Sunta
1.Flucht in Berge
Kalter, feuchter Nebel beengte die Sichtweite auf wenige Schritte. Danach schluckte die graue, unheimliche Wand jeden Umriss in der kargen Umgebung. Eben noch befand man sich in einem zerstörten Wald mit angekohlten Stämmen, auf einmal hüllte die zähe, dichte Nebelsuppe die grausame Realität in ein schlichtes Grau. Ein unangenehmer Duft von Rauch, verbrannter Holzkohle und feuchter Asche würzte die sonst so frische kühle Bergluft.
Sunta, eine junge Frau, aus einem entfernten Nachbardorf rannte so schnell es die müden Beine zuliessen. Der ewige Bergschnee der selbst im letzten Sommer nicht ganz schmolz reichte teilweise wieder bis zu Ihren Knien. Bremste drastisch ihre Schnelligkeit, genauso wie das kleine Reisebündel in ihrer kalten Hand.
Bei jedem anstrengenden Atemzug bildete sich eine warme Dunstwolke beim Ausatmen. Ihre Lungen brannten von der kalten Winterluft, aber der eben verlassene, mit Asche gefüllte Wald erneuerte die Warnung alles zu geben um das eigene Leben zu retten.
Überstürzt musste sie mitten in der Nacht ihr sicher geglaubtes Dorf verlassen. Trug nur das nötigste an warmer Lederkleidung am Leib. Ein paar überlebensnotwenige Dinge sammelte sie in einem ehemaligen Tischtuch zusammen um den hartnäckigen Winter auch noch bis zum Frühling zu überstehen. Unverzichtbar ein scharfes Messer, Feuersteine, Pfanne zum Wasserschmelz und etwas Trockenfleisch hatte sie schon vor Wochen in dem Bündel heimlich zusammengestellt. Seit sich die blutigen Überfälle in den benachbarten Dörfern zu häufen begannen. Ihr langjähriger Freund, aus demselben Dorf, eilte im Schnee voraus. Bahnte so einen Weg durch die blockierenden Schneewehen vor, welches ihr vorwärts kommen sonst erschwerte. Doch ihre deutlich sichtbaren Spuren, tief eingegraben in Schnee, konnte selbst ein Blinder im Schnellgang folgen. Selbstverständlich nutzten auch die erbarmungslosen Kataner, hinter ihnen, diesen geschenkten Vorteil. Eine grausame Jagt mit einem tödlichen Ende für alle Bewohner auf diesem Planeten. Es gab fast keine Überlebenden, wenn der Angriff mit den fremdartigen Flugobjektenn vom Himmel herab startete. Selten hatte einer der Dorfbewohner überhaupt je einen Kataner beschreiben können, den wer das Pech hatte einen von Nahe zu sehen, verlor bei dieser unheilvollen Begegnung meist sein Leben. Höchstens Alte, dürre Menschen bekamen eine Chance zu überleben. Doch meistens blieb ihnen nach den brutalen Überfällen die Zunge wie gelähmt. Die unbeschreibliche Grausamkeit die sie mitansehen mussten liess sie in einem Schockzustand erstarren. Den die anderen Verwandten, Bekanntenblieben selten in einem einzigen Stück zurück. Man fürchtete diese grausamen Katanern vor allem weil sieweder Frauen oder Kinder verschonten, und sie waren abschreckend bekannt, sogar gebratenes Menschenfleisch zu essen!
Ausgerechnetdiese barbarischen Monster liefen hinter Sunta und ihrem Freund her. Angst trieb die beiden Flüchtlinge zu Höchstleistungen an. Den laut den alten Geschichten der Dorfältesten glichen diese bösartigen Kataner in ihrem Aussehen grünen, aufrecht gehenden Schildkröten. Wirktenin ihren Bewegungen äusserst träge, aber ihre gewaltigen Kräfte reichten weit das über eines normalen Menschen hinaus. Und wirklich kein Mensch hatte je einen dieser gepanzerten Kataner ohne Schutzkleidung gesehen. Von dicken Hornplatten und unzerstörbaren Schilden war die Rede. Unbekannte Lederarten die doppelt so dick wie die heimischen Wildtiere waren und dementsprechend auch effektiver vor Angriffen schützten. Wirkungslos prallten vergiftete Pfeile und verstärkte Speere einfach ab. Ausserdem stanken die intelligenten, grässlichen Kataner teilweise bestialisch! Eine unbesiegbare Bestie die zu allem übel eine überlegenere Technik besass und nie alleine kam.
Bis vor kurzen glaubte man sich, auf dem friedlichen Handelsplaneten, vollkommen sicher. Vor allem in dem unbedeutenden, weit abgelegen Dorf. Vorbeireisende aus dem Universum versorgte sich hier meist mit Nahrung oder anderen gesammelten Vorräten bis hin zu speziellem Rohstoffmaterial welches die Natur lieferte. Der Planet mit dem vor allem hinderlichen Kleingebirgen, kargen Ackerland und sogar einer ständig wandernden Wüstenregion besass nichts wertvolles um Eroberungsstatus zu erhalten. Es sei den man hatte interesse an den verschiedenen Sorten grünen Gräsern, welche hier übig wuchsen. Sonstiger Ackerbau vermiesten die unberechenbaren Winde, die manchmal ganze Wochen anhielten und jedes Korn und anderes gezüchtete Gemüse arg zerflederten.
Seit knapp einem Monat, ausgerechnet in der anbrechenden Winterzeit herrschte hier das absolute Chaos. Mit lautem Getöse, alter Raumschiffe landeten die gefürchteten Kataner um gleich kompromisslos jeden einheimischen Bewohner den sie sichteten nieder zu metzeln. Diese andersartigen Kreaturen stellten einen übermächtigen Feind da, obwohl die Bewohner des heimischen Planeten Anzahlmässig weit überlegen sein sollten. Auf den flimmernden Bildschirmen der Medien zeigten jedoch die Nachrichten wie es fünf ausgebildete Krieger nicht schafften, einen einzigen Kataner zu überwältigen! Allein deren überlegene Grösse flösste dem gewöhnlichen Einheimischen gewaltige Furcht ein.
So beschloss das heimische Dorf, wie man es sich schon seit mehren Jahrhunderten immer wieder erzählte; erneut in einem taktischen Rückzug ihr Glück. Man verhielt sich passiv und spielt Verstecken mit dem übermächtigen Feind. In den alten, vernachlässigten Bunkern wollte man sich erneut für ein paar Jahre „vergraben“ bis die fremdartigen, aggressiven Kataner auf dem sonst „armen“ Planeten vor Langeweile selber verschwanden. Ausser ein paar elektronischen Geräten für den Eigenbedarf besass der Planet nur eine wiederkehrende Besonderheit; köstliches Fleisch von einer robusten, genügsamen Rinderrasse. Dazu ein Gewürzkraut das nur hier zu gedeihen schien. Rastende Reisende schätzten das angenehme, langsam verändernde Klima und die berühmten Mahlzeiten.
Da zudem die Kataner deutlich die warme Zone des Planeten bevorzugten, flüchteten schon die Vorfahren von Sunta, in die kältere, höher gelegenen Bergregionen. Denn es hielt sich hartnäckig das Gerücht, das ein kühler Nordwind die Kataner in steife Geschöpfe verwandelte. Vor allem da die Kataner äusserst selten die Einheimischen in die kalten Berge hinauf verfolgen. Doch dieses Jahr verloren die alten Erzählungen anscheinend bedeutend von ihrem Wert. Denn die erfinderischen Jäger schienen einen Weg gefunden zu haben, die Kälte besser zu überwinden.
Schon vor wenigen Wochen flüchtete Sunta mit ihrem langjährigen Spielgefährten in die umliegenden Wälder, in eine kleine Blockhütte. Bereits vor Monaten evakuiert, blieb das Dorf „Kuschgen“ dann fast menschenleer zurück. Nur einzelne zähe Einsiedler weigerten sich woanders komplett neu anzufangen. Zurück blieb kaum eine Handvoll Einwohner, welche alles zurück gelassene Eigentum, der anderen, sorgfältig weiter pflegte. Mit der ständigen Hoffnung dass eines Tages, das Heimweh die alten Freunde, zurück trieb.
Sunta und Tonan besassen das seltene Privileg eine der grösseren, verlassenen Vieherden zu übernehmen. Um das Überleben der Tiere besser zu gewährleisten, führten sie die inzwischen halbwilde Herde tiefer in den Schutz der höheren Tannenwälder. Zu zweit wäre es unmöglich gewesen an die hundert Tiere, in einem dunklen Stall täglich zu versorgen. Die längst zusammengebrochene Stromversorgung reparierte niemand. Ausserdem wäre es ziemlich auffällig gewesen die Tiere draussen auf den umliegenden Dorfweiden grasen zu lassen. Das wäre ja als wollte man mit einem ausgelegten Köder die Kataner geradezu zu einem Besuch einladen. Gelegentlich kehrten sie mit Tonan zwar in den verlassenen Haupthof zurück um sich wieder einmal richtig in einem windgeschützten Raum aufzuwärmen. Doch gerade letzte Nacht donnerten die alten Kriegsschiffe der Kataner so dicht über ihre Ziegeldächer hinweg, dass es einzelne Lehmplatten bei dem mitreissenden Luftstrom heraus zerrte. Das folgende leichte Erdbeben verriet ihnen dass die fliegenden Kolosse sogar landeten. Eigentlich völlig überraschend in dieser kalten Jahreszeit. Doch seit die feindlich gesonnen Kataner allen den Krieg erklärten, stellte Sunta den Notbeutel griffbereit neben die Türe.
Gemeinsam verliess sie mit Tonan, Hand in Hand den vertrauten heimischen Hof. Feine kräftige Hände eines Kuhmelkers führten die Hand einer Ziegenhirtin hinaus in die ungewisse Nacht.
Spärlich warf der magere Halbmond ein mattes Licht auf den Schnee. Es drängte sie beide hinauf, weiter hinauf, in den tieferen Schnee. Dort wo dünne Luft das atmen erschwerte. Jeder schwere Kataner versank weit tiefer im Schnee als sie beide. So weit oben in den Bergen war kaum jemand je gekommen. Unbekanntes Gebiet, da man die tieferen satten Weidezonen, ausnutzte. Hier oben, gab es nur für Steinsammler oder Kristallsucher, gelegentlich was zu finden. Selbst die verdankten ihr Überleben in der dünnen, eisgen Bergluft öfters der lederndenen Schutzkleidung, die nur Sunta herstellte. Normalerweise blieben die dicken Pelze der kleinen Mtakabären, deren Fleisch eine Delikatesse für die heimischen Einwohner bedeuteten, als ein nutzloses Nebenprodukt einfach für die Haushunde zum spielen übrig. Doch Sunta sammelte ein paar dieser robusten Pelze ein, die sich nur schwer verarbeiten liessen. Vier solche Stücke reichten aus um eine Art einfacher Poncho anzufertigen. Dieser schützte den Oberkörper vor dem auskühlenden Nordwind und garantierte dass man vor allem nach den bitterkalten Nächten überhaupt wieder aufwachte.
Sobald Sunta die ewige Schneezone erreichte, war das wie vor einem fremden, feindlichen Nachberland zu stehen. In vielen alten Gutennachgeschichten erzählte man davon dass hier oben unheimliche Wesen das Territorium eifersüchtig für sich beanspruchten. Auf geheimnisvolle Weise ihr Schneereich verteidigten und jeden uneingeladenen Eindringling, vor allem Nachts lautlos überfielen. Einige verirrte Wanderer fanden sich so auf unerklärliche Weise am folgenden Morgen wieder in der Nähe eines Dorfes im unteren Tal. Bisher gab es nur Erzählungen von den Alten. Suntas moderne Generation vertraute da mehr den sichtbaren Beweisen. Dennoch blieb da neben der unglaublichen Furcht vor den gnadenlosen Kataner auch die tiefverankerten Warnungen, der erfahrenen Generation hängen. Die lähmende Angst im Herzen verlangsamte den Fortschritt der durchdachten Flucht. Sunta bemühte vergeblich mit dem gross gewachsenen Tonan Schritt zu halten, der mit kräftigen Schritten den Schnee pflügte. Das die bösen Kataner praktisch jeden töteten war bekannt. Vor allem bei männlichen Einwohnern gab es ja höchst selten ausnahmen. Jedoch verschwanden regelmässig ein paar junge Frauen völlig Spurlos. Das reichte aus damit Sunta ihrem versprochenen Tonan überall hin folgte. Schon ihre ihre verstorbenen Eltern knüpften die Verbindung zwischen ihnen beiden. Es galt als abgesprochene Sache dass sie zusammen eines Tages den grossen Bauernhof, Tonans Erbe, übernehmen sollten. Doch nach dem übereilten Aufbruch blieb das wertvolle Gut ungesichert zurück.
Brennende, schmerzende Beine zwangen Sunta zu einem angemessen, vernünftigen Tempo. Feuchte Wollsocken in den durchweichten Lederstiefeln liessen ihre Füsse gefühllos werden. Sie hauchte, warme Atemluft in ihre steifen, klammen Hände. Strich die rotblonden, langen Stirnfransen zur Seite um besser zusehen. Im Nacken fehlte ihr wiederum das lange Haar. Sie vermisste das vertraute Gewicht. In der Notunterkunft teilte man das knappe Wasser sparsame Rationen ein. Darum schnitt sie sich ihren langen Zopf einfach halber ab, denn mehr als einmal Wöchentlich blieb kaum was fürs Haare waschen übrig. Ungewohnte Kälte versteifte ihren schweissnassen Nacken. Normalerweise reichte ihre gepolsterte blaue Tunika aus, sie warm zu halten, wenn sie die Ziegen auf höhere Weiden führte. Diese Schneezone mit den Temperaturen unter dem Gefrierpunkt, hatte sie zwar erwartet aber niemals vorher betreten. Der sonst ideale Wollstoff mit der Lederkombination versagte bei dem lebensfeindlichen Klima. Ohne die Mtakafelle hätte sie es überhaupt niemals bis hierher geschafft.
Um ihre zittrige Schwäche zu verbergen, schickte sie Tonan als Kundschafter immer ein paar Meter voraus. Folgte seinen eingedrückten Spuren im harten Schnee wie ein Scout seiner Beute. Ihre aufmerksamen Gedanken registrierten das selbst die kleinen Augen der Verfolger auf genau gleiche Weise an ihren hinterlassenen Spuren klebten.
„Nur nicht aus den Augen verlieren. Bleib schön auf dem Weg bleiben“, flüsterte sie sich selber zu. Steife Finger krallten sich erneut um das lebenswichtige Stoffbündel. Doch die starre Hand gehorchte zähflüssig. Öfters rutschte das Bündel unbeabsichtigt aus ihren kaum spürbaren Fingern. Tief liegende Wolken huschte in trägen Bahnen, vor und hinter ihr, vorbei. Verstärkte ihre Beunruhigung. Es war als bewegte man sich verschluckt, in einem Nichts. Zwar konnte sie der Feind nicht sehen, doch genauso wenig ahnte sie wie weit sie der Abstand zu den Katanern trennte. Zudem bohrte eine Ungewissheit, ob der sonst zuverlässige Tonan sich hier oben nicht in ein Seitental verirrte. In eine Sackgasse zu geraten war fatal und das wandernde Wolkenband gab selten einen Blick auf die Berge frei. Es gab seit dem verlassen der unteren abgefackelten Wälder, keine Hinweise mehr wohin sie genau zogen.
„Weiter! Weiter!“ Mahnte sie sich selber. Trieb sich bis zur äussersten Leistungsgrenze an. Gehetzter Atem beschleunigte sich. Ausser dem einmal wöchentlichen Ausflug, in die noch letzten grünen Bergregionen war eine derartige körperliche Leistung ungewohnt. Vor allem in so dünner Luft oben. Ein stolpern, anhalten, warten, verschnaufen, horchen durch die labilen Wände des Nebels. Ganz in der Ferne ein deutliches Motorgeräusch. Es schien allerdings von vorne zu kommen? Von hinten näherte sich andere Geräusche. Trampelnde Stiefel, dumpfe Schläge wie einer gepolsterten Stahlrüstung, seltsame Stimmlaute die nicht aus ihrem Sprachwissen stammten. „Kataner“, hauchte sie wissend. Ungewiss über die Nähe des Verfolgers, folgte sie gestresst dem vorgetretenen Weg. Wissend dass bei baldigem Sichtkontakt ihr keine Kraft mehr, für eine vorteilhafte Flucht, übrig blieb.
Auf einmal kreuzten mehrer kleinere Spuren die von Tonan gelegtem Pfad. Eine Reifenspur oder Schlittenspur. Und viele kleine Hufspuren der heimischen Berggemsen. Mit den Verfolgern, so nahe, beschloss sie ihre Taktik zu ändern. Sie konnte den Spuren des Fortschritts folgen oder auf den Instinkt der Wildtiere vertrauen. Vielleicht würde eine vorübergehende Trennung von Tonan einen günstigen Vorteil verschaffen. Um genaue Entscheidung abzuwägen, blieb keine Zeit. Sie folgte den Wildtieren. Alle Spuren der Herde führten zu einer Futterstelle wo getrocknete Resthalme von Heu herumlagen. Unzählige Tierspuren, verschiedenen alters führten genau hierhin und…. Gar nicht mehr weiter. Unbegreifend, staunend starrte Sunta vergeblich in den stummen Nebel hinaus. Wie verschwanden Tiere von der Grösse einer Ziege? Verwirrt blickte sie suchend in den Himmel hoch. Verdächtigte ein fliegendes Raumschiff.
Unter ihren Stiefelsohlen bemerkte sie eine harte Unebenheit. Ihr eigenes Gewicht löste unabsichtlich einen versteckten Mechanismus aus. Bevor sie überhaupt begriff, öffnete sich ein dunkles schwarzes Loch unter ihren Füssen. Körpergewicht fiel haltlos in die Tiefe. „Seltsam es ist warm“, bemerkte sie noch im fallen. Schwärze der Dunkelheit verhinderte dass sie überhaupt die fallenden Meter bemerkte. Ein Lichtstreifen näherte sich mit rasender Schnelligkeit. Einen Bruchteil Erleichterung, dann der grosse Schock! Eine riesige, verborgene Höhle und sie fiel von der Decke hinunter in die tödliche Tiefe.
Das „Nein“, blieb in ihrem eingefrorenen Denken blockiert, zusammen mit der unumstösslichen Gewisseit; das wird ihr Tod sein.
Ein verzweifelter Schrei blieb in ihrer gelähmten Kehle stecken. Wie lange noch bis zum Aufschlag.100 Meter oder mehr? Todesangst umklammerte eisern ihr rasendes Herz. Schnürrten ihr zusätzlich die lebenswichtige Luft ab. Die Zeit blieb stehen und ihr Herzschlag kam aus dem Takt. Längst taumelte das entglittene Stoffbündel selbstständig durch die Luft.
Gewissheit unten den Tod zu finden, ein Boden auf dem der Körper zerschmetterte. Oder eine harte Wasseroberfläche, denn unter ihr glitzerte was verdächtig wie ein ruhiger See.
Aus den Augenwinkeln gewahrte sie noch eine flüchtige Bewegung, mit ihrer Fallbewegung folgend. Alles verlor an Bedeutung. Einfach fallen. Zeit, Sekunden, vergessene Erinnerung blitzten auf. Einen schönen Augenblick, rief sie sich ins Gedächtnis, bevor der unausweichliche Tod sie in Empfang nehmen sollte. Ein wunderbarer sommerlicher Nachmittag mit Donan draussen auf den blühenden Wiesen. Gemütlich ausgestreckt im hohen Gras liegen. Die fleissigen Bienen summten um die offenen Blüten. Der schwere, süsse Duft der Wiesenblumen umgab sie. Sie rief sich das leicht schiefe Lächeln von Donan in Erinnerung. Wie weich sich sein leicht gelocktes, kurzes Haar anfühlte. Im Gegensatz zu seinen kräftigen Schultern. Seine leuchtenden, verliebten braunen Augen… dieses letzte Bild zerriss es in bunte Einzelteile
Es fühlte sich an, als ob ein Seil sie zu eng zusammenschnürte und ihr den letzten Atem aus dem Oberkörper presste. Ein heftiger Ruck der sie in zwei Teile zu reissen schien. Ihr Rückgrad knirschte. Vom unbeschreiblichen Schmerz flackerten Sterne vor ihren Augen auf. Wie ein blendender Blitzschlag flutete sie unbeschreibliche Qualen durch jeden Nerv in ihrem Körper.
Es dauerte bis sie den Unterschied vom senkrechten Fallen zum ruckartigen Gleitflug erkannte. Halb betäubt viel ihr das wagrechte Fliegen zum Boden auf. Unsanft folgten weitere unregelmässige Stösse. Etwas schnürte, presste immer noch ihre Luft unliebsam weg. Bauch und Brustkorb wie durch einen Eisenring gefangen. Dann auf einmal war sie frei. Wieder ein kurzes Fallen welches diesmal auf einer weichen Unterlage endete.
Todesangst hielt sie weiter gefangen, obwohl ihr ganz weit weg dämmerte, dass sie auf einer sicheren Matratze oder was ähnlichem lag. Der Schock weigerte sich ihren erstarrten Körper zu verlassen. Da nützte auch die weiche Tonlage einer menschlichen Stimme nichts. Zwar entschärfte die Anwesenheit einer freundlichen Person ihre störende Bewegungslosigkeit. Sanfte Hände tasteten über ihren gepolsterten Brustkorb. Auf einmal strömte eine warme Flut Sauerstoff in ihre Lungen, löste die verkrampfte Muskulatur. Keuchend schnappte Sunta befreit, tief nach Sauerstoff. Ihre rehbraunen Augen gewannen an Sehkraft und Schärfe zurück. Das Gehirn schickte ihr verwirrte Gedanken. Sie sollte eigentlich Tod sein? Hustend versuchte sie den feinen Druck der fremden Hände loszuwerden. Sie verschwanden freiwillig. Halb setzte sich Sunta auf. Schwindlig brauchte sie einen Moment zu begreifen, dass sie wirklich noch lebte. Unbegreiflich durch welches Wunder sie das verdankte. Ihr gesenkter Blick blieb an einem fremdartigen Stoffsaum hängen, der nicht zu ihrer Bekleidung gehörte. Ein unbekanntes gesticktes Muster. Freie, gepflegte Füsse in aufwendig geflochtenen Ledersandalen. Überrascht sah Sunta hoch. Wahrhaftig da stand eine staunende ältere Frau, die so in etwa dem Alter einer vierzig Jährigen entsprach. Auffallend bleiche, weissliche Haut. Blass und schlank, Gesicht wie Körper. Langes sandfarbiges Haar, offen getragen, bis zum Rückenanfang hinunter reichte. Ausserdem hüllte ein feines seidiges Gewebe ihren schlanken, geradezu dünnen Körper ein. Sunta blickte hoch in die genauso beobachtenden, hellen Augen. Aussergewöhnlich hellblaue Augen. Für Sunta wirkte das weibliche Wesen vor ihr wie eine zerbrechliche Elfe aus den Märchenbüchern für Kinder. Erst als die fremde Person die dunkle Umgebung absuchte wirkte sie auf eine unerklärliche Art durchaus menschlich. Sunta folgte dem prüfenden Blick, in die mit Fackeln belichtete Kleinhöhle hinaus. Wenig überrascht und gefasst bemerkte sie die rasch nähernden drei Männer aus einem seitlichen Eingang. Ähnlich ausgestattet mit dem fliessenden weichen Stoff. Jedenfalls erkannte sie dass es sich um eine Amtstracht handelte das den verschiedenen Rang der Träger auszeichnete. Zwei von ihnen trugen eine dunkelblaue Uniform mit den deutlich roten Abzeichen auf den Schultern. Bei der hastigen Verstärkung zeigte sich nämlich deutlich der Unterschied zu der dritten höher gestellten Persönlichkeit.
Finster, eindringlich musterten die gepflegten Herren den unwillkommenen Eindringling, der noch leicht benommen auf der weichen Unterlage sass. Doch der erste Eindruck von Sunta täuschte. Sie kam keinesfalls mit feindlichen Absichten. Es sprengte ihr Wissen, dass es ganze Menschenvölker gab, die unabhängig von anstrengender Feldarbeit, in unterirdischen Höhlen existierten. Diese gross gewachsenen Leute unterschieden sich mehrfach von ihrem Volk. Erst Recht das beeindruckende Oberhaupt dass sie musterte wie ein unliebsames Insekt, von dem man nicht wusste, ob es der heimischen Rassen Schaden oder Nutzen brachte. Ohne Anzeichen von Wärme, marschierte er selbstbewusst mit seinen sauberen polierten Stiefeln nach vorn. Seine langen, kühlen Finger überprüften Sachkundig ihren Zustand. Fühlten mal nach dem Puls an ihrem Hals und fingerte sogar an Suntas Ohr herum. Erst als sie ihre ovalen Ohren mit dem des Fremden verglich, erklärte sich ihr das aussergewöhnliche Interesse. Diese Menschen hier unten besassen, längliche Ohren die oben fast spitzig endeten. Sie fühlte sich in dem Verdacht verstärkt dass die Elfen wahrhaftig existierten. In dem unterirdischen Bau brauchte es auch gute Ohren um überhaupt was zu hören.
Bleiche weisse Fingerspitzen streiften über ihren sonnengebräunten Arm. Als das Oberhaupt ihre Beine ausstreckte um sie auf mögliche Verletzung zu untersuchen, reichte es der bodenständigen Sunta. Energisch zog sie das Bein weg und versuchte erst einmal selbst, ohne zusätzliche Hilfe aufzustehen.
Allerdings stellte sie fest, dass der Schock noch teilweise ihre Muskeln besetzte. Erst beim zweiten Anlauf gewann sie die vollständige Kontrolle in ihre kalten Beine zurück. Leicht zittrig stand sie da und bemerkte den sichtlichen Grössenunterschied zu diesen neuen Artgenossen. Zwei Köpfe grösser in der Höhe war gewaltig. Schon Donan war, mit einem Kopf unterschied zu ihr, ein ausgewachsener Mann von von stattlicher Statur, aus ihrem Volk. Der ruhigere von den drei Typen hier, war sogar beinahe drei Kopflängen höher! Dafür dass er so gross geraten war, fielen bei ihm die langen, glatten Haare sofort auf. Trotz seinem jüngeren Alter, um die dreissig waren die seidendünnen Haare so weiss wie frisch gefallener Schnee. Ein gelber Faden schmückte den langen geflochtenen Zopf hinten an seinem gestreckten Rücken. Zurückhalten, etwas steif in der Haltung und viel zu dürr, fand Sunta. Er wirkte so zerbrechlich wie eine rohe Eierschale. Ganz anders überzeugte der strenge, ältere Vorgesetzte mit einem ziemlich eleganten Eindruck und vor allem mit einer gefährlichen Festigkeit. Unnachgiebigkeit, genauso wie ein scharfsichtiger Verstand konnte man aus seinen markanten Gesichtzügen lesen. Er erinnerte sie stark an einen der unbeugsamen Ältesten aus ihrem Dorf. Deren Worte ein unumstössliches Gesetz bildeten. Jemand mit dem man sich besser nicht anlegte.
Sunta sog einmal tief Luft ein um sich einmal mehr zu beruhigen. Warmer Luftzug mit einem fauligen Beigeschmack wie nach verwestem Fleisch, filterte sie heraus. Verwundert wandte sie neugierig ihren Kopf zu der abstossenden stinkenden Windquelle. Kaum blickte sie hinter ihren Rücken, erstarrte sie verwundert zur Salzsäule. Dieses geflügelte Monster erklärte alles. Mit diesem aus Legenden bekannte Drachen, der fast die doppelte Grösse eines Elefanten besass, erklärte warum sie den Sturz überlebte. Seitlich angelegte Flügel, einzelne Hautlappen sogar zerfetzt, verriet sein fortgeschrittenes Alter. Allerdings verdammten ihre Legenden diese monströsen Kreaturen zu bösen, gefürchteten Viechern. Man erzählte diese Horror Geschichten um unartige Kinder zu erschrecken. Dementsprechend lange braucht Sunta um zu verdauen dass dieses geschuppte Wesen, mit vielen stumpfen Hörnern am Kopf ihr eigentlicher Schutzengel darstellte. Ein gezüchtetes Nutztier von den hiesigen Bewohnern, oder galt es als Verteidigung für Eindringlinge?
Absichernd pendelte Suntas Blick zwischen dem ungewöhnlichen Tier und seltsamen Menschen. Erspähte sie da nicht ein spöttisches Lächeln in dem grossen Hünen. Wahrscheinlich amüsierte er sich über ihr ängstliches Gemüt.
Ein greller Schrei über ihren Köpfen liess alle einstimmig aufsehen. Hektik, elektrisierte Spannung überfielt die versammelte Mannschaft. Seitlich schwang sich der erfahrene Drache mit einem Ruck in die Höhe. Kratzte nach dem ersten Flügelschlag, auf der einen Seite, über den Boden. Der zweite mächtige Luftschlag katapultierte ihn förmlich mehrer Meter in die Höhe. Kühler feuchter Wind streifte Suntas erbleichte Wangen.
Innert Sekunden beschleunigte das sehnige Tier seine enorme Masse. Legte den Kopf schräg, visierte den kreischenden Menschen an und mit einer seitlichen Drehung fing er den fallenden Körper fest mit seinen kräftigen Hinterbeinen ein. So sicher wie ein erfahrender Adler seine Beute im Flug erhaschte, hakten sich seine langen Krallen um den warmen Körper. Kurz ein fallender Ruck vom Fallgewicht dass selbst, für einen Bruchteil einer Sekunde, einen Drachen aus dem Gleichgewicht zu reissen drohte. Schon segelte der alte Riesenvogel elegant in einem grossen Kreis zu den gepolsterten Matten.
„Das ist also passiert“, sagte Sunta zu sich selber. Alles in so einer atemberaubenden knappen Zeitspanne das ihr erst verspätet dämmerte, wer da runter gefallen sein könnte. „Tonan“, entfuhr es ihr entsetzt. Wenn er ihren Spuren gefolgt war und in dieselbe Falle getappt war!
Sie rannte los, hastete zu dem reglosen Menschen so schnell es ihre halb tauben Beine erlaubten. Dabei entging ihr der kritische Blick des Oberhauptes völlig. Der murmelte extra in seinem Dialekt zu seinen Lehrlingen, „Den will ich mal im gesunden Zustand rennen sehen! So kurze Beine und so flink! Falls er sich ohne Schaden von den Ereignissen erholt sind wir gezwungen, gut auf ihn aufzupassen!“ Ohne Eile marschierte er rüber zu den zwei unfreiwilligen, neuen Besuchern.
Vor Suntas Stiefeln lag eine zitternde, zusammen gekrümmte Gestalt. Ein entfernt bekanntes Gesicht aus ihrem einstigen Dorf. Anscheinend waren nicht nur Kataner ihr so dicht auf den Fersen gewesen sondern auch ein verspäteter Nachzügler der flüchtenden Bewohner.
Aufgerissene, starre Augen, des jungen Mannes, blickten teilnahmslos an ihr vorbei. Verkrampfte, raue Hände liessen sich auch unter ihren sanften Finger nicht lösen. Selbst als der heimische Höhlenbewohner seine grossen Handflächen unter den dicken Mantelpelz schoben, blieb es sonderbar ruhig bis auf das permanente Zittern. Kein Atemzug war von dem liegenden zu vernehmen. Als ob man einem Roboter die Batterie entfernte, legte sich sein Kopf plötzlich langsam schlaff zur Seite. Braune Augen verloren ihren Glanz.
Mitgenommen realisierte Sunta was gerade vor Ihren Füssen geschah. Es war das erste mal, dass sie überhaupt einen Menschen sterben sah. Sie richtete sich müde auf und bemerkte erst jetzt die furcht einflössende Nähe des riesigen Drachen hinter ihr. Er berührte mit seinen langen Kinntasthaaren fast ihre Schultern.
Ohne das geringste Mitgefühl sah der älteste Höhlenwächter auf die enttäuschte, kleine Person vor ihm. Trotz einer leichten Verwirrung merkte er auch ihren tiefen Schmerz. In seinem Gesicht zeigte sich eher ein gelangweilter Ausdruck, versuchte aber mit dem Besucher Augenkontakt zu halten. Dann in einem verständlichen Dialekt gab er zu verstehen. „Das war zu erwarten. Es gibt Ausnahmen. Seltene Ausnahmen, die so einen Sturz überleben. Jedoch niemals zweimal an einem Tag!“ Dann drehte er ihr den Rücken zu und wies die anderen an, „Zurück an die Arbeit. Ahmnuh bringt den Fremden ins Reinigungsquartier. Er ist zwar alles andere als das was sich die Frauen üblich wünschen, aber wir brauchen neue Blutlinien. Informiere die ledigen Frauen dass wieder Abwechslung zur Verfügung steht!“ Ohne sich umzudrehen, marschierte er flott davon.
Über den fatalen Irrtum sackte Sunta der Kiefer peinlich hinunter. Fremden? Er? Die hielten sie fälschlicherweise für einen Jungen! Prüfend sah sie an sich hinab. So im spärlichen Licht der Fackel bestätigte sich leider ihr erbärmliches Aussehen. Das polsternde Mtakafell versteckte die weiblichen Rundungen. Dazu ihre eher muskulösen Beine gehörten keinem verwöhnten Frauentyp, sondern zu der robusten, schweren Schule. Da sie öfter in Bergregionen kletterte, bevorzugte sie es lieber etwas kräftiger und ausdauernder Aufzutreten, in grosszügiger gemessener Kleidung. Dazu gehörten gelegentlich auch schon mal die robusten, verstärkten Hosen von Tonan. Während dessen die früheren Dorfschönheiten sich mit hautengen Korsett und aufwendigen Rüschen und langen Röcken schmückten. Weder vor noch nach dem verlassen des Dorfes legte sie je eine dieser kostbaren, gestickten Gewänder an. Tonan war einfach gestrickt und bevorzugte eine einfache Frau die er verstand und die auf dem Hof anpackte ohne sich um die Kleider zu Sorgen.
Gerade in diesem Augenblick kam sich Sunta jedoch doppelt schmutzig vor. Strähnig ihre knapp schulterlange Haare. Wild zerzaust nach dem Sturzflug. Ihre grün, braune Tunika leicht zerfetzt an den Ärmeln. Langsam begann sie in dem windgeschützten Raum zudem unangenehm zu schwitzten. Ihre dicken Fellschuhe und die langen Unterhosen von Tonan bewahrten sie vor der eisigen Kälte draussen, doch hier unten in der warmen Höhle wirkte alles fehl am Platz. Beschämt senkte sie ihren Blick.
Sanft legte sich eine gut gemeinte Hand auf ihre Schultern. „Keine Sorge, einige der jungen Frauen schätzen die Vorteile der kleinen Männer. Und vor allem da du sehr jung bist werden dich viele verwöhnen. Allein schon wegen einem niedlichen, kindlichen Ausdruck!“
Mit wenig Begeisterung sah Sunta hoch. „Kindlich? Mit meinen 22!“ Betroffen schluckte Sunta. Was wenn die hier den Irrtum aufdeckten und sie bloss als „Frau“ abwerteten. Hier zählte der gute Name ihrer Familie nichts. Nützte ihre Selbständigkeit, lieb gewonnene Freiheit und vor allem ihre robuste Natur wohl herzlich wenig. Die Fähigkeit mit einem Messer ein Bärenfell abzuziehen und ganze Fleischberge zu zerlegen, oder kostbare Ziegenherden vor den Wölfen zu schützen, bedeutete hier nichts. Hunderte Jahre berühmte Familiengeschichte gehörte zu ihrem Stammbaum. Niemals bekannt wegen Reichtum aber für den Mut, Vertrauenswürdigkeit und vor allem die Sturheit niemals aufzugeben.
Missmutig schnippte Sunta einen Stein mit der Stiefelspitze scharf auf die Seite. Wie lange konnte sie wohl die anderen mit ihrem Geschlecht täuschen? Gewisse benachteiligte Regeln änderte sich wohl nie, egal bei welchem Volk oder Generation!
Gespannt folgte sie Ahmnuh hinterher. Begann vorsichtig: „Sag mal, gibt es viele die hier unten wohnen?“
Nicht argwöhnisch aber ein aufgeweckter Blick verdiente sie sich so. Ahmnuh lief weiter, als er ihr zu verstehen gab. „Du bist gerade angekommen, da darf ich dir leider nur wenig verraten. Als erstes bekommst du ein warmes Bad. Das verschafft mir Zeit nach einem ausgebildeten Führer für dich zu suchen. Der weiht dich in alles ein, was ihm erlaubt ist. Von ihm wirst du die nötige Information über uns erfahren. Ich bin leider erst in der Mitte meiner Lehre und nicht dazu berechtigt.
Hier entlang!“
Verschiedene Höhlengänge, ziemlich kapp von der Höhe gemessen, dass nur eine Handlänge gerade über Ahmnuh Kopf reichte um die Decke zu berühren. Sie erstaunte auch die glatte, fast geschliffene Oberfläche der Wände. Sand, Lehm gar seltenen, hellen Gips entdecke sie stellenweise. An einzelnen Abschnitten verzierten Bilder oder bunte Blumenmuster ganze Gänge. Ideal um sich hier unten zurecht zu finden. Ausserdem stellte sich Sunta auch vor das dies die drückende Stimmung des hier unten eingesperrte seins wohl anhob. Licht gab es an jeder „Kreuzung“ Sobald der Weg sich teilte, hatte es Laternen mit Kerzen drin, in kleinen Nischen. Eine Einzelne brannte immer, je nach Bedarf der Höhlengänge vervierfachte sich deren Anzahl. Schlanke Leute in Arbeitskleidung kreuzten ihren Weg. Im geheimen Bewunderte Sunta selbst diese einfach, in grau gehaltene Kleider. Vor allem die ungeheure Feinheit der Fäden. Manchmal tauschten ihre Dorfbewohner auch den kostbaren Stoff ein, der aus dünnen Fäden, wie Haare, bestand. Ihr neugieriger Lehrer brachte in Erfahrung dass dieses Material von Baumblüten stammte. Doch Bäume brauchten viel Sonnenlicht. Wie schafften es diese unter der Erde lebenden Leute so etwas zu ernten oder produzieren? Den Handel schloss sie aus, da diese Leute offensichtlich Geheimhaltung bevorzugten.
In einem breiten Hauptstollen passten drei erwachsene Personen neben einander vorbei. Im normalen, gewöhnlichen Durchgang nur ein Erwachsener. Allerdings war Sunta eine Ausnahme. Wegen ihrer geringen Grösse passte sie noch in die abgerundete Wölbung hinein. Tontafeln mit unbekannten Schriftzügen hingen neben den Eingängen in die persönlichen Wohnräume. Es gab ganz selten eine abschliessende Holztüre, dafür umso mehr Vorhänge aus Stoff oder geflochtene Teppichen. Sie entdeckte neue fremdartige Muster. Hörte Stimmen deren Sprache sie nicht verstand. Und immer tiefer führte sie Ahmnuh in Erdreich hinein, dass es ihr langsam unheimlich wurde. Wo sie beide gelegentlich bei einer Kreuzung anhielten um andere beschäftige Bewohner den Vortritt zu lassen, hielten grösstenteils diese auch an um die kurz zu mustern. Gegenseitiges Interesse und Begutachtung teilten. Ausserdem unterhielt sich Ahmnuh meistens für ein paar Minuten, in einer ihr unverständlichen Sprache. Aufmerksam bemerkte Sunta nach einer gewissen Weile, dass vor allem die höhere Gestellten Erdlinge, die natürlich hellblonden Haare lang trugen. In ihrem Dorf galt es als äusserst unmännlich so lange Haare zu tragen, doch hier schien es völlig selbstverständlich. Es demonstrierte geradezu die obere, stolze Elite. Uns Sunta musste ingeheim zugeben, das es den meisten durchaus stand. Im Gegensatz hielt die einfache Arbeiterklasse ihre Haare drastisch kurz dass nicht einmal ein Haarband es schaffte sie zusammen zu halten. Auf einmal viel Sunta auch auf, das sie hier unten keinen Kindern begegneten. Selbst Frauen kreuzten selten ihren Weg. Es fehlte überhaupt an jüngern Generationen Alle schienen zwar jung auszusehen, zählten aber, an der unteren Grenze, mindestens dreissig Sommer. Sunta mit ihren wenigen 22 Sommer, die sie nur zu gerne weiter nach unten drückte um die „ernste“ Verbindung mit Tonan hinaus zu zögern, wusste allmählich warum sie hier so auffiel wie ein bunter Hund.
Bisher achtete sie immer darauf jung zu wirken und unbeschwert mit Tonan den Umgang zu Pflegen. Die ungewisse Zukunft wegen den Kataner liess sie den Ernst des Lebens; Heirat und mit Kindern, lieber hinaus schieben. Darin war sie eine echte, spezielle Ausnahme. Andere Verwandte aus ihrem Dorf bevorzugten, kinderreiche Familien, da sie das überleben sicheren sollten.
Sunta hingegen, als Hirtin, konnte sich nicht vorstellen, je mit einem runden Bauch den langen Weg mit den Ziegen hinauf in die Hügel zu marschieren. Die einzigen runden Bäuche die sie liebevoll betrachtete waren die der schwangeren Ziegen. Jedes Frühjahr freute sie sich über den bunten Zuwachs ihrer Herde. Ohne ihre gute Aufsicht, schmälerte sich in kürzester Zeit der Rudel Bestand. Schon jetzt bedauerte sie die Flucht in die Wälder. Bis zum nächsten Ausflug zurück würde die Hälfe der Ziege allein durch die herumstreifenden Wölfe gerissen sein. Ein schwerer Verlust. Tonan verstand es wenn sie früh am Morgen wegblieb und erst spät am Abend zurückkehrte. Manchmal sogar in den Hügel bei der Herde übernachtete. Er wollte sie noch nicht täglich an den Herd schicken, da er selber unbeschwert in den Tag lebte. Zudem er noch drei Jahre jünger war als Sunta, teile er ihren freizügigen Lebensstil. Da liebte er die heimlichen Küsse und schob die verantwortungsvolle Ehe auch weit von sich. Spass und Neckereinen, darin waren sich Sunta und er Einig.
Und was blieb ihr jetzt davon übrig, in diesem unterirdischen Gefängnis. Zum ersten mal schauderte Sunta über die Ungewissheit. Zudem noch die versteckte Identität ihres weiblichen Geschlechts! Hier unten bekam sie auch so herzlich wenige Frauen zu Gesicht. Hoffentlich versteckten eifersüchtige Männer diese nicht in ihren persönlichen Abteilungen. Ohne Rechte und Freiheiten.
Ahmnuh schob einen Vorhang, dessen blaue Wellenmuster auf Wasser hindeuteten, auf die Seite. Lächelnd forderte er Sunta auf, in einen matt beleuchteten Raum, einzutreten. Feuchter warmer Dunst hüllte Sunta ein. Sofort fühlte sie sich behaglich von der willkommenen Wärme. Besonders die eiskalten, nassen Füsse protestierten in den nun unbequemen Stiefeln. Mit einem befreiten Seufzen schlüpfte sie befreit aus der Last. Setzte sich auf die nahe gelegene Steinbank.
Der hinter ihr folgende Ahmnuh verabschiedete sich mit einem diskreten Lächeln. „Ich hole ein paar trocken Kleider zum wechseln. Ein paar praktische Sachen damit du hier weniger auffällst.“ Er zwinkerte ihr zu und verschwand lautlos mit seinen Ledersandalen. Sobald der Vorhang hinter ihm zuviel, sah sich Sunta um. Vor ihr ein einladendes rundes Bassin. In dessen Vertiefung glitzerte die Oberfläche des Wassers wie ein kleiner See. „Ein kleiner See in einem Zimmer“, lachte sie leise erfreut über den ungewohnten Luxus. Ausserdem dampfte die Oberfläche, was verriet das ein warmes Bad bevorstand.
Hastig schleuderte Sunta die aufgeweichten Klamotten von sich. Nur mit gerade einer Unterhose, getraute sie sich an den Rand und streckte prüfend den grossen Zeh ins Wasser.
Sie murmelte leicht ungläubig, „Ein absoluter Traum! Vielleicht bin ich vermutlich wirklich gestorben?“ Das warme Wasser umspülte wohlig ihre schmerzenden Fussgelenke. Befreit sprang sie übermütig rein ins warme Paradies.
Hoch spritze die Fontäne als sie übermütig, lachend auftauchte. Schnell an den sicheren abgerundeten Rand schwamm. Es war tief und ohne sicheren Boden unter den Füssen war es ihr schlicht ein wenig unheimlich.
In der Nähe ihres Dorfes gab es einen Fluss. Für die Jungen im Dorf gab es jährlichen einen Wettkampf diesen zweimal zu überqueren! Den Frauen verweigerte man die Teilnahme, da man die starkte Strömung als zu gefährlich einschätzte. Allerdings fand Sunta einen kleinen See, oben in den Hügel versteckt. Nach mehreren Regentagen füllte er sich dass Sunta bis zum Hals darin stehen konnte. Nachdem sie Tonan in ihr Geheimnis einweihte, brachte er ihr dort das schwimmen bei. Wenn Sie also mit den andern Frauen, einmal in der Woche war ein organisierter Waschtag, dann an die Ufer des Fluss ging, nannte man sie die Furchtlose. Denn die Ufer des Flusses waren bis auf wenige Ausnahmen steil. Wen die Flut einmal mitriss, der sah sich gezwungen lange zu schwimmen bis er eine Stelle fand um überhaupt wieder rauszuklettern. Eine handvoll Gräber auf dem Friedhof gingen auf das Konto des tiefen Wassers.
Als Suntas Eltern noch der Sicherheit des Dorfes vertrauten, gab es selten schmutzige Wäsche zuhause. Vor allem der strenge Geruch der Ziegen, quälte selbst abgehärtete Nasen. Daher blieb ihr keine Wahl als die Scheu des Wassers zu verlieren, aber der Respekt vor dem Element blieb, selbst als si schwimmen lernte.
Hier in dem Becken, dessen Tiefe sie nicht kannte, bevorzugte sie den sicheren Rand. Ihr Körper war Müde von der ganzen Anstrengung des frühen Morgen. Mit ihren Ellbogen blieb sie auf trockenem Grund. Stütze den Kopf auf und schloss kurz die Augen! Genoss die Stille und die sichere Wärme!
Ungewollt döste sie tiefer als beabsichtigt vor sich hin. Erst Schritte schreckten sie aus ihrem abwesenden Traum. Wunderte sich über die ungewohnte Umgebung. Nähernde Schritte lenkten ihre Aufmerksamkeit auf sich. Müde Augen trübten die Schärfe der Sicht. Gespenstisch näherten sich Barfuss, zwei behaarte Beine, in ihr Blickfeld. Sie versuchte die Gleichgültige zu spielen. Wagte nicht den Kopf zu heben, den eine aufblickende Bewegung gab sonst nur klare Sichtposition auf ihren Busen frei. Soweit sie von der Schule her wusste, besass sie ein gesundes Mittelmass. Nicht die kleinen flachen Busen über die ihre überheblichen Schulkolleginnen gerne spotteten. Aber auch nicht zuviel dass sie derben Anspielungen zum Ziel wurden.
Zum Glück ruhte sie mit der verräterischen Front zur Wand. Scheu spähte sie zur Seite als sich der Besucher neben sie setzte. Diese langen schlanken Beine liessen die Frage offen wem sie gehörten. Überrascht blickte sie in das Gesicht eines gleichaltrigen Jungen hoch, der völlig ungeniert, unbekleidet neben ihr am Rand Platz nahm. Kühle blaue Augen musterten sie direkt, während er lässig die Beine ins Wasser baumeln liess. „Neu hier?“ Klang es weniger willkommen.
Ein starker Kaffee hätte dieselbe aufweckende Wirkung gehabt. Wenigstens war er nicht erregt, so dass sein männliches Glied zwischen seinen Beinen für sie unsichtbar blieb. Sicher sah sie ihren vertrauten Donan, in ganz seltenen Momenten, im Sommer nackt. Mit einem Fremden, in diesem entblössten Zustand, denselben Raum zu teilen das grenzte bei den strengen Sitten in ihrem Dorf an einen grösseren Skandal. Sie braucht einen Moment um ihr peinliches Gemüt entsprechend abzukühlen. Dann gab sie genau so frostig zurück.
„Brauchst du darauf wirklich eine Antwort?“
Worauf sie bei ihm ein schmunzeln entlockte. Entspannt rutschte er neben ihr ins Wasser, ohne dass es aufspritzte. Auch er mied direkten Sichtkontakt und sah lieber nach Vorne. Sagte aber erfreut. „Schön, das gestaltet meine Angelegenheiten hier etwas interessanter, wenn ich echte Konkurrenz erhalte!“
„Eh“, wunderte sich Sunta zuerst, bis ihre verschlafenen Gehirnzellen aufschaltete. Träge winkte sie mit der Hand ab. „ich bin nicht an Deinen Frauen interessiert!“
Worauf er erst einmal leer schluckte. Mit einer Hand über sein gepflegtes, braunes Kurzhaar fuhr. Im Gegensatz zu den bisherigen, bescheidenen Leuten aus der Arbeiterklasse, trug er eine gewisse Arroganz zur Schau. Ausserdem wirkte er wie ein normaler Mensch. Nachdem sie seine Ohren überprüfte, bestätigte sich das. Er war ein gewöhnlicher Mensch von ihrem Volk. Im Vergleich zu den Einheimischen hier wirkte er auch mikrig klein. Vermutlich sogar ein paar Zentimeter kleiner als ihr Donan. Dafür trumpfe dieser Fremde mit einem perfekten durchtrainierten Körper. So kräftige Schulter oder gar solche definierten Bauchmuskel sah sie nie bei den Wettbewerbsschwimmern aus ihrem Dorf.
Intensiver nahmen seine dunkelblauen Augen sie ins Visier. „Wie alt bist Du eigentlich?“
„Alt genug um deine Interessen zu verstehen“, konterte sie geschickt. Zufrieden nickte er: „Gut, dann sind wir Freunde. Früher hab ich nämlich auch an der Oberfläche gelebt. Mein Alter täuscht, junger Hitzkopf. In meinem Blut fliesst welches, das es verlängert und glaub mir es ist nur eine Frage der Zeit bis du dem auch nachläufst. Hat seine schönen Vorteile hier jung scheinen. Besonders da unsere Gene fähiger sind hier unten Nachwuchs zu zeugen.
Was lächelst Du so gezwungen? Warte nur ein paar Jahre. Es ist herrlich hier zu sein und sich um nichts anderes zu kümmern als nur um die Frauen. Die bei Laune zu halten…. Was?!“ Reagierte er leicht genervt auf ihre rollenden Augen. Ausweichend versuchte Sunta gleich zu retten. „Gibt es hier keine richtige Arbeit?“
Erntete damit einen unverständlichen, angekratzte Blick: „Sag bloss du ziehst es vor neue Tunnel zu graben oder Drachenmist zu schaufeln. Hast Du überhaupt eine Ahnung wie Du danach stinkst? Vom Schweiss, Dreck und den grässlichen Tieren. Die Zeiten hier im Bad sind genau eingeteilt und knapp bemessen. Die wärmen das Wasser nur jeden vollen Mond. Danach kannst du dich wieder täglich im kalten unterirdischen Fluss waschen! Es sei den du gehörst zur Oberschicht! Dann kann man sich diesen Luxus fast täglich leisten. Sogar in seinen eigenen Gemächer.“ Er stand im Wasser, lehnte sich aber an die Wand wie ein verwöhnter Kater. „Erst nach ein paar Jahren harter Schulausbildung erreichst Du diesen gehobenen Status. Oder mit ein bisschen Glück etwas früher wenn Du es schaffst eine Gönnerin zu finden!“
Seinem zufriedenen Schmunzeln an, hatte er letzteres wohl erreicht! Sunta reagierte nur mit einem verächtlichen Schnauben. Schulbildung davon hörte sie schon einiges. Diejenige welche man in die Schule schickte, beklagte sich ständig und diejenigen die fertig waren träumten von einem besseren Leben. Sunta war froh das ihre Eltern ihr das nötigste im Leben zum Überleben beibrachten ohne den überflüssigen Schnickschnack dazu.
Langsam dachte sie zurück wie sie hierher gefunden hatte. Fragte sich was aus den Katanern geworden war. „Was tut ihr eigentlich gegen die lästige Katanerplage?“
Träge sah er von seiner entspannten Position herüber. Sein Nasenprofil war eindeutig breiter und kürzer als das der Höhlenbewohner. Sunta empfand das als ziemlich weniger attrakiv. Zudem wirkte er ziemlich eingebildet, ein wenig zuviel Selbstbewusst, aber der perfekte Körper entschädigte über so manche Charakterfehler.
Eine feuchte Strähne, vom braunen Haar klebte an seiner Stirn. „Du meinst die hässlichen Biester die gelegentlich Unruhe stiften? Von den wagt sich keiner hier herunter und wenn doch, sind sie willkommenes Futter für die Bewohner in den unteren Kellerregionen. Hier in den Bergstollen sind wir absolut sicher vor dieser kurzzeitigen Invasion. Sobald denen da oben das Essen ausgeht und die winterlichen Temperaturen sinken, verschwinden die freiwillig. Das ist in den letzten dreihundert Jahren schon 2x passiert und wird beim nächsten Besuch wieder exakt so ablaufen.“
„Wie alt bist Du denn eigentlich?“ Wagte Sunta nun direkt zu fragen.
„Zu alt um glaubwürdig meine Jugend draussen zu vertreten. Hier schätzen sie meine vielseitigen Talente. Solange man kein geschriebenes Gesetzt verletzt, kann man sich unbekümmert frei bewegen.“ Bemerkte Suntas ungeduldigen, fragenden Blick und ergänzte mit einem übermütigen Augenzwinkern, „zweiundfünfzig.“
Er genoss den erstaunten Blick den er damit auflöste.
Sunta war sichtlich geschockt. „Meine Güte! Sind hier alle so alt? Hast Du all die Jahre immer hier unten verbracht?“
„Klar“, er liess sich bis zum Kinn im warmen Wasser versinken. „Bei all den hübschen Frauen. Die legen Wert darauf sich zu pflegen, nicht so wie die Dorftrampel von ausserhalb. Da will nur ein Dummkopf zurück nach Hause.
Wenn man gute Beziehungen hat, stehen einem lebensverlängernde Massnahmen zur Verfügung. Kann ich sehr empfehlen. Denn das zu erreichen ist wirklich als ob Du eine unbezahlbare Trophäe in den Händen hältst.“
Kopfschütteln meinte sie nachdenklich. „Daran bin ich erst einmal nicht interessiert. Viel wichtiger ist, wie ich hier unten einen Job finde. Überhaupt das ganze System verwirrt. Wer kann mir alles zeigen und was davon erklären?“
„Ui“, hastig wies ihr Nachbar das unangenehm von sich. Vor dieser Verantwortung drückte er sich offensichtlich. „Da kann ich in diesem Quartier nur einen empfehlen. Da hängst Du dich am besten an die Fersen von Pol. Er ist der oberste Aufseher und Organisator in diesem Bezirk, hat allerdings nie viel Zeit und wirkte etwas gestresst. Frag ihn einfach ob du ihn begleiten kannst um dich umzusehen. Setz ein liebes Lächeln auf, das öffnet hier einem meistens die Türen, beziehungsweise die Vorhänge!“ verbesserte er sich lachend.
Draussen kratzte etwas leise an den hölzernen Eingangsbalken.
Ahmnuh legte eine komplette Garderobe auf einen trockenen Steinhocker nieder. „Oh, wie sehe hast Du Rial getroffen. Er kennt sich gut aus, aber mach ihm nicht alles nach.“ Er setzte einen strengen Blick auf und meinte zu dem Besagten, „Tanija hat nach Dir gefragt, und sie sah seeeehr ungeduldig aus!“ Dann verschwand er rasch aus dem Raum.
Rial entfuhr ein überraschtes „Ach!“ Sprang mit einem flotten Satz aus dem Wasser, was so gar nicht einer entspannten Haltung vorhin entsprach. „Wir treffen uns sicher wieder einmal?“ Fragend sah er nach unten. Wasser tropfte von seinem stählernen Körper. Kräftig und Geschmeidigkeit wie bei eine Raubkatze.
Sunta brauchte geschockt einen Moment bis es ihr dämmerte worauf er wartete. „Sunta“, verriet sie ihm ihren Namen.
„Sunta“, liess er nachdenklich den Namen auf der Zunge vergehen. „Na ja, einige Frauen mögen so bodenständige Namen. Zum Glück nicht meine Prinzessinnen. Bis später!“ Verabschiedete er sich in langen eiligen Schritten.
Verfolgt von Suntas grossen Augen die an seinem nackten Hinterteil klebten. Zwar war sie einen ähnlichen Anblick bei Donan gewohnt, jedoch verblüffte sie die Selbstverständlichkeit mit der sich Rial so nackt bewegte. Ausserdem würde sie jederzeit den Körper von Donan bevorzugen als den knochigen Hintern von Rial! Dabei lachte sie still in sich hinein, vor allem weil ihr noch die abwertende Bemerkung mit den ungepflegten Dorftrampeln nachging.
Sobald das letzte Geräusch der Schritte im Gang verstummte, stemmte sie ihren müden Körper aus dem Wasser und hastete zu den Kleidern. Halbnass legte sie den weiten Umhang um. Mit dem Dekorativen Schal schnürte sie darunter ihren eher kleinen, aber wohlgeformten Busen platt. Gerade so dass es nicht schmerzte. Ein gewisser Halt erleichterte auch selber ihre Bewegung. Ausserdem unterstützten weit geschnittene, grosszügige Ärmel ihr Geheimnis.
Bedauerte nur dass ihre zugeteilte Qualität der fein gesponnenen Schafswolle glich und nicht dem so edlen Stoff, den Ahmnuh so elegant kleidete. Grau, braun, beige Töne tarnten sie unauffällig. Dankbar schlüpfte sie in die gepolsterten Wildlederstiefel, welche genau so perfekt zu ihren schlanken Füssen passten, wie nach einer persönlichen Bestellung beim Schuster. Alles passte und sie fühlte sich wunderbar, bis auf die Kleinigkeit dass ihr leerer Magen knurrte. Die letzte Mahlzeit verschlang sie in den frühen Morgenstunden, als sie zuhause überhastet aufbrachen. Donan nahm ihr beim schweren Aufstieg jede Last ab, und jetzt besass sie keine dieser leckeren, geräucherten Fleischstücke. Allein der Gedanke an die „Pausenbrote“ und ihr Magen rumorte erneut. Es war ihr furchtbar peinlich. Beim nächsten Laut stutzte sie, das war nicht ihr Magen sondern, die ganze Höhle vibrierte leicht. Ein erneutes Donnern auf dass ein schwaches Erbeben folgte. Staub von der verputzen Deckenhöhle rieselten zu Boden.
Allein zu sein war jetzt unbehaglich, sie hastete ziellos durch ein paar Gänge. Ohne Vorwarnung drängte hinter ihr ein voll beladener Handwagen vorbei. Ein schnaufender älterer Mann schob einen beladenen Holzkarren rasch in den nächsten halbdunklen Gang hinein. Ergraute, kurz geschnittene Haare verrieten sein hoch angesetztes Alter. Seine eiligen Schritte widersprachen völlig seinem Aussehen. Zurück blieb nur das knarren der Räder das langsam verschwand und ein feines Aroma in der Luft. Unverkennbar das schwere Aroma einer guten Küche. Sofort rannte Sunta dem Alten Hinterher. Allerdings brauchte sie nur kurz zu suchen. Bereits nach einer Minute endete der Gang in einer leichten Senkung und verbreitete sich zu einem Zimmer mit verschlossenen Holzfenstern. Jedenfalls sah es für einen uneingeweihten so aus! Doch der Alte mit dem dunklen Übergewand öffnete so eine Luke die einen Schacht nach unten öffnete. Mit einem Ruck riss er schwungvoll die Abdeckung von seinem Wagen herunter.
Geschockt taumelte Sunta einen Schritt rückwärts. Da stand zwar ein zugedeckter Topf mit Küchenresten, und zwei- drei Kisten mit altem, verschrumpelten Kernobst. Doch neben all dem lag noch eine alt bekannte Leiche. Der Tote der am Morgen nach ihr in die Höhle gefallen war, lag hier achtlos neben den ganzen Abfällen. Nicht mal ein Tuch schützte seine letzte Ruhe.
Grob zerrte der Arbeiter den Oberkörper der Leiche vom Karren auf seine schmalen Schultern. Jetzt zeigte sich sein fortgeschrittenes Alter hinderlich. Er sackte fast mit den Knien zu Boden. Schaffte es nicht den Oberkörper in den engen Schacht hinein zu schieben und gleichzeitig das volle Körpergewicht zu tragen.
Angewidert fragte sich Sunta mehrmals ernsthaft, ob sie nun helfen oder fortrennen sollte. Doch als der Alte erschöpft seine kleinen Augen an sie heftete, trat sie zögernd einen Schritt vor. Allerdings sprach ihr entsetztes, bleiches Gesicht genau was in ihr vorging. Das übersah der Alte, winkte mit einem dürren Finger sie heran. „Komm, halt nur seine Beine hoch, dann schiebt ihn sein Eigengewicht von allein nach unten!“
Tapfer krallten sich Suntas Finger in den abgewetzten Stoff der Hosenbeine. Vermied es den kalten Körper anzufassen und zog nur am Hosenmaterial. Erleichtert rutschte der Körper dann tatsächlich auf einmal von ihr weg in den dunklen Schacht hinein. Obwohl Sie nichts im Magen hatte war ihr auf einmal schrecklich Übel. Lehnte sich aufatmend an die Wand. Emsig leere der Arbeiter, Korb um Korb in die schluckende Leere hinein. Apfelschalen, Brotrinden und allgemeine Küchenabfälle verschwanden so. Da die Klappe eine leichte Schräge, einer Armlänge aufwies, blieb ihr Blick an einem ganzen Apfel hängen der auf unerklärliche Weise sich weigerte zu verschwinden. Wenn das kein glücklicher Zufall war! Hinter ihr richtete der alte, mit dem Rücken zu ihr, die Decke über den Wagen aus. Damit der Schmutz verborgen blieb.
Also streckte sich Sunta rasch auf die Zehenspitzen und langte kurzerhand nach dem Apfel. Sie ereichte ihn ohne Probleme doch dann bemerkte sie weshalb der Körper vor ihr so schnell nachgab. Die nach innen schräge der Klappe war instabil und federte leicht nach. Vorsichtig balancierte sie zurück als der Alte hinter ihr das ausgestreckte Bein, welches sie im Gleichgewicht stützte, heftig anstiess. Sein „Verzeihuuuuung“, endete diesmal auch mit einem gehörigen Schock. Als er merkte dass dieser ungewollte Stoss ausreichte das Sunta ihr Gleichgewicht verlor! Genau da hinein verschwand, wie vorhin der leblose Körper.
3. Der schwarze Drachen
Machtlos rutschte Sunta auf dem öligen Saft der fauligen Abfälle in die dunkle Ablage hinunter. Glücklicherweise dauerte die rasante Fahrt nur wenige Meter und wurde von einer seltsamen Matte, wie Gummi abgefedert. Wobei sie dadurch, erneut am Boden, ein paar unfreiwillige Meter weiter entlang rollte. Es stank dermassen fürchterlich dass es ihr den Atem raubte. Sie musste sich quasi zwingen diese bestialischen Verseuchung einzuatmen und nicht die Luft anzuhalten. Das waren nicht nur die harmlosen Abfälle einer Kompostieranlage sondern eher eine trockengelegte Jauchegrube. Durchdringender Gestank, wie beissender Ammoniak vom tierischen Urin, marterte ihre empfindliche Nase. Angeekelt hustete sie ihre Lungen frei. Einerseits froh, dass sie die hässliche Behausung nicht sehen konnte, anderseits bedauerte sie die Finsternis, welche nicht verriet wohin ihre so bequemen Schuhsohlen abstellen sollten. Angewidert stand sie auf ohne sich dabei irgendwo abstützen zu müssen. Wünschte sich dringend eine kleine Kerze herbei und…. erhielt einen ganzen Kronleuchter. Jemand betätigte den Schalter für einen mit elektrischen Licht ausgestatteten Kronleuchter, in einer Halle so gross dass sie für eine ganze Schulklasse zum Turnen reichte. Ein unheimlicher Raum dessen Wände verschmiert waren mit unerkenntlichen Sachen. Schwarz , grau und das exakte Gegenteil von Keimfrei!
Das schlimmste für Sunta kam, als sie feststelle, dass sie nicht alleine war. Im hinteren Teil wo eine mehrfach geflickte und ausgebesserte Holzwand, eine Boxenwand darstellte, da lag ein riesiges, röchelndes Monster. Die zwei Meter hohe Wand diente mehr zur Einteilung des Raumes und versteckte weniger als die Hälfte von dem ungewöhnlichen Anwohner. Aus der Ruheecke fixierten schwarze fussballgrosse Augen die junge Frau gierig, wie eine fette Beute.
Sunta spürte mehr die Gefahr, so wie ein Opfer den lauernden Jäger ahnte. Automatisch wich sie einen Schritt zurück. Wobei ihre Schuhsohlen auf eine harte Unebenheit stiessen. Eine abgebrochene Lanzenspitze aus robustem Stahl. Lebensrettend schnell packte Sunta nach dem schmutzigen, geschliffenen Metall. Zitternd umklammerte sie es zwischen ihren Fingern, dass die beidseitigen, scharfen Kanten beinahe ihre Handfläche aufritzen.
Lautes Schnauben verriet ihr dass, ihre Personalien gerade erschnüffelt wurden. Obwohl es hier ekliger Stank als jede vernachlässigte, öffentliche Toilette ohne funktionierend Spühlung.
Sunta faste sich an die eigene protestierende Nase. Diese flüchtige Bewegung reichte, das sich der müde Koloss von seinem trägen Zustand befreite. Gespannt stemmte er sich auf die kurzen, kräftigen Beine. Ein mit mehreren Hörnern bestückter Kopf schüttelte die letzte Müdigkeit weg. Ohren flatterten wie dreieckige Badetücher. Langsam setzte sich die Masse in Bewegung wie ein gefrässiges, tödliches Krokodil. Die langen, gelblich schimmernden Reiszähne in dem halboffenen Rachen, verstärkten Sunta Hoffnungslosigkeit. Vorerst klammerte sie sich an die winzige, letzte Hoffnung das ihr Vorteil vielleicht in der Schnelligkeit lag. Anderseits wusste sie dass einige Reptilien verblüffende Reflexe besassen. Die mächtigen Säulen welche die Halle stützten waren so breit dass sich Sunta mühelos dahinter verstecken. Sie dachte sich, falls dieser schwarze Drache sowenig Hirn wie schwere Masse besass, bestand eventuell die Möglichkeit; aus den Augen, aus dem Sinn, zu spielen. Sie flitzte hinter die nächste Säule, presste sich an den feuchten, mit grünen Algen übersäten, geschliffenen Stein.
Riesige Nüstern blähten sich geräuschvoll auf. Viel zu nahe die übel riechende Atemluft des aufgeweckten Tieres.
Sunta hielt die kleine Lanzenspitze für ziemlich nutzlos, in ihren klammen Händen. Reichte sie doch nur halb über ihre Finger hinaus. Doch dann kam ihr der Gedanke, mit der Spitze notfalls die gepolsterten Platten des Drachen hochschieben zu können. Vielleicht gab es da eine Schwachstelle?
Der Drache jedenfalls startete auch mit erstaunlicher Intelligenz. Das schlaue Tier näherte sich mit der gepanzerten Schwanzspitze links um die Säule herum. Ein einziger Schlag hätte gereicht um einen ausgewachsenen Ochsen von den Beinen zu reissen. Und von rechts lauerten seine Reisszähne. Daher warf sich Sunta förmlich auf die Seite vom Rachen zu. Der Scheinangriff eines verzweifelten Wurmes, überraschte einen Bruchteil das Schema des grossen, überzeugten Jägers. Eine wertvolle Sekunde die Sunta erfolgreich nutzte um die Speerspitze wie einen unvorsichtigen Zahnstocher ins empfindliche Zahnfleisch zu stossen.
Nun zeigte sich das wahre Potential des Reaktionsvermögen. Der schwere Kopf schleuderte ausweichend zur Decke hoch. Verursachten neben Kopfschmerzen ein leichtes Erdbeben, das sich ganze Deckensteine zusätzlich dem groben Verputz lösten.
Doch der erboste Drachenkopf riskierte, wenig eingeschüchtert, einen weiteren Schnappversuch. Blitzschnell schnappte er sich ein Bein von Sunta. Mit einem schmerzhaften Ruck für sie, sog er sie in seinen Rachen wie eine weiche Nudel!
Schleimiger Speichel beschleunigte die Rutschfahrt auf der Zunge. Sie steckte schon hinteren Teil des Gaumens, bevor sie endlich fähig war zu reagieren. Mit der Lanze, verzweifelt wie ein Rettungsanker, rammte sie sie in die weiche Zunge, dass dunkles Blut hervorsprudelte. Todesmutig umklammerte sie die glitschige Lanze. Die weiche Matte drückte sie nach oben. Versuchte sie zu quetschen und nach hinten zu drücken. Raubten der jungen Frau nicht nur den Atem. In Panik klammerte sie sich fester um den mikrigen Lanzensplitter. Diese schnitt, durch Sunta rutschendes Eigengewicht, tiefer und hinterliess einen klaffenden Riss.
Genervt schüttelte der Drachen seinen Kopf zur Seite. Einzig die langen Fangzähne verhinderten, dass es Sunta aus dem Rachen hinausschleuderte. Sie reagierte mit einem unwilligen Fusstritt gegen die rüde Behandlung. Ritzte mit der scharfen Klinge den höheren Deckenbereich auf. Warme Blutspritzer benetzten ihr Gesicht.
Im nächsten Moment fühlte sie nur einen frischen Luftzug und wie es sie haltlos durch die kühle Luft hinaus schleuderte. Hart prallte sie mit den schmalen Schultern auf die Bodenplatten. Die fingerdicke fettige Schmutzschicht auf den verdreckten Vliesen liess ihr Gewicht einfach ungebremst weiter rutschen. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis sie Ihre Freiheit richtig realisiert. Sich von dem lähmenden Schockzustand befreite. Mühevoll rollte sie sich herum. Mittlerweilte war ihr egal wohin sie ihre blutverschmierten Handflächen abstemmte. Hauptsache sie kam irgendwie auf ihre zittrigen Beine. Bloss keine Schwäche zeigen, dass hatte schon bei einem Angriff von übermütigen Wölfen gelernt. Bevor sie es schaffte gerade zu stehen, beraubte sie ein einen heftigen Schlag von ihrem sicher geglaubten Halt. Einige Meter weit schleuderte es sie quer durch die Halle… und wieder zurück, wie ein Bumerang. Halb benommen verschwamm ihre Sicht vor Augen. Ihr Kopf dröhnte von den verschwommenen Bildern. Der heftige Seitenwechsel löste in ihrem schwachen Nacken heftige Schmerzen aus. Der letzte Schlag hätte sie tödlich an die Wand schleudern sollten. Erst als Sunta an sich herabsah bemerkte sie, dass ihre robuste Kleidung sich mit einer der gekrümmten Hakenklauen, von dem Drachenschwanz, verhedderte und daran fest hing. Geblendet von dem Drachenblut in ihren Augen, tastete sie nach einer harten Schuppe. Rammte genauso gefühllos ihre Lanze darunter und hob sie aufwärts wie einen öffnenden Konservendeckel an.
Zornig brüllte der Drache heiser los. Flügel flatterten träge durch die Luft.
Mit einem erneuten Schlag versuchte das gereizte Tier sie einfach zu zerquetschen. Doch beim ausholen seiner langen Waffe, zerriss Suntas Kleid. Es schleuderte sie unter dem dornigen Schwanz hinweg, mitten in die Arena hinaus. Flach rotte sie über den Boden. Mit einem der weiten Ärmel wischte sie sich über das Gesicht. Dickflüssiger Speichel und klebriges Blut tropfte an den dem nassen Ärmelstoff zu Boden. Vor ihren Augen ein verschwommenes, düsteres Bild. Mühselig stemmte sie sich auf die Knie. Unter ihren weichen Knien vibrierte der Boden. Neugierig stampfte der geplagte Drache näher. Eine hungrige Urgewalt die aus der feurige Hölle entflohen schien. Wenige Meter vor Sunta stoppte er. Spreizte beide Flügel auf ihr höchst Mass aus. Schwenkte die mächtigen Segel wie ein präsentierender Löwe. Brüllte gereizt seinen empörten Schrei auf den störenden Winzling vor seiner Nase. Beunruhigt, frustriert weil er mit seiner dreifachen Grösse und hundertfachen Gewicht sich überschätzt hatte. Nach dem ohrenbetäubenden Schrei folgte der tiefe obligatorische Luftzug.
Suntas Schuhsolen drückten sich mit aller Restkraft, haltsuchend in die Überreste auf dem rutschigen Boden. In ihr bebte alles vor dieser gewaltigen Übermacht. Luftholen hiess bei ihm vielleicht dass er zu einer tödlichen Feuerballattacke ausholte.Mit dem Mut eines verzweifelten Todgeweihten sprintet sie zum letzten Angriff vor. Brüllte, dass die Kehle brannte und hielt die Speerspitze schlagfertig vor sich ausgestreckt.
Irgendwann merkte sie dass sie zulange rannte, ins Leere. Verzögert schaltete sich der halblinde Verstand ein. Wo war der unvermeidliche Aufprall, der harte Laib ihres Feindes? Ein kräftiger Luftzug sog an ihrer zerrissenen Kleidung. Hinter ihr landete ein ebenso verstörter Drache. Mit rümpfender Schnauze quittierte er die verlorene erste Runde. Angewidert spuckte er einen Schwall Blut, seiner aufgestochenen Zunge, hinaus. Seine angespannten riesigen Kiefer mahlten. Seine Zunge schmatzte, als sie frischen Speichel verteilte um den Blutgeschmack raus zu spühlen.
Danach wandte sich lieber der einfacheren, toten Beute zu. Nicht ohne den nervösen Eindringling aus den Augen zu lassen. In einem Zug verschlang er hastig den grossen Happen Restmüll vom menschlichen Mittagessen. Mit seiner rauen Zunge holte er sich den grösseren Menschenkadaver als Dessert dazu. In diesen schrecklichen Sekunden als Sunta das Knacken der Knochen vernahm, zwang sie sich ruhig zu atmen. Verdrängte ihre aufkommende Panik. Es galt zu überleben. Sie sah wieder eine minimale Chance.
Gestärkt, nach der ersten und einzigen Mahlzeit des Tages, wandte sich das geflügelt Monster wieder dem interessanten, lebenden Objekt zu. Es war eine gelungene Abwechslung nach seiner öden Langeweile. Ruhig legte er sich entspannt in sicherer Reichweite nieder. Abwartend, Geduldig. Dann entdeckte er einen neuen eilenden Schatten in ihrem Hintergrund. Sie erhielt Verstärkung.
Hinter Sunta näherten sich leichtfüssige, eilende Schritte. Viel zu spät traf ein schlanker Krieger, mittleren Alters ein. Sein fast lautloses Auftreten täuschte über seine wahre Grösse hinweg. Lange, sehnige Beine rannten behendend über den angehäuften, schmierigen Unrat am Boden. Ein absolut fähiger Sprinter der äusserst Geschickt die gemeinen Hindernisse vor der letzten Zielgeraden umging. Als er neben Sunta anhielt, atmete er nicht anders als käme er von einem zügigen Spaziergang. Dabei brach sein rasanter Auftritt eben, jeden Geschwindigkeitsrekord den Sunta aus ihrem Dorf, kannte. Ohne Rüstung, nur mit einem schlichten Leinenanzug bekleidet. An einigen Stellen sichtbar mit robusterem Leder verstärkt. Jedoch bewusst in einem harmonierenden Farbton, von weisslichem Gelb bis hellen beigetönen gehalten. Ein einfacher Schnitt. Nicht mal ein genähtes Hemd sondern mehr Stoffbahnen die sich geschickt einmal um den Körper wickeln liessen um wieder vorne zu einem Sicherheitsknoten zu enden, der mit einem harschen Zug zu öffnen war. Trotz dem bescheidenen Anzug überzeugte sein autoritäres, selbstsicheres Auftreten Sunta rasch davon, hier eine höher gestellte Persönlichkeit anzutreffen. Farblich passte seine hellblondes, langes Haar nicht nur zu dem körperbetonten Anzug sondern auch zu dem bleichen Gesicht mit den goldbraunen Augen. Der Zopf reichte nur den halben Rücken hinunter. Eine schwer zu bändingende Haarpracht, da er leicht gelockte Haare besass die sich nicht so einfach glatt in die tratitionelle Frisur einflechten liessen. Er hatte dies mit dem mehr als einem üblichen Farband gelöst. Man erkannte selbst von hinten, klar den entschlossenen Mann. Für Sunta wirkte er gar nicht wie ein Mann der sich in dieser eingegrenzten Unterirdischen Welt einsperren lies. Eher wie ein trainierter, geschmeidiger Jäger aus ihrem Dorf, der sehr viel von einer gepflegten Erscheinung hielt. Trotz den ebenmässigen Gesichtszügen, eine geradezu unmenschliche Perfektion, umgab ihn eine chaotische, hektische Energiewelle. Ausdrucksstarke, intelligente Augen die über den bleichen hohen Wangenknochen ziemlich angespannt die heiklte Situation einschätzten. Wachsam liess er den bekannten launischen Drachen keine Sekunde aus dem Sichtfeld. Zielorientierte knappe Bewegungen verrieten ihn als eine entschlossene Person die kurzerhand ausführte was sie sich vornahm. Es steckte eindeutig eine Leitfigur in ihn. Konzentriert hielt er einen körperlangen Stab aus Holz in den Händen, den eine verborgene Mechanik aus angeschwärztem Metall verstärkte.
Besorgte Augen überprüften kurz ob diese kleine Person, mit welcher der Drache gerade spielte, überhaupt noch lebte. Wirkte ziemlich überrascht, weil er damit nicht gerechnet hatte, dass es sich überhaupt noch lohnte den arg ramponierten Kleinen zu retten.
Schuppen knirschten als der Drache seinen Hals, um ihn zu lockern, schüttelte.
Mit gefurchter Stirn reagierte der misstrauische Krieger. Rammte seinen Stab zwischen eine der kaputte Bodenplatte in die gepresste, festgestampfte Erde darunter. Schob kräftig einen Mechanismus einrastend aufwärts. Mit der geladenen Waffe zielte er auf das grosse Geschöpf vor ihm. Dem erschaudernden Riesenvieh war diese Waffe bekannt. Rückwärts ausweichend quetschte es sich in sein enges Abteil zurück. Dann riskierte er aber einen frechen Blick „über den Zaun“. Eine harmlose Geste die bei dem gut ausgebildeten Krieger negativ ankam. Schliesslich beschäftigte er sich seit Jahren mit den unberechenbaren Problemdrachen. Mit finsterer Mine, einem zugekniffenen Auge schob er den Stab mit einem kräftigen, schnellen Ruck in seinen Händen in Position. Alleine ein Drücken seiner Finger betätigte den Abzug. Kein Ton warnte das Opfer. Wie eine Blume öffnete sich, in beschleunigtem Zeitablauf, die Spitze der Lanze. Blendend weiss schoss ein Blitzstrahl in einer geraden Linie, aus den Spalten der Knospe. In derselben Sekunde noch, prallte der zusammengezuckte Drache an die hintere Holzwand. Ein ganzer Balken splitterte unter der Wucht des Tieres in mehrere Stücke. Danach zitterte das brüllende Tier wieder nach vorn. Suchte den weitesten Abstand zu dem gefährlichen Menschen, in dem es seinen massigen Leib an der kühlen Höhlenwand rieb. Verschaffte seinem aufgeheizten Körper, nach der elektrischen Ladung, so Linderung. Schüttelte seinen versteiften Körper und breitete seinen kräftigen Schwingen aus um die Spannung darin auszuschütteln.
Erbarmungslos zielte der Krieger erneut auf den ungebrochenen, zähen Drachen. Unterstützte seine nächste Attacke mit dem klaren Befehl, „Nein! Mach Platz in deinem Abteil! Bleib da, still!“
Doch der verstörte Drache zögerte. Haderte mit sich selber, da er verzweifelt nach einem Ausweg suchte. Als eine Hand böse am Abzug zuckte, verschob sich das zielnde Visier ungewollt über das Opfer hinaus. Sunta drückt nämlich mit ihrem Fuss den hinteren Stabteil seitlich an und brachte ihn aus der gesteuerten Balance. Versöhnlich meinte sie. „Lass ihn. Man sieht ja dass er aufgibt, also quäle ihn nicht unnötig!“ Eine Hand legte sie sogar auf das vorderen Ende des warmen Stabes. Um Verbrennenungen zu vermeiden weit vor dem geschwärzten Ende.
Damit stiess sie wahrlich auf wenig herzliche Gegenliebe. Unwirsch packten kräftige schlanke Finger wie Krallen nach Suntas sanfter, entschlossener Hand. Lösten sie gewaltsam von dem gefährlichen Stock. „Junge! Davon verstehst du nichts! Kein Respekt kann tödlich enden. Eine einzige unvorsichtige Sekunde und du bist Tod. Normalerweise überlebt niemand den ersten Angriff. Jedenfalls nicht bei diesem speziellen Drachen hier, der uns seit längerem nur Ärger macht. Also raus aus der Arena, wo du längst hingehörst!“ Gereitzt bellte er Sunta laut an. Zur unnötigen Verdeutlichung zeigte sein barsch ausgestreckter Arm wohin er sie wünschte. Mit einem sehnenden Blick sah Sunta zu dem beleuchteten Ausgang hin. Ein friedlicher erholsamer Platz. Doch unnötige Gewalt verabscheute sie auch! In ihrem Dorf lernte man bei ernsthaften Problemen nicht wegzusehen sondern einzuschreiten wenn man Ungerechtigkeit entdeckte.
Ruhig sah sie, zu dem allen entschlossenen Krieger, auf. Mit seinen langen, blonden Haaren die, fürs Suntas Geschmack, überhaupt nicht so zu dem gezämten, perfekten Erscheinen passten, sah er dennoch erstaunlich gut aus. Die langen Stirnhaare hatte er locker nach hinten zu einem kleinen Knoten zusammengebunden. Eigentlich vermittelte er ungewollt den Eindruck, also ob eine jüngere Schwester eine neue Frisur zuerst an ihm ausprobierte. Mittlerweile wusste Sunta das, diese für sie typischen weiblichen Frisuren, hier für alle als aktuelle Norm galten. Speziell für Männer bedeuteten sie einen hohen Rang.
Das strenge Gesicht liess ihn momentan alles andere als einen angenehmen, umgänglichen Zeitgenossen erscheinen. Sie versuchte neutral zu wirken. „Was hast Du vor?“
Auf seiner weissen, leicht gefurchten Stirn sichtbare Anzeichen, dass er keinen Widerstand duldete. „Ich schaffe Ordnung! Jeden dahin wo er hingehört! Du hast hier überhaupt nichts zu suchen, Kind! Wir retten hier eigentlich nur Angehörige, also verschwinde, bevor ich es mir anders überlege!“ Das kam eindrücklich zornig rüber. Allein die durchdringenden Augen reichten aus das Sunta eilig ausweichend zu Boden blickte. Unerträglich die Bereitschaft und Drohungs seinerseits zur Gewalt.
Brav bescheiden nickte sie aber. Presste freudlos ihre Lippen zusammen. Doch dann kündigte sie an. „Ich lasse nicht zu, dass Du übereilt und gedankenlos diesen Drachen quälst. Darum ist er sicher überhaupt erst so aggressiv geworden!“
Ungläubig fixierten wütende Augen den Kleinen an. „Bitte“, kam es etwas trocken bis er seine Stimme wieder fand und los brüllte. „Raus!!! Hau bloss aaaaahhh.“ Schmerz verlängerte seinen Schrei. Er hatte zwar Suntas Hände auf dem Stab bemerkt aber ihre Beine übersehen. Und ihr Bein schnellte hoch, sobald der Stab den Weg frei gab. Als nächstes durchzuckte den Krieger bisher unbekannte Schmerzen an einer sehr empfindlichen Stelle. Seine sonst eindrücklichen Augen kniff er vor Verzweiflung zusammen. Keiner hatte je gewagt ihn auf diese üble Weise anzugreifen. Es entsprach überhaupt nicht dem strengen Ehrenkodex. Aus zittrigen Fingern entglitt ihm der Stab. Es schien im wichtiger seine unglaubliche schmerzende Stelle, zwischen seinen Beinen, zu schützen. Keuchend schnappte er nach Luft und versuchte vergeblich Haltung zu bewahren. Er blieb kniend auf dem schmutzigen Boden. Dieser kleine unwichtige Wicht, bediente sich unerhörten Tricks. Zu seinem Entsetzten rückte der Drachen in seinem Rücken wieder näher. Gequält blickte er zu der unbeweglichen Sunta hoch, die das Ungetüm jedoch fest im Auge behielt. Schwach deutete der Krieger, mit seiner zittrigen Hand, auf seine liegende Waffe. Unfähig sich selber zu verteidigen. Achtlos schubste Sunta die schwere Waffe aus seiner Reichweite. Stampfte einmal warnend heftig mit dem Stiefel auf.
Aufgebend wälzte sich der Krieger auf die Seite. Benötigte ein paar Minuten um sich zu erholen. Eigentlich zulange bis der nimmersatte Drachen ihn erreichte.
Wütend stampfte Sunta erneut mit einem Bein. Packte ihren blutige Scharte fester. Stellte sich zwischen dem wehrlos am Boden Liegenden und dem neugierigen Drachen.
Verwundert verfolgte der Drachen wie der kleine Kerl einen der gefürchtesten Wächter besiegte. Zuerst ihm heftigen Widerstand bot und danach die gefährliche Waffe überlistete. Intelligenz zeigte sich in seinem klaren Blick. Legte seinen Kopf seitlich schief um das eben genau beobachtete besser zu begreifen. Vorsichtig geduckt, ohne eine aggressive Geste, sondern kindlich neugierig, streckte er seinen Hals vor. Bereit auszuweichen sollte das erstaunliche Insekt angreifen. Schnupperte, prüfte und speicherte ihre Personalien diesmal in seinem wichtigen Gehirnlager. Diesen kleinen Kerl wollte er von weitem erkennen und gewappnet sein. Bis auf wenige Zentimeter duldete Sunta diese aufdringliche Beschnupperung. Dann knurrte sie, wie zuweilen ein alter Hund, in die Höhle hinaus, tief aus der Kehle bis der Magen vibrierte.
Ihre Haare wehten bei dem folgenden Luftzug nach vorn, so eilig zog sich der Drache zurück.
Stumm lachte Sunta in sich hinein. Drehte sich auf dem Absatz herum und erstarrte. Halbwegs erholt, hatte sich ein zutiefst erboster Krieger auf die Beine gequält. Kräftig packte seine Hand zu, riss das Fliegengewicht Sunta direkt auf seine Augenhöhe an. Da merkte sie rasch, dass er einen ganzen Kopf höher mass als sie selber.
Vergebens lächelte Sunta verlegen. Nachdem die wehrlose Geste mit den Händen auch nicht wirkte, versuchte sie nach unten nach seinem Hosenbund zu fassen, um ihn hochzuziehen. Sein Gesicht verzog sich allein von der blossen Vorstellung, dass sie ihn noch einmal erwischte. Er liess sie einfach fallen und hoffte dass sie den dummen Fehler, ihn anzugreifen, nochmals beging. Doch sie fing sich auf und stand erst einmal ruhig da. So wedelte er drohend mit dem Zeigefinger. „Nie wieder! Wage es nie wieder“, zischte er unter zusammengebissenen Zähnen. „und jetzt raus hier.“ Er klang immer noch wie jemand der unter schlimmen Bauchschmerzen litt. Jeden Fuss abfedernd um jede unliebsame Erschütterung zu vermeiden. „Halt ja Abstand“, knurrte er verstimmt und nachtragend.
Unbeachtet spazierte Sunta neben ihm her. „Was erwartest Du eigentlich? Ihr gebt ihm Menschenfleisch zu fressen und er soll euch noch fürchten? So lernt er nie einen Menschen zu beschützen. Wie konntet ihr überhaupt ein so gefährliches Tier auf den Geschmack von Menschenfleisch bringen. Ist doch völlig bescheuert.“
Stur blickte der Krieger nach vorn. „Ich erwarte nicht, dass du es verstehst. Das ist die Verwertung von wertvollem Futter, alles andere wäre Verschwendung.
Und übrigens hab ich dich hier unten noch nie gesehen. Du hast dich noch nicht angemeldet?“ Bemängelte sein strenger Ordnungssinn. .
Schwer viel es Sunta den für sie völligen Unsinn zu begreifen. „Warum esst Ihr dann das Fleisch nicht selber? Ob ihr Tiere zu „Kannibalen“ verwandelt, oder ihr euch selber opfert, da ist wirklich kein grosser Unterschied mehr. Und bei wem soll ich mich den anmelden? Oh, Rial erwähnte ich soll mich an einen gestressten Pol wenden. Muss mal sehen ob ich den beschäftigen Kerl heute noch finde! Du weißt zufällig nicht wo der gerade steckt?“ Sie schluckte einmal leer als sie beobachtete wie sich seine Augen wieder gefährlich verengten. Etwas leise meinte sie vorsichtig, „Was denn?“
Diesmal besass sie seine volle Aufmerksamkeit. „Ich bin Pol! Eigentlich sollte ich mich um die Organisation meines Sektors kümmert, aber dann kam so ein Notruf rein, dass einer von uns in Katas Schacht gefallen sei! Wie du gemerkt haben solltest, gibt es hier unten kein Tageslicht. Dementsprechend sind die Vorräte knapp bemessen. Vor allem für solche Fleischfresser wie Mika die leicht 100 Kilo am Tag verschlingen.“
Wie in der Schule streckte Sunta den Finger leicht hoch. „Wieso züchtet ihr die dann nicht oben oder wenigstens ein paar geeignetere Futtertiere? Eine paar Ziegen kann man gut versteckt im Gebirge halten.“ Das sprach sie aus echter Erfahrung. Doch Pol passte dieser belehrende Ton gar nicht. Er war gewohnt ständig die Kontrolle über alles zu haben. Sein Urteil zweifelte niemand an. Und von einem fremden Jungen manipuliert und angezweifelt zu werden, schmeckte ihm überhaupt nicht. Er kratzte die letzte Würde zusammen und spielte den Überlegeren, obwohl ihm momentan nicht danach war. „Unsere Heimat ist hier unten. Wir haben erfolgreich überlebt, indem wir unser Reich hier unten ausbauten und perfektionierten. Hier überlebten wir schon die letzte Invasion ohne den geringsten Verlust einer unseren Leute. Wir haben alles was wir zum Leben brauchen, insbesondere den dauerhaften Frieden. Drachen halten wir nur fünf Stück um in der Nacht, über grössere Distanzen, zu jagen. Ansonsten vermeiden wir jeden Eingriff in die obere Zivilisation. Bis heute hat das sehr gut funktioniert. Kein Kataner überlebt den Eingang zu unserem geheimen Labyrinth. Einmal hat ein Schiff den langsam schliessenden Schacht von einem Drachen entdeckt, doch der hat das Schiff kurzerhand vom Himmel geholt und wir sind heute noch froh um die verwertbaren metallenen Rohstoffe. Die Kataner sind also keine Gefahr solange sie oben sind und nichts von unserer unteren Geheimwaffe ahnen.“
Zuversicht und Stärke klang aus seiner jetzt gesenkten, angenehmen Stimme. Sie erreichten das schwere gepanzerte Tor. Durch eine kleinere Türe führte Pol wegweisend Sunta in den wärmern, geheizten Gang hinein. Fast freundlich wirkten seine veränderten, nachsichtigen Züge. Auf einmal fühlte sich Sunta wieder, sogar in seiner Gegenwart, sicher. Dafür wirkten ihre Beine plötzlich auf unerträgliche Weise schwer. Sie liess sich an der nächsten Wand zu Boden sinken. „Ich brauche ne Pause!“ Meinte sie schwach.
