeden Fall Sven die Führung anzuvertrauen. Was wenn es versteckte Fallen gab? Sie entdeckte nirgends einen Bauernhof in ihrer Nähe. Zwei waren zu mindestens fünf Kilometer in der falschen Richtung entfernt. Sie mahnte sich zu entspannen, da ihre Unruhe eventuell sich auf Mikael übertrug. Heute Abend wollte sie keine weitere Standpauke einfangen über ihre Unvernunft. Das hier war einer ihrer ersten freien Tage draussen und schon vermasselte sie es gründlich. Also besser so schnell es ihr Körper erlaubte, zurück nach Hause und Sven vorher abfangen.
Müde schleppte sie sich einer Stunde durch das Gras vorwärts. Immerhin fand sie eine, vom Wind, hergetragene Zeitungsseite. Gerade gross genug um einen Hut daraus zu falten der sie vor der unerträglichen Sonne schützte. Allerdings musste sie ihn ständig mit einer Hand festhalten. Auf ihrem Weg kam sie an drei windschiefe Schuppen vorbei. Allesamt leer. Einigen riss man sogar eine Seitenwand brutal heraus. Erst beim näheren hinsehen fiel ihr auf, dass er so einen besseren Schutz für die halbwilden Pferde gewährleistet bot. Jedenfalls, anhand des trockenen Pferdemistes, erkannte sie die Nutzung der schiefen Baracken. Irgendwann nach unendlichem spazieren durch die hügelige Steppe fand sie einen kleinen Feldweg. Nachdem sie ihm folgte, fand sie erfolgreich die Hauptstrasse. Mittlerweile war es bereits am leichten Eindunkeln. Ihre Hoffnung Sven noch vor dem Haus abzufangen, gab sie längst auf. Hinter ihr rollte ein Auto heran. Ziemlich kriminell raste der kleine Lieferwagen, über den eingedrückten Kies. Es schleuderte ihn fast in einer Kurve. Erst kurz vor Safa drosselte das staubige, einst weisse Gefährt seine Geschwindigkeit. Gespannt musterten der Fahrer kritisch zu Safa. Dicht fuhr der Wagen an ihr vorbei, dann hielt er sogar an. Quietschend kurbelte er die Scheibe der Vordertüre hinunter. Eine männliche Person, im mittleren Alter sah sie mit kleinen Augen an. Zuerst probierte er es auf Russisch, wechselte dann automatisch auf Englisch über. „Gehören sie zum alten Palast?“ Er trug eine grüne Stoffkappe, die wie eine hygienische Haube aussah, die fast alle seine braunen Haare versteckte.
„Ja“, sagte sie erschöpft vom langen Marsch.
Mit einem wissenden Lächeln hielt er ihr eine neue noch volle Wasserflasche hin. Dankend nahm sie seine dargebotene Hilfe an. Trank erst einmal ein paar Schlucke von dem gekühlten Wasser. Wollte wissen, „Fahren sie zum Palast? Kann ich mitkommen, bitte?“ Sie hatte den freien Platz entdeckt auf seiner anderen Seite. Zustimmend nickte er. Diesmal erlaubte sie sich zu beeilen. Hastig sprang sie auf den Vordersitz hoch. Egal wie geflickt er Überzug war. Allerdings blockierte der alte, unbenutzte Gurt. Da der Fahrer selber diese Regel missachtete, liess sie es eben auch sein. Hier gab es gewiss keine Polizeikontrollen. Ihr besorgter Begleiter deutete auf die Flaschen. „Trinken, trinken! Ist gefährlich lange bei dem heissen Wetter ohne Flüssigkeit zu wandern.“
Schmunzeln kam Safa seiner Aufforderung nach und trank fast den halben Liter leer. Ihr leerer Magen hiess selbst das willkommen. Allerdings überforderte so viel Wasser anscheinend ihren Kreislauf. Auf einmal fühlte sie sich seltsam müde, taumelig. Sie schüttelte den Kopf aber ihre Augen wollten nicht klar werden. Besorgt fragte der wartende Fahrer. „Alles in Ordnung. Lehnen sie sich ruhig zurück und schlafen. Ich fahre vorsichtig.“
Trocken gluckste Safa auf. Fragte sich; was er wohl unter vorsichtig auffasste bei der vorherige Raserei? Er liess den Motor aufhusten. Eine kräftige Hand drückte sie zurück ins weiche Polster als er rückwärts fuhr. Sie wunderte sich noch was er da rückwärts suchte, doch ihre schweren Augen fielen zu. Sie konnte sich nur noch fallen lassen. Merkte gar nicht mehr als sich ihre Seitentüre öffnete und jemand sie rasch nach hinten in den gekühlten Teil des Wagens verfrachtete. Beeilend lenkte der Fahrer sein Fahrzeug neben die Strasse auf einen sicheren Grasstreifen, unter den Bäumen. Eilig sprang er aus dem Wagen um auch hinten beim Kollegen einzusteigen. Die Zeit eilte. Sie wurden gut bezahlt.
Zeit, fragte sich Safa verwirrt. Wo zum Himmel war sie? Ihre Beine fühlten sich an wie aus weichem Gummi. Sie lehnte mit dem Rücken an einen kühlen Gegenstand aus Metall. Neben ihr eine besorgte heisere Stimme. „Hey. Frau! Alles Ok? Kannst du gehen?“
Völlig durcheinander suchte sie den fremden Träger der Stimme. Nichts kam ihr bekannt vor. Überhaupt was tat sie auf der Strasse, im Dunkeln? Oder lag es an ihren Augen? Nach mehrmals blinzeln war klar, es war bereits Nacht, mit all den sichtbaren vorhandenen Sternen. Fast unverkennbar die Gestalt, die sich aus dem Autofenster nach aussen lehnte. Nur ein schwaches Licht im inneren des Wagens verriet etwas über das Aussehen der zwei bekümmerten Leute. Wobei sich einer zurückhaltend verhielt. Diesmal forderte Fahrer ziemlich barsch. „Frau! Los gehen! Nach vorn, rechts. Los!“
Verwundert blickte sie in die, vom Rücklicht rot gefärbte, Strasse. Dahin zeigte der Fahrer. „Nächstes Mal aufpassen! Gefährlich wenn man zulange in Sonne ist. Passen du besser auf.“
Klopfte grob kurz auf seine Fahrertüre, ausserhalb aufs Metall. Automatisch schreckte Safa von dem lauten Gescheppert hoch und taumelte ein paar Schritte zurück. Sobald der Abstand vom Auto da war, fuhr der Fahrer los. Völlig benebelt stand Safa komplett verstört auf der Stelle, neben der Fahrbahn. Was war passiert?
Zuerst wagte sie ein paar unsichere Schritte vor. Erinnerte sich aber, dass ihr Ziel in der entgegen gesetzter Fahrbahn lag. Nicht dem Auto folgen, sondern zum Palast. Nach ein paar Schritten, fand sie ihre Festigkeit zurück. Ihr Gleichgewicht pendelte sich wieder ein. Weitere Minuten verstrichen als sie sich langsam zu fragen begann, wie lange sie wohl so komplett weggetreten war. Sie hatte ihre Kleider an. Nichts tat ihr weh ausser den müden Beinen. Anscheinend hatte sie immer noch Hunger. Das letzte an was sie sich erinnerte war, im Wageninnern etwas getrunken zu haben. Danach Blackout. Der Verdacht fiel bei ihr sofort auf K.O. Tropfen. Der erste Schreck fuhr ihr in die Glieder. Allerdings war sie unverletzt. Die Schwäche im Körper besass sie schon bevor sie sich in den Wagen setzte. Ihr Unterleib tat auch nicht weh. Vergewaltigt war sie auf keinen Fall geworden. Erleichtert marschierte sie ein paar Meter weiter. Mikael, fiel ihr spontan ein. Wie spät wohl die Uhrzeit war? Rascheln, aus dem hohen Gras draussen, schreckte sie hoch. Matt silbrig erkannte sie ein paar schaukelnde Halme in dem Weizenmeer. Zum Glück leuchtete der Mond hell genug um der Strasse deutlich zu folgen. Wiederum beunruhigte sie die ungewöhnliche Aktivität in dem bepflanzten Acker draussen. Nachts war es ihr einfach zu unheimlich alleine zu spazieren.
Befangen verharrte an ihrem Platz. Auf einmal kam es ihr so vor als hörte sie ihren Namen rufen. Mit einem merkwürdigen Gefühl lauschte sie. ``Safa!`` Deutlich vernahm sie die wohl bekannte Stimme im inneren ihres Kopfes. „Mikael?“ Fragte sie verblüfft wohl eher mit sich selber sprechend. Anscheinend nahm er telepathisch Kontakt mit ihr auf.