Es zuckte belustigt in Pols Mundwinkel, als er den vorhin so unbesiegbaren Jungen nun ziemlich fertig sah. Seine gefürchtete schwindende Autorität erhielt also keinen Abbruch.
Während Sunta mit einem Schwächeanfall kämpfte, packte Pol erneut sie grob am Kragen. Kräftig riss er sie auf die Beine. Hielt sie aber schön eine gesamte Armlänge auf Distanz. Denn seinen bequemen Freizeitanzug wollte er keinesfalls komplett ruinieren. An ihr klebte Speichel vom Drachen und dessen braunes Blut verfärbte gerade unschön den gewöhnlichen Anzug der Unterschicht, auf unauswaschbare Weise.
Er herrschte sie an. „Mach mir jetzt nicht schlapp! Ich habe keine Lust voll gesabberten Drachenschleim aus meiner Kleidung raus zu putzen. Also nimm dich zusammen!“
Schwach stützte sich die junge Frau an der Wand ab. Langsam setzte sie sich in Bewegung. So schnell es der Schwindel im Kopf zuliess. Setzte brav einen Fuss vor den anderen, während Pol sie mit seinem festen Griff im Kragen stützte und gleichzeitig durch die immer heller werdenden Gänge lenkte. Allerdings benutzte er zwischendurch auch einige dunkle Abkürzungen. Auf einmal blieb er stehen. Sie lehnte müde an der kühle Wand. Er hatte sie unbemerkt in ein Zimmer mit weissen, gipsverputzen Wänden gelenkt. Es roch eigenartig, etwas was sie bisher nicht kannte. Es roch nicht nur unangenehm, sonder reizte geradezu ihre Geruchsnerven in der Nase. Sie schloss müde die schweren Augen.
Etwas zupfte an Suntas zerrissenem Hemd. Kälte drängte sie zu reagieren. Mit einer matten Handbewegung scheuchte sie den vermeidlichen Störenfried auf die Seite. Unnachgiebig zupfte es weiter an ihrem Hemd. Eine laute Stimme an ihrem Ohr, „Wach schon auf“, eine strenge bekannte Stimme.
Sie schnappte erst einmal nach mehr Sauerstoff und öffnete ihre braunen Augen. Das helle Licht blendete sie. Jetzt bemerkte sie auch die geschickt verteilten Spiegel an der Decke und Wand. Sie verzehnfachten das Licht einer einzigen Lampe. Neben ihr auf einer gepolsterten Sitzbank sass Pol. Allerdings nur in knapper Unterwäsche! Sie schluckte schwer. Beobachete ihn mit grossen Augen beim Umziehen seiner neuer Uniform. Na da hatte er sie im richtigen Augenblick geweckt! Sie konnte gerade lernen wie man diese fremdartigen Kleidermodelle anzog. Mit dem Bonus, ihm dabei zuzusehen. Er war weitaus kräftiger als sie ihn zuerst einschätzte. In seiner schlanken Erscheinung steckte fast kein polsterndes Fett. Als er sein Unterhemd auszog, fand sie ihn ohne diesen letzten Schutz sogar ein wenig zu Mager. Dieser vielbeschäftigte Mann kam kaum dazu seine Reserven aufzufüllen. Flink, präzise seine Bewegungen. Die Handgriffe sassen, als zöger er sich mehrmals am Tage um. Sehnige, lange Beine die problemlos in die anliegenden, engen Hosen hineinschlüpften. Mit einem kräftigen Zug zog er die dehnbare Lederhose über seinem knackigen Hinterteil hoch. Straff betonte sie die leicht kräftigen Oberschenkel. Ohne gross Nachzudenken legte er sich den dunkelblauen Anzug, mit seinen weiten Bahnen über die breiten Schultern. Begann dann diesen weitläufigen Stoff um seine schlanke Taille zu wickeln, ohne dass sich da eine unangenehme Falte bildete. Beim zuknöpfen seiner darüberliegenden Weste, bemerkte er allmählich Sunta Erstarrung. Er deutete auf das Kleiderpaket zu ihrer linken. „los, umziehen!“
Da er entspannt wirkte, wagte sie zu fragen. „Wo sind wir?“
Seine Mine verdüsterte sich leicht. „Im Pflegezimmer. Momentan fühle ich mich selber noch nicht in der Lage normal arbeiten zu gehen.“ Einer seiner langen Zeigefinger wedelte nervös, drohend vor ihren Augen. „Mach das noch einmal, bei mir oder jemand anderem, und ich verfrachte dich höchst persönlich in den nächsten Futterkanal der Drachen!“ Drohte er mit tiefem Ernst. „Sunta! Nicht mal dran denken!“
Ihre Finger zuckten nämlich in ihrer unfreiwilligen Zwangslage. Sie rückte aus seiner Reichweite und wandte ihm die kalte Schulter zu. Langsam begann sie sich ihrerseits auszuziehen. Sobald er sich nur für eine Sekunde abwandte, riss sie hastig ihre letzten Fetzen der hiessigen Kleidung herunter. Hastig schlüpfte sie in das neue weite Gewand. Eine exakte Kopie ihrer vorherigen Alltagskleidung, für den bürgerlichen Durchschnitt. Trotz ihrer Eile hatte er den festen Verband um die Brust gemerkt. Kritisch blickte er an ihrem Rücken hinunter. „Eine Verletzung?“ Wollte er wissen.
Sie winkte ab. „Ein harmloser Kratzer. Zudem schützt die Polsterung sehr praktisch wenn man auf Jagt ist. Die halbwilde Ziegen sind mit ihren langen Hörnern nicht gerade zimerplich. So hält man besser einen heftigen Stoss aus. War auch nützlich war, als der Drache mich aufgefangen hat. Da wo ich in die die grosse Höhle hinunter fiel“
Er hielt bei seinem emsigen Lederstiefel polieren inne. „Die Höhle beim See? Wann ist das den eigentlich passiert?“
„War schätzungsweise so gegen Mittag. Hier unten verliert man irgendwie das Zeitgefühl.“ Sie zwängte selber ihre Füsse in die neuen Wildlederschuhe. Ein einfacheres Model, als das von dem Aufseher. Seine festen Stiefel waren nicht nur eleganter, sondern auch von besserer Qualität. Sunta fragte sich, wo und wie man die Herstellte!
Hastig sah sie hoch als Pol Gegenwart, dicht neben ihr bemerkte.
“Heute?“, seine Stimme klang etwas heiser. „Du bist also schon 2 mal mit deinem Leben haarscharf davon gekommen? Kein Wunder das Du einen Schutzpanzer brauchst bei deinem gefährlichen Lebensstil! Eigentlich müsste da viel mehr dickere Lagen eingewickelt sein“, wunderte er sich mit einem leichten Lächeln. Doch je länger er nachdachte, schmolz sein Lächeln dahin. Auf einmal wirkte er wieder total ernst. „Eigentlich brauchst du auch eine Verstärkung bei den dünnen Handgelenken. Ich kann sie locker mit zwei Finger umfassen. Wirklich dünn“, startete er harmlos. Meinte beiläufig, „Darf ich mir den Kratzer kurz ansehen. Wir haben da gute Salben. Nicht dass sich da was entzündet. Hier unten in den feuchten Höhlen passiert das schnell.“
„Nicht nötig“, wehrte Sunta freundlich ab. „Der ist schon längst geheilt und die Verstärkung war auch gut, heute Morgen gegen die eisige Bergluft. Mir tun bei Kälte schnell die Lungen weh.“
Er stutzte. „Warum lässt du den Verband dann an? Hier unten gib es keinen gefährlichen Eiswind. Nicht mal Zugluft“ Sie hielt geschickt dagegen. „Ich war heute im warmen Bad und wollte mich danach nicht erkälten. Das Klima hier unten ist gewöhnungsbedürftig für mich.“ Hartnäckig verteidigte er seine Ansichten. „Hier unten in den Höhlen wechseln die Thermeraturen ziemlich rasch. Kommt immer auf das durchquerende Viertel an. Hier gerade ist das Behandlungszimmer. Bis auf wenige Grade von der Körpertemeratur entfernt, bleibt die Wärme stabil. Anders für die Leute über dem Küchensektor, oder gar im Viertel das über den Arbeiterräumen liegt. Dort sind absolut warme, erholsame Räumlichkeiten. Alleine wenn man schon durch die Gänge spaziert. Also besser du ziehst nur an was ich dir hingelegt habe und darüber einen flexible Weste!“
„ Ach ich bleib lieber bei meinen alten Gewohnheit. Hat mir heute schlieslich zweimal das Leben gerettet“. Beharrte sie standhaft. Er bewegte sich keinen Zentimeter und starrte sie seinerseit nun eindringlich an. Allmählich schlich sich Unsicherheit bei ihr an. Wie sollte sie auf Dauer gegen seine Autorität ankommen? Vor allem wenn er auf einmal so Gedudlig und höflich zugleich, hartnäckig sein Ziel verfolgte. Einen gewissen Anstand von Höflichkeit wollte sie selber schliesslich beibehalten. Zu ihrer Peinlichkeit knurrte hörbar ein hungriger Magen.
Gelassen meinte er: „Die Küche hat immer was warmes zu essen. Also haben wir Zeit das in aller Ruhe zuerst auszudiskutieren. Also zeigst du mir deine alte Verletzung, damit ich mich von der Harmlosigkeit überzeugen kann?“
„Nö!“ Wehrte Sunta sichtlich störrischer ab.
„Muss ich ernsthaft darum eindrücklicher bitten?“ Hielt er weiter festen Kurs.
„Essen wäre wichtiger“, drängte sie zum Aufbruch.
Genauso hartnäckig wich er keinen Zentimeter von seinem Fleck. Mit voller Absicht versperrte er den Ausgang. „Erst wenn ich es gesehen habe. Ich bestehe darauf!“ Sein gespielt hinhaltender sanfter Ton brachte Sunta endlich auf einen schlimmen Verdacht. Verschränkte protestierend die Arme vor Ihrem Körper. „Nein, und wenn ich hier verhungern muss. Ich dachte Du hast soooo viel Arbeit?“
Ruhig winkte er ab. Lehnte sich mit dem Rücken an die makellose saubere Wand zurück. „Netter Versuch. Du kippst jetzt schon beinahe um. Wollen wir es darauf ankommen lassen?“
Ratlos wusste Sunta nicht mehr so recht wie sie sich geschickt aus der Enge retten sollte. Eine stille Schweigeminute folgte, wobei ihre Gedanken rasten. Schliesslich erlöste sie Pol. „Wie lange hast du geglaubt, damit durchzukommen?“ Er deutete auf die Stelle wo ihr fester Verband unter dem Hemd drückte.
Eine letzte Unsicherheit, worauf er sie ansprach, versuchte sie auszuweichen. „Solange wie möglich.“
Schonungslos beendete er das Spiel. „Frau, bei aller Drachenscheisse, was hast du dir gedacht?“ Warf er ihr unfreundlich ins Gesicht.
Leise protestierte sie. „Was ist daran so schlimm? Im Bogenschiessen bin ich genauso gut wie jeder in meinem Dorf. Ich kann schwimmen und verstehe von der Landwirtschaft so viel, wie jeder junge Mann in meinem Alter. Ich lass mich doch nicht als wertlose Frau abstempeln oder herumschupsen!“
Er brauchte Zeit zum begreifen. „Das mag vielleicht bei dir oben so sein. Bei uns ist das ganz anders. Hast du eine Ahnung wie viele Frauen den Sturz nach hier unten überleben. Bis heute ist mir keine einzige bekannt! Die sterben meistens bereits im Flug allein durch den Schock. Man du bist vielleicht ein Glückskind! Hoffentlich hält deine Strähne weiterhin an. Da du es bevorzugst anders behandelt zu werden, melde ich den Unterschied nicht. Geniess deine Freiheit. Lange wird es eh nicht dauern bis jemand, ausser mir, auch den Irrtum aufdeckt. Und..“ Ihr Magen rumorte peinlich laut. Da winkte er sie näher. Nahm ihre Hand und in die offene Handfläche zeichnete er mit seinem Finger ein Symbol. „Such das Zimmer im Nord Viertel. Blaue Farbe achten. Bestell dir da was zu Essen und da heute noch Badetag ist, solltest du unbedingt die Gelegenheit nutzen bevor das Wasser am Abend kalt ist! Wenn du weiterhin so stinkst, hat dein Zimmernachbar sonst keine Freude. Such dir einen Zimmergenossen beim Essen, denn irgendwo draussen im Gang zu schlafen ist hier absolut unterstes Niveau. So jetzt geh! Hoffentlich treffen wir uns lange nicht wieder!“
Eigentlich wollte Sunta noch so viel über die Gänge und das Leben hier unten erfahren, doch Pol schritt so energisch in grossen Schritten weg, dass sie es klüger hielt jemand mit einer geduldigeren Persönlichkeit auszuquetschen.
Müde machte sie sich auf den Weg. Schon nach der ersten Kreuzung entdeckte sie die kleinen Farbmarkierungen in der Nähe jeder Fackel. Manchmal gab es Gänge die bis hundert Meter in die Tiefe führten. Zur Erleichterung gab es Rollwagen, für mehr als eine Person, um drauf zu sitzen. Die liessen sich durch die Schwerkraft nach unten fahren. Hoch ging es dann auf der andern Seite mit einem Wagen der von einem kräftigen Pony oder einem Minidrachen mit gestutzten Flügeln, gezogen wurden.
Alles wirkte so fremdartig, das sich Sunta bereits frage was die wohl zum Essen auftischten. Fische mit Flügeln oder ein gebratenes Drachensteak? Sie fand den Essraum erstaunlich einfach. Da die Türe fehlte, konnte man ihn am Geruch, in den letzten hundert Metern kaum verfehlen. Elektrisches Licht beleuchtete, von der Decke herab, die einfachen mit Steinblöcken geschichtetenTische. Deren polierte Platte indentifizierte Sunta als grauer, marmorierter Granit. Auf den Steinbänken schützten gepolsterte Kissen vor der Kälte. Der gesamte Raum konnte gleichzeitig von bis zu hundert Leuten gleichzeitig besucht werden. Bei Suntas eintreffen war nicht einmal ein Tisch voll besetzt. Was ihr gerade Recht kam. Scheu setzte sich an den äussersten Rand, bei einem der spärlich besetzten Bänke hin. Ein Küchenbote schaute misstrauisch zu ihr herüber, ehe er ziemlich zögerlich zu ihr kam. Sie wusste dass nicht ihre attraktive Schönheit ihn herüber lockte, sondern reines Pflichtgefühl. Genauso auf Distanz haltend fragte sie kühl was es den für einfache Gerichte gäbe. Kaum erwähnte sie Pols Namen, der sie her schickte, da streckte er entgegenkommend die Speisekarte, für bessere Gerichte entgegen.
Enttäuscht überflog Sunta die seltsamen Schriftzeichen. Bewunderte aber das kostbare, dicke Papier der Karte. Ein flüchtiger Blick was die anderen so reinschaufelten. Schon war die Bestellung aufgenommen.
Es kam innert weniger Minuten ein dampfender Gemüseteller, der sie an feinen Spinat erinnerte. Etwas unbekanntes Fleisch das dem ganzen eine gewisse Würze gab und reichlich frisch gebackenes Brot. Während sie die schwach gewürzte Sauce mit dem Brot aufwischte, kam ihr so eine gelungene Idee. Die perfekte Lösung damit kein Drache mehr, sie als lohnendes Häppchen anknabberte.
Es dauerte diesmal schon länger bis man ihr den seltsamen Wunsch erfüllte.
Als sie ziemlich später mit einem wohl gefüllten Magen, zufrieden den Speiseraum verliess, folgten ihr aus der offenen Küche heraus mehr als ein paar verwunderte Augenpaare. Sie versteckte das bekommene Geschenk in einer zusätzlichen gereichten Leinentasche. Irgendwie getraute niemand sie desswegen anzusprechen. Pols Autorität reichte aus das niemand ihre Beweggründe hinterfragte. Vielleicht mied das Personal sie auch, weil sie eben eine ziemlich scheussliche Gestankwelle ausdünstete. Wieder auf dem Weg draussen, fiel ihr auf das herzlich wenig Frauen an ihr vorbei zogen. Auf zwanzig Männer zählte sie höchstens eine Frau!
Während sie durch die füllenden Gänge schlenderte, freute sie sich ab den zahlreichen Geschäften. Kleine Nischen in den Gängen wo Händler viele kleine Gebrauchsgegenstände oder Schmuckstücke verkaufen. Es gab geschnitzte Holzmünzen die man als gängige Währung benutzte. Als sie sich zum Erholen in eine ruhige Nische stellte, konnte sie beobachten, dass die handelnden Leute jedoch bevorzugt gegen andere hadgemachte Ware tauschten. Wobei ein reges Handeln und Feilschen voran ging. Ob Handbänder, Schmuck, Körbe, Behälter, alles aus edlem Holz oder sehr feiner Wolle hergestellt. Von welchem Tier allerdings diese feine Qualität stammte blieb ihr weiterhin ein unerklärliches Rätsel, bis sie den Kokon der Seidenraube erspähte. Für genaue Details war sie jedoch nicht mehr aufnahmefähig. Fand es klüger noch einmal das Badezimmer aufzusuchen. Vielleicht war Rial in der Nähe, der ihr einen Tipp bezüglich eines Zimmers geben geben konnte. Oder er vermittelte ihr jemand der bereit war eine unkomplizierte Wohngemeinschaft einzugehen.
Ihre Hoffnung wurde getrübt als sie den Raum leer erblickte. „Ist ja wenig los“, dachte sie sich. Ihre zwei Taschen landeten in einer trockenen Ecke. Ein grosses Tuch schnappte sie aus einem offenen Gestell und zog sich wieder aus. Das Tuch schön am Rand. Eilig schruppte sie sich vor allem die Haare sauber. Diesmal wollte sie nicht aus Müdigkeit wieder einschlafen und beeilte sich. Doch kaum war ihre Hauptwäsche vorüber, kam jemand bevor sie aus dem Wasser hüpfen konnte. Aus der Ferne dröhnte ein Horn. Sie fragte sich was das wohl für ein Alarm sei, also schon ein weiterer älterer Besucher neben ihr ins Wasser schlüpfte. Tatsächlich war die Temperatur schon spürbar kühler als am Mittag. Sunta fasse den Mut es doch aus dem Wasser zu riskieren, mit den Kollegen im Rücken, sicher kein Untergang. Da rumpelte es im Gang lauter, als käme eine ganze Viehhorde angestampft. Ihr sekundenlanges, nachdenkliches Zögern wurde ihr zum Verhängnis. Denn eine ganze Traube munterer, fröhliche Arbeiter, die ihren wohlverdienten Abend geniessen wollten, strömten herein. Soviele dass sie niemals eine Chance hätte sich zum Ausgang hindurch zu quetschen. Und zu ihrem grössten Unglück zogen sich alle ungeniert aus! Was da alles auspackt wurde, wollte sie gar nicht genau wissen. Hastig klappte sie ihre aufgestemmten Ellbogen sofort wieder ein und versteckte sich bis zum Hals im lauwarmen Wasser. Schwamm in die dunkelste Ecke von dem runden Bassin. Immer lauter schwoll das Gerede draussen im Gang heran. Eine weitere ganze Gruppe trottete heran. Sie zerrten sich förmlich die Kleider vom Leibe. Der Geruch von der bitteren Gerberei mischte sich mit dem süssen Duft der Parfumerie, altem säuerlichem Schweiss und einem weiteren moderigen Geruch den Sunta nicht indentifiziren vermochte. Mittlerweile war das Bad so voll besetzt, dass man nur mit grösster Vorsicht an den letzten leeren Stellen ins Becken hineinglitt. Möglichst ohne jemand anderen dabei anzustossen. Es dämmerte Sunta, dass der eingeleitete Feierabend nicht nur ihre überfällige Erholung versaute. Vor allem bedauerte sie die unendliche Verlängerung. Wie lange die wohl hier herumtummelten? Ihr gewählter Zeitpunkt zum Baden war denkbar schlecht gewählt. Oder hatte Pol das genau so beabsichtigt? An ein unbemerktes davonschleichen war überhaupt nicht mehr zu denken. Sämtliche männliche Anwohner aus dem hiessigen Arbeiterviertel hatten sich ausgerechnet hier, versammelt. Langsam wurde es echt Eng. Einer der jüngeren Zeitgenossen zupfte beim Vorbeischwimmen verspielt an ihren rotblonden Haaren. „Dich sehe ich zum ersten Mal. Gewöhne dich besser an diese Badezeiten oder versuch die Arbeitszeit mit der Frühschicht zu tauschen. Das gelingt aber nur wenn man gut mit der Aufsicht auskommt. Kannst ja mal mit Pol darüber verhandeln!“ Schlug er gut gemeint vor. Worauf Sunta nur, herzlich wenig erfreut, die Nase rümpfte. Ihr Gegenüber lachte. „Sag bloss, du kennst ihn schon? Musst ihn eben an einem guten Tag erwischen! Das lohnt sich. Warte nur noch zehn Minuten, dann wird hier keine Ellbogenbreite mehr frei sein.“ Er lachte abermals ab Suntas bitter verzogenem Gesicht. Dann entdeckte er einen engen Bekannten und verabschiedete sich.
Genervt versuchte Sunta einfach abzuwarten. Ihr unbegreiflich wie Leute sich in dem überfüllten Becken wohl fühlten. Wasser schwappte übern den Rand in den Ablauf hinunter. Immerhin gab es auch die Sorte Leute, die für ein paar Minuten im warmen Wasser sich mehr der Hygiene widmeten und rasch wieder verschwanden. Mehrheitlich nutzte jedoch die Gelegenheit für einen ausgiebigen Schwatz und um die Verspannungenen des Altags zu lösen. Besorgt behielt Sunta den Ausgang im Auge. Allmählich stoppte der Strom. Manche spazierten herein, überlegten und entschieden sich wieder anders, da es eben ziemlich ungemütlich wurde. Im Stillen dankte Sunta all den Vernünftigeren Personen die aufs Massenbaden verzichteten. Jemand schlenderte gemächlich am Eingang vorbei, anfangs interessenlos. Kehre allerdings Sekunden später verwundert zurück. Der grosse Schatten verharrte auf der Schwelle und suchte mit scharfem Blick nach etwas bestimmten.
Eine tiefe Bassstimme aus dem Bad übertönte sie alle. „Pol! Willst du auch mal mit uns baden? Dich sieht man so selten hier. Komm doch rüber! Wir machen gerne Platz“. Lud der im Wasser Stehenden ein. Doch Pol winkte ohne Begründung ab. Wenige Sekunden später brauchte Sunta ihren Kopf nicht zu heben, sie wusste genau wessen Barfüsse sich plötzlich vor ihr, dicht neben dem Bassinrand, hinstellten. Erst als der Grosse sich bequemte nieder zu kauern, sah sie gezwungener massen hoch. Verärgerung und Neugierig in ihrem angespannten Gesicht. Lachende goldbraune Augen verschlimmerten ihren säuerlichen Ausdruck. „Oh Sunta“, betonte er lässig freundlich. „Hab ich vergessen zu erwähnen, dass am heutigen Badetag sich alle von der Arbeitschicht hier versammeln. Na ja, kommt doch sehr gelegen für dich, da du ja auch gerne was arbeiten möchtest. Hier findest Du schnell ein paar Gleichgesinnte“ Er begann alle Badetücher aus ihrer Reichweite einzusammeln. Stellte sich taub gegen ihren entrüsteten Aufschrei. Als sie sich weit aus dem Wasser vorbeugte um ein fremdes Tuch zu angeln, fasste sie vergeblich in leere. Pol war schneller und sah sie warnend an. Rasch presste sie die Arme schützend vor ihren Oberkörper und versank wieder tiefer im schützenden Wasser.
Seine überflüssige Bemerkung, „Hier wird nur alles nass.“ reizte sie gegen alle Vernunft. Er genoss das für ihn vorteilhafte Spiel mit ihr. Zurück am Eingang lehnte er sich in Sicherheit an die Wand und zog seine trockenen Stiefel an. Gönnte sich dabei die Freude ihre offensichtliche Verlegenheit, gepaart mit der Verärgerung, zu beobachten. „Sunta, schliesslich hast du auch in meinem Namen ein paar Privilegien genutzt. Nimm es als Entschädigung fürs verspätete Mittagessen“, begründete er seine Tat. Sichtbar rümpfte sie abermals ihre sonst faltenfreie gerade Nase. Dann wetterte sie hörbar zurück. „Das nächste Mal lass ich dich von dem schwarzen Drachen auffressen und stelle mich nicht mehr dazwischen!“
Abrupt kehrte eine ungewöhnliche Ruhe in den belebten Saal ein. Eine abnormale, unheimliche Stille. Spannende Blicke peilte zu Pol hin. Es zuckte amüsiert, unbekümmert sein Mundwinkel. „Wer war so ungeschickt die Futterklappe hinunter zu rutschen? Du stellst dich wirklich duselig an. Also überleg mal zuerst!“ Rettete er seinen guten Namen. Wobei er wusste, dass alleine schon Suntas öffentlicher Wortangriff sein sauberes Image trübte. Und es kam schlimmer als in einem seiner bösen Alpträume.
Sunta: „Hä!“ sie dämpfte zwar etwas die Stimme, um ihn nicht vor allen ganz blosszustellen. Doch die nächsten Umstehenden hörten den scharfen Ton. „Wer ist später winselnd auf dem Boden herumgerutscht? Soweit hat mich der Drache nicht mal nach seinem zweiten Angriff gebracht. Du aber bist schon nach der ersten Attacken flach gelegen!“
Leider verrechnete sich Sunta mit dem empfindlichen, scharfen Gehör der hier unteren Bewohner. Mehr als nur die Umliegenden Blicke sahen verwundert, fragend Pol an und wollten Bestätigung der unglaublichen Geschichte.
Aus seinem Gesicht verschwand der letzte freundliche Ausdruck. Diese letzte Aussage kratzte sein hohes Ansehen dermassen an, dass er sogar seine Stellung verlieren könnte. Beleidigte Augen beschuldigten Sunta. Kurz kalkulierte er seinen unverschämten Gedanken ab. Verwarf jeden hinderlichen Skrupel. Jetzt galt es etwas für die Leute zu bieten, das genauso interessant war wie seine kurzfristige Pechsträhne. Er packte flink mit einer Hand an Suntas Haaren und zog unzimperlich daran hoch. „Das war ein fieser Schlag der gegen jeden Ehrenkodex verstösst und wenn Du schon so rüde Behandlung bevorzugst, kann ich dir auch was bieten!“ Wehrte er sich im barschen Ton.
Schreiend fuhren ihre Arme nach oben um ihre kostbaren Haare zu retten. Er liess natürlich sofort los. Erst da bemerkte sie, dass beim reiben an der schmerzhaften Kopfhaut sich ihr Busen über die Wasseroberfläche hinaus gehoben hatte. Während ihr Gesicht vor Peinlichkeit rot entflammte, grinste Pol einfach nur zufrieden nach dem vollbrachten Streich.
Zufrieden trat er einige Schritte zurück um genau mit zu verfolgen wie seine entfernten Verwandten reagierten, denen weniger Privilegien zustanden.
Empört rieb sich Sunta den pochenden Kopf. Völlig ratlos wie sie aus dem Mittelpunkt des anschwellenden Getuschels wieder rauskam. Das Beste aus ihrer misslichen Situation zu machen, gab sie sich einfach gleichgültig und rutschte bis zum Hals ins Wasser zurück.
Mit einem etwas zu freundlichen Lächeln platzierte sich ein junger Mann neben sie. „Wenn Du ein bequemes Quartier suchst, bei mir ist echt viel Platz. Verdiene eine sicheren Lohn und ich werde alle deine Wünsche erfüllen.“
„Nett“, unheilvoll verzog Sunta ihr Gesicht. „Aber kein Interesse!“ Ein scharfer Blick in die Runde und fügte beschleunigt dazu, „Bei keinem von Euch! Lasst mich ja in Ruhe!“
„Wirklich“, zweifelte dies eine tiefe sanfte Stimme von der rechten Seite. Sunta staunte über die plötzliche Verwandlung dieser gewöhnlichen Arbeiterklasse. Erst kamen sie erschöpft ins Bad um sich vom Stress erholen, wirkten abgespannt, kraftlos und träge. Jetzt allerdings zeigten sich die Mehrheit frisch erholt, tatenbereit und versuchten krampfhaft, zum Teil sehr nervös, sich von ihrer besten Seite zu präsentieren.
Wagemutig drängte sich einer der Selbstsicheren vor. Legte vertraulich die Hände über Sunta Schulter und liess seine Finger massierend kreisen „Keine Sorge, das wird ein schöner Abend. Wir versprechen uns alle zu benehmen.“ Damit wollte er ihre aufkeimende Angst vertreiben. Doch stiess er, selbst mit seinen geschickten Fingern, auf harten Granit. Ihr Ellbogen schnellte empor. Grob stiess sie mit dem harten Knochen gezielt in die Brust. Aus Erfahrung wusste sie das ihr harter Ellbogenknochen ziemlich weh tun konnte. Das hatten schon die frechen Jungs frühzeitig aus ihrem Dorf gelernt. Jetzt bekam eben der ausgewachsene Kerl gerade eine schmerzhafte Lektion. Sie fauchte: „Halt gefälligst deine Hände auf deiner Seite. Mich fasst niemand uneingeladen ein!“ Warum war sie nur so schrecklich im Nachteil gegenüber einer ganzen aufgeladenen Horde! Uneingeschüchtert näherte sich schon der nächste. Hoffte mit seinem hübschen Gesicht, und seinem durchtrainierten Körper, mehr Bonuspunkte zu sammeln. Sunta setzte ein einladendes Lächeln auf, drehte sich zu dem aufdringlichen Drängler herum. Ihre Finger unter dem Wasser formten sich bereits zu einer lauernden Kralle.
Unerwartet schnappte eine fremde Hand von hinten um ihren Hals. Warme schlanke Finger schränkten ihre Atemluft ein. Die ganze Meute vor ihr geriet in Stocken und als sie Pols warnende Stimme, dich an ihrem Ohr hörte, wusste sie warum. Er warnte die unvorsichtigen Verehrer. „Glaubt mir, es ist eine hinterhältige Falle! Sie hält sich nicht an die Richtlinien des Ehrenkodex. Und heute hab ich keine Lust einen von Euch ins Krankenzimmer zu schleppen.“
Sein kräftiger Arm packte Sunta unter den Armen. Rücksichtslos zerrte er sie schwungvoll aus dem Wasser. Sobald sie auf festem Boden stand, brüllte er sie scharf an. „Nimm das Tuch und hör auf... Aaah!“
Zappelnd hüpfte er mit geprelltem Schienbein nach draussen. Energisch schnappte sich Sunta das nächste Tuch. Hüllte sich schützend ein.
Im Wasser die gaffende, staunende Menge. Besser sie nutzte die verbleibende Zeit zur Flucht, bevor die sich aus ihrer Erstarrung lösten. Ungeachtet liess sie ihre Taschen liegen. Unentschlossen hastete sie in den nächsten Gang. Suchte nach der ersten Kreuzung ein Wandzeichen zu entziffern, dass für die Quartiere stand.
Pol, mittlerweile mit seiner unfreiwilligen Tanzstunde zu Ende, holte sie ein, packte energisch einen Arm und riss sie vorwärts. Klugerweise wählte er einen Gang der überhaupt nicht ins Zimmer Viertel führte. Falls die anderen ihnen folgten, fand er es angenehmer auf ruhigern Umwegen sein Ziel zu erreichen. Sobald er einen verlassenen Gang sichtete, nutzte er die Zeit für eine Auszeit. Schuppste sie in den düsteren Tunnel.
„Hör zu meine Kleine! Das war das letzte Mal, dass du mich vor anderen Leuten angreifst und blossstellst. Wir führen hier ein friedliches Leben und einer meiner obersten Pflichten ist es hier auch für Frieden zu sorgen. Allein das du hier eine seltene Frau bist schützt dich nicht vor Bestrafungen. Es sei den du bevorzugst dein Leben in einer feuchten Zelle, für mehr als eine Woche zu verbringen. Dann wäre jetzt der Zeitpunkt mir das zu sagen. Diesen Wunsch erfüllte ich dir auf der Stelle. Ansonsten hältst du dich an die internen Hausregeln. Kein Schläge oder Angriffe auf jemand der hier unten Wohnrecht hat!“
„Es war nie meine Absicht dich dermassen bloss zustellen. Haben hier unten eigentlich alle so ein perfektes Gehör?“ Drückte sich ausweichend an die raue Wand, als er auf sie zumarschierte als wollte er sich rächen. Besänftigte schüttelte er den Kopf. „Körperliche Gewalt siehst du hier unten ganz selten. Mehr als zwei Schlägereien hat es hier pro Jahr nie gegeben. Schon gar nicht hebt einer eine Hand gegen eine Frau. Das wäre als würde man sich selber bestrafen.“ Er lehnte mit dem Rücken neben ihr an die Wand. Atmete einmal ruhig aus und meinte, „Da die jetzt dein wahres Geschlecht kennen, wird vermutlich Morgen oder spätestens in drei Tagen der oberste Rat einberufen. Danach wirst du dich entscheiden müssen mit wem du künftig das Lager teilen willst.“ Er zögerte die Wahrheit hinaus. Es war seine Pflicht sie aufzuklären. Obwohl er ihre Antwort bereits auf das längst entschiedene Urteil, des Rates, kannte. Er wusste keinen geeigneten, diplomatischen Rat wie er sie von ihrer festgefahrenen Meinung wegbrachte. Falls sie oben noch Familienangehörige besass, würde es sie umso schlimmer treffen. Es war ihm bisher kein einziger Fall bekannt, der eine Ausnahme zuliess, dass sie je wieder die Höhle verliess.
Sie probierte eine einfache Lösung. „Lasst mich einfach wieder frei. Einer der Tunnel führt sicher nach oben, draussen. Dann verschwinde ich einfach.“ Sie rieb sich wie bei einer abgeschlossenen Sache die Handflächen aneinander. Sein mitleidvolles Kopfschütteln liess diese Hoffnung platzen. „Wenn dich die Kataner fangen und im schlimmsten Fall foltern, wirst du unsere Anwesenheit verraten. Es ist also eine Frage der eigenen Sicherheit. Es liegt nicht in meiner Entscheidungsgewalt, auch nicht in deiner. Ausserdem eben, weil du gerade eine Frau bist, bist du zu wertvoll um dich gehen zu lassen. Eines Tages möchtest du bestimmt einmal Kinder haben?“
Verstehend nickte Sunta sehr zaghaft. Allmählich dämmerte ihr das gewaltige Ausmass ihrer Anwesenheit. Er brauchte nicht weiter in die Details zu gehen. Sie war eine genetische Bereicherung für das eingeschlossen Volk hier unten. Es würde ziemlich schwierig für sie werden, da einen Ausweg aus dem geplanten Zuchtprogramm zu finden.
Pol las ihn ihrem Gesicht den Ausdruck des langsamen Begreifens. „Sunta, du bist eine der seltenen Frauen die hier den Weg lebend nach unten überstanden. Unsere Leute, wir werden sehr alt, aber Kinder gibt es hier sehr selten. Scheint so eine abhängige Sache mit dem fehlenden Sonnenlicht zu sein. Selbst unsere Drachendamen werden nur trächtig wenn wir sie regelmässig ans Tageslicht lassen.
Mit unseren Frauen ist das so, dass sie ungern in kleinen ungeschützten Gruppen nach oben spazieren gehen wollen. Unsere Sicherheit, das ganze überleben ist ja genau darauf gebaut, dass wir uns versteckt halten.
Falls du dich für eine Familiengründung entscheidest wird dir hier unten praktisch alles geschenkt. Deine Position wird sogar höher sein als meine. Doch erst einmal müssen wir einen Weg finden wie du dem aufgewachten Rudel da draussen entfliehst. Übrigens als Frau stehen dir zwei Badetage in einem Mondwechsel zu. Am besten du siehst dir die Männer, welche dir nachlaufen, genau an und suchst dir einen aus. Wenn es zwei oder mehr sind, sei einfach vorsichtig und gib jedem dieselben Rechte. Er oder sie wird dann gut für dich sorgen. Vermutlich zu gut. Lass es dir nicht zu sehr in den Kopf steigen.“ Leise lachte er. Doch schnell wieder ernst nahm er eine ihrer Hände und machte ein rechteckiges Zeichen und deutete Striche an. „Suche dieses Quartier. Da sind die neuen Stationiert für die Übergangszeiten in unser Quartier. Mehr als vier Leute teilen sich da nicht ein Zimmer. Einfach reingehen und besetz einen guten Platz! So und jetzt bring dich in Sicherheit. Gang runter und dem eckigen Symbol folgen. Da kommen nämlich schon ein paar neugierige Genossen.“
Ausweichend schritt er lautlos in die gefährlichere Richtung. Sobald er in der Dunkelheit verschwand, sprintete Sunta selber los. Tastete sich mehrmals in dem dunkle Tunnel an den Wänden entlang. Zum Glück waren die sauber gepflegt. Während sie mit der unheimlichen Dunkelheit kämpfte, verwünschte sie sich nicht zum ersten Mal eine Frau zu sein.
Als sie endlich das Viertel erreichte zog sie sich in das letzte zurück. In den vier Wänden fühlte sie sich allerdings trotzdem nicht sicher. Es gab vier Betten mit je einer Truhe und einem Regal. In diesem Holzregal gab es auf dem untersten Brett einen frischen Anzug und Handtuch. Frisch angezogen in dem zeitlosen Look hier unten war schon mal angenehmer als im Badetuch herumzurennen. Es gab sogar ein paar Bücher zur allgemeinen Beschäftigung, doch sie konnte die Schrift nicht entziffern. Gelangweilt setzte sie sich auf ihr Bett. So viel fegte durch ihre Gedanken. Von dieser unterirdischen Welt. Hier fühlte sie sich unwohl, so tief unter der Erde, doch nach draussen wo die Kataner sie jagen, wollte sie momentan auch nicht. Vielleicht ein paar erholsame Tage lieber in so einem ruhigen Viertel verstreichen zu lassen.
Schmunzelte bei dem Gedanken die Zukunft hier unten zu verbringen. Mit einer fettigen Küchenschürze umgeschnürt und ein Kind das an ihrem Rockzipfel zerrte. Vermutlich ein Baby in Arm und der Bauch schon wieder schwanger.
Bei dem Alptraum bekam sie erst Recht Bauchschmerzen. „Mist“, machte sie ihrem Ärger Luft. Zu ihrem weiteren Frust kamen gerade zwei Leute durch den Türvorhang. Anscheinend zwei Brüder um die vierzig Winter alt. Die beiden sahen sich schon fast wie Zwillinge ähnlich. Wie viele hier unten die hellenblonden langen Haare. Dunkelblaue Augen strahlten bei ihrem Anblick. Einer flüsterte scheu zum andern. „Es ist also wahr.“ Platzte es dem jüngeren heraus. Beide traten zögerlich vor sie hin. Wobei sich der jüngere eindeutig als der mutigere oder einfach gedankenlosere zeigte. Arglos setzte er sich auf die Bettkante neben Sunta. „Darf ich was…“ Seine Augen wurden gross als sie ihr weiches Kissen packte und nach ihm schleuderte, dass beinahe die Nähte krachten.
Sie verteidigte scharf ihr Revier. „Verzieht euch auf Eure Plätze! Last mich ja in Ruhe! Ich bin keine Kuh auf dem Marktplatz.“
Unbeeindruckt, lachten die zwei. Hielten aber sichere Distanz zu ihr. Schliesslich fragte der Ältere. „Brauchst du irgend etwas zu Essen oder Kleider? Wir holen es gerne. Sag einfach wenn du was willst.“
„Ah“, erfreut erhellte sich Suntas Gesicht, „ja da wäre etwas. Und zwar dass ihr meine wenigen Quadratmeter respektiert. Setzt euch doch auf euer Bett und macht das was ihr sonst für gewöhnlich tut. Ich hab gerne Leute um mich die sich normal verhalten.“ Schwenkte ihr Kissen an den üblichen Platz. Sie braucht dringend Ruhe. Der ganze Tag hatte sie ständig mit neuen Dingen bombardiert, die ihr heiles Weltbild völlig veränderte. Trösten fasste sie nach der warmen Decke. Um vor saugenden Blicken der engsten Nachbarn verschont zu sein, verkroch sie sich angezogen unter die weiche Decke.
Es blieb mäuschenstill, für eine kurze Weile. Sie ordnete ihre wirren Gedanken als völlig überraschen eine stimmte nahe an ihrem Bettrand flüsterte. „Du liegst so verkrampft! Eine Massage tut gut zur Lockerung. Wir wollen wirklich dass du dich wohl fühlst.“
Frostig knurrte Sunta unter Decke. „Allein eure Nähe macht einem Angst. Was schleicht ihr so leise herum. Ich entspann mich von alleine wenn niemand in die Nähe meines Bettes kommt.“
Entfernter kam dann die Antwort die sie kaum beruhigte. „Ok. Wir sehen einfach nur von Zeit zu Zeit rüber ob es dir gut geht.“
Die eintretende Stille tat Sunta gut. Sie begann langsam von ihrem Dorf zu träumen. Von Donan, dessen beschützende Nähe sie seit langem richtig vermisste. Wie er sicher und…
„Du liegst immer noch so verkrampft da! Bist du sicher dass eine Fussmassage nicht nützt? Nur einmal ausprobieren. Ganz harmlos“ Flüsterte eine verheissungsvolle Stimme in ihrem Rücken. Für Sunta viel zu Nahe an ihrem Ohr.
Hastig zog Sunta die Decke über ihren Kopf. Trotz der gezeigten Abneigung fühlte sie sich alles andere als Behaglich. Irgendwie musste sie einfach diese Nacht überstehen. Müde genug war sie ja. Morgen normalisierte mit der Zeit sicher alles. Was war das?
Verwundert hob sie die gewobene Decke an. Da klimperte ein Seiteninstrument. Kurz darauf begann eine durchaus schöne angenehme Stimme zu singen. Leider war der gut gemeinte Sänger zur falschen Zeit am richtigen Ort. Nach dem ereignisvollen Tag war Sunta schrecklich müde und sehnte sich nach Ruhe. Aufgebend streckte sie den Kopf unter der Decke empor. Trotz dem matten Licht das von einer kleinen Kerze stammte, brannten ihre Augen vor Erschöpfung. Ausserdem begann der Kopf, vor Überanstrengung, leicht zu schmerzen. Vermutete zu Recht dass sie hier nie richtig Erholung fand. Einzig im Drachenstall würde niemand sich ihr auf hundert Schritte nähern, da sich dort niemand hintraute. Sie lachte innerlich ab dem spontanen Scherzgedanken.
Moment?! Im Gang draussen sang bereits ein ganzer Chor. Sie sprang förmlich aus dem Bett. Mit ihr quietschten gleichzeitig zwei andere Matzratzen. Erwartungsvoll sahen die Mitbewohner gespannt herüber. Unheimlich diese ständige Überwachung für die junge Frau. Sie kam sich vor wie ein Stück Schokoladensahnekuchen in einer Diätklinik. Jeder wollte ein Krümel von ihr, jeder einmal mit der Zunge über den süssen Guss lecken oder nur einfach daran riechen!
O_o
„Leute“, sie hatte urplötzlich ihre gute Laune zurück. „Ihr zwei könnt doch sicher auch nicht schlafen, bevor Ihr mir nicht einen gefallen gemacht habt! Wäre es möglich dass ihr mir die Taschen beim Bad holt. Oder mal nachseht ob dort noch was steht?“ Lieb mit grossen Augen sah sie die beiden an. Es machte wusch, Kleidung raschelte und zurück blieb eine leerer Raum!
Lange brauchte Sunta nicht zu warten. Schon nach wenigen entspannten Atemzügen, keuchten die zwei Brüder zurück. Glücklich in der Hand die gewünschte Beute. Artig bedankte sich Sunta. Zupfte die Tasche mit den Kücheutensilien hervor und trat vorsichtig an den Türvorhang. Nur einen schmalen Spalt schob sie zur Seite. Eine kleine sachte Bewegung mit grosser verheerender Wirkung. Sofort verstummte die Musik. Langsam trat Sunta aus ihrem Zimmer als begäbe sie sich aufs Glatteis. In dem gesamten Gang verteilten sich sieben Leute an den Wänden. Teils lagen sie wartend, müde auf dem Boden, andere Standen mit Taschen oder anderen Geschenken in den Händen. Alles gemeinsam jedoch Junggesellen. Sunta setzte tapfer ein Lächeln auf. Schlenderte gemütlich und ohne Eile an ihnen vorbei. Grüsse kamen von jedem und als sie die nächste Kreuzung erreichte, erweichte sie sich auf zu antworten. „Bye, bye“. Zack und weg war sie so schnell ihre flinken Beine sie noch trugen. Raste die Gänge hinunter. Kurz an den Kreuzungen das Drachensymbol suchen und ab die Post! Am Ende ihrer Kraft bis sie praktisch keine Luft bekam. Diese Einheimischen besassen schlanke, lange Beine und die bekannte Orientierung verschaffte ihnen einen ungünstigen Heimvorteil. Ungebremst rannte sie in den letzten völlig Dunklen Gang. Krachte unsanft gegen eine stabile Tür. Hastig ertastete sie den schweren Riegel. Riss verzweifelt daran bis er nachgab. Mit aller Kraft warf sie sich mit der Schulter gegen die Tür. Rostige Scharniere gaben nach. Erleichtert schlüpfte sie durch den Eingang und liess ihn ungeachtet offen. Schliesslich würde nicht mal ein Drachenkopf da durchreichen. „Drache, Drache“, keuchte sie zittrig von der Anstrengung auf dem Weg hierher. Es war Stockdunkel, doch sie hatte den ungefähren Weg bis zu Box gut in ihrer Erinnerung gespeichert. Es roch auch streng nach Tier. Ein schwaches Schnaufen weckte ihre geschärften Sinne. Mutig taumelte sie auf das Geräusch zu. Mit fester Tonlage begann sie zu reden. „Hier bin ich und ich brauche einen Platz zum schlafen. Also es wäre schön, wenn du meine übereifrigen Bewerber von mir fern hältst. Von mir aus darfst du jeden von denen fressen…“
Der Kronleuchter flackerte auf. Hinter ihr verriet das Knirschen der Türe dass die ersten aufdringlichen Verfolger sie einholen. Allerdings stoppte zögerten sie auch nur einen Fuss über die Schwelle zu setzten. Beobachten dafür gespannt warum Sunta auf den Drachen zuging ohne den geringsten Schutz.
Misstrauisch äugte das aufgeweckte Tier auf jede Bewegung. Sie kam ohne Furcht oder zögern auf ihn zu bis sie vor seinen scharfen Krallen stand. Noch unsicher ob er sie fressen durfte, näherte sich das scharfe Gebiss. Neugierig schnupperten die Nüstern dicht an ihrer Kleidung hinunter. Gebleckte Reiszähne knabberten, zerrten Probeweise an ihrer Kleidung. Sofort legte Sunta ein paar Chilischoten in sein Zahnfleisch hinein. Sein Backen blähte sich sofort. Hustend spuckte er das grässliche Zeug weit in die Höhle hinaus. Eine lange Zunge sabberte angewidert den scharfen Geruch mühselig aus seinem Rachen. Dann erst sah er abwarten den Kleine vor sich an. Wollte der Feind gar ihn verspeisen? Doch Sunta kletterte über seine schuppigen Tatzen hinweg. Hinein in die Box wo sein spärliches Stroh lag. Sie legte sich da auf den Boden und band sich ein paar Schotten rund um den Gürtel ihrer Kleidung.
Beunruhigt schwenkte der Kopf des Drachen zwischen ihr und den unvorsichtigen Männer welche mit zittrigen Beinen sich neben dem Tor sammelten. Er wusste genau dass die Menge dort Gefahr und Schmerzen bedeutete. Dieser Floh neben ihm verteidigte nur sein Leben. Schmarotzer konnten gut sein für Hautpflege. Geben und nehmen. Hatte sie ihn nicht auch schon vor dem Wächter geschützt?
Probeweise holte er etwas Säure aus seiner Kehle. Gurgelte es nach vorne. Innerhalb einer Sekund schleuderte er einen entzündenden Feuerball in die Arena hinaus.
Schreiend flüchtete der unerfahrene Haufen. Der letzte schleuderte hastig die Türe zu. Leise lachend rückte Sunta näher and die warmen Schuppen des Drachen. Das feine Geflecht erinnerte sie an das der Eidechsen. Doch der grosse Kopf schnellte herum. Nach vorn gestreckte Ohren verdeutlichten Harmlosigkeit. Dennoch packte er sie sanft an der Kleidung und riss sie weiter etwas zu sich nach vorn. Schuppste sei genau zwischen seine angewinkelten, seitlichen Vorderbeine. Zerrte sie dann weiter hoch darauf. Vorsichtig breitere er seinen linken Flügel über sie aus. Sunta fand sich eingeklemmt zwischen einem weichen, warmen Bauch, Bein und Flügel. Es gab sogar einen kleinen Freiraum. Ihr Herz klopfte wie verrückt. Heute Morgen war die Welt halbwegs normal. Jetzt lag sie auf einem tödlichen Feind der sie auf einmal beschützte. Obwohl er grässlich stank tastete sie mit der neugierigen Hand über die panzernden Schuppen. Sie fühlten sich an wie zäher Gummi. Doch darunter spürte sie eine wärmende Kraft. Diese angenehme Körperwärme löste ihre verkrampften Muskeln. Gleichmässiges Herzschlagen, an ihrem Ohr beruhigte den ihrigen Takt. Die Hautlappen der Flügel hielten die meiste Wärme wie eine Decke wohlig zurück. Sie streckte sich gemütlich auf dem lebenden Untergrund aus. Entspannt liess sie sich traumlos fallen.
„Sunta! Sun`ta?“ weckte sie eine kräftige energische Stimmte. Langsam stemmte sie sich auf. Blinzelte, rieb sich den Schlaf aus den Augen und staunte über ihr geheiztes Lager. Verrückt aber einfach genial der sichere Schlafplatz. Sie stand auf, schlug aber mit dem Kopf gegen das erstaunlich dehnbare, strapazierfähige Material des Flügels hoch. Sofort hob sich das dehnbare Segel. Licht blendete ihre Augen. Ein zurückhaltendes Grollen warnte einen Besucher näher zu treten. Erst als Sunta versuchte über das Drachenbein zu klettern hob sich der schützende Flügel ganz zur Seite. Kälte lies Sunta zittern. Gerne hätte sie länger geschlafen. „Pol, kannst Du nicht später nochmals kommen?“ Doch der winkte unnachgiebig von Eingang her.
Vom lange liegen, etwas steif, setzte sie sich langsam in Bewegung. Er betrat weiterhin mit gezücktem Stab, in die Mitte der Halle. Heiter Grüsste er: „Guten Morgen? Gut geschlafen?“
Genüsslich streckte Sunta ihre Arme nach oben. „Besser als du denkst.“ Umarmte sich aber gleich wieder selber um ihre Eigenwärme zu behalten. „Was verschafft mir die Ehre? Du erwähntest mal das du meine Gegenwart gerne meidest.“
Mit einem gewissen Stolz verkündete er. „Zufälliger Weise bin ich der Einzige der vor dem Frühstück sich traut Mika zu stellen. Alle anderen verhandeln vorher das Testament aus. Hungrig?“
Ah, strahlende Augen sahen hoch. Erfreut begleitete sie Pol zum Tor. Sobald er die Tür einen Spalt öffnete schlug ihnen ein Schwall von erleichtertem Murmeln entgegen. Schützend dirigierte Pol, Sunta vor sich her. Vorbei an ein Dutzend herausgeputzte Leute, in ihrer besten Kleidung, sogar Uniform in allen Alterklassen. Nervös wagte sich Sunta schrittweise vorwärts so dass Pol sie öfters voran drängte. Schliesslich übernahm er die Führung und sie klebte förmlich in seinem Rücken. Sein Ruf bewirkte dass die ihm bekannten Leute sofort respektvoll den Weg freimachten. Sobald sie einen breiten Gang erreichten, flüsterte er leise. „Nur zu deinem Schutz bin ich heute hier eingeteilt worden. Damit hier die Ruhe und ein vernünftiger Alltag abläuft. Beweg dich normal“, korrigierte er sie. „Schultern nach unten, ruhige Schritte und atme tiefer.“ Als sie einmal über den unebenen Boden stolperte, stützte er sie rasch. Die allgemeine Unruhe verunsicherte Sunta zusehend. Mit dem ganzen Schwarm im Schlepptau fühlte sie sich alles andere als wohl.
Auf direktem Weg führte Pol sie ins Speisezimmer. Wobei sich unterwegs ihre Fangemeinde nochmals verdoppelte. Er platzierte sie an zwei freie Plätze mit dem Rücken zur Wand. Sofort verteilten sich die anhängliche Menge, quetschten, besetzten die letzten freien Bänke. Gelassen, als sei alles Normal, bestellte der Aufseher sein Frühstück. Ausnahmsweise servierte man es direkt an den Tisch. Brot, Käse und eine seltsame süssliche Milch wurde gebracht. Das kannte Sunta von der Oberfläche. Griff hungrig zu. Nachdem ein paar Brotkummen auf die Platte zurück bröselten, dämmerte ihr wie viele sie überhaupt anstarrten. Einzig Pol benahm sich so wie sonst und als sei er allein im Raum. Die Milch dampfte heiss in der Tasse. Ihr verlangen nach Flüssigkeit war gross, aber was wenn sie aus Versehen schlürfte? Durfte sie das Risiko eingehen oder sollte sie erst Recht wie ein abschreckendes Schwein essen? Ein ungeduldiges Räuspern Pols liess sie zusammen zucken. „Iss!“
Seine prächtigen Manieren wollte sie nicht blamieren. Sie schnappte sich die Tasse, belegten Brote und verschwand damit unter den Tisch. Versteckt vom Tuch ass sie dort zu Ende. Amüsiert beendete Pol sein ungewöhnlich geselliges Frühstück. Danach lass er sein Blatt mit der Tagesorder und den Neuigkeiten des vergangenen Tages auf der Rückseite. Einzig die Mitteilung dass eine neue junge Frau von der Aussenwelt zur Partnerschaft freistand, formte ihm eine besorgte Falte auf der Stirn. Sein vielseitiger Job konzentrierte sich nicht darauf nur eine einzelne Person zu beschützen. Bei so einem öffentlichen Inserat benötigte er vielleicht Verstärkung. Allerdings fand er es Wahnsinn, das die kleine Frau so einen riesigen Aufstand verursachte und jetzt doch so brav wie ein zahmer Hund bei seinen Füssen hockte. Ihm passte diese übertriebene Aufmerksamkeit überhaupt nicht. Nachdenklich rieb er sich das Kinn. Wie bewachte er sie am besten? Wo?
Schnippte mit dem Fingern nach unten. Folgsam kletterte Sunta auf ihren Stuhl zurück. Dass sie so gehorchte freute ihn. Zu Flüstern um Geheimnisse zu wahren, hatte keinen Sinn. Er stand auf. „Wir gehen in die Küche. Da du gerne arbeitest, kannst du da helfen. Der Chef ist ein naher Verwandter von mir, der passt gut auf dich auf, sonst fliegen die scharfen Messer!“
Letzteres betonte er mit gewissen Blick auf die hartnäckigen Verfolger. Alles Leute aus den äusseren Quartieren. Die eigenen Leute von seinem Viertel hüteten sich davor von ihm Strafverweise zu erhalten. Bedauerlich besass er keine grössere Lizenz für eine grössere Reichweite.
Wie immer kam alles andere als erwartet. Sunta bekam ihren schönen Arbeitsplatz mir viel Kartoffeln und anderes Gemüse zum schälen. Berge davon, höher als sie selber. Eine Arbeit für länger als einen Tag eigentlich. Eigentlich? Wenn man ein Dutzend Bewerber hatte die schnell auf den Gedanken kamen zu helfen, sah es etwas anders aus. Moto der rundliche Küchenchef setzte sie abseits an einen Tisch. Ganz auf der anderen Seite vom Raum scheuchte er die neuen Freiwilligen Helfer hin. Natürlich in Sichtweite von Sunta, sonst würde keiner freiwillig helfen. Ziemlich schlau nutzte Moto die Situation aus indem er jede Mögliche Arbeit den neuen auftrug so dass Sunta am Ende nur noch ein Buch übrig blieb zu lesen. Während auf einer Seite fleissig geschnitten, gerüstet oder für talentierte das Rühren und Kochen anstand, durfte Sunta die neuen Schriftzeichen hier büffeln. Jedoch einen ganzen Tag lernen das strengte sehr an. Ohne Freude wartete sie gespannt auf den Abend. Den durfte sie dann im Quartier von Moto verbringen der sie ihm Wohnzimmer auf einer Sitzcouch schlafen liess.
Am zweiten Tag hämmerten ihre Gedanken. Das lernen lag ihr überhaupt nicht. Es roch hier immer streng nach Küche was auch ablenkte. Das gleich bleibende Licht machte sie müde. Die Symbole zu merken war eine Sache, aber noch die Schwungvolle Schrift nachzumachen eine völlig andere.
Als am Morgen die erste Neunuhrpause klingelte legte sie ziemlich genervt den Kohlenstift weg. Schon am Duft der Gewürze wusste sie das Moto wieder ganz in seiner Weisen Tracht hinter ihr stand. Es war ihr ein Rätsel wie er es schaffte den ganzen Tag so sauber zu bleiben und nur sein kleines Hilfsküchentuch zu beflecken. Wie immer schaute er über ihre Schultern um das geschriebene zu kontrollieren. Sie rieb ihre brennenden Augen. Er deutete rasch auf die letzten Zeilen auf ihrem Handgeschöpften Papier. „Nicht schlecht. Morgen kannst du bereits ein paar neue Schilder schreiben. Dann verdienst du auch mehr als den Küchenlohn den ich dir 3-fach anrechne.“
Sie sah einen Hoffnungsschimmer. „Nur 3-fach? Da sind heute mindesten wieder zehn Leute am Tag.“ Sie deutete auf ihre anhänglichen Bewerber. Fast jeder der einen freien Tag bekam, stand oder sass dort bei der freiwilligen Arbeit. Alle anderen, von den Auswärtigen Quartieren hatten schon „Hausverbot“. Pol arbeite kompetent in seinem beruflichen Fachbereich.
Moto schüttelte abweisend den Kopf. Ausnahmsweise sah Sunta die erste praktische Kurzhaarschnitt Frisur. Er gab zu wissen. „Mehr als drei Gehilfen darf ich nicht verrechnen. Darum kannst du mit zusätzlich Schildern beschreiben bald was dazuverdienen. Wer weiss, wenn du richtig gut bist, bekommst du einen festen Schreibtischjob und hast bald dein eigenes Quartier. Mit einer festen Türe. Dann hast du Ruhe von denen.“
„Vielleicht. Spass macht das nicht gerade. Ist ein bisschen langweilig.“ Sie überlegte kurz. Dann fragte sie mit gleichgültiger Stimme, „Was verdient eigentlich einer der auf Drachen aufpasst. Ein Drachenpfleger? Gibt es das überhaupt bei euch?“
Er rieb sich die sauberen Hände. Grinste wissend. Kleine Fältchen um sein Augen verrieten seine langjährige Erfahrung. „Die wenigen Stellen sind alle besetzt. Um die begehrte Position reissen sich die Leute dermassen dass man meist nur in der eigenen Generation den Platz bekommt. Oder man wird sozusagen vom Vorwärter adoptiert.“ Er spazierte durch den Gang zwischen den heissen Herden. Schüttete etwas Kohle nach oder rührte in einem dampfenden Topf.
Zaghaft probierte es Sunta erneut. „Und dieser Mita? Der sieht aber stark vernachlässigt aus. Jedenfalls ist es der Stall.“
Seine Hand mit dem Kochlöffel stutzte. Dann erinnerte er sich. „Du meinst Mika. Das ist eine seltene Dame. Seit sie ihre erste Fehlgeburt hatte ist die dermassen aggressiv dass ich ihr höchstens noch einen einzigen Jahreszeiten Wechsel geben. Danach landet sie sicher bei mir.“
Sunta stutzte. „Bei dir?“
Er deutete mit seinem Holzkelle auf den sprudelnden Topfinhalt.
Empört sperrte sie den Mund auf. Protestierte. „Was! Die ist doch intelligent. Wie kann man so was … essen? Besteht als eine Möglichkeit bei ihr den Job zu bekommen?“
Diesmal legte Moto alles auf die Seite. Betrachtet Sunta kritisch durch enge, kleine Augen. Zögerte. Unwillig gestand er. „Ja, bei der ist immer noch die Stelle frei. Die will keiner mehr!“ Winkte heftig mit den Händen Suntas Freude auf die Seite. „Nein! Die hat die letzten zwei Pfleger gefressen! Du wärst ein zu wertvoller Verlust!“
Diesmal nahm Sunta ihn ins Visier. „Die Stelle ist frei und ziemlich gut bezahlt. Oder?“
Er drehte hastig ihr den breiten Rücken zu und gab sich beschäftigt.
Laut räusperte Sunta. Klang fast schon ein wenig Verzweifelt. „Bitte?“
Klein gab er leise zu verstehen. „Ja! Nur Pol wird dir niemals die Bewilligung aushändigen. Da hast du keine Chancen. Bei ihm beisst du auf Granit. Hey…“ Er bekam grosse Augen als Sunta den nach einer Denkpause einen der Bewerber zu sich winkte. Dieser war als Letzter in die Pause und als erster wieder da, also hatte er eine Chance verdient.
Sie bestimmte. „Du bewirbst Dich als Pfleger und ich unterschreib an Deiner Stelle!“
Wenig erfreut winkte der junge Mann ab. Meinte ehrlich: „Das ist doch eindeutig Betrug.“
Sunta sah ihn sich genauer an. Der da vor ihr war hübsch, wirkte sogar wie einer Mitte zwanzig, eine etwas kleine Nase, aussergewöhnliche blauegraue Augen doch leider ein für sie zu kindliches weiches Gesicht. Sie bevorzugte zumindest ein etwas älteres Gesicht. Mit einem Ausdruck eine gewisse Persönlichkeit betonte. Obwohl er bei ihr überhaupt nicht in die engere Wahl passte, lächelte sie ihn freundlich an. „Ich könnte mir dein Gesicht besser merkten wenn du mir den gefallen tust. Wie heisst Du?“
Verdatterte rutschte ihm gerade über die Zunge. „Ka. Ka heisse ich. Bin gleich wieder da!“
Es dauerte weniger als eine Stunde bis er mit Siegermine bei ihr eintraf. Schadenfreude in seinem Gesicht als er mit dem Formular in seiner Hand an seinen Mitbewerbern vorbei schlenderte. Stolz präsentierte er das kostbare Pergament, wie einen Schatz, vor Sunta auf den sauberen Tisch. „Du brauchst nur noch zu unterschreiben. Hab ihm gesagt dass wenn ich den Job bekomme mit meiner besten Feder die Unterschrift aufsetze.“
Schräg sah Sunta hoch. „Das hast du so einfach bekommen?“
Er schüttelte den Kopf. „So leicht war es nicht. Er hat mich geprüft und einige Fragen gestellt. Da ich bisher nur gute Zeugnisse vorweisen kann, hat er zugestimmt. Allerdings wollte er unbedingt das erste Mal dabei sein wenn ich vor Mika trete. Hab den Termin auf den nächsten Morgen verschoben. Um mich heute sozusagen vom alten Lehrmeister zuerst zu verabschieden.“ Erwartungsvoll sah er die junge Frau an.
Sie hütete sich das Papier in die Hand zu nehmen. Fühlte sich fast ein winziges bisschen Schuldig das sie Ka für ihre Zwecke gemeinen einspannte. Da er so aufrichtig erschien schlug sie ganz leise vertraulich vor. „Ich will nicht dass Du Ärger bekommst. Lass das Papier hier liegen und geh kurz nach draussen. Dann hast du“, sie deutete auf die vielen Leute hinter ihr. „So viele Zeugen, dass du mir das Papier nicht gegeben hast! Und du weist nicht wer wirklich das Dokument an sich nahm. Ist das ok für dich?“
Er lächelte etwas verlegen und wirkte traurig. Nickte und trat leise wie ein Hund der sich nicht gerne fortschicken lässt vor die Tür.
Sobald er ausser Sichtweite war, schnappte sich Sunta die Unterlage aus feinem gebleichtem Pergament! Fein säuberlich eine Handschrift darunter eine Unterschrift von Pol und daneben ein freies Feld. Bevor sie fragte reichte ihr schon Moto einen Federkiel. Ein schwarze Rabenfeder und sie wollte nicht wissen woher die rote Farbe kam. In einer Küche kam man da leicht auf so schreckliche Gedanken. Rasch und einfach, schrieb sie in ihrer Schrift den Namen drauf. Ein paar Sekunden warten und Moto nahm das kostbare Schriftstück ab. „Ich werde es erst heute Abend in Arbeitsbüro schicken lassen. Reicht das?“ Dankbar nickte Sunta und fragte unsicher, „Darf ich jetzt zu meinem Drachen?“
Bedauern sah der Chef zu den vielen Küchenhelfern. Sobald seine Attraktion sich verflüchtet würden alle verschwinden und alles wieder auf ihm lasten. Unwillig gab er zu wissen. „Wenn ich Nein sage, nützt das überhaupt etwas?“
Ganz lieb und mit grossen Augen sah sie bittend hoch. Worauf er nur die hellen Augen verdrehte. Nahm sich ein paar lange, scharfe Messer und begleitete sie zum Ausgang. „Na dann verschwinde halt!“ blitzschnell sprintete Sunta um die Ecke. Doch da stand ein wartender Ka. Wirkte ganz verloren. Schnell hob Sunta ihre blossen Hände. „Ich hab das Pergament nicht! Du kannst mich durchsuchen!“ bot sie an.
Abwägend sah er sie kritisch an. Dann winkte er ab. „Ok. Ich hab es mir gemerkt. Vielleicht aus besser so. Du bist mir eine Spur zu raffiniert. Und…“ er wusste nicht mehr weiter.
Irgendwie war er ihr trotzdem sympathisch. Einem Kollegen half sie gerne. „Wenn ich ein Mädchen finde das zu dir passt, schicke ich sie auf direktem Weg zu dir. Einverstanden?“
Ka schmunzelte und nickte. „Gerne.“ „Dann bis zum nächsten mal!“ schrie sie schon auf Distanz. Konnte es gar nicht erwarten das Drachen Viertel zu erreichen. Ersten weil sie fürchtet das Moto ihre Verfolger vielleicht nicht lange aufhielt und weil sie unbedingt Kata wieder sehen wollte.
Sobald sie die beleuchtete Drachhöhle betrat, tanzte sie förmlich vorwärts. Zückte aus ihrer Hosentasche ein paar Chilischoten die sie um ihren Gürten band.
Mika lag an ihrer gewohnten schmutzigen Stell. Träge, faul und Fett.
Mehrmals rief Sunta bis sich die schwerfällige Dame auf die Beine bemühte. Träge watschelte sie heran. Folgte ihrem ungeniessbaren Floh.
Gegen Mittag beabsichtigte Pol seinen Schützling unangemeldet vor dem Küchenareal abzuholen. Schon der leere Gang liess seine schlimmsten Befürchtungen wahr werden. Er brauchte gar nicht mehr mit Moto zu reden sondern steuerte geradewegs das gefürchtete Drachenquartier an. Schon vor dem Tor bestätigte sich sein Verdacht als er die aufgebrachten Junggesellen sah. Unbesorgt quetschte sich Pol durch das Gedrängel nach vorn. Vergass sogar den Elektrostab an sich zu nehmen. Sobald er einen Fuss über die Schwelle setzte stockte allerdings selbst ihm der Atem. Zum Donnerwetter! Obwohl er sonst nie die Kontrolle über sich freiwillig verlor, diesmal hing ihm der Kiefer geschockt hinunter.
Neben dem Eingang gab es eine Wassertränke. Mit einem alten, zerzausten Schrupper bewaffnet balancierte Sunta barfuss auf dem Drachenrücken. Putzte die von Staub und Kot verschmierten, verklebten Schuppenplatten sauber. Atmete Mike etwas tiefer, verlor sie fast das Gleichgewicht. Pendelte ruderte mit ihren Armen und stützte sich schon mal mit den Stil des Schruppers an der nahen Wand ab.
Pol unterdrückte sein Lachen. Sie besass herzlich wenig Gleichgewichtsinn. Mehrmals fing Mika sie mit der Platte ihrer Schwanzspitze ab und stellte Sunta wieder in senkrechte Position.
Als Mika den nähernden Pol sichtete, knurrte sie warnend. Da nützte es wenig dass da Sunta vergeblich ihren Zahnstocher strafend auf ihren Rücken hämmerte. Schwankte, purzelte sie rückwärts auf ein weiches Bein von Mika hinunter, die so ihren Sturz auffing. Wenig später zog die Drachendame sogar vorsichtig am stabilen Gürtel ihren fleissigen Floh wieder auf die Beine bevor der sich vom Sturz erholte. Sunta strampelte kurz wie ein Vogel bei der ersten Flugstunde.
Rasch presse Pol eine Hand vor seinen Mund um ein Loslachen zu verhindern. Dafür standen die Männer hier wartend Schlange?! Für diese ungeschickte, furchtlose Frau die jede Vernunft ausser Acht liess und sogar den gefährlichsten Drachen als Spielgefährten aussuchte! Er rieb sich eine feuchte Träne aus den Augen. So einen ständig schmutzigen Wildfang wollte er nicht mal geschenkt auf kurze Zeit. Völlig unattraktiv ihr ungepflegtes Auftreten. Ihn beschäftigte mehr, wie er sie auf Distanz halten konnte. Am besten er schwatzte sie einem seiner lieben Kumpels auf.
Partnersuche
Rial betrat einen ungewöhnlichen vollen Speisesaal. Entdeckte aber das es auffällig viele freie Plätze rund um Pol und seinen Schützling gab. Natürlich nahm er an, das läge an der klaren Tatsache weil sich dort niemand hingetraute. Da er unbedingt bequem essen wollte, fragte er Sunta ungeniert, schon von der Türe her, ob sie ihm einen Platz neben sich reserviere. Sie winkte einladend. Worauf er Pol finsteren, abschreckenden Blick einfach ignorierte. Rial kannte seine Privilegien genau. Ebenso wie weit er seine Sonderrechte ausdehnen durfte, ohne eine Strafe zu riskieren. Da er seine einflussreichen Damen kannte, scheute er keinesfalls Pols Herrschaftsbereich. Notfalls wusste er sogar, wie er Pols Verlobte manipulierte, damit sie ihm den Rücken deckte. Mit dieser stärkenden Selbstsicherheit spazierte er, mit seinem Esstablett, seinem nächsten Ziel näher. Doch kaum stand Rial neben Sunta, setzte er sich freiwillig auf den übernächsten, freien Stuhl. Da der nächste auch noch frei lag, vergrösserte er entschuldigend den Abstand weiter zu ihr. Seine empfindliche Nase verriet das Suntas durchdringender Drachengestank, die nahen Plätze frei hielten. Lachend quittierte Rial ihren abschreckenden Duft. „Meine Güte. Da hast du eine gute Idee durchgesetzt. Allerdings solltest du heute Abend eines bedenken, wenn du dich entschliesst öffentlich zu baden, weisst du später garantiert nicht mehr wer der Vater deines Kindes ist. Also ich weiss nicht ,ob es eine gute Idee ist wie ein Stinktier herum zu rennen. Wenn du ein ruhiges Privatbad bevorzugst ,kommst du nicht drum herum, einen von den anbietenden Kanditaten hier auszuwählen. Dein letztes Badeabendteuer hat sich nämlich herumgesprochen. Daher meine wärmste Empfehlung, geh dort nicht mehr hin. Es sei denn du stehst auf intensive Abwechslung und eine lange erotische Nacht.“ Nach dieser unverblümten Info widmete er sich dem Essen und schenkte ihr kaum mehr als einen flüchtigen Blick. Was Sunta positiv aufnahm, Pol jedoch behielt ausdauernd seine finstere Mine auf. Für ihn war Rial der gefährlichste Bewerber. Gerade weil er so Gleichgültig spielte, hiess dass er in Wahrheit auch drauf pochte eine Chance bei seinem Schützling zu erhalten. Er wollte, dass die ewige Gejagte bei ihm die erholende Ruhe und spätere Zuneigung fand. Pol schluckte seine aufkommende Wut hinunter. Wunderte sich selbst über seine in letzter Zeit auffälligen Stimmungsschwankungen. Zusammen nehmend, murmelte er leise zu Sunta. „Bitte, vergiss ihn sofort“. Sie klang ziemlich uneinsichtig, „Er wirkt am wenigsten Aufdringlich. Also nenn mir einen guten Grund?“
„Weil er schon die meisten Frauen verwöhnt. Später wird er sich kaum um dein Kind kümmern. Nach seinem ersten Sieg sieht man ihn für gewöhnlich lange nicht wieder. Sobald der seinen Spass hatte, kehrt er zu den unkomplizierten Beziehungen für eine Nacht zurück. Er steht auf intensive Abwechslungen! Sieh dir heute Abend lieber einen überaus empfehlenswerten, treuen Kollegen von mir an. Klump liebt Kinder. Hat schon über sieben grossgezogen. Alle haben nach den Ausbildungsjahren in höheren Rangpositionen Stellungen gefunden. Ein absoluter fähiger, geduldiger Mann, mit sehr vielseitigen Stärken. Und er verzeiht Fehler wenn er eine Frau wirklich liebt. Was besonders bei deinen häufigen Fehlern sehr Vorteilhaft wäre. Untersteh dich!“ Zischte er die letzten Worte schneller. Doch Suntas strafender Beintritt kam seiner Drohung zuvor.
Ungeachtet der Reibereinen der Zweien, nutzte Rial die Ablenkung des beschäftigen Wächters. Schlenderte auf Sunta zu. „Hey, falls dir langweilig ist, besuche mich mal.“ Obwohl Pol sich nun entrüstet vom Stuhl erhob, drückte Rial verschmitzt eine Serviette in Suntas Hände. Bevor die reagierte, schnappte sich Pol das zusammengeflaltete Tuch um es zu untersuchen. Dabei fand er keinerlei verräterische Beweise für eine spätere, heimliche Verabredung. Verwirrt betrachtete er die makellos, saubere Serviette in seinen Händen. Rial lachte verschmitzt. Deutete er mit einer Hand an Suntas Mundwinkel. „Du hast da was…“ Danach entschied sich Rial kluger Weise zu einer rasanten Flucht aus dem Raum. Weg von Pols überreizten Nerven. Jedoch war sein amüsiertes Lachen noch im Gang draussen, für alle hörbar. Sunta begrüsste seine geschickte Frechheit eher wohlwollend. Schliesslich gehörte er zur einzigen Ausnahme, die ihr den nötigen Freiraum lies. Zeit spielte bei ihm keine Rolle. Sie wusste genau, Pol wollte das jetzt nicht hören. Trotzdem stellte sie klar. „Also ich verstehe, warum er so viel Erfolg bei den Frauen hat. Ich könnte mir auch gut vorstellen ein Kind alleine gross zu ziehen. Manchmal ist das besser, als einen Mann zu haben der ständig an einem klebt, einzwängt oder sogar alles kontrolliert.“
Pol zerstörte ihre gute Meinung, als er scharf erwiderte. „Glaubst du wirklich, dass es bei dem einen Kind bleibt? Sobald der verwöhnte Rial merkt, dass du klarkommst, kommt er erneut mit seiner lieben Masche angetanzt. So wickelt alle unerfahrene Frauen um die Finger. Das ist sein Talent. Seine volle Leistung für alle ihm genehmen Privilegien ausnutzend. Einen ehrenhaften Job würde ich seine Bettarbeit auch nicht nennen. Was willst du später deinen Kinder sagen, wenn sie nach dem so raren Vater fragen? Mit ihm wirst du nie ein unabhäniges Quartier, von Dauer erhalten. Du wirst höchsten eine kleine Bereicherung in seinem Harem sein. Abhängig von seinen Gönnerinnen. Dazu kommt noch, dass sicher jedes fünfte Kind hier unten, seit wir ihn aufgenommen haben, von ihm ist. Ehelich oder Unehelich, er macht selbst vor versprochenen Frauen keinen Halt!
Auch noch zum merken! Falls Du ein Kind hast, aber keinen festen Partner“, er deutete auf die umherstehenden Leute. „Dann wirst du die trotzdem nicht los! Es verschlechtert sich allerdings deren Niveau. Denn keiner, von den anständigen Männern hier, wird eine von Rials Geliebten je so akzeptieren und in Ehren halten, wie dich in deinem jetzigen Zustand“. Sunta verschluckte sich fast an einem spendierten Tee. „Die ganze Belagerung von Neuem?“ Geradezu väterlich sah Pol auf Sunta herab. „Darum rate ich dir, von Anfang an, längerfristig zu wählen. Ich will nach einer Schwangerschaft nicht wieder ständig an deinen schmutzigen Fersen angebunden sein. Schon gar nicht um die gefährliche Sorte von Bewerbern von dir abzuhalten. Glaub mir, Klump wickelst du mit Leichtigkeit um den Finger. Ausserdem wird er, obwohl er nicht mehr der jüngste ist, dich garantiert überleben.“
Kritisch, misstrauisch hob Sunta nun eine Augenbraue. Eine böse Vorahnung verdüsterte ihre anfängliche Sympathie für den perfekten Klump.
Murmelte jedoch brav was er hören wollte. „Ich kann ihn mir ja mal ansehen.“
„Gutes Mädchen“, lobte Pol.
„Manchmal ist der Rat von ALTEN Leuten ja sehr wertvoll“, betonte Sunta liebend gerne. Pol erwiderte mit einem einfachen. „Das hab ich gehört und die Beleidigung ist registriert. Bist du endlich fertig mit dem Essen?“
„Wieso, schlafen dir die Füsse sein, Alter? Wie alt bist du überhaupt?“ Als sie vor ihm zum Ausgang marschierte verging ihr allerdings das übermütige lachen. Pol schnappte sich eine stängelartige Pflanze, die hier als Dekoration herumstand. Mit dem stockartigen, robusten Material ging er auf Sunta los. Mit einem entsetzten Aufschrei beschleunigte sie ihren fluchtartigen Abgang. Hinter ihr vernahm sie jedoch noch die grollende Stimme Pols: „Ich bin hundertundzwanzig Jahre alt. Erweise mir also den gebührenden Respekt!“
Zufrieden über ihre eilige Flucht, blieb er auf der Ausgangschwelle des Esszimmer stehen. Verfolgungsjagden, wegen einer Frau, waren ihm dann doch zu kindisch. Klopfte herausfordernd mit seinem Stock dermassen energisch an die nächste Wand, dass der weissliche Verputz runter rieselte. Hastig setzten sich die rückwärtigen, lauernden Bewerber an ihre Tische zurück. Mit einem erleichterten Gesicht gewährte Pol seinem Schützling einen grossen Vorsprung.
Wo er Sunta am frühen Abend abzuholen brauchte, darauf hätte er bedenkenlos sein ganzes Vermögen gewettet. Eigentlich fragte er sich im Stillen ob er ihr, wegen dem öffentlich fehlenden Respekt zur Mittagszeit, eine kleine Strafe aufbrummen sollte. Als er jedoch den sauber gepflegten Stall von Mika erblickte, erstarben alle Bussgedanken. Sogar die enge Box hatte sie vergrössert, indem sie die durchgefaulten Bretter einfach entsorgte. Jetzt war nur noch das Stahlgerüst da, bei dem der Drache bequem die Beine oder den Flügel unten durch strecken konnte. Es roch angenehm nach Zitronenöl und abgebrannten Kräutern. Der gewischte Plattenboden brauchte auch nicht zu glänzen. Es reichte vollkommen dass jedes schwarze Strohhalm und die Stopperfallen, die losen Steine, völlig verschwunden waren. Selbst Mika genoss die Frische in ihrem Abteil. Zeigte dies indem sie völlig friedlich und entspannt auf dem Rücken lag. Eine absolute Seltenheit, da sonst Drachen ihren verletzlichen Bauch gerne schützten und nicht so vertraulich blossstellten.
Dann als er Sunta sah, bekam er den grossen Schrecken. Verschmiert als sei sie Wochenlang in einem Maschinenraum eingesperrt gewesen. Eigentlich hätte er sie gar nicht abzuholen brauchen. Bei dem Gestank nach altem Drachenmist und eigenem Schweiss kam garantiert keiner der wartenden Männer draussen näher als zehn Schritte.
Er winkte sie heran. Aber nicht zu nah. „Du badest bevor Klump kommt. Ich präsentiere ihm nur Qualität und gute Ware.“
Rücksichtsvoll folgte sie ihm mit einem gewissen Abstand. Angenehm überrascht dass er sie statt zu der öffentlichen Badehalle, in ein höher gelegenes Viertel führte. Die Gänge hier waren grösser als der Durchschnitt. Umso mehr erstaunte sie der Umstand, dass nur wenige den Weg benutzten. Dann bemerkte sie die Veränderung auch bei den privaten Wohnvierteln. Der Abstand von Tür zu Tür mass beinah doppelt so viel, wie sie es von Motos engem Küchenrevier kannte. Vor einem auffälligen Türvorhang, in hellem kräftigen Orange blieb er stehen. Pol hielt den kostbaren Stoff grosszügig auf die Seite als er Sunta in sein persönliches Quartier einlud. Bei ihrem ersten Schritt über die Schwelle mahnte er scharf: „Nichts anfassen bevor du nicht ganz sauber bist!“ Staunend folgte sie ihm in das grosse Wohnzimmer hinein. Genug Platz für einige Büchergestelle an der Wand. Eine alte, aber bequeme Couch. Daneben eine spezielle verstellbare Lampe. Sunta wusste gleich, wo Pols Lieblingsplatz war. Ein runder Holztisch für nur gerade zwei Personen, was auch der Stuhlanzahl entsprach. Vor allem bewunderte sie den geknüpften Teppich. Von den Händlern kannte sie nur die mit den wilden Mustern. Bei diesem hier, mit den blauen Tönen von hellstem bis dunkelstem Blau gab es sogar ein Motiv. Ein hellblauer Drache der zwischen den dunklen Wolken flog. Sprachlos bewunderte sie das aussergewöhnliche Muster und deren hervorragende Qualität. Schnell schlüpfte sie aus den dreckigen Schuhen und parkierte sie neben dem Eingang hin. Im grossen ganzen wirkte die Wohnung als wohne nur Pol alleine hier. Einzig ein gesticktes Bild an der Wand mit einem hellen, bunten Blumenmuster wirkte etwas fehl am Platz. Es passte wie die Faust aufs Auge, für einen männlichen Wohnraum.
„Sunta“, weckte Pol sie aus ihrer Erstarrung. „Die Wanne ist bestellt und sollte gleich eintreffen. Bin im Nebenraum, an meinem Tagesrapport. Wenn dir jemand zu Nahe kommt, ruf mich einfach.“ Schon verschwand er hinter einem dünnen Trennvorhang.
Noch überwältig von dem grosszügigen privaten Freiraum, verharrte Sunta beeindruckt ein paar Sekunden. So ein bequemes Quartier hatte sie nicht bei ihm erwartet. Es roch angenehm nach herben Kräutern. Leises Kratzten liess Sunta herumfahren. Zwei kräftige kleine Männer standen abwartend im Gang draussen. Als Sunta den Wassereimer entdeckte, winkte sie zur Zustimmung. Es raschelte leise als die beiden den Vorhang auf die Seite befestigten und einen hölzernen Zuber herein transportierten. Drei Kleinwüchsige Lastesel scharrten draussen im Gang. Sie trugen das dazu gehörende, warme Wasser. Flink handierten die geschickten Gesellen. Einer trennte sich von dem hektischen Ameisenpfad auf sie zu. „Wir sind in einer Viertelstunde zurück.“ Leise trippelte die Gruppe auf verstärkten wasserfesten Holzsohlen davon.
Pol Stimme riet ihr aus dem Nebenzimmer heraus, „Beeil dich lieber!“
Zur Eile gedrängt verzog sie widerwillig das Gesicht. Ein Bad gehöre schliesslich auch zur Entspannung und nach dem heutigen schweren Tag, war sie ziemlich erschöpft. Da sich Pol liebenwert im anderen Zimmer aufhielt, entkleidete sie sich hastig und schlüpfte ins Wasser. Ein blumig duftender Zusatz trübte das Wasser milchig weiss. Genüsslich tauchte sie einmal ganz unter um die Haare sauber zu bekommen. Nach dem ersten Putz liess sie die Arme entspannt über den abgerundeten Holzrand hängen.
„Gefällt es dir?“ Schreckte sie ihr ständiger Beschützer auf. Gelangweilt setzte er sich auf seine alte Couch und angelte sich das nächste Buch. Setzte eine Brille mit runden Gläser auf und schmökerte ein paar Zeilen. Sein klares Desinteresse vertrieb Suntas Unruhe. Sie lehnte sich wieder gemütlich zurück. „Lieb von dir so was zu organisieren.“
„Ein Lob von dir? Daran könnte ich mich sogar gewöhnen.“, spottete er friedlich.
Über den Buchrand hinweg überprüfte er ihr wohlbefinden. Harmlos lächelte er bei ihrem entspannten Anblick. Eine seltene Ausnahme, sie so ruhig zu sehen. Sein Verdienst, lobte er sich insgeheim. Gleichzeitig mahnte er sich zur strikten Ordnung. Ja, eine gewisse Distanz zu dieser unerfahrenen Jugendlichen zu wahren. Seine zukünftige Gefährtin schmollte bereits seit sie erfuhr dass ausgerechnet er den „weiblichen Schatz“ überwachte. Zudem spannte es ihre Geduld weiter auf die Probe seit er gestand, dass er sein Quartier mit diesem Wildfang teilen wollte. Damit er besser den Überblick und die Kontrolle behielt. Je eher er diese delikate Sache erfolgreich Abschloss, ums so eher kehrte er in sein geregeltes Alttagleben zurück. Wenn er jedoch ehrlich darüber nachdachte, gefielt ihm die kleine Ablenkung vielleicht sogar ein wenig. Ein bisschen. Ein sehr winziges Bisschen. So spannende Tage hatte er schon seit einem Jahrzehnt nicht mehr gehabt. Und das seine Freundin, nach den letzten langweiligen Jahren, sogar Eifersüchtig reagierte hielt er auch für ein positives Zeichen.
Sunta ertappte Pol dabei wie er nachdenklich Löcher in die Luft starrte. „Du hast sicher keine Kinder, aber eine Freundin?“ Erriet sie treffend. Mit einem zustimmenden Nicken und einem erfreuten Lächeln auf den Lippen bestätigte er ihre treffende Vermutung. Verwundert lehnte Sunta an den stabilen Rand ihrer Wanne. Sie nahm es Wunder, „Wieso sieht man euch nie zusammen? Erlauben das eure Eltern nicht?“
Seine Mundwinkel zuckten belustigt. Wie wenig sie vom Leben hier unten wusste. Oben folgte seit Generationen alles seinem alten Schema. Hier unten; „Wir lassen uns Zeit. Bei uns dauert das gemeinsame Zusammenleben ein paar Jahrzehnte länger als bei Euch oben. Auf diesem engen Raum unter der Erde ist es besonders wichtig, den richtigen Partner zu finden. Ausserdem ist es unser Ziel, mit den Gefühlen des Lebensgefährten, zu einer Einheit zu werden. Wir trennen uns nach einem öffentlichen Bündnis, nicht wegen jeder Kleinigkeit. Bei uns gilt es danach, damit klar zu kommen, mit dem was man gewählt hat. In den meisten Fällen klappt das hervorragend. Mir sind weniger als eine Handvoll Beziehungen bekannt die ihr Versprechen, trotz oberem Ratgeber, wieder aufgelöst haben. “ „Aha“, beeindruckt hob Sunta ihre Augenbraue. „Das Klingt ja ziemlich ernst, wenn man bei Uneinigkeiten sogar eine dritte Person zum schlichten braucht. Mein Verlobter und ich, wir haben das einfacher gelöst. Wenn wir uns nicht einig waren, dann veranstalteten wir eine Schweinejagd. Der Gewinner hat dann Recht bekommen.“
Pol Gesicht sah aus als hätte er eine bittere Zitrone probiert. „Kinder.“ Legte sein Buch auf die Seite. „Kannst du ihn einfach so vergessen?“
Nachdenklich streckte sie sich in der Wanne. „Vergessen nicht. Aber ich kann ohne Donan leben. Es ist einfach so, dass ich seine verständliche Anwesenheit vermisse.“
Dann wich sie aus, „Warum bade ich eigentlich, ich geh sowieso später wieder zu Mika? Ist ein solcher Aufwand nicht Verschwendung? Es ist sicherer für mich wenn Mika mich am Geruch erkennt.“ „Du schläfst heute Nacht hier“, erklärte Pol ruhig.
Sunta spähte den Raum ab. „Fehlt da nicht was? Soll ich auf den Boden oder darf ich auf dem Sofa schlafen?“ „Du schläfst bei mir, im grossen Bett“, stellte er, ohne einen Hintergedanken, klar. Das beruhigte Sunte keinesfalls „Bitte!“ „Sunta, entspann dich. Es ist für zwei Personen gebaut und wirklich, mittlerweile solltest du mich besser kennen. Soweit das ich absolut kein Interesse an einer jungen, unerfahrenen Frau habe. Was hattest du denn für einen Beziehung mit deinem Freund? Wenn ich fragen darf?“ Gespannt hoffte er auf ihre Einwilligung. Schliesslich wollte er wissen, was er in Klumps Hände übergab. Herrlich verfolgte er ihre ausweichende Handlung. Wie sie wegblickte und die Art wie die Haarbürste hielt. Alles so vorsehbar, bevor sie mit der Wahrheit hervor kam. „Heute bedauere ich erste Mal, das ich ihn hingehalten habe. Ausser Küssen habe ich ihm nichts erlaubt. Mich anfassen ja, aber keine richtige gemeinsame Nacht. Du weißt schon.“ Verlegen zupfte sie an ihrer Bürste. Bisher hatte sie mit niemandem über so was gesprochen. Und für ihre beiden Eltern war damals beim Abschied selbstverständlich klar gewesen, dass sie und Donan heirateten.