Eine enorme Energiewelle schwappte ihr entgegen. Riss sie beinahe von ihren Beinen. Überrascht was für ein kräftiger Luftzug sie so streifte wandte sie sich herum. Erstarrte, denn vor ihr stand ein dunkler Schatten. Deutlich die Umrisse von einem hoch gewachsenen Vampir. Geschockt wollte sie los schreien als eine sanfte tiefe Stimme fragte. „Alles in Ordnung bei dir, Safa.“
Befreit atmete sie erlöst auf. „Mikael! Um Himmels willen, hast du mich erschreckt…“ Staunte denn als er sich bewegte und seine bleiche Haut im Mondlicht weisslich schimmerte, wunderte sie sich weil er keine Kleider trug. Ihr Kiefer fiel förmlich hinunter. Starrte ihn ungebührlich lange an, unfähig ein Wort zu sprechen. Bewundere nur den makellosen Körper mit so einem wunderbaren Hintergrund. Die windstille Landschaft mit dieser einzigartigen hellgrauen, schwarzen Kulisse und inmitten der silbrig schimmernde Mikael in Perfektion wie die Evolution ihn am besten zum überleben schuf. Verstand warum er, trotz aller Weigerung, sich durchaus als König über den anderen abhob.
„Safa“, seine Besorgnis erregte Stimme.
„Ja, alles im grünen Bereich.“ Beschwichtigte sie seinen inneren Aufruhr.
„Wieso bist du noch nicht zuhause?“ forderte er zu wissen. Hier bekam sie gleich den unangenehmeren Herrscher zu spüren.
„Das ist eine Frage die mich selber interessiert. Nein, ehrlich. Da waren ein paar einheimische Leute und die haben mir gesagt, ich sei zulange an der Sonne gewesen. Wo die Zeit dazwischen blieb…keine Ahnung. Auf einmal ist es dunkel und ich kann mich nicht erinnern wo der Sonnenuntergang blieb.“
Er stand nur wenige Zentimeter vor ihr und blähte seine Nasenflügel. Kniete sogar vor ihr nieder, ohne sie auch nur zu berühren und schnupperte geräuschvoll ihren Körpergeruch durch. „Mhm,“ seine Auswertung. „Scheint dich niemand angefasst zu haben. Aber ich rieche zwei fremde Personen. Keine Artgenossen von uns! Das ist seltsam. Ein einzigartiger, fast beissender Geruch, den ich momentan nicht zuteilen vermag woher er stammt. Auf jeden Fall kommst du gleich mit mir mit! Entspanne dich einfach und vielleicht ist besser deine Augen dabei zu schliessen.“ Gab er ihr helfende Hinweise. Sachte, als sei sie zerbrechlich nahm er sie in die Arme. Safa selber war es fast unheimlich, ihn in diesem Zustand anzutreffen. Er strahlte neben der Sorge über sie eine enorme Entschlossenheit aus. Sie ahnte er würde den Fall akribisch weiter verfolgen. Vertrauensvoll lehnte sie sich an seinen, von der Frische der Nacht abgekühlten Körper. Seine Arme schlossen sich wie feste Zangen. Zutraulich legte sie ihre warme Wange an seine Brust. Hörte seinen gleichmässigen, kräftigen Herzschlag. Auf einmal verlangsamte er sich merklich. Ein Luftdruck und Mikael presste sie fester an sich. Wieder war ihr als ob die Kleider fast weggerissen wurden, doch energisch zog sie diese Gedanklich auch so unbeirrbar an sich, so sehr die Umarmung schmerzte. Wie begonnen, stoppte der unerklärbare Druck. Sie öffnete die Augen und nahm es gelassen zur Kenntnis bereits wieder zu Hause zu sein, im eigenen Schlafzimmer. Ein kleines Nachtlicht brannte neben dem grossen Himmelbett.
Erfreut, sicher in vertrauter Umgebung zu sein, legte sie den Kopf in den Nacken und schaute hoch. Es traf sie bis ins Mark als sie Mikael dunkle Augen gewahrte. Dabei wirkte er gar nicht wütend. Einfach nur vollkommen aufgewühlt und sogar etwas verblüfft. Sie wollte gleich wissen was ihn beschäftigte. „Verrätst du mir warum du so ernst bist?“
„Du“, zischte er wirklich leicht zornig. Lebhaft wichen seine Augen dann von ihr weg. Auf einmal schien eine schwere Last von ihm zu fallen. „Du, in doppelter Hinsicht. Wieso hast du deine Kleider an? Normaler Weise können nur die Älteren, wenn sie springen, die Kleider anbehalten. Jedenfalls wenn man durch Wände geht. Ist so eine komplizierte Angelegenheit mit den Atomen. Es ist bedeutend einfach nur den Körper durch verschiedene Hindernisse zu schicken...“ Irgendetwas plagte ihn gehörig, doch er verriet keine Silbe darüber. Suchte stattdessen eilig ein Hemd, Unterhosen und Trainerhosen um hastig rein zu schlüpfen.
Als er bereits den Ledergurt seiner Hose einstellte, seufzte sie bedauerlich über den zugeknöpften Anblick. „Schade.“
Abrupt fokussierte er sie ins Auge. „Es gibt wesentlich wichtigere Dinge. Bevor das nicht geregelt, träume schön weiter.“ Dabei marschierte er zügig in seinen Hausschuhen an ihr vorbei. Jedoch nicht ohne vorher ihr rügend, mit der offenen Handfläche, leicht an den Hinterkopf zu schlagen. Allein sein Wink mit dem Kopf genügte um sie an seine Seite springen zu lassen. Dieser ernste Sirinovska hatte keine Zeit für Spässe. Auf dem Weg zum Lift, raunte er ihr tadelnd zu. „Deine Sinne sind noch recht abgestumpft. Hast du nicht den zusätzlichen Gast, in unserem Schlafzimmer bemerkt.“
Rätselnd dachte Safa kurz nach. „Normaler Weise schnarcht Whisky. Wo hat sie sich den versteckt? Unter dem Bett?“
„Tz, tz“, missfallend schüttelte Mikael seinen Kopf. Hellviolett seine Augen als er sie in den Lift hinein schob. Demnach verzieh er bereits ihren verlängerten Ausflug. Aufmerksam beugte er sich zu ihr hinunter. „Lass dich überraschen.“
Genoss es sie einmal auf die Folter zu spannen. Bereits grinste er jugendlich vor sich hin. Zerrte sie jedoch gleich nach dem Klingeln der Türe weiter zum…
„Nein“, stöhnte Safa. „Nicht schon wieder!“ Erbarmungslos zur Arztpraxis. Er verkündete ihr hartnäckig. „Ab sofort, in den folgenden zwei Monaten, schleppe ich dich täglich zur Kontrolle an, sollte mir was bei dir auffallen.“
Klopfte energisch und zerrte nach dem Willkommen Safa kurzerhand am Kragen über die Schwelle. Sie wetterte. „Es gibt gar keinen Grund sich aufzuregen. Mir geht es gut!“
„Kann sein. Ich bevorzuge die Analyse von einem Experten. Danke, dass du uns noch empfängst, Dr. Card.“
Mit einem wissenden Grinsen, wandte sich Dr. Card auf seinem Drehstuhl herum. Hinter ihm beendete der Bildschirm automatisch sein Programm. Nachdem er Safa schon von weitem kurz musterte meinte er desinteressiert. „Du bist gar nicht verletzt.“ Es klang schon fast bedauern. Ihr lag schon eine beissende Antwort auf der Zunge. Aber da sie heute bereits Sirinovskas gereizten Zustand kannte, hielt sie es für klüger einfach still zu sein. Stellte sich einfach brav abwartend neben ihren Freund. Der übernahm sowieso das Ruder. „Ich hab sie auf der Strasse gefunden und sie weiss nicht was genau in der letzten Zeit passiert ist. Alles was mir auffiel, beziehungsweise nicht gefällt ist, das zwei Menschen in ihrer Nähe waren, für mindestens einen Zeitrahmen von einer Viertelstunde. Was findest du?“
Träge erhob sich Dr. Card. Völlig dagegen sprach wieder der lautlose, unhörbare Gang. Bereits als er in der Ferne sass, spürte Safa seine Präsenz die sich bei jedem Schritt verstärkte. Das einzige was ihn innerlich aufzumuntern schien „Ein Rätsel?“
Genauso wie Sirinovska filterte er die Luft durch die Nase. Nur tat er es ziemlich unauffälliger und bedeutend schneller. Lehnte sich danach entspannt an das Untersuchungstisch zurück.
„Was ist die letzte Erinnerung?“
„Das ich aus einer vollen Wasserflasche getrunken hab. Ich kann allerdings nicht sagen ob diese Manipuliert war.“
Für einen Moment blieb er bewegungslos. Äusserlich entdeckte man keinen Unterschied, nur mit feinen Sensoren ausgestattet spürte man deutlich die Veränderung der Luft.
Nach einem sachten Ruck in ihrem Körper glaubte Safa erst zu träumen. Sie befand sich in einem weissen leeren Raum. Ihr blieb keine Zeit sich umzusehen, den Dr. Card, der vor ihr stand hielt sie mit seinen roten Augen gefangen. Auf einmal stand sie erneut auf der Hauptstrasse draussen. Der Stand des Sonnenlichts verriet ihr den späten Nachmittag. Hörte hinter sich wieder das rumpeln eines hektischen Wagens. Auf einmal flüsterte ihr eine angenehme, tiefe Stimme ins Ohr. „Sieh nach unten auf das Nummerschild.“ Klar folgte sie den Anweisungen und wunderte sich nicht einmal woher die Stimme kam. Ihr Körper gehorchte einfach. Sie sah sich neutral die unbekannten Gesichter an. Das ganze lief ab als sähe sie sich einen Film an. Nur der Chef, hinter ihrem Ohr, bestimmte wohin er ihre Augen wünschte. Erst als Mikael so urplötzlich auftauchte, liess der mächtige Druck los. Nach einem Blinzeln fand sie sich zurück in der Klinik.