„Ja, ich kann es mir denken. Wobei ich dein Hinhalten, wie du es nennst, gut finde. Es steigert deinen Wert auf dem Junggesellenmarkt enorm. Übrigens, deine Zeit wird knapp. Du solltest langsam aus der Wanne kommen und dich anziehen. Der Wasserservice kann jeden Moment wieder eintreffen! Da drüben ist übrigens was geeignetes zum anziehen. Ich hab dir was einfaches, bequemes für die Freizeit besorgt.“ Neben dem Sofa auf dem kleinen Beistelltisch, lag ein in Papier eingerolltes Kleiderbündel. Da es ausser ihrer Reichweite lag, packte es selber für sie aus. Eine weiche Tunika. Braunes grobseidenes Unterhemd und darüber eine hellere beige, bestickte Lage aus feinster Seide. Sunta wagte den feinen, kostbaren Stoff, den Pol ihr da so bedenkenklos entgegen streckte, fast nicht zu berühren. „War das nicht teuer“, fragte sie besorgt.
„Nein, überhaupt nicht. Die meisten Frauen bevorzugen bunte Farben. Aber zu deiner speziellen Haarfarbe fand ich das seltene Stück passender. Der Händler war sogar froh den alten Ladenhüter los zu sein. Es ist einfach zu schlicht und zu wenig auffallend für den aktuellen Trend. Doch ich finde etwas auffälliges benötigst du nun wirklich nicht!“
Da er so selbstverständlich neben der Wanne stand, angelte sich Sunta das nächste Badetuch. Gedankenlos stand sie auf und wickelte sich in das groben Leinentuch ein.
Obwohl sich Pol gewappnet hatte, erschrak er bei ihrem ungewohnten Anblick. Die vielen unzähligen blau-grünen Flecken und Prellungen auf ihrer empfindlichen Haut. Genauso über ihre robuste, weiblichen Rundungen. So unterschiedlich zu seiner schlanken, gerade zu dünnen Gefährtin. Er vermisste an Sunta die anmutige Eleganz mit der sich die Frauen hier unten so selbstverständlich bewegten. Dennoch fand er gerade ihre robuste Stabilität reizvoll. Bei ihr gab es keine sichtbaren Hüftknochen, sondern eine fliessende weiche Rundung die er gerne einmal mit seinen Händen erkundet hätte. Dasselbe bei ihrem rundlichen Hintern, den sie nicht schnell genug vor ihm versteckte. Der regte ungemein seine Fantasy an. Viele seiner Kollegen hätten diesen Körper als zu fett und zu plump bezeichnet. Pol jedoch sah die geballte Energie, die in diesem reizvollen Körper steckte. Irgendetwas zog ihn magisch an, obwohl sie überhaupt nicht dem aktuellen Schönheits Ideal entsprach. Es kam ihm seltsam vor, dass seine bisherige Verlobte so viel von ihrer Attraktivität verlor. Okay ihre langen Beine waren ihm bisher überaus bewunderswert erschien. Ein flacher Bauch, hochangesetzte wohlgeformte Brüste. Jetzt im Verlgeich zu Sunta, wirkte nicht nur ihr vorbildlich gepflegter Körper einfach überbewertet. Sogar die oberflächliche Unterhaltung, in den letzten Jahre, hinterliessen eine fade Erinnerung. Mit Sunta war zwar alles ziemlich komplizierter, spannernder und sie hinterliess eine ansteckende Energie sobald man ihre Nähe kam. Mit dem Abendkleid, in seinen Händen spazierte er ihr absichtslos entgegen. Vertrauensvoll steckte sie die Arme seitlich, so das er den weichen, fliessenden Stoff besser um ihre wohl geformten Schulter legte. Feiner Seifenrosenduft berührte seine riechenden Sinne. Endlich roch sie einmal angenehm. Und da lag noch einen angenehmer Hauch von einem anderen Geruch überlagernd dazwischen. Länger als beabsichtigt zupfte er an dem angedeuteten Kragen um ihren schlanken Hals. Schnupperte dabei unbewusst ihren anziehenden Duft ein und versuchte ihn vergeblich einzuordnen. Vertrauensvoll hielt sie still als er sogar die breiten Bänder in ihrem Rücken anzog, die ihrem Busen den gewünschten Halt gaben. Eine intime Geste die sonst nur einem Gefährten zustanden. Ganz automatisch ohne es voraus geplant zu haben, blieben seine Hände auf ihrer mollige Taille liegen. Der männliche Part in ihm übernahm wie ein Fremder die Führung. Packte entschlossener fester zu. Wollte einfach diese vertrauliche Verbindung länger beibehalten. Betroffen merkte er ihr empfindsames zusammenzucken. Er hatte völlig ihre vielen blaugrünen Druckspuren übersehen. Erst sah sie still, fragend rückwärts. Vergeblich versuchte er in seinem überlasteten Gehirn nach einer logischen Erklärung für sein merkwürdiges Verhalten. „Pol?“ So viel Unsicherheit in ihrer zaghaften Stimme. Als hätte er sich gerade die Finger verbrannt, liess er sie abrupt los.
„Verzeihung“, hauchte er leise. „Wenn du so selbstverständlich vor meiner Nase herumtanzt…“
Verstehen unterbrach sie seinen Anflug von Verlegenheit. „Vergiss es. Es ist nur so, dass ich in deiner Gegenwart alles so Selbstverständlich hinnehme. Du bist fast so was wie ein grosser Bruder. Danke übrigens für… dass du auf mich aufpasst. Was wird Klump eigentlich davon halten, wenn ich hier übernachte? Ist so was bei Euch üblich? Oder verschlechtert das meinem guten Ruf?“
„Deinem guten Ruf!“ spottete er zurückhalten, „Den hast du selber arg angekratzt. Sobald bekannt wurde das du auf helfende Gesten mit hinterlistigen Attacken reagieren kannst. Ich konnte nicht verhindern, dass betroffene Bekannte gewisse warnende Gerüchte verbreiteten. Wir sind zwar eine riesige, grosse Gemeinschaft. So an die tausend Leute kommen sicher zusammen bei der nächsten Zählung. Doch in unserem Viertel, wo wir knapp siebzig Personen zählen, da kennt fast jeder den nächsten Nachbarn. Gute Fähigkeiten sprechen sich herum wie negative Verhaltensmuster. Darum, zu deinen Gunsten sei erwähnt, hast du weit nicht so viele Verehrer wie bei der letzten ledigen Frau. Schon gar nicht erreichst du die guten Qualität von ihren angesehen Bewerbern. Zuerst sorgte ich mich ob deiner Sicherheit, ob ich eventuell Verstärkung anfordern sollte. Doch mittlerweile hat sich das erledigt. Dein Ruf, ein extremer Sonderling zu sein, ist eine der schwer liegenden Ursachen davon. Gerade heute Nachmittag nach dem Essen, hast du gezeigt, was für eine ungewöhnliche Behandlung bei dir nötig ist. Unsere Männer wünschen viel sanftere vor allem ausgeglichene Frauen. Bedenke auch, wenn du so weitermachst, dass viele voraus schauen und überlegen ob sich dein Charakter auf deine zukünftigen Kinder überträgt. Die Last des Erbgutes. Also, dein sauberer Ruf ist längst dahin und wenn du so weitermachst, landest du eher bei einem Tunnelbauer, als eine Hausfrau von höherem Stand.“
Sunta so durchschaubar wie ein offenes Buch. Von diesen düsteren Aussichten wenig begeistert, kaute sie nervös an einem Fingernagel. Sie wusste schon lagen dass sie nicht perfekt war. Aber so weit entfernt eine ideale, angenehme Partie noch zu angeln, das hätte sie nicht gedacht. Obwohl sie sich beschwichtigte, dass die Leute hier eben noch wählerischer waren als einfachen Bauern aus ihrem Dorf.
„Sunta“, befreite Pol sie aus ihrer versunkenen Gedankenwelt. „Komm her, da fehlt noch ein Gurt um die tiefe Taille.“
Beschäftigt von seiner schlechten Prognose tappte sie abgelenkt auf ihn zu. Bevor man sie zu den schweren Arbeiten schickte, würde sie einen Weg suchen um nach draussen auszubrechen.
Sorgfältig gürtete Pols geschickte Finger das schmale Band an den richtigen Platz, so dass es auf natürliche kunstvolle Art eine schlanke Taille formte.
„Na.“ Ihre Ernsthaftigkeit freute ihn. Endlich beschäftigte sie sich mit den wahren Regeln des Lebens. Hier und im Jetzt. Er beschwichtigte. „Keine Sorge. Klump hat viele Jahre Erfahrung in der Ehe vorzuweisen. Es versteht es glänzend dich in jeder Hinsicht zu verwöhnen.“ Prüfend zupfte Pol an dem elastischen Band.
Sunta war kritisch. „Ich will keinen Mann der mich ständig bedient. Gewissen Freiraum brauche ich. Ausserdem hab ich nicht vor nur zuhause, in so einem Raum eingesperrt, als Haussitter zu bleiben“, plagte Sunta schon einige Bedenken.
Pol hielt mit einem Finger ihr Band fest, so dass sie unmöglich wegtreten konnte. „Sunta, da gibt es ganz andere Faktoren die du auch nicht vergessen darfst. Schon bei Rial gab es anfangs Befürchtungen er bleibe uns nur kurz erhalten. Bedenke die Altersunterschiede hier. Eine von unseren Blutlinien hat, als sie die die erste Beziehung wünschte, nur jüngere Männer bevorzugt. Dabei ist sie viele Jahre unglücklich geworden. Erst nach der vierten gescheiterten Wahl entschied sie sich für einen zurückhaltenden, ziemlich älteren Bewunderer. Soviel ich hörte lebt sie seit über vierzig Jahren immer noch mit ihm zusammen. Wir altern mit flexiblerem Körperbau. Versuchen unsere Ziele zu verbessern. Sammeln viel Erfahrung und sind ständig offen für praktische Dinge. Je älter wir werden, desto mehr kümmern wir uns um die Lebendigkeit im Denken und Bewegung zu erhalten. Etwas was sich von euren oberen Alten gänzlich unterscheidet. Klump ist in vielerlei Hinsicht ein begehrenswerter Fang. Einzig meine gute Einsprache hat ihn Überzeugt dich überhaupt nur einmal anzusehen. Seit dem Tod seiner Gefährtin hat er keine andere Frau mehr in sein grosses Zimmer gelassen. Er war dafür bekannt ein besonders inniges Verhältnis mit ihr geführt zu haben.“
Sunta fragte sich ob die das wirklich so auffassen durfte wie angedeutet. Pol schnappte den zweifelnden Blick auf. Hinweisend strich er mit einem Finger auf der Innenseite ihres Oberschenkels hoch. Heftig aufatmend befreite sich Sunta aus seiner Nähe. Diese harmlose Geste löste ungewollt eine innere Aufruhr aus. Ewas was sich deutlich von Donans Verführungskünsten unterschied. Vergeblich versuchte sie Pol Böse anzusehen. Er lachte leise. „Du wirst es verstehen, sobald du ihn siehst.“
Mehrfaches kratzen an der Eingangspforte kündigte die Ankunft der Badetruppe an. Leise effizient ihr Auftreten. Nur leises rascheln. Ein kurzes Platschen des Wassers, schon stand man wieder allein im Raum, ohne Wanne, ohne einen verschütteten Wassertropfen.
Da Sunta nicht so recht wusste wie sie ihre Wartezeit verbringen sollte, betrachtete sie die vielen Bücherrücken. Abermals kratze es leise hölzernen Rahmen des Eingangs. Bevor Pol überhaupt ein Wort hervorbrachte, teilte sich der Vorhang und ein entschlossener Besucher trat herein. Ein selbstsicherer Gang, ein Schritt, ein Verharren. Kurzer Überblick, erfassen der Lage. Eine beeindruckende Persönlichkeit welche sich nichts mehr verbieten liess. Klare graubraune Augen in einem hellen Gesicht fokussierten den gesamten Raum mit ihren zwei Einwohnern. Helles fast weisses Haar das im Nacken eine goldene Brosche zusammenhielt. Während in Suntas Dorf höchsten die jungen Männer die Haare noch so trugen, zeigte sich in dem Gesicht schon einige tiefere Falten. Besonders als sie die eingefallenen Hände bemerkte, wusste sie wer der hoch betagte Gast war. Erschaudernd hob Sunta den Blick zum wesentlich sympathischeren Gesicht. Viele Gedanken schienen ihn kurzzeitig zu lähmen. Geduldig betrachtete er den wahren Grund seines Besuches. Lächelte scharmant, weil es ihn freute was er sah und beschloss länger zu bleiben. Völlig unpassend für sein Alter bewegte er sich geschmeidig. Langsam als würde er fast über den Teppich schweben. Zum ersten Mal fürchtete sich Sunta vor der überlegenen Rasse, die so vorteilhafte Gene präsentierten. Mit blendenden Manieren ausgestattet grüsste Klump zuerst Pol in dem er ihm herzlich die Hand schüttelte und kurz umarmte. Dann nickte er kurz, leicht reserviert, aber mit einem gewissen Funken in den Augen, Sunta zu. Sie senkte beeindruckt von seinem Auftreten, mit einem schüchternen Nicken, kurz den Blick.
Nachdem das vorgeschriebene Zeremoniell abgehakt war, setzte er sich bequem aufs Sofa als ob er hier wohnen würde. Bestellte gleich; „Einen süssen, würzigen Tee, bitte schön!“ Entschuldigend sprang Pol auf. „Damit muss ich leider dienen. Sunta kennt sich noch nicht in meinem Appartement aus. Sunta“, er winkte mit einer Hand ihr zu. „Setzt dich doch neben Klump hin.“ Ein versteckter Befehl getarnt als Bitte.
Zutiefst unsicher was sie von dem sehr alten, geschmeidigen Klump halten sollte, wagte sie sich zögerlich in seine Nähe. Mit einem verlegenen Lächeln setzte sie sich an den äussersten Rand. Kurz überflog er missbilligend ihren steifen Sitz. „Benimm dich wie sonst, frei offen. Frag einfach wenn dich was beschäftigt. Mich wundert nämlich bereits dein einwandfreier Auftritt. Immer so ruhig? Ich hoffe nicht. Das wäre sonst nämlich höchst langweilig.“
Seine direkte Art verschlug Sunta die Sprache. Sein gepflegtes Aussehen täuschte, widersprach allem ihrem Wissen. „Sie“, begann sie mit trockenem Hals, „Unterscheiden sich auch von den anderen!“ „Im guten oder schlechten Sinn“, wünschte er zu erfahren.
„Im guten bis jetzt.“ „Bis jetzt erst? Vertraust du Pols Aussagen so wenig?“
Sunta wunderte sich, dass er freiwillig den Abstand beibehielt und nicht aufdringlich wie die sonstigen Verehrer war. Auch seine robuste, geduldige Art mit der er gewisse Dinge hinnahm. Ausserdem war er scharfsinnig, dass sie so ziemlich hinterher hinkte mit dem was er meinte. Sie wehrte sich sanft. „Ich bin erst seit 2 Tagen hier unten. Ich kenne Euch überhaupt nicht! Und trotzdem soll ich meine Zukunft schon zuplanen, das ist nicht gerade einfach. Es wundert mich bloss, dass sie trotz meinem gewissen Ruf vorbeigekommen sind.“ Verschaffte sie sich erst einmal etwas Luft. Interessiert schaute er mit einer sanften Note über sie. Dass sie nicht gerade sein lang ersehnter Hauptgewinn war, merkte sie schon nach der ersten Sekunde, doch nach dem ersten Eindruck änderte er seine eher distanzierte Haltung. Es nahm ihn wunder. „Wenn du jetzt wählen könntest, wo würdest du dich gerade hinwünschen?“
Seltsamer weise schoss es Sunta durch den Kopf; ein Ort wo man absolut sicher war. Dieses Plätzchen gab es nur. „Bei Mika.“ Ihr Dorf war schliesslich leer. Donan war irgendwo unauffindbar, und nur die Gesellschaft Mikas hatte ihr heute Freude gemacht.
Ein angedeutetes Lächeln auf seinem friedlichen Gesicht. Er wirkte überhaupt nicht abgeschreckt oder entsetzt. Auf eine unerklärliche Art wirkte er durchaus anziehen mit seiner ruhigen Art. „Bei Mika. Die Jungfrau will zum beschützenden Drachen,“ traf er es treffend auf den Punkt. Er nahm es sichtlich mit Humor ohne jeden Spott. „Ach Sunta, du bist so herrlich Jung und voll erfrischender Energie. Wann hast du dich das letzte Mal körperlich so richtig verausgabt?“
Sie nahm an, dass er sich davor fürchtete, sie käme wohl nie müde nach Hause. Stolz erfüllt verkündete sie. „Ich hab einen guten Job angenommen. Ich pflege ab heute Mika. Die hab ich gründlich geputzt mitsamt ihrem verdreckten Abteil. Sie sollten mal sehen wie sauber das jetzt ist. Ausserdem ist Mika gewaltig Gross und ihre nassen Schuppen waren ziemlich rutschig. Das war ziemlich anstrengend, hat aber Spass gemacht.“
„Und sonst?“ „Sonst?“ Sunta wollte nicht so recht seinen Gedankengängen folgen. Sollte sie ihm von früher erzählen? Von den Ausflügen mit den Ziegen in den Bergen. Zögerlich murmelte sie. „Zäune repariern oder ähm Ziegen in den Alpen einfangen ist vermutlich nicht das was sie hören wollen.“ So stellte sie auch keine Frage sondern sah ihn einfach ratlos an. Er setzte sich gerade auf und winkte sie vor sich hin. Sie verspürte eine leise Warnung in ihrem innern. Hier hiess es sich von der besten Seite zu zeigen und keine Zeit für ausweichende Kindereien. Sich Mut zusprechend trat sie tapfer vor ihn hin. Schliesslich vertrat sie auch eine ehrenhafte Blutlinie. Einen respektvollen Schritt vor ihm wartete sie gespannt ab. Seine Hand winkte sie entschlossen näher. Erst als ihre Knie seine Beine berührten gab er sich zufrieden. Sie wunderte sich wie er in so einem hellen Anzug aus empfindlicher Seide so sauber blieb. Er roch angenehm nach einer süsslichen Tabakmischung, welch sie sogar aus ihrem Dorf gelegentlich erschnupperte. Nicht der lästige, erstickende Qualm der gerollten Zigaretten. Nein, sie mochte durchaus den speziellen süssherben Geschmack den jemand nach dem Spaziergang mit seiner geschnitzten Holzpfeife hinterliess. Sein wachsamer Ausdruck war keineswegs unangenehm, machte sie aber ein bisschen nervös. Trotz seinem Alter legte er viel Wert auf Körperpflege. Sogar die leicht geschwärzten Augenbrauen wirkten gezämt, sortiert und nicht so buschig wild wie sie es von anderen Opas kannte. Jeder ältere Mann über fünzig, aus ihrem Dorf, wirkte weitaus unatraktiver als dieser ungewöhnliche Klump. Kleine Lächfältchen zeugten von einem zufriedenen Leben. Er mochte es einfach, aber bevorzugte dennoch einen gewissen mondänen Standard, was die halblangen, sorgfältig gepflegten Haaren bewiesen. Der kunstvoll gewobenen Umhang mit der einfachen Stickerei wirkte völlig ungezwungen als wäre es seine gewönliche Alltagskleidung. Er sass gerade, aufrecht. Weit entfernt von einer vom Altern gebeugten Haltung. Seine leicht knochigen Finger strichen mit einer fliessenden Gest ihre Kleidung zurecht. Zupften unbeschwert ein paar hervorstehende Fäden weg. Keine Geste die ihren Unwillen hervor rief. Als nächsten Schritt strich er mit seinen dünnen Finger sanft über ihre innere Handfläche. Verfolgte die verdickte Haut ihrer Arbeitshände. Einige Blasen hatten sich sogar bei der Anstrengung heute frisch gebildet. Mit einer negativen Ahnung presse Sunta die Lippen zusammen. „Schlimm?“
Für eine lange Sekunde sahen beschwichtigende Augen in die Ihren. Sie entdeckte mehr ein lebendiges Grau als Braun in ihnen. Sogar ein paar dunkelgrüne Punkte am äusseren Rand. Die erinnerten sie an einen starken Felsen, der an den Rändern Moos ansetzte. Faszinierende Augen. In ihnen völlig vertieft schreckte sie ungewollt auf, als er sanft zu Sprechen begann. „Keineswegs, Sunta. Das sind hervorragende Zeugnisse dass du dich für was einsetzen kannst, wenn dein Interesse geweckt ist. Etwas dünne Handgelenke, du musst wirklich gut auf dich aufpassen. Ihr von oben seid mit euerer Konstruktion manchmal sehr zerbrechlich.“ Sein Blick wanderte zu ihren Füssen. „Dasselbe.“ Tastend streichelte seine Hand fachkundig die entspannten Waden hoch. Ein sympatisches Lächeln zeichnete sich in seinen Züge ab. „Ein hervorragender Sprinter.“ Erriet er eines ihrer Talente treffend. Fliesend seine ruhige Bewegung, unter den Stoffbahnen, die Oberschenkel hoch. „Robust, ausdauernde Gesundheit“, vertrieb er ihre aufkommenden Bedenken. Behielt eine warmen Handflächen auf dem äussern Oberschenkel und legte die andere Hand in ihren Rücken. Leicht gab sie seinem Druck nach, weil sie sich vor einer festen Berührung noch fürchtete.
„Dein Rücken dürfte biegsamer sein. Lass schön locker. Wenn dir was nicht gefällt sag es einfach. Übrigens schön, dass sich deine Finger noch nicht zu einer Faust geformt haben. Du hast trotz deiner kämpferischen Seite ein gesundes Vertrauen“, bemerkte er als aufmerksamer Beobachter. Wieder wanderte die Hand in ihrem Rücken, tastend die Wirbelsäule hinab. „Sunta, du hast hier eine leichte Verspannung. Hat sich das schon in Rückenschmerzen geäussert?“ Spürte er einen Schwachpunkt auf. Sunta bestätigte überrascht, „Ja die weichen Bettunterlagen auf dem Hof haben mir öfters Rückenschmerzen verursacht. Hab deswegen oft auf dem gepressten Strohvorrat übernachtet.“ Zunehmend begeisterte sich Sunta für seine seltsame überraschende Art. Jedenfalls lies er ihr genug Zeit um jeden seiner Schritte zu verdauen und abzulehnen. Er wirkte mit seiner gelassenen Art so vertrauensselig. Einzig die Hand unter ihrer langen Tunika beunruhigte sie. Also ob er ihre Gedanken erriet, streichelte die andere Hand beruhigend ihren Rücken. Erkundete weiter. „Ein verlassener Freund“, grub er tiefer in ihre Geschichte.
Sunta nickte. „Wie kannst du das alles raus lesen?“
Diesmal rutschte er näher an den Sofarand. Seine Hand in ihrem Rücken fester, versuchte er ihre Taille seitlich zu drehen. Diesmal verspannte sich Sunta automatisch.
„Nun“, begann er seine Prognosen aufzuklären. „Weibliche Körper sind mir wohlbekannt. Jahrelange habe ich sie studiert. Krankheiten lassen sich öfter heilen, indem man in der Körperhaltung vorab die Verspannung löst. Du bist tadellos gesund. Ohne Probleme kann man dich unten soweit anfassen. Die Verzögerung im Rücken, dass eine Berührung dir wohlbekannt ist. Deine Verunsicherung weil du keine Vereinigung mit deinem Freund vollzogen hast. Das und vieles lese ich von deinem Augenspiel ab.“
Fassungslos wunderte sich Sunta. „Wow. Stimmt vollkommen, ausser Küssen und gelegentlichen Berührungen hab ich ihm nichts erlaubt. Bist du als Heiler ausgebildet?“ Nun wollte sie mehr über seinen Bildungsgrad erfahren. Erlebte aber eine leichte Enttäuschung. „Nein, meine frühere Gefährtin diente als Studienobjekt. So und nun lasse mal genauer sehen, wie weit dein Freund ging.“
Vergeblich zuckte Sunta keuchend zurück. Seine im Rücken stützende, hartnäckige Hand bewies sich stabiler als erwartet. Auf ihre heftige Reaktion hin, verharrten die wandernden Finger, auf ihrer warmen Haut, auf ihrer Bein Inneseite. Viel zu spät dämmerte ihr die Nacktheit unter dem langen Kleid. Sein sanfter Halt, gestattete ihr Bewegungsfreiheiten, die sie nur Näher brachten, nicht von ihm weg.
„Bitte“, bat sie freigelassen zu werden. Gefangen von ihren verwirrenden Gefühlen dachte sie nicht einmal daran ihn anzugreifen oder heftigeren Widerstand zu leisten. Das Objekt das ihr Kummer verschaffte, wanderte wie eine sanfte Berührung einer flaumigen Feder den Oberschenkel hinunter. Dankbar, erleichtert atmete sie erleichtert aus. Weiter studierte er sie ganz genau. „Unangenehm?“ „Ja“, bekannte sie viel zu heftig als vorgenommen. Sie empfand zu ihrem Entsetzten auch noch etwas ganz anderes. Aber das wollte sie ihm nie gestehen.
Seine Augenfalten vertiefen sich verräterisch. Genau achtete er auf ihren Atem. Genau wusste er wann er Zentimeter weise nach oben wandern, erobern durfte, ohne dass es eine unerwünschte Gegenreaktion herausforderte. Zeit bedeutungslos. Suntas Zustimmung regelte die Handbewegung. Als er sein Ziel erreichte, wartete er auf ihre erste Bewegung. Liess ihr zum Verarbeiten Zeit. Bis sich ihre kurzen Atemzüge verlängerten. Angestrengt versuchte sie gefasst Haltung zu bewahren. Das war dringend nötig, da seine die Hand genau oben, zwischen ihren Beinen, still verharrte. Sie wusste nicht was sie mehr aufregte. Die Peinlichkeit dass er sicher merkte das sie feucht war oder ihr innerer Zwiespalt. Eine erwartungsvolle Neugierde welche sie, dank guter Erziehung, eigentlich nicht dulden sollte. Dann endlich schob sich eine, befeuchtete Fingerkuppe zwischen ihre Schamlippen. Nicht nur dort unten fühlte sich plötzlich heiß an, sogar ihre Wangen glühten auf. Verzweifelt versuchte sich Sunta klar zu werden, was sie eigentlich wollte. Verteidigen, abwehren oder die harmlose, intime Geste zulassen. Andere junge Frauen in ihrem Dorf waren längst verheiratet und zierten sich garantiert nicht so. Ihr Gaumen war auf einmal trocken. Sie schluckte leer. Die Augen verrieten ihren inneren Zwiespalt. Klums Daumen spreizte sie mehr und einer seiner warmen Finger traf einen empfindlichen Punkt. Aufkeuchend sah Sunta ihn an. Dieses verführerische, süsse Ziehen. Unverhüllt ihre Anspannung, Lust nach mehr. Sie sollte nicht so sein und trotzdem wollte ihr unvernünftige Körper das voll auskosten. Sie schloss die Augen um einfach zu geniessen. Nur nicht den erfahrenen Alten ansehen, der so einfach ihre Barrieren durchschlüpfte. Zu ihrem Entsetzten merkte sie, wie sie ziemlich feuchter wurde. Der Finger holte sich diese Feuchtigkeit und rieb mehrmals über ihre Lustperle. Beschleunigter Atem verriet ihr aufkommendes Verlangen nach etwas, was sie niemals in Worte fassen wollte. Doch die letzte Scheu wollte sie nicht ablegen. „Bitte“, versuchte sie ihren letzten Anstand zu retten. Streichelnde, forsche Finger lähmten sie völlig. Schwächten ihren Willen und liessen kaum einen klare Gedanken zu. „Nein“, hauchte sie keuchend, mit letztem zerfliessenden Widerstand. Leise raunte er in ihr Ohr. „Doch“. Nutzte schamlos ihre Schwäche, ihre neugierige Jugendlichkeit aus. Liess zwei Finger in sie tief hineingleiten und rieb fester, schneller über ihre empfindliche Klitoris. Sunta erreichte einen Punkt wo sie ihre Kontrolle verlor. Ihre Finger verkrampften sich Halt suchend an seinem Umhang fest. Wollte weit weg von ihm sein, doch das köstliche heraus gekitzelte Verlangen forderte das genaue Gegenteil. Wollte näher bei ihm sein, sich an ihm reiben, ihn selber Berühren. Streicheln und Zärlichkeiten zurück schenken. Peinlich versuchte sie wenigstens die Zähne zusammen zu beissen. Den aufkommeden Schrei in ihrem Hals zu unterdrücken. Das steigende Glücksgefühl nahm überhand. Wimmernd erlebte sie ihren ersten seligen Höhepunkt. Ihr Herzschlag raste wie nach einem ihrer schlimmsten Wettkämpfe. Schluckte mehrmals um ihren gepressten Atem zu normalisieren.
Erst nach mehreren Minuten realisierte sie überhaupt, das sie halb auf dem Boden kniete. Ihre verkrampften Finger lösten sich von Klumps vorgebeugter Schulter. Zufrieden küsste er sie flüchtig auf die Stirn. „Warte“, bat er. Erst nachdem er seine rechte Hand an einem persönlichen Taschentuch gesäubert hatte, legten sich seine kräftigen Hände um ihre Taille. Stützend half er ihr beim Aufstehen, auf ihre wabbeligen Beine hoch. Sorgfältig strich er ihr Kleid wieder in Ordnung. Unerwartet schwach, plumste Sunta förmlich neben ihm aufs weiche Sofa. Das sich dabei ihre Körper berührten erschien ihr nun nebensächlich. Sie rätselte immer noch wie es diesem Fremden gelungen war, sie so schnell zu solcher Intimitäten zu verführen. Geradezu überrummelt. Ungerührt lächelte Klump sie zufrieden an. Aufmunternd rieb seine warme Hand über ihre. Sie empfand keine Abscheu, konnte aber im Moment seine anstupsende Geste nicht erwiedern.
Nach einem warnenden Räuspern trat Pol ins Zimmer. Den hatte sie völlig vergessen. Er setzte sich auf einen gegenüber liegenden Sessel. „Immer noch der Wunsch nach Tee?“ Erheiterung in seiner Stimme. Suntas Gesicht glühte wieder unerwünscht auf. Er hatte alles genau mitbekommen. Diskret abgewartet. Gewusst dass Klump sie auf harmlose Art verführte. Währens sie entsetzt ihre Hände auf ihr Gesicht legte, um ihren Verlegenheit zu verbergen, lachte Pol breit grinsend, frei heraus. „Ich hab dich gewarnt, dass er exzellente Talente besitzt. Da kann eine Kostprobe davon deine Entscheidung nur positiv beeinflussen. Besser ihr wisst von Anfang an womit ihr künftig rechnen müsst. Hatte ja zuerst schwere Zweifel. Wenn ich daran denke wie Sunta jeden aufdringlichen Bewerber auf Distanz scheucht, sogar mit Gewalt. Doch mit dir Klump, scheint ja alles hervorragend zu klappen. Ihr passt zu einand….“ Mit einem Kissen wehrte Pol den geschleuderten Hausschuh ab. Sie wetterte gekränkt. „Das war eine gemeine Falle!“
Bevor sie den nächsten weichen Schuh schleuderte, traf sie ein Kissen von gänzlich unerwarteter Seite. Klump verteidigte genauso verspielt seinen nahen Verwandten. „Sunta, bei dem Spiel hast du am meisten gewonnen! Betrachte es als wertvolle Erfahrung. So und nun, wo bleibt mein Tee“, knurrte ein fordernder Klump. Klopfte sein Kissen wieder zurück, als Stütze in den Rücken. Zurücklehnen sah er in fragende Runde. Also erklärte er; „Es gibt noch ein paar Punkte bei denen ich mir unschlüssig bin. Daher gehen wir in die Verlängerung.“
Entschuldigend hob Pol seine Hände. „Bin schon unterwegs. Soll ich diesmal länger wegbleiben?“ Sagte er scherzhaft, doch Klump reagierte mit ernster Ehrlichkeit. „Nein, bring den Tee und setz dich doch bitte zu uns. Ich brauche dich dabei.“
Seltsam verstört sah Pol seinen langjährigen Kollegen an, doch der lieferte keinen weiteren Anhaltspunkt für seine ungewöhnlichen Absichten. Gespannt beeilte sich Pol mit seiner Lieferung. Unangenehme Stille kehrte für eine Minute in den Raum. Nur das Tablett in der Küche klapperte. Mehrmals sah Sunta, für ein paar flüchtige Sekunden, Klump an um wieder rasch den Kopf zu senken. Zweifellos besass er für Frauen angenehme Talente. Insgeheim fragte sie sich aber ob sie mit dieser Seite, ganze Jahrzehnte verbringen konnte? Ob Sie, mit ihrer Unerfahrenheit, ihm genügte? Jedenfalls gestand sie sich ein, dass sie gerne ein Jahr auf Probe mit zusammen wohnte. Aber für den ganzen Rest ihres, hoffentlich ein noch recht langes, Lebens? Das war eine schwerliegende Entscheidung, welche ihr ein wenig schwer im nervösen Magen lag. Ausserdem sorgte die Vorstellung ihn zu küssen wieder für Unruhe. Wieder teilte sich ihre Vernunft und Neugierde in zwei verschiedene Lager. Klump bemerkte ihre zunehmende Rastlosigkeit. „Keine Sorge. Ich weiss mich durchaus zu benehmen. Du bist in Sicherheit“, meinte er scherzhaft. Bis ihm einfiel. „Du wohnst vorübergehend hier bei Pol?“
Sunta selbst räusperte sich, da sie ihrer Stimme anfangs nicht traute. „Scheint so. Pol hat mich auch erst heute darüber informiert.“
Daraufhin wanderten seine Augen genau zu den ihren. „Magst du Pol?“ Fragte er beiläufig.
„Geht so. Gezwungener Massen muss er ja auf mich aufpassen. Manchmal wünschte ich mir, er hätte nicht so einen energischen Ton auf Lager. In meinem Dorf hätte man längst , wenn jemand so mit den anderen umspringt, die Hunde auf den Hals gehetzt.“
Lautlos lachte Klump vor sich hin. Betrachtete Sunte abwägend. Bis er sich überwand zu fragen. „Hat man das bei dir auch schon einmal gemacht?“ Seine leise Worte bewiesen, das er diese vertrauliche Information nicht weiter gab. Sunta lächelte verschmitzt. „Natürlich. Aber ich hab ein gutes Händchen für Haustiere. Die Hunde kommen mir hauptsächlich hinterher, weil sie wissen dass es von mir ein feines Leckerli gibt. Kleine getrocknete Fleischhäppchen eignen sich sehr gut als Bestechungsmittel.“ Klump gab keine Ton von sich, aber seine Augenfältchen vertieften sich sichtlich. Überrascht bemerkte Sunta das seine warme Hand geradezu lobend über ihre täschelte. Bisher hatte niemand im Dorf ihre Talente zu schätzen gewusst, ausser Donan. Bei keinem Besuch der Ältesten hatte je einer ein Lob für die schwere Hofarbeit zurück gelassen. Gerührt drehte Sunta ihren Handrücken herum und umfasste dankend Klumps Hand. Tassen auf Ton schepperten leise aneinander als Pol, mit kurzen abgelenkten Blick auf ihre Hände, sein Tablett auf den Tisch vor ihnen schob. Beim einschenken der Tassen legte er ein ziemliches Tempo vor. Sobald der wohl riechende Tee in den Tassen dampfte, das Gebäck gerecht auf den Tellern verteilt war, setzte er sich an den gewohnten Platz. Aufrecht, erwartungsvoll. „Und? Was trübt den noch dein zukünftiges Glück?“ Selbst für Sunta wirkte er ein wenig angspannt, ein wenig zu aufgedreht. Was war ihm diesmal nicht genehm? Ausnahmsweise konnte es einmal nicht an ihr liegen. Klump beachtete die Drängelei des Jüngeren überhaupt nicht. Hob seine heisse Tasse, sicherheitshalber mit den Fingersitzen am oberen Rand hoch und setzte sie mit dem doppelwandigen Boden, gezielt auf eine kleine, gepolsterte Unterlage, die er in der linken Hand hielt, nieder. Lies sich Zeit das dunkelherbe Aroma mit dem des süssen Honigs einatmend, zu geniessen. Blies ein paar Male abkühlend über die heisse Oberfläche hinweg, ehe er einen kleinen Schluck nahm. Währenddessen beobachte Sunta faziniert die Beide. Den leicht aufgeregten Pol und ein absolut gelassener Klump. Ohne aufzusehen fing Klum an. „Pol, ich bin, wie so oft, unverblümt Ehrlich zu dir. Wir sind hier hinten herum, von der Öffentlichkeit ausgeschlossen, am Verhandeln. Mir reicht nicht nur ein williger Körper, der von meinen erfahrenen Werten profitiert. In meinem Alter wünscht man sich ein loyales Herz dazu. Also ist es unmöglich in so kurzer Zeit, eine bindende Beziehung abzumachen die später Erfolgtragend aufblühen sollte. Sunta, ist ein wunderschöner seltener Name. Genauso selten wie die ungewöhnliche Geschichte welche Mika passsiert ist. Zwei aussergewöhnliche Charakter die gut zusammenpassen. Ich bin ein geduldiger Mann der gerne gereifte Dinge geniesst. Eine feste, übereilte Bindung lehne ich entschieden ab. Sunta für mich zu reservieren, schreckt die hartnäckigen Bewerber nicht ab. Aber das kann sie ja exzellent, mit ihren eigenen Talenten. Dennoch möchte ich Sunta in den nächsten Wochen ausgiebiger kennenlernen. Um unsere Zeit nicht zu verschwenden, würde ich ihren guten Draht zu Mika ausnutzen. Pol, hast du schon mal darüber nachgedacht einen weiteren Drachenreiter auszubilden? Es würde ihr Ansehen enorm steigern und zugleich helfen, neben einer Steigerung ihrer Fähigkeiten, sich an einen festen Platz bei uns einzugewöhnen. Charakter und Weiterbildung in einem.“ Letzteres betonte er wie ein Ältester der einen indirekten Wunsch ausprach.
Entsetzt würgte Pol sein Kuchenstück hinunter. Er wollte heftig protestieren. Hinter seinem erregten Gesicht brodelte eine gedämpfte Wut. Statt Sunta einfach abzuschieben sollte er noch mehr Zeit mit ihr verbringen und sie sogar zu einem Drachenreiter ausbilden. Klumps stählerne Augen, die ihn gleichzeitig mit Gelassenheit und zwingender Befehlgewalt entgegenblitzten, liessen ihm eigentlich keine andere Wahl. Frustriert schluckte er seinen Ärger hinunter. Suchte verzweifelt Gedanklich nach einer besseren Lösung, als es neben dem Haupteingang an den Rahmen klopfte. Verwundert stiess er aus. „Jetzt noch, so spät? Ich hoffe es ist ein Notfall. Jeder aufdringliche Bewerber würde das sonst schwer bereuen.“ Sagte er laut, während er zum Vorhang marschierte. Draussen entschuldigte sich jemand mehrmals. Drückte etwas hastig in Pols Hände um danach eilens zu verschwinden. Mit dem offenen Umschlag in den Händen, setzte sich Pol an seinen Platz im Wohnzimmer zurück. „Bürokram!“ Entschuldigte er die Stöhrung. Oberflächlich lass er die oberste, fettgedruckte Titelzeile, von dem wertvollen Dokument. Schob es danach, mit einem triumphierenden Lächeln, tiefer in die schützende Hülle zurück. Wandte sich bedauernd an Klump. „Es tut mir sehr leid deinen Vorschlag in letzter Minute abschlagen zu müssen. Ich halte gerade den Vertragsabschluss für den nächsten Drachenpfleger in den Händen. Natürlich wird er, sofern er Mikas Begegnungen in den nächsten Wochen überlebt, sicher eine Drachenreiterausbildung abschliessen wollen.“
Es bereitete ihm wenig Freude seinem geachteten Verwandten einen Dämpfer zu versetzen. Da bemerkte er wie neben dem nachdenklichen Klump eine erbleichte Sunta sass. Mit einem seltsamen gequälten, unwohlen Gesichtsausdruck. Nein, sie wirkte nicht im mindestens enttäuscht oder gar traurig über den verwehrten Berufsaufstieg. Sie wirkte ängstlich, als befürchtete sie ein furchtbares Donnerwetter… von ihm? Mit einem schlimmen, verkrampfenden Bauchgefühl fischte er abermals das Dokument aus dem Umschlag. Besah es sich diesmal genauer an. Sein selbstzufriedenes Lächeln verschwand. Die hellblauen Augen verdunkelten sich, wie bei einem aufkommenden Sturm. Sein Mund schnappte empört nach Luft. Dementsprechend aufgebracht sprang er auf die Beine.
Hastig rückte Sunta dichter an Klump. Der genoss still und teilnahmelos das spannende Schauspiel. Klug wie er war, hatte er bereits eine gewisse Ahnung. Beschloss dennoch neutral zu fragen, „Schlechte Nachrichten?“
Pol der seine Stimme wiederfand, schrie wohlbemerkt zu Sunta rüber. „DU, du hast deine Unterschrift auf den Arbeitsvertrag gesetzt! Was hat sich Ka dabei gedacht! Das wird noch Konsequenzen haben.“ „Nein,“ verteidigte Sunta. „Er war nur unvorsichtig das Dokument in der Küche herumliegen zu lassen. Er hat es mir nicht einfach so gegeben. Eigentlich plante er eher mit mir zusammen mehr Zeit zu verbringen, indem er legal den Job annimmt. Und ich hab den Vertrag…“ sie machte eine viel sagende verschwindende Handbewegung. „Als er nicht aufgepasst hat. Ich kann zwar eure Schrift nicht lesen. Aber nachdem ich ihm bei einem Gespräch mit Moto zugehört habe, wusste ich natürlich was das beschriebene Pergament wert war und hab schnell unterschrieben.“
Aufgebracht reichte Pol den gültigen Vertrag Klump zur Ansicht. Der schmunzelte nur. Ganz anders Pol. Unversöhnlich starrte er Sunta an als würde er wollen, dass sie sich in ein Staubkorn verwandelte. „Das gilt auf keinen Fall. Sunta mit Mika auszubilden grenzt an Wahnsinn. Beide sind unerfahren und Mika ist der schlimmste, unberechenbarste Drache. Egal, wie schmeichelnd die gerade spielt, vertraue ihr auf keinen Fall. Mikas Intelligenz ist berühmt für Täuschungsmanöver.“ „Ich führe keinen Krieg mit Ihr.“ Gab Sunta zu bedenken und probierte den köstlichen Tee. Ein bitterer Nachgeschmack blieb, trotz dem süssen Honig. Klump analysierte perfekt. „Dafür ist dieser spezielle Tee berühmt. Weil seine gesunde Wirkung die Bitternis weit übertrifft. Er ist bekannt jeden empfindlichen Magen zu beruhigen. Vor allem aber schenkt er einem einen erholsamen Schlaf. Man sollte es tunlichst vermeiden ihn tagsüber zu trinken, es sei denn man ist wirklich übel krank. Abend oder Nachts gibts nichts besseres. Bei den letzten, heftigen Erdbeben die Mika auslöste war dieses natürliche Heilmittel wieder einmal sehr begehrt. Fals Sunta Interesse hat sich später zu einem ehrenhaften Drachenreiter ausbilden zu lassen, stehe ich voll hinter ihr. Selbstverständlich komme ich für alle nötigen Ausrüstungsgegenstände und anfallende Unkosten auf. Jetzt kommt es einzig darauf an, ob du den Vertrag akzeptierst, Pol!“
„Nein, bist du verrückt geworden? Meine Antwort darauf bleibt..“ Unbeherrscht zerriss er den zähen, robusten Vertrag in lange Streifen. Es gelang ihm dank der dicken Pergamenthaut jedoch nur dreimal. Verärgert warf er die Streifen in einen Sammelkorb. Kühl gab Klump zu bedenken, „Ich hab den vollen Vertrag bereits in allen Einzelheiten gesehen. Sunta hat dich jemand bei der handschriflichen Unterzeichnung beobachtet?“ Sie nickte, „Ja, Moto.“ „Moto, ist auch bekannt für seine Ehrlichkeit. Keiner wird sich mit einem einflussreichen Chefkoch anlegen, wenn er weiterhin gute Küche will. Der Vertrag hat also vor Gericht, trotz ein paar üblen Kluften, durchaus seine Gültigkeit! Du siehst Sunta, wenn du weiterhin auf diese begehrte Ausbildung bestehst, dann hast du meine volle Unterstützung. Ich für meinen Teil, halte dich für eine sehr talentiert Person die mit dem störrischen Drachen umzugehen weiss. Mir fällt absolut niemand ein, aus unseren eigenen Reihen, der geeigneter für den anspruchsvollen Job wäre. Ausserdem braucht das kluge Tier wirklich jemanden der, mit derselben hartnäckigen Schläue, seine Fallen sabotiert.“
Pol wirkte auf einmal sehr Nachdenklich. Allerdings war er im Moment nicht sehr daran interessiert nachzugeben. Also wechselte Klump geschickt das Thema. „Wie kommst du eigentlich mit der Beziehung mit deiner verehrten Maha vorwärts? Habt ihr euch endlich auf einen Termin geeinigt?“ Klump informierte Sunta leise. „Maha ist seine ewige Dauerverlobte!“
Pol strafte seinen Verwandten mit einem finsteren Blick. Es kam ihm ziemlich Unangenehm jetzt auch noch über Maha zu reden. Vor allem weil sie die Probleme zwischen ihnen wieder auffrischte und mit Sunta neue dazukamen. „Es kommt immer was dazwischen“, hielt er seine Berichterstattung kurz. Und damit keine weiteren nervigen Fragen mehr angehängt kamen, „Sobald hier alles geregelt ist, kümmere ich mich darum.“
„Aha“, irgendwie klang Klumps Antwort darauf, alles andere als in Ordnung. Klump beobachtete Pol so lange, bis sich dieser freiwillig deutlicher ausdrückte. „Was ist denn daran so schlimm, wenn es sich erneut in die Länge zieht? Sie ist ja nicht schwanger oder so. Unsere gemeinsamen Pläne sind einfach ein wenig Anspruchsvoll und darum dauert es bis wir uns auf einer Linie finden. Wir verstehen uns auf jeden Fall bestens. Eile ist gar nicht nötig.“ Pol hielt es sogar angebracht den Alten beinahe anzufauchen. „Wäre es dir vielleicht lieber, wenn ich Sunta kurzfristig an Rial vermittle. Der zeigt bereits heimliches Interesse und stellt sich von all den übereifrigen Bewerbern am geschicktesten an. Nächstes Jahr würde sie die altbekannten Bewerber schon besser kennen. Dann wäre sie sogar in der Lage Selbstständig einen Partner auszwählen“ Er wirkte auf einmal mehr als unterschwellig gestresst. Während er sich ständig aufregte, blieb Klumps Ruhe ewig die gleiche. Selbst nach so einem unhöflichen Ausbruch. Über den Tassenrand hinweg behielt er Pol scharf im Auge. „Was ist überhaupt mit dir selber los? Bist du dir überhaupt bewusst was du schlussendlich selber willst? Manchmal ist es nötig einen anderen Weg einzuschlagen. Vor allem wenn man auf dem bockierten nicht zum Ziel gelangt. Wieviele Jahre werkelst du erfolglos auf der selben Bausstelle, zehn, zwölf“
Pol knurrte verstimmt. „Vierzehn.“ „Oh, vierzehn lange Jahre. Wie gesagt, wenn du mit geduldiger Warterei nicht weiterkommst, hätte ich schon längst einen andere Taktik angewandt. Ich bewundere zwar deine geduldige Ausdauer. Wobei ich mich Frage ob du nicht ein bisschen mehr Intelligenz zeigen könntest, bei unseren guten Genen. Du hast da einen gelungenen Köder vor deiner Nase und setzt ihn nicht einmal ein!“
Verwirrt nahm Pol einen Schluck Tee. „Was meinst du genau?“ Als er den Augenwink zu Sunta hinüber bemerkte, verschluckte er sich halb als er die besagte Andeutung begriff. „Klump, vergiss es. Nur weil sie ein paar Tage hier verbringt bedeutete das gar nichts. Dessewegen fache ich garantiert nicht Mahas Eifersucht noch weiter an. Sunta zu bewachen ist anspruchsvoll genug. Da brauche ich nicht noch eine wütende Furie in meinem Nacken. Stell dir mal vor Maha würde den Gerüchten glauben schenken, dass ich beabsichtige mit einer anderen Frau eine Familie zu gründen. Das absolute Chaos. Sollte sie dazu noch ihre einflussreichen Freundinnen auf mich hetzten, ist meine Karriere erledigt. Da kann nicht einmal ein Machtwort von dir, den angerichteten Schaden wieder reparieren. Maha ist keine Frau die sich zu irgendwas drängen lässt. Letztes Mal hat Maha eine talellose Arbeitskollegin von mir verbal angegriffen, wegen einem gestickten Taschentuch das diese mir als Dankeschön für gute Zusammenarbeit, schenkte. Verbreite also nicht irgendwelche unwahren Anspielungen über Suntas Aufenthalt in meinem Quartier! Nichts gegen dich, aber es gibt Älteste im Rat die so eine plötzliche Unruhe in meinem Quartier nicht gerne sehen. Also würdest du dich bitte da raushalten?“
Es zuckte in Klumps Mundwinkel. Diesmal freute sich Sunta, weil sie deutlich verstand was in ihm vorging. Sie war schneller. „anscheinend nicht.“ Worauf Klump eine Hand auf ihre schmalen Schultern legte und zustimmte. „Es liegt überhaupt nicht in meiner Absicht mit irgendwelchen ersponnen Geschichten Unruhe zu verbreiten. Jedoch liegt mir am Herzen endlich Klarheit in unseren eigenen Familienangelegenheiten zu schaffen. Mahas Anfälle deuten darauf hin, das hier etwas ungeklärt in der Luft liegt. Und zwar seit einer unglaublichen Zeitspanne. Bekommst du das in den Griff?“ Klump seinerseits wirkte , für einen kurzen Moment verstimmt. Trotz Blutverwandschaft duldete er keine unbeherschten Ausbrüche. Schon gar nicht von seinem so viel jüngeren Neffen. Verstehend holte Pol tief Luft. Man sah ihm an dass es ihm schwerfiel nichts zu erwiedern. Versöhnlicher sprach Klump milder. „Bedenke es beginnen gerade ein weltbewegender Wandel an der Oberfläche. Dessen Unruhe dringt spürbar bis zu uns nach unten. Die obrigen Kriege bringen den untern Frieden ins bröckeln. Pol du musst wissen wo du stehst! Bisher bist du in deinem Beruf exzellent. Das anerkennen sogar meine Amtskollegen. Und ich verrate dir ein kleines Geheimnis, wesshalb deine Karriere gerade eingefroren ist. Weil du wegen Maha keine Entschlossenheit zeigst. Das deutete auf einen Schwachpunkt hin, den die einflussreichen Leute die ein prüfendens Auge auf dich haben, längst bemerkt haben. Lass also Maha nicht über Dein Leben bestimmen, denn das wird sie sonst den Rest ihres ganzen Lebens tun. Sprich einen gültigen Termin aus! Zwing sie in einem festen Zeitrahmen zu einer Entscheidung. Oder bevorzugst du es noch weitere Jahre zu warten? Ich lass mir, wegen Sunta, bis zum nächsten Mondwechsel Zeit, mit der Entscheidung. Inzwischen werde ich mich von ihr fernhalten, aber jede ihrer Geschichten verfolgen. Ist bis zum nächsten vollen Mond ihr Herz noch frei… dann bist du, Sunta, herzlich Willkommen in meinem Quartier.“
Geniessend trank er den letzten Schluck Tee zu Ende. Stellte die Tasse behutsam vor sich hin und stand auf. Souverän bestimmte er, „Somit ist alles zwischen uns geregelt.“
Pol reagierte leicht schockiert. „Bis zum nächsten vollen Mondwechsel! Bis dahin könnte Sunta längst schwanger werden!“
Schief lächelte Klump ihn an. „Gute Verträge haben ihre Zeitspannen bis zum Abschluss. Meiner dauert wenigstens nicht JAHRE!“ Stichelte er es mit Humor nehmend. Pol schluckte einmal leer. Man sah Klumps Blick an, dass er diesen Abend als eine gute, erfreuliche Unterhaltung, trotz kleinen Reibereien, annahm. Mit einem zufriedenen Ausdruck wandte er sich beim Ausgang herum. „ Also wir sehen uns auf den besagten Zeitpunkt. Es wäre ziemlich fördernd für dich, bis dahin mit Maha, alles geklärt zu haben. Schönen Abend euch beiden.“ Ein wohlwollendes, höfliches Nicken folgte und er rauschte leisen Schrittes davon.
„Wow“, entfuhr es Sunta angenehm Beeindruckt. „Ein vorbildlicher Auftritt. Also wenn mir sonst niemand gefällt, gestehe ich, das mir alleine schon der Gedanke zusagt, ihn um sich zu haben. Trotz seinem Alter oder gerade wegen seinem Alter ist er eine unglaublich, angenehme Persönlichkeit.“
„Gut“, wirkte Pol alles andere als begeistert. „Er hat eben auch gezeigt das er es versteht mit allen Situationen umzugehen. Kein Wunder ist er einer von den scharfsinnigen Ältesten, mit dem sich keiner Anlegt. Jetzt bleibt nur die Frage; Wie verbringen wir die lange Zeit bis zu unserem nächsten Termin mit ihm?“
Aufgebracht sammelt Pol das benutzte Geschirr zusammen. Zwischen seinen hastigen Fingern litt das kostbare Porzellan bedenklich. Besorgt um das wertvolle Geschirr eilte Sunta an seine Seite. Es gab eine kleine Nische mit fliessender Wasserversorgung. Zweckmässig floss kaltes Wasser aus der gebohrten Leitung. Sachte stupste Sunta ihren aufgebrachten Begleiter behutsam an die Seite an. Eine stille, stumme Bitte ihr den Platz zu räumen. Wenn er jetzt in seinem aufgebrachten Zustand etwas zerstörte, würde er es später bereuen. Bisher berührte Sunta selten so eine dünne Keramik. In ihrem Dorf benutzte man meist das einfache Geschirr vom Töpfer. Nur einige Grosseltern besassen noch ganz wenige Teile, in der Machart dieser dünnen, edlen Tassen. Die bekam man höchsten bei Hochzeiten oder bei anderen wichtigen Anlässen zu Gesicht. Von daher übernahm Sunta lieber den Abwasch des einzigartigen Service. Sie stand so nahe neben Pol, dass sich bloss ihre Stoffärmel berürten. Trotzdem glaubte sie seine Körperwärme zu spüren. Hartnäckig blieb sie dicht neben ihm stehen und schränkte seine Armbewegungen ein. Ihr anhaltendes Schweigen beruhigte ihn schliesslich. Einsichtig, tief in seinen unzähligen Gedanken versunken lehnte er sich, an eine Zimmerwand, zurück. Hin und wieder blickte er heimlich zu Sunta hinüber. Die Schlichtheit mit der sie ihre Tätigkeit verrichtete, verwunderte ihn selber. Ertappte sich erneut darin, wie er sie mit Maha verglich. Bisher erschien ihm Maha als perfektePartnerin. Die vollkommene, ergänzendeHälfte, die alle seine Bedürfnisse abdeckte. Auf unerklärliche Weise erkannte er in dieser bisherigen Harmonie hässliche Kratzer. Wieso war ihm gänzlich entgangen, das vor allem Maha von ihm profitierte? War er bisher so blind gewesen? Warum fielen ihm so viele Details erst jetzt auf. Details denen er bisher keine Beachtung schenkten, jedoch mit Suntas Anwesenheit auf einmal ganze bedeutsame Kluften zwischen ihm und Maha auftaten. Dieser neue Verlauf gefiel ihm gar nicht. Sein Schützling brachte die jahrelangen gepflegten Zukunftspläne, einfach so mit ihrer Anwesenheit ins Schwanken. Sogar in ihrem schweigenden Zustand. Etwas abzuwaschen gehörte nicht zu Mahas gehobenen Standart. Schliesslich war sie die Cousine von Sienna, der Tochter von einem der wenigen Ältesten im Rat. Auf einmal erschien ihm diese abgrenzende Lebensweise ungeheuer verwöhnt. Eine zweiklassen Gesellschaft in der er haarscharf das Glück genoss in der oberen Elite hinein geboren zu sein. Seinen genehmigten Job verdankte er vor allem dem vorteilhaften Umstand dass er ein paar Generationen zurück, mit der Blutlinie vom Rat abstammte. Ein entfernten Verwandtschaftsgrad der Ausreichte das Maha sich überhaupt mit ihm abgab. Gerne erinnerte er sich zurück an seine zauberhafte Fee, als er sie das erste Mal auf einem der Internen Feste kennen lernte. Eine energische Fee, wenn es darum ging ausgiebig zu feiern oder sich Vorteilhaft zu präsentieren. Leichtfüssig und elegant lag sie beim Tanzen in seinen Armen. Leuchtende, lebhafte Augen, wenn sie in ihrem Element schwebte. Seltsam das ihre grauen Augen meist eine Nachdenkliche Note erhielten, sobald sie sich alleine in seinem Quartier aufhielten. Auf einmal bemerkte er so kleine Details über die er bisher so unbekümmert hinweg sah. Ungern gab er insgeheim Klump Recht. Eine klare Aussprache war mit seiner langjährigen Verlobten längst überfällig. Mit dieser düsteren Stimmung betrat er kurze Zeit später auch das Schlafzimmer. Rief Sunta harsch zu sich in den Halbdunklen Raum, wo nur eine kleine Kerze brannte. „Zieh dich aus. Wir überschlafen erst einmal das Problem! Was?“ Ihm viel Suntas verstörtes Gesicht auf.
Sie stammelte nur. „Schlafen. Nackt?“
„Nein“, donnerte er gereizt zurück. Alleine die Vorstellung liess seine Fantasy angenehm anregen, was er sonst gar nicht von sich kannte. Beinahe verbotenes, verlockendes. „Selbstverständlich nicht!“ Rupfte unter dem Kopfkissen ein schlichtes Nachthemd hervor. Schleuderte ihr das hellblaue Seidenhemd entgegen. „Für dich, ab heute. Ach ja, der Nachttopf ist unter dem Bett, falls du Nachts auf die Toilette muss. Du brauchst mich wegen dem fehlenden Licht also nicht zu wecken.“
Zierend ihm den Rücken zugewandt zog sich die junge Frau im halbdunkeln rasch um. Mit einem zweifelnden Gesicht setzte sie sich auf die gegenüberliegende Seite der Matratze. Es war ein schlichtes, ungeschmücktes Holzgestell. Rein zweckdienlich zum Schlafen und nicht als Mitgift gedacht. Dafür war die feine Matzratze gut gepolstert und selbst die Kissenüberzüge aus grober Seide eine absolute Kostbarkeit. Sie strich mit den Finger über den feinen Stoff ihres Hemdes. „Pol, Woher kommt diese unglaubliche feine Qualität?“
Er kroch, selbst mit einem langen Leinenhemd bekleidet, welches ihm bis zu den Oberschenkel reichte, unter die Decke. Selbst für Suntas Geschmack zu Alterrümlich. Aber sie vermutete das er dieses grässliche Teil nur anzog, weil sie zusammen in einem Bett schliefen. Zum ersten Mal sah sie seine langen Haare komplett offen. Gerne wollte sie ihn genauer ansehen doch er blies abrupt die letzte Kerze aus. Während sich der leicht stechende Brandgeruch des verglühenden Dochtes im Raum verteilte, brummte Pol ihr zu, „Den weichen Stoff stellen wir in der hauseigenen Fabrikation her. Wir züchten erfolgreich Seidenraupen. Darum haben wir ein ganzes Seidenviertel im Nordtrakt. Allerdings darfst du dir das nicht ansehen. Da dürfen nur kontrollierte Arbeiter rein wegen den strengen Hygienevorschriften.“
Dunkelheit füllte komplett den Raum. Man konnte nicht mal die eigene Hand vor der Nase erkennen. Geschützt von dieser Schwärze schlüpfte Sunta unter die flauschige Decke. Die feine robustere Qualität für höhere Angestellte. Zwar genoss sie die angenehme Wärme doch Ruhe suchte sie vergebens. Sie liebte diesen unbekannten Geruch hier drinnen, der nach der erlöschten Kerze wieder seinen Raum zurück eroberte. Schwach nach Kräutern und eindeutig nach ihrem Vorgesetzten. Angenehm überrascht weil im Gegensatz dazu ihr Donan, trotz intensiver Dusche, öfters nach den Stalltieren roch. „Riechst du den Drachen noch an mir?“ Wollte sie zur Sicherheit wissen.
„Nein. Unsere Seifenqualität hat es in sich. Glaube mir, ich habe die beste heute besorgt. Gleich nachdem ich entschied dich heute bei mir einzuquartieren.“
Erleichtert sank Sunta in ihr Kissen zurück. Hier in diesem Klima, fühlte sie sich trotz dem Wissen tief unter der Erde zu sein, sauwohl. Vielleicht sogar ein bisschen aufgeregt, weil da neben ihr jemand lag den man nicht so leicht aus den Gedanken verbannte. Ausserdem wanderte ihre unvergessliche Tageserinnerung weiter zu Klump. Wäre er ein sicherer Kandidat für Kinder, Familie? Bei einer Wahl zwischen Donan und Klump tendierte sie zu dem erfahrenen Klump. Wenn auch ein bindendes Versprechen für die Ewigkeit, weiterhin in ihr, sauer aufstieg. Das bereitete ihr mit Beiden, als Partner, einfach Unbehagen. Sie fühlte sich einfach zu jung, zu unruhig um eine Zweckheirat jetzt schon in Betracht zu ziehen. Einfach am Kochherd zu stehen, oder hier unten die Stube zu bewachen gehörte nicht zu ihrem Wunschtraum. Immerhin dufte sie nun mit Kata offiziell zusammen arbeiten.
Pol selber auch noch von dem abendlichen Gespräch mit Klump aufgewühlt, fragte leise in die Stille. „Schläfst du schon?“
Müde aber nicht weggetreten gab sie zurück. „Nein.“
Unter seinem schweren Gewicht federte die Matratze. Nahe legte sich Pol zu seinem verfolgendem Problem. „Sunta“, kam er mit seiner neuen Idee. „Ist es dir Recht wenn ich Morgen oben etwas Druck einsetzte damit die Auswahl sich beschleunigt? Es wird ein kleines Turnier geben. Dauert vielleicht Maximum 2 Tage und die drei besten Teilnehmer stehen dann zur engeren Auswahl. Natürlich wird von dir Verlangt, während den Wettkämpfen, anwesend zu sein. Das verkleinert die Auswahl deiner Bewerber drastisch da alle Verlierer, sozusagen die Rechte über dich verlieren. Es sei denn du gibst ihnen gnädiger Weise eine Bonuskarte. Im ungünstigen Fall, bleiben dir am Ende bis sieben geeignete Kandidaten übrig. Ziemlich bessere Zustände als jetzt. Dann liegt es ganz bei dir, wem du Hoffnung machst dich ausführlich kennen zu lernen. Sollte dir gar keiner Gefallen, kann ich danach immer noch ein freies Quartier in Klumps Nähe organisieren. Dass du Klump schlussendlich bevorzugst, akzeptieren die abgewiesenen Freier. Denn du hast ihnen immerhin eine Chance gegeben, die ihnen auch zustand. Entspräche das deinen Wünschen?“ Misstrauisch sann Sunta nach. „Glaubst du nicht dass die enttäuschten Verehrer eher verärgert reagieren?“ „Nicht, wenn du öffentlich bekannt gibst, dass du Klump wählst. Klump gehört zu der obersten Liga. Von ihm wird nicht erwartet dass er in seinem hohen Alter noch in einem Turnier mit den Jungen konkurrieren soll. Ausserdem kennt man seine…“ Pol lachte leise vor sich hin, bis er gefasster vorfuhr. „Ausserdem ist sein herausragendes Talent was Frauen betrifft, überall bekannt. Vor seiner letzten Ehe gab es einige deutliche Misslaute, die ihn von seinem obersten Rang zwangsweise absetzen wollten. Einen Junggesellen, dem Frauen in Massen zu Füssen lagen, wollte niemand in den obersten Rat. Das beeinflusste die Abstimmung unangenehm, weil seine weibliche Fangemeinde zu gross war. Zum Glück fand er endlich eine Gefährtin, der er tatsächlich treu blieb. Nachdem jedoch seine Frau unerwartet an einem schweren Fieber gestorben ist, haben viele erneut befürchtet, dass ihre manchmal unterbeschäftigten Ehefrauen erneut auf Klumps Avancen eingehen würden. Doch Klump hat seine letzte Gefährtin innig geliebt. So einfach ersetzte eine andere nicht den Platz. Auch nicht für nur eine Nacht oder eine entspannende stündliche Zwischeneinlage. Klump hat sich in den letzten Jahrenzehnten wirklich vorbildlich verhalten. Oder so diskret das nicht davon sein Zimmer verlassen hat. Ich gestehe dass ich angenehm überrascht war, dass er dich überhaupt getestet hat.“
Träge murmelte sie. „Okay, Darüber will ich jetzt aber nicht mit dir reden. Aber der Vorschlag mit dem Turnier ist Genial. Das gibt allen Zeit. Mir mehr hier unten die Leute kennen zu lernen und diese hartnäckigen Verfolgungen stoppen endlich. Ich hoffe sehr das dies funktioniert und ich mich in den Tunnels wieder normal bewegen kann.“
„Gut, das dann lass ich dich Morgen kurz alleine um mit den entsprechenden Leuten zu reden. Schaffst du… Dumm von mir zu fragen. Du hast Talente genug dich für einige Stunde zu schützen. In diesem Punkt befürworte ich deine obere Stellung, deine Fähigkeiten besser auszubilden. Lass mich einfach nach der langen Pause, keine wilden Abendteuer Geschichten hören.“ „Ich versuche mich zu beherrschen.“
„Mhm“, brummte er wissend. Rechnete bereits wieder mit dem schlimmsten. „Verletzte bitte keinen, der im Weg steht, ausser Mika. Die ist robust. Aber halte trotzdem ein wenig Abstand von dem riesen Biest!“
„Ich bin kein ausgebildeter Kampfhund der auf alles losgeht was sich bewegt. Falls es dich beruhigt, ich bleibe bei Mika. Behalte sie wachsam im Auge während ich ihr Quartier sauber putze. Ausserdem braucht sie dringend frisches Stroh.“
„Einverstanden,“ obwohl er sich bei dem Gedanken, sie alleine ohne Unterstützung zu lassen, alles andere als glücklich fühlte. Danach herrschte einstimmige Ruhe bis sich beide Atemzüge verlangsamten. Nur einmal zuckte Pol aus seinem Schlaf. Dann als Sunta ihm ihre eisigen Füsse zu seinen warmen hinüber streckte. Mit einem lächeln auf den Lippen, lies er sie gewähren. So ganz anders als Maha, dachte er sich noch. Auf die Frage warum er Sunta die vertrauliche Geste zuliess, wusste er allerdings selber keine Antwort.
Viel versprechend begann ein friedlicher Morgen der seinem normalen Ablauf folgte. Pol wähnte sogar Sunta in absoluter Sicherheit, nachdem sie ihm den gelungenen Trick mit den Chilischoten gestand.
Nach einem ausgiebigen Frühstück in der Kantine, bei dem sie, ausnahmsweise ohne lästige Zeugen in einer abgelegen Ecke sassen, stand Pol beruhigt auf. Den Stolz, den er über Suntas genialen Lebensversicherungs Einfall bekam, versuchte er aber vor ihr zu verbergen. Gesunde Distanz, mahnte er sich still. Er musste selber erst mit den Veränderungen in seinem Leben klar kommen. Völlig unbewusst legte er kurz seine Hand auf Sunta Schultern und verabschiedete sich wie gewöhnlich. „Pass auf dich auf.“ Ohne weiteren Worte trennten sie sich.
Sie trank noch gemütlich ihren normalen, einfachen Tee zu Ende. Pols letzte Worte hingen ihr angenehm nach. Es war schön dass jemand der so aussah, sie nicht gänzlich ignorierte. Spazierte, dem zugespielten Glück kaum trauend, vorsichtig in jeden Gang vorausschauend, auf Mikas Stall zu. Die wenigen denen sie begegneten sprachen sie nicht an oder übersah sie, da sie bereits ihre Arbeitskleidung der Unterschicht trug. Inzwischen bewältigte sie den unhandlichen Riegel am Haupttor mit Leichtigkeit. Die geübte Handbewegung sass. Im Innern der beleuchteten Tierhöhle schon reges Leben. Zwei freiwillige Arbeiter schaufelten den uralten, gepressten Berg von verrottetem Unrat weg, den selbst Mika verschmähte. Ein dritter Wärter passte mit gezücktem Stab wachsam auf, dass Kata respektvoll Abstand hielt. Eigentlich wirkte der schläfrig liegende Drache, in seinem hinteren Abteil, gerade als Harmlos. Kaum betrat Sunta den Raum, blähte sie erfreut ihren Nüstern auf. Nur ihr Floh getraute sich unbewaffnet mit solcher Selbstverständlichkeit in ihr Revier zu treten. Selbst dem Wärter sprang die Veränderung sofort ins Auge und trat mit friedlichen absichten, ausweichend zu seinen Kollegen. Ihre ängstlichen Mienen zeigten deutliches Unwohl, über den aufgeweckten Drachen, an.
Gemächlich stapfte Mika auf ihre bevorzugte Pflegerin zu. Zum Ritual der Begrüssung gehörte die persönliche obligatorische Beschnupperung. Sobald Mika den stechenden Duft der Schotten in der Nase juckte, hielt sie den Kopf aus sicherer Duftweite.
In ihrer Erinnerung haftete die letzte angenehme Wäsche ihrer verdreckten Schuppen. Im jetzigen gesäuberten Zustand liess liess die verstärkte Haut eine ungeahnte Geschmeidigkeit der Bewegungen zu, ohne das geringste lästige Kratzen. Obwohl das tief aus dem Berg Innere Wasser eisig kalt war, bevorzugte Kata den juckreien Zustand. Die erholsame Schlaffase in der letzten Nacht verstärkte ihren Wunsch nach täglicher Körperpflege. Erfahrungsgemäss hielt sie die Luft an als sie ihren Floh Richtung Waschplatz schupste. Verstehend spazierte Sunta los, während Kata erfreut folgte wie ein satter, zufriedener Hund, dem noch die Fell Massage zum absoluten Glück fehlte. Mikas sonst schwerfällige Bewegungen wirkten beschwingt. Warf sich erwartungsvoll auf den Rücken, das sie ein kleines Erbeben auslöste und presste die grossen Nüstern zusammen. Atmete über ihren breiten Rachen damit kein Wasser direkt in die Lungen spritzte. Mit weniger geteilter Freude zog sich Sunta bis auf das lange Unterhemd aus. Nass, Kälte und Schmutz waren nicht ihre bevorzugte Tagesbeschäftigung, doch Mikas Wohlbefinden stand nur mal vor ihren verwöhnten Bedürfnissen. Die aussergewöhnliche Freundschaft, welche Suntas Ruf zu ihrem Vorteil, andere abschreckte, verdiente da schon so ein Opfer. Grosszügig spritzte sie Mika mit Wasser aus der Tränke voll. Bald schmerzten die Arme von dem Gewicht der schweren Wassereimer. Übermütig richtete sich Mika auf und schüttelte ihre Masse dass ihre Schuppenhaut richtige abstehende Lappen bekamen. Weit spritzte das erfrischende Wasser voll mit dem tief gelegenen Dreck, unter den rissigen Schuppen, meterweit seitwärts. Zu spät reagierte Sunta, sie erreicht eine volle graubraune Fontäne. Wie konnte ein einziger Drache so viel Schmutz ansammeln?Angeekelt starrte sie an ihrem nassen dünnen Hemd hinunter das wie eine zweite Haut klebte. Es spielte eh keine Rolle mehr also kletterte sie zur Reinigung gleich so in den Wassertrog hinein, den sie kurzerhand zu ihrer Badewanne umfunktionierte. Nach einem kurzen Untertauchen flüchtete sie ins trockene. Wrang mit den Händen den Stoff so gut wir möglich aus. Ihr Kleid angehoben bis zu letzten möglichen Schicklichkeit. Sie hielt inne. Verspätet fiel ihr ein wo waren überhaupt die Leute von der Reinigung? Sie hatte nicht gesehen, dass diese den Raum verliessen. Hastig wandte sich dem Ausgang zu. Lächelnd, grinsend standen die begeisterten Männer vollzählig neben dem offenen Haupttor. Schön wartend, verlängerte sie eigenmächtig ihre unerhörte Pause. Genauso wie der nasse Stoff, klebten die Augen an Suntas weiblichen Rundungen. Aufgebracht richtete sich die Hirtin gespielt böse auf, formte eine drohende Faust. Sofort sprang die Mannschaft lachend, wie ertappte Jungs, durch den Ausgang in Sicherheit.
Bedacht auf ihre eigene Sicherheit, befestigte Sunta ein trockenes Bündel Schoten an ihren Gurt um die Hüften. Erst jetzt dachte sie nach, ob ihr Ruf wohl eine weitere schwarze Kerbe erhielt. Sie verwarf den zählenden Massstab. Klump sollte es freuen eine Freundin zu bekommen. Schlimmer als ein schlechter Ruf war immer noch die eigene Einsamkeit.
Beiläufig wanderten ihre Augen zu dem halbvollen Trog in dem die getrübte Brühe schwappte. Mika brauchte frisches Trinkwasser und sie zweifelte daran, dass hier jemand täglich solche Mengen herbeischaffte. Genau studierte sie die verschiedenen Hebel an der Wand, zwischen Trog und Ausgang. Da es ein Rohr gab, das von der Wand bis zum Trog hinein führte, wusste sie schon mal, dass eine Vorrichtung vorhanden war, welche automatisch Wasser herbei pumpte. Logischer Weise vermutete sie den robusten Hebel, der am nächsten bei der Tränke eingebaut war. Ausserdem gab es zwei Sicherungsringe. Sicher wollte niemand die Höhle unter Wasser setzen. Niemand beobachtete Sunta, also wagte sie den nächsten Schritt. Falls sie im schlimmsten Fall was falsches öffnete, konnte sie ja den Heben zurück stellen. Bevor jemand ihren Irrtum merkte, wäre er längst rückgängig geschaltet. Konzentriert schob sie die erste Sicherung auf die Seite. Mika die ihre Spannung beobachtet, reagierte in keiner Weise. So überzeugte es Sunta, dass es sich um eine tägliche Routine handelte. Zuversichtlich drückte sie den nächsten Riegel herunter. Die Kettchen pendelten in der Luft. Luft brauchte Sunta selber. Nach einem tiefen Atemzug zog sie probeweise am grossen Hebel der für zwei Hände reichte. Keinen Zentimeter rührte er sich von der Stelle. Wieso nur waren diese Hebel so eingerostet. Herausgefordert legte die sie mehr Körperkraft hinein, versagte. Ihr Mundwinkel zuckte unwillig. Rost und Kalk Ablagerungen verklemmten auch den Mechanismus beim Brunnen zuhause. Ein Schritt zurück. Mit Anlauf, ein Sprung mit dem sie ihr ganzes Gewicht auf den Hebel stemmte. Wobei sie hoffte das der robuste Hebel, trotz dem fortgeschrittenem Alter heil blieb. Tatsächlich senkte er sich in einem Stück. Stolz lächelte Sunta zufrieden, weil sie es ohne fremde Hilfe zurecht kam. Für eine einzige Sekunde. Eine wahrhaft kurze Sekunde!
Aus dem zitternden Rohr kam kein Wasser. Ausserdem zitterte nicht nur das Rohr sondern auch die Wände vibrierten förmlich. Hastig versuchte sie den Hebel anzuheben, zu bremsen. Hartnäckiger als sie, besiegelte er ihre kurzsichtige Tat zu Ende. Mitten in der Halle fiel ein heller Sonnenstrahl zu Boden. Wie ein blendender Scheinwerfer verstärkte sich sein Lichtstrahl mit zunehmender Wärme. Verzweifelt zog Sunta mit aller Kraft gegen den stabilen Schalter. Das schwere Gegengewicht liess sich nicht bremsen, es zog die schweren Deckenplatten zur Seite auf.
Mika verkleinerte ihre Pupillen. Ihre schwarze runde Iris formte sich zu einem spitzigen Keil. Wie verwandelt, verlor sie ihre Träge Ausstrahlung. Voller Freude trabte sie los zum warmen wohltuenden Lichtstrahl. Schloss geniesserisch die Augen und streckte ihre Flügel, gespannt wie riesige Segel, zum trocknen aus. Keine Sekunde des herrlichen Sonnenbades wollte der schwarze Drache verpassen. Ausserdem reizte sie der überfällige Ausflug. Sie kannte bisher nur nächtliche Ausflüge. Schon jetzt schätzte sie ihren wertvollen Floh mehr als alles andere. Niemand hatte ihr so eine blendende Pflege spendiert. Sie reckte ihre empfindliche Kehle nach oben um jeden Zentimeter Wärme zu speichern. Genoss es wie ihr Blut unter den dünnen Hornplatten sich rasch erhitzte. Ungeahnte Lebendigkeit flutete ihren Körper. Ein grollender, summender Ton erfüllte die Halle. Sie schnurrte auf ihre Weise wie eine zufriedene Katze.
Mittlerweile packe Sunta fast die Panik. Ahnungslos wie sie am besten reagierte sollte. Unaufhaltsam vergrösserte sich die Deckenöffnung. Grasbüschel und Erde fielen herunter. Erzählten davon, wann das letzte mal das automatische Sonnendach seine Funktion erfüllte. Sollte sie jemand um Hilfe rufen? Ein Blick an sich herunter und sie packte zuerst ihre trockenen Überkleider. Streifte sie hastig über dass einige Nähte krachten. Niemand würde nämlich eine halb nackte Person ernst nehmen. Flatternde Geräusche versetzten ihrem blanken Entsetzten einen neuen Tiefpunkt. Was wenn Mika flüchtete. Zittrige Finger hielten nun den schmückenden Hüftgürtel. Achtlos liess die beiden losen Enden, seitlich an ihrem Kleid, fallen und rannte zu Mika. Vielleicht schaffte sie es, dass der Drache auf sie hörte. Schliesslich reagierte Mika immer besser und vor allem freiwillig, bei ihrer Zusammenarbeit. „Mika, Mika“, bettelte ihre Stimme.
Wohl gesonnen legte Mika ihren Kopf schief. Deutlich verspürte sie die plötzlicher Leichtigkeit in ihren Bewegungen. Diese Hitze verwandelte sie in eine quirlige, übermütige Dame. Den Ruf ihres Flohs folgend, schnappte sie blitzschnell zu, bevor die scharfen Schoten wirkten. Dementsprechend schleuderte sie Sunta ziemlich unsanft, zwischen ihre Schulterblätter, hoch. Taumelnd schwindelig fand sich Sunta zwischen den warmen, zuckenden Flugsegeln wieder, die wie unter Strom standen. Suntas Körpergewicht wurde auf einmal, alleine vom Eigengewicht, ziemlich rückwärts gedrückt. Automatisch hielt sich an einer der knochigen, verstärkten Schulterplatte fest. Ausserdem besass Mika diese massiven aufgerichteten Rückenplatten die wie Haifischflossen aufrecht aufstanden. Sie passte genau zwischen so eine Lücke hinein. Das Kleid war ihr hoch gerutscht. Unbegreifend suchten ihre Zehen nach Halt auf der schuppigen Haut. Verspürte den dringenden Wunsch aufzustehen und nach unten auf den sicheren Boden zu klettern. Sobald sie ihr Gewicht verlagerte, zitterte ein Schauder über Mikas Rücken. Sunta rutschte zurück an ihren Platz. Auf einmal setzte sich Mika auf ihre Hinterbeine zurück.
Erleichtert atmete Sunta tief aus. Doch Mikas Kopf drehte sich herum und zwang mit ihrem Kinn Sunta, ganz sachte, dichter an ihren Körper hinunter. Sobald sie ihren Floh sicher wusste, presste der Druck der Aufwärtsbewegung, ihn fester auf ihren Rücken.
Elegant, leichtgewichtig katapultierte sich Mika mit einem Stoss über die Deckenöffnung hinaus. Die angelegten Flügel breiteten sich aus. Vom Sonnenlicht aufgepumpt entfalteten sie sich zur ihrer wahren, doppelten Grösse aus. Mikas Blut rauschte. Fast senkrecht startete sie übermütig. Einzig aus Rücksicht für ihren Floh, hielt sie sich zurück. So lange war sie eingesperrt gewesen, das es ihr schwer fiel nicht gleich auf volle Leistung zu schalten. Schwarze Schuppen glänzten mit goldener Umrandung. Strotzten vor aufgeladener Energie. Sobald ihr erster Hochflug wegen der zunehmenden Kälte an Kraft verlor, flog sie wagerecht zur Bodenlinie weiter.
Eine solche blendende Sonne hatte Mika vor Jahrzehnten das letzte Mal gesehen. Ihre längeren Ausbildungs Rundflüge fanden immer bei Vollmond statt und endeten mit den ersten aufgehenden Sonnenstrahlen. Man hatte sie bisher nur in der Nacht auf Jagt geschickt. Hungrig spähte sie nach frischer Beute herum. Ihr Jagdtrieb war geweckt. Prägte sich den Schlupfwinkel ihres Zuhauses und Umgebung genau ein. Ausserdem erinnerte sie sich an das frische Flusswasser das nicht so einen erdigen Geschmack wie das in der Höhle aufwies. Sie wusste gar nicht was sie zuerst machen sollte.
Der frische Luftzug lies Sunta blinzeln. Merkte, das wenn sie seitlich blickte, sofort die langen Fransenhaare in ihre Augen peitschten. Was unangenehm weh tat. Doch sie schaffte es nicht ihre verkrampften Hände von der Rückenflosse zu lösen. Viel zu verzweifelt umklammerte sie diese. Eine hastige Seitwärtsbewegung hätte sie spielend aus dem unsicheren Sitz geworfen. Erst nach einigen langen Minuten, in der ein gleichmässiger Flügelschlag sein Tempo hielt, wagte sie sich etwas zu entspannen. Allmählich viel ihr auf das der offene Gurt nutzlos an ihr herunter flatterte. Doch er war zu kurz um, selbst im letzten Loch, eine dieser Rückenflossen zu umspannen. Doch mit dem zusätzlichem geflochtenen Seil, das sie zweimal mit den Schoten um ihre Hüften schnürte, das würde reichen. Sie zögerte eine Moment, doch der Wunsch nach Sicherheit bekam Vorrang. Ein Handvoll Chilichoten riss sie von dem Bund ab und stopfte das wenige in die einzige aufgenähnte Tasche ihrer Kleidung. Zu klein. Vor allem vermisste sie eine schützende Vorrichtung wie einen Knopf. Nur wenn einem so der Wind um die Ohren pfiff, durfte man nicht wählerisch sein. Vor Anspannung zitterten ihre Finger dermassen dass sie kaum einen Knoten hinbekam der die Seilenden verlängerte. Mehrmals presste sie die Augen zusammen um Beruhigungsfasen einzulegen. Endlich schaffte sie die stabile Knoten, welche ihrem Körpergewicht standhalten mussten. Spannte hastig das dicke Seidenband um die vordere und rückseitige vorstehende Schulterplatten. Mit der Gewissheit, ihre Sicherheit ziemlich verbessert zu haben, lockerte sich allmählich ihre schmerzhafte Haltung. Sie ritt auf Mika, einem intelligenten Wesen das sie als Pfleger akzeptierte. Schliesslich hatte Mika sie gepackt und auf ihr parkiert. Sie wünschte diese Begleitung und würde sie sicher nicht sterben lassen, wenigstens nicht während der Flugzeit.
Konzentriert spähte Suntanun auf die verschwommenen, grünen Farbtupfer weit unter ihr. Erkannte an den bunten orangen, rotenFarbtönen das herbstliche Laub der verfärbten Wälder. Die wenigendunklen Tönen wiesen auf abgeerntete oder brache Äcker hin. Ein paar karge hellgrüne Wiesen deren getrocknetes Heu längst in den Scheunen, für den kommenden Winter, einlagerte. Weisse Flecken in den schattigen Hügeltälern verrieten das ein früher, langer Winter kommen würde. Hellblau das eisige Flusswasser. Wegen der intensiven Sonneneinstrahlung glitzerterten die schäumenden Wellenkronen Silbern auf. Nach den Tagen in der kargen, schumrigen Höhle, nahm Sunta die Farben viel intensiver als sonst war. Das helle blau erinnerte sie an Pol Augen. Himmel, sie zuckte bei dem Gedanken an ihn zusammen. Bestimmt brach sie so ziemlich alle wichtigen Regeln, Gesetzte die es bei dem gut organisierten Volk gab. Diesmal drohte ihr sicher die Höchststrafe oder vielleicht einfach Verbannung. Irgendwie mochte sie, trotz allem, die zusammen gehörende Gesellschaft. Vielleicht musste sie diese, nach ihrem unfreiwilligen Ausflug, endgültig verlassen. Sie würde einen Rauswurf aus den Höhlen bedauern, denn was blieb ihr noch? Das war so traurig wie damals als ihre Eltern wegzogen und mit ihnen mehr als das halbe Dorf. Sie lehnte sich Trost suchend an den warmen Körper von Mika. Ja, eine Trennung von diesem wunderschönen, wenn auch eigensinnigen Drachen würde ihr weh tun. Irgendwie wollte sie dieses ungewöhnliche, intelligente Haustier weiterhin für sich alleine haben. Sunta wusste aber, das ein Rauswurf aus der Gemeinschaft auch eine Trennung von Mika gleichkam. Für dieses mystische Wesen musste sie kämpfen. Sie beide so rasch wie möglich wieder zurück in die sichere Höhle bringen. Doch wie überzeugt man einen freiheitsliebenden Drachen?
Mika merkte die Veränderung ihres Flohs. Ausserdem waren die ungeübten Flügel etwas müde von der ungewohnten Spannung. In einer fliessenden Bewegung setzte sie zur Landung an. Flink und wesentlich leichtfüssiger als ein Pferd trabte sie über eine Stelle mit Schnee. Hob nach jedem Bodenkontakt die Füsse hastig hoch um der Kälte auszuweichen. Auf dem mit Steinen gesäten Flussufer, senkte sie ihren langen Hals, schlürfte laut in kleinen Zügen das köstliche Nass gierig ein. Die rasante gesteigerte Körperwärme forderte ihren Preis. Da sich Sunta auf ihrem Rücken wohl fühlte, trabte sie bereit ihre Freizeit voll auszunutzen auf die blühenden Alpenwiesen zu. Rupfte die schmackhaften Kräuter büschelweise aus. Ausserdem gab es vereinzelte Tannen mit knusprigen Zapfen, aus denen leckere Tannensamen fielen. Mika kannte diese krosse Spezialität. Liebte den süssbitteren Geschmack. Wenn sie sich aufrichtete erreichte sie bei ihrer Grösse spielend die obersten Zweige. Hastig schluckte Mika was sie erbeutete hinunter. Erst als Sunta ihr Band löste und bibbernd vor Kälte von Mika herunterkletterte, bremste sie ihre hastige Gier. Absteigen bedeutete eine längere Rastzeit.
Nervös drängte es Sunta zu einer dringenden Sache. Die Anspannung vom Flug und alles… sie brauchte eine Toilette. Obwohl es keine umliegenden Hütten oder Einwohner gab, flüchtete sie zu einer abgelegenen Baumgruppe. Ihre Füsse balancierten schön über die höheren schneefreien Baumwurzeln. So suchte sie ihr verstecktes Plätzchen aus.
Wenige Minuten später trat sie ziemlich erleichtert aus ihrem Sichtschutz hinaus. Leicht fror sie wegen dem feuchten Unterhemd. Die Sonne wärmte wegen der dünnen Höhenluft nur wenig. Zwischen ihr und Mika gab es ein paar Steine in der Wiese. Um diese herum war der Schnee schneller geschmolzen. Also hüpfte sie auf den warmen Steinen zu dem fressenden Drachen hinüber. Ihre Arme umschlangen wärmend ihren Oberkörper. Erst in zwei,drei Stunden wurde es Mittag und damit die höchsten Tages Temperaturen erreicht sein. Der restliche Schnee schmolz sichtlich zu kleinen Flecken. Glitzerte wie geschliffene Diamanten im Sonnenlicht.
Das künstliche Licht der Unterwelt quälte Sunta empfindliche Sinne. Lange hielt sie das blendende Licht nicht aus. Leicht ungeduldig wartete sie ab bis Mika satt war.
Späte gelegentlich umher. Selten vernahm sie das Pfeifen eines Vogels, dafür kaute, mahlte der kräftige Kiefer Mikas umso gewaltiger und das Knacken der Zweige wenn sie ganze Äste abriss. Die erfahrende Hirtin schloss die Augen und horchte weiter. Auf einmal schien es ihr ungewöhnlich still im Hintergrund. Sie fühlte sich selber leicht unwohl. Gewarnt öffnete Sunta die Augen. Unverblümt starrte Mika bewegungslos direkt zu ihr hinüber.
„Bist du fertig“, klapperten Suntas Zähne. Zweifelte, denn ganze Zweige hingen noch aus dem Unterkiefer der Drachendame herunter. Was hatte sie? Unwillig bewegte sich Sunta steif auf ihrem Standpunkt herum. Erstarrte nachdem sie realisierte, was sie hinter sich blickte. Selbst das Zittern setzte aus. Wie eine Statue nach Aussen, innerlich raste die lähmende Panik durch ihre Blutbahnen. „Kataner“, hauchte sie entsetzt. Eine handvoll Kataner umringten ihre Baumgruppe wo sie vorhin auf ihrer Toilette war. Natürlich folgten sie ihrer teilweise sichtbaren Spur.
Obwohl Kataner bekanntlich als Kurzsichtig galten, verstanden sie es wieGespenster überraschend aufzutreten. Trotz ihrem schweren Gewicht, hatte es für Sunta, keinen vorwarnendes verräterisches Knacken oder Stampfen gegeben. Sie standen einfach steif da und starrten beobachtend. Seltsame Laute drangen zu ihr hinüber. Beschäftigt diskutierte die Gruppe in ihrer heimischen Sprache. Sunta hielt diese Besprechung für äusserst günstig eine Flucht zu wagen. Gehetzt rannte sie auf Mika zu. Vor ihr spritzte aber auf einmal gefrorene Erde und Schnee hoch. Explodierte mit einem lauten Knall der Boden. Mehr vom Schock prallte Sunta zurück. Duckte sich als die aufgeworfene Erde wieder auf sie hinunter rieselte. Erschrocken hielt sie den Arm schützend über ihren Kopf. Völlig fassungslos blieb sie in ihrer kauernder Position um auch kein grösseres Ziel abzugeben.
Mika selber rutschten die Zweige aus dem geschockten Maul. Es sprengte ihre bisherigen Kenntnisse dass diese Stäbe für etwas anderes als nur elektrische Stromschläge gut waren.
X-beinig getraute sich Sunta zittrig aufzurichten. Vor ihr klaffte ein zwei Meter tiefes Loch. Dies in das steinharte, gefrorene Erdreich hinein! Das beeindruckte sie. Diesmal zitterten ihre Zähne vor Angst. Schaute zurück. Alle, ausser einem Kataner, standen an ihrem sonnigen Plätzchen verharrend da als genossen sie eine kurze Pause. Dieser Eine jedoch wirkte wie ein drei- vierfach gepolsterter Krieger. Mit einem runden breiten Schild der den gesamten Rücken abdeckte, schützte.