Verwundert sah sie den immer noch beweglosen Dr. Card an. Einzig seine seltenen Augenbewegungen verrieten, dass er das eben miterlebte mehrmals durchging.
Unangenehm verzog er kurz sein Gesicht zu Sirinovska. „Ein Rätsel in der Tat…“
Ihm fiel auf das Safa abgelenkt zu seinem Bürotisch hin schnüffelte, statt ihm zuzuhören. Als sie seine Aufmerksam einfing fragte sie erst harmlos. „Ein Sandwich?“
Er knurrte förmlich, „Ja, der Rest davon. Also der Filmriss hat mindestens eine Stunde lang gedauert.“
„Isst du das noch?“
Genervt beschleunigte er lieber das Ganze und bestätigte bereits ihren nächsten Gedanken. „Nimm es wenn du willst!
Im Wasser war auf jeden Fall ein Betäubungsmittel.“ Sofort bremste er den aufgeschreckten Mikael ab. Wandte sich zu der mampfenden Safa. „Darf ich ein wenig Blut auf altmodische Art?“
Unverstehend sah Safa fragend zu Mikael hoch. Der deutete mit einem Finger tippend an seinen Hals.
„Oh“, dann erinnerte sie sich wie sanft Mikael damals vorging und nickte. Erfreut zog Dr. Card seine Mundwinkel in die Breite. Als er sie weiterhin angrinste blitzten ihr bereits zwei lange, spitzige Fangzähne entgegen. Bekümmert schluckte, würgte Safa bereits den letzten Sandwichbissen hinunter. Zu spät wurde ihr auch bewusst, dass sie wohl eher vor einem Raubtier stand als vor einem vertrauten Mikael. Card genoss ihren ängstlichen Ausdruck. Ohne Gnade seine tonlose Stimme. „Zu spät.“
Obwohl er garantiert zwei Meter von ihr entfernt stand, fühlte sie sich gelähmt wie eine gefangene Beute. Dazu brauchte er ihr nicht einmal in die Augen zu sehen. Als sie es wagte nur mit den Augen aufzusehen, wünschte sie sich gleich es besser unterlassen zu haben. Eine gewisse Wildheit, Ungezähmtheit stand in seinem Gesicht. Hastig presste sie sich die Augen zu, damit sie keine Panik bekam. Solange Mikael an ihrer Seite stand, mahnte sie sich selber, bestand keinerlei Gefahr.
Es dauerte nur wenige Sekunden. Der kleine scharfe Einstich kaum Nennenswert.
Dafür ein einziger tiefer, hungriger Schluck der sie ächzen liess. Es kam ihr nicht nur so vor als hätte er gleich ein ganzes Glas von ihr abgezapft sondern auch gleichzeitig ihr gehörig Lebenskraft ausgesaugt. Erstaunlich sanft wischten dafür seine Lippen den Hals sauber. Erschrocken wollte sie mit der Hand über den Biss streichen, doch er hielt sie davon ab.
„Das heilt in wenigen Sekunden sofern du deine Handbakterien nicht drauf verteilst.“
Nachdenklich trat er zu Mikael. Dr. Card Wangenknochen bewegten sich immer noch, als lies er den Geschmack des Blutes im hinteren Gaumen analysieren. „Gift kannst du ausschliessen. Ich finde keine fremdeigenen Körperstoffe. Kann keine neuen Verletzungen riechen. Was immer die gemacht haben ist mir unerklärlich. Es scheint so als hätten sie bloss einen harmlosen Untersuch vorgenommen. Wenn es hochkommt vielleicht sogar einen Ultraschall. Ihre Zellen von sind von der aktiven Umwandlung dermaßen in Bewegung, dass es schwierig ist festzustellen, was genau der Auslöser war. Ich halte Safa für absolut Gesund. Ein überaus, robustes Gesund nachdem sich ihr Körper, im ersten Stadium der Umwandlung, entgiftet hat. Du brauchst dir wirklich keine Sorgen zu machen.“
Erleichtert sah Mikael auf seine Schuhe hinunter. Es beschäftigte ihn dennoch ein weiterer Punkt. „Was planen gewöhnliche Menschen so weit in unserem Gebiet?“ Dr. Card Gesichtsmuskeln spannten sich an. „Das waren keine normalen Leute. Auf jeden Fall gut bezahlt und gleichzeitig bestens Informiert. Die haben Safa nur mit Handschuhen angefasst wie man sie in der Medizin verwendet. Sie haben von unserem ausgeprägten Geruchsinn gewusst. Wir haben also einen Leck in unseren eigenen Reihen. Du weisst was das heisst?“
Widerwillig knurrte Mikael leise vor sich hin. „Ab sofort stelle ich jemand auf, der die Grenzen heimlich überwacht. Wenn die beiden nochmals unser Land betreten, gibt es ein paar Cocktails mehr für uns auf dem nächsten Fest.“
Zustimmend klopfte Dr. Card ihm begeistert auf die Schultern. Er bedachte Safa mit einem merkwürdigen Blick. „Was beabsichtigst du mit der Schwester zu tun? Falls du sie auch gerne unter Schutz stellen willst, melde ich mich gern freiwillig.“
Verwundert blickte Mikael blinzelnd den Doktor an. Selbst ihm war es öfters ein Rätsel was den aussergewöhnlichen Dr. Card inspirierte sich gerade ihrem Königreich anzuschliessen. Nie stellte dieser hervorragende Vampir die geringste Forderung. Arbeitete, studierte fleissig an seinen Schriften und zeigte ausserhalb der Praxis keine anderen Interessen. Aussergewöhnlich war auch, man sah ihn nie auf dem Übungsgelände trainieren. Dennoch würde er sich hüten diesen verschlossenen Arzt je herauszufordern. Er besass das einmalige Geschick seine mächtige Aura dermassen auszugleichen um völlig unbemerkt an einem vorbei zu gleiten, wie ein hüllenloser Geist. In den wenigen Augenblicken, als Mikael seine durchblitzende gewaltige Macht spürte, reichten aus um den Dauergast mit äusserstem Respekt zu behandeln. Zweifelte keinen Moment daran, dass er nur einen Bruchteil seiner wahren Energie erfasste. Sein ungewöhnliches Interesse an Katalina, einer normalen Menschenfrau, liess selbst ihn stutzen.
Hellhörig zweifelte Safa noch am gehörten. Ungläubig ihre Stimme. „Ihr redet hier aber nicht von meiner Schwester?“
Dr. Card hielt es unnötig sich ihr zuzuwenden. Behielt weiter den nachdenklichen Sirinovska im Auge. Verriet aber Safa. „Ich habe ihr ein angepasstes Medikament gegeben, damit sie die Nacht durchschlafen kann. Wecke sie also nicht auf!“
Da staunte sie. „Wow, und du lebst noch?“ Die Abneigung, ihrer Schwester, gegenüber düsteren unheimlichen Gestalten war ihr wohl bekannt. Dr. Card erfüllte mehr als eine der Kriterien. Wäre er je zur nächtlichen Zeit, in einer einsamen Gasse in ihrem Viertel, auf Katalina getroffen, hätte sie ihn erst lahm gelegt, danach nach Schusswaffen untersucht und erst am Ende eventuell Fragen gestellt.