Neu war, das die gesamte Gruppe sie nicht aus den kaum sichtbaren, winzigen Augen liess. Einzig der vordere Wächter hielt einen verkürzten armdicken Stab in der Hand.
Unsicher stellte Sunta ihren Fuss gerade hin, um ihr Gleichgewicht besser zu verteilen. Sofort hob sich dieser eine bewaffnete Arm zielend in ihre Richtung.
Während Sunta mit sich haderte, ob sie Mika gefährdete wenn sie zu ihr fliehen sollte, senkte sich die Waffe wieder. Nun dämmerte ihr deren volle Absicht. Er würde erst bei einem weiteren Fluchtversuch auf sie schiessen. Mit unheilvollem Bangen bemerkte Sunta, dass ihre Feinde sie lebend bevorzugten. Der wohl gezielte Schuss vorhin, war als Warnung zu verstehen. Eine weitere Bewegung um den Feind besser zu beobachten wagte Sunta nicht. Aber der steife Hals vom Schauen drehte sie wenigstens nach vor. Verharrte zitternd in ihrer hilflosen Position. Sie kam sich reichlich dümmlich vor. Mika die ihrem Floh zutraute mit allem fertig zu werden, kaute bereits den nächsten Baum kahl. Nur mit halbem Interesse verfolgte sie die Szene.
Hinter Sunta nahmen die schwerfälligen Schritte zu. Lederscharniere knirschten. Metallschnallen klapperten. Mit böser Vorahnung entdeckte Sunta die wachsenden, grossen Schatten die sich von hinten näherten. Auf einmal roch sie alten, säuerlichen Schweiss. Ein schrecklicher, herber Gestank wie aus einem vernachlässigten Schweinestall. Hinter ihrem Rücken positionierte sich die unwillkommene Gruppe. Erst nach einem Grummellaut wagte Sunta einen scheuen Blick. Bereute ihre Neugierde. Was die Grösse dieser Kataner anbelangte, stimmten die Schauergeschichten. Der grösste Riese überragte sie locker vier Köpfe. Die andern vier Kataner massen kaum zwei Meter, dafür wirkten sie durch ihre düstere Ausrüstung doppelt so breit wie normale Menschen. Vor allem wegen ihrem Zubehör wirkten sie so unheimlich. Hinter gepanzerten Helmen, Masken mit brillenartigen Glasaugen, glotzten sie versteckte Gesichter an. Da wo die olivengrüne Haut unbedeckt blieb, schien sie mit der Abdeckung fast farblich zu verschmelzen.
Einige Panzerungen wirkten deformiert oder es lag schlicht am unfähigen Hersteller sie passend zu Formen. Jede für sich stellte ein verwirrendes Unikat dar. Von verschieden gepolsterten Stiefeln, verlängerten Schuhen, bis hin zu den zusammengenähten Resten aus verschiedenen Materialen, die am Schluss ein Hemd formten. Was ihnen herzlich wenig half menschlicher auszusehen. Von vorn glich diese 2 Meter grossen Bestien so als hätten sie ihre Kleidung mit samt den verstärkten Panzerungen aus dem Müll zusammen gebastelt und genauso unangenehm stanken sie auch. Allein der Schildkrötenartige Panzer auf dem Rücken, der sie bis zu den Knien schützte, gehörte zur einheitlichen Norm. Ein gerundeter massiver Schutz. Wobei sie dadurch einen etwas hinderlichen, watschelnden Gang erhielten.
Ansonsten versteckte Fell, gepflegtes öliges Leder oder Platten aus Metall ihren Körper. Wo Beine und Arme begannen war nur schwer zu erraten.
Ausgerechnet der Kleinste, dafür wendigste, bediente die seltsame Waffe. Hinter seiner Maske ertönte bei jedem Atemzug ein schwaches, pfeifendes Geräusch. Schaukelnd stampfte der grösste vor. Zwei andere bewachten die Seite damit Sunta nicht auswich. Von den Händlern lernte Sunta ein paar einfache Sätze von der Universalsprache der verbündeten Planeten. Zwischen den verhandelnden lauten, Grunzen und Pfeiftönen verstand sie schon deutlich mehrmals das Wort Essen. Was sie gerade weniger erfreulich aufnahm.
Dann trat auf einmal ein unnatürliche Stille ein. Einer nickte. Der Riese vor ihr klopfte in den drei Finger Handschuhe, wie für einen Startschuss. Streckte die kurzen Arme vor und klammerte mit den Händen Sunta, wie ein Schraubstock, an den Armen fest. Befehlend schupste der Kleine einen Kollegen vor. Anscheinend hielt er sich als Boss lieber im sicheren Hintergrund. Schnaufend stellte sich ein Kataner hinter sie. Hob Suntas feuchtes Unterkleid hoch. Schnüffelte hörbar, was ihre Unruhe sichtlich steigerte. Doch sie wurde kräftig gehalten, da gab es kein Rütteln, höchstens ein schwaches Zittern. Etwas kühles streifte ihr über die Pobacken und auf einmal gab es einen schmerzhaften Stich wie von einer Nadel. Aufschreiend versuchte Sunta vergeblich sich zu wehren. Ihre seitlichen Sperrwände kauerten nieder. Wobei es so aussah als zögen sie einfach ihre Beine in den Panzer hinein und pflanzten sich so fest auf die Erde. Jeder schnappe sich ein zappelndes Körperteil. Raue Handschuhe taten ihrer frierenden Haut weh. Alle wartend auf das Urteil von dem hinter ihr stehenden. Langsam kapierte sie warum nur ganz selten Frauen einen Überfall von Kataner überlebten. Sie wurden vorher ausgemustert, ob sie sich als Versuchskaninchen eigneten oder nicht. Unfähig, ihre vor Kälte tauben Füsse zu bewegen, blieb ihr keine grosse Wahl als stillzuhalten. Diese intelligenten Geschöpfe besassen unendliche Kraft in ihren kurzen Gliedern.
Grunzend meldete sich der Inspektor in ihrem Rücken. Rief die letzten Kollegen heran. Einer von den Neuankömmlingen verursachte den anderen Haltern ziemlichen Respekt. Sie zogen ihre kurzen Hälse noch kürzer ein oder sahen zur Seite. Der Boss der Truppe zog einen ledernen Handschuh aus und schleuderte ihn achtlos zu Boden. Vier kleine graugrüne Finger wanderten wie eine Spinne über Suntas Bauch hoch. Schoben sich unter ihr Hemd bis zu ihre Busen. Erstaunlich rücksichtvoll erkundigten die plump aussehenden Finger das ungewohnte Terrain. Konzentriert verstummte die Runde. Die verständliche „nicht essen“ Prognose erleichterte Sunta kaum. Es kam Bewegung in die Gruppe. Grob stiess der Boss, alle die nicht Sunta festhielten, auf die Seite. Ein fauchendes Geräusch ertönte. Geschickt löste er seine Maske von einem Helm. Kleine schwarze Knopfaugen, von unzähligen Runzeln umgeben, blinzelten sie an. Seine fast platte Nase wirkte kaum menschlich. Ein Gesicht das wie eine verzogene Kunststoffhaut aussah, welche man zu nahe an Feuer gehalten hatte und zu einer gruseligen Maske schrumpfte.
Rüde boxte er Sunta mit einem Ellbogen in den ungeschützten Magen, so dass sie sich krümmte. Danach folgte ein wahrer Alptraum für die Hirtin. Später erinnerte sie sich noch, dass er an einem Riemen riss und seinen vorderen Panzer beiseite schob. Fingerte zwischen dem gepolsterten Leder. Da sie halb gebückt war, sah sie deutlich wie ein blaugrüner Urinstrahl, sich wie giftige Säure, vor ihr durch den Schnee frass. Es stank noch viel grässlicher als sonst. Mit tollpatschigen Tanzbewegung umrundete er die verstörte Sunta. Die unschlüssig, ob sie ab dem grotesken Ritual in Lachen ausbrechen sollte oder in ein passeendes hysterisches Angstgeschrei. Heiser seine fauchende, warnende Stimme, „Meine Beute!“. Missgünstig trottete aber ein weiterer Riese näher ins markierte Sperrgebiet. Sofort herrschte Chaos. Einer der Wärter lies Suntas Arme los. Der Streit begann. Kataner gegen Kataner und Sunta nutzte ihre Hände um den frechen Gesellen hinter ihr, an den wenigen fetten Haarbüschel zu packen und von den Beinen zu zerren. Grell der schrille Ton, als ob man einen Vogel bei lebendigem Laib aufspiesste. Nun stürzte sich Sunta auf die geschockten Geiselnehmer. Diese reagierten auf Gewalt tatsächlich wie ein echte Schildkröten und zogen den Kopf rettend ein. Wütend packte die Hirtin eine Handvoll Schnee und presste mit ihrer kleinen Faust problemlos diese in die Höhle hinein wo kurz vorher der Kopf verschwand. Zuckend rollte der nächste Körper wie elektrisiert von dannen. Dafür landete Sunta auf ihrem Hintern als der klügere Kleine seinen Stab, kraftvoll von hinten, in die Kniekehle schleuderte. Und ein anderer kreativer Kataner kam auf die Idee sich einfach frech auf sie drauf zu setzen. Unter seiner erdrückenden Last zappelte Sunta vergebens. Wieder zehrte man sie an jedem Hemdzipfel. Einer packte wieder schmerzhaft ihre Beine, drückte sie auseinander. Ihr Oberkörper bekam von der schweren Last fast keine Luft. Dazu erhielt sie einen schmerzhaften Schlag auf den Kopf der sie ziemlich viele Sterne sehen liess und sie für ein paar Sekunden ruhig stellte. Beunruhigt sah einer der Kataner zu dem Drachen hinüber. Der schnappte sich ungerührt die zartesten Tannenspitzen und wirkte in keiner Weise interessiert, was sonst in seiner Umgebung geschah. Einzig der halb betäubte Sunta fiel auf, wie Mika heimlich zu ihr rüberschielte. Der Drachen wollte von seinen einmaligen Ausflug jede Sekunde auskosten. Trotz den kulinarischen Köstlichkeiten behielt er seinen Floh in seinem Blickwinkel. Alleine schon weil er dessen unerklärliches Verhalten beobachten wollte. Sunta hingegen kam endlich eine zündende Idee. Ob er ihr gehochte?
Heiser und mit letztem Verstand brüllte Sunta in der Sprache der Erdelfen, „Futter, Futter!“
Für die ahnungslosen Kataner ging es um weit aus wichtigeres als eine verzweifelte Beute zu verstehen. Der fremde Dialekt interessierte sie überhaupt nicht. Sie kämpften um das Vorrecht einer wertvollen Handelsware. Eine Sklavin mit der sie machen konnten, was sie wollten. Sie übersahen völlig die neue Gefahr. Futter! Mika neugierig von der Vorspeise, fragte sich ob da was besser schmeckte. Sie brauchte nur wenige Schritte um die erste lebende Beute zu erreichen. Mit einer ihrer langen Krallen hakte sie einen Kataner am Boden fest. Scheuchte mit der Wucht ihrer Schwanzspitze den Rest in ihre sicheren Panzer zurück und biss herzhaft in den ersten. Allerdings erwies sich der Panzer von den kampferprobten Kataner stabiler als ihre Zähne. Das zusätzliche trockene Leder kratzte empfindliche über ihre Zunge und hinterliess eine schalen Geschmack vom bitteren Gerbmittel. Sie spuckte das ganze zähe Packet wieder hinaus, dass der auserwählte Kataner, über die fünfzig Meter weit fliegen lernte. Angeekelt wollte sich Mika schon enttäuscht abwenden. Sunta rächte sich inzwischen an dem Kleinen. Der Panzer hing schief und schleuderte einen Schneeball in die Öffnung wo er die Arme eingezogen hatte. Genauso wie bei einer Allergie reagierte er. Schüttelte sich, stürzte kurz aus seinem sicheren Panzer und klopfte sich das eiskalte Nass vom schützenden Mantelfutter.
„Schnapp ihn dir;“ schrie Sunta kaum zu Ende, da zappelte der sehr dürre Happen bereits zwischen mächtigen Kiefern. In einem Stück hatte ihn Mika förmlich aus dem Panzer gerissen, geschlürft und hinunter geschluckt. Sie liess den Nachgeschmack in ihrem Gaumen wirken und empfand das würzige Aroma, von dem Pflanzensaft mit dem sich die Kataner pflegten, als sehr lohnenswerter Leckerbissen. Mit neu entfachter Begeisterung krallte sie sich den nächsten Panzer. Schälte den Kataner wie eine Auster aus dem Panzer. Schlürfte eine schreiende Köstlichkeit hinunter. Von dem neuen Spiel begeistert schnappte sie Mika einem um den andern. Erst als die letzte Knacknuss übrig blieb, stutzte sie vergeblich. Der kleine Kataner Boss bot hartnäckig Widerstand, da seine Verschlüsse mit Metall verstärkt waren. Da kratzten Mikas Krallen vergeblich über den Brustpanzer. Schliesslich stülpte sie in auf und stütze ihn damit er nicht umkippte. Ein seltsames Grollen stieg aus ihrer tiefen Kehle. So als müsste sich auch ein Drache räuspern. Doch sie schleuderte einen kleinen Feuerball in das eingezogene Schlupfloch eines Armes. Schreiend zuckte ein angekohlter, russiger Kopf nach draussen. Der beissende Geruch nach verbranntem Fleisch verbreitete sich um den grausigen Schauplatz
Angewidert sah Sunta rasch in eine andere Richtung. Aufgeweckt durch die neue geröstete Erfahrung schleuderte Mika den leeren, angekohlten Panzer einfach zur Seite. Zu spät realisierte sie ihre eigene Unachtsamkeit. Selbst die guten Drachenreflexe reichten nicht aus um das fliegende Objekt zu Stoppen. Sunta hingegen spürte einen harten Schlag am Hinterkopf. Fragte sich noch im Fallen, was sie mit dermassen Geschwindigkeit nieder kickte.
Dunkelheit. Nein, ein entferntes angenehmes Licht, verbesserte Suntas ihre schmerzende Feststellung. Ein Gedanke allein, stach wie eine spitze Nadel ins Gehirn. Also spähte sie nur umher. Was ihre verschwommenen Augen aus der Nähe wahrnahmen. Unter ihr spürte sie den wärmenden Körper Mikas. Gut, sie war automatisch in die Höhle zurückgekehrt. Schlecht dass sie darüber nachdachte. Übelkeit plagte ihren Magen. Einerseits wollte die den warmen Ort aus Bequemlichkeit nicht verlassen. Mikas Grausamkeit rief sie trotzdem zu Vorsicht. Bei so einem Urviech zu liegen bedeutete kaum, dass sie mit ihrem zerbrechlichen Körper am geeigneten Ort war. Sie verlagerte also ihr Gewicht so weit bis sie über das Drachenbein hinunter auf den Boden rutschte.
Vorsorglich knabberte Mika bereits an ihrem feuchten Unterkleid. Bevor der Drache sie daran zurückzog, legte Sunta den Arm auf die schnappenden Nüstern, stiess sie weg. Kraft besass Sunta im Körper, doch die Koordinaten schienen durcheinander geraten zu sein. Vor ihren Augen wollte sich lange kein klares Bild zusammenstellen. Sie versuchte abzuschätzen wo der Ausgang lag. Schloss die Augen und marschierte blind darauf zu. Hielt Abstand von den schmutzigen Wänden. Ausgestreckte Arme verhinderten einen harten Aufprall. Sobald sie die Augen öffnete fühlte sie sich schwindlig, also liess sie die Schalter von der Decken Öffnung einfach in ihrer offenen Stellung.
Sie trat in den Gang hinaus und lehnte sich erst einmal an die kühle sichere Mauer. Zum ersten Mal in ihrem Leben erreichte sie den schlimmsten Tiefpunkt. Verspürte den Wunsch nach einem unkomplizierten sicheren Zuhause.
Ein Schatten eilte ihr im Gang entgegen. Beschleunigte Schritte als er ihren schlimmen Zustand erfasste. Rial legte ihre stützend die Arme um die Taille. „Sunta! Wie siehst du den wieder aus! Komm ich bring dich in mein Quartier, da kannst du dich frisch machen, bevor Pol dich so erwischt.“
Dafür empfing er aber einen weichen Stoss ihres Ellbogens. „Rial, warte“, flüsterte sie bedrängt. „Hilf mir zuerst Mikas Deckenschleuse zu schliessen. Mach das für mich, bitte.“
„Schon gut“, wehrte er die bittenden Hände ab. „Bin schon unterwegs.“
Eilig, rannte fast auf die Tür zu. Es viel ihm schwer sein Gesicht gleichgültig zu beherrschen. Mikas offene Aussenluke, am helllichten Tag, oder auch Nachts ohne Bewilligung bedeutete einen heftigen Verstoss gegen alles was er kannte. Er konnte nur hoffen, dass niemand von dem erfuhr und es ihr beides Geheimnis blieb. Doch das rote Schild am Eingang zu Mikas Höhle verriet was anderes. Pol schriftliche Order lautete das niemand den Unterricht darin stören sollte. Er wusste also genau von Suntas Ausflug und sorgte dafür, dass niemand sonst davon erfahren sollte. Obwohl es keinen Grund zur Eile gab, klappte Rial schnellst möglich alle Sicherungen an ihren alten Ort. Es krachte Laut als der trockene Mechanismus zurück an seinen gewohnten Platzt rollte. Einigermassen gefasst rannte er zurück zu der vorwärts schleichenden Sunta. Abstützend nutzte sie die Hände als Orientierung.
„So“, begann er in ihrem Rücken sie anzusprechen um sie auf seinen Anwesenheit vorzubereiten. „Was hast du für weitere schockierende Pläne auf Lager?“ Er hatte bereits seinen unbeschwerten Humor wieder gefunden.
„Mika“, flüsterte sie. Hielt sich die pochende Stirn. „Ihr braucht sie nicht mehr zu füttern.“ „Wieso?“ er fürchtete sich bereits vor der Antwort. Aufdringliche Bewerber auf die Art zu beseitigen, akzeptierte hier unten niemand. Dafür würde selbst Sunta zur Verantwortung gezogen.
„Draussen. Ausserhalb. Kataner“, kürzte Sunta den Bericht ab. Rial reagierte aufatmend, dann jedoch fasste er sich bestürzt ans Herz. In Suntas Nähe wurde ihm nie Langweilig. Dafür verdiente sie eine Gegenleistung. Ergreifend packte er sie, ohne auf ihre Proteste zu achten, in seine Arme hoch. Trug sie ein paar Meter, bis ihn schmerzhaftes Haare zucken warnte. Bevor er ein paar wertvolle Haare opferte, beschwichtigte er, „Sunta, ich bring dich direkt in Pols Quartier. Das willst du doch? Dann halt still!“
Müde schmiegte sich Sunta ihren schweren Kopf an Rials Schulter. „Ich hab kalt.“
„Ach“, verteidigte Rial ihre vernachlässigte Aufmerksamkeit. „Wenn ich dir jetzt meinen Pullover oder Umhang anziehe, dann glauben alle dass du mit mir zusammen warst. Das vor einem angekündigten Turnier wäre Fatal für deinen Ruf. Beschwere dich also nicht. Wir bald in Pols Quartier. Glaub mir, es ist auch in meinem Interesse nicht mehr mit dir zusammen gesehen zu werden. Du scheinst mir mehr Ärger als Nutzen zu brigen. Riesigen Ärger! Nur noch ein paar Schritte, noch einen Gang.“ Keuchend mit der ihm schweren Last, hastete er den letzten aufwärts führenden Gang hoch. Ausgerechnete wenige Meter vor dem Quartier begegnete er einem Kollegen von dem Quartiermeister. Als der den erbärmlichen Zustand Suntas erblickte, forderte Rial souverän. „Hole Pol her, schnell!“ Damit ersparte er sich die aufkommenden Fragen zu beantworten. Der vernünftige Bursche flitzte im Eiltempo davon.
Rial trat mit einem mulmigen Gefühl, rückwärts an dem sperrigen Vorhang vorbei, ins fremde Quartier. Stolperte über den kleinen Salontisch. Warf Sunta in letzter Sekunde förmlich aufs Sofa. Nachträglich verschaffte ihm die rüde Behandlung einen unsanften Fusstritt ins Gesicht. Automatisch glaubte Sunta sich bereits einem nächsten Angriff ausgesetzt. Dabei wollte Rial, mit guten Absichten, Sunta etwas herrichten bevor der zornige Pol auftrat. Leider stimmte sein Plan nicht mit der entsetzten Sunta überein. Entschieden wehrte sie sich gegen das umziehen ihres feuchten Kleides. Strampelte setzte sie sich zu wehr. Schliesslich als bereits eilende Schritte im Gang donnerten, warf Rial kurzerhand den Sofaüberzug als wärmende Decke über die unruhige Frau. Gerade Rechtzeitig. Niemand sollte ihm Vorwerfen einer hilflosen Frau nicht geholfen zu haben. Oder schlimmer, mit einer hilflosen Frau nicht zurecht zu kommen. Wuchtvoll schleuderte der schwere Türvorhang auf die Seite. Pol trat mit ernstem, sorgevollem Gesicht herein. „Was?“ Entdeckte eine unter einer Decke versteckte Sunta und ein verstörter Rial. „Hinaus!“ Vereidigte er sofort sein Revier. Vor allem Rials Anwesenheit wünschte er als allerletztes in seinem vertrauten Heim.
Abwehrend hob der zu unrecht beschuldigte die Arme. „Bitte Pol, sei nachsichtig. Ich hab sie bereits in dem Zustand so gefunden. Und…“ Er flüsterte leise zu Pol, damit es die zwei neugierigen Zuschauer am Eingang nicht mitbekamen. „ Ich hab das Aussentor geschlossen. Es ist zumindest für Sicherheit gesorgt.“
Als fürchtete er sich vor ihrem Anblick, hob Pol sachte einen Deckenzipfel hoch. Bibbernd zerrte Sunta den wärmenden Schutz an sich zurück. Eine Schrecksekunde benötigte selbst ein erfahrender Pol, um sich zu fassen. Dann reagierte er sofort. Wandte sich an die störenden Zuschauer draussen. „Ihr! Holt mir sofort die Wasserträger her. Wenn die Wanne nicht in fünf Minuten hier ist, lass ich jeden von euch eine Stufe tiefer degradieren!“ verscheuchte er sein unliebsames Publikum.
Als er sich umwandte, spähten Sunta halboffene Augen über dem Deckenrand hervor. Ein Blick auf Pol und sie versteckte sich lieber wieder vorsorglich unter der Decke. „Wann“, fragte Pol zweifelnd, „Wann treffe ich dich je sauber nach einem Ausflug an?“
Inzwischen rückte Rial still in den Hintergrund. Er hielt es für klüger vor dem aufgebrachten Pol zu verschwinden. Meinte nur so zum Abschied. „Lass dir alles in Ruhe erklären. Von mir wird keiner ein Wort hören. Dass sie nach so einem Ausflug überhaupt noch hier ist, grenzt an ein Wunder. Mika ist auch zurück. Niemand wir also eine Beschwerde einreichen. Bestraf sie nicht zu hart, sonst Fragen sich die anderen wofür.“ Danach verdrückte er sich bevor Pol ihn mit unangenehmen Fragen festnagelte.
Nachdenklich setzte sich Pol an den Sofarand. Sobald Sunta sein nahes Gewicht merkte, hüllte sie sich fester in die Decke. Mit schlechter Laune betrachtete Pol die schmutzigen Füsse. Viel zu lange dauerte ihm die Ewigkeit, bis die Wasserträger antrabten. Mit einer elastischen Rute trieben sie zwei Esel an. Brav warteten die draussen vor der Türschwelle. Die restlichen Meter war reine, schwere Handarbeit der Leute. Da polterte in der Eile schon ein hölzeneres Wasserfass an seine kostbare Zimmergestaltung. Pol übersah mürrisch die oberflächlichen Kratzer an seinem lieb gewonnen Mobiliar.
Erst als ein paar unvorsichtige Wasserspritzer den kostbaren Teppich benetzten, stand Pol auf. Scheuchte die sonst so ordentlichen Serviceleute nach draussen. „Holt Morgen das kalte Wasser ab. Danke, schreibt es grosszügig auf die Liste.“
Verbeugend, wieder mit einem gezwungenen Lächeln im Gesicht, zogen sich die braven Helfer diskret zurück. Sobald Ruhe in die Höhle einkehrte, zog Pol mit einem energischen Ruck die Decke in einem Zug von Sunta runter. „So, lass uns mal den neuen Schaden besichtigen. Du hast zusätzliche blaue Flecken an den Armen. Quetschungen am Bein. Getrocknetes Blut in deinen Haaren. Was ist das für eine blaugrüne Flüssigkeit auf deinem Hemd? Wow, du stinkst noch schlimmer als frische Drachenscheisse. Eher wie abgestandene Drachenpisse! Mein Sofa ist ruiniert. Runter da!“ Mit Rücksicht auf seine Nase hielt er ein paar Meter Abstand. „Du hast heute einen neuen Rekord aufgestellt. Wie hat das Rial nur ausgehalten.“ Wunderte er sich kurz. „Sunta, rein in die Wanne! Hörst du mich überhaupt…“
Er kochte innerlich vor Zorn, beruhigte sich jedoch zunehmend.
Sie stand ja so kläglich da. Ihre dünnen Oberarme umarmte sie sich selber, um die bisschen Wärme am Körper zu halten, welche sie noch besass. Zähne klapperten unkontrolliert. Unnachgiebig deutete Pol stumm auf die Wanne.
Mit unsicheren Beinen schwankte sie auf das erfreuliche, dampfende Bad zu. Versuchte gar nicht erst ihr Unterhemd auszuziehen. Klamme Finger stützten sich sofort am Wannenrand ab. Begeistert tauchte sie einen Fuss ins Wasser… rasend schnell wieder hinaus. „Heiss!“ Beschwerte sie enttäuscht über die getrübte Vorfreude. Verwundert getraute sich Pol an ihre stinkende Seite. Tauchte vorsichtig einen Finger in das seifige nass. Empfand es sogar eher als nur mässig Lauwarm. „Sunta, das ist nur weil deine Unterkühlung etwas Zeit braucht. Halte die Arme hoch“, riet er ihr. Sie zweifelte, „Dadurch wird mich aber auch nnicht wwärmer.“
„Nein.“ Schwungvoll riss er die letzten Fetzen von ihrem Kleid über den Kopf. „Dafür wirst du sauberer. Was hast du getan? Da sind einige violett unterlaufene Flecken auf deiner Schulter und neue Kratzer. Dreh dich um!“
Verschämt kreuzte Sunta die Arme vor dem Busen. „Muss das sein?“
„Vor mir brauchst du nichts zu verstecken. Dein kurz geratener Körperbau ist für uns nicht das ideale Schönheitsbild. Aber ich sehe so besser, wo du heilende Umschläge brauchst. Dreh dich schon…“ Musterte sie unerbittlich von Kopf bis zu den Knien. Der Rest darunter war schon unter Wasser versteckt.
„Sunta, auf deine Geschichte bin ich gespannt.“ Besorgt entdeckte der die Blutergüssen an den Rippen. Tastend, vorsichtig berührte er mit der flachen Hand über den Magen, seitlich. Zitternd taumelte Sunta zurück. Ängstlich.
Unentschlossen bis er sich auf die Unterlippe, schüttelte den Kopf und winkte sie heran. Bange gehorchte die misstrauische Hirtin. Mit nur einer warmen Handfläche, die er probeweise auf den Bauch legte, dann langsam über die Rippen wanderte. Er wartete geduldig ab und verschob seine Hand nur Zentimeter weise. „Vorher warst Du nicht so nervös. Hat Mika an was Schuld?“
„Nein“, sie fürchtete sich vor einem Geständnis. Setzte sich tiefer, in das warme angenehme Nass. Forderte ihn auch auf, sich entspannt Hinzusetzen. Abweisend kreuzte er seine Arme. „Ich vertrage mehr als du denkst.“
Unsicher lächelte sie. „Bestimmt. Das traue ich dir ja zu. Aber mir ist etwas Abstand wohler.“
„Aha“, besänftigt liess er sich in den nächsten Sessel fallen. Bemüht, auf alles vorbereitet zu sein. Bemerkte dass ihr so ziemlich jede Bewegung, selbst in der Wanne, schmerzte.
Ungeduldig drängte Pol, „Hey, du kannst anfangen. Besser jetzt als später. Ich will es von dir direkt hören und keine wilde Gerüchte.
„Kataner“, lieferte sie den ersten Hinweis. Diesmal klammerten sich seine langen Finger verkrampft in die gepolsterten Sessellehnen. Vieles erwartete er, aber nicht diese unmögliche Tatsache. Niedergeschmettert hörte er sich bewegt ihren Bericht an. Wobei Sunta Wert darauf legte die peinliche Untersuchung aus zu lassen und gleich rüber wechselte, von der Bedrohung und dem seltsamen Kampf der unterschiedlichen Kataner. Sie entschuldigte sich für das Aufmachen des Tores, das überhaupt alles verursachte hatte und sprach auch die Verwunderung aus mit der Mika sie Grundlos, ohne die nötige Aufforderung, nach Hause brachte.
Ein paar Minuten blieb es still im Raum. Er brauchte Zeit um zu überlegen. Seine anfängliche Wut war längst verraucht. Er fühlte momentan eher den Wunsch sie zu beschützen. Wenn es auch vor ihrer eigenen Dummheit war. Gab sogar sich eine Teilschuld, weil er ihr einen Begleitschutz für den ganzen Tag hätte zu Verfügung stellen sollen. Denn das sie so üble Unglücke anzog, damit hätte er rechnen müssen. Also spazierte er ruhig zu ihr rüber. „Lass mal genau sehen. Mit Kopfverletzungen ist nicht zu spassen.“ Echt Besorgt tastet er ihren Hinterkopf ab. Deutlich spürbar die angeschwollene, seitliche Beule in den langen rotblonden Haaren. Was immer sie niederstreckte, sie hatte Glück dass es nicht in einem anderen Winkel heran flog. Es wunderte ihn auch, das Mika sie freiwillig nach Hause brachte. Selten kehrte ein Problemdrache, den man mit Elektroschocks konfrontierte, überhaupt in den alten Stall zurück. Erstaunlich wie so viele unklare Details in der merkwürdigen Geschichte.
Dennoch nutzte er die Gelegenheit mit seinen Fingern ihren Nacken zu massieren. Schaute wie weit Sunta nachgab. Minutenlang dauerte es schon bis er ihre Schultern einigermassen entspannte. Weiterhin unzufrieden gab er auf. Ihm fehlte einfach die jahrelange Erfahrung von Klump. Enttäuscht über seine Unfähigkeit schnappte er sich das grossen Badetuch: „Auf!“ Riss er sie brutal aus den vor sich hin träumenden Minuten. Unsicher stemmte sich Sunta hoch. Kopfschüttelnd hüllte Pol sie in das dicke, flauschige Tuch. Hob sie unaufgefordert über den Wannenrand hinweg. Spürte erneut die Anspannung in ihrem Rücken. Trotzdem liess er es sich nicht nehmen sie hinüber zu tragen. So weit er sich zurück erinnerte, wog Maha ziemlich weniger. Aber er merkte sogleich dass eine kleinere Person wie Sunta viel praktischer in seinen Amen lag. So unsagbar nahe, vertrauensvoll schmiegte sie sich an seinen Körper. Das steigerte sein Glücksgefühl. Fachte aber auch die Sehnsucht nach einer wahren Gefährtin wieder an. Egal wie sehr er in diesem Moment gerade wünschte, Maha zu ersetzen, so gehörte diese ihm anvertraute junge Frau, nicht aus diesen Gründen in sein Bett. Er brauchte dringend Abstand. Geradezu hastig brachte er Sunta in den abgedunkelten Raum des Schlafzimmers. „So, du bleibst schön liegen. Ich versuche inzwischen den Schaden auf dem Sofa zu beheben, bevor der Dreck eintrocknet. Ausserdem besorge ich was gegen deine Scherzen. Versprich mir dass du mit keinen Fuss den Boden berührst!“ Beabsichtigte er sie für die Zeitspanne zu verlassen, die er auch brauchte um klar Nachzudenken .
„Klar“, flüsterte Sunta. Bevor er den Ausgang erreichte fügte sie matt hinzu, „Ich springe nur von Stuhl zu Stuhl und zuletzt aufs Sofa, schon bin ich…“ Sein drohender Gesichtsausdruck sah durch das halbdunklen Zimmer düsterer aus. Vertiefte die schärfe seiner Augen zu einem unvergleichlichen Dunkelblau. Schneller als ihr lieb war, kehrte er zurück an ihre Seite und beugte sich vor. Beinahe berührten sich ihre Nasen. Beindruckt von seiner entschlossenen Präsenz erschauderte Sunta. Wich automatisch tiefer in die weichen Kissen zurück.
Leise quietschte sie verteidigend hoch. „War nur ein Scherz!“
Klar sein deutlicher Ton. „Nachdem was du heute geleistet hast, ist selbst eine unmögliche ersponnene Ankündigung eine Gefahr für dich. Rühr dich nicht vom Fleck! Das ist kein Spass mehr. Ich will das du schläfst und atmest. Alles andere ist verboten!“
Sagte er streng. Leicht schockiert zog sich Sunta die Decke bis zum Hals hoch.
Während Pol in langen eiligen Schritten verschwand, träumte Sunta tatsächlich still vor sich hin. Die stetige Ruhe der Höhle tat ihr gut. Doch die schmerzenden Stellen an ihrem Körper verhinderten einen tiefen Schlaf. Irgendwann eilte Pol mit einer Kanne Tee und einer grossen Tasse herbei. Zwang Sunta den ganzen Inhalt auf der nach vielen harmonierenden Kräutern roch. Worauf sie kurz darauf hin, eine auffällige Schläfrig überfiel, die einer Betäubung gleich kam. Vernahm kaum mehr das Pol sie wieder zudeckte. Aus der Ferne glaubte sie noch Klumps besorgte Stimme zu vernehmen.
Mitfühlend hielt er eine kraftlose Hand zwischen seinen Fingern. Teilte seine Meinung mit Pol. „Die Zeit ist überfällig, dass sie einen anständigen, festen Begleiter bekommt, der auf sie Acht gibt.“
Pol bemängelte, „Es liegt in Deiner Hand. Warum verschiebst du deine Entscheidung nicht auf einen früheren Zeitpunkt?“
Das milde Lächeln eines alten Mannes, der schon viel erlebt hat, sah ihn an. „Da liegt eine feine Störung in der Luft. Erst wenn die sich auflöst, erhältst du meine Zusage, dass ich die Verantwortung über sie annehme. Keinen Tag früher.“
„Was weisst du, was ich nicht weiss?“ Nahm es Pol wunder. Normaler Weise bevorzugte Klump einfache Lösungen. Doch diesmal half ihm Klumps verschlossene Handlung nicht weiter. Geheimnisvoll lächelte dieser vor sich hin. „Das Alter verschafft einem ungeahnte Vorteile. Zeit hat eine andere Bedeutung. Eines Tages wirst du es verstehen. Wir sehen uns später:“
Im stillen Einvernehmen trennten sie sich.
Wenig später legte sich Pol, einmal mehr über die Mysterien des Lebens überrascht, neben Sunta schlafen. Träumte von seiner schlanken, verführerischen Maha. Leider passte das geträumte nicht mit der wahren Realität überein. Die wenigen intimen zusammentreffen mit seiner Verlobten verdeutlichten ihm, dass wirklich eine längere Absprache zwischen ihnen bevorstand. Weniger als dieses unangenehme Gespräch störten ihn längst die zündenen Sprüche einiger Kollegen. Die schienen sogar von einem Liebhaber, seiner sonst so diskreten Maha, zu wissen. In letzter Zeit lief alles aus dem gewohnten Ruder. Er vermisste Mahas anfängliche Verliebtheit, als sie fast täglich, nach seiner Arbeit, hier im Quartier auf ihn wartete. Ein kleines Voressen hier, ein paar Küsse oder mehr, bevor sie gemeinsam in der Kantine das Abendessen einnahmen. Alles schwächte sich in den letzten Jahrzehnte schleichend ab. Bei exakter Betrachtung war gar keine Aussprache mit ihr nötig. Er hatte bisher einfach übersehen, oder einfach nicht wahrhaben wollen, was Mahas wahre Ziele waren. Zwar plante sie eine feste Verbindung mit ihm, doch ihr Interesse dabei war eher politischer Natur. Ihr lag eine höhere, gewinnbringende Position in der Rangordnung mehr am Herzen, als eine harmonische Verbindung. Vielleicht konnte sie mit dieser unterkühlten Beziehung leben, er aber nicht. Er sehnte sich nach mehr. Mehr als eine perfekte Anpassung, die in Langeweile ausuferte. Es war längst passiert und er wollte es nicht wahrhaben. Erleichtert und Enttäuscht nahm er es jetzt zur Kenntnis. All die vielen hingehaltenen Jahren. Er schlucke leer. All die anstengenden Jahre, wie er verbissen in seinem Job nach oben strebte, um seiner Maha ein besseres Leben in einem grösseren Quartier zu bieten. Auf einmal sollte sein Lebensziel einfach so weg sein? Vielleicht träume er ja einen bösen Alptraum? Nein, wenn er aufwachte, war da keine Maha die ihn zum Frühstück abholte. Stattdessen lag eine ziemlich eigenwillige Sunta neben ihm. Sie roch angenehm nach der Vanilleseife. Vielleicht ein bisschen herb nach dem tierischen Drachen. Was perfekt zu ihrem ungezämten, interessanten Charakter passte.
Schmerzhaft boxte ihn ein harter Ellbogen in die Rippen, wach. Verstört brauchte er einen Moment um in der Dunkelheit die Orientierung zu finden. Heftig stiess ein weiterer Stoss abermals in die empfindliche Stelle. Sofort rutschte er zur Seite, in Sicherheit. Musste aber zu sein seinem Entsetzten feststellen, dass er seine Hände von einem warmen, weichen Untergrund abzog. Anscheinend hatte sein Körper im Schlaf automatisch reagiert. Mit einer leisen Entschuldigend, zog er die Hände zurück. Keinesfalls als hätte er sie verbrannt, sondern eher zögerlich, bedauernd. Sunta verdrückte sich an die äusserste Bettkante. Das ziehen der Decke verriet wie sehr sie sich dort schützend zusammen zu rollte. Betroffen, weil er ihr vermutlich weh getan hatte, flüsterte Pol. „Ehrlich, es lag nichts in meiner Absicht. Ich hab nur von Maha geträumt“, gestand er unbeabsichtigt ehrlich. Schalt sich dafür gleich selber. Sie fasste das garantiert falsch auf.
„Ihr Männer denkt doch immer nur an das eine“, klagte Sunta unter der Decke. Vergeblich suchte Pol nach einer versöhnenden Lösung als Sunta sein Denken unterbrach. „Ich will nach Hause zurück. Dann häten doch alle ihre Ruhe.“
Besonnen reagierte Pol. „Du hast kein Zuhause mehr. Oben ist es zu unsicher und hier unten finden wir den besten Platz für dich. Hab einfach ein bisschen mehr Geduld.“
„Von wegen. Es macht mir nichts aus, allein auf der Farm von Donan zu wohnen. Vielleicht kehrt er eines Tages sogar zurück. Ausserdem kann ich mich gut selber versorgen und die Kataner werden auf ihrer Suche nur ein verlassenes Dorf vorfinden. Jede abseits stehende Farm werden die sicher nicht durchsuchen.“ Obwohl sie von unter der dämpfenden Decke sprach, lag hörbar Entschlossenheit in ihrer leisen Stimme.
Nach dem ereignisvollen Tag stimmte ihr Pol gerne zu. Doch das wollte er schon mal nicht zugeben und zweites war es sein Job nicht immer die bequemste, sondern die beste Lösung zu suchen. So präsentierte er einen Kompromiss. „Gut. Wir, ich könnte intern bewilligen dass du ein paar Tage verschwindest, bis das Turnier organisiert ist. Für deinen ramponierten Ruf ist es besser wenn bis dahin kein weites Ungeschick deine Unglücksliste verlängert. Du sprengst alle bisherigen, mir registrierten Fälle. Allerdings bestehe ich auf eine gründliche Genesungszeit. Du verlässt erst in zwei Tagen dieses Quartier. In deinem jetzigen Zustand halte ich es zu riskant dich in aller Frühe raus zu schicken. Ich begründe das für die neugierigen Bewerber mit einer vorübergehenden Grippe, wenn du die kommenden zwei Tage nicht den Raum verlässt. Nach deinem herumgesprochen kalten Bad, im Trog von Mika, äusserst nachvollziehbar.“
„Wie wäre es mit einem Tag Erholung? Wenn sich mein Zustand verbessert?“ Sie wollte es unbedingt runterhandeln.
Eisern bestand er. „Zwei!“
Sunta bettelte, „Na komm schon. Einer reicht."
Zu ihrem Nachteilt tastete er als Beweis nach ihrem Arm. Ohne gross zu suchen fand er auf Anhieb eine der verfärbten blauen Stellen. Selbst die sanfte Berührung reichte aus. Empfindsam wich sie dem ausgelösten Schmerz aus. „He“, protestierte sie. „Nicht anfassen! Das war absolut unnötig! Wenn du unbedingt das Bedürfnis hast eine Frau zu berühren, dann geh gefälligst zu Maha.“
Verstimmt gab er mürrisch zurück. „Da war nur ein offensichtlicher Hinweis warum ich mindestens auf 2 Tage bestehe! Und nichts anderes.“ Beleidigt kehrte er ihr auch den Rücken zu. Da wollte er helfen und sie meckerte ständig herum. Ihm zu Unterstellen sich einer Frau aufzudrängen war einfach unverschämt. Schliesslich achtete er darauf, immer sein bestes beruflich zu leisten. Da blieb nicht mal Zeit sich um Maha zu kümmern. Wie konnte Sunta ihn auch nur verdächtigen was von ihr zu wollen. Er horchte auf ihre gleichmässigen Atemzüge. Während sie schon schlief, verfolgten ihn noch die verschiedensten Gedanken weiter. Was war nur zwischen ihnen los? Müde liess er sich auf den Rücken zurück sinken. Das war nicht einfach nur eine gewöhnliche Frau in seinem Bett. Anspruchsvoll auf ihre Weise. Sie wollte beschäftigt sein. Anders als Maha die vor allem auf ihren Körper achtete und akribisch pflegte. Bei der jüngeren Sunta zählten andere Werte vorrangig. Lieber hielt sie sich unauffällig im Hintergrund. Nur leider misslang das hier unten, auf dem fremden Terrain, gründlich. Ein lebhaftes Energiebündel, das gezielt Schutz suchte und es leider ausgerechnet bei einer Drachendame fand. Dennoch bemerkte er hin und wieder die verborgene Sehnsucht in ihrem Blick. Vor allem in der Kantine war es ihm das erste mal aufgefallen. Sie verbarg es zu gut, das Interesse nach einem passenden Partner. Doch die jugendliche Neugierde einer erwachten Frau, die sogar zwingend einen Partner wählen musste, die war vorhanden. Eine Sehnsucht nach einem passenden Gefährten. Genauso wie bei ihm. Fast wünschte er sich, für einen langen, verträumten Moment, diese Lücken gemeinsam zu füllen. Der einfühlsame Mann an ihrer Seite zu sein, der sie in alles einführte. Von der vielseitigen Liebe, bis zum Stärken ihres Selbstvertrauen. Es war ihm aufgefallen, wie sie öfters unsicher reagierte. Es jedoch meisterhaft kaschierte. Aus ihr eine selbstbewusste Frau zu formen, die hier unten den Mittelstand oder höher erreichte, war eine Herausforderung für sich. Tief im inneren ahnte er aber auch, dass sie mit den kommenden Jahren, die Oberfläche vermisste. Vermutlich mehr als ihre anderen Artgenossen, die hier unten sich mit dem angepassten Leben bereits abfanden. Suntas sonniges Gemüt passte nicht in die engen Räume hier unten. Das machte ihm Angst. Besser er hielt sich von ihr fern. Wenn auch ihr Geruch eine verführerische Note beass. Die erotischen Bilder als sie in der Badewanne lag, oder noch vor wenigen Tagen im öffentlichen Bad, beschäftigten ihn. Riefen den männlichen Part ihn ihm wach, endlich diesen ansteigenden Bedürfnissen mehr Beachtung zu schenken. Doch nicht mit Sunta, mahnte er sich streng. In seinem Erbe lag eine gewisse Verantwortung drin. Es fiel ihm schwer sie aus seinen Gedanken zu verbannen. Er brauchte…Erst einmal das Turnier abwarten. Was sich daraus entwickelte. Vielleicht fand er im weiblichen Publikum, dass vorwiegend aus Alleinstehenden Frauen bestand, eine die einem zeitlichen kurzfristigen Arrangement zustimmte. Aus Platzgründen liess man neben den interessierten Bewerbern meist nur weibliche Zuschauer zu, die auch Interesse an neuen Partnern besassen. Als Aufsicht, über seinen Schützling war er schon mal Zugelassen. Neue Hoffnung auf eine bessere Zukunft keimte in Pol hoch. So sehr er sich auf das bevorstehende Ereignis freute, das angenehme Kribbeln blieb während der ganzen Nacht bestehen. So Nah an Suntas Seite fühle er eine unerklärliche Energie die ihn Wach hielt. Er wollte sie anfassen, über die weiche Haut streicheln. Mit den Fingern durch ihr kräftiges, elastisches Haar gleiten. Mit der Zunge ihren schlanken Hals erkundschaften, wo ihre kitzligen Stellen oder wo er ihr ein Stöhnen entlockte. Den wohlgeformten Busen zwischen seine Lippen spüren. Vor allem die Knospe aufwecken, sie hart werden lassen. Alleine diese Gedanken reichten aus, dass er selber hart wurde. Am liebsten hätte er seine abhelfende Hand auf die empfindliche Stelle geführt. Doch er war nicht alleine im Zimmer. Noch schlimmer im wahrsten Sinne; nicht einmal allein im Bett. Eine süssbittere Qual die ihn noch stundenlang wach hielt. Er wollte Sunta auf keine Fall stören oder dass sie mitbekam was ihn dermassen beschäftigte. So aufgewühlt fand er erst in den frühen Morgenstunden einen erholsamen Schlaf.
Den folgenden Tag verbrachte Sunta, harmlos vor sich hin dösend. Vorsichtig bandagierte Pol die Quetschungen an den Handgelenken. Deutlich die eingedrückten verfärbten Spuren von kräftigen, krallenartigen Fingernägel. Nur warum wollten sie die Kataner festhalten? So lange festhalten ohne zu fesseln, schien ihm unlogisch. Während er noch rätselte,verpasste er ihr an den Fussgelenken den doppelten Leinenverband. Legte ihr als Zierde eine hübsche metallene Fussfessel darüber an. Eine die man sonst bei unausgebildeten Drachenkindern, für einen Ausflug nach draussen, verwendete. Argwöhnisch verfolgte Sunta das mit missbilligenden Augen. Doch nach dem seltsamen Tee am Morgen, der sie leicht benebelte, schien alles irgendwie halb so schlimm. Also träumte sie lieber den ganzen Tag vor sich hin. Träumte von einer friedlichen Welt und harmlosen Drachen die mit tanzenden Kataner spielte. Am Abend, verdächtigte sie Pol, dass er wieder was, von der betäubenden Substanz, ins Essen geschmuggelte. Denn ihr Getränk bestand aus klarem, leicht aufgewärmten Wasser. Keiner dieser berühmten Schlaftees. Trotzdem startete ihre Müdigkeit, bereits nach dem letzten Löffel ihres Abendessen. DermassenMüde, dass es ihr nicht mal mehr gelang den Mund aufzumachen und was zu sagen. Sämtliche Reklamationen blieben ihr also im Hals stecken. Und das nach einem schon verschlafenen, untätigen Tag. Immerhin war sie dankbar schlafen zu können, ohne ständig die blauen Flecken an ihrem Körperzu spüren.
Umso schlimmer das pochende Kopfweh am zweiten Morgen! Vermutlich verflüchtigte sich die Wirkung der pflanzlichen Mittel? Schlaftrunken merkte Sunta, dass Pol endlich ihre Fesseln aufschloss. Während sie sich an den ungewohnten Schmerz am Kopf fasste, schlenderte er, in einem schlichten, leinenen Hausmantel, ins Wohnzimmer hinüber. Unter dem Türbogen wandte er sich kurz herum. „Sunta, du bleibst hier in meinem Quartier. Ich packe in der Küche ein paar Vorräte zusammen,damit du hier ungestört essen kannst. Danach begleite ich dich zu einer kleinen Versammlung. Ein paar neue Bewerber wollen dich vor dem Turnier nochmals ansehen. Quasi überprüfen ob sich die Anstrengung lohnt, bis indie oberste Rangspitze durchzuhalten. Nutze also diewenigen Minuten, bis ich zurück bin,um dich frisch zu machen.“ Er deutete in die kleine vordere Nische wo plätscherndes Wasser aus einem Rohr lief. „Danach zieh du dir die Kleider auf dem Sofa an. Ich hab die entsprechende Ausstattung bereits hingelegt. In etwas einer halben Sandumdrehung bin ich zurück.“ Der zurückfallende Vorhang verdunkelte das Schlafzimmer.
Langsam, nach den zwei liegenden Tagen, begab sich Sunta auf die wackeligen Beine. Hörte wie Pol sich im Wohnzimmer beeilte in seine hauseigene Uniform zu schlüpfen. Seine raschen Schritte als er durch den vorderen Eingang verschwand. Mit dem zurückfallen des vorderen Vorhanges kehrte eine einsame Stille ins Quartier zurück. Eine unheimliche Ruhe. Endlich konnte Sunta klar nachdenken. Einige violett verfärbte Quetschungen schmerzten zwar noch bei einer oberflächlichen Berührung. Aber ihre Gedanken funktionierten endlich ohne diese träumenden Ausschweifungen.
Hatte sie eben, in diesen zwei letzten Tagen, einen bitteren Vorgeschmack bekommen was mit ihr geschehen würde wenn sie nicht kooperierte? So wie man einen widerspenstigen Drachen matt setzte? Pols abweisendes, unpersönliches Verhalten an diesem Morgen erschreckte sie tief. Sollte sie hier bei den geschmiedeten Heiratsplänen nicht mitmachen wollen, würde man sie weiter mit Drogen ruhig stellen? Der Kontrollverlust der letzten Tagen liess ihre Zweifel gerade bis zu einer Panikattacke ansteigen. Pol hatte sie nicht einmal vorgewarnt oder zuerst angeboten diese betäubende Substanz einzunehmen. Das war kein normal beruhigender Abendtee gewesen, darauf hätte sie sogar ihren wertvollen Bauernhof gewettet. Was dachte sich Pol dabei? Gerade eben hatte er sich dermassen kühl verhalten als sei sie bloss eine Art geschäftliche Handelsware. Ihr Herz klopfte schneller. Wie lange liess man ihr noch ihren freien Willen? Überhaupt jetzt nochmals ausgestellt werden, wie ein Hauptpreis auf dem Viehmarkt, behagte ihr gar nicht. Nach den letzten 2 Tagen, praktisch auferzwungenen Ruhepause, hatte sie absolut keine Lust mehr bei irgendwas brav mitzumachen. So einfach hatte Pol sie überlistet. Gut, eine erholsame Fase hatte ihr Körper zwar gebraucht. Aber nicht indem man sie komplett aufs Glatteis führte. Sie fühlte sich irgendwie betrogen und sah ihre Rechte auf Freiheit ziemlich bedroht. Nein, sie brauchte geradekeine weiterern Prüfungen, keine neugierigen Blicke. Sie wollte nicht auf grazile Bewegungen achten oder sittsames Benehmen vorspielen. In ihr kochte eine unglaubliche Wut auf. Pol war zu weit gegangen. Sie zog sich hastig das alte, gewaschene Überkleid an, dass sie am ersten Tag erhielt. Sorgfältig hatte es Pol in eine abgelegenen Nische für Kleidung plaziert. Gedacht als letzte Reserve. Sie freute sich, dass sie es trotzdem auf Anhieb fand. Wären sogar ihre alten, selbstgenähten Kleider da gewesen, sie hätte ihnen den Vorzug gegeben. Sie wollte niemandem was schuldig sein. Am wenigsten Pol, auf dessen Kosten sie wohl hier lebte. Wieder ärgerte sie sich über sein morgendliches Verhalten. Er hatte ja mehrmals zugegeben, froh zu sein wenn sie endlich verschwand. Dennoch tat diese vertiefende Kluft zwischen ihnen ihr weh. Da bemerkte sie einen gestrickten Schal neben ihrem Kleid. Sie erinnerte sich daran wie heftig es draussen zog, hoch über den Wolken auf Mikas Rücken. Also nahm sie den noch an sich. Im Wohnzimmer fand sie die alten, gelagerten Chilischoten auf einem kleinen Beistelltisch. Band sie rasch an ihren schmalen Hüftgurt. Mit Freude erspähte sie die dicken Lederstiefel, die sie seit ihrem ersten Bad vermisste. Pol sorgte wirklich für jedes praktische Detail. Auf einmal kamen ihrjedoch die alten Stiefel richtig Plump vor. Sie zögerte einen Moment, ob sie die weichen Hausschuhe mitnehmen sollte. Eigentlich hätte es Pol verdient. Nein, sie ignorierte in der Regel jedenmodischen Styl. Die dünnen Hauschuhe mochten hier sehr hübsch und beqem sein, wären aber auf ihrem Hof ziemlich rasch durchgescheuert. Sie benötigte solideres Schuhwerk, also schlüpfte sie freudig in die alten Stiefel hinein. Das Leder passte wie eine zweite Haut. Prüfend klopfte sie mit den Sohlen auf den Boden hinunter. Alles sass perfekt. Mit einem Hauch von Bedauern betrachtete sie das hellblaue Kleid auf dem Sofa. Das neue Kleid mit dem sich den Bewerbern präsentieren sollte. Die aufwendige Stickerei fiel ihr sofort ins Auge, wenn auch der Rest eher schlicht geschnitten war. Dennoch realisierte sie wie dieser dünne Stoff gerade ihre weibliche Seite betonte. Dünne dunkelblaue Schnüre in der seitlichen Taille machten das Kleid flexibel und verstellbar. Seit langem verspürte Sunta den heimlichen Wunsch einmal ihre natürliche Schönheit mit einem kostbarem Stoff hervorzuheben. Für ein paar Stunden unbeschwert, geschminkt und heraus geputzt den jungen Männer den Kopf zu verdrehen. So wie früher die anderen Mädchen in ihrer Schule. Leider erinnerte sie sich deutlich daran, dass ihr das flirten oder die kecken Blicke nicht in die Wiege gelegt wurden. Bodenständig aufgewachsen war ihr Eitelkeit oder dieses einfache Präsentieren einfach fremd. Sie wusste genau wer sie war. Ein einfaches Bauernmädchen, dass hervorragend einen ganzen Hof managen konnte. Da machte ihr keiner Konkurrenz und da fühlte sie sich in ihrem glücklichen Element. Hier unten in der Höhle fühlte sie ihre wahre Bestimmung unterdrückt. Es gab nur eine einzige Lösung. Eine einzige Bestimmung für sie. Entschlossen trat sie vor den Ausgang. Spähte in den leeren Gang hinaus. Niemand da der ihr auflauerte. Erleichtert marschierte sie los. Fragte sich aber wie sie überhaupt an die Oberfläche hinaus kam, ohne fremde Hilfe. Spontan viel ihr nur Mika ein. Wenn der Drache danach selbständig zurück flog, sollte dies ja kein Problem darstellen. Mit gemischten Gefühlen hastete sie, sobald sie niemand auf dem Gang sichtete, vorwärts. Auf einmal wirkte das Fackellicht in der Höhle so vertrauensvoll, so gewohnt. Wie selbstverständlich folgte sie den bekannten Zeichen und Symbole an der Wand, als spazierte sie täglich ihre Runden ab. Ungewollt bedauerte sie fast den heimlichen Abgang. Zögerte sogar beim letzten Weg, der sie hinunter ins Drachenviertel führte. Von jetzt an bestimmte sie lieber selber über ihr Schicksal. Hier zu bleiben bedeutete ein verwöhntes Leben führe, mit einem Gefährten den sie nicht liebte. Selbst wenn dieser perfekt Aussah, so fehlte die kittende Liebe bei den kommenden Turbulenzen. Wie der kluge Klump voraussah, wünschte sie sich eben auch das Herz dazu. Gemeinsames Lachen, interessante Unterhaltungen, vor allem keine eintönige Langeweile. Sogar das Tageslicht vermisste sie ja bereits und die Weite. Die Sicht auf die grenzenlose Weite, sei es nur ein nächtlicher Sternenhimmel. Eine gesicherte Zukunft, selbst in komfortablen Tunnels, wollte sie nicht verbringen. Sie sehnte sich nach einem vertrauten Platz. An das fruchtbare Land, das den Launen des Wetters ungeschützt ausgesetzt lag. Allgemein das unbeständige Wetter das über den Ablauf des Alltags entschied. Wind der durch ihre Haare streifte. Den blumigen Geruch, die bunten Wiesen mit dem Summen, mit allen begleiteten Wesen die diesen süssen Nektar sammelte. Auf jeden Fall plante sie ihr altes Heim zu besuchen. Wenn es in irgendeiner Weise bewohnbar war, würde sie dort bleiben. Erst im letzten Notfall, fals die Kataner zu gründlich in der Zerstörung vorgegangen sein sollten, würde sie es eventuell in Erwägung ziehen zu dem Turnier zurückkehren. Frisch gestärkt durch ihre Gedanken marschierte sie weiter. Dank ihrem intensiven Putzdienst stank es kaum noch aus der Drachehöhle heraus. Übrig blieb eben der alte Geruch, den das poröse Gemäuer in den letzten Jahren aufgesaugt hatte. Im ganzen Höhlenraum gab es keinen angehäuften, müffelnden Dreckhaufen mehr. Der spätere Entsorgungstrupp entfernte alle Resthaufen.
Sunta drängte ihre restlichen Zweifel auf die Seite. Nahm die letzten Meter in Angriff. Mika lag entspannt ausgestreckt, dösend in ihrem Abteil. Sobald Sunta die Tür hinter ihr, etwas heftig zuschlug, hob sie alarmiert den Kopf.
Ohne zu zögern löste Sunta die Sicherheitsketten an der Wand. Überlegen hiess nur ihren bedeutsamen Entscheid hinaus zu zögern. Besser gehen bevor ihr Klumps Gesellschaft zu viel bedeutete. In ein paar Jahren würde der Abschied ziemlich schmerzhaft werden. Vielleicht trüge sie dann sogar noch die Verantwortung über ein Kind. Vermutlich bliebe sie dann dem zuliebe weiterhin im eingrenzenden Gefängnis. Ja, Suntas Gedanken rasten förmlich in diese warnende Richtung. Als sie den letzten Hebel mit aller Kraft drückte, schüttelte Mika heftig all ihre Müdigkeit weg. Als es oben im Dach quietschte, sprang sie elektrisiert auf. Galoppierte direkt unter die ratternde Öffnung. Streckte ihre geblähten Nüstern erwartungsvoll in die Höhe. Statt blendende Sonnestrahlen tanzten jedoch weisse Schneeflocken auf sie nieder. Mit grossen Augen schielte sie diesem vergessenen Phänomen nach. Schnaubte angewidert, als das kalte Zeug ihre empfindlichen Nüstern berührten, wo es zu Wasser schmolz. Flockig, leicht segelten vereinzelte Schneeflocken nach. Vergeblich spähte Kata nach einem wärmenden Sonnenstrahl. Enttäuscht äugte sie Sunta an. Zog ihre Lefzen weit nach unten. Schüttelte sich ab der kühlen Frischluft die in ihren Raum strömte. Wenig erpicht auf einen auswärtigen Ausflug hätte sie sich diesmal gerne zurück gezogen, doch dem Floh vor ihrer Nase passte das anscheinend nicht. Nach einem Versuch zu wenden, wedelte Sunta drohen mit den roten Schotten in der Hand. Allein die auffällige Farbe reichte das Mika nachgab. Zuliess, dass ihr Floh umständlich auf ihren Rücken kletterte. Wobei der verdriessliche Drache es unterliess ihr zu helfen. Gemütlich setzte sich Sunta zurecht. Nutzte reichlich die Zeit um sich erst einmal mit einem Lederband abzusichern. Deutete dann nach oben. Mika schüttelte den Kopf. So schnell ging das bei der kalten Körperwärme nicht. Sie schüttelte sich um die kühle Temperatur abzustreifen. Dass Sunta dabei heftig durchwackelte, vergass sie. Als sie es doch registrierte, ignorierte sie es. Der herrische Floh war selber Schuld, wenn er bei diesem Drachensauwetter einen Ausflug wünschte. Ihre Flügel schlugen sich warm. Erst nach ein paar unangenehmen Minuten hektischem flattern, hüpfte Mika das erste Mal hoch. Kam nur bis zur Hälfte der Höhe. Plumpste so hart zurück, das selbst Suntas Wirbelsäule protestierend ächzte. Abermals tanzte der Drache flatternd eine aufwärmende Runde durch die rasch auskühlende Höhle. Niemand von den Zweien bemerkte die atemlose Gestalt beim dunklen Toreingang. Erst als Pol, durch die zügige Eile ziemlich ausgepumpt, aber dafür doppelt aufgebracht schrie. „Sunta!“ Zuckte nicht nur die Drachedame ängstlich zusammen. Erschrocken über die verärgerte Stimme flüchtete Mika, mit zusätzlichem Adrenalinschub, nach oben. Von der Angst angestachelt erreichten ihre ausgestreckten Vorderbeine knapp die Dachkante. Eine geringe Kraftanstrengung unterstützte den Schwung des Startes um sich halb hochzuziehen. Spreizte begleitend ihre Flügel draussen rasch aus, um ein zurückfallen, zu verhindern. Strampelte heftig mit den Hinterbeinen. Kratzte sich förmlich, durch das enge Loch, nach oben. Über sich selber erstaunt galoppierte sie in den wirbelnden Schneevorhang hinein. Flatterte erneut und erhob sich schwerfällig in die Lüfte. Gegen ihren Willen flog sie dem Wind entgegen. Doch der eisiger Luftzug lähmte ihre Gliedermassen. Aufgebend legte sie nach wenigen Minuten eine Pause ein. Wanderte zu Fuss eine längere Strecke. Frierend drückte sich ihre Reiterin seitlich, von den aufstehenden Rückenflossen, schützend an ihren Körper.
Je höher sie dem ansteigenden Hügel folgten umso kälter, heftiger blies der Wind unerbittlich von dem Bergpass herunter. Zeitweise steckte Mika ihre empfindliche Nase unter ihre angelegten Flügel um mit der Körperwärme dort das Atmen zu erleichtern.
Sunta rechnete gedanklich mit einem Anstieg von einem Kilometer Höhendifferenz und zwei in der Weite. Steil und unfreundlich hiess der Berg sie willkommen wie die letzte Zuflucht. Trotzdem schätzte sie sich glücklich, da Mikas Begleitung ihr bereits einen Tagesmarsch einsparte. Traurig kletterte sie steif von ihrem unwilligen Tier herunter. Unnütz wollte sie Mikas Geduld nicht herausfordern. Klopfte der braven Drachendame lobend den Hals, kraulte sie hinter ihren warmen Ohren. „Geh nach Hause“, schrie sie gegen den pfeifenden Wind an. Deutete mit der Hand rückwärts. Sofort entspannen sich Mikas Züge. Ein willkommener Befehl den sie gerne gehorchte. Wartete jedoch vergeblich darauf, dass ihr vernünftiger Floh wieder aufstieg. Wissend sprang Sunta auf die Seite, als der Drachenkopf versuchte sie sanft zu packen. Lachend stiess sie die schnappende Schnauze entschieden zurück. „Nein, Mika! Du gehst alleine. Ich danke dir für alles. Du bist ein guter Drache und ich werde dich schrecklich vermissen.“ Verabschiedete sie sich traurig. Verspürte nicht die geringste Angst dabei, als sie ihre Hand täschelnd über Mika seitliches Gesicht fuhr. Bevor sie ihren Entschluss bereute, wandte sie sich von dem braven Tier ab. Ja, Mika vermisste sie jetzt schon. Sie hoffte das der intelligente Drache sie eines Tage besuchen kam. Sich selber umklammernd, stampfte die Hirtin trotzig dem bissigen Wind entgegen. Stiefel vor Stiefel versank manchmal bis zu den Knien im hinderlichen Schnee. Bald schmerzen ihre Füsse vor Kälte. Bald durchweichte die Lederhaut der Stiefel. Manchmal drehte sie sich Rückwärts um so das empfindliche Gesicht vor dem eisigen Zugwind zu schützen. Ihr fehlte ein dicker Mantel. Entsprechend sank ihre Motivation bei jedem zwingenden Schritt. Wünschte sich einfach zurück in das warme Bett von Pol. Oder Klump. Sogar ein warmes, voll besetztes Bad schien ihr angenehmer als diese tödliche Kälte. Sie fürchtete sich vor so einem kalten Tod. War ihre Entscheidung dumm gewesen? Mit so einem schlimmen Wetter hatte sie nicht gerechnet. Normaler Weise schützte sie das angelegte Mtakabärenfell vor solchen Wetterkapriolen. Nur das hatte im Kleiderschrank von Pol gefehlt.
Körperlich Müde schloss sie ihre Augen. Mehr als ein paar Meter gelang es ihr nicht voraus zu sehen. Unmöglich den von ihr angezielten Berggipfel zu erkennen. Auf einmal verdunkelte sich ungewöhnlich ihr Umfeld. Sie blinzelte zu dem schneetanzendem Himmel hoch. Kein verschlimmernder Sturm oder hochgewachsene, schlanke Bergtannen. Nein, schützend stampfte Mika vor ihr her. Unter ihrem angehobenen Bauch marschierte Sunta vor dem lästigen Zugwind verschont, vorwärts. Nutzte vor allem die geplätteten Spuren Mikas um ihre müden Beine zu schonen. Mit ihrer Hilfe ging es schneller durch den kniehohen Schnee voran. Sobald sie den Sattelpass des Berges erreichten verstärkte sich der heulende Wind zu einem wahren Orchester. Dafür nahm die stetig Helligkeit zu. Deutlich verringerte sich die Wolken. Aufgelockerte kleine Schneeflocken schossen an ihnen hektisch vorbei als kämen sie zu spät zu einer Versammlung.
Ein paar letzte hundert Meter vor der abwehrenden Bergsattel, an welchem förmlich die feuchte, graue Wolkenwand festhing, blieb Mika stehen. Mehrmals überprüfte Mika ob ihr gebrechlicher Floh ihr Tempo mithielt. Fiel er nämlich unbemerkt zurück, geriet er in Gefahr dass er gegen die schwere hängende Schwanzspitze prallte. Nachdem Mika wieder abwartend ihren Kopf gegen den Wind hielt, kitzelte was ihre empfindlichen Nüstern. Streckte sich höher und erblickte die Sonne durch eine dünne Wolkenwand. Kurzerhand stellte sie sich auf die Hinterbeine und steckte ihre Flügel über das tiefliegende Wolkenmeer hinaus, der Sonne entgegen. Formte mit ihren Schwingen eine Halbkugel die wie eine Schüssel die wärmenden Strahlen, einsammelten, bündelten. Trotz der Kälte speicherte sie die seltene Wärme. Ein zähflüssiger Prozess.
Unten, mitten im düsteren Wolkenband, wunderte sich Sunta über Mikas aufgefrischte Sonderleistung. Lehnte sich an das wärmende Hinterbein. Trat mit ihren Füssen auf der Stelle um sich einigermassen Warmzuhalten. Auf einmal schwenkte Mikas Kopf nach unten. Schnappte die steife Sunta. Scharfe Zähne packten sachte zu und setzten sie auf ihren Rücken hinauf. Geblendet von Sonnenlicht hielt sich Sunta die Hände vor Augen. Schloss sie einfach halber und tastete nach dem nassen Lederriemen. Kaum fanden ihr steifen Finder den kühlen Halt, schleuderte sich Mika himmelwärts. Weit hinaus über das finstere Wolkenfeld. Hinein in das ungetrübte, kräftige Sonnenlicht der Mittagszeit. Verharrte dort in einem leichten Aufwind kreisend, bis sie innerhalb wenigen Minuten, ihre Trägheit komplett abstreifte. Aufgetankt flog sie zügig weiter in die Richtung, welche Sunta zu bevorzugen schien. Es dauerte nur kurze Zeit, da riss die Wolkendecke unten ihnen ganz auf. Schattige Felder verschwammen. Im gleitenden Sinkflug steuerte Mika die wärmere Fussboden Region an. Dicht über den kurz gewachsenen Wiesen, Steinen oder Felswänden pendelte sie längere Zeit umher bis sie den Körper angenehm erwärmte. Bald schwang sie sich leicht gewichtig, fast so schnell wie beim letzten Ausflug, über die Wälder. Ohne ihre Geschwindigkeit zu verringern senkte sie während des Tieffliegens ihren Rachen vorsichtig in die warme Seeoberfläche hinunter. Nahm ein paar hastige Schlücke und schwang sich wieder hoch. Von nun an raste sie förmlich über die ausladende Landschaft. Genoss den Wettbewerb mit dem Wind. Muskelkater vom letzten Flug auskurierend nutzte sie die erholten Kräfte. Gegen ihre Vernunft drehte sie sich während dem Flug übermütig auf den Rücken. Verspätet erinnerte sie sich an ihren Floh. Glücklicherweise hielt der Lederriemen und der Luftdruck presste das zusätzliche Gewicht an ihren Körper fest. Für kurze Zeit testete sie ihre Grenzen und flog dann wesentlich vernünftiger ins grenzenlose Paradies. Dahin wo der Horizont verschwamm. Unverkennbar in der Ferne das fast flache Land. Als Sunta sich getraute zu blinzeln, erkannte sie ein paar dunkle, zerstörte Bauruinen unter sich. Nichts erinnerte sie an zuhause. Mika musste kilometerweit an ihrem bescheidenen Ziel vorbeigeschossen sein. Als sie einen kleinen Fluss erblickte, zappelte sie mit den Beinen, bis Mika reagierte. Klopfte ihr mit der Hand an den Hals um zu zeigen wohin sie fliegen sollte. Gemütlich folgte der Drache dem kleinen Fluss der nach einigen Kilometer sich vergrösserte. Kleine Hügel formten sich zu kleinen Bergen. Mika erkannte schon wieder die grösseren verschneiten Berghänge. Steuerte automatisch ihr zuhause an, als sie Sunta wieder ablenkte. Hinein in ein kleines flaches Tal das etwas höher lag als das entfernte Dorf. Mika welche die Kälte wieder spürte, ermüdete allmählich und vernahm begeistert das Zeichen für Rast. Landete auf einer abgerundeten Graskuppe.
Mit tauben Beinen von langen Sitzen, sprang Sunta ins weiche Knöchel hohe Gras. Landete ungewollt auf ihren Knien. Aufkeimende Freude verbannte den Schmerz. Mit neuer Hoffnung rannte sie abwärts. Von weitem entdeckte sie das unreparierte Dach von Donans Haus. Neben niedergetrampelten Weidezäunen, zugeschütteten Bachläufen die jetzt ganze kostbare Weideabschnitte fluteten. Ein trauriger Anblick das verkommene Erbstück. Als ob ein Riese von oben das Haus in zwei Hälften spaltete und eine Seite komplett schonungslos nieder trampelte.
Ein ausgebautes Heim das eigentlich sonst zwei Familien beherbergte, war völlig zusammengestaucht. Kopfschüttelnd betrachtete Sunta das zerstörte Haus welches eigentlich ihr zukünftiges Heim sein sollte. Was suchte die Kataner überhaupt in einem verlassenen Hauptgebäude? So abseits von dem Dorf. Jedenfalls bewiesen die aufgerissenen Möbel, zertrümmerte Schränke, dass jemand nicht nur Wert darauf legte zu zerstören, sondern dabei noch was suchte. Der Stallanbau war bis auf die Grundmauern niedergerissen worden. Dafür stand ein Teil des Wohnbereiches noch, dort wo man im alten Stil baute und keine Strapazen scheute, die grossen Steine aus dem Fluss für den Wandaufbau einsetzen. Zusammen mit einem gut verhakten Netzwerk aus Holzbalken, die den Wänden ein minimales, flexibles Nachgeben erlaubten. Genau diese perfekte Komposition verhinderte dass die Grundmauern, bei Erbbeben oder anderen stürmischen Naturkapriolen, einbrachen. Stattdessen hing jetzt die gesamte Konstruktion, mit einem ziemlich abgebröseltem Verputz, in einer Schräglage. Bizarr aber für mutige Bewohner durchaus akzeptabel. Beinahe überall glänzten die geschliffenen Grundsteine hervor, aber immerhin hielten sie der brutalen Attacke der Kataner stand. Der ramponierte Anblick des einst so wertvollen Hauses tat Sunta im Herzen sehr weh. Sie hatte so viel Zeit, zusammen mit Donan, in den Anbau investiert. Immerhin war das Grundmaterial nach wie vor da. Nichts was sich nicht reparieren liesse. Zudem benötigte sie jetzt keinen Ziegenstall mehr. Entweder, dabei schielte Sunta zu Mika hinüber, brauchte sie etwas massiv grösseres oder eben nur was schlichtes für ihren geringen Verbrauch. Wo sollte sie bloss mit dem Aufräumen anfangen? Es gab soviel zu überdenken um einen kargen, eisigen Winter zu überstehen. Alleine ging das nicht so gut. Eine Drache besass Dimensionen mit denen sie nicht rechnete. Kontrollierend war Suna einen Blick zu ihrer Begleitung hinüber. Entspannt lag Mika ausgestreckt, mitten auf dem warmen Hofplatz. Es sah zwar nicht so aus, als wollte sie sich in nächster Zeit von ihrem Sonnenbad erheben, aber zur Sicherheit gab Sunta ihr dennoch ein Zeichen, hier zu warten. Träge rollte sich der Drachen auf die ander Seite. Bereit jede Sekunde zu geniessen, nachzuholen was er in den letzten Jahre verpasste.
Endlich gab Sunta ihrer Neugierde nach und rannte auf das entfernte Dorf zu. Es war ja nur ein Kilometer abwärts entfernt, in die Ebene hinaus gebaut. Der ideale Platz für Bauern um rasch bei ihren fruchtbaren Feldern zu sein. Sobald Sunta die ersten zerstörten Wohnhäuser sichtete, bremse sie ab. Hielt sich die stechende Seite vom schnellen Atmen. Es hatte so gut getan wieder einmal ihre Beine richtig zu strecken. Doch vielleicht sollte sie etwas vorsichtiger sein mit dem einteilen ihrer Kräfte. Was wenn jemand ihre Hilfe brauchte. Wohl eher fürchtete sie das verurteilende Gerede der Leute. Im gemässigtem Tempo marschierte sie auf die Hauptstrasse zu. Auch hier klafften grosse Löcher mitten in den Häusern, wie wenn eine kleinere Bombe einschlug. Keine komplette Zerstörung sondern nur als hätte jemand übermütig eine Schiessübung mit Raketenwerfern veranstaltet. Ineffektiv schienen die Kataner das einfache Dorf überfallen zu haben. Es ergab für Sunta keinen Sinn. Weder materalistische Gier noch politische Gründen konnten hinter dem böswilligen Anschlag stecken. Von den einst fast dreissig, bis zu zweistöckigen, Häusern standen bei den wenigsten die komplette Aussenmauern. Dafür ragten vereinzelt, angeschwärzte Dachfirste, wie Skelettüberreste, in den Himmel hoch. Sofort bemerkte Sunta, bei einigen umliegenden Häuser, die mit Karton notdürftig reparierten Fenster im Kellerbereich. Zwar wirkte das Dorf absolut verlassen, doch diese sorgfältige Reparatur viel Sunta sofort auf. Eines dieser stabilen Häuser gehörte dem Bäckermeister und seinem Sohn. Aufmerksam betrachtete Sunta das frische renovierte Gebäude. Kein Rauch kam aus dem fehlenden Kamin. Doch entdeckte sie das Flimmern der heissen Luft aus einer klaffenden, dunklen Dachlücke. Neben dem Schmied besass einzig noch der Bäckermeister eines dieser speziellen Dächer, das über stabile feuerfeste Ziegel verfügte.
Also arbeitete der Bäcker sorgfältig und vor allem heimlich untern in seiner Stube. Langsam trat die ehemalige Hirtin auf die vordere Haustür zu. Emsig hatte hier jemand vor dem Eingang sauber gewischt. Einzelne rote Dachziegel und Mauersteine lagen sauber zu einem Haufen, seitlich neben dem Garten, gestapelt. So viele Anzeichen deuteten auf Überlebende Bewohner hin. Eingesammeltes Holz von zerfetzten Gartenzäunen und verlassenen Ställen. Das verschiedenste Baumaterial wartete bereits sortiert für den baldigen Aufbau. Erleichtert klopfte Sunta mit ihrer Hand an den hölzernen Türrahmen. Schmunzelte bei dem Gedanken, dass sie schon Gewohnheiten von der Höhle übernahm. Ansonsten war es durchaus gängig nach den Einwohnern verbal zu rufen. Im Dorf arbeitete man oft in den hinteren Gärten des Hauses, da überhörte man leicht eine Türklingel.
Es dauerte jedoch nur kurz ehe sie leise Geräusche in innern vernahm. Misstrauisch öffnete sich die Tür einen Spalt. Es war tatsächlich der Bäcker. Sie kannte sein rundliches Gesicht von früher. Allerdings verlor er einige Kilo seit ihrem letzten Besuch. Die weite Kleidung schlotterte an seiner abgemagerten Figur. Trotzdem besass er noch seine mit Mehl bestäubte Schürze und den unverkennbaren, feinen Duft von frisch gebackenem Brot. Hinter ihm blickte eine neugierige, schlanke alte Grossmutter über die Schultern. Während ihm ab dem fremden Besuch noch die Worte fehlten, grüsste die adoptierte Hausdame freundlich. Sunta erwiderte den Gruss höflich und wünschte. „Kann mir einer kurz erzählen was passiert ist?“
Der kleinwüchsige Bäcker wischte sich nervös über die Stirn, wobei er die kleine weisse Mütze schief legte, die seine kurzen Haare verbarg. „Du hast dich aber lange versteckt“, wunderte er sich. „Dieser barbarischen Biester haben alle Frauen entweder gleich mitgenommen oder an jenem Abend...“ Es viel ihm sichtlich schwer es auszusprechen. „überrall hat es gebrannt. An jenem Abend sind diese unmenschlichen Kreaturen geblieben und haben einige von den Frauen sogar gegessen. Wenigstens hatten sie zuvor einen schnell Tod. Weiss der Himmel was sie mit lebenden Gefangenen alles anstellen. Jeden Mann den sie erwischten haben, wurde kurzerhand umgebracht. Sogar die harmlosen Kinder. Die Toten haben sie einfach achtlos liegen gelassen. Wir haben sie alle bereit an einem Ort zurgedeckt, damit sie ihre Ruhe haben. Wir sind jetzt nur noch zwölf Leute die hier leben. Einzig die vier Geschwister vom Bachhof sind jetzt noch als komplette Familie zusammen. Die kommen täglich vorbei, bleiben aber dort wohnen. Wir restlichen haben uns auf die drei Häuser hier verteilt und setzen sie mit vereinbarten Kräften zusammen. Wir können jede Hand gebrauchen. Du kannst drüber beim Schneider wohnen, der ist froh wenn jemand auf seine dreijährigen Zwillinge aufpasst. Die waren während des Überfalls krank gewesen und haben alles still verschlafen. Aber seine lieben Fau haben sie entführt. Das macht denen ziemlich zu schaffen. Du würdest da gut reinpassen. Im übrigen sind Lebensmittel zwar knapp aber wir sollten ja noch ein paar Wochen ehe der Winter richtig kommt. Weisst du was mit Donan passiert ist?“
Bedauernd schüttelt Sunta den Kopf. „Wir haben uns in den Bergen getrennt um die Verfolger abzulenken. Seither hab ich ihn nie mehr gesehen. Darf ich ein Brot haben? Sobald ich meine Kühe in den Bergwiesen wieder zusammen hab, kann ich eine hier vorbeibringen. Alleine brauche ich eh nicht soviel Vieh und es ganz verwildern zu lassen, wäre zu schade.“
Erfreut lächelte der Bäcker ihr entgegen. „Klar. Hoffentlich sind sie gedeckt. Milch für die Zwillinge ist dringend nötig. Ich backe, backe, backe….“ Seine Stimme leierte aussterbend aus, wie eine defekte Schallplatte.
Eine kräftige Windböe rauschte in Suntas Rücken heran. Zu spät erinnerte sich Sunta an ihre Mika. Deren lange Pause endete anscheinden als Langeweile aufkam. Dumpf landete das grosse Tier hinter Sunta. Der Boden erzitterte. Hauswände wackelten und einzelne, lose Dachziegel wirbelten bis vor Suntas Füsse. So heftig war das treue Haustier hinter ihr gelandet. Einzig das Sunta es für absolut normal hielt, dass ein Drache hier landete, veranlasste den Bäcker zu warten. Das oder der lähmende Schock. Bevor Sunta sich für den ungewöhnlichen Besuch entschuldigte, senkte sich Mikas langer Hals und als sie ihn hochriss, hing ein heulender Esel mit samt seiner geschleppten Steinladung im Rachen fest. Das gesamte Packet hatte sie hinter dem Gartenhäuschen ausfindig gemacht. Hungrig verzerrte sie den zappelnden Esel in nur zwei Bissen und liess die schwere staubige Landung achtlos in den Garten plumpsen. Allerdings kaute sie zäher an dem stabilen Ledergeschirr das sich in ihren langen Zähnen verfing. Schliesslich spuckte sie es blutverschmiert und abgesabbert Sunta vor die Stiefel. „Mika“, schrie sie aufgebracht. „Bist du wahnsinnig. Benimm dich gefälligst und kein Futter. Kein Futter!“ mahnte sie streng. Verlegen wandte sie sich wieder dem Bäcker zu. Der mit aufgerissenen Augen weiterhin den Drachen anstarrte. Es war also doch die reine Angst die ihn angewurzelt stehen liessen.
Unschuldig senkte Mika demütig den Kopf. Nach dem langen Ausflug hatte sie sich eigentlich eine Mahlzeit verdient. Doch der mahnenden Zeigefinger vor ihrer Nase verhiessen nichts gutes. Reumütig trat sie einen Schritt zurück.
Langsam dämmerte dem Bäcker, dass dieses Biest, das er eigentlich nur aus Legenden kannte, Sunta gehorchte. Einer jungen Frau die er eigentlich als absolut unauffällig kannte. Na ja etwas sonderlich, aber eigentlich normalen Bürger des Dorfes. Mit gesenktem Kopf meinte Sunta. „Vielleicht sollte ich besser zuerst ein paar meine Kühe suchen. Der Esel wird selbstverständlich ersetzt und …“
Hinter dem Bäcker stürzte eine geschockte alte Frau in die Knie. Etwas was ihn endlich wieder auf einen normals Level brachte. Rasch half er ihr sich auf die nächste Treppe hinzusetzen. Danach wandte sich ziemlich entschieden an Sunta. „Es wohl besser, wenn du vorerst auf den Hof von Donan zurückkehrst. In dieses Dorf passte kein… kein… Drache?“ Er war noch unsicher ob er seinen kurzsichtigen Augen wirklich trauen durfte. „Und sollte Donan zurückkehren, dann wird er sich sicher freuen. Auf dich natürlich. Was er zu dem… Drachen sagt, weiss ich nicht. Aber er freut sich sicher wenn du dann DORT auf ihn gewartet hast“, seine schale Ausrede, dass sie ja ausserhalb des Dorfes blieb. Hinter dem Bäcker erklang eine schwache aber umso energische Stimme. „Traca, Sofort ins Haus!“
Es war klar wer das Haus beherrschte. Der brave Bäcker zog seinen Kopf tiefer und schloss hastig die Tür vor Sunta. Er schmetterte sie förmlich zu und ein schwerer Riegel versenkte sich geräuschvoll in der Verankerung. Allmählich sickerte der Gedanke des Verlassensein ins Suntas Hirn. Einfache Bauern duldeten keinen gefährlichen Drachen in ihrer Nähe. Schon gar nicht einen der unbeherrscht ein Nutztier in zwei Stücken hinunter schluckte.
Seltsamerweise erinnerte sich Sunta an einen Tag wo ein Junge aus dem Dorf einen Wolfswelpen im Wald fand. Er war in eine tiefe, enge Hasenfalle gefallen. Der Junge wollte den Welpen grossziehen. Doch in der folgenden Nacht erschlug ein misstrauischer Nachbar den kleinen Wolf. Niemand erhob eine Anschuldigung. Tatsächlich fühlten sich die meisten über die Beseitigung des unerwünschten Fremdlings erleichtert.
Mit Mika zusammen fand sie nie einen erfolgreichen Weg, zurück in die engere Dorfgemeinschaft. Diese Leute hier, selbst wenn sie sich weniger gut kannten, waren alle doch auf einander im nächsten Winter angewiesen. Mika selber welche den Schnee so verabscheute, gehörte in die sichere Höhle zurück.
Darum stand Sunta vor einer leichten Entscheidung. „Mika“, sie deutete zurück auf den gekommenen Weg. „Geh zurück in die Berge. Geh nach Hause. Dort bekommst du mehr Futter und du hast einen warmen Platz. Geh! Du kannst hier nicht bei mir bleiben! Geh!“
Ziemlich lange brauchte Mika bis sie realisierte was man von ihr wollte. Spähte unsicher ihren sonst zutraulichen Floh an. Dieser zeigte unerbittlich zurück und klatschte mit Händen um sie zu vertreiben. Reuevoll wie ein geprügelter Hund zog sich Mika mit gesenktem Kopf zurück. Watschte zögerlich durchs Dorf. Sunta blieb eisern, so schwang sie sich in das gewohnte Element der Lüfte. Kreiste, eine weitere Chance gebend, abwartend einmal ums Dorf. Als Sunta erneut den Arm Richtung Berge deutete, peilte sie ihr altes Zuhause an.
Mit traurigen Augen klopfte Sunta an die verschlossene Tür. „Sie ist weg“, versicherte sie vergeblich.
„Warten wir erst einmal ab“, brummte der Bäcker wenig überzeugt. „Morgen schicke ich jemand zu deinem Hof hinüber. Dann sehen wir weiter. Wir halten heute Abend erst mal eine geschlossene Versammlung ab“, versuchte er seine Rückendeckung abzusichern. Bevor eine neue Sache nicht von allen abgesegnet wurde, verbrannte er sich ungern die Finger. Er fand es als unklug allein zu entscheiden, es sei denn man war der Bürgermeister höchstpersönlich. Doch der letzte Bürgermeister war auch als erster Tod gewesen als er mit mutigem Beispiel voran gehen wollte. Damals als man noch nicht wusste dass, statt harmlose Handelsleute, Kataner in dem Raumschiff auf dem Marktplatz landeten.
Genau wie vorhin Mika abzog, so wanderte auch Sunta mit hängenden Schultern aus dem Dorf. Wie von früher gewohnt, nutzte sie nach dem Schulhaus einen abkürzenden Pfad, den kleine Büsche säumten. Ein natürlicher gewuchterter Windfang der die Felder vor zu heftigen Böen schützte. Sie schlüpfte durch die Lücken zwischen dem dornigen Gewächs. Lies sich Zeit mit der Rückkehr zu dem fast zerstörten Hof. So viel hatte Donan und ihr eigener Vater, vor seinem Abschied, noch darin investiert. Ein richtiger Familienmensch war sie nie gewesen, aber sie vermisste schon die unbeschwerte Zeit. Nach Hause zu kommen, sein eigenes Zimmer zu haben und einfach eine vertraute Stimme zu hören.
Sie stand vor den Trümmern ihrer Existenz. Wenigstens blieb das alte Hautgebäude intakt. Eine kleine Küche die gelegentlich auch als Stube diente, wenn man im kleinen Kreis diniert. Seit sie mit Donan allein hier die Farm bewirtschaftete, nutzten sie hauptsächlich nur die praktische Küche. Eben verstrich die Kälte Zeit des Winters. Besonders da bevorzugten sie die Wärme dieses Raumes. Zwei kleine Räume darüber lagen ihre getrennten Schlafzimmer. Und ja, wenn die Aussentemperatur unter den Minusbereich fiel, da schlüpfte Sunta schon gerne bei Donan unter die Decke. In den letzten Monaten hatte es böse an Donans Standfestigkeit gezerrt. Doch seine geimpfte Erziehung verlangte, dass Sunta richtig, erst nach einer öffentlichen Heirat, vollkommen seine Frau wurde. In diesem Punkt bewies er sich als ziemlich Stur. Das zog er in etwa so durch, wie die hartnäckigen Grundmauern seines Heimes einem Angriff standhielten. Mit etlichen Rissen durchzogen. Diese schöne Erinnerung entlockte Sunta ein leises Kichern. Dieses zerfallene, wertvolle Haus verdiente es, dass man es wieder aufbaute. Das war sie den Eltern von Donan schuldig für all die gute Zeit mit ihrem wunderbaren Sohn. Sie vertrauten Donan und sie vertrauten auch ihr das Gehöft an, um es weiter effizient zu bewirtschaften. Diesen Status erlangte keine der Dorfschönheiten, die auch versuchten Donan zu angeln. Dieser wertvolle Ackerboden gehörte nur ihnen Zwei. Falls Donan nie zurückkam, dann lag es eben an Suntas geschickten Händen es wieder herzurichten.
Unerwarteter Besuch
Mutig öffnete sie die Holztüre deren verbogene Scharniere sie nicht mehr ganz gerade hin bekam. Daher klemmte sie ein bischen und schleifte einseitig unten über den Boden. Misstrauisch äugte Sunta, beim mehrfachen testöffnen, nach oben, jederzeit fluchbereit sollte aus dem ersten Stock was herunter fallen. Doch im Eingangsbereich schien alles, trotz heftigen Schwingbewegungen, zu halten. Der schwere massive Kochherd besass keinen Kratzer, obwohl einige Trümmersteine den ganzen Boden bedeckten. Links stand der Herd an der Aussenmauer, rechts die Stube mit dem kleinen Küchentisch, der nun ziemlich klein, geradezu platt gedrückt nur wenige Zentimeter über Teppich reichte. Ein schwerer senkrechter Holzbalken, der Decke, rammte ihn auf den Boden hinunter. Die hintere rechte Küchenwand war schlicht weg. Nur Steine lagen da und gaben über dem Schutthaufen einen Blick in die dahinter liegende Stube frei. Von der war nur noch der Boden heil geblieben und auf dem lag ein Gewirr von Steinen, Brettern zersplitterten Möbeln und jede Menge zerstückelter Gips der alles fein weiss einstaubte. Ein zweistöckiges Wohnhaus das genau im hinteren Teil der Küche wie durch einen scharfen Hieb im längs Bereich getrennt wurde. Sie blickte hoch in das offene obere Stockwerk gegenüber. Das Haus in seinen alten Zustand wieder herzustellen war schlicht unmöglich. Der Teil mit der Küche war als einziger im normalen Winkel stehen geblieben. Die frühen Vorfahren benutzten das erste Gebäude hier sogar als Stall und Wohnbereich zugleich. Verstärkten daher die Mauern doppelt gegen die Kälte und die Stürme. Der Stubenbereich wurde erst mehrere Jahrzehnte später und wesentlich rascher gebaut für weniger Geld. Etwas was sich jetzt rächte.
Um zu wohnen brauchte es eigentlich nur eine neue abschliessende Küchenwand. Es war bereits später Nachmittag. Hunger plagte sie. Da sie die alte Küche bestens kannte, fand sie den eingelagerten Vorrat an geräuchertem Kuhfleisch. Im letzten Herbst stellte sie diese salzige Zwischenmahlzeit selbst her, damit sie oder Donan, selbst nach längeren Schneestürmen, nie hungern mussten. Vor Mäusen sicher lagerte sie den wertvollen Vorrat in alten Konfitürengläser, verborgen unter ein paar losen Bodenbretter verborgen. So sparten sie eine Menge Platz und der Notvorrat blieb auch vor menschlichen Plünderer sicher. Jetzt allerdings war der richtige Zeitpunkt eine dieser geräucherten Fleischbomben zu verköstigen. Danach begann sie mit aufgetankter Energie den Bodenplatz für die neue Mauer zu reinigen. Da ihr Lehm und Wasser fehlten, begab sie sich lieber auf die Suche nach den Kühen. Anders als die Ziegen entfernten die sich nie weit vom Hof. In der Nähe vom Fluss entdeckte sie eine kleine dreier Gruppe. Zwei erwachsene Tiere mit einem grösseren Kalb. Ein absoluter Glückstreffer. Denn das stramme Jungtier hatte die Milchquellen offen gehalten, auch die von seinen Tanten. Mit einem abgebrochenen, stabilen Zweig trieb sie die halbscheuen Tiere zu ihrem Haus zurück. Die einschüchternde Rute in Suntas Händen war bereits nötig, da die halbwilden, gehörnten Tiere einen ausgeprägten Herdeninstinkt besassen. War ihnen etwas nicht geheuer, griffen sie gerne an. Nur unwissende Leute betraten unbekümmert eine fremde Weide. Es endet meist damit, dass die Leute schnell rennen lernten. Doch diese Kühe kannten den vertrauten Geruch von Sunta und respektierten ihre klare Anweisungen. Da diente der Stock mehr als nützlicher Wegweiser.
Bis der letzte Sonnenstrahl hinter den Hügelketten versank, schob sie die schweren herumliegenden Steine zu einer provisorischen Mauer hoch. Sie reichte immerhin bis auf Bauchhöhe. Für den Rest hängte sie ein paar Vorhänge und alte Decken zusammen. Kletterte in den ersten Stock hoch und befestigte dort die nach unten fallende Stoffwand. Es reichte um in der Küche eine angenehme Zimmertemperatur aufrecht zu halten und hinderte die Kühe draussen daran, ihr im wärmeren Abteil Gesellschaft zu leisten. Der kühle Herbstabend verriet wie nahe der bittere Winter vor der Türe stand. Die Nächte waren gerade noch angenehm, mit einer Decke, ertragbar.
Holz und Feuersteine lagen bereit. Es gab ein Abendessen mit heisser Milch, Siedfleisch und altem Brot, dass sie später darunter mischte um es aufzuweichen. Alles fand sie in ihrer Vorratstruhe. Es störte sie nur, dass sie diese erste Nacht auf dem harten Boden schlafen musste. Der karge Teppich lies sie wieder die blauen Flecken spüren. Doch sie besass eine warme Wolldecke. Vollkommen satt und ziemlich Müde liess sie bald einen tiefen Schlaf fallen. Ihr vertrautes Heim schenkte bekannte Geborgenheit, obwohl sich nur noch ein Hauch vom alten Geruch übrig geblieben war. Die Kühe gehörten ihr. Ziemlich sicher fand sie ihre zehn Ziegen, in den höheren Bergregion, vollzählig vor. Gegenüber den anderen im Dorf war sie schon mal reich gesegnet. Besass genug um problemlos zu überleben. Bestimmt fand sie einen im Dorf der shr ab und zu mal besuchte. Ein bisschen Gesellschaft pflegte. Sie träumte von einem neuen Aufbau. Wie Mika sie im Sommer besuchte.
Träumte wie der Drachen neben ihr landete und die Erde bebte und viele verrückte Abendteuer.
Am frühen Morgen bebte es gelegentlich immer noch leicht nach. Träge streckte sich Sunta auf ihrem harten Lager. Ein feiner wohlbekannter Gestank, tierischer Ausdünstung, folterte ihre Nase. Sie suchte einen alten Eimer. Wischte ihn trocken, sauber. Beschloss zuerst einmal die Kühe zu melken. Mitten in der Bewegung zur Tür hielt sie inne. Hier drin im Zimmer war es etwas stickig zum atmen. Ausserdem ungewöhnlich warm, denn so ein provisorischer Zeltvorhang speicherte nicht die Raumwärme wären der ganze Nacht. Verwundert nahm sie ihre gestrige Arbeit, die teilweise eingebrochene Mauer, in Augenschein. Da zitterte was regelmässig auf der Aussenseite. „Mika!“ knurrte sie vorausahnend. Trat rasch aus ihrem Haus. Die Drachendame lehnte schläfrig an die, von ihr vortags dürftig geflickte Wohnwand. Füllte fast die Hälfte davon allein mit ihrer Masse aus. Schläfrig, müde nach dem langen Rückweg äugte Mika unschuldig kurz zu Sunta hinüber. Senkte den schweren Kopf um noch eine Runde weiter zu dösen. Nachdem der Drache gestern fast die Berge erreichte, entdeckte sie die verabscheuende Wolkenwand aus kitzelndem, kühlen Schnee. Freiwillig tat sie sich das nicht an und beschloss lieber in die wärmere Region Suntas umzukehren. Ausserdem gab es hier reichlich frisches Gras und viele nahrhafte Kühe. Wegen ihrer Kräfte zehrenden Reise, schnappte sie sich das alte, langsamste Vieh vor ihrer Nase. Den anderen wollte sie erst später nachjagen. Erst einmal war Erholung angesagt. Und Sonnenbaden, Sonnenbaden… danach sehnte sich das sonnenhungrige Reptil am meisten.
Baff starrte Sunta die müde Mika an. Nach reichlichem Nachdenken beschloss sie einen stabileren Innenhof zu bauen. Ihre eingesammelten Kühe hatte allesamt die Flucht ergriffen. Jedenfalls verrieten die Spuren im trockenen Boden davon, dass Mika nicht alle verspeiste. Erst mal hiess es also einen stabilen Zaun zu errichten der panische Kühe aufhielt, danach hatte sie vielleicht Glück noch auf etwas frische Milch. Sollte Mika die Tier zu sehr gestresst haben, gab es vielleicht auch keine Milch mehr. Dann wurde zwingend ein Stall fällig, der die nervösen Tiere komplett vor Mika abschirmte.
Als erstes suchte sie sich ein paar tragbare Balken, Pfosten allerlei Holz um einen Weidezaun zu errichten. Mit einem Locheisen schlug sie, wenige Meter von Haus entfernt das erste Loch für den Pfosten. Trotz ihrem Hämmern hörte sie den nähernden galoppierenden Hufschlag. Aus sicherer Entfernung beobachtete er jedoch zuerst eine ganze Weile ihr Haus. Ungestört rammte Sunta den ersten Pfosten in seinen vorgebohrten Platz. Schlug mit dem schweren Eisen, ihn fest in die weiche Erde. Es schien erst kürzlich mindestens einen halben Tag geregnet zu haben. Denn es steckte noch viel Feuchtigkeit im Untergrund darin. Ideal um einem längerfristigen Schutzzaun die nötige Festigkeit zu verleihen.
Nach ein paar Minuten getraute sich der Fremde heran. Abwartend sah Sunta den kräftigen Mann näher kommen. Er schien ihr seltsam vertraut. Sie wusste immerhin, dass seine robuste Schimmelstute, dem dem ansässigen Schmied gehörte. Erfreut hielt der junge Mann zum Gruß die Hand hoch. „Trifft sich ja gut. Kennst du mich nicht mehr? Malim, bin Sohn vom Schmied. Früher hast du immer mit einer Steinschleuder attacken auf meine Maultiere veranstaltet. Hab ich nicht vergessen.“ Offen blickten seine kleinen, dunkelbraunen Augen bewundernd über die zähe Sunta. Entdeckte wohlwollend die Veränderung, wie aus dem molligen Schulkind von einst, eine frauliche Figur wurde.
Sunta indessen wunderte sich wie aus dem angeberischen, dürren Jungen von früher, ein absolut ansehnlicher Mann geworden war. Mit den kurzen, dunkelblonden Haaren und dem wieder erkennenden breiten Grinsen. Neben den vermehrten Sommersprossen im Gesicht, vergrösserte er beträchtig seine Umfang an Muskeln. Er hatte sich prächtig entwickelt. Nachdem die Schulzeit endete, hatte sie ihn seither nie mehr gesehen. Sie passte schon früher nicht in sein weibliches Beutechema. Mit einem Lächeln bemerkte sie, dass er noch immer die obersten zwei Knöpfe an seinem Hemd offen liess. Was einer offenen Einladung für alle Frauen gleichkam, jedenfalls nach seiner gewünschten Vorstellungen. In der Schulzeit war er immer so stolz gewesen als einziger den störrischen Muli von seinem Vater reiten zu können. Von ihren Schulkameraden hielt sich keiner lange auf dem bockenden Ungetüm. Allerdings landete selbst Malim, nach ihren heimlichen Steinschleuderattacken, im Staub. Es war keine Böswilligkeit von Sunta gewesen. Nein, die verborgene Beteiligung am Hauptgewinn galt es zu verdienen. Für ein paar süsse Bonbons hatte sie sich überreden lassen, dem siegessicheren Malim einen schmerzhaften Dämpfer zu verpassen. An das anschliessende davon rennen, erinnerte sie sich auch noch gut. Weil er nämlich rasch herausfand wer so treffsicher seinen Muli manipulierte. Dabei war sie mit ihren kürzeren Beinen, trotzdem immer flinker gewesen.
Beide schwelgten kurz in ihren früheren Erinnerungen an früher. Der Wind drehte, liess Suntas rotblondes Haar flattern. Äusserst interessiert beobachtete der Schmied ihre bescheidene Schönheit. Dabei verblassten die geschrienen Warnungen von den Dorfbewohnern, dass sie ein fliegendes Monster befehligte. Er bedauerte seit dem Vortag, ihren einmaligen Auftritt verpasst zu haben. Fragte sich insgeheim, ob sie da auch den Leuten einen Streich gespielt hatte.
Auf einmal versteifte sich sein braves Pferd. Schrie panisch auf, bockte, schleuderte ihn zu Boden und jagte wie Besessen über die Ebene davon. Staunend realisierte der Schmied wie sein sonst so lahmes Reittier sich zum Rennpferd mauserte. Irgendwie war er, wie früher, wieder vor den Füssen Suntas gelandet.
Sunta konnte sich ein Lachen nicht mehr verkneifen. „Hat sich ja nicht viel verändert seit früher.“ „Wow“. Wischte sich mit einer Hand durch das leicht wellige Haar. Stand auf und klopfte sich den Staub von den Kleidern. „Du hast dich zum Glück nicht bewegt, also bist du schon mal unschuldig. Sonst hätte ich dich diesmal wirklich übers Knie gelegt!“ Versicherte er mit fester Stimmte um ihre ausgelassene Stimmung zu dämpfen. Überprüfte den Himmel. Nirgendwo ein Drache. Waren den alle vom heimlichen Wahnsinn befallen?
Unbekümmert zuckte er einmal mit den kräftigen Schultern. So leicht brachte ihn nichts aus dem Gleichgewicht. Etwas abschätzig betrachtete er wie die kleine Sunta die schwere Eisenstange hielt. „Soll ich dir helfen?“ Seine Hände in die Hüften stemmend, zeichneten sich deutlich seine Oberarmmuskeln unterm Hemd ab. Seit der Schulzeit veränderte sich viel. Besonders seit er die schwere Arbeit von seinem Vater übernahm zeigten sich die weiblichen Anwohner deutlich interessierter. Er genoss sichtlich den Vorteil seiner Stärke und genauso seine Überlegenheit.
Zu genau kannte Sunta den unverschämten Preis für seiner angebotene Hilfe. Für einen Kuss oder begrabsche in tieferen Regionen an seinem Körper, half er schon früher den willigen Verehrerinnen, bei den Schulaufgaben. Da bevorzugte Sunta lieber eine tiefe, ehrliche Prüfungsnote vom Lehrer zu kassieren, als von Malim die ergaunerten Ergebnisse im Voraus zu verdienen. Sie hoffte, dass er sich in diesem Punkt endlich reifer entwickelte. Deutete auf das Wohnhaus hinüber. „Gerne. Ich brauche Hilfe um eine neue Aussenwand zu errichten. Von Architektur verstehe ich wenig. Den Weidezaun allerdings, schaffe ich allein.“
„Ach was?“ Kam es spöttisch von oben herab. Zweifelnd sah der künftige Schmied zu dem mehren Kilo schweren Stemmeisen in Suntas schmalen Händen. Belächelte ihren weisen Entschluss es seinen Händen anzuvertrauen. Stellte sich zu allem bereit vor den noch wackeligen Pfosten. Doch Sunta winkte zu seiner Enttäuschung ab. „Das wird nicht mehr benötigt. Bitte tritt einen Schritt zurück, es kann sonst etwas gefährlich werden.“
Dennoch stützte sie mit einer Hand entschlossen den Pfosten senkrecht. Mit der anderen deutete sie eine Drehung an und ein Schlag von Oben.
Während die Gehirnzellen von dem Schmied noch an der seltsamen Order arbeiteten, zischte es vor seiner Nase. Ein Schatten flitzte kurz vorbei. Mit der Schwanzspitze von mehreren Kilos, die jetzt schwungvoll hinunter federten, schmetterte es den Pfosten tief in den Boden. Hieb dabei Sunta empfindlich eines auf die Hand. Aufschreiend schüttelte sie die schmerzenden Finger. „Mika!“ Schrei sie ungestüm den Drachen an. „Was soll das? Über den Pfosten kann jetzt sogar ein kleines Kalb steigen. Kannst Du deine Kräfte nicht besser einteilen. Nur bis dahin.“ Sie deutete auf ihre Halshöhe. Sah dabei bedauernd auf den verschwendeten Pfosten hinunter, der ihr kaum bis zu den Knien reichte.
Selbst nachdem sie verstummte, benötigte der Schmied noch eine paar Sekunden um zu verarbeiten was da den Pfosten so gewaltig vor seiner Stupsnase versenkte. Mit einem verlegenen, künstlichen Lächeln trat er zuerst dicht neben Sunta, eher er sich getraute umzudrehen.
Sie bückte sich gelassen um den nächsten Pfosten aufzustellen. „Keine Sorge, solange ich da bin, wirst du nicht gefressen. Übrigens kann sie prima Feuerspucken. Damit könnte sie garantiert Eisen zum schmelzen bringen. Kannst du nächstes Mal dein Werkzeug mitbringen? Vielleicht können wir so zwei, drei Scharniere für eine neue Tür herstellen….“ Seine Stiefel waren auf einmal aus ihrem Sichtfeld verschwunden. „Hey“, rief Sunta ihm nach. „Sie ist wirklich harmlos solange ich daneben….“ Auf die weite Distanz verstand er keine Silbe mehr. Sie staunte nur noch wie schnell untrainierte Leute rannten. Er war ein exzellenter Reiter, aber zu Fuss, mit seinen extremen O-Beinen, eher eine Null. Heute hätte er auf jeden Fall eine Medaille verdient.
Leise meinte sie zu Mika. „Komm. Hilf mir wenigstens beim nächsten. Aber sachte. Sachte!“ Unterstützte die Worte mit einer kleinen antippender Handbewegung. Begeistert folgte Mika der Anweisung, die so ganz ihre Aufmerksamkeit forderte. Jede Langeweile, aus der Höhle, war vergessen.
Bis zum Abend schafften sie eine robuste Einzäunung, die bereits drei Kühe und sogar vier Ziegen beherbergte. Im entlegenen Winkel, der hintersten Umzäunung, drängten sich die Tiere ängstlich zusammen, während Mika interessiert sie beobachtete, bewachte. Auf einmal packte sie erneut das Jagdfieber und flog in der Abenddämmerung davon, mit der Hoffnung ein weiteres Tier zu finden. Ausserdem wuchsen hier die saftigen, süssen Baumsprossen in Massen.
Abgelenkt kochte Sunta ein paar grosse, schrumpelige Kartoffeln. Ein eingelagerter Rest den sie in einem Keller lagerten. Dank Mikas Kraft hatten sie es geschafft den eingestürzten Stall zur Seite zu schieben und darunter den Kellerraum frei zu graben. Jetzt reichte, für sie allein gerechnet, die Vorräte schon ein halbes Jahr. Selbst wenn sie die Hälfte der keimenden Kartoffeln nutzte um sie in den Boden zu pflanzen. Für den ganzen nächsten Winter hätte sie dann ausgesorgt, was das Gemüse betraf.
Für heute nahm sie sich viel Zeit für einen perfekten Kartoffelstock, da sie die viele Milch von den Kühen verwenden musste. Sie war ganz vertieft in ihre Arbeit mit dem feinen Rühren. Vertraute völlig darauf, dass Mika draussen aufpasste und wenn sie wiederkam, ein kleines Erdbeben auslöste. Als plötzlich ein zivilisiertes Klopfen an ihre Haustüre erscholl, zuckte sie entsprechend erschrocken zusammen. Durch das offene Fenster, im letzten Licht der Sonne, war Mika selbst am Himmel noch erkennbar. So schnell traute sich eigentlich keinem Dorfbewohner den Mut zu, hier zu erscheinen. Verwundert wer jetzt seine mutigen Qualitäten Beweisen wollte, öffnete sie die Tür. Ein grosser dunkler Schatten hob sich gegen die blendende, rötliche Abendsonne ab. Rasch bemerkte sie ihren Irrtum.
„Pol“, entfuhr ihr gänzlich überrascht. Fassungslos starrte sie ihn an, gar nicht dessen bewusst, dass sie unhöflich den Eingang blockierte. Erst nachdem ein paar Schrecksekunden vergingen, gelang es ihr sich zusammen zu nehmen. Ihr erster beruhigende Eindruck, er war nicht sauer. Das hätte sie aber nach ihrer überstürzten Flucht so ziemlich erwartet. Sie trat beiseite und lud wortlos mit einer Handbewegung zum Eintreten ein. Bei seiner ungewöhnlichen Grösse musste er sich bücken um nicht an den Türrahmen zu stossen. Pflichtbewusst grüsste er, obwohl ihm das Tadeln zuvorderst auf der Zunge lag. Am Anfang seiner auswärtigen Mission hatte er ziemlich innerlich gekocht. Je länger die Flugzeit dauerte, umso mehr entspannte er sich. Vor allem weil ihm die ungewöhnliche Flugzeit bei Tageslicht erlaubte einmal genau das Land unter ihm, in all seiner Farbenpracht, zu sehen. Bisher kannte er nur den glitzernden Sternenhimmel mit seinen wichtigen Konstellationen. Darunter ein dunkles Land das im nächtlichen Schatten verborgen lag. Heute jedoch bekam er eine kostbare Ausnahmebewilligung tagsüber nach der entführten Drachendame zu suchen. Das Angebot hatte er äusserlich Betrübt, innerlich jubilierend, angenommen. Beim eisigen Bergpass wiederrum fluchte er laut über Suntas Ausbruch. Selbst sein junger, starker Drache war unfähig gewesen über den stürmischen Gegenwind anzukommen. Beide mussten zu Fuss die letzten hundert Meter den letzten Bergpass überwinden. Seine Uniform war hergestellt worden um vor allem kühlen Gegenwind und gewöhnlichem Regen zu trotzen. Aber keinem arktischem Klima. Schon gar nicht sein dünnes, leichtgewichtiges Schuhwerk. Er zweifelte jetzt noch ob alle Zehen, in dem aufgeweichten Leder, unbeschadet blieben. Nach dem Bergpass segelte sein Drachen entspannt seine Runden ins Tal hinunter. Pols Füsse kribbelten während dem ganzen Flug ziemlich unangenehm. Er hoffte, dass sie nach dem Auftauen wieder normal funktionierten. Sobald die trübe Wolkenwand endlich aufriss und er zum ersten Mal die bunte Welt unter sich erblickte, verschwand all sein aufgestauter Ärger über Suntas Flucht. Er vergass seine geplagten Füsse. So helle Farben, sogar das rötlich verfärbte Licht der Abendsonne, blendete ihn. Es war ihm egal, wie weh die empfindlichen Augen taten. Er genoss einfach den ruhigen Gleitflug inmitten der grandiosen Kulisse. Zielsicher folgte sein männlicher Drachen der frischen Duftspur von Mika. Manchmal ein paar harmlose Schwenker, wenn er den Flug korrigierte um sich dem ständig bewegenden Wind anzupassen. Bis er unsicher über dem arg gebeutelten Bauernhaus kreiste. Die aufgerissene Erde, die tiefen Krallenspuren auf dem staubigen Vorplatz, zeugten klar von Mikas Besuch. Die frische angepinkelte Erde, in einer Ecke des Staubbades verriet sogar eine sichtbare Markierung eines abgesteckten Reviers. Mika wollte sich nicht verstecken, im Gegenteil, sie hinterliess bereits Zeichen welchen Raum sie beanspruchte. Pol kannte dies bisher nur aus seinem alten Lehrbuch. Ohne zu zögern liess er seinen Drachen kurzerhand landen. Es galt Mikas Abwesenheit zu nutzen und herauszufinden ob der Einwohner Sunta war. Jedoch bat er sein braves Reittier vorher, sich bei einer Nahe liegenden Baumgruppe zu verstecken. Er kannte die strengen Regeln. Zu vermeiden das leichtgläubige Bewohner lebende Drachen zu Gesicht bekamen. Als er nach dem Anklopfen Sunta vor sich sah, fehlten ihm schlicht die Worte. Sie roch angenehm nach wohlschmeckender Küche. Noch mehr faszinierte ihn der lebendige Ausdruck in ihren Augen. Wie die eben erlebte Umgebung, steckte so viele Energie darin. Dann bemerkte er die Wärme des Wohnzimmers. Ziemlich erleichtert stürmte er förmlich in den Raum hinein. Angesichts des neu eingerichteten Zimmers, verschob er vorerst die Dringlichkeit seines Auftrages. Der saubere Innenraum benotete Suntas hervorragende Leistung. Dank Mikas Unterstützung diente nun der senkrechte Balken als gelungene Deckenstützung. Unter den Trümmern vom Wohnhaus fand sie die Überreste eines Bettes und nagelte es stabil zusammen. Decken, Kissen sogar Vorhänge waren neu montiert. Farblich passte hier kaum was zusammen, aber jeder Stoff, jedes Ablagebrett oder Stein, diente einem nützlichen Zweck. Der ganze Innenraum machte einen zuverlässigen, abgesicherten Eindruck an dem er nichts bemängeln konnte. Jeder ausgebildete Meistertunnelbauer leistete dieselbe perfekte Arbeit. Nur stand Sunta eine unberechenbare Drachendame als Hilfe zu Verfügung und nicht ein ganzes Regiment geschulter Arbeiter. Neben einer festen Kochnische improvisierte Sunta kurzerhand eine kleine Stube mit einer Schlafgelegenheit. Dies alles nur an einem kurzen Nachmittag. Pols scharfer Verstand anerkannte ihre enorme Leistung und er begann langsam ihren Drang, nach ihrem Zuhause, zu verstehen. „Sunta, ich bin angenehm überrascht. Hier sieht es ganz gemütlich aus.“
„Solange bis sich Mika wieder unruhig im Schlaf umdreht. Die Balken halten stand, aber der Inhalt der Regale landet regelmässig, bei den mittleren Erdbeben, auf dem Boden. Doch sie lernt erstaunlich schnell und ich kann sie vielfältig einsetzen“. Lobte sie Mikas Talente. Pol sollte ruhig wissen, wie wertvoll die Drachendame ihr Gesellschaft leistete. Für einen Moment entstand eine angenehme Stille. Unbewusst musterte sie Pol der ihr hier so verändert vorkam. Zum ersten Mal sah sie ihn in einer engen Uniform, welche den Körper nicht nur schützte, sondern auch betonte. Die blauen Farbtöne und der seltsame glänzende Stoff, liessen einen Drachenreiter bei einem Flug fast unsichtbar werden. Einzig die langen hellblonden Haare, die er hinten zu einem Zopf flocht, wirkten wie ein Kontrast. Sein ruhiges, beobachtendes Auftreten unterschied sich von dem in der Höhle. Viel entspannter ohne den vollgestopften Tagesplan, der ihn hektisch vorantrieb. Zudem wirkte er aufrechter, grösser ohne den einengenden Hintergrund der Tunnelwände. Bei einem kurzen Vergleich mit Malim, war Pol eindeutig um die Hälfte schlanker und mit einer natürlichen Eleganz gesegnet, die der ansehnliche Schmied selbst in seinem besten Sonntagsanzug nie erreichte. Natürlich weniger kräftig, aber viel flüssiger in den Bewegungen. Zum ersten Mal, in ihrem Leben überzeugte sie dieser bekannte Pol, als attraktiver Mann. Die gewisse Dominanz die er schon im Berg besass, trat hier viel bescheidener hervor. Stattdessen wirkte er vor allem neugierig. Staunte offen über die ihm unbekannte Bauart. Bis sein aufmerksamer Blick zurück auf die schweigende, starrende Sunta viel.
Er hielt ihrer strengen Prüfung stand und meinte gelassen. „Was ist los? Du kennst mich doch mittlerweile.“
Rasch verabschiedete sie sich von dem anschmachtenden Blick. Versuchte ihrer trockenen Stimme einen neutralen Ton zu geben. „Nein, du wirkst verändert, wenn ich das ehrlich heraus sagen darf. Diese massgeschneiderte Kleidung sehe ich auch zu ersten Mal. Steht dir“, schwächte sie ihre wahre Bewunderung ab. Deutete auf den Tisch zu einer Sitzgelegenheit. „Setzt dich doch. Fühle dich wie zuhause.“ Was ihn schräg lächeln liess. Gewiss, dies hier war weit davon entfernt sein perfekt ausgestattetes Heim zu sein. Doch es bot genauso Schutz vor dem unbeständigen Wetter draussen. Verspätet erinnerte er sich an die schwere Tasche die hinten an seinem Rücken baumelte. Vor allem weil dadurch seine kalten Füsse, bei jedem Schritt zusätzlich schmerzten. Vorsichtig legte er seine Notausrüstung auf den Küchentisch nieder. Gegen seine Erwartung hielt der schlichte Tisch problemlos stand. Sunta deutete auf die unteren Tischbeine, wo eine zusätzliche Verstärkung, versteckt angebracht war. „Ich esse gerne ohne dass die Hälfte vom Essen meine Hosen bekleckert. Mikas Anwesenheit beeinflusst die Reparaturen immens. Da wird man von Anfang an erfinderisch. Dafür hilft sie mir die entlaufenen Tiere einzusammeln und ich glaube gerade….“ Flügelschlag erzitterte die Luft draussen. Mit der erfrischenden Windböe, welche unter den hochgeblasenen Vorhängen hereinströmte, hörte man draussen eine verstörte Ziege meckern.
„Soeben hat sich mein Bestand um eines vergrössert.“
Lautes Schnauben im Türrahmen, der offenen Tür, zeigte das Mika genau den neuen Besucher schmeckte. Bevor Pol reagierte, schrie ein weiterer Drache empört auf. Ziemlich aufgebracht schnappte Mika eifersüchtig nach dem unwillkommenen Artgenossen. Ihr neues lieb gewonnenes Reich teilte sie mit keinem Eindringling, schon gar nicht mit einem von ihrer Grösse. Wie eine wilde Furie stürzte sie sich auf ihre verhasste Konkurrenz. Der Boden bebte von dem Ringkampf der Giganten. Arg angekratzt sauste wenig später der dunkelgrüne Drache, überstürzt in die nächsten Wälder, davon.
Mit einem unglücklichen Gesicht verfolgte Pol die Laute von draussen. Mittlerweile war es kühler und fast dunkel draussen. „So ein Mist. Damit habe ich nicht gerechnet. Hoffentlich traut sich Morgen mein Karant wieder hierher zurück. Auf keinen Fall wandere ich zu Fuss nach Hause. Du, bist ja ziemlich kurzfristig abgereist.“ Leider konnte er nun, trotz seiner guten Vorsätze, die Vorwürfe nicht mehr verbergen. Ihr unbekümmerter Ausdruck bewölkte sich. Einen langen Moment sah sie ihn einfach nur an ehe sie getroffen den Kopf senkte. Sie wollte keine bösen Worte losschicken, welche einen Streit auslösten. Dabei bemerkte sie seine verkrampfte Stellung. Vor allem die feuchten Wasserspuren welche seine Schuhe auf dem Boden hinterliessen. Sie schüttelte den Kopf und deutete hinter ihn. „Hast eigentlich keine kalten Füsse?“ Jetzt besass sie seine volle Aufmerksamkeit, denn schliesslich hatte er eiskalte Füsse alleine wegen ihr. Etwas barsch entfuhr ihm. „Natürlich, allerdings spüre ich die Kälte schon lange nicht mehr. Dafür tun sie mir bei jedem Schritt weh. Wenn du...“ „Setz dich“, fiel sie ihm einfach ins Wort. Seine anfangs verengten Augen beobachten allerdings wie mit einem grösseren Holztopf nach draussen marschierte. Er gab ihr Recht. Es war besser sich vorerst auszuruhen. Erleichtert setzte er sich auf einen dreibeinigen Hocker. Kurze Zeit später ärgerte er sich wieder, weil er nicht aus den wie anklebten Schuhe herauskam. Da setzte sich schon eine lächelnde Sunta neben ihn hin. Neben seinen Schuhen stand jetzt ein halbvoller Topf mit Wasser. Sie schob seine ungelenkigen Finger auf die Seite. Nahm einfach seine versteiften Füsse und stellte sie mitsamt den Schuhen, trotz seinem Protest, einfach in das kühle Wasser hinein. „Warte, es wird gleich besser“, versprach sie ihm. Rasch holte sie vom Herd den dampfenden Teetopf. Sachte leerte sie das kochend heisse Wasser hinein. Ganz am Rand ohne das es aufspritzte. Nach wenigen Sekunden genoss Pol das angenehme Fussbad. Aufatmend lehnte er sich entspannt an die Wand zurück. Lachend dehnte nun Suntas geschickte Finger das Leder und befreite seine unterkühlten Füsse. Goss nach und nach mehr heisses Wasser hinzu, bis ihre badende Hand es gerade noch erträglich fand. Aufseufzend schloss Pol die Augen. Ja, jetzt war ein besserer Zeitpunkt alles abzuklären, fand Sunta. Es kam ziemlich auf den passenden Moment an, wenn man wichtiges zu klären hatte. Jedenfalls wenn man als Sieger aus dem Gespräch kommen wollte. Das brachte ihr ihre Mutter schon früh bei. Also massierte sie seine aufwärmenden Füsse geschmeidig, bis sie sachte an seinem grossen Zeh zog. „Pol“, startete sie leise, „Wie würdest du dich fühlen, wenn dir jemand, ohne vorher mit dir abzumachen, für zwei, drei Tagen, stark beruhigende Substanzen verabreicht?“ Funkelnde Augen fokussierten sie an. Er plante was zu sagen doch nach einer eingelegten Denkpause, schloss sich sein Mund ohne einen Ton. Bevor er die richtigen Worte fand, fuhr sie fort. „Mal ehrlich. Du wärst in einer fremden Umgebung und man würde dich drei Tage einfach ruhigstellen. Wie würde dir das gefallen?“ Verteidigend warf er ein. „Du warst verletzt! Du brauchtest dringend eine Ruhepause.“ „Ja, aber nicht so eine lange,“ wiedersprach sie sanft. „und vor allem nicht mit so einer übertrieben starken Medizin. Niemand zwingt mich bei Euch zu bleiben. Das ist immer noch meine freie Entscheidung.“ „So war das überhaupt nicht gedacht,“ versuchte er seine Tat zu entschärfen. „Ich wollte nur das du dich gut erholst. So eine kleine Pause hat dir doch gutgetan.“ Er schluckte leer als er ihren scharfen Blick gewahrte. Zum ersten Mal lächelte er verlegen. Sie richtete sich gemächlich auf. Es war nicht geplant ihn dabei anfassen. Als sie sich aber mit ihren Händen an seinen Oberschenkeln abstützte um mehr Gewicht in ihre Drohung zu legen, merkte sie kurz ihren Fehler. Sie spürte die Wärme seines Körpers durch das dünne Leder. Genauso überraschte sie die kribbelnde Energie die von ihm zu ihr rüber floss. Sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen, wie sehr sie die simple Berührung aus dem Gleichgewicht zu bringen drohte. Hastig versuchte sie die richtigen Worte wieder zu finden. „Wenn du noch einmal mich ohne Absprache dermassen ausser Gefecht setzt, lasse ich bei günstiger Gelegenheit dich einmal so einen Drachenblitzer, am eigenen Leibe, spüren.“ Erst blinzelte er kurz, dann verstand er. Hastig hob er verteidigend seine Hände. „Sunta, ich habe wirklich nur an deine beste Gesundheit gedacht. Und na ja, vielleicht habe ich es ein bisschen zu Gut mit dir gemeint, als ich das Pulver vermengt habe.“ „Zu gut? Dann ist es bestimmt auch zu deinem Beste wenn ich deine alte Gehirnzellen massiv auffrische, falls ich dich erwische mir noch einmal was heimlich ins Essen zu tun!“ „Okay, ich habe es verstanden. Nächstes Mal warne ich dich vor. Einverstanden! Du bist eh nicht mehr in der Höhle. Hier habe ich keine Befehlsgewalt mehr.“ Sein Versuch Humor in die heikle Sache zu bringen scheiterte. Sunta nickte wenig beschwichtigt. Sie wollte keine Schwäche zeigten. Er mochte in seinem unterirdischen Staat eine anerkannte Autorität sein, aber hier auf ihrem Hof, herrschte eine andere Rangordnung. Hier liess sie sich nicht herumschubsen oder unterordnen. In der Tat wirkte er, mit eingeweichten Füssen vor ihr sitzend, mit dem gequälten schuldgeplagten Gesicht, weit entfernt davon der energische Pol zu sein, den er in der Höhle verkörperte. Sie gestand sich sogar ein, dass sie den jetzigen einsichtigen Pol ziemlich attraktiver fand. Insgeheim fragte sie sich, wie wohl ihre Entscheidung aussähe, stünde jetzt Donan neben ihm. Das altbekannte oder das neue aufregende wählen? Egal, wer von den beiden gerade ihren Seelenfrieden quälte, sie brauchten bald ein Abendessen. Eines das nicht verbrannt roch. Während sie die gekochten Kartoffeln von dem Salzbad erlösten, sah sie dennoch öfter zu dem so häuslich wirkenden Pol hinüber.
Beschäftigt stampfte sie die Kartoffeln zu einem Brei. Goss Milch hinein, ein paar Prisen Gewürze, und klopfte sachte alles zu einer luftigen Masse. Obwohl sie halb abwesend Pol beobachtete, der sich zwischenzeitlich die Füsse abtrocknete, gelang ihr der empfindliche Kartoffelstockbrei. Wenn auch nach einer verköstigenden Probe sie die geruchsverstärkende Butter vermisste. Für solche kulinarischen Genüsse brauchte es mehr Zeit im Umgang mit der eingesammelten Milch. Ab nächste Woche würde sie damit anfangen. Eventuell früher, wenn Pol ihr half ihr Häuschen winterfest auszurüsten. Sie wollte unbedingt wissen, „Wie lange bleibst du?“ „Willst du mich schon wieder loswerden?“ Es klang ein Hauch Belustigung in seiner Stimme. Sie winkte beschwichtigend ab. „Nein, es geht mir mehr darum zu wissen, ob ich dich Morgen für handfeste Ackerarbeit einspannen darf?“ Erstaunt sah er zu ihr hinüber. Damit hatte er nicht gerechnet. Arbeiten auf dem Land! Er, wo bisher nur ein Organisator oder Überwacher von den Haushaltsordnungen war. Er sollte pure Erde anfassen? Draussen in der Sonne arbeiten? Überraschenderweise schien es ihn nicht einmal abzuschrecken. Zögerlich lenkte er ein. „Kannst du überhaupt jemand wie mich, ohne geringste Erfahrung, brauchen?“ Zuversichtlich lächelte sie. „Ich finde schon eine Arbeit wo man dich einspannen kann. Zum Beispiel wäre es schön die winterfeste Kartoffelsorte noch in den weichen Boden zu pflanzen, bevor der Winter beginnt. Damit wäre im nächsten Sommer eine frühere Ernte möglich. Und bei hohem Ernteertrag wäre ich sogar bereit Euch was abzugeben.“ Nachdenklich sah sie ihn lange an. Es zuckte wissend in seinem Mundwinkel. Also hakte er nach. „Im Handel gegen was?“ Ihr Lächeln verbreitete sich. „Leckere Süsskartoffeln gegen ein paar Seidenkleider. Weisst du ich sollte langsam den mitbringenden Vermögenswert, bei meiner zukünftigen Familienplanung, steigern. Es gibt da ja so eine ziemlich interessierte Junggesellengruppe, die vor nichts zurückschreckt. Damit ich später, nach der Hochzeit, auch noch ein Mitbestimmungsrecht habe, wäre es empfehlenswert mehr Eigenkapital mitzubringen. Damit ich nicht für jedes Kleid meinen zukünftigen Mann anbetteln muss.“
Verwundert über ihr Weitsicht nickte Pol. Verriet dann aber. „Das wäre eine gelungene Wendung nach deinem letzten hinterlassenen Eindruck. Hast du eine Ahnung, wie schwierig es war die versammelten Bewerber zu beruhigen, nachdem bekannt wurde, dass du mit Mika draussen, bei Tageslicht, herumfliegst. Dazu noch ohne freigegebene Bewilligung der Ältesten.“
Betroffen hielt Sunta inne. Dass sie ihm mit ihrer überhasteten Flucht schadete, damit hatte sie gerechnet. Scheu sah sie zu ihm hinüber. Leise, „Tut mir leid. Ich…ich wollte einfach nur noch weg. Das ständige im Mittelpunkt stehen, macht mich wahnsinnig. Sieh dich um, hier ist Ruhe. Der nächste Nachbar ist ein halber Kilometer entfernt. Das ist es was ich gewohnt bin. So bin ich aufgewachsen. Keiner rückt mir hier aufdringlich auf die Pelle. Vor allem niemand der mir was heimlich, unerlaubt ins Essen mischt.“ Betroffen hielt Pol ihrem Blick stand. Das rechnete sie ihm hoch an. Trotz allem besass er ein stabiles Rückgrat. Kurz senkte er seinen Blick. „Es kommt nicht wieder vor. Du hast mein Wort darauf.“ Bei den letzten Worten sah er bereits wieder in ihre Augen. Vor allem die knisternde Stimmung während des direkten Augenkontakt verriet ihr seine Ehrlichkeit. Für einen Moment schien die Zeit stillzustehen. Als sie nach den wie gelähmten Sekunden wieder zu sich kam, wusste sie verwirrt gar nicht mehr was sie eben tun wollte. Die Bewegung des heissen Wasserdampfes aus dem engen Teekesselkamin brachte sie ganz in die Gegenwart zurück. „Gut. Ich glaube eine Tasse Tee tut uns ganz gut. Ich habe getrocknete Pfefferminze da.“ Wieso fiel es ihr plötzlich so schwer mit Pol zu reden. Die richtigen Worte zu finden. Also plapperte sie einfach drauf los, während sie den Tee zubereitete. „Ich hätte im Grunde gerne mit dir vorher gesprochen, vor meiner überstürzten Abreise. Konnte dir aber nach den drei betäubenden Tagen nicht mehr vertrauen. Das hat mir Angst gemacht. Ich wollte einfach nur weg solange es meine Freiheit zuliess. Das Mika bei mir blieb, war nicht eingeplant gewesen. Sie wollte mich nicht alleine durch den Schneesturm ziehen lassen. War einfach über mir und hat mich beschützt. Auch als ich gestern sie nach Hause schicken wollte, ist sie zwar kurzzeitig weggeflogen, aber in der Nacht heimlich zurückgekommen. Ich mache mir aber grosse Sorgen, da ein strenger Winter kommen scheint.“ Bittend sah sie dabei zu Pol hinüber. Er schaute sie mit volle Aufmerksamkeit an. „Ja?“ „Kannst du sie mitnehmen und mich abholen, wenn das Turnier bei Euch startet? Eventuell“, Sunta sah ausweichend zur Decke hoch. Suchte nach den passenden Worten, da ihr gerade kurzfristig ein zusätzlicher Gedanke kam. „Könntest du die interessierten Bewerber informieren, ob sie sich auch ein Leben ausserhalb der Höhle vorstellen könnten? Oder wenigstens sich getrauen während der Sommersaison hier draussen zu wohnen.“
Pols ernste Miene drückte nichts Gutes aus. Er liess das erst durchsacken. Für diesen Anspruch brauchte es erst eine Absprache mit einem der Ältesten. Sollte er allerdings Klump auf seine Seite ziehen… Er verwarf den Gedanken schnell. Ausgerechnet Klump würde nie so eine Sondererlaubnis einwilligen. Da er selber Interesse an Sunta zeigte. Nein, diesmal verhalf der enge Verwandtschaftsgrad zu keinerlei Vorteile. Sunta seufzte schwer. Die folgenden Worte auszusprechen taten ihr weh. „Wenn du Mika also mitnehmen würdest, wäre ich dir sehr dankbar. Die schwerste Arbeit ist bereits hinter mir.“ Sie deutete auf die schweren Balken, welche stabil an ihren Orten, Sicherheit für die nächsten Jahrhunderte versprachen. Verspätet viel ihr ein. „Hast du Hunger?“
Einen Moment verdaute er Gedankenversunken ihre Rede Flut. Vor allem ihr zwar ordentliches zusammen gebasteltes Heim und hier zu wohnen, liess ihn skeptisch Nachdenken. Ein grummelnder Magen erinnerte ihn an ihr letztes willkommenes Angebot. „Hunger! Oh ja, der Flug hierher war ziemlich anstrengend. Ausserdem rechnete ich damit, dass du den längeren, einfacheren Weg nahmst. Den damals, als du uns gefunden hast, rund um den Berg herum. Es ist ein Wunder, dass du bei dem neuen Schneefall, einen Drachen dazu überredest hast direkt den eiskalten Pass zu überwinden. Erst recht so einen untrainierten wie die träge Mika. Sogar mein Prachtexemplar Karant forderte es das äusserste Limit heraus. Ich habe ihm meine belegten Brote, nach der Anstrengung mit dem schwierigen Pass, überlassen. War eine schwierige Entscheidung. Denn entweder Rückzug oder ihm mehr Energie zustecken damit wir dich einholen konnten. Eine längere Pause dort oben hätte er jedenfalls, bei dem Schneesturm, nicht überlebt. Und ohne Drachen wäre ich ziemlich aufgeschmissen. Aufgeben und auf bessere Wetterverhältnisse zu warten kam nicht in Frage. In solch einer Bedrohlichen Situation war ich schon lange nicht mehr.“ Ungläubig schüttelte er den Kopf. „Wie hast du Mika nur dazu gebracht, dort dem windigen Gebirge zu trotzen?“ Sie stellte in einer gedrechselten Holzschale eine grosszügige Portion von dem Kartoffelbrei vor ihm hin. Dazu reichte sie ihm direkt einen Löffel.
„Mika ist gar nicht so! Ich habe sie vor dem Pass zurück geschickt, weil sie ziemlich erschöpft war. Doch auf einmal war sie zu Fuss über mir und hat mich vor dem Schneesturm beschützt. Sie ist so ganz anders als ihr sie kennt. Manchmal weiss ich selber nicht was ich von ihr halten soll. Doch vor allem die Zusammenarbeit gestern hat mir gezeigt, wie sehr wir alle ihre Intelligenz unterschätzen. Für mich ist alles neu. Ich wundere mich stattdessen, warum ihr nicht längst gemerkt habt, was für bemerkenswerte Persönlichkeiten in den Drachen stecken.“
Bewundernd strichen Pols Finger über die Aussenseite seiner dunkel verzierten Holzschale. Bei ihm Zuhause gab es nur schlichte Keramik. Da in der Höhle sich das Holz mit der Feuchtigkeit des Berges weniger vertrug. Schmunzelnd verriet Sunta Stolz. „Mit einem heissen Eisen oder Draht brennen wir da Muster hinein. Ist ein angenehmer Zeitvertreib im Winter. Es gibt… Es gab danach im Frühling einen Wettbewerb über die schönsten Stücke. Mit dem, was du gerade in den Händen hältst, habe ich ein Frühlingslamm gewonnen.“ Pol staunte wiederum wie wenig er selber über Sunta vergangenes Privatleben wusste. Sein staunendes, anerkennendes Lächeln über ihr Kunstwerk, bedeutete Sunta weitaus mehr als der Preis eines Lammes. Allerdings wurde er schnell wieder ernst. „Sunta, bitte vergiss einfach keinen Moment, dass Mika eine unangenehme Vergangenheit hat. Das wird sie ein Leben lang begleiten. Ein Rest von Unberechenbarkeit und Misstrauen bleibt in ihrem Wesen tief verwurzelt. Das mit dem Ausflug wird noch einige unliebsame Konsequenzen mit sich ziehen. Für dich wahrscheinlich weniger.“ Er seufzte niedergeschlagen. „Aber für mich bedeutet das sehr wahrscheinlich den Umtausch zu einer neuen Arbeitsstelle.“
Es tat Sunta weh, ihn so bedrückt zu sehen. Mitfühlend legte sie ihm eine Hand auf sein Schultern nieder. Genoss die verborgene Kraft darunter. Eine Weile liess sie sich von diesem seltsamen Gefühl bezaubern. Dieser wohligen Wärme die ihren Arm hoch prickelte. Das verspürte sie nie bei Donan, obwohl er auch ihr eine gewisse Sicherheit vermittelte. Nicht einmal Klump löste dies Ansatzweise aus. Selbst Pol schien dieses elektrisierende Gefühl aufzufallen. Mit einem Lächeln sah er zu ihr hoch. Als er ihren gequälten Blick erhaschte, besänftigte er rasch. „Das war es mir wert. Deine überstürzte Flucht hat mir immerhin diesen schönen Ausflug beschert. Es ist Jahre her seit ich so einen fantastischen Sonnenuntergang betrachten durfte. Sonst dürfen wir ja nur nachts nach draussen und auch nur wenn der Himmel klar ohne Wolken bedeckt ist.“ „Ihr habt extreme Regelungen,“ wunderte sich Sunta.
„Nein, das dient nur zur allgemeinen Sicherheit. Die Kataner besitzen eine höhere Technologie, die es ihnen ermöglicht, nachts von ihren fliegenden Schiffen genauso klar zu sehen, wie Tagsüber. Aber wir können sie nur nachts, egal wie hoch sie gerade fliegen, an den verräterischen Lichter, ausmachen. Somit sind wir klar im Vorteil.“ Lies er sie wissen. Ohne gross Nachdenken legte er seine grosse Hand über ihre warmen Finger. Zuerst liess sie diese vertrauliche Geste zu, dann aber zog sie hastig ihre Hand weg. Ein schwaches Rosa färbte ihre Wangen als sie nach den Tassen suchten. Stellte entsprechend, ziemlich heftig diese auf den Tisch ab. Atmete erst einmal durch, ehe sie es wagte sie mit dem aufgebrühten Teewasser zu füllen. Mit dem heissen Wasser erlaubte man sich keine Ungeschicklichkeit. Pol versuchte sie abzulenken und gleichzeitig neue Information zu erhalten. „Nicht weit von hier habe ich Rauch aus einem kleinen Dorf entdeckt. Ich vermute du weist längst, dass es dort Überlebende gibt. Und trotzdem lebst du hier ganz alleine?“
Da sie Pols Gewohnheiten zu wenig kannte, stellte sie Zucker und getrocknete Arabeeren, eine süssliche Knabberei, auf den Tisch. „Ja. Der Sohn vom Schmied besuchte mich heute kurz. Nachdem er realisierte das der Drache echt ist, sah ich nur noch davon eilende Schuhsohlen. Im Dorf hofften sie das Donan bei mir sei. Nachdem klar ist, dass er weiterhin verschollen bleibt, wird das Interesse gering sein, mich hier zu besuchen. Grob geschätzt, höchstens einmal im Jahr.“
Verwundert musterte Pol diesmal Sunta gründlicher. Die wenigen Tage mit ihr zusammen hatten ihm gezeigt was für ein aussergewöhnlich, wertvoller Mensch sie war. Warum mied das eigene Volk diese vielseitig, begabte Hirtin. Er hakte genauer nach. „Nur wegen Mika oder gibt es andere, ältere Gründe?“ Tief atmete Sunta ein. Das Geständnis viel ihr schwer. „Es liegt an mir selber. Ich bin für die Leute zu direkt. Wenn mir was nicht gefällt, sage ich meine Meinung. Auch verabscheue ich diese unpersönlichen Höflichkeitsbesuche, wo es nur darum geht sich zu präsentieren. Zu Demonstrieren war man hat, um bei anderen Neid auszulösen. Für mich waren diese Besuche schlicht Angeberei. Seit ich an den Wochenenden von ihrer heiligen Halle fernblieb, begegnet man mir mit verstärktem Argwohn. Doch ich brauche diese heilige Halle nicht um an das Eine zu glauben. Dort nur sinnlos stundenlang still zu sitzen und dem Prediger zu horchen ist mir zu langweilig. Wenn am Wochenende die Felder bestellt werden müssen, hat dies bei mir eindeutig Vorrang. Ich reserviere mir die langen Winterabende um im heiligen Buch die lehrreichen Geschichten aus der Vergangenheit zu lesen. Einzig auf der monatlichen Basarveranstaltung war ich zuverlässig anzutreffen. Das reicht dann aus um über den neuesten Klatsch informiert zu werden. Eine Lieblingsbeschäftigung von mir. Dann still durch die Marktstände zu spazieren und den plaudernden Leuten zu lauschen. Meist quatschen sie nur über belanglose Dinge, wie neue Kleidung. Aber gelegentlich erfährt man auch lehrreiche Sachen oder lieber verschwiegene Geheimnisse.“ Letzteres raunte sie verschwörerisch über den Tisch zu. Es zuckte belustigt in Pols Mundwinkel. Beugte sich vor und flüsterte im selben leisen Ton. „Was denn zum Beispiel?“
Für einen kurzen Augenblick straffte Sunta ihren Rücken um Seriös zu wirken. „Ich bin doch keine Klatschtante.“ Da er sass war es ausnahmsweise möglich, ein paar knappe Zentimeter, auf ihn herabzusehen. Pols ausdauernder bittender Blick liess sie erweichen. Daher forschte sie kurz in ihrem Wissen, ehe sie verriet. „Von der früheren Frau des Schneiders weiss ich, dass sie den verheirateten Pferdezüchter, natürlich heimlich hinten herum, den ledigen Frauen empfohlen hat. Das habe ich nicht nur gehört, sondern mir wurde auch später einmal eine kleine Nachricht zugesteckt. Vermutlich wollte sie, dass ich später mehr Spass mit Donan im Bett habe. Zudem weiss ich, dass die streng erzogenen Geschwister vom Bachhof, die nachts eine Kammer gemeinsam teilen, alles andere als vorbildlich brav sind. Um glücklich zu sein, brauchen die keinen Mann.“ Selbst Pol hielt aufgeweckt mit dem rühren seines Tees inne. Dabei sah ihm Sunta so gerne auf die langen, schlanken Finger. Er rührte dezent lautlos, ohne dass dabei der Metalllöffel die Tassenwand berührte. Dabei fragte sich Sunta heimlich, was er sonst noch alles mit diesen geschickten Händen anstellte. Nachdem sie einmal die vier Bachschwestern in einem abgelegenen Heuschober entdeckte, erfuhr sie ziemlich aufschlussreich was man alles mit einem Partner anstellte um ihn zu befriedigen. Dazu brauchte sie nicht den Pferdezüchter, der nebenberuflich genauso erfolgreich, was Anderes als nur Pferde deckte. Die vier Schwestern, zusammen mit dem berüchtigten Malim in einer Scheune reichten aus, dass sie danach eine ganze Nacht wach blieb, weil ihr die erotischen Bilder und die lustvollen Schreie nicht mehr aus den Gedanken gingen.
Pol amüsiertes Grinsen, steckte sie an. „Ach wirklich?“ Dies hier war wesentlich interessanter als Mahas langweiliges Geplapper über die neue Errungenschaft ihrer erweiterten Garderobe. Als er gerade vorsichtig an dem Tee nippte, gab Sunta noch mehr zum Besten. „Aber ganz klar. Wenn sie nicht zu viert einen Jungen teilen, dann küssen die sich selber und stecken sich gegenseitig die Zunge in den… Pol?“ Der Arme hustete böse, weil er sich verschluckte. Ungläubig sah er zu ihr hinüber. „Vier?“ „Ja, ich habe auch ziemlich entsetzt geschaut. Ich hatte knallrote Ohren bis ich zu Hause, mit meinen gehüteten Ziegen, ankam. Und glaube mir, es ist ein langer Weg von der Weide bis zu diesem Haus. Peinlich auch, dass den Schwiegereltern etwas aufgefallen ist. Hab als Ausrede angegeben, dass mich ein Wiesenkäfer in die empfindlichen Ohren stach. Alles sei eine harmlose, allergische Reaktion. Was ist daran so lustig?“
Tatsächlich lachte Pol heiter vor sich hin, dass der Inhalt in seiner gehaltenen Tasse bedenklich schwappte . „Dich hätte ich zu gerne gesehen. Mit den zwei roten Ohren. Haben dir die lieben Schwiegereltern die Ausrede wirklich abgekauft?“ Mit einem halben Murren wandte sich Sunta lieber dem Herd zu. Gestand, „Nicht so ganz. Schwiegerpapa verdächtigte natürlich Donan, dass er an meinen schockierten Zustand Schuld war. Auf jeden Fall hatte Donan, beim Abendessen danach, selber rote Ohren und ich nicht mehr. Er hat mir nie erzählt was sein Vater mit ihm beredete.“
Fröhlich schenkte sich Pol eine zweite Tasse Tee ein. Sunta beobachtete das bedächtige Ritual mit dem abmessen der richtigen Zuckermenge. Pol passte ausgezeichnet in diese Stube hinein. Sie wünschte sich er würde länger als nur einen Tag bleiben. Er stützte einen Ellbogen auf der Tischplatte ab und legte den Kopf auf seine geschlossene Hand ab. Übermittelte keine müde Reaktion, sondern eher ein sinnliches Bild. Das gewisse Leuchten in seinen hellblauen Augen verursachte ihr einen Schauerblitz der von der Kopfhaut bis in die Füsse wanderte. Seine Stimmte bekam einen tieferen Ton. „Hast du eigentlich auch schon mit Zunge geküsst?“
Suntas Augen weiteten sich ab dieser persönlichen Frage. Sie wich aus. „Wie kannst du so was Fragen? Küsst du denn so deine Maha?“ Gab sie ihm postwendend zurück. Hoffte, dass ihm das unangenehm schien, doch Pol wirkte absolut gelassen. „Sie steht nicht so auf Zunge beim Küssen. Sie hat meine Zunge lieber in tieferen Regionen unten.“
Geschockt ab der unerwarteten Wahrheit, die er ihr einfach so anvertraute, verharrte sie mit der schweren, gusseisernen Pfanne in der Hand. Dann gab sie sich einen gewollten Ruck. Schliesslich sollte sie nach dem besagten Nachmittag mit den Schwestern nicht mehr so leicht schockiert sein. Aber das hier war Pol. Der ihr bisher anständige, korrekte Pol. Ein gewisses Leuchten lag in seinen Augen. Einen verschmitzten Ausdruck übermittelten auch die kleinen Grübchen in seinen Wangen. Ratlos stellte sie die leere Pfanne ins Abwaschbecken, wo sie leise zischte als sie mit dem tropfenden Wasser in Berührung kam. Als sie sich umwandte, beabsichtigte sie sich gegenüber vom Tisch hinzusetzen. Pols Handbewegung liess sie innehalten. Das dampfende Essen lag bereit auf seinem Teller. Er wies nebensächlich darauf hin. „Das ist zu heiss um zu Essen. Wir haben noch Zeit. Sunta.” Er senkte sein Stimmniveau als wollte er sie nicht verscheuchen. Eine ausgestreckte Hand bat sie näher heran. Zögerlich trat sie vor ihn hin. Er spreizte seine langen Beine und schob sie dazwischen näher. Sachte löste er ihre verkrampften nervös, spielenden Finger auseinander. Eine seiner grossen Handflächen rieb gegen ihren. Sofort überfiel sie wieder die vertraute Wärme. Ein elektrisierender Stromschlag der nicht nur zwischen ihren aneinander gepressten Handflächen pulsierte, sondern auch in ihrem Bauch verrückt spielte. Das lag nicht an ihrem Hunger nach Essen, realisierte sie schnell. Das wurde völlig nebensächlich als sie in die klaren hellblauen Augen Pols blickte. Die kleinen dunkelblauen Punkte in der Iris wahr nahm. Sogar ihm viel es schwer jetzt zu sprechen. „Sunta, du spürst doch auch, dass was Spezielles zwischen uns ist?“ Ihr Sprechvermögen schien genauso blockiert. Sie nickte nur. Nach dieser schwachen Bestätigung atmete er ziemlich erleichtert auf. Bestärkt fragte er mit einer leichten Unsicherheit. „Darf ich dich küssen?“ Genauso zaghaft nickte Sunta. Obwohl sie sich gleich innerlich schalt. Doch für einen Rückzug war es zu spät. Schliesslich war sie insgeheim Neugierig darauf. Vor allem dieses verwirrende Gefühl zwischen ihnen wollte sie genauer erkunden. Vorsichtig zog er sie näher. Erst strich sein Zeigefinger verspielt eine Haarsträhne hinter ihr Ohr zurück. Nutzte den Moment um seine Hand in ihren Nacken zu legen. Ein schwacher Druck den sie benötigte um die letzte Distanz zu überwinden. Erst berührten sich nur ihre Lippen. Er gab ihr einen Moment zu begreifen, eher er begann fester, fordernd zu knabbern. Von ihrer Gefühlsexplosion völlig überwältig schloss sie halb die Augen. Öffnete ihre Lippen auf seine zärtliche Aufforderung hin. Liess seiner erkundenden Zunge Einlass. Von seiner Geschicklichkeit angetan, nahm sie seine Führung willig an. Begeistert folgte sie seinem entfachten Sturm der sie fesselnd mitriss. Automatisch legten sich ihre Arme um seine breiten Schultern. Ihre Beine fühlten sich nämlich plötzlich wie nachgiebiger Gummi an. Eine seiner Hand schob sich unter ihrem Hemd hoch. Das kannte sie schon. Doch die Gefühle, die er auslöste als er sie leicht in die Brustspitze zwickte, die waren vollkommen anders. Heftiger, intensiver als Donan mit seinen scheuen Berührungen. Sie fand nichts Vergleichbares bisher. Ein purer Genuss von dem sie mehr wollte. Forscher sein nie endender Kuss, der ihr allmählich gefährlich den Atem raubte. Doch als die kühne Hand über ihren kühlen, flachen Bauch nach unten glitt und sich zwischen ihren Innenschenkel, an ihre feuchte Stellen vortastete, überfielen sie erste Zweifel. Was wenn er wie Klump nur testen wollte. Warnend beendete sie seinen Kuss, indem sie sachte in seine Unterlippe biss. Ziemlich schwer fiel es ihr, seine Hände von ihr weg zu schieben. Hastig atmete sie erst einmal tief ein. Der verschleierte Blick vor ihren Augen gewann an Schärfe. „Pol“, räusperte sie erst, um ihre Stimme zurück zu erhalten, ihren Verstand einzuschalten. Mit einem bedauernden Lächeln liess er sie frei. Sie stützte sich anfangs mit einer Hand am Tisch an, weil ihre Beine sich irgendwie schwerelos anfühlten. Danach stelzte sie, wie ein neugeborenes Fohlen, auf ihre gegenüber liegende Sitzbank zu. Erlöst plumpste sie auf das gepolsterte Kissen nieder. Die Spannung zwischen ihnen über den Tisch weiterhin geladen.
Schliesslich brach er das Schweigen. „Mein Talent ist halt nicht so perfekt wie das von Klump.“ Sunta schnaubte gespielt empört auf. „Sei da lieber froh. Sonst läge ich längst auf dem Tisch und das gute Essen auf dem Boden.“
Worauf Pol befreit schmunzelte. Das Lachen erreichte wieder seine Augen. „Dennoch ich hatte gehofft das gewisse Talente in der Familie bleiben.“ „Ihr seid tatsächlich verwandt?“ Fragte Sunta arglos.
„Klar, er ist mein Grossvater!“
Sunta die gerade an einer weichen Kartoffel kaute, verschluckte sich fast. Verwundert riss sie die Augen auf. „Du willst mich mit deinem Grossvater verkuppeln?“ Sie hatte zwar heimlich schon lange den Verdacht. Seit dem letzten Besuch von Klump. Und irgendwie passte es zu dem langlebigen Volk, gewisse Lebensaspekte einfach anders zu sehen. Ihr gespielt, empörter Ausruf liess Pol kalt. Überzeugt meinte er; „Na und? Wie gesagt, der überlebt dich zweimal. Gib doch zu, so schlecht ist meine Empfehlung gar nicht?“ Sprachlos sah ihm Sunta beim Essen zu. Gefasst wollte sie wissen. „Warum wolltest du mich küssen? Sag jetzt nicht das einfach was Unerklärliches zwischen uns ist.“ Stellte sie schon im Voraus klar. Sie wollte eine echte Begründung. Man sah Pol an, dass er den Kartoffelbrei genoss. Ob er sich Zeit liess um zu geniessen oder Sunta entsprechend die Antwort zurecht zu legen, war selbst jedoch unklar. Obwohl er noch nicht fertig mit seinem Teller war, legte er die Gabel auf die Seite. Ernst sah er zu Sunta hinüber. „Weil ich selber wissen wollte, was genau das zwischen uns ist. Ganz ehrlich, obwohl du von unserem Schönheitsideal in mehreren Punkten abweichst, fühle ich mich von dir angezogen. Du bist wie ein aufgeladener Magnet der mich selber auflädt. Du verkörperst ein unabhängiges Leben wie ich es bisher nie kannte.“ Er stockte, suchte nach weiteren ihm wichtigen Gründen. „Ich möchte dich gerne kennen lernen. Alle Seiten an dir.“ Sunta schien als ob er noch etwas hinzufügen wollte, aber er liess es bleiben. Widmete sich erneut dem Essen. Sie schluckte leer. Immerhin steckte mehr dahinter als nur ein flüchtiges Testobjekt. Vorerst musste sie selber ihre wirren Gedanken sortieren. Auch sie wollte in seiner Nähe bleiben. Allerdings gab es so viele unausgesprochene Punkte. Was war mit seiner Verlobten Maha, Klump oder warum meldete er sich nicht selber beim Turnier an? Oder war er das? Zögerlich fragte sie. „Du, also hast du dich auch am Turnier angemeldet?“
Er würgte sein aufkommendes Lachen ab. „Nein, ich.“ nachdenklich starrte er erst antwortsuchend auf seine Teller. Gespannt wartete Sunta ab, bis er sie wieder ansah. „Das ist nicht meine Art. Also man erwartet von mir andere Taten. Ich erwarte nicht das du dies verstehst, aber ich bin nicht der Typ der sich gerne mit anderen Körperlich misst.“ Sunta nickte. Ihre feinfühligen Sinne wussten ganz genau was in ihm vorging. Er liebte Herausforderungen, sonst wäre er nämlich gegenüber seinen Artgenossen nicht so sportlich drauf. Nein, er wollte sich nur nicht öffentlich herablassen, für eine Frau kämpfen. Dazu liebte er seinen gehobenen Status zu sehr. Ausserdem gab es bei ihm, genauso wie bei Ihr, gerade zu viele Veränderung. Also klammerte er sich an seine altbewährten Gewohnheiten, so wie sie eine vertraute Umgebung bevorzugte, um sich wohl zu fühlen. Sie brauchte selber Zeit um auch über sich selber die Kontrolle zurück zu erhalten. Am liebsten wäre sie zu ihm rüber spaziert und hätte ihn gerne einfach umarmt. Ihn einfach in ihr Bett eingeladen, ohne an die Konsequenzen nachzudenken. An keiner festen, dauerhaften Beziehung interessiert, sondern einfach einmal dieser inneren Sehnsucht, die Nähe zu ihm, nachzugeben, auszuloten. Nein, leider konnte man in so schwierigen Zeiten so ein kopflose Verhalten sich nicht leisten. Es war unfair gegenüber den mutigeren Teilnehmern. Genauso wie dem abwartenden Klump. Auf einmal ergab dessen Zögern, in Pols Anwesenheit, durchaus Sinn. Hatte der kluge Alte gespürt das zwischen ihr und Pol eine gewisse Spannung lag?
Schweigend assen sie eine erholsame Weile bis ihm einfiel: „Übrigens“, er deutete auf seine schwere Hauslieferung. „Einiges von deinen alten Kleidern ist dabei. Während deinem unerwarteten Ausbruch hatte ich noch ein paar wärmere Sachen besorgt. Jetzt im späten Herbst wirst du einiges davon benötigen. Das Turnier habe ich übrigens um eine Woche verschoben.“ Vielsagend hielt er einen abwartenden Moment inne. Als Sunta seinen Blick auffing war ihr klar, dass er eine entsprechende Antwort wollte. Sie rieb sich mit einer Hand über die glatte Stirn als könnte sie ihre Sorgen damit vertreiben. Schwer seufzte sie. „Du bestehst darauf, dass es stattfindet?“
In diesem Moment, erinnerte sie sein Gesichtsausdruck, seine abwartende Haltung, Sunta stark an ihren verschwundenen Vater. Immer wenn er etwas für Vernünftig hielt und ihre Zusage einforderte, blickte er genauso Eindrücklich zu ihr rüber. Appellierte dabei auf ihren klaren Verstand das gefälligste Einzusehen, was das Richtige war.
Milde lächelte Pol ihr entgegen. „Es wäre eine einmalige Chance für dich, mögliche Gefährten oder zukünftige Freundschaften zu erkennen. Zugegeben, eine plötzliche Absage wird weder deinen interessierten Bewerbern gefallen, noch sich gut auf meine angeschlagene, berufliche Karriere auswirken. Darum bitte ich dich, in einer Woche bei uns vorübergehend einen Besuch abzustatten. Nach dem Turnier finden wir dann schon eine Lösung, wenn du hierher zurückwillst. Vielleicht möchten ein paar deiner neuen Freunde dich begleiten und hier beim Aufbauen helfen. Das würde einigen von unseren verwöhnten Bälgern guttun.“
Wenig Begeistert schüttelte Sunta den Kopf. „Die würden sich nur selbst verletzen. Die Arbeiten hier auf dem Hof sind mit maximal vier Personen leicht zu bewältigen. Allerdings müssen diese bereits Erfahrung in der Landwirtschaft mitbringen, alles andere wäre zu gefährlich und zu anstrengen für mich zu überwachen. Aber den Termin fürs Turnier halte ich ein. Spätestens in einer Woche bin ich hier, nach der anstrengenden Aufräumarbeit, sicher auch froh für ein paar erholsame Tage.“ Pol breites Lächeln überwältigte Sunta.
„Super,“ atmete er auf, „Wir lassen Mika bis dahin bei dir. Ihre morgendlichen Erdbeben vermisst niemand. Ausser diejenigen, welche das als pünktlichen Weckruf ausnutzten. Da ich sehe, wie gut du mit ihr zurechtkommst, läge es ganz in meinem Sinn sie für immer dazulassen. Das eingesperrt sein, ist ihr nicht gut bekommen. Sie braucht mehr Platz und vor allem mehr Tageslicht. Vielleicht kann ich ja mit den eingeschüchterten Dorfbewohnern reden?“
Dankbar schüttelte Sunta den Kopf. „Nein. Da stösst du auf taube Ohren. Was ein Bauer fürchtet, dem misstraut er ein Leben lang. Und wenn ihm die Gelegenheit es sogar anbietet, schafft er es schnell aus der Welt, damit er seinen altbekannten Frieden wiederherstellt. Die meisten Leute hier lieben überdauernde, bewährte Regeln. Eine Welt in der keine Drachen hineinpassen. Nicht mal ihre extreme Grösse wird Mika vor Anschlägen schützen.
Da ich die nächsten Jahre es bevorzuge hier abgeschieden zu leben, dürfte das weniger ein Problem sein. Nur der Winter macht mir reichlich Sorgen, vor allem wegen dem knappen Futter. Vielleicht kannst du mir ein paar Tipps geben wie man einen Drachen über den Winter hier hält?“
Hoffnungslos schüttelte Pol den Kopf. „Das schaffst du bei einer ausgewachsenen Echse dieser Grösse nicht. Selbst wenn Mika sich an den Winterschlaf erinnern sollte, bräuchte sie eine isolierte Höhle.“ Nachdenklich stocherte er in seiner verbliebenen Mahlzeit herum. „Eine viel besser, als die wir in den Höhlen imitieren.“ Erfreut liess er sich den letzten Bissen im Gaumen zergehen.
Sunta beschäftigte sein helfender Hinweis. „Eine Höhle ist eine zeitraubende Angelegenheit, bei dem baldigen harten Boden. So ziemlich unmöglich.“
Pol bestätigte ihre Prognose. „Bedeutet jede Menge Arbeit. Und ohne Stützbalken schaffst du das nie! Und woher willst du so grosse Balken beschaffen? Du bräuchtest ja einen ganzen Baum bei Mikas gewaltigen Ausmassen damit die Stabilität gewährleistet bliebe. Bei uns stützt das natürliche Felsgestein die Drachenställe. Mit einfach einem Loch in den Boden, erreichst du gar nichts…. Vielleicht die Hügel. Da läge was drin. Oder ich bringe Mika einfach in ihr altes Quartier und lasse sie nächsten Frühling wieder frei!“
Diesen einfachen Vorschlag fand Sunta auch am besten. Fand Gefallen an der Dienstleistung. „Das würdest du für mich tun? Jedenfalls gäbe es mir Gelegenheit mich bis dahin den Bewohnern wieder zu nähern. Ihr Vertrauen zurück zu gewinnen.“
„Meine kleine Sunta, Mika ist keine Hilfe, wenn sie bei uns ständig überwacht werden muss. Ganz im Gegenteil. Es gab schon unschöne Anforderungen sie einzuschläfern und ihr Fleisch in der Küche zu verwenden. Dracheneintopf schmeckt vorzüglich, solange diese Echsen das zehnte Lebensjahr nicht überschreiten.
Jetzt mit dir zusammen, sehe ich endlich eine neue Chance, dass Mika sich im nächsten Frühling decken lässt. Das ist ganz nach dem Sinn der Ältesten, sie in der Zucht einzusetzen. Sie ist eines der seltenen Exemplare mit besonders dunklen Schuppen. Das bedeutet, dass ihre Flugfähigkeiten einzigartig sind, sobald Sonnenlicht ihre Schuppen aufwärmt. Und bei Nacht ist sie auch praktisch Unsichtbar. Bei dir ist sie also während der warmen Jahreszeiten exzellent aufgehoben.“ Er schmunzelte beim nächsten Gedanken und verriet, „Das wird die erste Ausnahme sein, das die Älteste die Erlaubnis erteilen Ausserhalb einen Drachen zu halten. Du bist in jeder Hinsicht eine spezielle, aussergewöhnliche Person.“ Er wunderte sich selber, dass dieses Kompliment aus seinem Mund kann. Doch bevor sich Sunta zu viel freute, fügte er schnell dazu, „Allerdings gefällt mir nicht, dass du ohne Sattel auf Mika reitest. Ich habe daher ein paar Ledersachen mitgenommen und zeige dir Morgen wie genau das funktioniert! Sicherheit wird bei uns grossgeschrieben.“
Staunend sah Sunta von ihrem leeren Teller hoch. „Danke… Ohne deine Hilfe hätte ich in der Höhle alt ausgesehen. Auch Danke für die vielen Sachen die du mir lieferst. Das ist sehr grosszügig. Dabei habe ich sie, nach all den Unruhen die ich ausgelöst habe, kaum verdient. Maha ist bescheuert dich solange hinzuhalten. Wenn ich das einmal sagen darf. Aber ich wünsche dir, dass du wirklich glücklich wirst.“ Sagte Sunta ehrlich, wenn ihr auch bei dem Gedanken, dass er sein Leben mit Maha teilte, es ihr ziemlich heftig die Brust zuschnürte. Sie mochte Pol bisher, neben allen Bewerbern am liebsten. Bedauerte nur, dass er sie nicht als eine langjährige Beziehung in Betracht zog.
Versonnen blickte Pol einfach in den Raum hinaus ohne lange etwas wahr zu nehmen. So vieles gab es in seiner heiklen Beziehung zu überdenken. Falls er wieder einmal eine Frau überwachen sollte, begann dann Mahas Launen wieder von vorn? Spätestens nachdem Sunta freiwillig verschwand hätte alles seinem normalen Lauf folgen sollen. Doch seine ehemalige Angebetete hielt es für unnötig ihn überhaupt zu kontaktieren. Dabei wirbelte sein spezieller Auftrag eine ungeheure Welle von Interessen auf. Es gab praktisch keinen ledigen männlichen Einwohner der nicht von Suntas Anwesenheit, oder aktuellen Abwesenheit Bescheid wusste. Dazu noch Rial der die besten Kontakte zu den wichtigsten Frauen pflegte. Langsam nervte sich Pol wirklich daran weil sich Maha nie bei ihm meldete. Geschweige denn auf seine zugeschickte Post mit Ignoranz reagierte. Vermutlich hoffte sie, dass er persönlich kam um sich zu entschuldigen, weil er ihr wieder mal so wenig Aufmerksamkeit schenkte. Bei seiner knappen Freizeit! Während Maha selber keiner offiziellen Tätigkeit nachging. Wobei sie dies wohl etwas anders sah. Ihren Körper zu pflegen und bis in die letzte Haarspitze zu verwöhnen. Da viel ihm auf wie Oberflächlich Maha das Leben kannte. Ihr gehobener Status erlaubte keinen Umgang mit der Unterklasse. Er fand das plötzlich absolut lächerlich.
„Sunta, vermisst du hier nicht deinen letzten Freund oder andere Bekannte?“
Satt schob er den leeren Teller von sich. Sie wollte gerade den Tisch abräumen, setzte sich aber wieder hin. „Pol,“ eine ungewohnte Ernsthaftigkeit lag darin. „Lass mich eines klarstellen. Ich komme zu deinem organisierten Turnier. Es hängt noch ein Kalender an der Wand und ich markiere den Termin rot ein. Selbst wenn Donan unverhofft hier auftauchen sollte, werde ich trotzdem bei dir erscheinen. Solange mich Mika dahinfliegt, kannst du dich auf mein Versprechen verlassen. Sollte ich nicht erscheinen, ist Mika verletzt oder schlimmeres. Also können wir diesen Punkt beruhigt abhaken. Ich will nicht, dass du weiterhin Ärger, wegen mir, bekommst. Deine Sorge, ob ich mich persönliche Gründe fernhalten, sind daher unnötig. Nein, ich vermisse niemanden, hier.“ Das letzte Wort fügte sie schnell dazu. Denn der Blitzgedanke, dass sie sehr wohl Pol Gesellschaft vermisste, schneit herein. Doch ihm schien ihre Verzögerung nicht aufzufallen. Zufrieden nickte er. „Mir gefällt deine direkte, ehrliche Art. Es gib nichts Schlimmeres als langweilige Sitzungen die sich zeitlich gesehen ins unerträgliche dehnen. Eine sinnlose Verschwendung. Bei dir habe ich das Gefühl, dass du mir eine Last von den Schultern nimmst.“ Dabei deutete er auf den Tisch hinunter. Dann zeigte seine Hand zurück über seine Schultern. „Aber nicht in der Höhle. Dort schaffst du mir mehr Probleme. Ich bin froh, dass du hier bist. Man kann hier so frei atmen. So viele frische Gerüche. Eine angenehme Unterhaltung die auch was bringt.“ Aufgeweckt spähte er im Raum umher. „Mir fehlt nur das bequeme Sofa zum zurücklehnen.“ Sichtlich genoss er die besondere lockere Atmosphäre. Unbeschwert die Gespräche, trotz seiner tieferen Wichtigkeit. Unbekümmert versicherte Sunta. „Wie gesagt, fühle dich wie Zuhause. Hier kommt niemand vorbei und beansprucht auf einmal den Platz an meiner Seite. Dieser Hof gehört, seit meiner Schulzeit, zur Hälfte mir. Wenn Donan lebt, ist er hier jederzeit herzlich willkommen. Aber nicht mehr als mein zukünftiger Mann, sondern als mein Geschäftspartner. Wir hatten immer dieselben Streiche auf Lager und planten schon früh unsere Zukunft zusammen. Jedoch denke ich, auch ihn hat die Zeit verändert, sollte er je wiederkommen.“ „Aha.“ „Mit uns zwei zusammen hättest du in der Höhle längst graue statt weissblonde Haare“, strahlte ihn Sunta siegessicher an.
„Das kann ich mir wahrhaftig vorstellen. Besser das will ich mir gar nicht ausmalen.“
Sie räumte fleissig den Tisch ab und deutete gespannt auf sein Gepäck. „Wann willst du auspacken?“
Er bückte sich und schnürte rasch die Lederbändel auf. Eine separate Ledertasche nahm er heraus und meinte, „Wie das funktioniert zeige ich dir Morgen und der Rest…. Gehört eh alles dir!“
Im stillen Einverständnis packte sie die vielen feinen Stoffkleider aus. Fand diese schönen mit Stickereien versehenen Kleider als viel zu schade für die schwere, schmutzige Hofarbeit. auf. Sorgfältig wickelte sie die Kleidung in zusätzliches Pergamentpapier ein. Statt wie das Essen unter einer Bodendiele zu verstecken, bevorzugte sie eine höhere Position, zwischen den Stützbalken. Dahin wo sich keine Maus hin verirrte.
Als sie eine auffällige Lederweste in den Händen hielt, stutzte sie. In aufwendiger Arbeit hatte man in seinem Rückenteil verschiedene Muster wie ein Mosaik aufgenäht. Sie wollte es schon wieder zurück in die Tasche legen, da winkte Pol entschieden ab. „Das gehört mir seit Jahrzehnten. Ist mir allerdings heute zu klein. Bis ich Kinder habe, dauerte es mir zulange, das aufzubewahren. Besser du trägst es als dass es in meinem Schrank spröde und grau wird. Das ist ein seltenes Silberluchs Fell das er nur im Winter so lange trägt. Die braunen eingearbeiteten Symbole stammen aus dem Sommerfell eines normalen Luchses. Es passt hervorragend zu deinem Rotblonden Haar,“ verunmöglichte er ihr eine Ablehnung. Dankbar strich sie mit den Arbeitsfingern über die seidige Dekoration. Bemerkte die sorgfältig verarbeiteten Ränder aus weichem Spaltleder. So regelmässiges Spaltlederbedeutete einen seltenen Reichtum. „Pol, ich werde es sorgfältig behandeln.“
„Hauptsache du ziehst es an und …“ Er sah wie sie über die feine Arbeit am Rücken strich. Eigentlich wollte er noch etwas dazu sagen entschied sich auf einmal anders. Sunta bemerkte jedoch seinen nachdenklichen Gesichtsausdruck.
Sie frage lieber gleich nach. „Hat das eine Bedeutung?“
„Nicht für jemanden ausserhalb meiner Familie. Glaub mir, hier wird keiner mehr darin erkennen als eine zufällige Verzierung.“
Beruhigt nickte Sunta. Versorgte die einmalige Weste in einem weniger vollgestopften Abteil. Setzte sich an den Tisch zurück. Stützte den Kopf auf eine ihrer Fäuste ab und wartete auf Pols weitere Pläne. Der suchte den Raum ab. Blieb an dem grösseren Bettgestell hängen. Ein etwas kleineres als sein gewohntes, doch eindeutig für zwei gemacht. Aus seinen Stiefeln fischte er einen langen, scharfen Dolch hervor, der zur eigenen Sicherheit, ein Lederetui umhüllte.
„Hier! Damit du dich besser wehren kannst, falls du dich bedroht fühlen solltest. Heute Nacht habe ich keine Lust auf einen Rückflug, obwohl Drachen fast genauso gut sehen wie bei Tag. Ausserdem zeige ich dir Morgen den Trick mit dem Sattel. Danach bist du mich wieder los.“
Versonnen betrachte Sunta die feine, stabile Schmiedearbeit von dem Dolch. Nickte einwilligend. Abrupt stand Pol aus und zog dabei seine Füsse aus der wärmenden Decke hervor. Ungehemmt befreite er sich in dem warmen Wohnzimmer von seiner gepolsterten Uniform. Als er mit nackten Oberkörper dastand und sich umsah, packte er schliesslich lieber die feuchte Decke. Hastig winkte Sunta ab. „Warte Das hier hat Donan gehört. Es ist gewaschen!“ Letzteres sagte sie leicht empört da Pol misstrauisch an dem verlängerten Hemd schnupperte. Das dicke Leinenhemd passte in der Oberweite, reichte aber Pol gerade züchtig über den Hintern. Während es bei Donan locker bis zu den Knien gereicht hatte. Nun, Sunta bedauerte diese Kürzung am wenigsten. Erst Recht als sie einen kurzen Blick zu Pol warf, wie er sich aus den engen Hosen schälte.
Es fiel ihr schwer sich dem überfälligen Abwasch zuzuwenden, abzulenken. Alles war besser als Pol einfach anzustarren, während er sich auszog. Fast wie in alten Zeiten. Dabei dachte sie an die unbeschwerte Zeit mit Donan zusammen. Allerdings verspürte sie bei Donan nie den dringenden Wunsch mit den Fingern die obersten Hemdknöpfe zu öffnen oder gar das weite Hemd hochzuhalten. Sei es nur um mit den Fingerspitzen über die leicht behaarten Oberschenkel zu streicheln. Zu sehen was für eine Reaktion, sie wo bei Pol, auslösen konnte. Sie fegte den blitzblanken Teller bereits zum dritten Mal! Wo waren bloss ihre unanständigen Gedanken hingeraten? Pol versetzte sie gelegentlich in einen derartigen nervösen Zustand, dass es kaum zum Aushalten war. Am liebsten würde sie es den schwärmerischen Mädchen aus ihrem Dorf gleichtun. Gehirn ausschalten, kreischen und drauf losspringen. Vorsichtig äugte sie zu Pol hinüber. Ober er ihrem trainierten Kaliber standhielt? Sie schmunzelte bei dem verrückten Gedanken. Sanft oder Anmut vermisste man bei ihren Eigenschaften.
Es klopfte zaghaft an der Tür. Sunta realisierte es erst beim zweiten Mal. Erstaunt blickte Pol zu ihr hinüber. Ratlos hob sie die Schultern. Verwundert trocknete sie die Hände an einem Geschirrtuch, da kam er ihr zuvor und öffnete entschlossen die Türe. Immerhin trug er neben seinem Unterhemd zusätzlich eine verlängernde Wolldecke die ihn nun bis zu den Fussknöcheln warmhielt.
Gewaltig der Unterschied von dem kleinen, unsicheren Jungen, der kaum sieben Jahre zählte, zu den hoch gewachsenen Pol.
Mit offenem Mund starrte der Junge, blinzelnd mit den dunklen, aufgerissenen Augen, überrascht hoch. „Du bist aber jetzt kein verwandelter Drache“, fragte er leicht verunsichert. Pol lächelte ihn an. „Nein. Keine Sorge, ich verwandle mich nicht in einen. Die Drachen spielen irgendwo da draussen. Sei vorsichtig, wenn du später nach Hause gehst. Du möchtest doch bestimmt zu Sunta?“
Hastig hielten zwei kleine Hände ein Packet, das schützender Stoff umhüllten, hoch. „Das soll ich mit den besten Wünschen abliefern. Kannst du mir dafür einen Gefallen tun?“ Die Frage kam sofort nachgeschossen. „Es ist wirklich wichtig!“
Gelassen bückte sich Pol nieder. Kauerte hin, damit er die gleiche Augenhöhe erreichte. „Was kann ich für dich tun?“ „Wenn ich weg bin, so nach einer Weile. Kannst du mit einem brennenden Scheit ein Signal geben so dass man draussen weit sehen kann. Meine Freunde haben gewettet, dass ich mich nicht getraue das direkt in ihre Hände abzuliefern. Erst wenn sie mich sehen und Sunta das vereinbarte Zeichen macht, glauben sie mir, dass ich es persönlich überliefert habe. Die sollen mich ja nicht für einen Feigling halten.“
„Um Himmels willen,“ reagierte Pol bestürzt. „Das werden wir verhindern. Danke für die Post. Dass um diese Zeit bei uns abzuliefern braucht schon viel Mut. Wir helfen gerne. Übrigens wenn ihr da draussen Flügelschlag hört, haltet euch dicht bei den Bäumen auf. Mika, die Drachendame ist zurzeit etwas mies drauf, weil ihr mein junger Drache nicht gefällt. Aber in der Nähe von Bäumen oder grossen Sträuchern kann sie euch nicht fangen. Sie jagt in der Nacht nur auf weiten Flächen und vertraut auf ihren unsichtbaren Angriff. Also?“
Artig wiederholte der kluge Junge. „Ich darf nachts nur in der Nähe von Bäumen sein! Aber vergesst bitte das vereinbarte Zeichen nicht!“
Pol legte zwei Finger zu seiner glatten Stirn und danach auf die des sympathischen Jungen.
„Grosses Ehrenwort.“ Er legte seinen Kopf schief und horchte in die Stille der Nacht. Verwundert schwieg selbst der Junge, bis er die ungewöhnlichen Ohren von Pol entdeckte. Er riss die Augen auf, keuchte erschrocken, „Es gibt euch wirklich!“
Pol grinste nur und meinte, „Momentan sind die Drachen weit weg. Der Zeitpunkt ist günstig.“ Er deutete nach draussen. Winkte nochmals mit dem Packet. „Und danke!“
Blitzschnell sauste der Junge davon, dass Pol unbesorgt nachblickte. Zwar konnte er in der Dunkelheit nichts erkennen, aber seine scharfen Ohren verfolgten lange den eilenden, flinken Schuhen nach.
Richtete sich zu seiner vollen Grösse auf. „Nette Nachbarn hast du da.“ Spazierte dann zum heissen Herd. Sunta öffnete schon mit einem gepolsterten Tuch die gusseiserne Tür.
Ein trockenes Holzscheit versenkte sie, nur mit der Spitze, in die roten Gluten. Bis es aber richtig Feuer fing, öffnete Sunta zwischenzeitlich ungeduldig das Packet auf dem Tisch. Pläne, gezeichnete, kopierte Pläne wie man eine einfache Decke richtig verstärkte oder eine stabile Wand aufbaute. Eine kleine Box mit weissem Pulver. Suntas erfahrene Nase half nach. „Molke Pulver um Käse zu produzieren. Demnach wissen sie schon, dass ich Nutztiere beherberge. Sie scheinen ja bestens Bescheid zu wissen. Ich frage mich nur was für unheimliche Spekulationen herum kreisen nach deinem Besuch?“
Lachend kreiste Pol seine glühende Fackel aus dem Fenster. „Überall dasselbe Problem mit dem guten Ruf. Keine Sorge. Sobald Mika weg ist, wird sie die Neugierde zwingen dich aufzusuchen um mehr zu erfahren. Wenn es wirklich einfache Bauern sind, wie du immer betonst, dann legen sie mehr Wert darauf eine robuste Frau zu besitzen die zupacken kann, als eine die sich ziert und vor allem fürchtet. Achte einfach drauf, dass du klar einen einzigen bevorzugst und dein guter Name wird bewahrt bleiben. Oder du wählst einen von unseren Bewerbern. Glaube mir, nichts ist einfacher als mit neugierigen Nachbarn Kontakt zu schliessen. Die kommen schon auf dich zu, sei es aus rein egoistischen Gründen.
Ich glaube das genügt.“ Zufrieden schloss das Fenster, wo die Kühle der Nacht hereinfloss, und steckte die improvisierte Fackel zurück in die Feuerstelle. Die Arbeit mit dem heissen Deckel überliess er getrost der erfahrenen Sunta. Müde setzte er sich testend aufs Bett. Nachdem ihm die angenehme Matratze gefiel, die sich unter seinem Gewicht, nicht zu viel nachgab, steckte er sich müde auf dem Bett aus. Die Gastgeberin blies als letzte die Kerzen im Raum aus und schnappte sich den kostbaren Dolch. Mehr besorgt um das wertvolle Stück, als seinen Einsatzzweck, legte sie ihn in Reichweite, auf den Nachttisch. Im sanften Licht der roten Gluten, vom Herd, zog sie sich selber aus. Ohne es zu wollen beobachtete Pol ihren sanft geschwungenen Rücken dessen milchiger Farbton sich von der Dunkelheit abhob. Das getönte Licht schenkt ihr einen warmen Farbton der viel Andeutete ohne klar zu zeigen. Pol hielt es für eine interessante Erfahrung. So etwas wie einen privaten Kamin gab es ja nicht im Höhlensystem. Und Maha, die Selbstbewusste, zeigte gerne deutlich was sie zu bieten hatte. Da boten hier die Kerzen eine ganz andere einladende Atmosphäre.
Beherrscht umklammerten seine verkrampften Finger die Bettdecke. Wechselten rasch zum Kissen. Es bot einen sicheren Ersatz auch zum Umarmen. Nur vom blossen Hinsehen reagierte sein ganzer Körper auf Suntas Weiblichkeit so, dass es ihm verdammt schwer fiel den Blick zu senken. „Gute Nacht“, flüsterte er sich zusammennehmend. Schluckte einmal um seine trockene Kehle zu befeuchten.
„Gute Nacht,“ wünschte ihm Sunta im schlichen Nachthemd und schlüpfte zu ihm unter die warme Decke.