Diesmal warfen gleichzeitig Mikael und Card ihr einen offenen Blick zu. Abwehrend hob Safa die Hände. „Hey, ich kenne meine Schwester. Wenn ihr was mysteriös erscheint hat sie garantiert mindestens eine Waffe zur Hand. Ich habe auf keinen Fall ihr die Adresse von hier verraten, da ich ihr durchaus zutraue einige Eckzähne schachmatt zu setzen. Und ich plane keinen diplomatischen Ärger mit Eures gleichen.“
Amüsiert lachte Mikael leise. „Nette Beschreibung aber leicht übertrieben.“ Da traf ihn eine abkühlende Welle vom ernsten Dr. Card. „Nun Comtesse Melanie hat da bereits eine andere Ansicht. Nach der ersten Begegnung hat man nach mir gerufen. Ihr ramponierter Zustand sah tatsächlich so aus, als ob sie mehrfach auf den Teppich knallte. Wenn ich das mal so modern ausdrücken darf. Ich hab der verletzten Comtesse schon eine Warnung ausgeschickt, damit sie zukünftig Katalina in Ruhe lässt. Schliesslich ist diese menschliche Schwester noch völlig unwissend über unsere Art. Ausserdem hält mich Katalina für einen verstorbenen Vampirgeist. Vampire selber existieren in ihrer Realität noch nicht. Daher halte ich es für sinnvoll sie zu überwachen um weiteren Schaden zu verhindern.“ Einverstanden nickte Mikael. „Reden wir morgen mit ihr zusammen darüber.“ Fasste er sich kurz. Die späte Zeit zeigte kurz vor Mitternacht. Selbst Safa bremste Müdigkeit. Anscheinend brauchte einig Dr. Card keinen Schlaf. „Geht euch ausruhen. Ich forsche der Autonummer nach. Gegen neun treffen wir uns im Kaffee unten, fals nichts dazwischen kommt.“
Im stillen Einvernehmen trennte man sich. Erschöpft lehnte Safa im Lift an die Wand. „Katalina hat es hierher geschafft, unglaublich. Ich frage mich, wie hat sie die gesicherte Klinik verlassen? Hoffentlich hat sie nicht jemand umgebracht oder verletzt? Die Behörden könnten nach ihr suchen.“
Diesmal äugte Mikael kritisch über ihre schlimme Annahme. „Geht sie wirklich so weit?“
Bedauerlich nickte Safa. „Sie war in deinem Trakt. Sie lebt wie in einer anderen Welt. Willst du immer noch wissen, was passiert ist?“
Seine violetten Augen lächelten traurig nach unten. „Wenn du die Kraft dazu hast, höre ich dir gerne zu.“
„Gut. Denkst du die Küche hat noch ein Sandwich für mich? Ich erzähle es dir, wenn wir im Zimmer sind.“
„Mhm“, vertraulich legte er seinen Arm über ihre Schultern. „Unser Schlafzimmer ist belegt. Gehen wir gleich ins Gästezimmer rüber. Da sind wir ungestört unter uns.“
Sie liess ihre Hand unter seinem Hemd über den Rücken wandern. „Eine gute Idee.“
In dieser Nacht erzählte von dem schlimmsten Moment in ihrem Leben. Wozu Katalina fähig war, wenn man sie in die Enge trieb. Nach ihrer ersten Bewährung wohnten sie zusammen. Sie bekam den Job im Pferdestall vermittelt. Was sie allerdings bis spät Abend tat, das blieb selbst für Safa ein verschwiegenes Geheimnis. Nach dem seltsamen Wunsch nach dem speziellen Schwert vermutete Safa bereits, ihre Schwester trainierte heimlich Verteidigung. Eines Tages wohnte Safas erster fester Freund, ein paar Tage mit ihnen zusammen. Dummerweise fasst er Katalina unmissverständlich, als Safa einmal nicht zu Hause war, an den Arsch und machte sie blöd an. Kurzerhand kastrierte ihre rabiate Schwester den Idioten, ohne Betäubung. Lies ihn aber immerhin am Leben. Von da an bevorzugte es Safa alleine zu wohnen.
Dafür erzählte Mikael ihr auch von seiner Verhaftung. Zwar besass er keine handfesten Beweise, verdächtigte aber die eifersüchtige Comtesse ihm einen Auftragskiller nach geschickt zu haben. Genau an diesem Abend kam er ungewöhnlich später zurück als seine menschlichen Freunde die bereits auf ihn warteten. Als er in sein Appartement eintraf war er bereits zu spät. In seiner Wut, dass Mikael nicht da war, hatte ein Vampirjäger sich an den unschuldigen Mensch vergriffen. Statt zu fliehen, nutzte dafür Sirinovska den günstigen Moment sich verhaften zu lassen und in der Klinik für eine Weile zu verschwinden. Solange bis Comtesse Melanie endlich zur Vernunft kam, oder eben ein anderer zwingender Grund, wie Safa, ihn aus seinem selbst gewählten Exil lockte.
Als erste erwachte Safa. Neben ihr schlummerte Mikael, auf dem Bauch liegend und presste das Kissen an sich. Safa ignorierte den süssen kuscheligen Faktor und stürmte ungeduldig ins grosse Schlafzimmer rüber. Die schweren Nachtvorhänge hinderten das Eindringen vom blendenden Sonnenlicht, liessen aber genug Helligkeit zu. Man konnte ohne künstliches Licht problemlos durch den Raum gehen. Unverändert lag Katalina immer noch auf ihrer schmalen Bank.
Vorsichtig schlich Safa auf ihre ahnungslose Schwester zu. Genau genommen zielte sie die zierlichen Barfüsse an. Kitzelte sachte an der Fusssohle hoch. Enttäuscht gab sie nach ein paar Sekunden auf. Vielleicht stellte sich Katalina nur schlafend? Also näher ran. Atmung überprüfen. Gerade beugte sie sich vor, schnellte ein Bein nach vorn und schränkte Safa seitlich ein. Mit einem geschickten Ruck klemme und riss es Safa gleichzeitig nach vorne. Zwei flinke Hände krallten sich bereits an ihrem Hemd fest.
Finster der Ausdruck ihrer Schwester. „Hab ich dich!“ Vor Schreck kreischte Safa los. Wusste das Ganze war nur ein harmloser Spass, aber trotzdem überraschte sie Katalina komplett. Anders wirkte das Bild auf Mikael. In Rekordgeschwindigkeit flitzte er heran und drängte einen Arm schützend vor seine geliebte Safa. Nachdem was er letzte Nacht schonungslos erfuhr, traute er Katalina zu ihre Schwester im Schreck zu verletzen.
Wiederum hielt Katalina den neuen Beschützer für ziemlich Überflüssig. Liess einfach das innere Bein, den Fuss, wuchtvoll zurück schwingen und Sirinovska brüllte voll, von der harten Ferse, getroffen los. Sie hatte ihn im Gesicht, genau an der Nase, erwischt. Strafend warf Safa ihrer Schwester nun einen betroffenen Blick zu. „Hey, ich möchte ihn nicht missgestaltet. Mir gefällt er so wie er ist.“
„Eh“, sah Katalina ohne Reue zurück. „Was gibt es schöneres am Morgen als für einen eingefleischten Blutfetisch so aufzuwachen!
Dir auch einen guten Morgen, Safa. Ich hoffe du gehörst nicht zu ihren Verein.“
Tatsächlich hinderte Mikaels Hand die Bluttropfen daran auf den Boden zu fallen. Ein Blick auf die Uhr, die bereits bald acht zeigte, da stürzte er bereits zu seinem Kleiderschrank. Dabei wetterte er. „Von wegen! Klär mal deine voreilige Schwester auf! Wir mögen es gerne unblutig. Ihr solltet euch besser auch beeilen. Dr. Card ist für seine Pünktlichkeit. Keinen Hunger?“
In dem Punkt glichen sich die Schwestern. Sie schalteten einen Gang höher. Wobei Katalina etwas verwundert wirkte da Mikael, vor dem Schrank, sich bis auf die Boxershorts auszog und sich danach wieder in einen Anzug stürzte.
Mit dem Ellbogen stiess sie Safa an. „Macht er das immer vor anderen Leuten?“
Darüber wunderte sich eigentlich Safa selber. Da nahm ihr Mikael schon das Wort weg. „Das ist immer noch mein Zimmer. Das Gästezimmer ist drüben!“
Er streckte hinweisend den Arm in die besagte Richtung… als er den leicht schockierten Blick der Frauen gewahrte, bevorzugte er den schnell Abgang. Zwei solche Frauen die unverblümt einem die Wahrheit ins Gesicht schmierten, das war so früh am Morgen zuviel für ihn. Noch an der Türe hörten Safas empfindliche Ohren sein, „Ihr seid doch keine Jungfrauen mehr.“
Schulternzucken gab Safa zu verstehen. „Er hat in letzter Zeit viel um die Ohren. Beeilt sich dahin und dorthin geschäftlich zu vereisen. Trotzdem gelingt es ihm immer nachts bei mir zu sein. Dann raube ich ihm auch noch einen Teil seines verdienten Schlafes. Er tut mir ein wenig leid.“
„So so, ein wenig?“
Safa lächelte ihr schief zu. „Er kommt ja auch auf seine Kosten. Sollte er absolute Ruhepausen wünschen, hätte er ja auch alleine im Gästezimmer schlafen können.“
Zustimmend klopfte Katalina ihr auf den Rücken. Schweigend zog man sich um. Wobei Safa ihrer Schwester gleich anbot ein paar von ihren Kleider zu tragen. Mittlerweile fiel ihr auch auf, wie ihr anfänglich leerer Kleiderschrank, sich plötzlich auf magische Weise mit Frauenkleidern füllte. Unheimlich, bis auf wenige Ausnahmen passte alles genau auf ihren Geschmack trafen. Die Herbstfarben passten genauso perfekt wie das frische Grün zu ihrer Haarfarbe. Wen auch immer Mikael beauftragte, besass nicht nur ein gutes Auge für ihre Figur sondern auch ein exzellentes Gespür was zu ihr passte. Unentschlossen verharrte sie lange vor dem Schrank. Es gab so vieles neues was sie gerne ausprobierte. Unten im Kaffee zu trinken bedeutete sich zu präsentieren. Langsam sickerte selbst durch ihren Verstand, dass sie eine gewisse Rolle an Mikael Seite zu übernehmen hatte. Dementsprechend zauderte sie als sie ein schönes langes Kleid in den Händen hielt. Spottend meine Katalina, „Das ist aber nicht dein Ernst. Ist das die Safa die ich kenne? Solange du dich wie ein Trampel darin bewegst, blamierst du dich höchstens. Ziehst besser das an!“
Drückte ihr klar den hellen Traineranzug in die Hand. Immerhin einer mit noblem Markenlabel. Soviel zum Thema wie gut ihre Schwester sie kannte. Selbst Katalina wählte einen sportlichen Touch. „So kannst du mir nach dem Frühstück ein bisschen die Gegend zeigen. Ich brauche ein bisschen Auslauf nach dem langen, engen Flug. Wobei ich mich über diese Airline wundere. So grosszügig bemessen, wie sonstige First Class. Dennoch angemessen der Preis. Für was steht eigentlich das V im Namen?“ Obwohl Safa eine gewisse Ahnung aufstiess, fand sie eine andere Lösung. „Sorry, aber ich kann leider kein Russisch.“
Argwöhnisch blickte Katalina aus dem Badezimmer hervor. „Du willst es mir nicht sagen? Also dann ist es etwas über ihre gehobene Lobby. Lass dich da nicht zuviel reinziehen. Geniess deinen Sirinovska aber lass ihn nicht komplett über dein Leben bestimmen.“
Während Katalina sorgfältig ihre langen Haare pflegte lies Safa sie wissen. „Es ist … anderes. Manchmal krempelt eine Entscheidung das ganze Leben um und man kann es nicht verhindern. Die Würfel sind gefallen als ich das erste Mal in Mikaels Augen sah. Es hat mich einfach mitgerissen, überwältigt. Vielleicht hätte ich es noch geschafft mich zu distanzieren, doch nach einem speziellen Nachmittag mit ihm zusammen, habe ich mich für den Weg mit ihm entschieden. Er hat mir rücksichtvoll mehr Zeit angeboten, bevor wir nach Russland flogen. Alleine beim Gedanken an eine vorübergehende Trennung hat es mir das Herz schmerzhaft zusammen gepresst. So etwas kannte ich bisher nicht. Trennung,undenkbar. Seither ist was passiert, dass es mir unmöglich macht den Weg zurück zu gehen.“
„Bist du schwanger?“ Schreckte Katalina hoch.