Langezeit vernahm man nur das gleichmässige Atmen. Ganz selten ein Meckern einer ängstlichen Ziege die sich weiterhin an Mikas monströser Gegenwart störte. Die Drachendame selber kehrte ziemlich erschöpft, aber vorbildlich gelaunt, von ihren Ausflügen zurück. Selbst das letzte verfärbte zähe Herbstlaub zupfte sie begeistert von den ausgetrockneten Ästen. Teils um ihren Vegetarischen bedarf zu stillen, anderseits aus purem verspielten Zeitvertreib. Wachsam behielt sie ihr Umfeld im Auge. Denn sie wollte sichergehen das ihr hartnäckiger Artgenosse brav ausserhalb der übersichtlichen Felder Zone blieb. Die wenigen Futtertiere für ihren Floh teilte sie garantiert nicht mit ihm. Zu anstrengend waren die weiten Flüge hoch in die Berge. Die scheuen Tiere nutzten das unwegsame Gelände und Mika viel es schwer sie zu fangen. An den steilen Abhängen durfte sie sie nicht treiben, sonst stürzten die gehetzten Tiere in den Tod. Auf den Futterwiesen gab es die kleinen Mulden in denen die wendigen Viecher herum flitzten und sie ziemlich auf Trab hielten. Ausserdem merkte sie bereits die schärfe der kräftigen Ziegenhörnern in ihrem Rachen. Dies und die ekligen Winterhaare bescherten ihr öfter einen Umweg zum Fluss um ihr Maul auszuspülen. Entsprechend müde donnerte sie an diesem Abend an die aufgewärmte Mauer um sich zu entspannen. Dieses heftige Beben weckte sogar Sunta aus ihrem Schlaf hoch. Sie blinzelte erschrocken an die Decke hoch, wo Staub durch die Holzritzen nach unten rieselte. Nach einer Schrecksekunde, als sie beruhigt im Halbschlaf begriff, dass die neuen Balken hielten, normalisierte sich ihr Kreislauf wieder. Sie wollte wieder in ihren Träumen abdriften, doch das ungewohnte Atmen in ihrer Nähe hielt sie wach. Die körperliche Arbeit liess ihre Glieder schwer werden. Auf einmal drehte Pol sich zu ihr. Leise sein nahes Flüstern. „Ausnahmsweise riechst du sehr gut!“ Rutschte ihm unbeabsichtigt hinaus. Kam sich gleich etwas dämlich vor.
Doch ihr erfreutes „danke“ entschädigte. Endlos blieb es still. Aufmerksam achtete Sunta auf die kaum hörbaren unregelmässigen Atemzüge. Schliesslich hielt es Sunta nicht mehr aus. Hauchte hinüber. „Schläfst du?“ Die Antwort kam ziemlich rasch „Nein.“
Diesmal dauerte die Pause kürzer. Frustriert holte Sunta holte tief Atem. „Was hält dich wach?“
Pol lächelte in den nächtlichen düstern Raum hinaus. „Entweder weil ich in ungewohnten Räumlichkeiten schlafe oder was ich eher vermute, liegt es wohl daran, weil eine gewisse junge, hübsche Frau neben mir liegt.“ „So, so, “ murmelte Sunta verstehend. Seine körperliche Nähe hielt sie auch von ihren Träumen fern. Wer wollte schon Träumen, wenn in Griffnähe eine viel intensivere Option lag. Doch auch die Müdigkeit nach dem anstrengenden Tag hielt sie weiterhin gefangen. Genervt gab sie den Kampf auf sich zu entspannen. „Pol“, startete sie verkrampft. Wusste kaum wie sie anfangen sollte ihre geheimen Wünsche zu äussern. Daher kürzte sie auf das Wesentliche ab. „Küssen?“
Ein seltsamer Laut rutschte ihm aus der Kehle. Sie bemerkte seine tastenden Hände die von ihrem Gesicht nach unten, unter der Bettdecke, an ihren zugedeckten Oberkörper entlang glitten. Er liess sich Zeit um ihre Kurven zu erkunden. Erfreut liess ihn Sunta gewähren. Doch es reichte ihr nicht, sie wollte mehr. Kaum berührten ihre kühlen Finger die warme Stelle seines Halses, vertrieb die prickelnde Energie ihre letzte Müdigkeit. Innerlich jubilierte sie, weil sich Pol endlich so vertraulich von ihr anfassen liess. Mutiger streichelte sie ihn bis in den Nacken und zog ihn behutsam näher. Ohne Eile küsse sie, anfänglich noch leicht befangen, Pols warme Lippen. Der erste, anfeuernde Kontakt und er entflammte, wie trockener Zunder. Seine geschickte Zunge verführte Sunta zu einem sinnlichen Tanz. Diesmal hielt sie sich beide nicht mehr zurück. Geniessen, den Partner schmecken. Eine auflodernde Leidenschaft die eine berauschende Entdeckungstour auslöste. Sie liebte dieses unbeschreibliche Hochgefühl, ihm so hemmungslos nahe zu sein. Er hatte es vorrübergehend all seine Barrieren gesenkt. Diesmal würde sie ihn nicht mehr so einfach gehen zu lassen. Ihre Hand in seinem starken Nacken hielt ihn fester. Seine Hände bahnten sich unter ihr dünnes Nachthemd um es nach oben zu schieben. Kühle Nachtluft streifte ihre Haut, doch es waren die langen, warmen Finger die ihr einen angenehmen Schauer verursachten. Erst erkundete er ihren flachen Bauch, eher er sich an ihren weichen Busen wagte und ihn sachte begann zu knetete. Ein anfängliches massieren das bei ihren Brustwarzen endete. Was anfangs wie ein zarter Lufthauch über ihrer Haut startete, steigerte er im Rausch seiner Begierde. Dankbar liess sich Sunta auf dieser mitreissenden Welle treiben. Der atemlose Kuss endete und er liess seine Lippen über ihren sanft geschwungenen Hals nach unten wandern. Gespannt wartete Sunta unbewusst mit anhaltendem Atem, auf dass, von welchem sie schon lange träumte, aber Donan ihr nie getraute zu geben. Als Pol behutsam an ihrer erhärteten Knospe saugte, schnappte sie von ihren Gefühlen überwältigt nach Luft. Sie wollte eindeutig mehr, das volle Programm. Ihrerseits erkundigte sie seine interessanten Körpermasse. Daran wollte sie sich für den Rest ihres Lebens erinnern. An diesen berauschenden Moment, die nächsten Minuten, wo er vollkommen nur ihr gehörte. Doch Pol liess sich ausgiebig Zeit auch ihren zweiten Busen zu verwöhnen.
Als seine streichelnde Hand sich zwischen ihre geöffneten Beine schob, hielt sie es dennoch nötig klar zu stellen. „Pol, ich will dich richtig.“ Nicht dass er am Ende wie Klump ihr nur einen begrenzten Appetithappen hinwarf, der sie nach weitaus grösserem Sehnen lies. Sie setzte bewusst alles auf eine Karte. Pol sollte sich endlich Entscheiden was er wollte. Mit Klarheit sah sie durchaus eine gemeinsame Zukunft. Die Bedingung, einen Teil seines Lebens auf dem Hof verbringen, sollte absolut kein Hindernis darstellen. Schliesslich hatte er an diesem Abend mehrfach zugegeben, wie gerne er die eingrenzende Höhle verliess.
Bei Pol schienen gewisse Punkte langsam warnend aufzuleuchten. Kurz hielt er nachdenklich inne. Einzig seine Hände tasteten sich weiter zu ihrer Lustperle vor. Bahnten sich ihren Weg zu ihrer heissen, feuchten Scheide. Mit einem Seufzen quittierte sie sein erreichtes Ziel. Gewisse Talente in seiner Familie waren mehr als nur angenehm. Oh ja, sie wollte Pol durchaus an ihrer Seite haben.
Tatsächlich schien sogar Pol ihr Angebot anzunehmen. Seine erfahrenen Finger loteten tiefer, weiter. Spürte, dass sie längst für ihn bereit war. Dann auf einmal hielte seine verwöhnenden Finger inne. Sein gedämpftes, heiseres, „Nein“ schreckte sie ziemlich auf. Eine seiner Hand legte sich bittend über ihre Lippen still zu sein, ehe er erklärte. „Sunta, du hast bisher keinen Gefährten empfangen und ich werde nicht so egoistisch sein, diesen aufbewahrten Platz, vor dem Turnier, für mich zu beanspruchen. Sollte nach dem grossen Fest, keiner deine Gunst erreichen, dann lade ich dich gerne bei mir ein und wir vollziehen das Ritual. Aber bis dahin… geniesse einfach was ich biete.“ Dieses gut gemeinte Angebot stiess auf wenig Gegenliebe. Da wollte Sunta endlich nach all den aufgesparten Jahren endlich einmal erleben, wovon die anderen Frauen in ihrem Alter längst schwärmten, und ausgerechnet jetzt spielte Pol auf eisige Zurückhaltung. Ihr halbwegs anständiger Pol. Bei dem Gedanken sah seine zurück krebsende Haltung zwar nur halb so schlimm aus. Immerhin genoss sie wirklich seine geschickten Hände. Sie schaltete das Denken über ihre Zukunft aus. Sie lag hier im Bett mit ihm. Liess sich von ihm aufs feinste verwöhnen. Schon spürte sie ihren ansteigenden Höhepunkt. Keuchend ihr Atem. Seine Zunge zupfte, saugte weiterhin ihre empfindlichen Busenspitzen röter. Sie gab auf und liess ihren Gefühlen freien Lauf. Das Haus gehörte ungestört ihnen und wurde sogar von einem Drachen bewacht. Ungehemmt stöhnte, schrie sie in die Kammer ihre Lust hinaus.
Es dauerte bis sie einigermassen von der riesigen Glücksgefühlwelle wieder herunterkam. Zufrieden setzte Pol die Streicheleinheiten weiter fort. Neckisch knabberte er an ihrer weichen Halslinie. „Sunta, kannst du jetzt besser einschlafen?“
Spielerisch kniff sie ihn leicht in die Seite. „Du kannst mit deinen Talenten voll und ganz zufrieden sein. Ja, langsam bin ich wirklich am Ende mit meinen Kräften. Aber was ist mir dir?“ Dankbar, dass die rötlichen Gluten im Herd nur spärliches Licht an der Zimmerdecke verbreiteten, taste ihre Hand über seinen flachen Bauch. Er besass nur ansatzweise Muskel, aber das reichte ihr vollkommen. Pol war in ihren Augen einfach perfekt. Malim, der Sohn vom Schmied mit seinen harten, ausgeprägten Muskeln, fand sie völlig überbewertet. Lieber die Eleganz die ihr jetziger Gast verkörperte. Er roch zudem verführerischer, dezent nach einem herben Duft. So angenehm wie der Duft einer exotischen Blume und nicht so aufdringlich wie der beissende Kohlegestank nach dem Schmiedeherd. Langsam merkte sie auch das Pol in Gefühlsdingen sich wahrhaftig schwer tat. Kein Wunder blieb er so lange mit Maha verlobt. Sie hätte bei anfänglichem Interesse, ihn gleich an Land gezogen und einen endgültigen Heiratstermin festgelegt. Zum Glück ahnte Pol kaum etwas über Suntas Entschlossenheit. Sie aber wusste, dass er noch mehr Zeit benötigte, um ihn von einer festen Beziehung mit ihr, zu überzeugen. Vor allem eine ihrerseits vorhandenen Vorteile. Mutig wanderten ihre Finger an seiner Innenseite der Oberschenkel hoch. Dahin wo seine Wärme sich in Hitze verwandelte. Hörbar schnaufte er tiefer. „Sunta, ich weiss nicht ob das so eine gute Idee ist. Du musst dich nicht verpflichtet…ah!“
Das reichte ihr. Frech nahm sie sein grosses Glied zwischen ihre Hände und drückte es, ihrer Erfahrung, entsprechend. Er schrie vor glatter Überraschung auf, weil er schlichtweg über ihre Kühnheit erschrak. Vor allem Wunderte er sich über ihre geschickte Verwöhnung. Nebst dem Melken von Kühen hatte ihr vor allem Donan einige lehrreiche Tipps beigebracht. Bewundernd glitten ihre Finger über seine stramme Erregung. Da ging noch was. Neben ihrem Nachttisch gab es eine kleine Schale mit Öl. Die handwerklichen Tätigkeiten auf den Hof liessen oft ihre Hände spröde werden. Aus diesem Grund bewahrte sie die Schale hier auf. Denn über Nacht wirkte das Olivenöl länger, auf ihrer strapazierten Haut ein, als am Tage. Sie tippte ein paar Mal in das Schälchen und suchte dann gezielt Pols erregten Punkt. Ausweichend versuchte er sich aufzurichten. Ein letzter Aufstand seines Anstandes. „Sunta, es…“ „Bist du ein Mann?“ Verwirrt hielt er still. Also fuhr sie schonungslos fort. „Ich kenne keinen Mann, aus meinem Dorf jedenfalls, der es ablehnen würde, wenn ihm seine Freundin das anbietet. Also bei den Bachschwestern hat es exzellent funktioniert. Diesmal bin ich dran meine Talente zu proben. Da kann ich sicher auch noch was verbessern. Also sag mir einfach, wenn du was ausführlicher wünscht.“ Dank der Dunkelheit wurde sie mutiger. Immerhin konnte er nicht die verlegene Röte auf ihren Wangen erkennen. Genauso wenig sah sie wohin sein Blick gerichtet war. Dennoch wusste sie einfach, dass seine blauen Augen gerade zielsicher sie anpeilten. So ein warmes Gefühl das schmeichelnd ihren Körper streifte. Mit einem aufgebenden Aufstöhnen liess er seinen Oberkörper auf sein weiches Kopfkissen hinunter plumpsen. Diesem Stöhnen konnte sie noch eine tiefere Tonlage verpassen. Entschlossen massierte sie ihn mit den öligen Fingern. Schon nach wenigen Sekunden keuchte er mit rauer Stimme. „Wunschlos glücklich.“ Von wegen liess Sunta niemanden an sich ran. Dieses Urteil musste er schleunigst revidieren. Die Bestätigung, dass sie noch Jungfrau war, hatte er vorhin ertastet. Das war keine Überraschung gewesen. Aber dass sie wahrhaftig die Begabung besass ihn um den Verstand zu bringen, alleine mit diesen Händen die um sein hartes Glied glitten, daran hätte er nie im Traum gedacht. Geschickt rieb, streichelte sie, bis das Öl eine zusätzliche Wärme unter der gespannten Haut hinterliess. Plötzlich veränderte sie ihre Position. Im nächsten Moment sog er scharf die Luft ein. Wagte dann gar nicht mehr zu atmen. Sie hatte tatsächlich mit ihrem Mund, ihrer heissen Zunge, ihm über die Eichel geleckt. Ausnahmsweise war er nicht in der besetzten Höhle, wo es andere mithörende Nachbarn gab. Dies und weil er schon lange solche erotischen Zärtlichkeiten vermisste, liessen ihn rasch den Höhepunkt erreichen. Völlig entspannt lag er da. Genoss Suntas fortfahrende Streicheleinheiten, die sich bewundernd, dankbar seinem Oberkörper widmete. Erst allmählich verlangsamte sich Suntas Liebkosung. Von Maha war er es gewohnt, dass sie sich nach dem Akt gleich zurückzog, oder sich dermassen säuberte als enthielte sein Liebesbeweis ansteckende Keime. Seine frühere Angebetete erhielt, angesichts Suntas Verhalten nun zum Vergleich, dermassen negative Punkte, dass er sich überhaupt nicht mehr ein gemeinsames Leben mit ihr vorstellen konnte. Sunta war so viel anders. So viel Wärme die sie aussendete. Besorgt kontrollierte er ob die Bettdecke sie komplett, vor der eisigen Kälte draussen, schützte. Erst danach legte er sich dicht neben sie. Trotz dem unvollkommenen Wohnzimmer fühlt er sich hier mehr zuhause, als in seinem perfekt eingerichteten Quartier. Vor allen weil Suntas Anwesenheit ihm dermassen ein Hochgefühl schenkte, wie er es bisher nie kannte. Ob es möglich war, hier zu wohnen? Gedanklich plante er vor dem besagten Turnier noch einmal mit Klump zu reden. Der Alte gab kluge Ratschläge. Jetzt verstand Pol ein wenig mehr dessen, beim letzten Besuch, seltsames Verhalten. Er musste unbedingt in Ruhe alles überdenken. Dann wenn er irgendwann wieder einmal bei klaren Verstand war. Momentan kuschelte er sich lieber an die eingedöste Sunta, welche diese vertrauliche Geste gerne an. Rasch holte auch ihn der verdiente Schlaf ein.
Ungewohnt weckte Sunta das schreckliche Krächzen eines heiseren Hahnes. Empört gackerte er schrill, irgendwo hoch auf ihrem Dachboden oben. Plötzlich zitterte das ganze Haus. Verputz rieselte von den Wänden. Staub sickerte durch die Deckenbalken herunter. „Mika;“ brüllte Sunta ohne überhaupt die Augen aufzumachen. Dafür hielt sie sich selber, von ihrem eigenen Geschrei, die empfindlichen Ohren zu. „Lass ihn gefälligst in Ruhe! Und lass vor allem das arme Haus in Ruhe!!!“
Draussen fauchte es betrübt. Worauf der verstörte Gockel mit höheren Tönen losstotterte. Flatterte in den hinteren Teil des Dachbodens, in Sicherheit, vor den saugenden Nüstern Mikas. Die schluckte dafür eine Menge Staub nach dieser unvorsichtigen Staubsauger Aktion. Niesend hüpfte sie in die Wiese hinaus. Unter dem Zittern ihrer Sprünge rutschte ein Teller vom seinem Gestell. Dank dem Holz blieb er in einem Stück. Halb im Schlaf murmelte Sunta: „Schon wieder! Ich brauche mehr Nägel und Holz um die Bude zu sichern.“ „Weniger rumschreien, wäre mir am Morgen auch lieber um mich hier wohl zu fühlen“, jammerte Pol gespielt dicht an ihrem Ohr. Blitzschnell öffnete Sunta ihre hellbraunen Augen. Gewahrte Pol, der seinen Kopf auf einer Hand abstützte und sie beobachtete. Lächelnd raunte er ihr fröhlich zu. „Guten Morgen.“
Überrascht hob Sunta eine Augenbraue. „Guten Morgen auch. Na, dir scheint es ja gutzugehen. Gut geschlafen?“ In der Tat gefiel ihr der vertrauliche Ton zwischen ihnen. Daran könnte sie sich zukünftig gerne gewöhnen. Donan hatte sie nie am Morgen so begrüsst als hätte er noch was anderes, intimeres, als gewöhnliche Arbeit mit ihr vor.
„Ja, die gute Luft hier“, rettete sich Pol mit dem was ihm als erstes Einfiel. In der Tat fühlte er sich hier wohler als im eingesperrten, einengenden Erdreich. Dazu genoss er die friedliche, liebliche Gesellschaft. Ungern gestand er sich ein, dass ihm vor allem hier erst richtig Bewusst wurde, wie Mahas launenhafter Lebenswandel ihn bisher zusätzlich einschränkte. Hier lauerte keine launische Freundin, irgendwo um die nächste Ecke. Kein neidischer Aufseher welche ihn gerne bei den Ältesten anschwärzte. Er fühlte sich seit langem Frei und vielleicht ein kleines bisschen mit einem schlechtes Gewissen, weil er es sich hier so gut gehen liess. Aber mit Sunta an seiner Seite, wer konnte ihm das übelnehmen. Kaum stand Sunta auf, strich er verträumt mit einer Hand über die verlassene warme Stelle. Eine vertrauliche Geste, über die selbst Sunta staunte. Betroffen, ertappt zuckte Pols Hand zurück. Stand zu seinen inneren Gefühlen. „Das Sonnenlicht, die Wärme. Ich vermisse, mehr denn je, eine vertraute Gefährtin an meiner Seite.“
„Der Platz hier, bleibt bis nach dem Turnier, frei. Bis dahin solltest du auch einmal mit Maha geredet haben. Lass einfach nicht locker bis ihr alle eure Sorgen los habt.“ Rasch hüllte sich Sunta in eine weite Strickjacke. „Was hättest du gerne zu Frühstück? Wir hätten da frische Spiegeleier mit gesalzenem Trockenfleisch und eine Gerstensuppe.“ Pol lachte. „Das reicht mir vollkommen. Ich nehme Menü eins. “
Nachdenklich legte sich Pol auf den Rücken. Seit langem hatte er nicht mehr so gut geschlafen. In der Höhle plagte ihn schon morgens der Stress der straffen Tagesordnung. Für vieles blieb zu wenig Zeit und einen Assistenten hatte man ihm nie zugeteilt. Gut möglich, weil er bisher nie mit Nachdruck bei einem der Ältesten danach verlangte. Sobald er zurück in der Höhle wäre, würde er sich als erstes darum kümmern. Dann bliebe ihm auch mehr Zeit um sich das Problem Maha zu kümmern. Eigentlich erwartete man ihn längst zurück in der Höhle. Eine Regel verlangte strickt, vor dem ersten Sonnenstrahl die Drachenhöhle zu erreichen. Er war wieder einmal viel zu spät dran. „Nein warte, packe mir einfach alles für unterwegs ein Ich habe ja jetzt eine leere Tasche. Schon seltsam. Ich weiss selber nicht was mit mir los ist. Allen Problemen gehe ich nach, bis sie gelöst sind. Das ist mein Job und darin bin ich gut. Ich bin sogar einer der erfolgreichsten in meinem Berufsstand. Nur bei Maha habe ich versagt.“
„Entweder hast du Angst davor, dass sie die kriselnde Bindung ganz löst, sozusagen der letzte Faden reisst. Oder du weichst aus, weil du im Grunde, tief in deinem Inneren, diese Verbindung gar nicht wünscht.“
Unbegreiflich sah Pol sie an. „Ich habe Maha bereits ein Bündnis angeboten, nachdem wir beide erfolgreich unsere erste Ausbildung absolvierten. Bei uns ist es erst nach dieser ersten Stufe erlaubt, miteinander offiziell zusammen zu leben. Doch nach einer ernsten Besprechung haben wir dann doch beschlossen zu warten, bis die nächste Weiterbildung abgeschlossen sei. Von da an haben wir das Bündnis immer weiter vor uns hergeschoben. Zeitweise waren wir, in einem lockeren Verhältnis, zusammen. Das wiederholte sich regelmässig. Ich war bisher davon überzeugt, dass wenn wir erst einmal fest zusammen sind, verschwinden ihre Stimmungsschwankungen. Nun, kann ich mir nicht einmal vorstellen mir ihr zusammen zu wohnen.“
„Frag sie einfach direkt was ihr nicht passt! Was du tun sollst um sie glücklich zu machen. Lass sie auch wissen, was dir nicht passt! Was genau du von ihr erwartest. Du kannst nicht einfach hoffen, dass sie dir deine Wünsche von den Augen abliest. Manche Dinge hielt Donan für Selbstverständlich. Wie dass man ihm die Hausschuhe nach dem Aufstehen vor seine Zimmerschwelle stellte. So kleine wichtige Kleinigkeiten, die er von einer Frau erwartet damit er glücklicher ist. Nur muss so etwas, mir damals zuerst, mitgeteilt werden. Nach einer Aussprache war für mich klar, dass ich ihm den bescheidenen Wunsch gerne erfülle. Dass ich abends seine stinkenden Stallstiefel abwasche, wenn er es selber vergass, das habe ich ihm allerdings ausgeredet. So musst du mit einem Partner verhandeln! Klare Tatsachen von Anfang an.“ Verdeutlichte Sunta ihm lauter, damit Pol endlich begriff und das Steuerruder entschlossener an sich riss.
Versunken studierte Pol nach, während er sich automatisch anzog. Verborgene Ösen und kleine Hacken erleichterten ihm das Anziehen der engen, massgeschneiderten Kleidung. Ein wenig bedauerte Sunta, dass er gar nicht ihre Hilfe benötigte. Prüfend zupfte er seinen gepolsterten Umhang am Rücken fest und schnallte den ledernen Gürtel enger. Himmel, er sah so gut darin aus. Enge Hüften, breite Schultern und vor allem seine langen Beine. Nichts war zu dünn oder wirklich zerbrechlich. Er strahlte eine ausgewogene Gesundheit aus. Mit etwas mehr Feldarbeit, mehr gesunde bräune im Gesicht, würden ihm mit Garantiert sämtliche Frauen aus dem Dorf zu Füssen liegen. Selbst die Verheirateten. Auf jeden Fall würden ihn dann die vier Bachschwestern, in ihrer Schlafkammer, eingeschlossen lassen und den Schlüssel sorgsam verstecken. Sunta schmunzelte bei dem Gedanken. Für Pol würde sie sich allerdings sogar mit diesen vier Geschwistern gleichzeitig anlegen.
Zum Frühstück legte sie ihm zusätzlich gebratene Kartoffeln und frische Karotten in eine Holzbox. Stellte eine kleine verschliessbare Flasche mit abgekochter Milch dazu in seinen Rucksack. Wobei sie sich fragte wie er wohl auf die feinen Vanilleschoten in der Milch reagierte. Ihr Vater liebte das milde Getränk abgöttisch. Ohne diese „Medizin“ erhob er sich nie von Frühstücktisch. Einmal weigerte er sich zu Arbeiten als ihre Mutter krank war und sie musste zum Haus vom Kauffmann rennen, um das seltene Gewürz zu holen.
Aufblickend gewahrte Sunta einen wartenden Pol vor sich. Er meinte beschämt. „Ich sollte dich nicht mit meinen Problemen belasten, du hast es hier schon schwer genug.“ „Du hast mir letzte Woche auch sehr geholfen, also ist es das mindeste wenn ich dir zuhöre.“, winkte sie ab. Pol nahm ihr seinen leichten Rucksack aus den Händen. Etwas aufgemuntert liess er sie wissen. „Es war keine leichte Aufgabe gewesen, dich zu überwachen. Hat mich wieder einmal richtig herausgefordert.“ Er schmunzelte bereits über diese, glücklicherweise überstandene, vergangene Erfahrung. Ernster deutete er dann nach draussen. „So, jetzt eine kurze Einschulung über Mikas Ledergeschirr. Bevor ich abreise, muss ich dir das zwingend demonstrieren. Sonst kann ich ja keine ruhige Nacht mehr schlafen.“
Gespannt sammelte Sunta die verschiedenen geflochtenen Lederseile zusammen. Nur eines war Eindeutig, der gepolsterte Sattel. Kaum trat sie aus der Tür, ins blendende Sonnenlicht, stampfte eine träge Mika heran. Die morgendliche Frische lähmte noch etwas ihre steifen Glieder. Bevor sie ihre Batterie wieder voll auflud, winkte Pol die passive Drachendame heran. Diese schenkte ihm einen trägen, schrägen Blick. Erst als Sunta, im Rücken Pol stehend, ihr heimlich winkte zu kommen, tat sie näher an ihren ehemaligen strengen Lehrmeister. Sobald sie das Ledergeschirr erkannte, senkte sie sich freiwillig bis fast auf Boden. Ihre gute Erziehung zeigte Wirkung. Rasch erklärte Pol wie die zwei grossen Hauptstränge zu liegen hatte, dass der Sattel unverrutschbar, förmlich auf dem Rücken klebte. Was vor allem Sunta begeisterte waren die Riemen, welche ihre Oberschenkel an den Sattel sicherte. Allerdings dauerte ihr das ganze Einschlaufen etwas zu Lange. Das getraute sie sich nicht Pol zu sagen, beschloss aber, etwas Einfacheres zu Erfinden.
Wie in seiner Schule fragte Pol nach, „Alles verstanden?“
Sie tippte sich an die Stirn. „Hab mir alles gut gemerkt. Schliesslich leide ich an Höhenangst und bin daher ziemlich erleichtert endlich eine Absicherung zu haben.“
„Gut, dann geh ich jetzt, bevor Mika ihre ganze Energie aufgeladen hat. So kann ich friedlicher abfliegen. Pass mir gut auf dich auf.“
Beide wussten für einen Moment nicht so Recht wie genau sie sich verabschieden sollten. Was für Regeln es beim anderen zu beachten gab. Da Sunta einfach so nahestand, streckte sie sich auf ihre Zehenspitzen und küsste Pol flüchtig auf die Wangen. Ihre Hände, wollten ihn heftig umarmen, aber da war auch die innere Angst, dass sie ihn nicht mehr gehen lassen wollte. So hauchte sie nur. „Danke, vor allem auch für den gestrigen Abend.“ Dabei strahlte sie über ihr ganzes Gesicht. Tief bewegt, räusperte er sich. „Danke für die ganze Nacht. Ich freue mich auf das Wiedersehen, wenn ich dich zum Turnier abholen komme und ich werde mit einigen wichtigen Leuten meine Sachen abklären. Damit wir beide danach klare Wege gehen. Ob gemeinsam oder nicht, wird sich dann entscheiden.“ Das oder nicht, tat Sunta empfindlich im Herzen weh. Hastig wandte er sich danach ab. Entschlossen schritt er, mit seinem Rucksack auf den nächsten Wald zu. Bevor er die Zone des verfärben, gefallenen Laubes erreichte, schlüpft sein junger Drache aus einem getarnten Versteck hervor. Argwöhnisch blickte er zu Mika hinüber, die schon ihre Backen blähte. Das tiefe Grollen vibrierte warnend, über die ganzen Wiesen, durch die Luft bis zu ihm hinüber. Dennoch konnte sich Sunta nicht von dem herrlichen Anblick lösen, wie leichtfüssig Pol in den Sattel sprang. Ziemlich schwergewichtig erhob sich die kalte Echse in die Lüfte. In dem Moment schnaubte Mika verächtlich. Die ersten Sonnenstrahlen kitzelten schon ihre schwarzen Schuppen wach. Sie war sich durchaus ihrem farbigen Vorteil bewusst.
Sunta fragte sich, was Pol tat wenn Maha, Vernunft annahm und ihn einsichtig ablehnte. Was bisher all die Jahre nicht funktionierte, wie sollte das auf einmal zusammenpassen, wunderte sich die Hirtin. Ob er dann sie hier besuchte. Gar hierher umsiedelte? Besser sie machte sich noch nicht so viel Hoffnung für den Anfang. So wie sie den vernünftigen Pol kannte liess er sich wieder Jahre Zeit mit der Entscheidung. Eine Schwäche worüber sie lächelte und innerlich zugleich weinte. Vor allem bedauerte sie, dass er nicht einer ihrer glühenden Verehrer war.
Sie meinte leise. „Viel Glück mit deinen Gesprächen. Mögen sie dir alles gute Schenken auf deinem zukünftigen Weg.“ Sie sah dem fliegenden Punkt nach, bis er in der Bergregion verschwand. Eine Sehnsucht riet Sunta, einfach auf Mika zu steigen und ihm zurück in das Höhlensystem zu folgen. Nein, wie Unsinnig. Hier in ihrem Dorf war dies nur einmal nötig gewesen, einer aufdringlichen Schulkollegin, klar zu verdeutlichen das sie ihre Finger gefälligst von Donan lassen sollte. Bei Maha würde es diesmal nicht funktionieren. Die wusste von ihrer hohen Position und brauchte alles andere, als noch eine Herausforderung um Pol enger auf ihre Seite zu ziehen. Vor allem brauchte Pol mehr Zeit, für seine Entscheidung.
Verträumt legte Sunta ihre Hand auf die Stirn. Ja, sie gestand sich ein, dass sie hier Pol vermisste, trotz ihren vielen Haustieren als Gesellschaft. Schade zeigte Pol nicht ein bisschen intensiveres, beschleunigtes Interesse an ihr. Aber mit langlebigen Leuten funktionierte das Leben eben anders. Auf einmal kam ihr die verrückte Vorstellung hoch, Klump wäre hier? Alles in ihr sträubte sich gegen diese Zukunftsaussicht. Genau wie ein Schattengewächs in der prallen Tagessonne verdorrte, sowenig war es möglich den eleganten Höhlenbewohner, der die strukturierte Gesellschaft liebte, hierher auf den abgeschiedenen Hof zu verpflanzen. Eher sah sie sich in der Höhle, bei ihm einzuziehen und manchmal für ein paar einzelne Tage auf den Hof pendeln. Die Entscheidung kam erst nach dem Turnier. Bis dahin galt es das nötigste hier zu erledigen.
Morgentau fiel von den grauen, schimmernden Gräsern, dort wo eben kürzlich der gross gewachsene Gast sie berührt hatte. Eine dunkle Fährte in dem feuchten Gras die sich bald auflöste.
Es gefiel Sunta gar nicht wie Mikas Kopf besorgt, zwischen ihr und Richtung des verschwundenen Pols, schwenkte. So als zweifelte sie wo sie hingehörte. „Du bleibst hier“, versicherte Sunta überzeugt. „Für eine laaange Weile! Willst du jagen gehen? Du brauchst mindestens eine Portion Frischfleisch am Tag.“
Beinahe wünschte sie sich ein paar unvorsichtige Kataner in die Nähe. Eigentlich haderte Sunta mit sich selber ob sie den neuen Sattel ausprobieren sollte, doch anderseits fühlte sie sie einfach sicherer auf dem festen Boden. Lieber ein gemütliches Frühstück im warmen Haus. Trotzdem beobachtete sie später, im Türrahmen verweilend, noch eine Weile wie Mika geschickt ein paar Rehe aufscheuchte. Dicht über den Baumkronen dahin sauste und die Beute ins Freie trieb. Erfolgreich von hinten an das ungeschützte Wild zustürzte und es im Flug in ihren Rachen schleuderte. Elegant segelte sie noch eine Runde, spähte erneut nach einem erschöpften Tier, das sich leicht erschrecken liess.
In der zwischen Zeit frühstückte Sunta selber ihre Kartoffeln Portion. Wählte für den Morgen eine hübsche Kleidung von Pol Geschenken aus. Nachdem sich Mika ausgetobt in Gras legte und gemütlich etwas Gras knabberte um ihre Verdauung zu erleichtern, nutzte Sunta die günstige Zeit für einen zweiten Rundgang ins Dorf. Trieb einer ihrer besten Milchkühe vor sich her um sie gegen den Verlust vom Esel zu ersetzten. Sie wollte niemandem etwas schuldig sein.
Drei Kühe gaben eine Menge Milch die ihren Tagesbedarf um das Dreifache überstieg. Die kostbare Milch ganz an Mika zu verschenken wollte sie auch nicht. Obwohl Mika rasch begriff, dass die Milch köstlich schmeckte und von welchen Tieren sie stammte. Verwöhnt gab sie der süsseren Kuhmilch den Vorzug. Da blieb die Ziegenmilch schon verschmäht.
Schon deswegen flog sie häufiger ihre Runden in der Umgebung, in der Hoffnung eine der Milchlieferanten für ihren Floh und sich selber zu reservieren.
Sunta selber tauschte das eine Vieh erfolgreich gegen eine Menge Nägel, Vorhänge und allerlei nützlichen Kleinkram ein. Sogar ein paar Hennen bekam sie geschenkt um ihrem einsamen Hahn zu beschäftigen. Mühselig war es nur all die Kartone mit den Tieren nach Hause zu schleppen. Sie sollte nächstes Mal Pol fragen ob ein Minidrachen sich mit Mika vertragen würde. Ein solches intelligente Tier wäre auch vor dem Pflug eine Bereicherung. Jedenfalls doppelt besser als die verängstigen Kühe, bei denen momentan eine gerade Steuerung über den Acker, undenkbar wäre. Mehr als eine Stunde raubte ihr der kräftezehrende Fussmarsch zurück in ihr Heim. Dafür belohnte sie der stolze Anblick des aufgeregten Gockels, der sich endlich aus seinem Versteck hervortraute. Vorsorglich trieb er sein pickendes Volk rasch auf die gegenüberliegende Seite von Haus, wo Mika sie nicht erspähen konnte.
Nach einer Ruhepause beschäftigte sich Sunta auf dem fruchtbarsten Ackerland, welches gerade in der Flussbiegung lag. Beinahe jährlich überflutete das geschmolzene Frühlingswasser diesen Flecken Erde, was ihm jedoch guttat, sofern die Saat, die diesmal aus keimenden Kartoffeln bestand, tief genug im Boden lag. Als Sunta am späten Nachmittag, mit schmerzendem Rücken, von der gebeugten Haltung über der anstrengenden Feldarbeit, nach Hause kam, fragte sie sich insgeheim ob ein paar Hennen Mika zum Opfer geworden waren? Oder ob sich ihre Investition lohnte. Als sie jedoch am Gatter, vor ihrem Haus, vorbeikam, staunte sie über Mikas Jagderfolg. In einer verstärkten Ecke des Holzzaunes pressten sich eine Handvoll zitternder Rehe aneinander. Es war schwer für Sunta sie allesamt zu zählen. Da der Zaun jedoch für Kühe ausgerichtet war, wollten ein paar flinke Rehe natürlich ausbüxen. Allerdings hockte Mika in unmittelbarer Nähe und wachte über das zappelige, zittrige Grüppchen. Über diese merkwürdige Ausbeute lachte Sunta zuerst. Was sollte sie mit wilden Rehen anfangen? Anderseits bedeutete es eine Fleischnahrungsquelle. Während also Mika die äusserst rebellischen Waldtiere bewachte und öfters mit ihrer Schwanzspitze wieder zurück in ihre Ecke scheuchte, nagelte Sunta wie wild um den Zwischenbereich der Zaunlücken zu füllen. Zu guter Letzt nagelte sie sogar den hölzernen Besenstil über eine besonders niedrige Stelle. Sie getraute dem neuen Nutzvieh durchaus bis zwei Meter hochzuspringen. Dafür musste sogar der neue Vorhang und eine löchrige Unterhose von Donan hinhalten, quasi gespannt, zwischen zwei Pfosten, da ihr schlicht das entsprechende Holz fehlte. Zu gerne hätte sie Klumps Gesicht beobachtet, wenn er ihre neueste kreative Arbeit betrachtete. Immerhin, das rechnete sie ihm hoch an, besass er mehr Humor als die Ältesten früher, aus ihrem gesamten Dorf zusammen.
Für Sunta begannen ein paar sorglose Tage. Doch die Ruhe täuschte. Mit Sorge entdeckte sie tagsüber die silbrig glänzenden, winzigen Punkte von ausserplanetarischen Raumschiffen. Dutzende von schweren Kriegsschiffen flogen da hübsch formatiert, ganz hoch oben über der höchsten Wolkendecke. Einzig Mikas scharfem Auge war zu verdanken, dass Sunta selber die aufblitzenden Aussenhülle als Schiffe gewahrte. Anfangs dachte sie noch, dass seinen harmlose Sterne oder eine Sinnestäuschung. Mikas warnende Knurren lehrte sie besseres.
Sie betete, dass die Kataner ihren unwichtigen Planeten verschonten. Was gab es den schon ausser ein paar harmlosen Dörfern zu erobern?
Inzwischen glich ihr Haus eher einem ausgebauten Bunker. Doppelt bis dreifach verstärkte Wände. Von aussen fügte sie eine doppelte Steinmauer hinzu. Fleissig sammelte Mika dafür die Steine vom Feld und vom Fluss zusammen. Schleppte grössere Brocken schon von weiter, den Vorbergen, herbei. Weichere, helle Kalkbrocken, mit denen Sunta die Isolation verbesserte. Andere dunkle Schieferplatten verwendete sie als letzte Aussenhülle. Jetzt in den letzten Herbsttagen wo die Temperaturen tagsüber spärlich anstiegen, speicherten die fast schwarzen Aussenplatten die Wärme. Ein paar Stunden hielt sich diese Wärme, nach Einsetzen der Dunkelheit, an. Etwas was Mika sehr zu schätzen wusste.
So versprühte sie täglich Unmengen an Energie. Trainierte, steigerte täglich ihre Kraft und Ausdauer. Und jagte dementsprechend selbst nach einem strengen Tag noch verspielt den Gockel rund ums Haus. Dieser besonders kleine Mutige, tat es ihr besonders an. Mit seinen langen Spornen kratzte er ihr schon gerne ins Gesicht, zielte bei Grobheiten auch auf ihre Augen. Für so einen Kratzer opferte er sogar eine paar seiner schönsten Federn. Sobald Mika den Rückzug antrat, kräht er seinem Triumph heiser hinaus. Genervt beschlich Sunta der Gedanke ihn doch einmal den Suppentopf von innen betrachten zu lassen. Allerdings beobachtete sie wie Mika den Wagemutigen sehr am Herzen lag. Gegen ihre anfänglichen Befürchtungen genoss Mika das tägliche harmlose Kampfspiel. In der Tat sperrte sie den zornigen Hahn öfters in ihrem Rachen ein. Spuckte ihn wenige Minute später spottend wieder aus. Triefend, angesabbert zottelte dann der einzige „Mann“ auf dem Hof, zurück zu seinen Hennen.
Sosehr Sunta die unbeschwerte Zeit genoss, sie vergass nicht aktiven Kataner.
Ihr verborgener Verdacht traf bald darauf ins Schwarze.
Mitten in der Nacht, grollte Mika warnend auf. Aufgescheucht blickte Sunta aus dem Fenster. Unzählige Lichter näherte sich Osten her, wo ihr Dorf stand. Dicht über den Boden fliegend näherten sich die unheimlichen Objekte mit rascher Geschwindigkeit.
Energisch wehrte sich Sunta, noch im Nachthemd, gegen die nervöse Mika. Versteckte, schleuderte alle notwenigsten Sache in das Kellergewölbe hinunter, und streute Asche über den Boden um die Ritzen der Bodenplatte zu tarnen. Dann rannte sie raus um die Gatter zu öffnen. Mittlerweile folgten die Tiere der Drachendame. Wussten d,ass wenn sie gehorchten nicht mit dem Rachen, gepackt und getragen, bestraft wurden. Erst danach kletterte Sunta auf den Drachenrücken. Die Halteriemen von dem Oberschenkel hatte sie entfernt. Dafür gab es zwei einfach geschlossene Haken. Sobald sie sich nämlich hinsetzte, startete Mika hoch. Noch während von Luftzug das Eigengewicht die Reiterin in den Sitz presste, hakte sie sich die zwei seitlichen Karabiner einfach an ihrem Gürtel fest. Eine Tätigkeit die nur so bereits im Fliegen möglich war. So gewann die mehrere Sekunden, statt sich umständlich die Oberschenkel festzubinden, umzuschnallen.
Ungewöhnlich weit nach oben flüchtete Mika. Bis die dünne Luft den Drachen bremsten. Die Kälte setzte hier nicht nur Sunta, noch im langen Nachthemd, zu sondern auch dem aufgeheizten Drachen.
Unter ihr donnerten schwere Geschütze. Eine schiesswütige Armee zündete jedes Haus, im Dorf an. Einige Häuser sprengten sie direkt in tausende Einzelstücke. Flammen zündeten lichterloh auf. Angezündete Punkte jagte durchs das von den Flammen hell erleuchtete Dorf. Sunta war froh, dass sie wegen der hohen Distanz nicht erkannte, ob es Personen oder Tiere waren, die in Todesangst und Todesschmerzen herum irrten. Es tat so weh, wenn sie hier als stiller Beobachter untätig herumsitzen musste. Sie war keine ausgebildete Kriegerin, wusste aber instinktiv, dass wenn sie nach unten ging, ihr Untergang besiegelt wäre. Warme Tränen rannen über ihre kalten Wangen. Sie wischte sie nicht fort. Auch das gehörte zu ihrem Leben. Ertragen was das Schicksal einem auferlegte. Dankbar zu sein, dass Mika ihr beides Leben schützte.
Nur das regelmässige Flattern der schweren Schwingen war zu hören. Die Stille der funkelnden Sterne zu greifen nah. Die angenehme Stille des Universum oben, unten das donnern, grollen des Chaos.
Nur ein entferntes grelles Heulen liess sie von Zeit zu Zeit zusammenzucken. Es kam ihr vor als sei alles nur ein entfernter Film. So weit das Dorf unter ihr. Doch die gewaltige Hitzewelle der Explosionen drang nach einigen Minuten bis in ihre dünne Hüfthöhe hoch. Gefolgt von einem beissenden Geruch nach verbranntem Holz, Erde und vielem anderem das Sunta gar nicht erkennen wollte. Bei dem totalen, unerbittlichen Massaker gab es keine Überlebende mehr. Der schöne Anfang, das Wenige Hab und Gut mit dem die einzelnen Bewohner sich zufriedengaben, entriss man ihnen abermals schonungslos.
Innerhalb wenigen Minuten zerstörte die dunkle Schattenarmee der Kataner alles was einer menschlichen Behausung glich. Sobald alles brannte zogen sie weiter. Mika flatterte etwas tiefer um in der Wärme des prasselnden Feuers ihre Energie, ihre Beweglichkeit zu erhalten.
Nach einem Überflug über dem restlos zerstörten Dorf verspürte Sunta keine Lust auch ihr eigenes abgefackeltes Heim zu besuchen.
Hinter der Dorfgrenze, in ihrem Gebiet, erschütterte eine Explosion nach der anderen die Luft. Sie wunderte sich, was es das dermassen zu zerstören gab und lenkte Mika dennoch zu ihrem Haus hinunter.
Die blenden Lichter der Katanerschiffe waren alle, bis auf eines, verschwunden. Ratlos verharrte Sunta. Mika wartete auf ihren Entscheid und flatterte ruhig über den Baumwipfeln in sicherer Distanz an Ort und Stelle. Eigentlich plante Sunta den harmlosen Rückzug anzutreten. Eine Bodentruppe von einem Dutzend Kataner bombardierte hartnäckig unvermindert ihr gepanzertes Heim. Tatsächlich begriff selbst Sunta ein paar Sekunden später warum die Kataner so viel Zeit brauchten für ihr bescheidenes zusammen gebasteltes Häuschen. Dessen Wände standen unversehrt, nur die oberen Dachschindeln brannten lichterloh.
Vor lauter Ärger vergassen die beschäftigten Kataner ihre Rückendeckung abzusichern. Sie wunderten sich gehörig warum ihre sonst so hervorragenden Waffen bei so einer halben mickerigen Ruine versagten. Sie vermuteten, dass die Händler ihnen schlechte Waffen andrehten und probierten erneut mit vollem Einsatz alle Knöpfe ihrer Waffen aus. Feuerbälle platzten an der, einen Meter dicken, Aussermauer einfach ab. Ausgerechnet Mikas Lieblingsplatz wählten sie als Front für ihre Zielübungen. Kein Wunder, staunte Sunta, dass sich da die beschäftigten Kataner ihre Zähne ausbissen. Eine drachensichere Mauer wollte sie mit normalen Waffen zerstören? Auf einmal fasste Sunta das ganze mir Humor auf. Probeweise fragte sie Mika. „Willst du Futter? Futter?“ Schliesslich war es nur ein Schiff das etwa dreimal so gross wie Mika war. Vielleicht hatten sie eine günstige Chance auf Rache.
Segelohren klappten nach vorn. Praktisch lautlos änderte sich der Flügelschlag. Der Drache hob sich schwebend wie ein Geist nach oben. Nach einer gewissen Höhe klappte sie die Flügel wie ein Sperber ein. Raste wie ein Felsbrocken auf die Erde zu. Exakt auf das Heck des, Fussballfeld grossen, Raumschiffes zu. Mit den Hinterbeinen voraus, krachte sie mit dem ganzen Gewicht auf die metallene Scheibe, die das Zehnfache ihres Körpergewichtes mass.
Der Antrieb kratzte, wühlte sich tief in den Boden. Heisse Erde, glühende Grasbüschel wirbelten durcheinander. Es stank nach geschmolzenem Metall und verbranntem Gras. Heulend kreischte der blockierte Antrieb auf. Mika hüpfte auf die seitliche Flügelseite der geschwungenen Tragfläche, doch die stabile Maschine glich den ersten Angriff meisterhaft, trotz stockendem Motor aus. Heftig blinkten die Lichter in verschiedenen Farben protestierend. Funkenregen rieselte auf den nun aufgerissenen Acker hinunter.
Als nächstes schleuderte Mika den umstehenden Kataner eine heisse Feuerwand entgegen. Ihre Augen schienen genau zu sehen, wo es sich lohnte ihre Gegner zu treffen. Sofort zogen sich die Leute schützend in ihre Panzer zurück. Diese Pause nutzend, widmete sie sich wieder dem zähen Raumschiff. Kratzte mit den Krallen eine Platte, der Aussenhülle, aus der Verankerung. Spuckte wieder einen Feuerball in das Loch und liess die schwere Platte zurückfedern.
Konzentrierte sich wieder auf das mutigere Fussvolk. Genau wie beim letzten Male holte, saugte sie ihre Beute, die sich eigentlich sicher wähnte, aus ihrem Schildpanzer hervor. Ein bisschen in ein Loch einheizen und schon gab es knusprige Katanerspiesse. Sunta versuchte irgendwie auszublenden was da vor ihren Augen geschah. Hielt sich einfach nur am Sattel fest. Auf einmal krachte es gewaltig im Hintergrund. Die halb gestrandete Maschine landete erneut nach einem verzweifelten Fluchversuch auf ihrem eingedrückten Bauch. In der Nähe des Antriebs explodierten mehrere Feuerwerke. Ganze Kabinenteile flogen entzündet durch die kühle Nachtluft. Wieder bohrte sich das Schiff in die Erde, diese Mal solange bis es der Antrieb komplett verstopfte. Die Maschinen in Innern überhitzten sich.
Grelles Licht blendete für einen Bruchteil einer Sekunde. Automatisch schloss Sunta die Augen und Mika warf sich freiwillig zu Boden. Eine sagenhafte heisse Druckwelle raste mit allerlei Müll und Einzelteile des Schiffes über sie hinweg.
Ungestört mampfte Mika an ihrem Essen mit dem typischen vegetarischen Beigeschmack. Schmatzend widmete sie sich dem nächsten vergeblich, wegschleichenden Opfer. Gerade als sie schlürfend einen dieser angekorkelten Kataner genoss, löste Sunte den Riemen von ihren Beinen und rutschte von dem schaukelnden Drachenrücken hinunter. Der Schreck dämpfte weiterhin ihre sicheren Schritte. Erst nach ein paar Schritten kehrte das gewohnte Gleichgewicht zurück. Niedergeschlagen blickte sie auf ihr brennendes Haus. Noch brannte der komplette Dachstock lichterloh. Flammen züngelten von gelb bis rot in den Sternenhimmel hoch. Bald würde die untere Küche ihre solide Zimmerdecke verlieren. Sunta liess die Schultern hängen. Wo sollte sie heute Nacht und die folgenden schlafen? Auf einmal schwenkte der grosse Kopf von Mika herum. Sie schnupperte einmal tief auf. Unter ihren gekrümmten Krallen hielt sie das letzte halbtote Häppchen gefangen. Ohne die zappelnde Beute zu beachten, blähte sie ihre Nüstern weit aus. Danach saugte sie dicht vor den heissen Flammen, den Sauerstoff schlichtweg weg. Staunend verfolgte Sunta wie ihre feuerspuckende Dame es verstand auch das Feuer förmlich einzusaugen. Das ganze seltsame Schauspiel dauerte nur eine knappe Minuten. Nur leider saugte Sunta nicht bloss die Hitze des Feuers ein, sondern ein paar Aschefetzen dazu. Sie röchelte wie ein alter Raucher der den Husten reizte. Doch statt Husten, musste sie schrecklich niesen. Nicht nur Sunta wurde von dem feuchten Schleim getroffen der sie aus ihrer Nase schoss. Auch Katanerblut schleuderte es aus ihren gekitzelten Nüstern. Erst als Mika ihre Schnauze in die ausgediente Badewanne senkte, in der das Trinkwasser für die Hoftiere gesammelt war, einen tiefen Schluck nahm, hörte ihre scheusslichen Schleimattacken auf. Hörbar gurgelte sie ungeniert. Nahm einen weitern hörbaren schlürfenden Zug. Statt zu trinken spritzte sie gezielt, auf das vor sich hin rauchende Dach. Es zischte, da wo das Wasser die letzten glühenden Stellen berührte. Sunta drehte den Wasserhahn der Tränke weit auf. Es dauerte schon länger bis die Gefahr des erneuten Aufflammens endgültig gebannt war. Erst nach mehreren versprühten Wasserladungen hörte das verräterische Qualmen von ihrem Dachstuhl auf. Erleichtert drehte Sunta den Wasserhahnen zu. „Gut gemacht Mika.“ Lobte sie die eifrige Dame, die ziemlich Spass zu haben schien das Wasser, aus ihren gefüllten Backen, gezielt abzuschiessen. Erneut wunderte sich Sunta wie man so ein intelligentes Geschöpf, in einer dunklen Höhle gefangen hielt. Mika brauchte häufig abwechslungsreiche Beschäftigung. Alleine, dass sie einen Kataner halblebendig übrigliess, bewies wie grausam verspielt sie war. Sie schubste ihn sogar hoch, um ihn gleich wieder aus dem Gleichgewicht zu bringen. Sunta hingegen interessierte das Katz und Mausspiel weniger, dessen brutalen Ausgang sie kannte. Angeekelt schaute sie an sich runter. Ihre Kleidung stank nicht nur nach beissendem Rauch sondern die klebrige Feuchtigkeit von Katanerblut berührte unangenehm ihre Haut. Ihre letzten Nachbarn waren auch einen abschliessenden Eintrag in das Geschichtsbuch ihres ausradierten Dorfes wert. Daher riss sie sich das stinkende Nachhemd ganz herunter. Nackt wie sie geboren wurde, zerrte sie die Haustüre weit auf. Das nutzlose Ding rutschte jedoch ganz aus den schiefen Angeln. Wirkungslos knallte sie Sunta vor den Füssen nieder. Also spazierte sie einfach darüber hinweg, in ihr vergastes Heim. Schwefel und Schiesspulver Gestank verpestete die Innenräume. Sie öffnete die Fenster, deren geschwärztes Glas den Flammenwerfer standgehalten hatte. Doch die windstille Nacht verschaffte ihr nur eine geringe Erleichterung. Der ganze Innenraum der Küche war intakt. Von den Brettern zum oberen Raum wusste sie, dass sie die komplett erneuern mussten, denn es tropfte verschmutztes Löschwasser herunter. Wieder eine knifflige Arbeit mit Mika zusammen. Solange es nicht einen Dauerregen in den nächsten Tagen gab, blieb sie hier im Untergeschoss einigermassen trocken. Zum Glück war ihr Bett verschont geblieben. Natürlich hatte sie über ihrem Schlafplatz eine mehrfache, abgestützte Sicherung angebracht. Wie gesagt, Mikas Erdbeben machten Erfinderisch. Mit einem müden Lächeln kroch Sunta unter die Decke. Es war so Traurig. So verdammt sinnlos und traurig. Sie hatte keinerlei verbarmen mit dem heulenden Kataner draussen. Er schrie in mehreren unverständlichen Lauten. Versuchte in der Universalsprache sogar Mika zu stoppen. Ihm war längst bewusst, dass der kluge Drachen durchaus auf Sprachen reagiere. Ihm sogar zuhörte, aber garantiert keinen Gefallen tat. Für Mika bedeutete er ein interessantes Spielzeug. Solange er Unterhaltung bot, blieb er am Leben. Einzig etwas rief Sunta aus ihren abgeschalteten Gedanken. Sie verstand ein paar Worte von der Universal Sprache. Aber das, „Du bbbist ein Baustein, du bbbbist Teil vom Schlüssel. Stopp, sssei brav! Stooop!“, von dem aufgeregten Kataner liess sie stutzig werden. Langsam erhob sie sich von ihrem Bett. Vielleicht sollte sie dem Feind ein paar Fragen stellen? Doch in dem Moment knackte es. Begleitet von einem schrillen, pfeifenden Schrei.
„Mhm, das Spielzeug ist wohl kaputt gegangen“, murmelte sie erleichtert über die eintreffende Ruhe. Sank zurück unter die warme Decke. Es roch angenehm, ganz schwach immer noch nach Pol. Wie sehr sehnte sie sich nach dessen Wärme, Geborgenheit. Verspürte den Wunsch, zurück in die Höhle zu gehen. Wegen der Sicherheit und vor allem wegen ihm, Pol. Ein kurzfristiges Wunschdenken. Seufzend rieb sie ihre Nase tiefer in das Kissen um den unangenehmen Geruch des verkohlten Hauses auszublenden.
In den frühen Morgenstunden legte sich Mika vorsichtig an die geschwärzte Aussenmauer nieder.
Anfangs nieselte es draussen unfreundlich. Freudlos drehte sich Sunta im behaglichen Bett herum. Ein bisschen länger vor sich hindösen verführte zu einem weiteren Kurzschlaf. Als sie später unter der Decke hervorlugte, schien tatsächlich die Sonne zeitweise durch das Küchenfenster herein. Eine verlockendere Aufforderung zum Aufstehen brauchte sie nicht. Da der Besen anderweitig Verwendung fand, wischte sie mit dem Barfuss die graue Asche auf dem Boden zur Seite. Ein gekonnter Griff, schon öffnete sich die Bodenklappe. Erst einmal ein schlichtes Leinenkleid überziehen. Ein kniefreies Teil das man normaler Weise eher als wärmendes Unterteil trug. Ihr war Schicklichkeit momentan sehr egal.
Mit der schmerzhaften Erinnerung der letzten Nacht, verging ihr fast der gesamte Appetit. Lustlos stocherte sie in der kärglichen Frühstückportion herum. Sie musste sich praktisch zum Essen zwingen. Die Zeiten waren hart, brachten sie langsam an ihre Grenzen. War es klüger zu Pol zu flüchten? Aufgeben kannte sie nicht. Dennoch sah sie mit tränenfeuchten Augen an ihre angeschwärzte Wohnzimmerdecke hoch. Es wäre so einfach zu Pol zu flüchten. Es dort behaglich zu haben. Wenn auch die Enge der Räume ihr ziemlich zusetzten. War nicht Sicherheit gerade jetzt am Wichtigsten? Wie sollte sie das mit dem ziemlich angekohlten Dach, ohne Unterstützung, bewältigen? Sie holte die sorgfältig versteckten Baupläne hervor. Besah sich die gezeichneten Konstruktionen. Allein die unzähligen Dachschindeln benötigten viele geschickte Arbeitsstunden. Eine aufwendige zeitraubende Notwenigkeit, die man sonst in der Winterzeit erledigte, wenn sonst nichts anstand. Doch ihr knapper Zeitplan verlangte sich um Nutztiere zu kümmern, genauso wie ständig ihr Haus zu verbessern. Dazu noch einen weiteren Acker bestellen und alles sollte, wenn möglich noch vor dem Turnier vonstattengehen. Schliesslich wusste sie nicht wo und wie lange die Flitterwochen, mit ihrem baldigen zukünftigen Gefährten, dauerten. Einen Schritt nach dem anderen, würde Donan ruhig sagen. Also spazierte sie kurz darauf, ziemlich verdriesslich, mit einer kleinen Axt in der Hand aus dem Haus. Angesäuert ignorierte sie das feindliche, arg zerbeulte Katanerschiff. Das schlimme Übel ihres so schwer akzeptablen Schicksals. Warum musste gerade sie überleben? Vielleicht hatten die Bachschwestern, die auch ausserhalb des Dorfes wohnten, überlebt? Es war ihre Pflicht später nachzusehen. Also sah sie zu Mika hinüber die halb versteckt, praktisch in dem aufgerissenen Frack festklemmte. Kratzende Geräusche verrieten ihre unerschöpfliche Neugierde. Verabscheuend betrachtete Sunta die leeren, verstreuten Katerpanzer, mitten in ihrem frischen Kartoffelfeld. Das ging einfach gar nicht! Schon wieder verursachten Kataner ihr zusätzliche Arbeit. Beim Zählen erreichte sie die stattliche Zahl neunzehn. Moment mal? In Suntas Hirn blinkten grüne Warnlichter auf: sehr feuerfest, sehr stabil, absolut wasserdicht! Was wünschte man mehr. Ausserdem deckte einer dieser, etwas mehr als ein bis zwei Quadratmeter ovale Schilde, eine riesige Lücke ab. Damit reparierte sich praktisch eine ganze Dachhälfte an einem einzigen Tag! Mit einem erfreuten Grinsen steuerte sie die unerwünschten Hindernisse in ihrem Gemüsegarten an.
Ein Tag später, strahlte ihr Haus provisorisch renoviert eine ziemlich makabere, düstere Ausstrahlung aus. Abermals mit ganzen Stämmen gestärkt. Genauso robust die neuen Weidezäune. Wozu einen Stamm aufwendig in regelmässige Bretter schneiden, wenn ein halbierter Stamm bessere Dienste leistete. Und sie sparte enorm Zeit. In einem zweiten Garten pflanzte sie sie bereits weiteres Wintergemüse an. Auch geschützt durch eine massive Holzeinzäunung die sogar einen Elefanten ins Schwitzen gebracht hätte. Mit Mikas Zusammenarbeit war alles möglich geworden. Mit ihren langen Krallen bohrte sie tiefe Furchen in den weichen Feldboden um die Stützpfosten darin zu versenken. Nachdem sie sogar ein Nest mit flüchtenden Feldmäusen aufstöberte, grub Mika freiwillig den ganzen Garten komplett um. Neugierig ob sie sonst noch etwas Lebendiges aufspürte. Allerdings zeigte sie an den kleinen, rosa Regenwürmern kein Interesse. Dafür gackerte der zerflederte Hahn seine lieben Hennen herbei. Gemeinsam pickten sie fleissig nach den ausgegrabenen Delikatessen. Ausser ein paar angesengten Federn hatten die Tiere die Brandnacht gut überlebt. Drei Ziegen, ein Schaf, sieben Rehe und zwei Kühe grasten nervös in der neuen Umzäunung. Wobei eines der scheuen Rehe seine gigantische Flucht über den Zaun bitter bezahlte. Es lag halb gelähmt ausserhalb der Umzäunung. Nicht die Landung selber, sondern Mikas Zorn über den unerhörten Ausbruch hatte das Reh in seiner Bewegung eingeschränkt. Erst nach einer lieben Aufforderung Suntas hin, erlöste Mika das arme Tier von seinem Leiden. Allerdings erlaubte sich Sunta einen ganzen Hinterlauf, für sich selber zu Reservieren. Den briet sie Teilweise, teilweise hängte sie ihn, in dünne Streifen geschnitten, zum Räuchern im Kamin auf. Gleiches Schicksal blühte einer Kuh. Eines der kostbaren Tiere war am Abend zuvor in die Schusslinie der Kataner geraten. Den Hauptanteil bekam selbstverständlich Mika. Doch auf schöne Steaks wollte Sunta natürlich nicht verzichten. Ausserdem räucherte sie in einer separaten Kammer bereits einen Vorrat für Notfälle. Diese spezielle Kammer hämmerte sie aus dem Teil zusammen, das Mika vom Flügel des Schiffes abriss. Essen besass sie nun reichlich im Überfluss und es war Zeit jemand zu suchen der es mit ihr teilen konnte. Sie marschierte kurz vor Mittagszeit ins Dorf hinüber. Ein trauriger Marsch über die leeren, unbestellten Felder. Den gestrigen Tag widmete sie ganz ihrem Haus, denn die zunehmenden Wolken sahen so aus als bescherten sie bald den ersten, bleibenden Schnee. Der feuchte, bitterkalte Nordwind war jedenfalls reif dazu. Daher beeilte sie sich auch mit der Aussaht der letzten Kartoffeln. Die vernachlässigten Felder rund ums Dorf stimmten sie traurig. Land gab es genug um mehr als ein Dorf zu ernähren. Es ging einfach über ihre Logik warum sich die Kataner so gründlich mit der Vernichtung von harmlosen Bauern abgaben. Um die fruchtbaren Äcker zu besitzen, dass konnte sie schon mal ausschliessen. Es ging nicht um Land oder angst davor das Technologie und Wohlstand eines Volkes für anderen gefährlich wurde. Also wonach suchten diese versessenen Eindringlinge?
Je nach Windrichtung roch sie weiterhin den unangenehmen Rauch von den qualmenden Häusern. Trotz der vergangenen Zeit, seit letzter Nacht, reagierte ihre Nase empfindlich auf den entfernten Brandgeruch. Umso mehr sie sich dem Dorfrand näherte, desto grösser steigerte sich ihr Unbehagen. Nach den ersten Häusern, beziehungsweise was davon übrig war, legte sich ihre Panik ein wenig. Sie brauchet ein paar Minuten um das zu verdauen was sie vorfand. Nein, Überlebende erwartete sie keine mehr. Die zähen Überreste der Häuser präsentierten sich in einem schaurigen Zustand. Kaum eine Hausmauer zählte höher als drei Meter. Verkohlte Balken, zerstreute Tonscherben vom Haushalt, geschmolzenes Glas von Flaschen und Fenstern, überall Asche. Vor allem auf den Strassen tat ihr der Anblick von zerrissenen Kleidung weh. Seltsamer Weise entdeckte sie keine Leichen, dafür hin und wieder ein paar Flecken von getrocknetem Blut.
Ziemlich gelassen spazierte Mika ein paar Meter hinter Sunta nach. Sie wirkte ausgesprochen träge und satt. Sofort schob Sunta den wahrlich schauerlichen Gedanken auf die Seite, dass Mika hier in der Nacht heimlich die Strassen „gesäubert“ hatte. Ihr sozusagen das begraben der entstellten Brandleichen ersparte. Diese Möglichkeit bestand. Darüber wollte Sunta gar nicht nachdenken. Stattdessen achtete sie darauf wohin sie ihren Fuss setzte. Zerbröselte Mauersteine lagen zuhauf mitten in der Strasse. Jetzt sich ungeschickt den Fussknöchel zu verstauchen wäre eine ausgesprochene Dummheit. Kein Gegenstand fand sie Heil vor. Zerbeulte massive Gusskannen hielten, wie die zersplitterten Eichentüren, nicht dem Angriff der wütenden Kataner stand. Einzig Suntas gepanzerter Drachenschutz verhinderte das traurige Schicksal dieser nun gestutzten Ruinen. Mika trug an diesem Tag den Sattel aufgeschnallt. So kümmerte sich Sunta um die andere Art von Aufräumarbeit. Alles was ihr noch nützlich schien, sammelte sie ein. So fand sie beim Töpfer noch Tongeschirr im Unterirdischen Brennofen. Beim Bäcker transportierte Mika sogar den ganzen Ofen hinüber zum Katanerschiff. Nach und nach füllten sie so die untersten Räume mit alten Erinnerungstücken von Dorf. Zerfetzte Leinentücher konnte Sunta im kommenden Winter wieder reparieren, Spiegelscherben wieder polieren. Sofas wieder neu aufpolstern und die Beine von einem Stuhl mit einem neuen Holzstab stabilisieren.
Am Nachmittag stand Sunta trotz dem bewölkten Himmel feuchter Schweiss auf der Stirn. Nicht von der körperlichen Anstrengung. Vor allem Emotional war sie total erschöpft. Sie kannte all die Bewohner dieser zertrümmerten Überbleibsel. Unfassbar, dass sie alleine überlebte. Womit verdiente sie dieses Glück? Es war doch Glück oder eher ein Fluch? Nein, ein Gedanke an Pols lächelndes Gesicht und sie freute sich am Leben zu sein. Das vertrieb die schwere Unruhe. Gerade stand sie über dem ehemaligen Postgebäude. Jedenfalls vermutete sie dies. Der umherliegende Bauschutt mass fast ein Meter Höhe. Geschickt kletterte Sunta mit viel Geschicklichkeit über den unsicheren Untergrund. Enttäuscht, dass sie keine verwendbaren Papierfetzten mehr fand, hieb sie mit einem Fuss gegen eine schwarze Hausmauer. Leider hielt sie dem rüden Wutangriff stand. Jedoch merkte die Hirtin, dass ihr anderer Fuss leicht rutschte. Prüfend schob sie Mauerreste auf die Seite. Staunend betrachtete sie den seltsamen niedergedrückten Riegel. Das absurde daran war, das der Besitzer des Hauses, gewollt diesen Riegel so versenkt einbaute. Mit einem Teppich darüber, der wohl jetzt die verkohlte Asche war, blieb diese kleine Luke ansonst absolut unsichtbar. Neugierig blies sie den Bodensand und die schwarze Asche auf die Seite. Tatsächlich glich es einem heimlichen Schacht der in den tieferen Keller führte. Eine lange Zeit zerrte Sunta vergebens an dem Riegel. Schob und drückte in alle Richtungen. Erst mit Mikas Hilfe schaffte sie den geheimnisvollen Schachtdeckel anzuheben. Gut getarnt und mit der außergewöhnlichen Platte versehen, blieb dieser unterirdische Raum unversehrt. Staunend setzte sich Sunta auf die Metalltreppe nieder. Bewunderte die streng gehütete Technik, die anderthalb Meter unter ihr lagerte. Es sah aus wie ein Funkgerät oder ein seltsames Radio. Am massiven Haupttisch viel ihr die praktischen Schubladen ins Auge. Interessiert öffnete sie diese als erstes. Beschriftetes Papier lagerte da, deren Zeichenschrift sie nicht zu lesen verstand. Hilfreicher waren da die praktischen Zeichnungen. Sie suchte nach der Antenne und stellte diesen merkwürdigen Metallständer draussen auf. Folgte Schritt für Schritt den Anweisungen mit den verschieden farbigen Steckern, bis zum eindrehen der Batterie. Gespannt drückte sie am Ende den Schalter hinunter. Gelbe Lichter flackerten auf. Summend ratterte der Motor an. Nach ein paar Minuten schnurrte er wie eine zufriedene Katze. Ausser den Plänen für die Bedienung fand sie…leserliche Menüpläne!
„Oh,“ entfuhr ihr verstehen. Dass über ihr war einst ein Gasthaus gewesen und nicht das der Post. Hier unten also, kreierte der gewitzte Wirt seine neuesten Kreationen in dem er Rezepte von Ausserhalb bestellte oder auch Werbung durch den Äther schickte.
Ausgezeichnet! Sie nahm das Mikrophon in die Hände und schaltete die abgespeicherten Sender der Reihe nach an.
Gelangweilt hockten die trägen Kataner nachlässig in ihren gepolsterten Sessel. Befreit von dem schweren Gewicht der üblichen Panzerung. Auf den weichen Kissen sitzend, pflegten sie ihre dünnen, sehnigen Gliedmassen. Zwischendurch schnappten sie sich einen kleinen, lockeren Imbiss der neben dem Schaltpult darauf wartete, verzehrt zu werden bevor er ganz kalt wurde. Vor ihnen flimmerten die angeschalteten Bildschirme in dem länglichen Raum, wo man bequem mit einem Stuhl auf Räder von einem Ende zum anderen flitze. Darum baute man die Elektronik so weit in den Raum hinaus und hielt dafür den Korridor so eng, dass gerade zwei Stühle aneinander vorbei kamen.
Das einzige bläuliche Licht kam von den gleich bleibenden Standbildern. Unverändert zeigten sie keine Veränderung. So blieb der Raum in einem schummrigen Licht was die entspannten Raumpiloten begrüssten.
Leider blinkte da auf einmal ein rotes Lämpchen auf und störte ihren wunderbaren Frieden. Verwundert blickten alle verstört auf das höchst unwillkommene Licht.
Bei einem eroberten Planeten erwarteten sie eigentlich keine derart öffentlichen Störungen mehr. Schliesslich wurde jeder Fortschritt von ihnen, da unten, gründlich in die Steinzeit zurückgeworfen. Was sollte da eine Handvoll überlebende Rebellen noch gross anrichten. Der Planet gehörte, mitsamt seinen Rohstoffen, den siegreichen Erobern.
Unwahrscheinlich klein, aber hektisch leuchtete dieses Lämpchen. Missmutig streckte einer der Kataner seinen knochenartigen Finger nach dem robusten Schalthebel aus. Ja, die Kraft in diesen ausgetrockneten Finger täuschte. Wobei der Kataner in seiner Sprache erklärend nuschelte. „Betriebsfehler.“
Allerdings ertönte eine weibliche Stimme durch den angestellten Lautsprecher und nicht das erwartete Störungsrauschen. Besonders mit welcher Deutlichkeit sie einen Vortag nieder plapperte, verdutzte den Kataner. Eine klare, starke Übertragung die Eindeutig andere Verbindungssatteliten erreichte.
Sofort stellte der aufgerüttelte Kataner den Übersetzer ein. Lauschte höchst ungläubig den unmöglichen Worten zu. Auf ihrem gesicherten Planeten lud diese Frau umherreisende Raumschiffe ein, ein Mittagessen einzunehmen. Neben köstlichem, zarten Kuhfleisch aus Biologischer Natur gäbe es bei Vorbestellungen auch gesunden Ziegenkäse. Für Spannung bei einem Ausflug auf ihren Planeten wartete eine historische Seltenheit auf den Besucher. Nämlich ein echtes, Original Katanerschiff. Gesichert, ausgeschlachtet und sogar mit einigen Räumlichkeiten zum übernachten, für den Besucher der eine ruhige, ländliche Atmosphäre bevorzugte. Unterstrich den lehrreichen Besuch mit dem günstigen Essen. Ab zehn Besucher sei eine kurze Vorbestellung erwünscht.
Neben dem exzellenten Essen sei auch grosszügiger Wohnraum zu Verfügung für Aussteiger vorhanden. Der perfekte Ort für gestresste Bürger aller Nationalitäten um hier ein Jahr eine Pause einzulegen. Ideal um sich von anstrengenden Reisen im Universum zu erholen.
Geschockt lief den zwei mithörenden Katanern der grünliche Gemüsesaft aus ihren offenen Kiefern. Dass was sie gerade hörten grenzte an eine bodenlose Unverschämtheit. Dafür fanden sie keine Worte. Fürchteten sich jetzt schon auf die überschäumende Reaktion ihres Vorgesetzten. Vorbei ihre gelassene Ruhe. Bevor sie Standard gemäss reagierten, verstummte der Funk. Nun war es zu spät ihn noch anzupeilen.
Unentschlossen verharrten die Zwei um das Unmögliche zu begreifen. Wen sollten sie als erstes schonend vorbereiten, dass nach ihrem letzten Angriff, dessen Sieg ihre Vorgesetzten gerade feierten, eine voreilige Tat war.
Weit bis in den verspäteten Morgen hinein, schlummerte Sunta selber unruhig vor sich in. Schützend vor dem Sonnenlicht, den Kopf unter der Decke. Mika selber schnarchte zwischen ihren Traumeinlagen um die Wette. Nach der nächtlichen Aufregung blieb selbst der herbei eilende Gockel, der seine riesige Konkurrentin erblickte, völlig unbeachtet. Erst das energiegeladene Krähen über die ganze Morgenebene liess den Drachen aufwachen. Doch statt den störenden Morgengruss abzustellen, betätigte sich Mika lieber als Dosenöffner. Gelegentlich knirschte daher Metall auf. Splitterte oder kratzten die starken Klauen sich eine Öffnung hinein.
Sunte blendete es aus. Noch war sie nicht bereit den ganzen Schaden von ihrer Umgebung aufzunehmen. Lieber ein paar nachholende Stunden schlaf tanken.
Auf einmal riss sie was komplett in die Höhe. Kreischend schrie sie grell auf, warnte Mika vor der angeschlichenen Gefahr. Etwas schüttelte sie förmlich aus der Decke. Starke Arme fingen sie geschickt auf. Sie verschluckte sich fast selber als sie erkannte was sie so ungestüm überfiel.
„Pol.“ Wütend hieb sie ihm eine geballte Handfläche auf die Schultern. Doch tat sie sich, mit ihren dünnen Gelenken, eher selber damit weh. Dann erleichtert, dass er es war und nicht ein zurückgekehrter Dorfbewohner, drückte sie ihn genauso fest an sich. Er presste ihr fast die Luft weg so fest umschlungen hielt er sie. Stockend lachte er befreit auf. „Sunta du hast ja keine Ahnung wie viele Schutzengel du hast.“
„Pah, mir reicht schon einer. Und das ist Mika. Lass mich endlich los, ich brauche noch Luft zum atmen.“
Fassungslos sah er in ihr Gesicht hinunter. Besorgte hellblaue Augen in denen immense Erleichterung stand. „Ist dir auch nichts passiert?“ Im ersten Moment gähnte sie ausgiebig. Tankte frischen Sauerstoff um endlich klar aufzuwachen. „Na ja, “ fing sie an. „Ich könnte durchaus mehr Schlaf vertragen. In den letzten zwei Tagen stand ziemlich viel Arbeit an.“ Bemängelte sie.
Pols Kopfschütteln verlangsamte sich, als er an ihr weiter hinunter blickte. Vielsagend verbreitete sich sein Lächeln. Nach dem gestrigen Tag war es dringend nötig gewesen ihr verschwitztes Kleid zu waschen. Also fand sie es für überaus praktisch, dann über Nacht die Wäsche über dem warmen Herd aufzuhängen. Sie erwartete ja keinen Besucher mehr, nachdem es kein Dorf mehr gab. Und Hotelgäste erwartete sie mit Sicherheit auch nicht so früh „Hallo Kleine, hast du mich schon früher erwartet?“ „Eh“, überlegte Sunta noch von der ungewöhnlichen Weckzeit benebelt. „Wie meinst du das?“
„Na, wenn du so schlafen gehst, nehme ich an das soll eine Einladung für mich sein. Oder glaubst du ich nehme dir ab, dass du ohne Kleider ins Bett gehst. Gib es zu, du hast dir gewünscht das ich dich während der Nachtzeit besuchen komme?“
Verlegen sah Sunta an sich hinunter. Hastig zog sie sie Bettdecke zu ihren Füssen wieder hoch und hüllte sich schützend darin ein. „Pol“, dämpfte sie seine Freude, „Du schätzt deinen Stellenwert zu hoch ein. Genau wie deine anderen männlichen Artgenossen im unterirdischen Stollen.“ Verärgert wollte sie ihm den Rücken zu drehen. Doch nach der Hälfte packte er sie entschlossen um die Taille und hielt sie fest. „Bleib hier“, bat er mit sanfter Stimme, die ihr Herz erwärmte. Er der grosse, respektierte Organisator bat sie in diesem tiefen, schmeichelnden Ton um etwas. Erschaudernd blieb sie stehen. Als er sein unangemeldetes Erscheinen erklärte, „Ich habe mir grosse Sorgen gemacht,“ gestand er ihr die Wahrheit. Auf einmal suchte Sunta seinem Blick. Anscheinend bedeutete sie ihm mehr als er selber wusste oder zugeben wollte. Sie nickte wohlwollend. „Sorry, aber meine feinen Seidenkleider sind nicht für Feldarbeit tauglich. Daher muss ich mein einziges Alltagskleid aus Leinen den Abendstunden waschen, damit ich morgens wieder reinschlüpfen kann. Weißt du, ich stinke nicht gerne, selbst wenn ich alleine bin. Das bei dir Zuhause war echt eine Ausnahme.“
Erleichtert lächelte Pol. „Gut, dann besteht ja Hoffnung, dass aus dir eine begehrte Hausfrau wird. Eine von der erstklassigen Sorte. Fehlt nur noch, dass du Frühstück zubereitest. Hast du was zum Essen?“ Bettelte er sogleich. Einen entsprechenden Moment lang schaute ihn Sunta verwundert an. Dann lachte sie befreit. „So ungeduldig auf ein Frühstück von mir? Frag doch Mika, ob sie dir zeigt wo die Hühnerdamen ihre Eier verstecken. Allerdings musst du ihr eines als Belohnung überlassen. Den Rest brate ich gerne für dich.“
„Hast du nichts schneller zu Hand?“ Wunderte sich Pol ernsthaft. Sein Schützling sah nicht so aus als stünde er vor dem Verhungern oder sorgte sich um die nächste Mahlzeit. Ganz im Gegensatz zu ihm.
Fröhlich genoss es Sunta ihn hinzuhalten. „Soll ich was kochen?“
„Wäre lieb von dir“, versicherte Pol bestätigend.
„Kannst du kochen?“, wollte es Sunta nun genauer wissen.
„Wozu? Im Untergrund gibt es die Kantine oder einen Lieferservice der mir jederzeit das Gewünschte vorsetzt. Bei meinem gehobenen Status kann ich mir so ziemlich jede verfügbare Köstlichkeit leisten.“ Heimlich fragte er sich was Sunta mit der Fragerei bezweckte. Sie fing meisterhaft seine verwirrte Stimmung auf. „Nun“, begann sie mit einer gewissen überlegenen Freude. „Damit rette ich ja direkt zum zweiten Mal dein Leben. Oder was würdest du Essen wenn meine Küche geschlossen hätte?“
Pol begrüsste es wenig auf einen Schwachpunkt hingewiesen zu werden. Gab sich trotzdem Selbstbewusst nach Aussen. „Na einen der umliegenden Bauern um eine Mahlzeit bitten. Was sonst?“
Sunta genoss ihre sichere Position. Zweifelte ihn böse an. „Mit dem Drachen? Ausserdem sind sämtliche Dorfbewohner nach dem letzten gründlichen Angriff allesamt verschwunden. Hoffnung, dass jemand zufällig überlebt hat, weil er sich noch rechtzeitig versteckte, habe ich längst keine mehr. Ich habe gestern einige Runde über die Wiesen und Felder mit Mika gedreht. Selbst die hat keine Menschen erblickt, sonst hätte sie es mir gezeigt. Vielleicht haben es ein paar in die Wälder geschafft. Aber es sind keine geschickten Jäger. Die werden Mühe haben selber was zum Essen zu finden. Himmel, mein Hof ist der einzige der noch steht und ich habe Vorräte für ein halbes Jahr.“ Unfassbar hielt sie sich selber an die Stirn. Verschmitzt lächelte sie Pol an. „Du scheinst also total abhängig von mir zu sein!“
Eindringlich funkelte Pol sie an. Stemmte seine Arme in die schlanken Hüften.. „Du geniest es offensichtlich, mich hungrig zu sehen’“
„Nö“. Stolz spazierte sie, ohne Eile, zum Herd hinüber. Was für ein Wunder das der kleine Wohnbereich völlig intakt geblieben war. Aber gerade die Enge der Oase sorgte für Stabilität. Während sie nach dem passenden Topf suchte, liess sie durchblicken. „Das du meine Hilfe brauchst um so was selbstverständliches, einfaches wie Frühstück zu erhalten, ist eigentlich eher Traurig. Geradezu nachlässig für eine gebildete Person deines Standes. Bist du nicht ein bisschen zu weit abgehoben, von den normal sterblichen?“ Schelmisch lächelte sie versteckt. Da er im Rücken stand konnte er es nicht sehen. Genauso wenig bemerkte sie das Zucken um seine Nase wegen der missfallenen Niederlage. Als Sunta ihm eine Tasse kalte Milch servierte und sich gleich wieder abwandte, schnappte er sich ihre weite Decke von hinten. Zog sie unzufrieden zu sich zurück. Entschlossene Hände drehten sie an der Taille zwingend herum. Forschte gründlich in ihrem verschlafenen Gesicht. Sie lachte ihn nicht aus, aber verschmitzte Wangengrübchen mit einem unerträglich sanften Blick sahen zu ihm hoch. Dieser Frau konnte er einfach nicht böse sein. Locker hielten ihre kleinen Hände die Decke vor ihrem Busen zusammen. Wirkte keinesfalls verkrampft, sondern einfach schlicht sittsam, wenn auch da und dort unter den dunklen Deckenfalten nackte Haut hervor blitzte. Einer Schwäche nachgebend beugte er sich zu ihr hinab und küsst harmlos die schmunzelnden Mundwinkel. Allmählich erkannte er ihre verschiedenen interessanten Seiten. Warmer Atem flüsterte in ihr Ohr, „Was würdest du tun, wenn ich dir Anbiete, dass du für längere Zeit in meinem Quartier wohnen darfst? Lieber hier in der kargen, einsamen Hütte oder den angenehmen Komfort in der Höhle mit mir teilen.“ Schmeichelnd liebkosten seine Lippen ihr Ohr. Ihre Haare rochen tatsächlich leicht bitter nach Rauch. Gemütlich sich Zeit lassend, studierte Pol sie ausgiebig. Mit ihr konnte er sehr sich gut vorstellen zusammen zu wohnen. Im Gegenteil zu Maha liess Sunta jederzeit mit sich verhandeln. Zuversichtlich wartete er auf ihre Antwort.
Für Sunta war eindeutig klar, dass sie Pol viel bedeutete. Allerdings reichte ihm das nie für ein bindendes Versprechen wie Heirat. Ihr fehlte einfach das kleine Zugeständnis, wie gerne er die Zukunft mit ihr verbrachte. Sie erwartete nicht einmal die grossartigen Worte, dass er sie liebte. In diesem Punkt war sie sich selbst nicht sicher. Ja sie mochte Pol. Sähe in gerne als Familienoberhaupt, ihrer mit Kindern gesegnete Familie. Solange er ihr nur seinen perfekten Körper anbot, für den sie zwar echt eine Schwäche besass, aber nicht öffentlich zu einer Beziehung stand, kannte sie ihre unveränderte Antwort. Kopfschütteln schob sie ihn zusätzlich mit dem Ellbogen auf Distanz. „Nein“, sagte sie ohne Zweifel. „Du selbst hast auf das Turnier bestanden. Das ziehen wir durch um unser beider Ruf zu wahren. Während meinem Aufenthalt in der Höhle wäre ich tatsächlich froh, wenn ich kurzzeitig dein Zimmer benutzen dürfte. Um wenigsten zwischendurch von all den umschwärmten Bewerbern abzuschalten. Vielleicht wäre es sogar angebracht, dass wir zwei bis nach dem Turnier, fairer Weise für alle, etwas Abstand einhalten. Eine zusätzliche Box in Mikas Abteilung käme mir jedenfalls nicht ungelegen. Dort passt eine zusätzliche Wohnung locker hinein.“
Sichtlich enttäuscht schmeckte Pol die neue Offerte gar nicht. Unentschlossen schnupperte er über Suntas Haar. Ein annähernder Schachzug um sie diesmal auf die weichen Lippen zu küssen. Beabsichtigte zu zeigen, wie viel ihm an ihr lag, egal in welchem ramponierten Zustand sie sich gerade präsentierte. Obwohl Sunta anfangs auf sein reges Zungenspiel positiv reagierte, genügte ein erregtes Stöhnen von ihm, dass sie ihn abermals mit der Hand wegdrückte. „Pol“, warnend vertiefte sie ihre Stimme. „Ist das deine neueste Verzögerungstaktik? Willst du deine Entscheidung wieder um Jahre hinaus zögern?“
„Eh“, entsetzt weiteten sich seine Augen. Selbst ihm Bewusst worauf sie ziemlich direkt anspielte. Gnadenlos fuhr sie weiter, „Ich bin nicht Maha! Ich verlange Deine Entscheidung etwas früher.“
„Das merke ich selber“, fauchte er ziemlich verstimmt. Vorbei seine gute Morgenlaune. Wobei sie ihn unvermindert gutmütig ansah. Verhinderte somit eine weitere Provokation. Ärgerlich knurrte er kurz über seine miese Stimmung. Auf keinen Fall war sie mit Maha vergleichbar. Bei seiner verwöhnten Exverloben genügte ein teures Schmuckstück und meisten war der Frieden zu seinen Gunsten hergestellt. Bei Sunta wusste er von vornherein, dass diese käufliche Strategie versagte. Dazu gab sie noch einschränkende Anweisung, was eigentlich ihm vorbehalten sein sollte. Er lehnte unwirsch an den Tisch und beobachtete ihre abwartende Haltung. Sie suchte genauso wenig wie er, eine strittige Situation zu entfachen. Bevor er den Schaden zwischen ihnen vertiefte, griff er nach seiner Tasse. Freundlich genug war sie ihm was anzubieten. Wenn auch… Deutlich erinnerte er sich an die letzte leckere Aufmerksamkeit in seinem Getränk. Seine feine Nase prüfte den Geruch der kalten Milch. Sofort bemängelte er, „Da fehlt eine gewisse Kleinigkeit!“
Sie lächelte ihn süss an. „Das ist der feine Unterschied ob man mir Geduld entgegenbringt, oder versucht wieder über meinen Kopf hinweg zu entscheiden. Deine Idee ist zwar nett, bringt aber nur dir entscheidende Vorteile. Also liefere was Besseres und du bekommst die entsprechenden Belohnungen.“ Spielerisch tätschelte sie ihm den Handrücken auf den flachen, hungrigen Bauch hinunter. Worauf er sie nachdenklich mit verdunkelnden Augen betrachtete. Schliesslich verteidigte er sich. „Es lag nie in meiner Absicht dich in meinem Heim nur körperlich zu verführen“, gab er offen zu.
Nachdenklich setzte sich Sunta auf einen trockenen Teil der Sitzbank. Das Naturholz speicherte die Feuchtigkeit länger, von Mikas nächtlichen Löscharbeiten. Besonnen blickte sie in Pols hellblaue Augen. Es lag trotz der kalten Farbe so viel Wärme in dem sanften Ausdruck. Für einen Augenblick genügte ihr einfach dieser friedliche Moment des zusammen sein. Schliesslich gab er sich einen Ruck. Unwillig schob er ihr die kalte Milch zu. Sie hob nur spöttisch in eine Augenbraue. Ihm war klar, dass wenn er was Besonderes geniessen wollte, musste er ihr eine entsprechende Gegenleistung erbringen. Entschlossen rückte er daher heraus, bevor er lange nachdachte. „Gerade der letzte Angriff der Kataner hat mir verdeutlicht wie wertvoll mir die Freundschaft zu dir ist. Wie zerbrechlich. Ich will dich auf keinen Fall verlieren. Und da Maha mich seit Wochen völlig ignoriert, kannst du sozusagen alles von mir fordern.“ Rutschte ihm unbedacht heraus. Da er sehr ernst, beinahe traurig wirkte, erbarmte sich Sunta. Zwar schockierte sie das offensichtliche Geständnis. Unklar war weiterhin für sie, ob er sie wollte wegen dem Bedürfnis nach Befriedigung oder einfach als Lückenbüsser für Maha. Die Sehnsucht nach einer näheren Gesellschaft schien ihn auf jeden Fall zu beschäftigen. Vor allem seine Ehrlichkeit in dieser Situation, besänftigte Suntas Temperament.
Da sie kaum abgeneigt reagierte, fügte er rasch hinzu. „Stünde nicht Krieg vor der Türe würde ich gerne eine einen richtigen Anfang mit dir in Betracht ziehen. Jedoch sind mir die unruhigen Zeiten viel zu riskant um eine Schwangerschaft zu befürworten.“
Ziemlich überrumpelt plumpste Sunta auf ihre Sitzbank zurück. Das waren endlich die eindrücklichen Worte welche sie schon lange hoffte zu hören. Ihr Herz klopfte vor Aufregung schneller. „Du“, sie versuchte ihre unsichere Sprache wieder zu finden. „Ausgerechnet du willst auf einmal mit mir eine Familie gründen? Entfernt meine ich, wenn diese lauernde Gefahr von den Kataner nicht existieren würde. Kannst du dir das echt vorstellen?“
Bedrückt presste er seine Lippen zusammen. „Ich weiss das klingt verrückt, aber ich sehne mich einfach nach einer lockeren Freundschaft wie sie zwischen uns ist. Ganz offen gestanden möchte ich unbedingt, dass du mit mir heute zurückfliegst. In meinem Zuhause kann ich dir so ziemlich alle materialistischen Wünsche erfüllen. Auch wie eng du unsere Beziehung führen willst, überlasse ich ganz deinen Vorstellungen. Als einen lebenslänglichen Gefährten, das weißt du ja, kannst du nicht verlangen. Aber sonst bin ich mittlerweile völlig offen gestellt.“ Seine schlanken Finger verkrampften sich unbewusst um die warme Tasse. Er hielt sie unnötig so fest. Verstehend nickte Sunta. „Ist es so schlimm? So einsam, in deinem hübschen Quartier?“
Tief seufzte er auf. „Du hast ja keine Ahnung. Tagsüber dort unten eingeschlossen zu sein, diese ständigen eingrenzenden Räume, machen mich langsam verrückt. Bisher verdrängte ich das mit Erfolg. Doch nachdem du durch mein Quartier gewirbelt bist, fehlt mir zweifellos Gesellschaft. Andere in meinem Alter haben entweder Verwandte oder Angehörige. Ich sitze nach der anstrengenden Arbeit alleine da. Starre die Wände an und finde keine Ruhe mehr. Es macht mich wahnsinnig. Selbst wenn du den ganzen Wohnraum als dein Zimmer beanspruchst und umgestalten willst, akzeptiere ich das. Hauptsache du bist in meiner Nähe.“ Bat er mit einer ungewollten Unsicherheit.