Empört japste Safa auf. „Nein, es ist was anderes. Man könnte es betreffend so sage, ich habe eine Eintrittskarte in ihren Club bekommen und die ist vom Umtausch ausgeschlossen. Du kannst mich vieles Fragen, aber bitte nichts was ihren Verein betrifft.“
„Uuuuh“, versuchte Katalina gespielt gruselig zu wirken. „ Das macht mir direkt angst. Da hast du dir schön was eingefangen. Wenigstens sind es keine brutalen Extremisten oder so ein düsterer schwarzmagischer Gotik Verein. Mikael sieht ja ganz vernünftig aus. Unheimlich wie jemand der Geheimnisse mit sich trägt, aber auch ziemlich liebevoll, wenn ich beobachte wie er dich ansieht.“ Zufrieden lächelte Safa vor sich hin. Da meinte Katalina eher zum Spass. „Hat er nicht noch einen süssen Bruder?“
Entsetzt blickten Safas grosse Augen sie an. „Das ist glaube das letzte womit man seinen Bruder beschreibt. Dimitros soll anscheinend alle einschüchtern, sogar seine engsten Vertrauten. Bin ihm noch nicht begegnet.“
„Mhm“, nachdenklich erinnerte sich Katalina zurück. Geduldig wartete ihre Schwester bis sie endlich aus dem Badzimmer kam. „Safa geh nur vor!“
Unwillig schüttelte Safa ihre roten Haare. „Du hast doch nur noch die Schuhe zum anziehen?“
Katalina verbesserte. „Ja, ausserdem möchte ich gerne mein Schwert kurz auspack…“ Ihre schmalen Schultern zitterten vor Lachen. Sobald das Wort Schwert fiel, setzte sich Safa hastig in Bewegung, Richtung Ausgang.
Katalina liess sich Zeit. Entfaltete das verschnürte Packet. Genoss den Anblick, von der polierten Klinge die silbrig, matt schimmerte. Ihre Finger kribbelten ungeduldig. Mehr als ein Jahr war verstrichen seit sie zum letzten Mal damit trainierte. Behutsam hob sie ihr Lieblingsstück hoch. Wog es erst in der Rechten, dann in der linken Hand. Ein Laut des Entzückens entfuhr ihr als die Waffe lautlos, ohne das geringste Sausen, die Luft durchtrenne als sei es ein Bestandteil ihrer selbst. Mit einem Hochgefühl im Magen, legte sie das Schwert wieder zurück auf das Leder, als sei es ein rohes Ei. Sorgfältig, nur mit einem Band, wickelte sie es ein. Im Notfall musste ein einziger Ruck genügen um es griffbereit zu packen. Versteckte es zurück unter das grosse Himmelbett. Der leere Magen forderte sein Recht, dementsprechend beeilte sie sich zum Lift. Zuerst erblickte sie die breite Treppe. Das Training durfte ruhig warten bis nach dem leichten Essen. Also stieg sie in den Lift hinein und… zuckte an die Wand zurück als ein hastiger Schatten erneut den Eingang versperrte. Obwohl die Gestalt im Höllentempo herbei flitzte, wirkte die Person eher verschlafen. Dimitros, blitzte es durch ihre Gedanken. Alleine seine enorme Aura wirkte, dass sie anfangs gar nicht wagte sich zu bewegen. Hatte er sie überhaupt bemerkt? Sein passend schwarzer Traineranzug war auf dem Rücken mit einem silbrigen Bären bestickt. Breite kräftige Schultern zeigten sich unter der dünnen Jacke ab. Bevor Katalina bewundern weiter nach unten sah, sich bereits fragte wie gut er wohl im Kampf war, blickten klare Auge über seine Schultern zu ihr zurück.
Von wegen, von dem Geist bekam sie fast einen Herzinfarkt. Bei ihm genügte ein Blick und ihr setzte praktisch der Herzschlag aus. Automatisch fuhr eine ihrer Hand schon in den Rücken, wo sonst ihr Schwert lauerte. Mit einem unwilligen zucken im Mundwinkel hielt sie seine festen Blick stand. Geradezu gemächlich drehte er sich ihr zu. Ihm war nicht entgangen, wie ihre automatische Handbewegung eine Waffe suchte. Alleine die eine verkrampfte Faust an ihren Hüften, lies ihn stutzig werden. Er reagierte so rasch, dass sie kaum die Bewegung sah, als er den fahrenden Lift stoppte. Sein Zeitplan war ohnehin schon knapp bemessen. Sie einmal ohne seinen Bruder anzutreffen kam ihm gerade gelegen. Vor allem da er glaubte so ihren wahren Charakter besser zu testen. Seine angenehme Stimme begann harmlos. „Guten Morgen.“
Höflich wiederholte sie den Gruss. Ihre Hand entspannte sich. Dafür kreuzte sie ihre Arme vor ihrem schlanken Körper. Eine eindeutige ablehnende Haltung ihm Gegenüber. Mittlerweile fragte er sich insgeheim ob sie wusste was sie tat, oder kam es ganz automatisch. Seltsamer Weise zeigte sie auch überhaupt keinerlei Angst. Stattdessen, über seine abwartenden Haltung irritiert, sah sie ihn fragen an. Dimitros beschloss mit offenen Karten zu spielen. „Ich fasse mich kurz. Was erhoffst du dir bei meinem Bruder zu finden?“
Augenblicklich war Katalina sich dessen bewusst, er verwechselte sie mit Safa. Hielt es für unnötig in aufzuklären, da es ihn nicht interessierte sich Safa früher vorzustellen. Nach kurzer Überlegung erwiderte sie. „Sicherheit. Geborgenheit. So was wie eine Familie. Ein Zuhause. Eine Zukunft ohne Abhängigkeit…“ Seine durchdringenden Augen hielten sie gefangen um zu testen ob sie die reine Wahrheit sprach. Allerdings ihre Wahrheit. Safa suchte in der Tat noch andere wichtige Dinge, wie Liebe. Auf einmal entdeckte sie im strengen Gegenüber die Ähnlichkeit der seltenen Augenfarbe zu seinem Bruder. Ein ziemlich dunkles, schon fast schwarz sein violett.