Sunte schluckte tief. „Unvorstellbar, dass du das auf Dauer aushältst. Du willst doch mehr?“
Deutlich blitzten seine Augen auf. „Bist du erst Zuhause, erreiche ich schon eine harmonische Beziehung zwischen uns beide. Meine Geduld ist der von Klump sehr ähnlich. Familienvererbung.“
Scharf saugte Sunta die Atemluft durch die Nasenflügel sein. „Aha, ein klarer Pluspunkt für dich. Du kannst froh sein, dass du so einen intelligenten Grossvater hast. Langsam glaube ich sogar er hat es längst voraus geahnt, was für eine Zuneigung zwischen uns besteht.“
„Ja“, stimmte Pol zu. „Nicht umsonst ist er eines der ranghöchsten Ratmitglieder. Wenn ich mich entsprechend bewähre, ist mir in ein paar Jahrzehnten auch so ein eindrucksvoller Rang sicher. Würde dich das nicht reizen? Ein grösseres Quartier für uns beide?“
In sich gekehrt überlegte Sunta. Sollte sie den Weg mit Pol beschreiten? In ein sicheres Quartier mit allerlei Annehmlichkeiten die den Alltag erleichterten. Vor allem mit einem unbeschreiblich attraktiven Pol. Welches Frauenherz hüpfte da nicht erfreut in die Höhe. Jedoch bedachte sie auch seinen heimlichen Ehrgeiz. Einem hohen Rang folgte die entsprechende Verantwortung. Automatisch ein Präsentieren und gutes Vorbild sein. Hier auf ihrem freien Land besass sie alle guten Eigenschaften. Sie gab sich nicht der trügerischen Illusion hin, dass dort unter der Erde sie auf Dauer hingehörte. Es war ein schöner Traum dort zu wohnen und sich von Pol verwöhnen zu lassen. Träume und Realität lernte sie schon lange zu trennen. Nicht umsonst sass sie auf ihrem Hof während alle Dorfprinzessinnen die Kataner entführten. Sie begehrte Pol auf eine unheimliche Weise. Vergass aber keinen Moment, dass erst Mahas Abwesenheit ihn zu diesem Schritt verleitete. Was wenn ihn Maha eines Tages zurück beanspruchte? Schaffte sie es dann von dem lieb gewonnen Pol loszukommen. Sunta zweifelte das dies ohne gebrochenes Herz ginge. Schon aus diesem Grund zögerte sie mit Donan eine Heirat hinaus. Es fehlte das Tüpfelchen zu Perfektion. Pols morgendliche Zärtlichkeiten verdeutlichten ihr wie leicht sie die Kontrolle über das lockere Verhältnis verlieren konnte. In Zeitlupe schüttelte sie den Kopf. Bedauerte zutiefst. „Pol bei aller Vernunft. Solange du nicht weisst was du genau willst, halte ich mich besser von dir fern. Ausserdem bevorzuge ich das freie Leben hier draussen. Die Landluft mit den vielen aromatischen Gerüchen, das Tageslicht und wie du selbst zugibst, die uneingeschränkte Weite. Bei deinem Plan habe ich eine Menge zu verlieren. Ich schlage daher vor: warum versuchst du nicht eine Weile hier bei mir zu wohnen?“ Schliesslich gab er mehrfach zu, dort in seiner Höhle, sich nicht mehr so wohl zu fühlen.
„Quatsch“, entschied er entschlossen. „Alleine wegen der Sicherheit kannst du vergessen hier weiterhin zu wohnen. Wirf mal einen Blick nach draussen in deinen neuen Garten! Falls du es nicht bemerkt hast, da liegt ein auffälliges katanisches Kriegsschiff. Willst du warten bis sie kommen und nachschauen warum sie ein ganzes Schiff an schlichte Dorfbewohner verloren haben? Sobald mehr Flugschiffe auftauchen, bist du erledigt. Du kommst auf jeden Fall zu meinen Leuten zurück. Dir bleibt einzig die Wahl ob du in mein Quartier willst oder lieber in Klumps gemütliche Wohnhöhle.“ Pols alte bestimmende Ader kehrte zurück.
Unbeeindruckt schüttelte Sunta ihre morgendlichen zerzausten, rotblonden Haare. „Willst du mich mit Gewalt umsiedeln? Vergiss es. Du bist hier jederzeit willkommen. Mehr lasse ich mir von dir nicht meinen Freiraum kürzen. Das wäre genauso unmöglich wie du in mir eine zukünftige Gefährtin siehst. Ich bleibe hier!“ Entschloss sich Sunta endgültig. Es war natürlich ein Fehler. Ihr Familienhaus wollte sie bis zum bitteren Ende beschützen. Dennoch hatte Pol recht. In den kommenden Nächten musste sie sich abseits von ihrem Wohnheim verstecken. Alleine wegen der kontrollierenden Nachhut. Doch irgendwann, vielleicht erst in hundert Jahren schaffte es eine neue hergereiste Generation zum alten Wohlstand zurück. Eine Tradition blieb erhalten, bewahrt. Der kurzfristigen Verliebtheit in Pol traute sie keine Beständigkeit zu. Ihr Vater lehrte sie auf ihre Zähigkeit zu vertrauen und nie aufzugeben solange ein Funken Hoffnung bestand. Ein schweres Erbe welches tief mit ihrem Blut verbunden war. „Ich kann nicht weg, solange die Wurzeln dieses Hauses intakt sind. Das kann man leicht wiederaufbauen. Schöner, stabiler als bisher. Das ist mein Erbe, wie du auf deines hören solltest.“
Verzweifelt ballte Pol eine Faust, dass sich seine Knöchel weiss färbten. „Siehst du den nicht was wir beide verlieren. Ihr… Du bist mittlerweile alleine. In dieser Gegend wie eine bunte Zielscheibe ausgesetzt. Während mein aussterbendes Volk auch langsam seinem Ende entgegen driftet. Wir brauchen uns gegenseitig. Solange wir nicht zusammenhalten gibt es keine gesicherte Zukunft. Für keinen von uns. Ich überlege ich mir schon lange, ob wir eines Tages nicht wieder an die Oberfläche müssten. Ein Teil von uns braucht einfach die Energie der Sonne. Es fällt mir so schwer zurück in mein düsteres Heim zu fliegen. Aber ich kann hier in der Oberwelt nicht überleben.“ Er deutete vielsagend mit der Hand auf das köchelnde Frühstück auf dem Herd. „Zusammen schaffen wir das perfekte Überleben. Jedoch ist wichtig, dass du ein paar Jahre mit mir zuerst in den Untergrund verschwindest. Bis sich die Sache mit den Angriffen gelegt hat. Später ergibt sich bestimmt wieder eine neue Gelegenheit, dass du hierher zurückkannst. Heute aber liegt es in meiner Verantwortung dich vor der Übermacht der Kataner zu beschützen.“ Beharrte er seinen Standpunkt. Insgeheim bewunderte Sunta seine Hartnäckigkeit. Warf aber ihr schweres Bedenken in die Waagschale dazu. „Heute beschütz ihr mich. Morgen liegt es an mir als Gegenleistung Kinder für Euch zu produzieren und wieder zu verschwinden. Mein Leben ist mir zu kurz um diesen Weg, nur so einmal zum ausprobieren, zu betreten. Das kann ich nicht gutheissen.“
Ihre Dickköpfigkeit begann Pol wieder zu reizen. „Lass dir einfach von uns Blut transferieren. Du lebst so garantiert mindesten zehn bis zwanzig Jahre länger.“
Sie hielt es für Unnötig darauf einzugehen. Noch weiter wollte sie Pol nicht aus der Reserve locken. Alles in ihr schrie auf, bei dem blossen Gedanken vorerst ein paar Jahre im Untergrund zu verschwinden. Sie wollte sich nicht zwingen lassen. Und Pol liefert ihr eben nicht den gewünschten Grund, sie langfristig an seiner Seite zu wollen. Nur dafür hätte sie einen Grossteil ihrer Freiheit geopfert, um mit ihm zusammen zu sein. Jetzt einfach abzufliegen und alles ungeschützt liegen zu lassen hielt sie für übereilten Blödsinn. Die Tiere würden verwildern. Die bestellten Felder brauchten bald ihre erste künstliche Bewässerung, ihren ersten Energieschub, bevor der erste Schnee einsetzte. So vieles gab es zu bedenken. Selbstverständlich las Pol ihren Widerstand aus dem ablehnenden Gesicht. Regagierte empfindlich darauf. „Dann nehme ich eben Mika mit mir zurück. “ Drohte er genervt. „Somit wärst du hier komplett blockiert, ohne ihre Hilfe. Vor allem ohne ihren Schutz bist du gezwungen dieses Lotterhaus zu verlassen. Willst du etwas weiterhin im Wald leben?“
Selbst darauf reagierte Sunta in keiner Weise einlenkend. Sie bedauerte einzig, dass ihre Freundschaft mit Pol gerade so unschön endete. Sie räuspere sich kurz um ihre Stimme zu finden. „Pol, Friede sei mit dir. Aber jetzt verlass dieses Haus auf der Stelle. “ Forderte sie leise, gleichzeitig mit so einer schärfe auf, dass sich Pol nicht mehr so überlegen fühlte.
Unentschieden haderte er mit sich selbst. Da jede seiner Verhandlungsstrategien versagte, erhob er sich von der Sitzbank. Unschlüssig verharrte er einen Moment , ehe er mit einem bitteren Unbehagen im Magen zum Ausgang marschierte. Zum ersten Mal entdeckte er wie seine Hände zitterten. Im Türrahmen hielt er kurz inne. Mit weicher, verzweifelter Stimme. „Sunta?“
Seine innere Zerrissenheit ahnend lehnte sie gegenüber an die Wand. Genauso sanft gab sie zurück. „Nein. Falls du mich besuchst, bringe Mika einfach kurzzeitig her. Sie darf sich gerne ein paar Wölfe aus der Gegend schnappen.“
Bitter schielte er seitlich zu ihr runter. Schnappte sie blitzschnell um die Taille und stellte sie kurzerhand auf einen umgestülpten Eimer. Jetzt auf gleicher Augenhöhe drohte sein schwenkender Zeigefinger. „Traust du mir so eine Gemeinheit wirklich zu? Zu deinem eigenen Schutz lass ich Mika da. Damit der Hintereingang zu uns quasi immer offenbleibt.“ Dann legte er seine beiden Hände auf ihre kühlen Wangen. Unsicher zog sie ihre Decke enger, schützend um sich. Ohne Eile betrachtete er ihr schönes Gesicht, mit den wenigen kecken Sommersprossen. Ein interessantes Bild in dem er immer etwas Neues entdeckte. Langsam küsste er sie auf ihren willkommenen Lippen. Trotz dem kleinen Streit vorhin kam sie ihm versöhnlich entgegen. Begrüsste gerade diesen zärtlichen Moment. Beide beliessen es bei einem versöhnlichen, kurzen Zungenspiel. Bevor es ihn erneut wurmte, bei ihr zu versagen, löste er sich von ihr. Murrend stellte er sie auf den sicheren Boden zurück. Küsste ihre Stirn zum Abschied. „Meine Kleine, versprich mir, dass du gut auf dich aufpasst und kein unnötiges Risiko eingehst. Beim nächsten Besuch will ich keinen Schrottplatz mit weiteren Katanerschiffen vorfinden. Du wirst gefälligst vorher die Flucht ergreifen. Sind wir uns wenigstens in diesem Punkt einig?“
Erfreut leuchteten ihre Augen auf. „Vollkommen, mein Grosser! Warte hier eine Minute!“
Hastig, soweit es ihre grosse Decke zuliess, schlüpfte sie in die Stube zurück. Fand rasch eine intakte Flasche, die sie ausspülte und mit ihrer aufgewärmten Milch füllte. Dazu eine Prise von der inzwischen eingetrockneten Vanillemasse. Mit einem Korken verschloss sie das ganze Luftdicht. Höchst zufrieden überreichte sie Pol das Abschiedsgeschenk mit der Empfehlung, „Lass es noch ein paar Minuten ziehen, dann kommt das Aroma besser zur Geltung.“ Überrascht nahm er sein ersehntes Frühstück in die Hand. Wobei er gerne belohnend ihre Finger berührte. Es viel ihm schwer sich von ihr zu Trennen. Nicht zu wissen, ob sie den nächsten Angriff überlebte. So ernst, dass in ihm Widerstand gegen ihre Entscheidung wuchs. Doch er drückte seinen Aufruhr nieder. Drohte stattdessen. „Sunta ich warne dich. Für jedes Schiff versohle ich dir den Hinten, dass du ein paar Tage nicht mehr sitzen kannst!“
„Och. Als Gegenleistung verlange ich für jeden erledigten Kataner ein hübsches Kleid von eurer weichen Seide. Schliesslich erledige ich hier die dreckige Frontarbeit. Ausserdem sollte ich Euch wohl verpflichten, was für Mikas Futter beizutragen, “ überlegte sie unbeeindruckt laut.
„Du solltest mit den Kataner mündlich verhandeln, dann flüchten sie freiwillig. Du bist ein unverschämter, harter Verhandlungspartner.“ Warf er ihr beim Gatter bereits zu. Leichtfüssig marschiert er davon, obwohl sein leerer Magen sich, bei jedem Schritt der ihn weiter von ihr trennte, verkrampfte. Ausserdem schimpft er spielerisch von weitem zu. „Ich werde mich bei meinem Vorgesetzten über dich beschweren!“
Sunta lachte begeistert, über seinen unverhinderten Humor, leise vor sich hin. Das war ihr Pol den sie liebte. Wieder ein Bruchstück mehr. Daher tat es auch ihr weh als sie seinem entschwindenden Rücken nachblickte.
Entschlossen blickte Pol nach vorne. Seine Kiefer fest auf einander gepresst. Angespannt suchten seine Augen nach Karant der sich irgendwo im Wald vor ihm versteckte. Als er merkte, dass sein Blickfeld sich trübte, mahnte er sich selber zur Vernunft. Doch die unerwartete Traurigkeit blieb tief in ihm verankert. Die Chancen eine weitere Säuberungsaktion von den Katanern zu überstehen, standen ziemlich schlecht. Besonders wenn den Kriegern auffiel, dass eines ihrer Schiffe fehlte und es komplett zerstört fanden. Suntas überleben bestand darin, dass die Kataner von dem unbedeutenden Planeten zwar wussten, sich aber nicht weiter für ihn interessierten. Wenn doch, dann kam hoffentlich nur ein kleiner Reinigungstrupp. Der glitzernde Schrotthaufen in Silber jedoch schmälerte Pol Zuversicht. Das verdammte grosse Ding liess sich einfach nicht verstecken.
Aufgeregt schüttelte er vorsichtig die grün getönte Flasche in seiner Hand. Erst nach ein paar Milchschlücken stimmte es ihn Versöhnlich. Sie musste einfach überleben. Er brauchte sie. Wie sollte er bloss die folgenden Tage überstehen? Bis sie in sein sicheres Quartier kam. Gewiss würde sie irgendwann kommen. Hoffentlich bald, freiwillig.
Unerwartet selbst für vortrefflich organisierte Katanerkrieger startete heimlich der neue Blitzangriff. Innert Rekordzeit rüsteten sie ihre drei verbliebenen Kriegsschiffe neu auf. Bisher nahmen sie an, dass die verspätete Mannschaft von ihrem vierten Schiff, unten auf dem Planeten feierte oder den Nachschub nach frischen Pflanzensprösslingen, für ihre Küche, einsammelten. Daher drosselten sie ihre Geschwindigkeit um der verspäteten Ankunft etwas entgegen zu wirken. Da keinerlei Art von Notruf bei ihnen Hilfe anforderte, kam jetzt der totale Verlust völlig unerwartet. Der Schreck über den immensen Verlust, vor allem der Zorn der gnadenlosen Vorgesetzten trieb sie alle zu Höchstleistungen an. Da die obere Elite noch ahnungslos in ihren speziellen Vierteln feierte, plante man einen korrigierenden Ausflug um den Fehler heimlich zu korrigieren. Immerhin gab es eine geringe Chance, dass die halb betrunkenen Vorgesetzten, nichts von dem unangekündigten Aussenflug realisierten. Doch dafür brauchte es eine sensible Kehrtwendung ihres Hauptschiffes. Entsprechend verzögerte sich die Rückkehr zu dem aufmüpfigen Planeten um mehrere Stunden.
Keine halbe Stunde nachdem Pol abgereist war, steckte Sunta noch mitten im umkrempeln ihres Inventars. Vor allen die haltbaren Lebensmittel versteckte sie im vertieften Kellerfach. Danach klatschte sie eine feuchte Lehmschicht über die Einstiegsklappe, damit niemand ihre Vorräte einfach so aufspürte. Für ihre Kleider blieb kein Platz mehr im Kellerabteil, als schmierte sie ebenfalls eine dicke Lehmschicht um die Holztruhe herum und hoffte, dass sie so nicht Feuer fing. Denn das Feuer würde kommen, sobald die Kataner wieder anfingen ihr Haus in Einzelteile zu zerlegen. Nur würden sie lange brauchen. Es war kaum anzunehmen, dass sie dieses Haus verschonten, weil die Bewohner gerade weg waren. Für eine knappe Woche packte Sunta Essvorräte in eine Tasche ein, die sie dank einem stabilen Lederband am Rücken tragen konnte. Mika war gerade damit beschäftigt die freigelassenen Haustiere wieder einzufangen. Sie konnte ja nicht verstehen, dass Sunta plante ein paar Tage abseits ihres gewohnten Gebietes zu reisen. Insgeheim freute sich Sunta sogar auf einen erholsamen Ausflug. Es würde ihr Zeit geben sich an den Sattel zu gewöhnen und sie würde mehr vom Landesinneren sehen. Gerade als Sunta eine kleine Bratpfanne einpacken wollte, brauste draussen ein merkwürdiger pfeifender Luftzug herbei. War das etwas Mika? Ohrenbetäubend knallte dicht neben dem Haus eine Explosion auf, das sämtliches Geschirr aus seinen gesicherten Gestellen hüpfen liess. Definitiv keine Mika sondern etwas mit wesentlich mehr verstärkter Power. Einer von Suntas tief angenagelten Katanerpanzern riss es sogar von Dach hinunter. Scheppernd glitt er schlitternd zu Boden. Verdattert sah Sunta hoch zu dem klaffenden Loch. Früher Morgen und es wälzte sich eben eine neblige Wolkenbank übers Dach. Vermutlich hatte dies ihr Leben gerettet, da es ihr Haus, vom Himmel aus gesehen, zeitweise versteckte und das anvisieren erschwerte. Da flitzte schon etwas langes, silbriges über ihr Dach hinweg. Viel zu tief, zu beunruhigend, da es keine Flügel sondern einen modernen stillen Motorantrieb besass. Ohne gross Nachzudenken zwängte Sunta ihre Füsse in die engen Lederstiefel hinein. Sie trug nichts ausser einem langen Leinenhemd das ihr bis zu den Knien reichte. Packte, dass nächstliegende Warme, die wunderschöne Pelzweste von Pol. Während sie hineinschlüpfte hastete sie bereits zu ihrem Ausgang, den nur ein Tuch verhüllte. Stürmte auf die blinzelnde, überrumpelte Drachendame zu, welche wie ein verschrecktes Huhn auf sie zu flatterte. Da der Angriff über dem wolkenverhangenen Himmel startete, wurden Mikas sonst so wachsame Sensoren völlig überrascht. Das leise Sirren einer losgeschickten Energiebombe schreckte sie nervös einen weiteren Hüpfer nach vorne, gefolgt von einer unfreiwilligen seitlichen Rolle. Es krachte Ohrenbetäubend als ein metertiefer Krater, seine aufgeborten Erde herausschleuderte. Sunta selber schleuderte es Rückwärts an die weichen abbremsenden, gespannten Unterhosen. Zu ihrem Glück. Jeder andere harte Holzpfosten hätte mehr als nur blaue Flecken hinterlassen. So federte auf ungewollte Weise elegant auf ihre Beine zurück. Selbst Mika staunte wie ihr kleiner Wicht diese gewaltige Druckwelle einfach so wegsteckte, während sie sich noch taumelnd nach dem Gleichgewicht suchte. Sie schüttelten den schweren Kopf um ihr Blickfeld wieder scharf zu stellen. Bemerkte aus den Augenschlitzen heraus, dass der eilende Floh bereits ihre Seite erreichte. Reflexartig packten Mikas Eckzähne zu und rissen das leichte Fliegengewicht, an der zähen Weste, hoch. Zappelnd landete Sunta auf ihrem Rücken. Hastig spintete Mika los, aus der Gefahrenzone. Flatterte mit ihren trägen Flügeln und erhob sich zähflüssig in den aufsteigenden feuchten Nebel empor. Laut blähten sich ihre Nüstern unter der verstärkten Anstrengung.
Hinten ihnen flitzte ein wendiges Luftschiff heran. Kleiner als das gestrandete Kriegsschiff. Dieser flinke Spion schleuderte ihr leuchtende Lichtkugeln nach. Obwohl sie Sunta um mehrere Meter verfehlten, da Mika mehrmals ungeschickt taumelte, spürte sie die Hitze dieser Kugeln auf ihrer ungeschützten Gesichtshaut. Fast einen halben Kilometer unter ihr schlugen diese grellen Blitzkugeln in den Tannenwald. Ganze Baumreihen knickten mitsamt ihren Wurzeln um. Einige gewaltige Explosionen folgten, die ein normales Bauernhaus längst aus seinem Fundament gerissen hätte.
Entsprechend eilig schnaufte sich Mika in die höheren Regionen hoch. Flucht, riet ihr Kopf und all ihre Instinkte. Merkte erst gar nicht, dass ihre Angreifer nur beabsichtigten sie von dem ausgehöhlten Katanerschiff zu vertreiben.
Wenige Minuten später landeten zwei intakte Schwesternschiffe neben dem ausgebeulten Wrack von einem Schlachtschiff. Die wenigen Kataner an Bord watschelten über einen ausgefahrenen Steg, aus ihrem sicheren Schiff um das verlorene Gut zu untersuchen. Den Schaden einzuschätzen. Gehörig wunderten sie sich über die Veränderte Inneneinrichtung. Kratzspuren und Beisslöcher verrieten eine eindeutige Handschrift des mächtigen Drachen. Das ihr Eigentum unfähig war zu fliegen, erwarteten sie. Doch dass bereits nach einem Tag, ein robustest Schlachtschiff bereits dermassen umgestaltet wurde, liess ihre Augen unfassbar staunen. Das sprengte ihre modernsten Hypothesen ihrer Kriegsberater. Im Ganzen staunte die plumpe Horde verbittert auf ihren einstigen Stolz. Fragten sich wo ihre Fehler lagen das dieses, eben noch kürzlich, aufgerüstete Schiff versagte. Enttäuscht wandte sich einer der Kataner herum. Süsslicher, modriger Geruch streifte seine plattgeformte Nase. Er identifizierte ihn von dem gewöhnlichen, lottrigen Haus vor ihm. Kleine Augen fixierten genau die mehrfach, verstärkten Umrisse. Doch woher kam dieser abscheuliche Geruch, der ihm so viel Unbehagen auslöste? Auf einmal begann sein Atem ungewöhnlich zu röcheln und endete in einem fast atemlosen pfeifend. Ein lautes Stöhnen des Schmerzes entfuhr aus seiner engen Kehle. Entsetzt sperrte er seinen runden, lippenlosen Mund auf. Sie Pupillen vergrösserten sich auf das Doppelte. Verwundert blickten ihn seine Kameraden unverständlich an.
Der Kleine hob seinen dürren kurzen Arm. Mit dem verlängerten Waffenstab deutete er auf das unscheinbare Häusschen. Das starke Licht, des magnetischen Antriebs von ihrem intakten Luftschiffen, verfärbte es durch Nebelschwaden hindurch in ein unheilvolles, bizarres Orange.
Empört krähte der kleine heiser. „Barbaren! Unzivilisierte Barbaren!“
Deutlich erkannten nun alle die blankgeputzten, schimmernden Katanerpanzer, welche durch das Licht getönt wie ein abschreckendes Warnsignal wirkten. Bis jetzt betrachteten die Kataner das verlorene Schiff mit Bedauern. Im Krieg war so etwas gewöhnlicher Alltag. Aber ihre ausgestellte Katanerpanzer wie gestapelte Siegestrophäen vorzufinden, das schrie nach schmerzvoller Vergeltung. Rache, da die toten Kameraden anscheinend weder verbrannt noch vergraben wurden. Die armen Kriegerseelen würden ewig keine Ruhe finden, was in ihrem starken Glauben ganz böse eingeimpft war.
Das sonst ruhige Blut der Kataner kochte empfindlich auf. So schnell ihre kurzen Beine trugen, watschelten, halb hüpften sie in ihr geschütztes Schiff zurück. Motoren heulten auf. Sekunden später flitzte das Schiff sirrend durch die kühle Nachtluft wie ein losgeschossener Pfeil auf tödlicher Mission. Besessen vom Ziel und dessen Vernichtung.
Versteckt unter einer weiten Felsnase eines überragenden Berges, verharrte Mika an den kalten Stein gepresst. Heftig pumpte ihr Atem. Zum ersten Mal in seinem Leben spürte der grosse Drache so etwas wie kalte Furcht. Wissend das sollte er sein Versteck verlassen, sein Leben vorbei sei, drückte sie sich eng an den kühlen Stein. Normal hasste sie solche Kälte, weil es ihre Glieder versteifte und die Muskeln verkrampfte aber diesmal begrüsste sie dieses feindliche Element da es ihren rasenden Körper beruhigte. Mehrmals kreuzte das Katanerschiff den verdichteten Wolkenhimmel. Verzerrte, langgezogene Scheinwerferlichter huschten stundenlange, suchend im grösseren Umkreises des Berges herum. Wie Pol es einmal angeraten hatte, wartete selbst Sunta gerne an schmalen Sims, bis die schützende Nacht hereinbrach. Mehrfach spähte sie und Mika ungeduldig über ihr Versteckt hinweg, mit dem selben ernüchternden Erfolg. Da draussen blitzten, die verräterischen Katanerschiffe, ganz weit oben am Sternenhimmel. Kein grünes Licht für eine Starterlaubnis, würde er Sunta anraten. Sie hielt sich diesmal an seine Weisheit. Ihre bedeckte Ausdauer würde bestimmt irgendwann die Kataner zum Weggehen verlocken. Dann käme ihr Moment zur günstigen Flucht.
Mit dem beginnenden Morgen verblassten diese unermüdlichen Spürhunde des Himmels. Nach dieser langen Nacht wagte sich Sunta endlich wieder in den sicheren Sattel. Widerwillig setzte sie sich mit einem hungrigen Magen zurecht. Studierte den baldigen Himmel den Mika genauso angestrengt nach Gefahr absuchte. Ein paar harmlose Wolken bauschten sich zusammen zu kleinen grauen Formationen. Endlich etwas Deckung für einen fliegenden Drachen. Vereinzelte Nebelfetzten stiegen von den feuchteren Erdregionen auf. Mika brauchte keine Aufmunterung. Sie nutzte wissend diese tarnenden bauschenden Wolken um ihre trockenen Schuppen zu reinigen. Zu der eher spähten Morgenstunden war das Wild meist wieder in die Wälder verschwunden. Verstimmt schnäuzte Mika mehrmals ihre kitzelnde Nase. Wagte sich langsam auf wenige hundert Meter hoch, über die Nebelbanken um mehr Sonnenlicht aufzutanken. Nach ein paar Minuten wurde sie Mutiger. Erleichtert klopfte Sunta loben ihren Hals, mahnte sie aber laut. „Nur nicht übermütig werden, meine Süsse. Ich hoffe ja auch, dass wir eine neue Gegend finden. wo wir vorübergehende eine friedliche Zeit verbringen. Zum Glück habe ich die Kartoffeln ausgesät, dann kann ich im Sommer bloss kurz vorbeischauen und sie abernten. Und für dich finden wir sicher ein paar nahrhafte Waldtiere. Doch erst müssen wir eine sichere Region finden. Vielleicht etwas mit Wasser in der Nähe und einer sandigen Bucht. Da kannst du herrlich Sonnenbaden.“
Um von der Angst abzulenken zwang Sunta positiv zu denken. Die ungewisse Zukunft machte ihr riesig Angst. Vielleicht sollte sie einen weiten Bogen fliegen und dann zurück in die Berge um sich bei Pol zu verstecken? Allerdings reichte ein flüchtiger Blick zurück und sie fühlte sich zum Kotzen mies. Etwas warnte sie dahin zurück zu fliegen, wo sie gerade herkam. Die einsamen Tage als Hirtin in den Bergen schärften ihre Sinne. Sie erkannte unsichtbare Gefahren, sei es vor einem plötzlichen Wetterumschwung oder herum streifenden Wölfen .
Abgelenkt schnappte Mika verspielt nach den Nebelschwaden die ihre entspannten Beine kitzelten. Gelegentlich streckte sie im Flug ihre Glieder um die Durchblutung bis in die Zehenspitzen zu gewährleisten. Wieder einmal verschwanden ihre ausgefahrenen Krallen in einer der feuchten Schwaden. Streiften unerwartet auf einen festeren Gegenstand. Hungrig umklammerte sie reflexartig die fliegende Beute. Eine fliegende Ente oder sonstiger unvorsichtiger Vogel käme ihr gerade äusserst gelegen.
Was sie allerdings da zwischen ihren gekrümmten Zehen aus den grauen Wolken hochfischte war ungeniessbar. Ein langes, metallenes Rohr. An dessen Ende vor allem die funkenden bunten Drähte vor einem Verzerr warnten. Es stank grässlich nach verschmorten Plastik.
Gerade rechtzeitig krallten sich Suntas Finger am Sattelgriff fest. Denn durch Mika ging ein abrupter Ruck als sie das metallene Rohr zurück in die Wolken schleuderte. Gleichzeitig erhob sich diese undurchsichtige Wolkenformation. Unnatürlich schnell bauschte sie sich nach oben. Nötigte entsprechend zu einem überhasteten Ausweichmanöver, was Mika nervös ihre Schwingen schlagen liess. Ein gewaltiger Luftstrom begleitete das erhebende Ungetüm und brachte die Drachendame mehrmals aus dem Gleichgewicht. Als der neue Flugbegleiter seinen tarnenden Wolkenschutz verlies, präsentierte er seine mehr als dreifache Übergrösse.
Mit einem tiefen Grollen tat Mika ihren Unmut kund. Klappte einfach ihre stabilisierenden Flügel zusammen und sackte wie ein tonnenschwerer Stein nach unten. Diese krasse Entscheidung rettete erneut ihr Leben. Über ihr donnerte in prasselnder Lichtstrahl über das Firmament der die umgebenden Wolken in der horizontalen, kilometerweit einfach wegschmolz. Für eine Sekunde breitete die kluge Dame die Flügel aus um das enorme Wärmepotential förmlich aufzusaugen und abzuspeichern. Danach krümmte sich Mika zu einem Rückwärtigen Salto um geschickt den Flug abzubremsen ohne dabei ihre leichten Flügelknochen, unter der gewaltigen Belastung, zu brechen. Segelte ein paar Sekunden erschreckend tief geradewegs über das grüne Blättermeer der Laubbäume. Wobei ihr kräftiger Sog viele der halbtoten, verfärbten Blätter ausriss. Dicht gefolgt von der motorisierten Flugscheibe. Seine Druckwelle reiche aus, die restlichen hartnäckigen Blätter einfach wegzublasen, dass nur noch kahles Geäst in den Himmel ragte. Entsetzt weiteten sich Mika Augen als sie das Ausmass des überlegenen Feindes begriff. Mit zusammen gepressten Augen klammerte sich die bleiche Sunta am Sattel fest. Vor allem der rasante Absturz brachte ihr Herz an seine äusserste Belastbarkeit.
Absolut unhörbar schleuderte der Verfolger seine Munition ihnen entgegen. Seltsamerweise haperte es ziemlich mit seiner Treffsicherheit. Halbe Bäume explodierten in unzählige kleine Stücke. Bei all dem krachenden, aufblitzenden Getöse klammerte sich Sunta völlig verstört an Mika fest. Öfters schleuderte, duschten sie unter einer groben Schnitzelattacke. Reststücke wie Tannennadeln und Holsplitter schnitten wie ein scharfe Messerklinge in ungeschützte Hautstellen. Durchdrangen spielend ihr leichtes Leinenhemd. Einzig die lederne Weste schützte ihren Rücken vor grösserem Schaden. Das zähe Leder verhinderte jedes unerwünschte Eindringen der umherirrenden Splitter. Sobald Mika dem gefährlichen Trümmerregen entgehen wollte, ein paar Meter höher dem freien Himmel entgegen strebte, boten sie auch ein besseres Zielobjekt. Näher, viel zu Nahe explodierten die fremdartigen Bomben. Suntas Ohren schmerzten genauso wie Mikas Trommelfell. Eine Druckwelle folgte der Nächsten. Manchmal segelte Mika mehr wie ein hilfloses Blatt im Sturm voran, als von ihrem eigenen gesteuerten Antrieb. Völlig aus dem Gleichgewicht gebracht, rammte, kratzte Mika selber unzählige Bäume. Reagierte blitzschnell auf die unterschiedlichen Luftströmungen und schleuderte sich schon mal selber mit den Beinen erneut über die Bäume hinaus, nur um kurz darauf wieder im Wald zu versinken. Zum zigsten Mal plagte Sunta lästige Übelkeit, trotz dem leeren Magen. Am schlimmsten traf es ihre untrainierten Halswirbel. Unerwartete Ruckstösste fuhren schmerzhaft ins Genick. Man stellte sich eine Achterbahnfahrt ohne gepolsterte, stützende Bügel vor. Es war den Fliehenden klar, dass es bloss eine Frage der Zeit war bis die Feinde sie erwischten. Fast schien es als ob die grausamen Kataner sich freuten, sie am äussersten Limit, zu Tode jagen.
In der Tat freuten sich die Kataner an dem Leiden ihrer gehetzten Beute. Bewusst schenkten sie ihnen erst Hoffnung auf Flucht, nur um mit einer kleinen Umstellung ihres breiten Waffenarsenals den Drachen abermals vom Himmel abstürzen zu lassen. Sie wollten testen wo die Grenzen dieser ihnen unbekannten Spezies lag. Trieben daher Mika an das Maximum ihrer Leistung. Schon nach weniger als einer Stunde begannen die schwarzen Schuppen eine säuerliche Flüssigkeit abzusondern. Diese gefährdete Suntas geschrammten Zustand ins unerträgliche. Da neben den hunderten kleinen Verletzungen, überall die Haut unter der verätzenden Substanz höllisch brannte. Die kleinen abgesonderten Tropfen von Mikas Hals, brannten unerträglich dort wo ihr Leinenkleid die Feuchtigkeit aufsog und an den Körper weitergab. Mit gekreuzten Armen schützte sie ihr empfindliches Gesicht. Sie durfte Mika auf keinen Fall an irgendeiner Stelle mehr anfassen, sonst schmorten ihre Finger wie auf einer glühenden Herdplatte.
Trotz ihrer Not überflog Mika den nächsten Fluss unbeachtet. Hinter ihr drängte der unerbittliche Feind weiter. Hetzte sie. Gönnte ihr keine Atempause.
Unter ihr verfärbte sich das trockene Land. Hellgrüne Wald und Wiesenflächen änderten zu ockerfarbenen Brauntönen. Graugrüne Hügel formten sich zu kleinen kargen Bergen mit scharfkantige Steingräten. Einseitige Steintürme, mit dem von Winden geschliffenen messerscharfen Seiten, beengten ihre Fluchtmöglichkeiten. Es gab keine Schlupflöcher und wenn dann nur für kleine Wüstenmäuse. Mikas empfindliche Segel erhielten manchen heimtückischen Schnitt der ihre Beweglichkeit weiter bremste. Dennoch versuchte sie teilweile im kühleren Schatten dieser Berggipfel zu fliegen. Die abnehmende Luftfeuchtigkeit verwandelte Mikas Atem in ein heisses, gepresstes Röcheln. Obwohl die zunehmende wärme des Tages ihre Gelenkigkeit in flüssiges Quecksilber verwandelte. Ein tödlicher Kreislauf, da ihre gesteigerte Leistung sie rasanter einem Kollaps entgegensteuerte. Jedes ihrer Organe arbeitete längst in seinem roten Grenzbereich.
Bald stundenlang ohne tröstliche Unterbrechung. Wissend um ihre ablaufende Lebenszeit, presste sie ihre übrigen Reserven aus ihrer sterbenden Lebensader. Träge ihre lahmen Flügelbewegungen. Erreichten schon gar nicht mehr die Höhe über hundert Meter über dem Erdboden. Schwierig zu deuten wem mehr das Gehirn schmorte. Schwindlig hing Sunta nur wegen den Sicherheitsbügel sicher im Sattel fest. Alles verschwamm vor ihrem übermüdeten Blickfeld. Der unruhige Flug schüttelte ihren Körper dermassen hart durch, dass er von der Überbelastung überall schmerzte.
Zu allem Unglück begann unter ihnen der steinerne Boden sich in eine Wüste zu verwandeln, welche unerträgliche Hitze abstrahlte. Selbst der schwache Flugwind schenkte da keine Erlösung. Doch die Hitze hielt wenigsten noch Mika am trügerischen Leben.
Hartnäckig trieb der silberne Fluggleiter sie weiter über die trostlosen Sanddünen. Sunta wusste, dass ohne Wasser, weder sie noch Mika den baldigen Mittag überlebten. Hinter ihnen ahnte dies sogar ihr Feind, denn er sparte seine Munition. Nur wenn Mika versuchte zu Landen, schleuderte eine warnende Detonation sie in die Luft zurück. Jederzeit bestand die Möglichkeit das Mikas kollabierte und Tod sie empfing.
Das ausgedehnte Land bot jedoch nur den erlösenden Tod an. Es präsentierte sich kein anderer Ausweg. Rar die wenigen Erdflecken wo verdorrte Büsche mit ihren knorrigen Wurzeln sich tief in der Erde verankerten. Überwiegend Sand, der einem erstarrten Wellenmeer glich. Selten so hoch das Täler mit erlösendem Schatten existierten. Es gab keine Spuren von kleinsten Lebewesen. Weder Schlangen, Eidechsen noch Käfer liessen sich blicken. Alle mieden den eingeschalteten Backofen. Doch Mika blieb keine andere Wahl.
Verloren sehnte sich Sunta ein schnelles Ende herbei.
Langsamer die ruckartigen Bewegungen der restlos erschöpften Mika. Frech hinter ihnen das gnadenlose Raumschiff. So nahe, dass es hin und wieder Mika an die erschlaffte Schwanzspitze stiess. Worauf die Empfindsame mit einem winzigen Energieschub reagierte.
In der letzten Verzweiflung ihr Leiden abzukürzen sah Sunta nur einen Ausweg. Gerade schubste der Verfolger schadenfroh an die hintere hängende Flosse. Matt stiess Sunta ihre Absätze in Mikas schweissnassen Rumpf, vom dem die giftigen Schaumfetzten nur so wegtropften. Mika reagierte in keiner Weise auf den hinweisenden Wink. „Okay Mika, wenn ich sag Landen, dann plumpst du auf den Boden hinunter. Der Trick bei der Aktion ist, dass du exakt unter dem Gleiter bleiben musst. Denn so nahe wie sie sind, schiessen die garantiert nicht. Sonst zerfetzt es auch ihren Rumpf. Mika, kannst du sie dann angreifen. Klebe unter ihnen und versuche ein Loch oder irgendeinen Schaden zu verursachen.“
Ungläubig schielte die Drachendame nach hinten. Nicht mal um ihren Hals zu wenden besass sie Kraft. Sie verstand den Sinn der Sache. Bevor Sunta das verabredende Zeichen gab, klappte sie erneut ihre bleischweren Schwingen zusammen. Noch bevor die Drachenbeine den Boden berührten, drehte Mika mehr als eine Pirouette. Den Schwung des Eigengewichtes ausnutzend sprang sie rückwärts, blockierten den Schwung abermals und ihre kräftigen Zähne bohrten sich dermassen tief in den untern Rumpf des Gleiters dass es sie mitriss. Wie ein Pittpull der seine Zähne in eine Beute schlug, blieben ihre Kiefer eisern angespannt. Zitternd unterbrach der fliegende Metallkasten seine gerade Flugbahn. Schaukelnd riss er das schwere Gewicht des zusätzlichen Drachens einfach mit. Verlor sogar halb an Flughöhe, aber es reichte nicht aus um ihn auf den Boden zu zwingen. Die kurzen Vorderbeine von Mika waren dabei keine Hilfe. Dafür bemühte sie sich mit den Hinterbeinen hoch zu angeln. Jedoch reichte ihre Kraft nicht mehr als zu einem schwachen Schaukeln.
Verärgert liess sich Mika auf den Boden fallen um erneut nach oben zu stürzen bevor die Kataner auf sie schossen. Diesmal packte sie die Flugscheibe von hinten und drückte ihr Heck nach unten.
Einmal, zweimal heulte der Antrieb auf. Eine Hitzewelle versengte ihre Tasthaare um die Schnauze. Trotzdem liess Mika nicht los. Also gaben die Kataner Schub. Heftigen Schub der allesamt höher, senkrecht in den kühleren Himmel hob. Ohne Suntas Hinweis wusste Mika vorher, dass ihr die ohnehin schon knappe Luft in ihrer verausgabten Lunge ausging. So oder so ahnte sie ihr unvermeidbares Ende. Also liess sie los. Für einen Moment schoss das Luftschiff, ohne das zusätzliche Gewicht, förmlich zu den Sternen davon. Niemand täuschte das. Sie kamen innert wenigen Sekunden auf dem selbem Weg wieder zurück.
Mika besass stolz. Ihr Element die Luft wollte sie auskosten bis zuletzt. Sie breitete ihre Schwingen in ihrer ganzen Pracht aus. Obwohl man nun wie bei ein Kochsieb, mit vielen Löcher darin, den glühenden Sand darunter durchsah. Grell blendete die Sonne. Quälte ihre trocken, trüben Augen. Mika segelte wie ein lautloser Gleiter zurück, der Erde entgegen. Doch noch während ihr die Zugluft ihre Augenlinse weiter schmerzhaft peinigte, bemerkte sie eine eigenartige Lücke. Bis zuletzt zweifelte selbst der Drache ob ihm was an der Linse klebte oder ob er tatsächlich den Schatten im Erdboden sah. Es war ihr egal was da auf sie zukam. Ein harter Felsenbrocken, der ihr Hirn durch den Aufprall zerschmetterte, hiesse sie erlösend willkommen. Mika plante nicht mehr ihre Flügel weiterhin auszubreiten. In den letzten Meter vor diesem Spalt in der Sanddüne, presste sie ihre Flügel wie ein Falke dicht an ihren Körper. Es war ein glatter Selbstmord und sie hoffte dass wenigstens ihr Floh überlebte. Nur desswegen korrigierte sie geringfügig ihren Sturzflug, damit der Reiter auf dem Rücken heil blieb. Erreichte das einmalige Kunststück, dass sie trotz ihrer ungebremsten Geschwindigkeit in einem 20 Grad Winkel, in den letzten 50 Meter, auf die winzige Lücke zuraste.
Schwindel trübte Suntas Blickfeld. Durch das unaufhörliche Schütteln schmerzten vor allem ihre Rückenwirbel. Es gab keinen Fleck Haut auf ihren Armen und Beinen der nicht wie Feuer brannte. Die flüssige Säure von Mika durchnässte unaufhaltsam das dünne Gewebe ihrer Kleider. Aber immerhin ätzte sie den dünnen Stoff nicht weg. Sunta fühlte sich einfach übel. Am Ende ihrer totalen Erschöpfung. Bemerkte kaum, dass ihr Drache ziemlich rasant auf den körnigen Sandbelag zuraste. Sie wollte einfach, dass es endlich ein Ende fand. Daher löste sie mit zittrigen Fingern den Sicherheitsriemen. Dank dem neuen System, genügte ein Zupfen an der richtigen Stelle und Winkel, schon rutschte der Hacken aus der Halterung.
Es war ihr völlig egal ob der Drache landete oder weiterflog. Sunta plante einfach sich fallen zu lassen. Sollte Mika landen, so würde sie auf keinen Fall unter ihr begraben werden. Ein unsanfter Ruck beförderte sie schon halb auf Mikas Hals runter. Bevor sie richtig realisierte, was geschah, passierte so vieles auf einmal. Heisser Sand der wie spitzige Nadel hoch spritzte. Mika die verzweifelt röchelte und ihre Flügel auf einmal anzog. Drachenschuppen schliffen über den Untergrund. Etwas Dunkles, dass sie einhüllte und automatisch abkühlte. Ziemlich überraschte Sunta, dass dieses Dunkle angenehm für ihre Augen war. Ein weiterer Ruck als Mikas Körper was zurück zerrte. Im nächsten Moment katapultierte es Sunta haltlos über den langen Hals von Mika hinweg.
Die versuchte vergebens nach dem Floh zu schnappen bevor er an die harte Wand sauste. Mikas ausgepowerten Reflexe reagierten viel zu langsam. Da war noch etwas zwischen ihrem Floh und der Wand. Dagegen war sie einfach machtlos. Halb Tod fiel der Drache einfach in sich zusammen. Kämpferisch pumpte nur noch sein Herz unregelmässig weiter, während sie die Augen längst geschlossen hielt.
Kein Pfosten, sondern eine aufgeregte Person stürzte in den turbulenten Raum. Bevor er allerdings realisierte was in der kleinen Vorhalle passierte, schmetterte es ihn brutal rückwärts an die Wand. Betäubt blieben alle erst einmal liegen. Sunta etwas bequemer, halb über dem fast erschlagenen, gepolsterten Hindernis. Sie folgte Mikas Beispiel und liess sich einfach fallen. Gedanklich verabschiedete sich von ihrem bisherigen Leben.
In zwei Landesdialekten fluchend, sortierte der unfreiwillige Dämpfer seine geprellten Glieder. Das was sich allmählich vor seinen goldgelben Augen raus kristallisierte, gefiel ihm gar nicht. Daher fluchte er aufgeregter in drei Sprachen munter weiter.
Als ob sie in einem ruhigen Meer auf den kräuselnden Wellen mitschaukelte, so empfand es Sunta in der Zeit, wo sie sich das Träumen bewusst war. Seltsame Laute streiften ihre Ohren, aber sie war unfähig sie zuzuordnen. Tiere, Menschen oder das grollen der tiefen Erde. Mal summte ihr Schädel oder sie hörte eine angenehme Melodie. Ihr Herz beruhigte sich vor allem bei den sanften Tönen. Irgendwie ahnte sie, dass wenn sie die Augen öffnete ziemlich viel Schmerzen auf sie warteten. Daher versuchte sie zu schlafen. Gab sich einfach dem saugenden Gefühl des Aufgebens hin. Kein Lebensfunke wollte gegen ihre Taubheit ankämpfen. Dazu liebte sie die angenehme Ruhe zu sehr.
Dieses Detail fiel auch dem aufmerksamen Muktu auf. Am dritten Tag verbot er der jungen zugeteilten Pflegerin leise zu sein, als sie die gelblichen Verbände um die Glieder der fremden Frau wechselte. Genauso streng unterbrach er das liebliche Singen welches anfangs den überhitzten Körper beruhigte. Alte Strophen eines heil bringenden Rituals. So alt, dass niemand mehr über dessen Ursprung wusste. Man nutzte die alten Lieder sparsam da man ihre Wirkung manchmal fast fürchtete.
Unverhüllt demonstrierte Muktu seine Abneigung gegenüber dieser hilflosen Fremden, vor ihm auf dem Gästebett. Heimlich wunderte er sich über diese neue Rasse von Menschen. Denn im Gegensatz zu seinem kleinen Wüstenvolk wuchsen die Leute von ausserhalb locker ein bis vier Köpfe über ihn hinaus. Muktu gehörte selber mit seinen 1,55 Meter zu den grössten Krieger. Im Vergleich zu ihm schnitt der unwillkommene Besuch unschön als weicher Pudding ab. Diese junge Frau war geradezu in einem beschämend schlechten Zustand. Jedes weibliche Mitglied seiner Sippe besass mehr Muskeln und besser definierte Kurven in der Körperstruktur. Abschätzend beobachtete er jede neue Zuckung des minderwertigen Geschöpfes. Das Klappern des Wassertopfes liess die Augenlieder von dem Patienten flattern. Drei volle Tage bewegte sich kaum was, ausser einem konstanten Herzschlag und dem regelmässigen heben des Brustkorbes.
Ungeduldig verschränkte Muktu seine kräftigen Armen vor seinem Oberkörper. Gedanklich stiess er diesen Menschen mehrmals rüde in die Seite. Eigentlich sollte sie längst auf den Beinen sein. Aber diese neue Sorte Mensch verstand es entweder komplett seine nonverbalen Sticheleien auszublenden oder gar nicht wahrzunehmen.
Erst als er seine Schuhspitze rüde auf den sauberen Steinboden hinunter rammte, blinzelte der Neuling heftiger. Die Pflegerin überprüfte den Abschluss der mit Kamillentee getränkten Bandagen. Dieser heilende Saft färbte das Leinen gelblich und liess die bandagierte Patientin wie eine entflohene Mumie erscheinen.
Erfreut dass sein Scharren endlich bei dem Menschen eine Reaktion auslöste, stampfte Muktu abermals heftig auf. Sogar die blutjunge Pflegerin wirkte verstört über sein ungebührliches Verhalten. Gedanklich schickte er ihr den strengen Befehl entgegen, den Raum unverzüglich zu verlassen. Kurz kniff sie unwillig die Augen zusammen, folgte aber seiner unhöflichen Anweisung. Ein Rascheln des Vorhanges bestätigte ihren praktisch unhörbaren Gang.
Gespannt blieben die Augenlieder der Patientin neugierig offen. Noch starrte sie, halb weggetreten die Decke an. Rasch liess Muktu sein selbstgefälliges Grinsen verschwinden. Jetzt galt es heraus zu finden ob der uneingeladene Eindringling ein Gast mit guten Absichten oder ein gemeiner Spion war.
Verwirrt blinzelte Sunta in den halbdunklen Raum. Erkannte sofort, dass sie erneut in einer Höhle lag. Es lag an dem spezifischen Erdgeruch und an der eher abgestandenen Luft. Heftig saugten ihre Lungen die kühle Luft ein. Brachte den gewünschten Erfolg, dass ihre rehbraunen Augen schärfer die Details wahrnahmen. Was sie allerdings bemerkte, liess den Wunsch hochkommen, doch lieber nochmals alles verschwommen zu sehen. Denn halb in den Schatten verborgen, lehnte sich eine stehende Person an die Wand. Auf den ersten trügerischen Blick vermutete Sunta ein Kind. Als dessen Füsse sich in Bewegung setzten verrieten ihr die energiegeladenen, langsamen Schritte genau das Gegenteil. Die Atmosphäre im Raum wirkte plötzliche aufgeladen, wie vor einem ausbrechenden Gewitter. Mit jedem Schritt wo dieser Fremde souverän ihr näherkam, fühlte sie sich unbehaglicher. Jeder ihrer Sinne drängte sie zu Flucht. In ihrem Gehirn tobte ein heftiger wirrer Sturm der sie völlig überforderte. Als ob sie mit den Händen den Druck mildern könnte, rieb sie ihre Schläfen. Auf einmal verschwand der lästige Schmerz des Kopfwehs. Einfach so als hätte jemand einen Schalter gedrückt.
Der unheimliche Fremde blieb vor ihrem niedrigen Bett stehen. Lässig stützte er sich mit einer Hand an der rauen Steinwand ab und beugte sich über Sunta.
Sofort vielen ihr die kleinen Unterschiede auf. Seine länglichen Augen besassen die Farbe von reifen, altem Cognac. Je nach Blickwinkel veränderte sich die Farbe in ein bedrohliches Dunkelbraun mit einem orangen Glühen darin. Schwarze lange, seidene Haare die er offen trug. Einzig ein gewobenes Stirnband verhinderte, dass ihm die Haare, im Alltag, ins Gesichtsfeld fielen. Hohe, ausgeprägte Wangenknochen. Eine untypische schmale, gerade Nase und vor allem der ungewöhnliche kleine Mund, wenn er sie so mürrisch betrachtete, liess sie annehmen, dass er von einer anderen Menschenrasse abstammte. Er trug einen wärmenden Poncho der mehr einem grauen Wollumhang ähnelte. Schlicht gehalten aus feinster gesponnener Wolle, wie sie nie zuvor sah. Vorne liess er diesen Umhang offen. Sobald er gedankenlos eine Hand in seine Hüften stützte, bemerkte Sunta die aussergewöhnlichen schmalen Hüften und die breiten, kräftigen Schultern unter dem dunkelroten Hemd. Er strahlte eine männliche Präsenz aus die gleich klarstellte, wer den Raum beherrschte. Eine wissende Macht von einem erfahrenen Krieger.
Verunsichert reagierte Sunta auf seinen forschen Blick, mit einem verlegenen Lächeln. Auf seinem alterungslosen Gesicht zeigte sich flüchtig eine kleine Falte zwischen seinen gepflegten Augenbrauen. Er konnte zwanzig Jahre oder sogar doppelt so alt sein.
Tief, klar seine ausgesprochenen Silben. Wörter die fast wie ein langsames klangvolles Lied über seine Lippen kam. Niedergeschlagen gestand Sunta, „Ich verstehe leider kein Wort.“
Kein Augenzucken seinerseits verschaffte ihr Erleichterung vor dem unaufhörlichen stechenden Blick. Sunta glaubte sogar ein tiefes Glühen darin zu erkennen. Wie vor einem ausbrechenden Vulkan.
Völlig unerwartet reagierte er mit einem entspannten Ausdruck. Ein überlegenes Lächeln behielt er aber in seinen Mundwinkeln bei. Er wusste etwas von dem er sie bewusst nicht einweihte. Dann schloss er die Augen. Erleichtert weil sich dadurch die Spannung im Raum senkte, atmete Sunta aus. Wobei sie in dem stillen Moment glaubte ein geisterhaftes Flüstern zu vernehmen, das flüchtig durch ihre Gedanken huschte. Eine verschwommene Wahrnehmung die sich verstärkte als ob ein lautloser Ruf sie anbrüllte. Die schmalen Lippen des Gegenübers blieben jedoch unverändert aufeinandergepresst.
Als er sie erneut fokussierte wirkte es für sie als ob er, für eine Sekunde, gänzlich abwesend gewesen war. Vielleicht täuschte sich auch Sunta. Eine verrückte Ausgeburt ihrer Fantasy. Jedoch war dieser gedankliche Schrei so seltsam echt gewesen.
Wie in Zeitlupe öffnete ihr unheimliches Gegenüber die goldgelben Augen. Ein paar wenige Sekunden verstrichen in denen er einfach bewegungslos in seiner Haltung einfror. Dann... Himmel, sie bemerkte erste jetzt die merkwürdigen Ohren. Längliche Ohren die sie an einen aufmerksamen Wolf erinnerten. Gerade eben kippten diese Ohren, die bisher gut versteckt an der Kopfform anlagen, hübsch zur Seite, wie bei einem horchenden Pferd. Erst nach weiteren Sekunden vernahm Sunta die eilenden Schritte im Gang. Bis die zweite Person eintraf, setzte sie sich im Bett auf. Ein Test was ihr Körper alles vertrug. Eine leichte gestrickte Wolldecke bedeckte ihren Unterkörper. Sie selber trug diesmal ein schlichtes langes Unterhemd, seitlich offen, um sie zwar zusätzlich warm zu halten und gleichzeitig das wechseln ihrer Verbände zu erleichtern. Es schien ihr fast bis zu den Knien zu reichte. Irgendwer musste sie umgezogen haben. Mit skeptischen Augen betrachtete sie die leicht feuchten, kühlenden Bandagen an ihren Gliedern. Nachdem sie prüfend die Nase darüber schwenkte, erkannte sie den Wohlgeruch heilenden Kamillensaftes. Ihre Haut kribbelte nur gelegentlich unter dem strafen Verband. Erleichtert liess sie sich an die Wand am Kopfende zurücksinken. Es gab keine Schmerzen mehr. Eine wahre Wohltat. Ein ungutes Gefühl liess sie hochschauen. Tatsächlich schielte ihr Wächter unverblümt zu ihr hinüber. Ohne Eile streckte er seinen Rücken gerade und achtete erstmals darauf den gebührenden Abstand einzuräumen. Der freche Typ tat es gerade in dem nötigen Zeitfenster, bevor der neue Besucher eintrat.
Anders als der wesentlich jüngere, voreingenommene Krieger trat ihr ein älterer Einwohner entgegen der sie entfernt an Klump erinnerte. Gutmütige Gesichtsfalten in dem sonnengebräunten Gesicht verrieten, dass er das Leben nicht so todernst nahm wie das erste einschüchternde Empfangskomitee. Ein freundliches Lächeln strahlte Sunta entgegen. Ausserdem brachte sein langer einteiliger Anzug, der bis zu den Fussknöcheln reichte, einen Hauch von Wärme mit sich. Wachsame intelligente, hellbraune Augen die sie von weiten mit Zurückhaltung musterten. Hellgraue fingerlange Haare die silbrig je nach Lichteinfall schimmerten. Praktisch lautlos spazierte er gemütlich in seinen Ledersandalen neben Suntas Bett. Wechselte kurz einen Blick mit seinem störrischen Genossen der bloss empört die Luft aus den Naseflügeln stieß.
Fragend sah der Alte zuerst Sunta an und dann schwenkte seine braunen Augen hinter sie an die Wand. Verwundert folgte Sunta automatisch seiner einladenden Geste. Da hing dekorativ ihre kostbare Lederweste, mit dem seltsamen Muster ihr zugewandt. "Ja, es ist wunderschön." Murmelte sie vor sich hin. Ihr Gegenüber schmunzelte breiter. Seine tiefe, ton volle Stimme. "Darf ich wissen, woher du es hast?" Unnötig deuteten seine gebräunten Hände auf die Weste.
"Von einem guten Freund."
"Was möchte dieser gute Freund von uns?" Liess er gleich seine ärgsten Bedenken wissen.
Verwirrt entgegnete Sunta. "Von Euch? Er weiss nicht mal von eurer Existenz. Wo bin ich hier eigentlich? Dieses Höhlensystem reicht doch niemals bis in die Berge!" Sie bedachte die Möglichkeit das sie einen weiten Kreis flog und von einer unbekannten Seite in die Nähe der unterirdischen Stadt geriet. War ihr Planet eventuell so klein?
Da wollte der jüngere Krieger in einem gebrochenen Dialekt wissen, "Was tust du in der kargen Wüste? Was hoffst du hier zu finden." Es brauchte schon einen Moment bis Sunta ihn verstand. Offenherzig streckte sie, der älteren Person im Raum, ihre Hand entgegen. Zögerlich folgte er dem bekannten alten Brauch und antwortete mit einem kurzen, kräftigen Händedruck.
Sie erklärte. "Sunta. Rein zufällig bin ich hierher gelangt. Es war Mika, meine Drachendame, welche ganz alleine dieses Erdloch fand. Ob allerdings bewusst oder ob sie einfach abgestürzt ist, entzieht sich meinem Wissen. Wir sind doch unter der Erde?" Sie deutete auf die grob verputzten Lehmwände. "Ähnliches kenne ich von den Bergen. Wobei Pols Quartier eindeutig in einem etwas extravaganteren Stil gehalten wird."
Sie zögerte und merkte endlich, dass die anderen gezielt abwarteten was sie alles ausplapperte. Erfreut verriet ihr der älteste als erster den Namen. "Orin. Meine Funktion ist es hier als Vermittler tätig zu sein. Deshalb verstehe ich am besten deine entfernt verwandte Sprache. Ein Mann namens Pol ist uns gänzlich unbekannt, aber das alte Familienwappen verrät ein gutes Zeugnis. Von der Kleinfamilie leben heute sogar noch Angehörige in der Wüste. Du bist also einfach planlos zu uns geflogen?" Sichtlich schwer viel ihm das zu Glauben.
"Mika, hat hervorragende Augen. Sie muss das Schlupfloch entdeckt haben. Nur solltet ihr aufpassen. Bestimmt lauern einige Kataner da draussen. Die sind zurzeit ziemlich sauer auf uns, da wir eines ihrer grossen Schiffe zerstört haben."
Er schüttelte verharmlosend den Kopf. "Den unvorsichtigen Gleiter der euch verfolgt hat, haben wir längst vom Himmel geholt. Das auffällige Schiff haben wir längst in einer Treibsandmulde versenkt. Davon gibt es hier unzählige und ich empfehle daher keine Spaziergänge draussen, ohne einen kundigen Führer, zu unternehmen. Sowieso irren noch ein paar erhitzte Kataner da draussen ziellos herum." Unmissverständlich lag eine Warnung in seinen Worten, nicht zu fliehen.
Anders als erwartet reagierte Sunta mit heller Begeisterung. "Dann lasst doch Mika nach draussen! Es genügt ein Fingerzeig und das Wort Futter auszusprechen. Glaubt mir, sie liebt Kataner auf ihrem Speiseplan."
Das entlockte dem mürrischen Krieger das erste Lächeln ab. "Wenn unsere aufgestellten Wachposten grünes Licht geben, könnten wir das vereinbaren. Dieses riesige, hässliche Vieh hat seit zwei Tagen einen mächtigen Hunger. Der leere Magen knurrt so laut, dass manche Nachts davon wach werden und unsere wenigen Überreste machen sie nicht satt. Vorübergehend haben wir das Monster mit Pflanzensaft betäubt, zu ihrem eigenen Schutz."
Sunta verstand nicht ganz den Sinn auf Anhieb. Orin erklärte mit leichter Betroffenheit. "Muktu meint, es ist besser wenn die Anwesenheit von so einem riesigen Fleischberg geheim bleibt. Unsere Abwechslung auf den Tellern ist ziemlich dürftig. Vor allem Fleisch ist ziemlich Mangelware." Erschrocken vergösserten sich Suntas Augen. Sie fasste sich erschrocken ans Herz. "Das ist nicht mein Drache? Also er gehört nicht mir, sondern ist Eigentum der Bergleute. Es wäre schrecklich... ich weiss gar nicht wie ich denen das erklären sollte..." Doch dann fiel ihr ein, dass selbst Pols Leute Drachenfleisch assen.
Beschwichtigend winkte Orin an. "Keine Sorge, wir können unseren Hunger zügeln. Momentan ist unsere Situation etwas prekär da es diesen Frühling so wenig geregnet hat. Dadurch ist das Kleinwild praktisch ganz aus unserer Region verschwunden. Solange der Drache für uns keine Gefahr darstellt, bleibt er selbstverständlich am Leben."
Erleichtert seufzte Sunta auf. Wie sollte sie je sonst wieder zurückfinden. "Darf ich ihn rauslassen um die Kataner zu suchen?"
Muktu brummte unwirsch. "Erst müssen wir grünes Licht von oben bekommen. Das Monster darf erst raus wenn keine Gefahr besteht, dass ihn ein U-790 auf dem Radar erkennt."
"Ein u- Bitte was?"
Zufrieden schmunzelte Muktu. Er fand es schön wie seine Überlegenheit ankam. "U-790 ist ein schlankes Späher Flugschiff, dass in unregelmässig Abständen am Himmel patrouilliert. Mit blossem Auge kann man es tagsüber nicht sehen."
"Aha," staunte Sunta. Bis ihr was Anderes einfiel. "Wenn man es mit blossem Auge nicht sehen kann, woher wisst ihr denn das es da oben fliegt?"
Mit einem schiefen Grinsen antwortete ihr Muktu selbstgefällig, "Natürlich mit unseren ausgeprägten Sensoren die besser als jede Maschine funktionieren." Dabei deutete er an seine Stirn. Auf den Punkt zwischen seinen Augen.
Verwundert blickte Sunta genauer an die angetippte Stelle. Rätselte noch. Schliesslich war er doch ein Mensch und keine Maschine. Ihre Ahnungslosigkeit zeigte sich deutlich in den unbegreifenden Gesichtszügen. Erleichtert lachte Orin auf. "Gedanken. Wir arbeiten auf telepathischer Ebene. Kommunizieren auch so. Solltest du jemand im Gang draussen antreffen der etwas Abwesend wirkt, und nicht auf deine Anwesenheit reagiert, dann sehe das nicht als Unhöflichkeit an. Solange jemand sich automatisch weiterbewegt kommuniziert er gerade mit jemand anderem. Bleibt jemand Bewegungslos stehen, dann fasse ihn ja nicht an. Sein Geist ist sozusagen gerade auf Besuch bei einer anderen Person."
Sunta staunte über diese Möglichkeiten. Muktu hielt es nötig genauer hinzuweisen. "Auch wenn du unerlaubt hinausgehst, können wir dich rasch orten. Wir müssen erst mit dem Lagerchef genau abklären wie dein weiterer Aufenthalt bei uns abläuft."
"Oh," sorgte sich Sunta langsam. "Kann ich nicht einfach wieder losfliegen? Ich denke Mika hat sich längst erholt. Wie lange sind wir den schon da?"
Orin meldete sich zu Wort. "Drei volle Tage."
"Drei Tage," flüsterte Sunta entsetzt. "Oh, Himmel. Mika muss dringend was zu fressen bekommen, sonst geht sie wirklich auf Menschen los. Ihr müsst wissen, das die Bergleute ihre Toten den Drachen zu fressen gaben. Hab ihr zufällig nicht so was?"
Diesmal erntete sie entsetzte, fassungslose Gesichter. Aufgebracht wollte Muktu ihr was unschön entgegnen, aber Orin winkte ihn bedächtig ab. "Nein. Wir verfüttern unsere Verstorbenen nicht, sondern begraben sie nach einen alten Ritual. Demnach stammst du selber nicht von den Bergleuten ab. Wie kommst du genau in den Besitz dieser besonderen Weste?"
Er versuchte hartnäckig Klarheit ans Licht zu bringen. Einen winzigen Hinweis. Mit weniger wollte er sich nicht zufrieden geben. Schliesslich besass dieses Familienwappen noch eine Bedeutung bei seinem Volk. Ohne dieses sorgfältige Ledermuster wäre ihr Drache längst von ihnen geschlachtet und Sunta einfach in der Nähe der Steppe ausgesetzt worden. Doch dieses Ledermuster zwang seine Leute abzuklären, wer oder was der Besitzer wollte. Oder gar später, von ihnen eine Gegenleistung einforderte, weil eine Schutzbefohlene im Namen einer einflussreichen Familie unterwegs war.
Tief einatmend versuchte Sunta zu erklären. "Es war ein Geschenk, weil ich auf Mika aufpasse. Sie ist einer der wertvollsten Zuchtdrachen. Daher hat es der Aufseher Pol mir geschenkt. Wenn ich allerdings eine Vermutung anstellen darf. Es ist sicher ein Familienerbstück. Das heisst, es könnte vorher Klump gehört hat." "Klump!" Schallte es zweifach empört und erschrocken durch den Raum. Erfreut lächelte Sunta begeistert. Demnach war Klump hier wohlbekannt. Grinste schelmisch. "Ja, Grossvater Klump."
Orin verdrehte genervt die Augen zur Decke hoch. Dann fragte er jedoch mit gewissen Zweifel nach. "Der dem alle Frauen nachliefen? Lebt der noch?"
"Oh," diesmal verstand Sunta die Bedenken der neuen Artgenossen. Presste schuldig die Lippen zusammen und nickte. Sichtlich aufgeregt schnaubte Orin verächtlich aus. "Wir waren froh als er sich endlich zu der Aussenexpedition gemeldet hat. Na jedenfalls uns Männer ist so ziemlich eine Last von den Schultern gefallen. Etliche unserer Frauen haben dem noch Jahre nachgetrauert. Unglaublich das er immer noch lebt. Bisher ist uns nur bekannt, das alle ehemaligen Auswanderer längst verstorben sind."
Er wandte sich zu Muktu. "Vor dem müssen wir uns also in Acht nehmen. Er ist nicht nur mit ausserordentlicher Attraktivität versehen, dass Frauen wie ein saugendes Magnet anzieht, sondern er ist zudem ziemlich intelligent und zielstrebig. Wenn der was erreichen will, dann schafft er es auch."
Unentschlossen sah ihn Muktu an. "Was bedeutet das jetzt genau für uns? Wie soll es nun mit Sunta weitergehen?"
Weise meinte Orin. "Auf jeden Fall müssen wir geschickt vorgehen, so dass der Alte keinen Grund sieht hier vorbei zu schauen."
Mit beabsichtigtem Vergnügen beobachtete Sunta die Zwei, als sie wie beiläufig erwähnte. "Wisst ihr eigentlich auch, dass er gerade aktuell keine Gefährtin mehr hat?"
Direkt neben dem Ausgang lehnte sich Muktu an die Wand. "Mir ist überhaupt nicht bekannt, dass er je eine Gefährtin beanspruchte."
Entschieden verteidigte Sunta den sympathischen Alten. "Na da kennen wir ihn aber besser. In den Bergen hielt er die Treue jahrelang zu einer einzigen Gefährtin. Nach ihrem schweren Verlust hat er keine andere Frau mehr in sein Quartier geholt. Bis heute soll sich daran nichts geändert haben."
Mit deutlichen Zweifel sah Orin Sunta offen entgegen. "Da kennen wir ihn wirklich anders! Es ist naiv zu glauben, dass er weiterhin keusch lebt. Jahrhundert lange Gewohnheiten lassen sich nicht so einfach abstreifen."
Verblüfft sah Sunta zu ihm hoch. "Wie alt werdet denn ihr denn?"
Ihre beiden Begleiter wechselten zuerst einen stummen Blick. Gespannt wartete Sunta geduldig ab. Schliesslich verriet ihr Orin. "Über vierhundert Jahre sind bei uns keine Seltenheit." Verriet er wage. Genauere Details behielt er lieber bei sich, also hackte Sunta nicht weiter nach. In den folgenden Minuten verfolgte sie aber gespannt, wie die Gesichtszüge ihrer Begleiter mehrfach wechselten. Begriff das die Zwei einen ziemlichen heftigen Dialog miteinander ausfochten. Am Ende schnaubte Muktu empört. Höchst widerwillig nahm er Orins Botschaft an. Orin nickt verabschiedend Sunta zu. "Hab noch andere dringende Verpflichtungen. Ihr zwei werde euch schon arrangieren." Ehe Sunta, ein Danke formte, rauschte er schon an dem Türvorhang vorbei. Unvermindert glomm das Feuer in Muktus dunklen Augen. Nachdem er sie zudrückte, schien er innerlich auf zehn zu zählen. Gezähmter blickte er daraufhin Sunta an. "Kannst du aufstehen." Es klang mehr nach einem Befehl.
Verwundert rutschte Sunta an die Bettkannte. Sobald ihre blanken Zehen den kalten Boden berührten verzog sie das Gesicht. Praktisch lautlos glitt Muktu an ihre Seite. Mit der Schuhspitze schob er etwas unter dem Bett hervor. Lächelnd erkannte Sunta ein paar praktische Sandalen mit zwei dünnen Riemchen. Die dunkelbraunen geflochtenen Riemchen waren eindeutig aus Leder. Das Material der Schuhsohle war jedoch aus einer ihr unbekannten getrockneten Pflanzensorte hergestellt. Zäher als Leder und weicher als Holz passte es sich wunderbar ihrem Fuss an. Na ja, etwas kurz geraten waren sie schon. Sie schmunzelte als sich ihre Zehen halb über den vorderen Sohlenrand hinausstreckten. Sie nahm es gelassen, solange sie von der Kälte des Steinbodens verschont blieb. Ausserdem meisselte man den harten Boden nicht gerade perfekt ebenmässig. Beruhigt stellte sie fest, dass auch ihre Bandagen hielten. Unsicher stelzte sie die ersten Schritte zum Ausgang. Muktu machte keinerlei Anstalten ihr zu helfen, und das kam ihr gerade Recht. Hauptsache er sah sie nicht mehr so tiefgründig feindselig an. Trotzdem fuhr ihr ein leichten Schauer den Rücken hinunter, als sie dicht an ihm vorbei in den Gang trat. Es lag einfach an seiner gewaltigen, ausströmenden Kraft. Sie war froh über jeden Schritt Abstand zu ihm.
Genau wie in ihrem Zimmer spendeten die kleinen geruchslosen Öllämpchen auch hier Licht. Anders als im Berg allerdings in weiten Abständen. Wenigsten hier bestand der Boden grösstenteils aus zusammengesetzten flachen Steinen. Wie ein grobes, dunkelgraues Mosaik, ein Steinfluss der einem verleitete mitzufliessen. Das dubiose Licht gab den Schatten tatsächlich eine fliessende Bewegung.
Schwerelos spazierte Muktu voraus. Sunta viel auf, dass wirklich nur ihre Schritte an die seitlichen Wände hallten. Zum Glück mass sie kaum bescheidene 1,6 Meter Körperlänge. Fatale zehn Zentimeter mehr und sie hätte gebückt die Höhengänge hinauf spazieren dürfen. Je mehr der Gang aufwärts nach oben führte, desto wärmer wurde es. Vor allem roch sie bald den markanten Drachengeruch von weitem. Muktu hielt sich selber ein Tuch schützend vor die empfindliche Nase. Sunta die wusste, wie erbärmlich Schweine stanken, hielt es gerade so aus.
In einer kleinen, engen Halle lag Mika gänzlich ausgestreckt da. Ein dunkler Haufen lebendige Masse die regelmässig geräuschvoll atmete. Eindeutig war der Raum viel zu klein für einen erwachsenen Drachen. Die Flügel weniger als die Hälfte ausgestreckt. Höchstens kriechend war es für den Drachen möglich sich zu bewegen.
Muktu zupfte Sunta am Hemd sicherheitshalber in seine Nähe. Er deutete auf die gegenüberliegende Wand wo Mikas Schwanzflosse endete. "Ihr hattet unwahrscheinlich Glück. Nur wegen einem kleinen Missverständnis war das Tor noch offen. Eine Minute später und das Tor wäre geschlossen gewesen. Ihr seid so niedrig auf dem Radar geflogen, dass wir den U-890 gar nicht erfassten. Ausserdem kannst du froh sein, dass ich zur Kontrolle vorbeikam. Das hat dir wörtlich den Hals gerettet. Meinen geprellten Rücken spürte ich noch jede Nacht. Das hat verdammt Wehgetan."
Obwohl er eine schlimmen Dialekt benutzte, verstand ihn Sunta und lächelte entschuldigen ihm entgegen, begleitet von einem leisen. "Verzeihung, ich habe das nicht absichtlich geplant."
Mürrisch zog Muktu sie, zwischen dem freien, schmalen Spalt nach vorne zu Mikas schnaufender Schnauze. Deutete auf eine Holzkiste, ganz vorne an der Wand. "Aufmachen. Darin das gebündelte Kraut diesem Monster vor die Nase halten. Pass auf, dass du selber nicht zuviel davon einatmest. Die stechenden Dämpfe können von harmloser Übelkeit bis bissige Kopfschmerzen auslösen. Es sollte höchsten eine Minute dauern bis das Riesenvieh aufwacht. Ich hoffe du hast sie nach diesem Zeitpunkt unter Kontrolle." Wie abgesprochen grollte ein tiefer gurgelnder Laut durch den Raum. Sunta staunte. "Wow, die hat echt Hunger. Müssen wir nicht abwarten was deine höhergestellten Leute entscheiden wegen dem Toröffnen"
Wieder störte das überlegene Lächeln die ebenmässigen Gesichtszüge Muktus. Andernfalls fand ihn Sunta durchaus attraktiv. Doch der flüchtige überhebliche Ausdruck vertrieb alle anfänglichen Sympathien. Er zeigte auf die andere Seite der geschlossenen Flügeltüren. Dort erkannte Sunta ein kleines, gefärbtes Licht an der Seitenwand. Wie ein ängstliches Glühwürmchen flackerte es zeitweilig auf. Mukut erklärte. "Es gibt keine höhergestellten Leute als mich. Über mir entscheidet der einzige Anführer, den ich akzeptiere. Also,grünes Licht heisst Ausgang erlaubt. Bei Rot halte deine Füsse lieber hinter der gezogenen Linie." Er schien eine versteckte Andeutung zu machen die sie nicht entschlüsselte. Als er ihr eine Schubs Richtung Holztruhe gab, zögerte sie. Ein hungriger Drache war echt Gefährlich und sie besass keine rettenden Chilichoten. Selbst Muktu zog sich in den sicheren Hintergrund zurück. Allerdings klopfte es leise im Dunkeln und auf einmal zog sich praktisch geräuschlos das Haupttor innert wenigen Sekunden auf. Erstaunt mit welcher präziseren Bewegung das Tor so weit aufsprang, blieb Sunta erst stehen. Doch nun war der Weg frei für einen mürrischen Drachen. Rasch hob sie den schweren Deckel. Knallte ihn kurzerhand freiwillig wieder zu. Das stank wie eine höllische Pest! Daher erst einmal tief einatmen. Lieber zweimal die Lungen vorher füllen. Hemdsaum bis über die Nase hochziehen. Mühsam öffnete sie abermals den Deckel. Ihre Augen begannen zu tränen, als sie leicht bückend nach dem Kräuterbüschel griff. Hastig wedelte sie mit dem halbtrockenen Büschel vor Mikas Nase herum. Durch die fast luftdichte Kiste blieb das frische Grünzeug anscheinend länger saftig. Dennoch rieselten ein paar trocken Blattränder herunter. Gerieten in den schweren Sog von Mikas Nüstern. Im Schlaf rümpfte die erst die Nasenflügel. Die Lefzen hoben sich angewidert. Weisse Eckzähne blitzten hervor. Das beunruhigte Sunta weniger. Vielmehr störte sie das ruckartige hastige Einsaugen der Luft. Als Mika gar die ganze Vorderfront ihrer Zähne hochzog, blickte sich Sunta panisch um. Zu deutliche die letzte Niesattacke in Erinnerung und sie stand hier an vorderster Front als Zielscheibe. Kurzerhand liess sie die Kräuter fallen. Mit einem aufgeregten Kreischen schlüpfte sie selber in die schützende Kiste. Keine Sekunde zu früh. Als der Deckel nach unten knallte, brustete Mika die aufgestaute Luft orkanartig nach draussen. Klebriger grüner Schleim haftet über der halben Wand. Während der aufwachende Drache sich über die ungewohnte Enge verwunderte, hörte er ein leises Klopfen. Mit wachsamen Augen verfolgte sie wie sich, wie in Zeitlupe, der Deckel von der massiven Kiste hoch. Anfänglich entspannt saugte Mika den bekannten Duft ihres Flohes ein. Dann brannte ein Loch in ihrem Magen wie Säure durch die Därme. Schlagartig erwachte das wilde Tier in ihr. Zwischen Nützlichkeit und Beute entschied ihr natürlicher Instinkt rascher als ihr kleineres Gehirn vermochte. Grollend mit aufgesperrten Rachen zielt sie den kleinen Happen an.
Einzig der schrille Rufe liess sie innehalten. "Futter, Futter!" Ja, das kannte sie. Futter bedeutete bei ihrem Floh, dass eine lebende Delikatesse in Mehrzahl auf sie wartete. Die ausgestreckte Hand zum Tor! Mehr Aufmunterung brauchte Mika nicht. Ausserdem erwartete sie dort Frischluft und nicht der unerträgliche Gestank der von dem Kräuterbüschel ausging. Innert wenigen Sekunden quetschte, robbte sich der Drache wie eine steife Echse rückwärts aus der engen Garage. Selbstverständlich stiess sie in der Eile ihren Kopf an der niedrigen Decke an. Knurrend biss sie gereizt in Deckentür. Herunterrieselnder Sand vermieste aber ihren voreiligen Strafeakt. Verstimmt erhob sie sich alles andere als elegant in die kühle Nacht hinaus. Wäre sie ein Mensch gewesen, wäre ihr wüstes Schimpfen noch Kilometerweit zu hören gewesen. Stattdessen erfüllte ein Niesen abwechselnd mit tiefem Brummen die Nacht. Ein höchst angepisster Drache war draussen unterwegs und selbst Sunta fürchtete sich seit langen gehörig. Freiwillig würde sie im Moment nie einen Fuss vor die sichere Höhle setzen. Sehnsüchtig blickte sie dennoch in den Sternenhimmelhoch wo die unzähligen Lichter auf sie hinabfunkelten. Wie immer wunderte sie sich über deren seltsame Anordnung. Zuhause hatte sie als Kind öfters eine Handvoll Reis auf den dunklen Boden geworfen um Beweise zu finden, dass die Sterne auch nur zufällig gewürfelt am Himmelszelt hingen. Jedoch stellte sie fest, dass die Anordnung der Sterne eine tieferliegende Mathematik besassen die sie nie begreifen konnte. Der Sinn der Sternenstruktur blieb ein geheimnisvolles Rätsel für das nicht einmal der Schullehrer eine befriedigende Erklärung fand.
Muktu verstand ihren sehnsüchtigen Blick wieder falsch. "Vergiss es! Wenn du jetzt rausgehst, lassen wir dich Morgen in der glühenden Hitze verrecken."
Schockiert sah sie zu ihm hinüber. "Sehr Gastfreundlich. Darf man sich nicht einmal den wunderschönen Himmel ansehen, ohne gleich Morddrohungen zu erhalten?"
Der verschlossene Krieger wirkte einfach nur genervt. Verschränkte die Arme vor seiner Brust und schloss die Augen. Die Stille der Wüste war für Sunta unheimlich. Kein Zirpen einer Grille, kein vertrautes Rascheln der Blätter oder Gräser. Ja nicht einmal den hektischen Flügelschlag einer Fledermaus war zu vernehmen. Umso mehr zuckte sie zusammen als Muktu ziemlich nach bei ihr stehend fragte. "Lebt dieser berüchtigte Klump wirklich alleine? Zeigt er nicht für jemanden ein gewisses Interesse?"
Sunta zögerte ihm die Wahrheit zu sagen. "Na ja, es gibt da schon ein Abkommen für eine Auserwählte. Eine offene Sache zwischen den Beiden. Allerdings sehe ich da nur schwache Hoffnung." Deutlich weckte das Muktus Interesse. Ehe er nachfragte, näherten sich leise Schritte aus dem Gang. Für Sunta hatte es die Lautstärke von Katzenpfoten auf glattem Boden. Diese Leute gingen fast schwebend. Was Sunta erblickte liess sie offen staunen. Kaum 1 Meter 40 mass die zierliche Frau, aber einen voll weiblichen Körper der selbst sie zu einem ungewohnten Neid verleitete. Das knappe anliegende Leder schmiegte sich wie eine zweite Haut um die Körperbetonte Regionen. Geschickt gewählte Grüntöne verstärkten die Tiefe des wohlproportionierten Busens genauso wie die schlanke Taille. Der Lederschnitt selber war freizügig und gewagt. Niemals hätte Sunta so etwas gewagt zu tragen. Nichtmal wenn sie wüsste, ganz alleine auf ihrem Hof zu sein. Selbst beim getrennten Baden, unter ihresgleichen, trugen Frauen nie so wenig Stoff. Ein geschmeidiger Gang einer Raubkatze. Vor allem ein gesundes Selbstbewusstsein strahlte diese dunkelhäutige Frau aus. Noch nie zuvor sah Sunta so viel Stolz und gleichzeitig Offenherzigkeit bei einer Frau. Es störte sie nur das undefinierbare Alter. Ihr Gefühl vermittelte eine gewisse Vertrautheit, wie zu einer liebevollen Mutter.
Aufgewühlt betrachtete Sunta die Fremde. Fast ein bisschen schockiert, da sie durch den freigelegten Bauch, straffe Bauchmuskeln erkannte. Keiner Frauen aus ihrem Dorf besass etwas Vergleichbares. Nicht einmal die gewöhnlichen Bauern. Malim der Schmied und der Vater von den Bachschwestern, ein kräftiger Baumfäller bildeten da die einzigen Ausnahmen. Aber eine Frau mit so einer stählernen Eleganz? Das gab Sunta du denken. Vergeblich versuchte sie die Neue nicht anzustarren. Diese reagierte mit einem nachsichtigen Lächeln. Eine Stimme wie Samt. "Ja, wir sind ziemlich verschieden. Wobei mein Stamm noch einmal sich von dem Wüstenvolk hier unterscheidet." Erriet sie geschickt Suntas Gedankengänge. Dunkle, fast schwarze Augen blickten gegen alle Erwartung sanft und freundlich. Feingliedrige Finger streckte sich begrüssend der Hirtin entgegen. "Akny. Heilerin und die meisten nennen mich sozusagen die Mutter von diesen Stamm."
Ehrfürchtig berührten Suntas Finger die warme Handfläche. Spürte gleich ein angenehmes Kribbeln als ob willkommene Energie zu ihr rüber strömte. Verwundert liess sie ihre Hand locker in der erstarrten Begrüssung. Akny zog erfreut ihr Hand als erstes zurück. "Schön, dass du keine Angst davor hast oder gleich entrüstet Hexe schreist. Da kenne ich ganz andere hässliche Reaktionen."
"Eh,"Sunta kam nicht mehr aus dem Staunen raus. "Dabei ist das doch eine wunderbare Sache." Sachte rieb sie ihre eignen Handflächen aneinander und genoss dabei weiterhin die aufgeladene Wärme dazwischen. Jetzt war ihr verständlich warum diese Heilerin mit so wenig Stoff herum spazierte. Bei der ausströmenden Wärme!
Mit einer unterdrückten Erheiterung lächelte Akny. "Nicht ganz richtig. Mein Stamm kommt aus der Savanne der heissen Winde. Bei uns ist es üblich so bequeme Mode zu tragen. Für die Anwohner hier war es allerdings Anfangs auch sehr gewöhnungsbedürftig. Und ja, hin und wieder kann ich Gedanken auffangen und lesen. Jedoch tue ich das nur selten und für gewöhnlich behalte die unfreiwillige Informationen für mich." Dabei zwinkerte sie Sunta vertraulich mit einem Auge zu.
"Okay," Sie braucht einen Moment um das zu verdauen. Fand es sehr höflich, dass sie immerhin vorgewarnt wurde.
"Und wie geht es dem alten Klump?" Nahm es die Heilerin wunder. Hinter ihr kam aus dem dunklen Gang Orin entgegen. War ja klar, dass ihn das Thema auch interessierte.
Sunta lächelte. "Entsprechend gut. Er ist ein angesehenes Mitglied im obersten Rat."
Wohlwollend nickte Orin. "Das war zu erwarten. Es ist nur verwunderlich, ihn auf keinem aktiven Beutezug anzutreffen." Um ihre Verlegenheit zu verbergen blickte Sunta einfach zu dem klaren Sternenhimmel hoch. Langsam fröstelte sie unter den feuchten Verbänden. Hoffte auf die baldige Rückkehr einer satten Mika. Ein kecker Ellbogen stiess sie leicht an ihren Arm. Mit Grübchen in den Wangen wollte Akny wissen. "Auf wen ist der Alte scharf? Jemand den du kennst oder macht er die weitere Umgebung unsicher." Ohne sich von den funkelnden Sternen abzuwenden rollte Sunta bloss mit den Augen.
Diesmal öffnete Akny verwundert ihre vollen Schmolllippen. "Sag bloss! Ich will dich ja nicht beleidigen, aber er hat einen ausgesprochenen merkwürdigen Geschmack bekommen. Oder ist es gerade der seltene Reiz, dass du ihn als einzige abweisst?"
Es zuckte belustigt in Suntas Mundwinkel. Akny bewiess ziemlich viel Scharfsinnigkeit. Dann schüttelte sie den Kopf. "Wohl eher wegen meiner seltenen Blutlinie. Sie haben kaum Kinder in den Bergen. Das scheint abhängig vom Sonnenlicht zu sein. Dann kam ich als Landkind unter dieses Bergvolk. Daher haben einige Interesse eine Familie mit mir zur gründen. Falls ihr in Eurem Stamm ein paar Frauen zu viel hab, kann ich einen Ausflug zu den Bergleuten durchaus empfehlen. Auch um Handel zu betreiben. Sie haben den weichsten Stoff von erlesenster Qualität, wie man ihn auf diesem Planeten sonst nicht findet. Ausserdem züchten sie Pilze die wunderbar schmecken und die vor allem unter der Erde gedeihen. Wenn ihr wenig zu Essen habt, wäre das doch eine interessante Alternative." Zum ersten Mal bemerkte sie ihren eigenen nagenden Hunger.
Beschwichtigend legte Akny ihre rechte Hand auf Suntas Bauchhöhe. Nach einem wärmenden Schub verschwand das verkrampfte zusammenziehen ihrer Muskeln genauso wie ihr Hunger. Akny verkündete ihr. "Nachdem der Drache zurück ist, gibt es Essen in deinem Quartier. Heute Abend beratet ich mit meinem Mann über neue Situation. Morgen Abend findet eine grosse Feier statt, da die verrückten Zwillinge Geburtstag feiern. Daher wird vermutlich erst übermorgen die grosse Ratsitzung stattfinden, die über den Verlauf deiner Zukunft entscheidet. Immerhin sind wir wegen dem alten Wappen verpflichtet dich zu schützen."
Abwehrend hob Sunta die Arme. "Ich glaube nicht, dass dies im Sinne von Pol war. Er hat mir die Weste bestimmt ohne diesen Hintergedanken geschenkt. Meine Kleiderwahl war einfach beschränkt und er sagte, er bräuchte dieses alte Stück nicht mehr."
Orin warf lauter als Beabsichtigt hinein. "Von wegen! Die Familienwappen trägt man nicht einfach so leichtfertig. Das lernt man die nächste Generation. Sogar bevor sie in die Kleider hineinwachsen. Unterschätze niemals die Intelligenz der alten Familien. Diesem Pol muss viel an dir liegen, dass er dir das schenkte. Es war eindeutig geplant, dass du dank diesem Symbol Schutz erhältst, sobald jemand das Wappen erkennt. Einzig Blutverwandten oder Verlobten stehen in der Regel diese seltenen Gegenstände zu. Gedacht zur besseren Erkennung, oder zu deren Schutz."
Muktu raunte Sunta verschwörerisch zu, als er hinter ihr stand. "Der Typ betrachtet dich als sein persönliches Eigentum." Es freute ihn natürlich, dass sie das ziemlich schockierte. Nur hielt sie dies, nach einer kurzer Überlegung, für unglaubwürdig. So fügte er erklärend hinzu. "Er hat dir nicht einfach eine unauffällige Kette geschenkt mit dem Familienwappen drauf, sondern ein ganz besonderes Kleidungstück. Diese gepolsterte Lederweste trägt man nur auf Versammlungen oder in Notfällen um draussen zu überleben. Darum ist das gute Teil nämlich gepolstert. Es ist zu heiss um damit gewöhnliche Arbeit zu verrichten. Dient aber zum Schutz vor Messerstichen. Was bei unterirdischen Versammlungen wo es manchmal zu hitzigen Unstimmigkeiten kommt, sehr nützlich sein kann. Oder hält warm in den Nächten, wenn man auf der Flucht ist. Kommt dir das nicht bekannt vor?"