Sofort spürte er ihre abgelenkte Veränderung. Wütend hämmerte er eine Faust, neben ihr auf Kopfhöhe, an die Wand. Als es dermaßen laut krachte, zuckte Katalina zusammen, behielt jedoch vollkommen die Nerven. Erst einmal hielt sie es für klüger still zu halten, da sie nicht wusste was sein Zorn auslöste. Dann war da noch die unheimliche Tatsachte wie schnell die Faust zuschlug. Sie hatte die Bewegung kaum gesehen, geschweige den darauf reagieren können. Im engen Lift war sie eindeutig im Nachteil. Als er die Finger, neben ihr spreizte und sich so von der Wand abstützte, entdeckte sie erst das tief verbeulte Metall. Eindeutig war es seine volle Absicht hier seine überlegene Kraft zu demonstrieren. Zum zweiten Mal kroch eine verräterische Angst ihren Rücken hoch. Sie hasste dieses lange verdrängte Gefühl. Dabei hoffte sie so sehr es nie mehr zu erleben. Daher unsicher ihr Ton. „Was willst du?“
Selbstzufrieden wie sie endlich auf seine dominante Präsenz reagierte, lächelte er sie breit an. „Gut, kommen wir ins Geschäft. Wenn du nicht einwilligst warte ich bis er dich einweiht. Sobald das Ritual durch ist, fordere ich dich heraus und zerreisse dich in Einzelteile. Er darf dich nicht einmal beschützten. Es sei denn du nimmst das grosszügige Angebot von vier Millionen USA Dollar an und verschwindest noch heute Abend zurück nach Europa. Was findet eine so hübsche Frau wie du Vorteilhafter?“
Dabei wanderte seine Finger bewundern über das lange geflochtene Haar. Im selben Moment als ihm bewusst wurde was er da tat, blickte er sie umso schärfer an. Im ganzen Lift veränderte sich das Klima zu eisig kalt. Beeindruckt fiel es Katalina schwer zu antworten. Geschweige denn klar zu denken da er so übermächtig wirkte. Ausserdem behielt er einen gewissen Abstand ein, der es ihr verunmöglichte erfolgreich eine Gegenwehr zu starten. Also rief sie sich zur Vernunft. Der mächtig böse Kerl bot ungeheuer viel Geld damit sie verschwand. Hastig kalkulierte sie nach. Nahm ihren spärlichen Mut zusammen. Er ahnte ja nichts von ihrem eigenen Plan bald wieder nach Europa zurück zu kehren. Das galt es Auszunutzen.
„Einverstanden. Allerdings sind fünf Millionen besser. Ich hab da noch eine Schwester auf die ich aufpassen muss. Und ich reise erst nächsten Dienstag ab. Alles andere würde zu viele unerklärliche Fragen bei Mikael aufwerfen. Und wir wollen ihn doch nicht beunruhigen. Deal?“
Ein einziges Mal erlaubte sich Dimitros verblüfft zu blinzeln. Wieso lief das so reibungslos, einfach ab. Eigentlich erwartete er schwierigere Komplikationen.
Plante sie hinten herum einen Ausweg. Warnend hob er einen seiner Augenbrauen. Katalina hob ihre Handflächen harmlos nach oben. „Mein Wort darauf. Du kannst das Flugticket für mich lösen. Für fünf Millionen verrate ich niemand ein Wort. Nicht mal meiner Schwester erfährt woher das Geld stammt.“
„Dein Wort, “ knurrte er abfällig, „Was ist das schon Wert!“
„Soviel wie deines, wenn du die Abmachung einhältst!“ Dabei sah sie ihm ehrlich in die seine stechenden Augen. Lange hielt sie seinen verabscheuenden Blick nicht aus.
Er misstraute einfach dem schnellen Frieden. Bevor die besorgten Sicherheitsleute den Lift starteten wollte er jedoch das geklärt haben.
„Okay. Heute Abend liegt das Ticket für dich bereit. Das Geld überweise ich erst wenn du am Flughafen erscheinst!“ Tief verächtlich musterte er ihre kaum eingeschüchterte Gestalt. Auf einmal fand er Comtesse Melanie wieder viel sympathischer. Die Adelige liess sich wenigstens nicht für einfaches Geld kaufen. Anderseits misstraute er weiterhin dieser kleinen, aufmüpfigen Gestalt. In ihren vorbeistreifenden Gedanken schnappte er keinen ausweichenden Hintergedanken auf. Sie war einverstanden, sogar erleichtert an nächsten Dienstag einen Rückflug spendiert zu bekommen. Nachdem er das spürte, beschloss er mit Mikael ein eindrückliches Gespräch zu führen. Was dachte sich sein leichtfertiger Bruder dabei, eine einfache Menschenfrau, die nur Dreck wert war, hierher abzuschleppen? Auf einmal hatte ER es eilig aus ihrer Nähe zu kommen. Startete den Lift. Abweisend wandte er ihr den Rücken zu. Wollte weg von dem appetitlichen Geruch der ihm verführerisch um die Nase strich. Zumindest in diesem einzigen Punkt verstand er Mikaels Schwäche. Irgendwie vermutete er überzeugt, die Medikamente von der Klinik vernebelten weiterhin Mikaels Verstand. Sobald die Lifttür klingelte, hastete er übereilt hinaus wobei er sogar ein paar von den wartenden Artgenossen anrempelte die ihm im Weg standen. Erstaunt blickten seine Untertanen dem erzürnten Thronanwärter nach. Als sie nach dem Grund suchten, fanden sie den Lift selber leer vor. Bis auf das verbeulte Metall in der Wand.
Unauffällig drückte sich Katalina an der Wand, hinten an den Leuten vorbei um dann sobald die Sicht frei wurde, das Kaffee zu suchen. Sie fand eine Nische, auf der gegenüberliegenden Seite, wo das dekorative Gestrüpp, in seinen altmodischen Kübeln, geschnitten vor sich hin vegetierte. Vermutlich sollten es überteuerte, exotische Pflanzen sein, die da Sichtschutz versprachen. Katalina verstand nichts davon. Erspähte jedoch das braunrote Haar ihre Schwester in dieser Oase. Unauffällig marschierte sie hinüber. Plumpste erlöst neben ihr auf einen gepolsterten Sessel. „Dimitros solltest du besser aus dem Weg gehen. Der beschützt seinen Bruder genau so versessen wie ich dich. Lass ihm Zeit sich erst an dich zu gewöhnen. Also geh ihm wenn möglich aus dem Weg und benutz lieber die Treppe. Letzteres ist auch gut für deine Kondition.“ Sie meinte die letzten Worte eher zum Spass. Darauf achtete Safa kaum, dafür flüsterte sie leise ihrer Schwester gut gemeint zu. „Lege dich besser nicht mit Dimitros an! Kannst du, nur einen einzigen Monat, bitte mal keinen Kleinkrieg anfangen. Mir zuliebe!“
Erfreut schnappte sich Katalina die frischen Brötchen vor ihrem Tisch. „Keine Sorge, nächsten Dienstag fliege ich zurück. Ich habe den Wärtern versprochen nach einer Woche brav wieder in meiner Zelle zu sein.“ Vor ihnen erschien eine weitere riesige Person. Zuerst zuckte Katalina erschrocken zusammen. Noch sass ihr die unliebsame Begegnung mit Dimitros zu frisch in den Knochen. Ihre aufblickenden Augen erkannten jedoch Dr. Card Anwesenheit. Sofort erhellte sich ihr Gemüt. Wohl gesonnen begrüsste sie ihren Geist, dass selbst Safa verwundert kurz aufblickte. Gemütlich setzte sich Dr. Card in ihrer Nische nieder und auf wundersame Weise kam schon sein Kaffee vom Service geliefert. Sogar als er die heisse Tasse an die Lippen setzte bemerkte er weiterhin Katalinas volle Aufmerksamkeit. Schliesslich verzog er spöttisch einen seiner Mundwinkel. „Womit habe ich diese Hingabe verdient.“
Selbstverständlich wunderte sich Katalina. „Wie schafft es ein Geist feste Materie bei sich zu behalten. Eigentlich müsste da doch eine Pfütze sein.“
Ziemlich geknickt setzte Dr. Card seine Tasse sorgfältig auf den niederen Tisch ab. Sogar Safa wirkte geschockt. „Wie kommst du auf so einen Unsinn?“
Ihre Schwester wirkte völlig unschuldig. „Hast du nie gesehen wie er durch Türen oder Mauern einfach so hindurch schwebt?“
Tadelnd schaute diesmal Safa zu Dr. Card hinüber. Der grinste entwaffnend breiter. „War ein Notfall. Whisky hat ihr in den Arm gebissen. Ausserdem war sie im Nonnenkostüm, da darf ich mir wohl auch einen Spass gönnen.“
Entgegen seinen Erwartungen blieb Safa gelassen. Sie kannte die spezielle Kleidung. Schmunzelte, „Katalina, spielst du wieder den Köder um Überfälle zu entschuldigen? Damit du es weist, das Geld auf meinen Konto gehört uns beiden.“ „Hab ich mir schon gedacht. Nein, die abschreckende Verkleidung war nötig um meine Waffen einzuschmuggeln. Dummerweise ging das irgendwie daneben. So ausgelacht bin ich noch nie in meinem Leben geworden. Der Zoll hat nicht einmal meinen Pass angesehen! Was ist das für ein rückständiges Land?“
Diesmal hielt es Dr. Card für nötig einzugreifen. „Ein Land das dich aufgenommen hat ohne Fragen zu stellen. Das dich rein liess, obwohl du Waffen bei dir trugest. Ein Land welches beide Augen zudrückt wenn du jemanden, der vollkommen unbewaffnet ist, im Hotel anbruzelst. Ein Land das…“ „Schon gut“, fuhr ihm Katalina grob ins Wort. „Ich habe es verstanden.“ Beeilte sich da Frühstück hinter sich zu bringen.
Card liebte es zu provozieren. „Ein fürsorgliches Land, dass dich gerne beschützt…“ Gerne hätte er mehr gesagt doch da sie gerade ihren Kaffee trank, verschluckte sie sich heftig. Spuckte fast die zuckrige Flüssigkeit wieder aus. Behilflich reichte Safa ihr sofort ein Taschentuch hin. Sobald Katalina Luft bekamt, lachte sie hemmungslos laut heraus. Rücksichtsvoll stiess Safa mit ihrem Ellbogen, Katalina an. Es dauerte ein paar Sekunden bis die Schwester ihre Fassung wieder fand. Wischte sich die feuchten Augen trocken. „Das war gut. Mich beschützen“, sie gluckste lachend. „Als ob ich das nötig hätte. Wen ich ausraste zittern selbst die geschulten Securitasleute. Dr. Card bist du nicht an einem Tapetenwechsel interessiert? Dich möchte ich gerne in die Klinik nach Kilchberg mitnehmen.“
Unbeeindruckt trank er gelassen zu Ende. „Mir würde schon deine Akzeptanz genügen. Das nur ich persönlich auf dich aufpasse“.
Eine ganze Weile sah ihn Katalina sprachlos an. Diesmal stiess sie ihre Schwester hinweisend an. „Komm wir gehen eine Runde drehen. Erinnere mich nächstes Mal daran die scharfen Messer mitzunehmen, damit nicht jeder dahergelaufene Schnösel mir gegenüber so unverschämt wird.“
Diesmal verschlug es Dr. Card die Sprachen. Schnösel! Er die ultimative Kampfmaschine die jeden seiner Artgenossen weit in den Schatten stellte. Ein absolut gelungenes Meisterstück der Genforschung. Perfektioniert zum Überleben. In seinem steifen Hals spürte er noch die Adern anschwellen. In seinem Inneren brodelte der Zorn. Gerne bewies er ihr, dass sie nicht ein Staubkorn an Kraft besass, die ihm zur Verfügung stand. Innerlich schrie er empört auf. Gleichzeitig behielt er im Hinterkopf, hier auf keinen Fall seine Fähigkeiten zu demonstrieren. Er selber war nur ein Gast in diesem Königreich. Bitter knirschte er mit seinen Zähnen. Die wenigen Gäste in der Umgebung sahen mit Bangen zu ihm hinüber. Beherrscht starrten seine schwarzen Augen Katalinas abweisende Gestalt an. Seit Jahrzehnten wagte niemand ihn dermassen zu beleidigen. Diejenigen die es wagten, litten bis zur Ihrem Ende unter Alpträumen, wenn er sie gnädig am Leben lies. Diesem unwürdigen Menschen… er sandte mit einer gewissen Befriedigung seine unsichtbaren Tentakel zu ihr hinüber. Sobald sie einen Menschen berührten war er fähig Angst, gerade Panikzustände, auszulösen. Oder gar die Energie abzusaugen. Kaum streiften seine eisigen Fühler über ihre Haut, stutzte die junge Frau. „Eh“, protestierte sie. Sie ahnte sofort den Einschüchterungsversuch des Geistes. Packte Safa fest am Arm und zerrte sie rasch Richtung Treppe. „Beeile dich. Ich glaube der Tote mutiert zum Poltergeist. Bevor er hier unten ganz ausrastet will ich weg sein.“
Seit Jahren wieder einmal, löste sich Dr. Card in Luft auf bevor ihn die anderen Gäste anstarrten. Es rumorte tief in seinem aufgelösten Zustand. Rebellierte Vernunft gegen strafende Vergeltung. Sein Selbstvertrauen war jedoch so immens das er voraus wusste, eines Tages würde sie ihn um Gnade anflehen. Er brauchte nur zu warten. Nach dieser Einsicht beschloss er sie vorüber gehend zu ignorieren bis sie seine Hilfe brauchte. Falls sie Fortuna mit gleichviel Glück ausstattete wie Safa, würde das heute noch geschehen. Er wusste nicht ob ihn die Verletzlichkeit der Menschen freuen sollte oder eher zum Bedauern fand.
Die beiden nahen Geschwistern stürmten die Treppe hoch. Oben holte Katalina einen ihrer Taser. Versteckte ihn, in einem Lederetui, unter einem weitem Hemd. Bei Tageslicht das auffällige Schwert mit sich herumzutragen fand sie dann doch zu übertrieben. Ausserdem wollte sie öffentliches Aufsehen vermeiden. Während sie sich aufrüstete suchte Safa nach ihrem Ortskundigen Sven. Der wiederum holte Whisky aus den Privaträumen von D. Card ab. Nach ein paar emsigen Minuten fanden sich die drei Personen und die Doge hinter dem Haus zusammen. Bis zum Nachmittag streifen sie gemütlich, manchmal zum Spass etwas schneller, zu den angefangen Weiden und wieder zurück. In dieser Zeit fand Katalina sogar Spass mit dem Umgang von der verspielten Whisky.
Ein wenig verschwitzt trafen sie am späten Nachmittag im Hotel ein. Anfangs planten die müden Geschwister sich in ihren klimatisierten Zimmern zurück zu ziehen. Dort zu duschen. Doch Sven brachte sie auf eine andere Idee. Nämlich die kleine Badegrotte auszuprobieren. Wobei diesmal Whisky ausnahmsweise nicht mit durfte. Mit dem Lift fuhr man in den Keller. Von dort gab es einen fast anderthalb Meter breiten Tunnel. Mit seiner geringen Höhe von zweieinhalb also nicht geeignet für grosse Vampire mit Platzangst. Kleine Öllämpchen, in ausgehauenen Nischen, sorgten für Licht in regelmässigen Abständen. Der Boden selber belegt mit Steinen die wie ein Mosaik ein abwechselndes Muster boten. Natürlich fand man öfters wieder einen Bären abgebildet. Nach ca. fünfzig Metern, Sven nannte es den alten Fluchttunnel, verzweigte sich der Gang. Einer endete abrupt mit einer groben Steinmauer, beim anderen sah man eine blendende Erhellung nach wenigen Metern. Durch die wenigen Eisenschränke verschmälerte sich der Gang auf einen Meter. Dafür konnte man hier die Kleider aufbewahren. Es gab zwei Nischen mit Vorhang um sich umzuziehen. Ein sehr alter Vampir wachte hier über Ordnung. Aufs Sven Anweisung hin, verteilte er für die jungen Frauen einen frischen Standart Badezug.
Es dauerte nur wenige Minuten bis Safa als zweite ins lauwarme Wasserbad stieg. Sven war bedeutend schneller. Dafür erklärte er ihr, wie man dank neuer Solarenergie die Temperatur des Badewasser bis doppelt so warm aufheizen konnte. Verwundert sah sich Safa um. Die tiefste Stelle im Wasser an die zwei Meter. Der Durchmesser kaum sieben Meter vom Bassin. Dafür wunderschöne Tropfsteine an den Wänden. Es war sogar möglich, einen Meter aussen herum, dem Poolrand, entlang zu spazieren. Allerdings höchstens für kleinwüchsige geeignet. In der Mitte der gerundeten Decke führte ein Loch gerade nach oben. Eine natürliche Lichtquelle die auch zum entweichen der ständigen Feuchtigkeit genutzt wurde. Da die Sonne ständig wanderte und durch die zwei Meter Öffnung kaum regelmässig Licht einfiel, sorgten auch hier die Öllämpchen, mit dem orangengelben Licht, für eine behagliche Atmosphäre. Selbst Katalina wirkte tief beeindruckt als sie die Stufen ins Bassin stieg. „Da habe ich ja wirklich was verpasst. Ich sage es ungern Schwester aber dieser Ort lässt mich Zweifeln ob die Klinik ein angemessener Platz für mich ist.“
Ermuntert lachte Safa. „Dann lass dich doch von jemand adoptieren. Es findet sicher jemand an dir gefallen. Ich würde sogar behaupten das Dr. Card ein Auge auf dich geworfen hat. Wenn du ein bisschen netter zu ihm bist…“
Ein lautes protestierendes Schnauben verriet deutlich die Abneigung. „Von wegen. Der ist mir zu dominant. Dagegen wirkt Mikael wie ein braves Schosshündchen.“
Safa verbesserte. „Ich bevorzuge den Ausdruck verwöhnter Schmusekater. Mir gefallen jedoch alle Seiten an ihm. Ja auch wenn er sich aufregt. Je länger er von der Klinik weg ist, umso friedlicher wird er. Hier zuhause ist er am glücklichsten, das sieht man ihm an.“
Entspannt lehnten sich die Schwestern zurück. Sven folgte ihrem Beispiel und schloss die Augen. Einzig als vier weitere Gäste eintrafen, verringerte er den Abstand zu den jungen Frauen. Die anderen Gäste verstanden den beschützerischen Wink und bevorzugten rücksichtsvoll die Gegenüber liegende Poolseite. Im gesenkten Tonfall unterhielten sich die anderen auf Russisch. Safa fand es an der Zeit heraus zu finden. „Sag mal, wie bist du aus der Anstalt geflohen?“ Die angesprochen hielt ihren Nacken entspannt zurück gelehnt über den abgerundeten Rand. Mit einem gewissen Lächeln im Gesicht verriet sie. „Ganz normal durch die Hintertür. Hast du meine Videobotschaft angesehen?“
„Eh“, stutzte Safa. „Mein Telefon ist abgeschaltet. Hier in Russland brauche ich eine andere Nummer, sonst zahle ich dämlich viel drauf. Ausserdem kann ich aufs Dr. Schwarz nörgelnde Anrufe verzichten. Ich habe ja schriftlich gekündigt aber ich glaube dem fehlt jemand an dem er seinen Frust rauslassen kann. Sonst braucht mich ja niemand zum Quatschen. Hast du nicht gesehen ob die Sms überhaupt fehlschlug?“
Nachdenklich schaute Katalina zu Decke hoch. Nahm sich vor ein ernstes Wort mit Jan zu wechseln. Sollte er sie trotz diesem Wissen freigelassen haben gönnte sie ihm einen satten Bonus von dem hier verdienten Geld. Insgeheim freute sie sich auf die schöne Altersvorsorge. Plante sogar eine frühzeitige Entlassung aus der Klinik. Wenn Mikael den Test bestand kam sie sicher locker heraus. Das viele Geld gab ihr endlich wieder eine schöne Motivation im Leben was zu erreichen. Eine bessere Ausbildung und sie fand garantiert einen idealen Job der zu ihr passte. Sie fühlte als ob eine grosse Erleichterung von ihren Schultern verschwand. Dieser Mikael schien auch qualifiziert zu sein auf Safa aufzupassen… Es wurde auf einmal ungewöhnlich still. Wenn man Teufel sprach. Aus den Augenwinkeln erspähte sie die schlanke grosse Person. Geschmeidig, lautlos seine Bewegung als er neben Safa ins Wasser glitt ohne einen Aufspritzer. Sofort vergrösserte Sven den gebührenden Abstand. Nur Katalina liess sich nicht aus ihrer Ruhe stören geschweige denn gar vertreiben.
Seine Stimme so weich, tief. „Schön hast du hierher gefunden. Nach dem Stress in den letzten Tagen ist das die ideale Erholung“ Eindeutig sprach er Safa an. Selbst Katalina erschauderte bei seiner schmeichelnden Tonlage. Dann allerdings zuckte sie ungewollt er als er unverhofft fragte. „Katalina, ich hoffe dir gefällt unser Land.“ Mit einem Auge sah sie gezwungenermassen rüber und konnte die Überraschung kaum zurück halten. Nun wusste sie warum Safa in seiner Gegenwart so dahin schmolz. Sein blosser Oberkörper ragte aus dem Wasser. Mit einer Hand stützte er seinen Kopf seitlich am Poolrand ab. Sanfte Augen blickten zu ihr rüber, mit diesem breiten Lächeln, da blieb kein Frauenherz unberührt. Dennoch für ihren Geschmack wirkte er einfach zu gutmütig. Ein Kuschelhase konnte auch ein bremsender Klotz sein in Safa Zukunft. Auch den fast ein Meter Abstand den er zu Safa hielt, sprang ihr ins Auge. Sie nahm ihn genauer unter die Lupe. „Ja, die Umgebung ist absolut idyllisch. Diese Oase ist auch Zeitgemäss. Aber der Rest von dem Hotel, der Inventar ist mir persönlich ein wenig zu Altmodisch.“
Mikael quittierte es mit einem leeren Schlucken. Safa dagegen spritzte mit zwei Fingern eine scharfe Fontaine Richtung Schwester.
Er hielt es klüger, die reizbare Schwester zu überhören. Nickte Safa dankend für ihre Unterstützung zu um dann selber im lauwarmen Wasser zu relaxen. Ausser dem plätschern im Hintergrund war es absolut still. Man hörte fast die Badenden atmen. Safa wusste, die anderen gönnten rücksichtsvoll ihren angehenden König die Entspannung, daher wagte niemand zu stören. Ausserdem bestand bei so einer Stille die Gefahr, dass alle mithörten. Einzig die ahnungslose Katalina wunderte sich über das seltsame Schweigen. Flüsterte zu ihrer Schwester. „Sie die hier immer so komisch. Das ist ja wie von dort wo ich herkomme. Man weiss nie was sich hinter den Kulissen zusammenbraut.“ Safa half ihr ein wenig auf die Sprünge. Beugte sich vor und flüsterte leise. „Das ist so weil der Chef da ist.“ Das verdauend, blinzelte Katalina ungläubig. Blickte sich suchen erst einmal gründlich herum. Wer von denen war jetzt denn der Chef? Musterte alle ausser Sven und Safa. Zweifel befielen sie bei dem umgänglichen Mikael. Ein wahrer Chef besass auch Durchsetzungsvermögen. Jemand der eher einschüchternd wirkte. Dann erinnerte sie sich an Dimitros Worte. Oben seien Privaträume. Also musste es eigentlich Mikael sein. Kein Wunder bröckelte es an allen Enden der Fassade. Das war erklärbar durch die lange Abwesend und seinen schlecht gewählten Stellvertreter, der arg die Zügel schleifen lies.
Vielleicht war Mikael nur Chef über diesen alten Kasten oder gar über den ganzen Verein? Letzteres traute sie ihm überhaupt nicht zu. Während seinem langen Klinikaufenthalt musste längst ein würdiger Nachfolger eingesetzt worden sein.
Wieder schreckte sie Mikaels friedliche Stimme auf. „Irgendwelche Zweifel?“
Diesmal verabschiedete sich Katalina von ihrer relaxten Ruhe. Ehrlich meinte sie zu ihm rüber. „Da du mein Zimmernachbar warst traue ich dir sofort zu der Chef von diesem Hotel zu sein. Dein langen Ferienurlaub in Europa erklärt ja das vernachlässigte Land von selbst.“
Letzteres hätte sie wohl besser nicht erwähnen sollen. Selbst dem sonst so ausgeglichenen Mikael traf es empfindlich. Normalerweise hätte er ihren Vorwurf entschärft, auf jeden Fall nicht so ernst genommen. Da jedoch vier Leute, seiner Art, die Kritik über den König gerade mitbekamen, verschärfte ihre Bemängelung. Seine sonst eher nachsichtigen Augen verdunkelten sich. Ein heller Blick in die Runde verdeutlichte ihm den Ausmass des Schadens. Still horchten seine Artgenossen auf seine Reaktion. Jetzt Schwäche zu zeigen hätte geradezu die nächste Herausforderung auf den Thron hervorgelockt. Dabei fühlte er sich noch lange nicht im Vollbesitz seiner Fähigkeiten. Doch zweifelte er keinen Moment, wenn er jetzt diesen Menschen nicht massregelte, würde es sich wie ein unkontrollierbares Buschfeuer ausbreiten, er sei als Herrscher überhaupt nicht qualifiziert. Er musste jetzt und hier die Gerüchte im Keim ersticken. Bereits als er aufstand bemerkte er das Safa böses Ahnte. Ein einziger klarer Blick, ein entschlossener Gedanke an sie gerichtet; halte dich raus. Sie senkte den Kopf und rutschte zurück liess aber hastig durchblicken. „Ich hab mit ihr nicht darüber geredet wer alles Anspruch auf den Thron hat. Oder welche wichtige Rolle du spielst.“ Mikaels Ausdruck gebot ihr zu Schweigen. „Safa, ich hab nachher noch ziemlich viel Arbeit im Büro. Ich brauche dich als Dolmetscher also geh schon mal vor.“ Schickte er sie kurzerhand weg. Ohne zu zögern stieg Safa aus dem Bassin. Allerdings rauschte sie erst einmal hinter den feuchten Vorhang sich umziehen. Durch einen Spalt verfolgte sie jedoch gespannt wie Mikael weiter reagierte.
Erst einmal staunte Katalina. „Thron? Ein Königreich mitten in Russland? Hey, ich durfte einmal am Tag die neuesten Nachrichten am TV hören, das Märchen kannst du nicht bringen. Du hast doch nicht Safa unter Drogen gestellt?“ Unterstellte sie ihm.
Entspannt blieb er vor ihr stehen. „Stell dir einfach vor wir sind eine unabhängige Organisation und ich bin der regierende Chef.“
„Aha“, kam es wenig beeindruckt. „Warum hast du denn solange in der…“ Selbst ein Blinder hätte Sirinovska stumme Warnung gespürt, die bei jedem Wort an Intensität zunahm. Diesmal belehrte er sie. „Du warst bei der Verhandlung nicht dabei also informiere ich dich gerne. Ich bin mit einem guten, sauberen Zeugnis, in meiner Tasche, abreiste. Ich kann schriftlich belegen, dass mein Aufenthalt im Ausland, mit guter Bewertung abgeschlossen wurde. Kannst du das auch?“ Nahm es ihn diesmal wirklich persönlich Wunder.
Es dauerte bis Katalina seine geschickten Worte verdaute. „So nennt man das also!“ Murmelte sie mehr für sich selber. Dann. „Nö. Ich kann mir nicht so teure Anwälte wie du leisten. Brauche ich auch nicht. Meine Methoden ist im Alleingang erfolgreich zu sein und ich war eindeutig schneller hier als zu. Du hast eine Woche gebraucht, ich knapp einen Tag um hier zu sein. Also wer ist jetzt der talentiertere Mafiaboss.“ Schelmisch grinste sie ihn an. Sie schien sich über den Ernst der Lage nicht im Geringsten bewusst. Seine Gesetze verdammten ihn zum Schweigen und trotzdem musste er seine Überlegenheit einfordern, vor den andern beweisen.
Texte: alle Rechte liegen bei der Autorin
Bildmaterialien: alle Rechte liegen bei der Autorin
Tag der Veröffentlichung: 06.06.2012
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