Langsam nervte Sunta sein überlegenes Gehabe. Brav schluckte sie ihren Ärger hinunter und spielte gleichgültig. Es bestand die Möglichkeit das Pol mit voller Berechnung ihr die Weste schenkte. Ehrlich gesagt waren ihr Pols versteckte Absichten egal. Sie war einfach dankbar, dass er ihr was solides und gleichzeitig praktisches schenkte. Ausserdem überzeugte sie Schönheit und Qualität der Weste. Da sie Muktu unablässig im Auge behielt hob Sunta arrogant eine Augenbraue. Im kühlen Ton gab sie zurück. "Schön. Dann bekommt der gute Pol eben ein schönes Geschenk, wenn ich zurück bin. Schliesslich hat er eine Belohnung verdient. Ihr hättet mich ja sonst in der Sonne qualvoll schwarz grillen lassen."
Auf einmal quetschte sich Akny zwischen die zwei Streithähne. "Na na. Es liegt in beiden Aussagen was Wahres. Muktu bist du so lieb und organisiert das Abendessen für Sunta." Die schmeichelnde Stimme liess gar keine weiteren Ärger mehr aufkommen. Obwohl ihm die bittere Medizin nicht schmeckte, nickte ihr Muktu unterwürfig zu. Wie ein wandelnder Schatten huschte er davon.
"Sunta, das eben ist unser schärfster Wächter und in letzter Zeit wirkt er etwas unterbeschäftigt. Nimm seine mürrische Art nicht zu sehr zu herzen. Spätesten nach morgen Abend wird er wieder lockerer werden. Wie geht es deiner Haut? Brennt es noch?" Erleichtert winkte Sunta ab. "Nein, die Kamile wirkt wunderbar. Ich wundere mich nur wo Mika solange bleibt. Normaler Weise ist sie effizienter bei der Futtersuche."
Ratlos blickte sie in die Stille der Nacht hinaus. Orin faltete seine trockenen Hände ineinander. "Kümmerst du dich nur um den Drachen oder noch ist da noch eine andere Verbindung zum Bergvolk?"
Eindeutig wollte er mehr über Sunta in Erfahrung bringen. Seine angenehme Stimme liess ihn sympathischer auftreten als den forschen Muktu. Offen plapperte Sunta vor sich hin. "Anfangs startete es mit dem Drachen. Da ich über Landwirtschaft Bescheid weiss und die Äcker von unseren Felder bestellen kann, ist natürlich auch ein kleiner Vorteil. Vor allem da ich anscheinend die einzige Überlebende von meinem Dorf überhaupt bin. Das hat auch das Interesse von den Bergleuten geweckt. Sie boten mir Schutz. Allerdings ist es für mich unvorstellbar in einer Höhle oder unter der Erde zu wohnen. Auf Dauer ist dieses eingesperrt sein nichts für mich. Selbst Pol, der mich auf meinem Land besucht hat, hat zugegeben, dass er lieber draussen wohnen möchte. Aber es ist eben bekannt, dass alte Gewohnheiten schwer abzustreifen sind. Festgefahrene Lebenserfahrung ändert man selten von heute auf morgen. Pol bevorzugt den massiven Schutz im Inneren der Berge. Ich liebe den Schutz der dichten rauschenden Wälder. Das Eingreifen der Kataner hat verhindert, dass uns überhaupt eine Wahl blieb. Ich hoffe nur, diese U- Gleiter finden nie den Zugang in die Berghöhlen."
Nachdenklich rieb Orin seine Handflächen aneinander. "Es gibt da was du vielleicht wissen solltest. Drei Tage sind eine lange Zeit. Wir haben lange gerätselt woher so ein riesiges Geschöpf wie Mika herkommt. Uns war klar, dass es ein verborgener Ort unter der Erdoberschicht sein muss. Also haben ein paar von uns ihre Sensoren etwas weiter hinaus geschickt. Was wir gefunden haben wird dir nicht gefallen. Aus der nördlichen Region, wo die grossen Schneeberger liegen, gab es heftige Kämpfe. Jemand von uns hat Visionen gesehen, dass riesige Geschöpfe wie Mika mehrere U-790 angriffen und dabei kläglich scheiteten. Es gibt auch positive Hinweise. Nämlich, dass die Drachen nicht wie Mika aussahen sondern von braun bis grüne farbige Schuppen aufwiesen. Es sind also keine Verwandten..." Er stutze als er Suntas traurigen Blick sah. Sie schüttelte sachte den Kopf. "Nein, das ist bedauerlich eine falsche Vermutung. Mika ist die einzige mit den schwarzen Schuppen. Niemand kam mit ihr klar. Man wollte sie längst töten, weil sie ein bisschen schwierig im Umgang ist. Einzig die seltene schwarze Farbe hat ihr Leben verlängert. Vermutlich wollte man sie, genau wegen diesen einmaligen Schuppen, zu früh als Zuchtdrachen einsetzen. Was gründlich daneben ging. Soweit, dass sie nicht mal andere Artgenossen in ihrer Nähe duldet. Weiss man ob es überlebende gab?" Fragte sie besorgt.
Beruhigt nickte Orin. "Sie haben sich tiefer in den Berg zurückgezogen. So tief das wir ihre Energien nicht mehr wahrnehmen. Von den Drachen fehlt aber jede Spur. Und... deiner kommt gerade zurück. Ich kann sie fühlen. Oh," staunte er mit einem Schmunzeln im Gesicht. Worauf es Akny ihm gleichtat und ihre Konzentration nach draussen verlegte. Doch Sunta vernahm nicht den geringsten Flügelschlag.
Mit einem breiten Lächeln im Gesicht huschte Akny an ihr vorbei in den Korridor zurück. "Ich hole den Rollwagen," verabschiedete sie sich.
Verwirrt wandte sich Sunta an den übrig gebliebenen Orin. "Bringt sie einen Verletzten mit?" Orin lachte trocken. "Kompliment, du hast Mika hervorragend erzogen." Verriet er geheimnisvoll. Behielt den Rest der interessanten Information für sich. Kaum eine Minute später vernahm Sunta erleichtert das Rauschen von trägen Schwingen. Gemütlich wenige Meter über Boden flog Mika dahin, dass ihre Flügelspitzen sogar gelegentlich den Sand berührten. Sunta fiel rasch der Groschen. Natürlich weil der aufgewärmte Sand vom Tag die gespeicherte Wärme abgab. Unheimlich wie ein schwarzer Todesbote, dessen Umrisse die Sterne verdeckte, kam Mika völlig gelassen daher. Hüpfte die letzten Meter vor dem engen Tor. Argwöhnisch mass sie die ungeliebte Enge. Gezwungenermassen senkte die den Hals und kroch, den Bauch über den Boden schleifend, hinein in das unbequeme Versteck. Unangenehm füllte ihr Atem rasch den Raum. Es stank nach Blut wie ekligem Katanersaft. Richtig staunte Sunta erst Recht, als Mika den Rachen weit öffnete und eine grosse noch lebende Beute ausspuckte. Dieses langbeinige Tier war Sunta glänzlich unbekannt. Es glich einer hellbraunen, kurzhaarigen Ziege mit einem schwarzen Streifen über dem Rücken. Vor allem die zwei gedrehten Hörner, die ihm bis zur kurzen Schwanzspitze reichte, verschafften Respekt. Zudem erreichte dieses Tier locker die Grösse von einem Pferd. Zitterig sprang das verstörte Tier auf die Beine. Feucht von Mikas Spucke glänzte sein Fell im Öllicht. Es gab keinen Ausgang als den dunklen Korridor, doch da stand Sunta. Orin zückte einen scharfen Dolch unter den weiten Falten seines Umhangs hervor. Der Alte war alles andere als Harmlos. "Erlösen wir das Tier bevor es sich von seinem Schock erholt," meinte er zu Sunta. Arglos machte er einen Schritt auf das Beutetier zu, dass ihn mit dunklen Augen anstarrte. Sollten sich die Hörner senken, wäre Orin in Lebensgefahr. Daher wollte er rasch und umsichtig handeln. Allerdings machte Orin die Rechnung ohne Mika. Bevor er den seitlichen Hals der Gazelle erreichte, schnellte ein Fuss von Mika dazwischen. Mit den ausgefahrenen Klauen schleuderte sie die Beute sekundenschnell zu Boden, ohne sie zu verletzten und dann tat Mika etwas völlig unerwartetes.
Begleitet von einem tiefen Grollen fletschte sie drohend Orin ihre spitzen Zähne entgegen. Klugerweise entschied sich dieser erst einmal nicht zu bewegen. Nachdem ihn die gereizte Mika keinen Sekundenbruchteil aus den Augen liess, flüsterte Orin durch die Lippen gepresst. "Beansprucht die das Beutetier für sich alleine?"
Selbst Sunta verharrte in einer Schockstarre. Schutzlos stand sie wenige Meter von diesem zornigen Drachen. Kein Messer und ohne Chilichoten. Wie sollte sie da ein Eingreifen überleben? Denk nach, mahnte sie sich streng. Warum tat Mika plötzlich so aggressiv? Langsam trat sie neben Orin. Alle Feindseligkeit richtete sich eindeutig einzig auf Orin. Daher schluckte Sunta einmal leer um ihre Sprache zu finden. Ganz sanft fragte sie. "Mika was ist los? Was stört dich?"
Weiterhin ein strenges Auge auf Orin, schleifte Mika mit den langen Krallen die Beute kurzerhand zu Sunta hinüber. Langsam begriff Sunta. "Es scheint so, dass Orin wohl nicht zu deinen Vertrauenspersonen gehört. Soll ich es Töten und dir deinen Anteil überlassen?" Mit einem Naserümpfen entliess Mika die halb betäubte Gazelle. Wie in Zeitlupe entfernten sich die gefährlichen Tatzen. Sunta zweifelte keinen Moment, dass diese kräftige Mordinstrumente schlagartig zurückkehrten, sollte Orin das Geschenk für sich beanspruchen. Das Geschenk gehörte klar, loyal zu Sunta. Erleichtert nahm sie den scharfen Dolch mit der gekrümmten Klinge aus Orins verkrampften Hände. "Orin, ihr trinkt doch kein Blut oder so? In manchen Familien sieht man nicht gerne wenn man das Blut verschwendet, daher frage ich lieber."
Der Arme wagte nur zögerlich laut zu sprechen. "Nein, mach was du für richtig hältst."
Doch selbst für Sunta brauchte es viel Überwindung ein so grosses Tier dem letzten Ende zuzuführen. Der Krieg mit den Katanern lernte sie verstärkt das Leben in jeder Form zu achten. Streng erinnerte sie sich an die hier hungernden Leute. Es gab eben eine riesige, quicklebendige Mika oder diese bereits halbtote Gazelle. Da brauchte sie überhaupt nicht zu überlegen. Rasch trat sie zu dem in Schockstarre zittrigen Tier. Muktu mochte sie vielleicht für verweichlicht halten, doch sie dankte erst leise, in ihrer eigenen Muttersprache, der Gazelle und wünschte ihr eine gute Zeit im Jenseits. Dann tastete sie zielstrebig nach der Hauptschlagader am Hals und schlitzte sie auf. Erleichtert, dass sie eine scharfe Klinge besass. Minuten später deutete sie auf das tote Tier. "Mika, nimmst den Kopf und den Hals," bat sie den Drachen um Hilfe. Dieser leckte vorher über das verdreckte Fell, als wollte die ehemalige Beute zum Leben animieren. Es knackte im Raum als der Drache geschickt die langen, ungeniessbaren Hörner erst abdrehte und dann herausriss. Mit einem sauberen Biss nahm sie ihren Anteil. Hinter Sunta tauchte auch Akny mit einem schlichten Holzwagen. "Wow," sie äugte kritisch zu Mika hinüber. "Da hat jemand kräftig zugelangt. Egal, der Rest reicht für zweit Tage. Praktisch dieser Drache. Gibt es davon nicht eine kleinere Variante?"
Lachend verneinte Sunta. "Aber wenn ihr wollt, kann man sie durchaus länger hinaus schicken um zu jagen. Vor allem tagsüber verkürzt sich die Jagdzeit. Mika, wenn jemand kommt und Futter sagt, gehst du raus und suchst dir war. Findest du noch war für uns, umso besser."
Ganz wörtlich schien sie die verspielte Drachendame nicht zu verstehen. Sie hielt nur kurz inne um dann wieder den Schädelknochen in ihrem Rachen hin und her zu schieben. Wie ein Bonbon lutschte sie daran herum. Eine Freizeitbeschäftigung der anderen Art. Angewidert wandte sich Orin ab. Half stattdessen lieber Akney das restliche Fleisch auf den Wagen zu heben. Innert Kürze verschwand sie Richtung Küche. Orin selber schloss die mächtigen Torschleusen. Es rauschte kurz als Wasser in einen Trog auf der Seite floss. Mika quetschte sich herum um es gierig aufzusaugen. Leckte sich zufrieden die Schnauze sauber. Orin selber zog Sunta kurz am Ärmelhemd. Leise ohne Worte folgte sie seinem Rücken nach. Wusste das ihre Freizeit gerade ablief und er sie zu ihrem Quartier zurückbrachte. "Orin ihr habt demnach genug Wasser? Das mitten in einer Wüste?"
"Ja, unsere Gänge münden in einen unterirdischen See. So klar, dass nicht einmal Fische darin überleben, weil das Futter fehlt. Wie du klug bemerkt hast, sind die feuchten Höhlen wirklich für Pilze geeignet. Darum ist unsere Speiseliste auch ziemlich Einseitig. Wir erwarten nur einmal in der Woche, von den Jägern, eine Ladung Fleisch. Die Wüstengazelle dürfte am morgigen Geburtstag ziemlich willkommen sein." Er seufzte besorgt. Sogar Sunta dachte nach. "Ich bleibe gerne in meinem Zimmer. Ich habe nicht so gerne viele Leute um mich." Wollte sie ihn um eine Last befreien. Diesmal erreichte das breite Lächeln seine dunkelnden Augen. "Sunta, das kannst du vergessen. Den erstens ist es der Geburtstag zwei aufgedrehter Zwillinge, denen entkommt niemand. Schon gar nicht, wenn frisches Fleisch heute und morgen zur Verfügung steht. So etwas wirft Fragen auf die Beantwortet werden müssen. Daher wirst du dem nicht entkommen. Ich hoffe nur Morgen bleibt genug Zeit dich vorher in unsere Lebensweise einzuweihen, dass du nicht gar so schockierst sein wirst. Oder anders herum, dich nicht blamierst." Er deutete auf den dunkelgrauen Vorhang, den er mit einer Hand zur Seite schob. Eine einladende Geste, dass er ihr den Vortritt anbot. Als sie in ihr altes Zimmer hinein schritt, entdeckte sie Muktu in einer Ecke, der wartend auf einem kleinen Schemel sass. Ausserdem dampfte auf ihrem Bett ein grösserer, hölzerner Topf. Hinter ihr verabschiedete sich der Alte. "Muktu wird noch eine Weile hierbleiben bis du schläfst. Falls du Morgen vor uns wach wirst, bitte hier drinnen bleiben bis dich jemand abholt. Für die Toilette..." Er deutete auf zwei Eimer in der Zimmerecke. In einem war viel Sand, im anderen nur wenig. Rasch war Sunta deren Funktion klar. Sie nicke.
"Dann eine gute, erholsame Nacht."
Bevor sie ein Dankeschön erwiderte, war er schon verschwunden.
Sie setzte sich auf ihr Bett nieder und nahm den dickwandigen Topf auf ihre Beine. Eine feingeschnitzte Kunst die wie ein Puzzle zusammengefügt wurde. Erst die Feuchtigkeit im Inneren, liess es undicht werden. Nach einem kleinen, lautlosen Gebet begann sie dankbar die Pilzsuppe, mit der Holzkelle zu löffeln.
"Schmeckts?" Unerwartet leise die Stimme von Muktu. Gelangweilt erhob er sich von seinem Holzschemel. Mit jedem Schritt den er näher kam, spürte Sunta die zunehmenden Energiewellen. Dieser Wächter war keinesfalls ein einfacher Aufpasser. Das steckte mehr dahinter. Da sie Angst hatte die feine Suppe zu verschütten, blieb sie einfach sitzen. Platz gab es ja genug neben ihr. "Ja, danke. Willst du auch was davon?" Viel ihr verspätet ein, höflich zu sein. Belustigt zuckte es kurz in seinem Mundwinkel. "Nein, ich habe meine heutige Ration schon bezogen. Iss brav auf!"
Vermutlich lag es an seinem begrenzten Sprachschatz dass sich Sunta dank seiner ungeschickten Wortwahl minderwertig vorkam. Während sie folgsam löffelte sprach er weiter. "Während der Nachtzeit wird hier nur eine Öllampe brennen. Falls man dich morgen umquartiert, wird es kein Licht mehr geben. Wir haben das heute ausnahmsweise genehmigt, damit du dich besser eingewöhnst. Diese Öllichter rauben uns nämlich den kostbaren Sauerstoff. Daher wird Nachts das Licht ganz weggelassen. Lass dir nicht einfallen im Dunkeln die Gänge zu erforschen. Ausserdem stinkst du mit deiner Kamillensauce dermassen, dass wir dich Kilometerweit im Tunnelsystem riechen. Tu uns also den Gefallen und verpesste nicht mit deinem Gestank die Gänge. Im Übrigen brauchen unsere Augen kein Licht um dich im Dunkel aufzuspüren!" Mit voller Absicht spielte er einige seiner Trümpfe gezielt aus, um sie einzuschüchtern. Insgeheim wusste Sunta, dass er noch weitere hohe Asse geheim hielt. Auch ohne die blöde Anspielung hätte sich Sunta nie alleine auf die andere Seite des Vorhanges getraut. Orins freundlicher Hinweis reichte ihr völlig.
"Selbstverständlich haben wir dem Trinkwasser von Mika wieder Schlafsaft beigemengt. Es lohnt sich also nicht sie zu besuchen, da sie solange schläft bis wir entscheiden sie aufzuwecken. Natürlich ist die Kiste mit den scharfen Kräuter fest verschlossen. Da kommst du nicht ran."
Langsam fragte sich Sunta was eigentlich Muktus Problem war. Statt sich aufzuregen, ignorierte sie ihn. Mit einem Schmunzeln reagierte sie auf sein heftiges Schnauben. Ihre Ruhe liess sie weiterhin verdächtig in seinen Augen werden. Ja, er vermutete sogar einen geheimen Plan, da er ihre unbeeindruckte Gelassenheit realisierte. Seine Bekannten respektierten seine Wünsche. Er besetzte einen höheren Posten wo man ihm zuhörte, wenn er sprach. Seine Bannsprüche waren gefürchtet, wenn er Streithähne kaltstellte. Ein paar alte Worte genügte und seine Zielscheiben erstarrten bis er sie nach seinem Gutdünken davon befreite. Niemand ärgerte oder forderte ihn zu Rangkämpfen heraus. Ihm gehörte der stellvertretenden Chefposten. Es kam öfters vor, dass junge Rebellen den Chef zum Spass testeten. Niemals wagte das einer bei ihm zu probieren. Man kannte seine überlegenen Fähigkeiten. Sein Interesse lag im Forschen, erkunden seiner unsichtbaren Magie. Von daher lehnte er den verantwortungsvollen Posten als Anführer ab. Er war der Denker, liebte Strategien und neue Wege um Pfade zu gehen, die vor ihm keiner betrat. Dann kam so eine einfache gestrickte Primatin daher und er wurde verpflichtet sie zu überwachen. Sunta war für ihn eine schwache Frau ohne jede Überraschung. So was weit entfernt von gefährlich. Er spürte keinerlei Gefahr weder durch Magie oder gewöhnliche Krankheiten und andere Erreger. Einzig ihr riesiges Schosshündchen war eine einzige Pest. Dieser monströse Drachen bereitete ihm Sorgen. Und es gefiel ihm überhaupt nicht, dass Suntas Worte ihn alleine zähmten. Vor dem Schlafsaft hatte er vergeblich versucht das Tier mit Liedern zu besänftigen. Doch dieser störrische Drache behielt stehts die Augen offen. Zum ersten Mal versagten seine magischen Worte. Nein, es kratzte ihn böse, dass Sunta diese tierische Waffe beherrschte und er nicht. Sie war im Grunde ein nichts, ein unwichtiges Staubkorn. Erst mit dem Drachen zusammen änderte sich das schlagartig. Kein Wunder kuschte sie nicht ängstlich von seiner Seite weg. Wer so ein Monster befehligte, brauchte ihn kaum zu fürchten. Vor allem blieb sie völlig ruhig, egal wie sehr er versuchte sie aus der Reserve zu locken. Ohne einen triftigen Grund durfte er seine magischen Worte nicht einsetzten. Ein missbrauchen hätte einen fatalen Rauswurf aus seinem Stamm zur Folge. Aus diesem Grund hielt er die Grenzen der Gesetze ein. Aber es reizte ihn weiterhin Sunta zu testen. Seine Gelegenheit kam schon noch, dass sie mit der entsprechenden Ehrbietung reagierte.
Ihr den ersten Sieg überlassen, wartete Muktu geduldig bis sie ihr Essen hinunter schluckte. Je mehr Zeit er ihr jetzt gab, umso schneller war er entlassen. Gegen ihr Wissen enthielt die Suppe nämlich auch ein paar Tropfen von dem Schlafkraut. Zwischen all den aromatischen Kräutern war es sogar für ihn schwierig den speziellen Geruch heraus zu filtern. Auf jeden Fall schien es den Drachen nicht zu stören, da er das Wasser gerne trank. Sunta wirkte auch höchst zufrieden mit der einfachen Mahlzeit. Wortlos nahm er den leeren Krug aus ihren Händen. Eindeutig wirkte die leicht bittere Medizin. Sie dankte ihm, und zog die Decke über ihre schmalen Schultern. Legte sich auf die Seite, ihm den Rücken zugewandt. Nach wenigen Minuten merkte er an ihren langsamen Atemzügen, dass sie schlief. Jetzt war der Zeitpunkt für ihn gekommen, sich den angenehmeren Dingen zu widmen, wie für die Festunterhaltung was zu proben.
Harmlos, geradezu unspektakulär startete der kommende Tag. Ausgiebig schliefen die Wüstenbewohner etwas länger da jeder ahnte was für ein kräftezerrender Marathon am Abend startete.
Entgegengesetzt wachte Sunta früher auf. Dankbar für das winzige Licht, das wie ein Glühwürmchen Zuversicht spendete. Abwartend horchte sie in die Stille. Die Sandmauern schluckten einfach alle Geräusche. Im unterirdischen Berg zitterten wegen den Drachen öfter kleine Beben. Hier, ein paar Meter unter dem Wüstenboden, rein gar nichts. Kein Geklapper von fahrenden Händler, nicht einmal das leiseste Flüstern. Dennoch glaubte Sunta das Leben in diesen Höhlen zu spüren. Harrte wie vereinbart in ihrem Quartier, unter der wärmenden Decke, aus. Eine zweckmässige grobe Decke aus Wolle. Sie zerrte sie näher ans Licht. Das war keine gewöhnliche Schafswolle, da die grauen Haare doppelt so lange wurden. Also gab es einige unentdeckte Geheimnisse, welches die vorsichtigen Bewohner versteckt hielten. Gemütlich kuschelte sie unter die Wärme. Ihre beschäftigten Gedanken wanderten. Zurück zu den Bergen. Dem alterfahrenen Klumpt traute sie als erstes zu, dass er überlebte. In seinem Alter bevorzugte man es rechtzeitig aus der Gefahrenzone zu gehen, da die eher ungelenkigen Knochen nicht mehr so dienten wie gewollt. Anders sah sie ziemlich düster für Pol. Er war einer der Drachenreiter. Sollten wirklich alle Drachen dort gefallen sein, so gab es nur eine geringe Chance, dass er noch lebte. Vor allem bei seinem Talent draussen zu überleben. Ein Sturz von einem kämpfenden Drachen war zudem auch keine Kleinigkeit. Sie selber hatte ungeheures Glück zur Seite. Mit einer gewissen Schadensfreude erinnerte sie sich zurück, dass Muktu der glückliche war, den sie an die Wand schleuderte. Ob er desswegen sauer auf sie war? Er bremste ihren lebensgefährlichen Flug. Dann all die unbekannten Helfer welche sie fast drei Tage lang pflegten. Ohne diese Leute würde sie vermutlich vor Schmerzen heulend irgendwo im Sand herumkriechen. Durstig, hungrig auf ihren schleichenden Tod warten. Ja, sie verdankte diesen Leuten viel. Na ja, sie schielte zu der Weste an ihrem Bettende zurück. Diesem Ledermuster verdankte sie all die Fürsorge. Ob Pol wirklich eigenmächtig handelte oder Klump ihm den Auftrag gab, ihr das Kleidungstück zu schenken? Sie hoffte, dass man sie bald frei liess. Es gab da diesen inneren Drang der sie zu den Bergen zurückrief. Der Gedanke ein neues Heim höher auf dem Berg zu bauen gefiel ihr. Näher zu den Bergleuten. Das wäre einen Schritt der gewiss auch Pol entgegen kam. Auf jeden Fall wollte sie wissen ob es Überlebende gab. Bei dem gut versteckten Volk, waren eigentlich nur die Drachenreiter draussen gefärdet.
Erleichtert vernahm sie leichtfüssige Schritte im Gang. Ein grosser Stein fiel vom Herzen als sie Orin erkannte. Abermals in seinem langen, einteiligen Anzug. Sie tauschten die üblichen Begrüssungsfloskeln. Er schob den Vorhang auf die Seite. "Komm mit! Heute ist ein besonderer Feiertag. Schlimmer als die üblichen, harmlosen Geburtstage. Die Zwillinge geniessen eben einen speziellen Status in unserer Gruppe. Vor allem wird es nie langweilig, da sie uns mit ihren Ideen ständig unterhalten. Keiner möchte sie missen. Wenn du willst, darfst du heute Abend zusehen. Dass sich jemand für dich interessiert dürfte, ist eher unwahrscheinlich. Sollte dich einer auffordern mitzumachen, ist es ganz dir überlassen. Ich habe das mit der Chefin abgesprochen. Akny mag dich."
Gewandt schlüpfte Sunta in ihre Sandalen und folgte rasch den langen Schritten Orins. Sie wusste nicht was sagten und lief ihm schweigend nach. Er liess sie sogar neben sich spazieren. "Liegt vermutlich daran, weil Akny auch von einem auswärtigen Volk abstammt. Unser Anführer hat sie vom ersten Moment für sich beansprucht. Zum Glück hat es Akny akzeptiert. Sie ist eine unvergleichliche Bereicherung für unser Volk." Zielsicher führte er Sunta durch die langen Gänge. Da sie schwieg, lockerte es eben seine Zunge. "Also als erstes gehst du kurz Baden und umziehen. Ein, zwei Mädchen sind auch dort, die helfen dir sicher. Danach statten wir der Esskantine einen Besuch ab. Übrigens bei uns ist es üblicherweise Sitte..." Dabei blieb er stehen und reichte ihr eine Hand. Verwundert nahm sie Sunta automatisch zur Begrüssung. Doch dann kam er näher und beschnupperte ihren Hals. Da viel es ihr schwer nicht zurück zu zucken. Angewidert wich er umso schneller zurück. "Es ist wirklich dringen, dass du gründlich badest. Dieses Beschnuppern gehört zu unserem Begrüssungsritual. Jedenfalls praktizieren das noch ein paar Anhänger vom alten Orden. Lass es einfach unbeeindruckt über dich ergehen. Es geht ja schnell vorbei. Solange danach dich keiner angrinst, braucht es dich nicht weiter zu kümmern."
Hellhörig sah Sunta kritisch hoch. "Und was ist, wenn mich doch einer angrinst?"
Das amüsierte Kichern, überraschte Sunta. Heiter raunte er ihr leise zu. "Dann steht der Typ auf dich. Genauer Ausgedrückt bedeutet das nämlich, das seine Nase erkannt hat wie perfekt sich deine Gene mit seinen ergänzen. Ist aber sehr unwahrscheinlich das dies eintrifft. Keine Sorge, wir sind ein gut erzogenes Volk. Wenn du ihn höflich abweist, hast du nichts zu befürchten."
Nach einem gefühlten Kilometer weiten Marsch im Halbdunkeln erreichten sie die ersten Verzweigungen. Diesmal hörte Sunta die ersten Stimmen. Raunen, Rufe allerlei in einer fremden Sprache. Eine weitere Ewigkeit später führte der Gang leicht nach unten. Vor allem die Schwüle nahm zu. Bei einer Wendeltreppe die steil nach unten führte, blieb Orin einen Moment stehen. Rief etwas hinunter. Kurz darauf rief eine weibliche Stimme Antwort. Erfreut übersetzte Orin. "Unten nimmt dich Nara in Empfang. Neue Kleider sollten auch geliefert worden sein. Also wir treffen uns später im Essraum wieder. Wenn ich bitten darf." Er deutete nach unten. Dankend mit einem mulmigen Gefühl stieg Sunta die glitschigen Stufen hinunter. Ungerne berührten ihre Finger die kalten feuchten Felswände. Aber die Stufen waren so schmal für ihre Füsse. Das schlechte Licht verschlechterte ihre Situation. Bei jedem Schritt fürchtete sie auszurutschen. Zum Glück dauerte der Abstieg nur wenige kurze Meter. Vor ihr ein Sims aus Stein auf dem tatsächlich eine jüngere Frau ihre Beine ins sprudelnde Wasser baumeln liess. Im überblickbaren Wasserbecken von mehreren Metern entdeckte sie noch drei weitere, ältere Frauen. Wesentlich ältere Frauen die gerade ihre Wellnessstunde genossen. Für Suntas Anblick glichen sie grauhaarigen Omas. Mit dem Wissen, dass hier einige Leute älter wurden als in ihrem Dorf, wollte sie eigentlich gar nicht wissen wer da herumschwamm. Die schwarzhaarige vor ihr, winkte sie gleich zu sich. Sie deutete klar auf sich selber. "Nara." Dann fordern auf Sunta. "Sunta." antwortete diese verstehend. Damit war das erste Eis gebrochen. Geduldig liess sich die Hirtin von der gleichaltigen Frau aussziehen. Hier unten badeten alle ungeniert nackt. Sogar Nara wirkte überhaupt nicht verlegen. Als erstes rollte sie alle Verbände zusammen. Die zarte Haut besass noch eine rosige Farbe, da wo die Verätzungen ausheilten. Als letzte zog sich Sunta das Hemd über den Kopf. Zum ersten Mal staunte die unauffällige Nara. Ihre dunklen Augen vergrösserten sich. Diesmal war sich Sunta bewusst, dass sie eben andere Dimensionen besass als die etwas kleinwüchsigen Artgenossen. Bevor sie sich auf das entspannende Bad freuen konnte, führt sie Nara zu einem separaten Abteil. Eine kleine feuchte Nische. Unmissverständlich stellte Nara ihren Schützling hinein. Drückte einen Schalter in der Wand und Sunta hörte etwas rumoren. Auf einmal ergoss sich ein kalter Eisbach über ihren Kopf. In letzter Sekunde unterdrückte sie ihren entsetzten Aufschrei. Verwünschte die blöde Sprachbarriere. Tapfer presste sie einfach ihre Augen zusammen. Nach ein paar Sekunden war alles vorbei. Übermütig grinste Nara sie an. Endlich durfte Sunta ins grosse Becken. Nach der kalten Überraschung war dieses Wasserbecken dafür geradezu himmlich warm. Da sich die anderen Frauen dezent an der Wand hielten nutzte Sunta das fast sieben Meter lange Becken zum Tauchen. So wurden ihre offenen Haare am schnellsten durchgespült. Ausserdem nahm sie Wunder woher das unterirdische Licht kam, welches den Raum komplett füllte. Das waren keine Öllampe an den Wänden sondern nur dieses geheimnisvolle Licht unter Wasser. Also pumpte sie ihre Lungen kurz mit Luft voll und tauchte ab. Da ihre Augen nicht brannten, gab es keine Zusätze im Wasser. Sie entdeckte ein seltsames Glas das irgendwie das Licht verstärkte. Zufrieden schwamm sie wieder an die Oberfläche. Geschrei, Gekreische drang an ihre Ohren. Ahnungslos wandte sie sich zu Nara herum, die sie mit offenem Mund anstarrte als sei sie zu einem exotischen Fisch geworden. Die älteren Frauen im Hintergrund nahmen es mit Gelassenheit. Zutiefst erschrocken, schlug sich Nara übertrieben die Hand aufs Herz. Dann wedelte ihr Zeigefinger böse in der Luft herum. Selbst Sunta verstand das. Mit einem versöhnlichen Lächeln kraulte sie in wenige Zügen auf Nara zu und sprang leichtfüssig auf die Beine. Nach der unfreiwilligen Diät in den letzten Tagen fühlte sie sich fast zu leicht. Eher leicht schwindlig nach der erzwungenen Leistung. Doch der entgeisterte Ausdruck von Nara, die wieder in ihre Schockstarre zurückfiel, entschädigte. Die drei Tage Erholung kamen Sunta gerade richtig. Nachdem sie ihr Haus in Eile frisch renoviere, schmerzten da einige Muskeln von der Überbelastung. Jetzt war jeder Muskelkater verschwunden.
Später beim Abtrocknen mit einem rauen, gewobenen Stofftuch, tupfte sie sehr sorgfältig über ihre frisch verheilte Haut. Nara holte aus einem Lederbeutel ein hellblaues langes Tuch hervor. Besser zwei lange Stoffbahnen. Geschockt reagierte diesmal Sunta, als dieses über ihre Schultern gelegt wurden. Mit einem dritten dunkelblauen Band um ihre Hüften verwandelte es sich, unter den geschickten Händen Naras in ein Kleid. Ein sehr luftiges Kleid. Vor allem wenn man Unterwäsche und stützende Büstenhalter gewohnt war. Immerhin verdeckte es im Stehen züchtig die Haut. Allerdings merkte Sunta nach dem ersten Schritt, wie die seitlichen Stoffbahnen bis fast bis zur Hüften hoch, ihre Oberschenkel freigaben. Als sie versuchte den Stoff ein wenig zu verschieben, handelte sie sich nur einen leichten Schlag auf die Hände ein. Erneut zog Nara prüfend vorne das Gewand zurecht. Demnach war nur wichtig das es vorne möglichst viel verdeckte. Auf der Seite war ein hoher Einblick sogar erwünscht. Mit einem mulmigen Gefühl liess Sunta ihre Helferin gewähren. Gab sich ihrem Schicksal hin. Hauptsache sie kam so schneller zum Essen. Danach ging es wirklich schnell. Nara zog selber ein genauso schlichtes Gewand in Braun über. Zusammen gingen sie dann schnell hoch. Oben empfand es Sunta gleich eine Spur zu kühl. Nara schien dasselbe nach dem Bad zu spüren. Zügig eilte sie durch den Korridor zu einem etwas lauteren Zimmer. Bevor sie eintrat war Sunta alleine durch das Stimmdurcheinander gewarnt, dass da eine ordentliche Gruppe in der Kantine hockte. Ahnungslos spazierte sie Nara hinterher. Eigentlich auf alles gefasst. Vor allem aber das sie vermutlich niemand beachtete. Wie sehr sie irrte, wurde ihr bewusst als sie kaum das Esszimmer betrat und es bei jedem weiteren Schritt stiller wurde. Zuerst glotzte nur einer, dann so ziemlich alle. Ja die Bewohner waren im grossen Ganzen als Klein zu beschreiben. Nur wenige männliche Kandidaten schienen knapp ihre Grösse zu erreichen. Was ihr gleich ins Auge sprang, die maßgeschneiderten Kleider. Hier wurde sehr sorgfältig mit Bedacht der Stoff und vor allem Leder verwendet. Frauen halt wessentlich freizügiger als bei den Männern. Krieger und Jäger erkannte man gleich an dem geschmiedeten Waffenarsenal auseinander. Ein Weber und ein Kauffmann fielen Dank ihren bunteren Stoffen auch gleich aus der Masse. Eine Gruppe junger Frauen sassen um einen Tisch mit ihren Stricksachen. Anscheinend tauschte man nach dem Essen seine Erfahrungen und neue Muster aus. Dieser Raum diente allgemein als wichtiger Versammlungsort. Vor allem gefiel Sunta wie man die Frauen hochschätzte. Es gab keine Hure oder vernachlässigte Außenseiterinnen, wie sie es oft von der Schenke im Dorf kannte. Sie schenkten auch keinen Alkohol aus, sondern ihr andere unbekannten Getränke von dampfenden Tassen bis kalten Inhalt. Es lagen keine Münzen herum, also wurde hier vermutlich getauscht oder anders gehandelt. Alle wirkte so gepflegt, dass es Sunta fast unheimlich wurde. Als wären hier nur die Besten ihrer Klasse vertreten. Tief im inneren wusste Sunta, dass dies nicht stimmte. Sie sah den Stolz in den Augen der Leute wie sie ihn selten bei ihren Dorfbewohner sah. Hier herrschte kein Neid, Gier oder Argwohn. Etwas ganz Aussergewöhnliches verband diese Leute zu einer starken Einheit. Mehr denn je fühlte sie sich fremd. So als ob sie versehentlich in ein Ameisennest getreten war. Für eine gefühlte Ewigkeit musterten sie die Leute. Sie zeigten Neugierde, etwas Misstrauen oder gar Dessinteresse. Das dauerte jedoch nur wenige Sekunden und schon widmeten sie sich ihren vorherigen Beschäftigungen. Erleichtert warte Sunta neben Nara, die sich suchend umsah. Gemächlich winkte eine erhobene Hand im hinteren Teil des Raumes. Sobald Sunta auf Orin zusteuerte, trennte sich Nara von ihr und ging zu den jungen Frauen hinüber. Sunta merkte, dass es alleine viel schlimmer war an den unbekannten Leuten vorbei zu gehen. Etwas leiser war es schon im Raum geworden. Wenigstens gab es grosszügig Platz zwischen den Holzbänken und Stühlen. Manche Tische bestanden aus gegossenem Sand. Davon hatte Sunta einmal entfernt gehört, dass es einen Leim gab, der Steine zusammenhielt. Jedoch konnte sich das kostspielige Pulver niemand in ihrem Dorf leisten. Die armen Leute verwendeten weiterhin gewöhnlichen Lehm um Häuser abzudichten. Doch hier schien man das Geheimnis der stabileren Bauweise zu wissen. Auch Nischen in denen gefüllten Vasen und leeren Gläsern lagerten schienen mit der Wand zu verschmelzen. Diese Perfektion schaffte kein Steinhauer. Selbst Orin sass an so einem unverrückbaren Tisch. Sogar die Sitzbank war von dem Sand geformt. Allerdings mit einem weichen Kissen versehen, damit man sich auf Dauer wohl auch den Hintern nicht abfror. Sunta in ihrem Kleid war doppelt froh über die weiche Unterlage. Sie brauchte aber zwei Anläufe bis es ihr gelang in dem Kleid auf die schmale Bank zu sitzen ohne dass ihr Kleid zu viel Preis gab. Äusserst zufrieden strahlte sie Orin an. Der schob ihr gleich einen Teller hinüber, dessen Inhalt Sunta wohl am ehesten mit einer aromatischen Gulaschsuppe verglich. Es roch nach Gemüse und Fleisch. Dazu lag noch ein Stück abgerissenes Brot in greifnähe. Zum ersten Mal fühlte sie sich wieder behaglich wohl. So als sei sie fast zuhause. Darum wagte sie Orin zu fragen. "Und rieche ich jetzt besser? Und danke fürs Essen."
Fast unmerklich schnupperte er zu ihr hinüber. Es lag heimlicher Schalk in den sanften Augen. "Warte nur bis nach dem Essen. Dann nimmt dich Nara zum letzten Schliff mit. Es gibt Frauen die lieben das, andere halten es für eine qualvolle Tortur. Bis zum Mittagessen hast du eine kleine Pause. Nach dem Essen bist du unter der Aufsicht von Muktu. Das könnte dauern bis zum Festanfang der irgendwann am Nachmittag langsam mit den Spielen startet. Sunta seufzte, "Ausgerechnet Muktu? Da nehme ich noch lieber am Häkelunterricht bei den Frauen teil.“ Orin schüttelte freundlich den Kopf. „Keine Chance, die verschwinden bald um sich auch ihrer körperlichen Präsentation zu widmen. Es…“ er überlegte kurz. „Ich wage zu behaupten, dass es Muktu wieder einmal sehr gut tut aus seinem festgefahrenen Trott zu kommen. Er wird dich am Leben lassen.“ Letzteres meinte er zwar scherzhaft, aber bei Sunta kam dies zweifelnd an.
Tatsächlich war ihr zusammen sein mit Muktu eine unerträgliche Katastrophe. Seine ausstrahlende Feindseligkeit empfing Sunta so stark, dass ein kurzer Vorschlag ausreichte um ihn auf Distanz zu halten. Er parkierte sie in der hintersten Ecke des Showzimmers. Wo sie versprach sich nicht von der Stelle zu bewegen, während er vorne seinem gewohnten Job nachging. Seine Rolle als Aufpasser managte er auf jeden Fall souveräner als Pol. Bei ihm genügte ein scharfer Blick um eine aufgebrachte Person abzukühlen. Manchmal kam es Sunta sogar vor, er sei der Anführer. Die Hilfe von einem aus dem Weberviertel benötigte er kaum. Umso überraschender beobachtete Sunta wie er genau diesem Helfer dankend auf die Schultern klopfte. Selten warf er zwischendurch einen prüfenden Blick nach hinten zu ihr. Im Allgemeinen veranstaltete man Geschicklichkeitsspiele. Bis sich am Nachmittag einige auf die Bühne nach vorne trauten. Manche vorgespielten Scherze verstand Sunta wegen der Sprachbarriere nicht. Aber fröhliche Menge im Raum steckte einfach an. Dann kurz bevor Muktu auftreten sollte, beorderte er sie mit Nala nach draussen, in den Gang hinaus. Im Gegensatz zu der empörten Nala, nahm es Sunta gelassen. Sie akzeptierte seine Geheimniskrämerei ihr gewisse Fähigkeiten seiner Familie nicht zu zeigen. Beleidigt zog Nala sie kurzerhand in ihr Quartier. Eindeutig ein Singleraum. Neben einer einfachen dicken Matratze aus geflochtenem Schilf, die sie tagsüber zusammenrollte, stand eine Kleidertruhe in der Ecke und ein grosser Korb der alle übrigen persönlichen Gegenstände aufbewahrte. Dieser spartanische, enge Ort fand Sunta ziemlich beängstigend. Auch die Worte, „Das ist mein Rückzugszimmer,“ liessen die freiheitsliebende Hirtin erschaudern. Dies hier war weit schlimmer als in Pols geradezu luxuriösem Quartiert seine Tage zu verbringen. Staunend wunderte sie sich. „Ein bisschen klein.“ „Ach nö. Darum verbringen wir die meiste Zeit im Versammlungsquartier. Manchmal schlafen wir sogar dort. Die zugeteilten Zimmer sind nur wenn wir einmal ungestört sein wollen. Sobald ich einen festen Freund finde, ziehe ich bei ihm, in eine grössere Höhle, ein.“ Kopfschüttelnd sah Sunta zu der niedrigen Decke hoch. Da fehlten nur wenige Zentimeter. Immerhin war der gesamte Raum sehr sauber und überall mit Lehm verputzt. An einigen Stellen zierten kleine eingeritzte Zeichnungen und Muster die Wände. Wie eine einfarbige Tapete. Lachend erzählte Nara die dazugehörigen Geschichten. Manche erzählten von ihren Jagten draussen. Andere Bilder dienten zur Erinnerung wie ein altes Tagebuch. Bücher selber gab es Anscheinend keine. Es gab so viel zu entdecken. Sogar die befürchteten Strickmuster. Nala versprach zwischendurch das sie Sunta pünktlich zu Abendversammlung brachte, aber eben bis dahin reservierte sie lieber den Gast für sich alleine. Um auch ihre Geschichten von Bauernhof zu hören. Oder die verrückten Streiche die Donan mit Sunta früher anstellte. Wenn es Sunta auch leicht traurig machte, sie redete lieber stundenlang mit Nara, als ihre Zeit bei Muktu zu verschwenden.
Abendfest
Aufregung durchströmte jede Faser von Sunta als sie den lauter werdenden Klängen der feierlichen Musik folgte. Zügig marschierte ein ziemlich eleganter Muktu mit einer kleinen Öllampe voraus. Nur ihretwegen benutzte er das schwache Licht. Wie meistens wirkte er ziemlich ungeduldig. Sein dunkel violetter Anzug gab ihm eine geheimnisvolle Note. Auf Sunta machte er sogar den Eindruck ein verruchter Magier zu sein, so wie in den alten Märchen, die man als Gute Nacht Geschichten den Kindern erzählte. Jedoch verdiente Muktu eindeutig den abschreckender Part, den man Einsetzte um sich den Gehorsam der Kinder zu sichern. Wie immer fühlte Sunta eine unangenehme Unsicherheit in seiner Gegenwart. Alleine seine dominante Anwesenheit reichte aus, dass sie sich wieder wie ein linkisches Mädchen fühlte. Sie hielt ihren Blick gesenkt und trotz dem schummrigen Licht sah sie wie leichtfüssig er über den Boden schwebte, so als ob er kein Gewicht wöge. Eigenartig hochgeschnitten auch bei ihm der untere Anzug. Für Sunta eine absolut fremdartige Mode. Allerdings gestand sich die unerfahrene Hirtin ein, dass es durchaus Vorteilhaft für Frauenaugen war. Vor allem bei diesen Einblick auf die wohlgeformten Beine bis zu den sehnigen Oberschenkeln. Nur für ihren Geschmack war sein knackiger Hintern, in dem engen Lederkostüm, einfach zu klein. Wie gerne erinnerte sich dabei an Pol. Fragte sich insgeheim wie wohl auch Klump unter seinen eleganten geschnittenen Kleidern wohl aussah. Fast schmerzhaft hieb sich Sunta die Handfläche auf die Stirn. Was für ablenkender, blöder Gedanken. Eindeutig drängten sie da ihre weiblichen Hormone endlich einen Gefährten zuzulegen. Der Gedanke, zuhause alleine zu wohnen, machte ihr allmählich Angst. Nur wer war am besten Geeignet um ihr Eigenheim wiederaufzubauen und eventuell später Kinder gross zu ziehen? Pol und Klump waren beide Höhlenbewohner die bisher kaum ausserhalb ihrer geschlossenen Räumlichkeiten jagten. Wobei wenn sie da an Klumps Herkunft dachte? Ihr gefiel die Vorstellung, dass er nicht nur als amouröser Jäger erfolgreich war, sondern auch im Wald oder auf dem Ackerland verstand eine Familie zu ernähren. Verschwörerisch lächelte Sunta bei dem Gedanken Klump ein bisschen Information über seine berüchtigte Vergangenheit herauszuquetschen. Wiederrum machte ihr der gewaltige Altersunterschied einen riesigen Kummer. Aber als einen harmlosen Freund, nur zum Reden, wäre ihr Klump jedenfalls eine Menge Wert. Es gab so viel zu überdenken. Dazu blieb ihr in den folgenden Stunden wohl kaum Zeit. Nachdem Muktu mit einer fliessenden Handbewegung den ledernen Türvorhang zu Seite schob, schwappte fröhliche Musik ihr entgegen. Eine dezente Flöte und eine Harfe erkannte sie, bevor sie den Raum betrat. Es kränkte sie überhaupt nicht, dass sie in seinem Rücken abwarten musste bis er zur Seite trat und den Eingang freigab. Nachdem er den Raum flüchtig musterte, liess er Sunta den vollen Genuss der speziellen Atmosphäre spüren. Gespannt schob sie selber die dünne Lederhaut auf die Seite welche ihr die Sicht versperrte. Er hatte es aus reiner Höflichkeit jedenfalls nicht für notwendig angesehen. Es dauerte allerdings bis ihre Augen in dem schummrigen Raumlicht etwas erkannte. Es roch nach speziellen Gewürzen. Vor allem nach Rosen. Weniger als ein Dutzend Kerzen brannten hinter gefärbten grünen Gläsern. Daher stammte das wenige Licht für den Riesigen Saal, der doppelt so gross wie Pols gesamtes Quartier mass. Viele dicke Pelze bedeckten polsternd den Boden. Die meisten in doppelter Auflage. Wiederrum räkelten sich einige Personen bereits zu zweit oder in Grüppchen auf diesen Matten. Sunta konnte nur die Gesichter der nahen Leute ausmachen. Jedoch verrieten ihr einige Bewegungen auf, sowie unter den Pelzen, dass es eindeutig sündig vorging. Es schockierte Sunta schon für ein paar Sekunden, dass sich in nächster Nähe ein junges Päärchen eindeutig öffentlich liebte. Einige der männlichen Kandidaten trugen höchstens einen dürftigen Lendenschurz der gerade das nötigste Verbarg. Die eher ältere Generation bevorzugte eine breitere Version oder ein weiches Wildledertuch das tief über den Hüften hing. Genauso geizig trugen die Frauen ihren anschmiegsamen Lederstoff der nur halb ihre Brüste bedeckte oder das Dreieck über ihrer Scham. Als Suntas grosse Augen zu Muktu zurücksahen, bemerkte sie sein offensichtliches Amüsement. Sein Ton troff nur vom Hohn. „Willst du nicht lieber zurück in dein stilles, sauberes Quartier. Ich glaube nicht, dass dies hier deinem gesitteten Geschmack von einem Fest entspricht“. Ihr war klar, dass er sie von diesem einmaligen Ereignis fernhalten wollte. Innerlich lächelte sie ab ihrer bisher verschlossenen Art. Ein anständiger Teil, der langjährigen Erziehung, ermahnte sie sofort zu verschwinden. Ein neugieriger Aspekt in den Gedanken liess sie Erinnern, dass dieses Volk lebte, während ihre eigenen Verwandten praktisch ausgerottet waren. Es gab also etwas von ihrem Erfolg zu lernen. Demzufolge nickte sie Muktu zu. „Du hast Recht. Es ist wirklich eine komplett neue Erfahrung so etwas zu sehen. Daher würde ich gerne eine Weile unbeteiligt zusehen, wenn es Gestattet ist. Ich muss mich sozusagen erst anklimatisieren.“
Trocken lachte Muktu kurz auf. „Nur zu. Mir soll es Recht sein. Wenn du später zurückwillst, musst du entweder abwarten bis ich alleine bin, oder eine der unbeschäftigten Frauen ansprechen! Geh auf keinen Fall alleine zurück!“ Betonte er mit Nachdruck. Legte seine Kerze auf einen Fenstersims und versenkte eine der getönten grünen Scherben davor in eine vertiefte Kerbe. „Und jetzt, setz dich einfach hier an den Rand.“ Er deutete auf ein weiches, flauschiges Fell einer gefleckten Ziege. „Wenn du Glück hast, findest du jemand der sich mit dir unterhält. Ich würde dir auf jeden Fall empfehlen zu warten bis dich derjenige zuerst anspricht. Macht einen besseren Eindruck. Bis später. Und starre nicht zu lange auf einen Platz. Das könnte als Unhöflichkeit aufgefasst werden.“ Ohne sie weiter zu beachten verschwand er in den Schatten der gegenüberliegenden Wand. Mehrere Personen ruhten dort in einer dunkleren Nische. Sunta bückte sich. Das dichte, lange Winterfell des Ziegenfells versprach eine angenehme Unterlage. Also liess sie sich darauf nieder und beobachtete langsam das ihr unbekannte Volk. Von dem fleissigen Pärchen rechts von ihr kamen bereits unbeherrschte Laute, welche den Höhepunkt ihres Rituals verrieten. Darauf folgten tatsächlich ein paar Reklamationen von der Gegenseite im Raum. Ansonsten unterhielten sich die einzelnen Gruppen normal in ihrem heimischen Dialekt. Sunta verstand keines dieser Worte. Die Musik spielte dezent genug, dass niemand seine Stimme erhob. Zwei eher jüngere Mädchen tanzten ganz hinten in einer Ecke. Bewundert verfolgte Sunta deren beweglichen Hüftschwung der jetzt bereits schon viel Erotik versprach. Nach einige Minuten spürte Sunta aber eine gewisse Langeweile. Niemand ausser ihr sass so einsam, alleine auf einem Fell. Mit Bangen fragte sie sich insgeheim, wie lange wohl das Fest wohl noch dauerte, als der Türvorhang erneut auf die Seite schwang. Kraftvoll klatschte das Leder an die seitliche Wand das der Verputz leise runter rieselte. Eine kleine Gruppe, vorwiegend männliche Leute, betraten gespannt den Raum. Von den zwei kleineren vorne, straffte einer seinen Rücken. Brüllte was in den Raum hinein, dass die meisten über die Lautstärkte zusammenzuckten. Dann meckerte der zu seinem Bruder, in dem einzigen Dialekt den Sunta verstand. „Ist doch wahr. Das ist doch keine Feier mehr, sondern gleicht einer Orgie!“
Rücksichtslos rammte ihn sein Bruder mit dem Ellbogen an. „Wobei eine ausgelassene Orgie nicht zu verachten ist.“ „Alles zu seiner Zeit. Alles zu seiner gegebenen Zeit. Wo ist …“ Suchend schweifte sein Blick über den erhellenden Innenraum. Man wendete nach dem eintreffenden Wirbelwind ein paar der getönten Scheiben, so dass jetzt klares Licht den Raum erhellte. Auffällig hellblonde fast weisse, kurze Haare besassen die lebhaften Zwillinge. Was sie von den anderen am meisten Unterschied war ihre sprühende Energie. Während Muktu seine beherrschte Energie abstrahlte, so fluteten die zwei lebensfrohen, junge Männer völlig unbedacht den Raum. Ließen keinen kalt zurück. Man sah ihnen entgegen. Ihren fliessenden Bewegungen als sie den Raum völlig mit ihrer Präsenz beschlagnahmten. Erst als die grauen Augen mit den hellblauen Punkten darin, Sunta überflogen hielt der eine inne. „Ein Mensch,“ flüsterte er fast schockiert zu seinem Bruder. Dessen wachsame Augen überflogen den gesamte Innenraum. Ungeduldig weil er nichts entdeckte herrschte er seinen Bruder an. „Wo? Gib mir einen Tipp?“ Lachend stiess ihn diesmal der intelligentere Bruder spielerisch mit seinem Ellbogen an. Es genügte ein Blick um die Aufmerksamkeit vom anderen Zwilling wortlos in die richtigen Bahnen zu lenken. Wenig begeistert verdüsterten sich dessen Gesicht. „Haben wir ein Problem?“
Zuversichtlich winkte der erste ab. „Von wegen. Das wird erst interessant. Warum haben sie uns das verheimlicht?“ „Wir waren einfach zu beschäftigt mit unserem Programm.“ Im Gegensatz zu den meisten trug der Vernünftige eine entsprechend bedeckte Kleidung aus hellem Wildlederteilen. Das Oberteil senffarben und dunkelgelb gehalten, dazu eine passende Nuance hellbraune Hose. Alles ziemlich Figurbetont, aber nicht zu einengend geschnitten. Tatsächlich wunderte sich Sunta über den raffinierten Schnitt der so viel Freiraum zuliess, dass der reifere Zwilling sich innerhalb einer Sekunde bereits vor ihr hinkauerte. Während sie sich insgeheim fragte, wie sie sie angemessen reagieren sollte, betrachtete ich Gegenüber sie eingehend. Was sie, dank dieser harmlosen Geste, nicht mal störte. Sollte er doch gaffen. Sie betrachtete ihrerseits gründlich seine Gestalt als befände sie sich einer neuen Spezies gegenüber. Mit einer eingefrorenen Ernsthaftigkeit beugte er sich vor. Was Sunta gleich an Orins Unterricht erinnerte. Abwartend hielt sie still als er sie plötzlich herausfordernd, mit den speziellen grauen Augen, anfunkelte. Sie erwiderte seinen fesselnden, fragenden Blick. Worauf seine Mundwinkel ein minimales Lächeln andeuteten. Zudem funkelten seine Augen dermassen intensiv auf, dass sie beinahe silbrig wirkten. Ausgiebig beschnupperte er seine bewegungslose Beute. Bereits betete Sunta, er möge sie in keiner Weise sympathisch finden. Wie sollte sie nämlich diese Energiebündel wieder unbeschadet loswerden? Gemächlich zog er sich in seine Ausgangsposition zurück. Den absolut ernsten Ausdruck ersetzte er bald durch ein angedeutetes Schmunzeln. „Beinahe. Knapp daneben.“ Seine Analyse ihres Duftes. Erleichtert atmete Sunta aus. Er registrierte es und lachte herzlich los. „Na, dass nenn ich einmal eine deutliche Absage. Bekommt man nicht alle Tage zu sehen. Dennoch, zu früh gefreut“, sagte er mit breitem, wölfischen Grinsen. „Wer ist der unübertroffene Paarfinder?“ Genervt verdrehte sein stehender Bruder die Augen. Bemerkte ruppig. „Wiirin, lass den Scheiss. Finde lieber einmal meine passende Gefährtin.“ Unbeeindruckt stand Wiirin auf, ohne dabei Sunta aus den Augen zu lassen. Wieder total ernst gab er zurück. „Einer von unserer Familie passt schon. Mir fällt nur gerade nicht der passende Name, zu dem abgespeicherten Geruch ein. Wooron, geh doch schon mal vor. Ich überlegte noch“.
Ziemlich ungemütlich drückte sich Sunta an die Wand zurück, tiefer in den Schatten. Verteidigte sich, „Ich bin bloss hier um neue Eindrücke in andere Kulturen zu sammeln. Nicht um aktiv an eurem Leben teilzunehmen. Also wäre es mir lieber du kümmerst dich um dein Fest. Deine Leute warten auf dich.“ Statt einem Abschied bekam sie ein freundliches Lächeln geschenkt. „Sie mal an, es spricht. Schlimmer noch du willst mich loswerden. Aber so einfach geht das nicht. Du nimmst an unserem Fest teil. Also ist es auch mein Anliegen, dass du dich wohl fühlst…“ Abermals holte er einen tiefen Atemzug und schloss dabei für ein paar Sekunden die Augen. „Ich werde verrückt. Berino! Zu neunzig Prozent stimmt ihr beiden überein. Das wird etwas kesseln.“ Im fiel Suntas verdutzter Blick auf. Da erklärte er hilfreich. „Vertragt euch heute Abend. Das ist schliesslich eine fröhliche Feier. Wenn ihr euch wegen einem späteren Bündnis uneinig seid.“ Vielsagen nickte er mit seinem Kopf zu dem verhängten Ausgang. Sie schluckte einmal leer. Was unterstellte er ihr? Wohlwollend nickte er ihr zu. „Das wird schon. Hab einfach ein bisschen Geduld mit unserem eigensinnigen, zahmen Bären“.
Während Sunta ein gezwungenes Lächeln aufsetzte, verabschiedete sich Wiirin, mit einem Augenzwinkern. „Viel Spass. Lass dich einfach mitreissen.“ Halb abgewandt blieb er dennoch unschlüssig einen halben Meter neben ihr stehen. Dann legte er konzentriert Daumen und Zeigefinger an seine Nasenwurzel. Jemand der gerade auf ihn zusteuerte, hielt abrupt inne. Schonungslos sein ungeduldiger Bruder. „Wiirin, komm schon. Wünsche dir was zu spielen. Ich wette ich gewinne mehr als du. Heute ist MEIN Glückstag.“ Abwesend winkte Wiirin mit der freien Hand ab. Ehe er wieder zurück in der Gegenwart seine Präsenz verteidigte. „Pass auf, was du sagst! Oder ich wünsche mir, dass du im kalten Fluss baden gehst, solltest du verlieren. Ich habe übrigens Berino gerade eingeladen. Daran hast du sicher nicht gedacht.“ Entsetzt verzog der andere das schöne Gesicht. „Doch nicht den Einsiedler Berino?“ Dann hielt er sich selber zwei Finger an die Stirn. Was dann folgte, realisierte Sunta deutlich als telepathischen Kontakt zwischen zwei Personen. Diese Leute besaßen ungewöhnliche Talente. Jetzt fiel ihr auf, dass sobald jemand einen oder zwei Finger, seitlich an die Stirn hielt, eine lautlose Kommunikation, unter den Anwesenden stattfand. Niemand der dieses beiläufige Zeichen machte, wurde verbal angesprochen.
Mit der Anwesenheit der Zwillinge änderte sich das gesamte Klima. Nicht nur der Raum wirkte eindeutig heller, man lachte eindeutig mehr. Ein paar Bündel merkwürdiger Karten, aus gepressten Pflanzenfasern, landete auf einem kurzbeinigen Tisch, zwischen den feiernden Leuten. Die tönernen Becher füllte man eifriger nach und es wurde weniger gegessen. Mit der Stimmung wechselte auch die Musik in schnellere, leichtere Rhythmen hinüber. Entspannt lehnte Sunta an die kühle Steinwand, in ihrem Rücken. Mit den immer noch zunehmenden Teilnehmern, füllte sich der Raum stetig. Entspannt lehnte sich Sunta an die kühlere Steinwand, in ihrem Rücken. Die Luft erwärmte sich schneller, selbst nachdem jemand von einem der oberen, gebohrten Lüftungsschächte, das abdeckende Tuch, wegzerrte. Verstärkt roch es nach Minze, Zitronen und anderem Blumenparfum. Jedoch benutzten die weiblichen Anwohner sehr spärlich diese Körperöle. Gerade als es beim Eingang ruhiger zu werden schien, platzte eine komplette Familie mit drei fast ausgewachsenen Söhnen in die Runde. Hinter ihnen folgte endlich der Stammesführer mit seiner wunderschönen Gefährtin. Für ein paar Sekunden wirkt die Atmosphäre elektrisieren aufgeladen. Nachdem das beschäftigte, rituelle Begrüssen jedoch reibungslos ablief, entspanne sich das Raumklima wieder, da jeder den anderen in seiner aktuellen Rangordnung akzeptierte. Zwischen den beschäftigten Gesprächen, bemerkte Sunta sogar, wie Akny fröhlich zur Begrüssung rüber winkte. Ausgelassen winkte sie zurück. Sich durch den Bandendschungel zu ihr durch zu bahnen wäre ein zu grossen Anstrengung für alle Anwesenden gewesen. Jetzt wo Platz allmählich zur Mangelware schrumpfte. Eifrig wieselten bloss ein paar junge Helfer mit dem Nachschub an Getränken umher. Sunta beglückwünschte sich, dass sie eine wunderbare Randposition erwischt hatte, um alle zu beobachten. Selbst wenn sie nur hier und da ein paar Brocken dieser neun Sprache auffischte, fand sie es einfach toll hier zu sein.
Auf einmal verdüsterte sich der Platz neben dem Eingang. Einer der hoffentlich letzten Teilnehmer trat ein. Mit wenig Begeisterung stellte er sich erst einmal abwartend neben den Vorhang. Genau wie bei Anführer spürte man eine starke Persönlichkeit, hinter der ernsten, beeindruckenden Fassade. Er war gross, geradezu riesig für die hiesige Rasse. Während die anderen dünn, schlank oder elegant erschienen, wirkte dieser robuste Kerl ziemlich kräftig. Das Bild von einem aufgerichteten Bären, schoss es Sunta durch die Gedanken. Das dunkle Hemd mit dem gesäumten, langhaarigen Pelzkragen verstärkte den wilden Eindruck. Volles leicht struppiges, dunkles Haar, entschärfte den Eindruck auch nicht gerade. Gepflegt und voll bekleidet stand er da, als startete er eher zu einem Jagdausflug ins Gelände draussen, statt bei einer freizügigen Party mitzumachen. Automatisch versuchte Sunta sich weiter in den Schatten der Wand zu drücken. Ihr war bewusst, dass sie der Grund war, weswegen der er hier überhaupt aufkreuzte. Aber sie würde nichts unternehmen um diesen kräftigen Kerl auf sich aufmerksam zu machen. Angespannt wie ein Wächter im Dienst stand er da. Das kurzärmelige Hemd zeigte beeindruckende Armmuskeln. Verschränkte Arme vor seinem Oberkörper vermittelt eine ablehnende Haltung. Der eigenwillige Typ blockierte damit kommentarlos die wenigen unerschrockenen Damen ab, welche eigentlich zur Begrüssung herbeieilen wollten. Mindestestens zwei ausgestreckte Armlängen trennten ihn von der unauffälligen Sunta. Dennoch hörte sie durch die raunenden, lachenden Leute hindurch wie er intensiv tief Luft durch seine kurze, gerade Nase einsog. Er filterte die gesamte Vielfalt an Aromen der Masse und witterte sie heraus. Nach Beendigung seiner Analyse schwenkte sein Kopf nämlich zielgerichtet genau in ihre Richtung. Verunsichert zog Sunta hastig ihre Beine näher an den Körper und umschlag sie mit ihren Armen. Ein paar bedeutsame Sekunden ließ er sich Zeit, mit der ersten Begutachtung. Sein Räuspern klang echt wie das Brummen eines Bären. Ohne auf die andern zu achten, die ihm sowieso hastig aus dem Weg gingen, marschierte er einfach zu seinem Lieblingsobjekt hinüber.
Tapfer sah Sunta nach oben in seine dunklen, geradezu schwarzen Augen. Ein breiteres Gesicht mit kräftigem Kiefer, hohen Wangenknochen, allgemein ein ziemlich kantiges modelliertes Gesicht. Dennoch besass er eine zeitlose, wilde Schönheit. Vor allem die dünn gehaltene Bartlinie betonte seine Form der Kieferpartie bis zu dem energischen Kinn. Auf charmante Weise überfielen Sunta angenehme Erinnerungen an frühere Baumfäller, die früher im Herbst ihre Dörfer regelmässig aufsuchten, um sich ein paar Geldstücke zu verdienen. Starke Männer im besten Alter, denen nicht nur alle pubertierenden Mädchen, sondern auch bereits verheiratete Frauen gerne nachschauten. Dieser Berino setzte sich ungefragt, wie selbstverständlich, neben den freien Platz von Sunta. Es folgte ein eher Gelangweilter Blick in die bewegte Gesellschaft hinaus. Abermals räusperte er sich. Vielleicht ein bisschen zu laut, da ein paar sitzende Nachbarn auf seiner Seite, sich hastig umwandeten. Keinesfalls verlegen, genügte ein scharfer Blick aus den dunklen Augen und man widmete sich wieder seinen eigenen, persönlichen Angelegenheiten. Ein weiterer Blick veranlasste eine der nahen Dienstleitenden zur Höchstleistung. Innert einer Sekunde tänzelte sie, auf wunderbare Weise, durch den eigentlich versperrten Weg, zu ihm hindurch. Das junge, geschickte Mädchen beugte sich zu ihm vor, um ihn besser durch die Geräuschkulisse des Raumes zu verstehen. Trotz ihrer Jugendlichkeit, besass sie den voll erblühten Körper einer reifen, drallen Frau. Ein bisschen neidisch fragte sich Sunta, wie sie das hier unten schafften so perfekt zu erscheinen. So ganz ohne das obige Sonnenlicht. Leise übermittelte Berino seine Bestellung, wobei er einige ungewöhnliche Kleinigkeiten abänderte. Sein detailreicher Wunsch dauerte etwas länger als wie bei den anderen zuvor. Mit einem einverstandenen, bestätigenden Nicken huschte die flinke Kleine davon. Unter ihrem sündhaft, kurzen Rock zeigten sich sogar der Ansatz ihrer runden Hinterbacken so verführerisch wie zwei ausgereifte, süsse Äpfel. Jedoch reagierte Berino in keiner Weise auf ihre so grosszügigen, verlockenden Reize. Stattdessen betrachtete er lieber seine ausgesprochene, ruhige Gesellschaft. Auf einmal angelte er sich eine unbenutzte Decke, faltete sie kurzerhand zu einem länglichen Band zusammen. „Darf ich?“
Verstehend beugte sich Sunta vor. Die weiche, isolierende Decke legte er als Polsterung zwischen sie und der kühlen Wand. Die Decke war breit genug damit er in derselben Position neben ihr Platz nahm. Im Gegensatz zu ihr streckte er seine langen, kräftigen Beine aus. Er trug eine ähnliche Bekleidung am Unterkörper. Allerdings bestand sie aus breiten Lederbahnen. Schweigend kopierte er ihr Verhaltensmuster. Da begriff Sunta, dass er vielleicht genauso ratlos wie sie war, wie man sich in so einem speziellen Fall benehmen sollte. Der grosse Bär neben ihr reihte sich zwar kaum über ihren Kopf hinaus. Aber seine anderen, breiten Dimensionen beeindruckten Sunta. Sie schätzte ihn kräftemässig durchaus mit dem ihres früheren, Zweimeter grossen Dorfschmied ein. Dazu traute sie Berino eine übermenschliche, wendige Beweglichkeit zu, die ihn weitaus zu einem übermenschlichen Gegner steigern ließ. Diesem durchtrainierten Mann neben ihr traute sie sogar zu, einen ganzen Drachen zu erledigen, sofern er eine scharfe Axt besass. Und er hatte eindeutig Interesse an ihr, was die flüchtigen Blicke zwischendurch bewiesen. Während sie überlegte, was sie zu ihm sagen sollte, kam die Bestellung auf einem Tablett heran. Mit einem wissenden Lächeln, einem huschenden Blick zwischen den ungewöhnlichen Gästen, stellte die Bedienstete das gesamte Tablett rasch hin und verschwand mit einem Hauch Amüsement auf den schmunzelnden Lippen. Zurück blieb eine ratlose Sunta. Berino hingegen nahm es gelassen, entspannter auf. Deutete auf die kleinen, vielfältigen Schalen hin und dem dampfenden Tee. „Honig kennst du sicher schon. Die kleinen Kügelchen sind getrocknete Baumfrüchte. Die körnigen Plätzchen stammen von getrockneten Früchten eines stacheligen Kaktusstrauches. Probiere einfach aus was dir am besten schmeckt.“ Er deutete vielsagend auf den dampfenden Tee aus der glasierten Tontasse. „Ein bisschen bitter im Gaumen, aber bei uns sagt man, er bringt den Körper ins Gleichgewicht.“ Während er äusserst spärlich nach den dargebotenen Köstlichkeiten griff, fragte sich Sunta ob die letzte Bemerkung eine an sie persönliche Mittteilung enthielt. Es war spannend hier zu sein, dennoch fühlte sie sich bei dieser ausgelassenen Gemeinschaft ausgeschlossen. Bevor sie nach der Tasse griff sagte sie, „Danke für das reichhaltige Angebot.“ Zufrieden nickte er. Da setzte sie die dampfende Tasse vorsichtig an ihre Lippen um einen kleinen Schluck zu probieren. Tatsächlich flutete ein scharfer, bitterer Geschmack ihren verwöhnten Gaumen. Gerade als sie abweisend die Tasse zurückstellen wollte, bemerkte sie die bittersüsse nachklingende Veränderung. Ausserdem hinterliess dieser seltsame Tee eine wohltuende Wärme. Angenehm überrascht, nahm sie einen weiteren Schluck der wesentlich besser schmeckte. Erfreut nickte Berlino über ihren mutigen Einsatz. Sich Zeit lassend probierte Sunta die unbekannten Speisen der Reihe nach. Während sie überlegte, wie sie mit Berino weiter umgehen sollte, übernahm er entschlossen das Ruder. „Hast du schon einmal an so einem ähnlichen Fest, wie diesem, teilgenommen?“ vielsagend deutete er in die begeistert, feiernde Masse hinaus. Ihr ausgebeulter Nischenplatz wirkte wie eine abgrenzende Oase. Sunta schüttelte bloss den Kopf. Zwischen Berinos buschigen Augenbrauen vertiefte sich eine kleine Falte. „Du redest nicht gerade viel. Ist aber okay.“ Lies er sie geradeaus wissen. Im ersten moment wollte Sunta wiedersprechen. Dann besann sie sich erst, ehe sie eine ausführliche Erklärung startete. „Eigentlich nicht. In letzter Zeit ist nur so viel passiert, dass ich einfach im Moment etwas überfordert bin. Ich sehe euch hier so fröhlich feiern und gleichzeitig ist mir bewusst das ich eventuell die einzige Überlebende aus meinem ganz zerstörten Dorf bin. Einige unserer Jahresfeste finden, fanden immer draussen statt. Geburtstage feierte man eher im engeren Kreis der Familie. Das hier ist einfach…“ Bei ihren strengen Sitten wäre dies ausgelassene Fest, bei den Dorfbewohnern als äusserst unmoralisch abgewertet worden. Verschwörerisch beugte sie sich zu ihm hinüber und senkte ihrer Stimme, bis man sie kaum verstand. „Unsere Ältesten hielten so ein Fest für absolut skandalös. Unverzeihliches Ruf ruinierend.“ Ihr Lächeln darüber sagte, dass sie es nicht ganz so todernst nahm wie die strengen Moralhüter. Dennoch, selbst als einer der Ältesten, fühlte Berino die tiefere Verantwortung und besann sich, dass ein plötzlicher Kulturschock vielleicht Sunta zusetzen könnte. Er bot sofort an, „Wäre es nicht besser draussen an einem ruhigeren Ort spazieren zu gehen?“ Erfreut bemerkte Sunta, die beschützerische Seite Berinos. Wäre da nicht der unheimliche Gedanke, mir Berino draussen alleine zu sein, hätte sie gerne seinen Vorschlag angenommen. Anderseits demonstrierte diese Feier eine ihr einmalige Gelegenheit, Einblick in eine andere Kultur hautnah mitzuerleben. Etwas anderes als nur Erzählungen am Lagerfeuer zu hören, über deren Wahrheitsgehalt oft spekuliert wurden. Dies hier war echt. „Und das hier verpassen? Ich denke, ich sollte mich an diese natürliche Freude, wie ihr sie hier auslebt, gewöhnen. Es ist auf wunderbare Weise ansteckend, diese Energie die ihr so selbstverständlich aussendet. Und nach dem furchtbaren Stress draussen, eine gute Ablenkung um sich von den düsteren Gedanken zu befreien.“
Ziemlich energisch schüttelte Berlino ihre halbvolle Teetasse zurück in den heissen Topf. „Zu stark für dich“, gab er auf ihren fragenden Blick erklärend zurück. Das Paar zu ihrer Linken, völlig abgelenkt durch ihre austauschenden Zärtlichkeiten, bemerkte überhaupt nicht den Austausch der Teekanne auf dem Tisch. Sekunden schnell und Berino schenkte Sunta ein ziemlich süsseren, wohl bekannten Pfefferminztee ein. Belustigst schmunzelte sie Berino an. „Was ist jetzt als geheime Zutat drin? Willst du, dass ich am Ende wie die zwei, mit dir rumknutschte?“ Wobei das Päärchen unter der Decke weitaus fortgeschrittene Sachen ausführte. Nachdenklich sah sich Berino das herumgewälze unter der Decke an, dann zu Sunta. „Ich mag dich, dass verrät mir dein Geruch, aber für solche Intimitäten brauchen wir zuerst mehr Zeit miteinander. Ein vertrauerteres Kennenlernen.“ Der neue Tee schien auch Suntas aufgelockerte Art zu klären. Nüchtern betrachtete sie ihr vernünftiges Gegenüber. Standfest, solide, aufrichtig. Berino vermittelt einzig gute Eigenschaften, wenn man auch Sturheit, Entschlossenheit dazu zählte. Zustimmend nickte Sunta. Berino durfte sie vertrauen, dass wusste sie instinktiv. Dasselbe hatte sie bei Donan, beim ersten Zusammentreffen gespürt. Dieses bodenständige, einfach, Auftreten gepaart mit Geduld und Lebensweisheiten zog sie einfach an. Berino vermied es mit ihr zu spielen wie der frauenverwöhnte Klump. Das verschaffte Berino zusätzliche Bonuspunkte. Auf seinem erfreuten, forschen Blick hin senkte sie die Augen. Er verdeutlichte eine echte Naturgewalt und sie wollte vorerst respektvoll Abstand halten. Zufrieden brummte er: „Du gefällst mir, Kleine.“ Hellhörig und leicht zornig über diese Betitelung schaute sie hoch. Er grinste breiter: „Aye, jetzt erst Recht.“ „Wen nennst du hier Klein?“ Stichelte sie herausfordernd. Als Antwort hob er eine seiner Augenbrauen und zielte in ihre Richtung. Wer Mikas Lächeln standhielt, lies sich von so einer seichten Anspielung nicht aus der Fassung bringen. Sie verscheuchte seine Einschüchterung mit links. Worauf er leise, grollend lachte. Die Luft vibrierte angenehm zwischen ihnen. Genau in diesem Moment verspürte Sunta eine Sehnsucht nach Pol. Ihn hier zu haben und mit ihm dieses erotische Fest zu verbringen, das hätte ihm bestimmt auch gefallen. Der traurige Anflug entging Berinos erfahrenen Augen nicht. „An was denkst du gerade?“ Frage er direkt. Der Schmerz in Suntas Augen vertiefte sich, ehe sie ihn mit einem Lächeln, welches ihre Augen jedoch nicht erreichte, ansah. Dann gestand sie sich ein. „Manche Sachen vermisst man erst, wenn man sie nicht mehr hat.“ Berino nickte bedächtig. „Du magst jemanden.“ Es war keine Frage. Sunta nickte. „Ich habe ihn zuletzt, kurz vor dem Angriff, gesehen. Aber so viele Dinge trennen uns. Selbst wenn er noch leben sollte, ist eine Zukunft mit ihm…Alles ist so unsicher, so weit weg.“ Sie wunderte sich selber warum sie so offenherzig zu Berino plauderte. Nachdenklich nickte er. „Du magst ihn. Mag er dich ungefähr gleichermassen?“ Als Sunta presste ihre Lippen zusammen und sagte zögerlich. „Ich hoffe es. Er ist einfach in Beziehungssachen ziemlich unentschlossen.“ Berino beugte sich leicht vor. „Da ich ihn nicht kenne, ist es schwierig euch einen Rat zu geben. Manchmal hilft nur Zeit und Geduld. Aber willst du meinen schnellen Vorschlag hören?“ Verwundert blickte Sunta ihn hoffnungsvoll an. So Verständnisvoll hätte sie ihn nie eingeschätzt. Er beugte sich weiter vor und küsste väterlich ihr Haupt. „Lösen wir das so, zuerst bringen wir dich nach Hause. Wenn er keinen Anspruch auf die meldet, versuchen wir ihn eifersüchtig zu machen. Reagiert er darauf nicht, bleibst du voll und ganz an meiner Seite, mit allen Rechten und Pflichten. Einverstanden?“ Staunend blinzelte sie ein bisschen neben der Spur. Jahrelang hatte man sie sozusagen desinteressiert an Donan abgeschoben. Und nun klopften ein einflussreicher Klump, ein angesehener Pol und ein entschlossener, richtungsweisender Berino sozusagen an ihre Haustüre an. Wobei die zwei letzteren eindeutig besser im Rennen vorne lagen. Der arme Klump, wenn er wüsste. Sunta schmunzelte. Obwohl ihr gleichzeitig bewusst wurde, dass Berino neben einem ehrlichen, treuen Partner auch viel von einer Vaterrolle übernahm. Darum würde es also wie gesagt, kesseln. Jetzt verstand sie Wiirins gutgemeinte Warnung. Da Berino geduldig auf seine Antwort wartete, nickte sie zustimmend. „Ich mache gerne klare Sachen. Mit gefällt dein Vorschlag. Aber könntest du dir überhaupt vorstellen woanders hinzuziehen? Oben an der Oberfläche wohnen? Diesmal brauchte Berino deutlich länger. Er durchdachte wessentlich klüger als Sunta. „Dort wo man dich angegriffen hat, kannst du ohne ein gutes Versteck nicht weiterleben. Nichts auf Dauer aufbauen. Eine Falle bleibt ein verseuchter Ort, den der Feind aus reiner Routine wieder aufsucht. Kannst du dir vorstellen umzuziehen?“ Als er ihren verdutzten Blich auffing, milderte er ab. „Überall wo es Wälder gibt, könnte ich leben. Es wäre klüger ein paar von meiner Familie als Unterstützung in der Umgebung zu haben. Wir werden entscheiden, wenn wir erst sehen, was wir in deiner Gegend für Ressourcen vorfinden. Sollten noch ein paar entfernte Verwandte dort überlebt haben, kann ich mir gut vorstellen, mir dir, oberhalb der Erdkruste zu leben. Diese Höhle hier taugt auch nur übergangsweise zum Wohnen. Wir erholen uns auch von der letzten, langen Reise. In unserem Herzen sind die meisten reisende Nomaden, bis wir einen geeigneten Platz finden um unseren Nachwuchs ideal aufzuziehen. Gerade haben wir eben so eine Phase abgeschlossen.“ Bestätigend nickte er bekräftigend. Auf einmal wurde Sunta etwas Wichtiges klar, „Mir fällt gerade ein, dass ein Drache, mit dieser Dimension, auch besser sein Jagdrevier wechseln sollte um dem natürlichen Wildbestand eine Chance zu geben, sich zu erholen.“ Sie staunte. Berinos ausstrahlende Ruhe steckte sie an und liess sie klarer denken als je zuvor. Sie betrachtete dies als ein schönes Geschenk, dass seine langjährige Erfahrung, seine Gelassenheit die Dinge erst zu betrachten, so selbstverständlich auf die abfärbte. Obwohl Klump selber auch ein Ältester war, hatte sie diese innere Verbundenheit zu ihm nicht gespürt. Anderseits äugte sie misstrauisch ihre leergetrunkene Teetasse an. Er verstand den stummen Wink etwas anders und schenkte aufmerksam rasch nach. Sie lächelte. „Ich dachte eher, hier sei wieder eine mir unbekannte Substanz beigemengt. In letzter Zeit bekomme ich selten die gewöhnliche Variante eingeschenkt.“ Er deutete kaum merklich ein Kopfschütteln an. „Bei uns wird der Schmerz nur auf das Erträgliche reduziert. Bei dir war ein längerer Heilschlaf nötig, da die Drachensäure ziemlich viel Oberfläche deiner Haut beschädigt hat. Selbst im wachen Zustand hättest du stillliegen müssen, trotz den unangenehmen Schmerzen. Dir hätte die Konzentration gefehlt was zu lernen. Daher entschied man dir ein paar Tage absolute Ruhe zu gönnen.“ Erleichtert atmete sie auf. „Danke, das habt ihr gut Entschieden. Bei meinen letzten Mal, war es nicht nötig gewesen mich schlafen zu lassen. Das hat jemandem eine Menge Ärger eingebracht.“
Berino winkte ab. „Bei uns dürfte das nie jemand alleine entscheiden. Die Heilerin selber hat aber einen grossen Einfluss auf das Urteil. Schlussendlich gibt sie die Zustimmung.“ Er lehnte sich entspannt zurück. Betrachtete flüchtig seine beschäftigten Kollegen, ehe er Sunta wieder mit seinen sanften, dunklen Augen ansah. „Normaler Weise, rede ich sehr wenig. Ausser wir sind uns bei den Sitzungen über Clanveränderungen uneinig. Da wir zwei aber über eine vertrauliche Bindung nachdenken ist es bald angebracht die nötigen Aspekte Abzuklären.“ „Kannst du dich mit einem Drachen als Haustier abfinden?“ Er schluckte nachdenklich einmal leer, doch seine Stimme klang zuversichtlich. „Kommt ganz auf den Drachen an. Ob er auch mich akzeptiert.“ „Wow“, Staunte Sunta über die beste Antwort die sie wohl, je über ein Zusammenleben mit einem Drachen, zu hören bekam. Gerührt lächelte sie Berino an. Das sie Berino zukünftig brauchte, merkte sie auf eine andere Weise, als bei Pol. Sie brauchte ihn vor allem, um sich selber weiter zu entwickeln. Berino echote, „Wow?“ Ihn verwunderte der kindliche Ausdruck.
„Ja“, bestätigte Sunta und erklärte. „Bisher bin ich von Bauern umgeben gewesen. Grossartig in der Aufzucht von Pflanzen und Tieren. Jedoch fehlte ihnen das Gewisse, über die bestellten Felder hinaus zu schauen. Ihr scheint viel flexibler gewisse Themen zu betrachten und angepasster zu entscheiden. Bei den Bauern selber haben Veränderung immer sehr lange gedauert.“ Verstehend nickte Berino. Wohlwollend gab er zu. „Du erscheinst mir auch viel tiefgründiger als die meisten festgefahrenen Menschen, die ich je getroffen habe. Du lernst gerne dazu und folgst mit offenen Herz und Augen der neunen veränderten Zeit. Du bist herzlich willkommen, in meinem engen Freundeskreis. Möge unsere Verbindung ewig bestehen.“
Mitfühlend hielt sich Sunta ihre Hände über ihr klopfendes Herz. Eine schönere Freundschaftserklärung hätte sie sich nicht erträumen können. Zustimmen hauchte sie bewegt. „Mögen wir immer Freunde sein, oder mehr“. Seine Bestätigung bezeugte er mit einem wohlwollenden Nicken. „So sei es.“
Tiefgründig sahen sie sich in die Augen. In der erotisch geladenen Luft wirkte ihr beschlossener Pakt wie eine abgelegene Insel. Mit einem Kopfnicken zum Ausgang meinte er. „Hast du nun Lust einen ruhigeren Ort aufzusuchen?“ Erfreut nahm sie diesmal sein Angebot an. Sie deutete erst auf ihren Platz, doch er winkte ab. „Lass einfach alles stehen. Komm“. Ohne zu zögern legte sie ihre Hände in seine Ausgestreckte. Genoss die Kraft mit der er sie auf die Beine zog. Im Gang draussen, schlug ihnen das kühle Klima empfindlich über ihre erhitzten Körper. Achtsam schlüpfte Berino aus seiner gefütterten Weste und legte sie Sunta ungefragt um die Schultern. Dankbar zog sie diese vorne enger zusammen. Fest hielt er ihre Hand und führte sie praktisch im Dunkeln durch das unterirdische Labyrinth. Mit ihm war es vergleichbar als bewegte er sich durch ein vertrautes Heim. Keine unsicheren Schritte. Im richtigen Moment legte er Sunta die freie Hand zusätzlich auf ihre Schultern um sie besser in eine Wegrichtung zu steuern. Es gefiel ihr auch, wie sie ohne Worte, wie selbstverständlich durch die Gänge huschten, ohne dass es irgendjemand anderem auffiel. Nach einem gefühlten, halben Kilometer, kam es in ihrem Sektor zu einem abrupten, senkrechten Aufstieg. Sie vermutete ein breiter Lüftungsschacht. Als Berio jedoch einen Kerzenstummel, innert weniger Sekunden zum Brennen brachte und ihn auf einem kleinen Sims platzierte, entdeckte sie die im Zickzack versetzten Halterungen, welchen ein hochklettern erleichterten. Es galt ungefähr drei Häuseretagen hochzuklettern. Nicht aus Höflichkeit, sondern aus Sicherheitsgründen bat Berino sie als erste vorzugehen. „Erste Prüfung für uns“, zeigte er seinen Humor. „Falls du abrutschst, halte ich dich. Schaffst du das?“ Dass er an ihrem Talent zweifelte kränkte Sunta etwas. Sie liess es ihn aber nicht zeigen, sondern begutachtete erst genau wo und in welchem Abstand diese geschwärzten Holzgriffe befestigt waren. Angekohltes Holz, weil es gehärtet, länger hielt und nicht durch die Feuchtigkeit an Stabilität verlor. Beeindruckt angelte sich Sunta die ersten Meter hoch. Wobei in ihrem Anfängerstatus vor allem die zusätzlichen kleineren Halterungen, die für weniger langarmige Kinder montiert waren, sehr zugute kamen. Berino folgte so dicht, dass sie befürchtete sie könnte ihm versehentlich auf die Finger treten. Gleichzeitig korrigierte er gelegentlich ihre Fusshaltung damit sie sicherer ihr Gewicht nach oben stemmen konnte, ohne abzurutschen. Oben blockierte ein durchlöcherter Deckel, mit einem einfachen Riegel, den Ausgang. Mühelos öffnete ihn Sunta. Schwieriger war es den letzten Meter nach draussen zu klettern, ohne die hilfreichen Halterungen. Stützend hielt Berino eines ihre Beine fest. Mit dieser zusätzlichen Sicherheit schaffte sie es spielend ihren Oberkörper aus dem Schacht zu ziehen. Erleichtert setzte sie sich neben einem Steinberg auf, als Berino ziemlich eleganter, fast aus dem Erdreich sprang, als hätte es ihn ausgespuckt. Sachte zog er sie auf die wackeligen Beine. „Vorsicht, die Steine dienen zur Tarnung für den Schacht. Durch ihre abgebende Wärme in der Nacht ziehen sie jedoch gerne Schlangen und giftige Skorpione an. Beide machen Jagt auf die beliebten, kleinen Eidechsen. Wir, also meine Leute mögen diese kleine Delikatesse, knusprig gebraten, auch sehr gerne.“ Hastig stellte sich Sunta sogar auf einen der erhöhten Steine, während Berino erst prüfend in die frische, kühle Nachtluft, schnupperte. Leise flüsterte er. „Sicherheit geht immer vor. Für dich, für uns.“ Er legte den getarnten Deckel zurück über den Einstieg. Dank dem Halbmond, erkannte Sunta, dass sie sich auf einer erhöhten Dünenwelle befanden. Wenige Meter vor ihnen ging es wieder nach unten in ein ausgetrocknetes Flussbett. Angeschwemmte Steine, getrockneter Schlamm allerlei Holzsplitter gaben der Umgebung eine gewisse Stabilität. Berino rückte so Nahe zu ihr, dass seine Körperhäärchen der Oberarme, die ihrigen Berührten. „Alle Jahrzehnte kommt hier eine schlammartige Lawine, kaum vier Schritte hoch, vorbei. Jedoch ist es sehr nahrhafte Erde und unsere Pilzernte verdoppelt sich nach dem seltenen Wassersegen.“
Sunta sah hinaus in angenehme Weite des stillen gelegten Meeres aus Sand. Die uneingeschränkte Sichtweite, nach der Enge der Tiefe tat so gut. Befreiend. Sie war eindeutig nicht für ein Wohnen unter der Erde geschaffen. Sogar Berino atmete befreit auf. „So ein vielfältiger Geruch der alle Sinne weckt.“ Mit einem geheimnisvollen Lächeln, dass in den letzten Jahrzehnten, selten jemand zu sehen bekam, betrachtete er seine Begleiterin. Gleichermassen lächelte Sunta zurück. „Man könnte meinen, du möchtest schon heute Nacht mit mir durchbrennen.“ Worauf er leise, tief lachte. Eine Hand legte er auf ihr Schultern. Es klang fast bedauernd, „So einfach ist das nicht. Ohne die Zustimmung des Chefs, verlässt niemand die eingeschworene Familie. Sogar meine alte Wenigkeit hat ihren festen Bestand darin. Sollte es bis zur nächsten wechelnden Mondphase keine Entscheidung kommen, werde ich vorschlagen, wir zwei brechen mit einer eingeholten Zustimmung auf. Es drängt mich aus der engen Höhle und Leuten in meinem Alter schlägt man selten ausgefallene Sonderwünsche aus.“ „Praktisch. Bei mir war das bisher genau umgekehrt. Ständig wird über meinem Kopf hinweg entschieden.“ Wissend grinste er sie schief an. Die hellen, aufblitzenden Eckzähne liessen Sunta zweimal hinsehen. Eindeutig, unverkennbar wie bei einem Raubtier. Einem gezähmten, kultivierten Raubtier. Gegen die aufkommende Kühle, lehnte sie sich vertrauensvoll an seine wärmende Seite. Zuversichtlich versprach er. „Wir finden eine gemeinsame Lösung.“ Dem stimmte Sunta hoffnungsvoll zu. Schweigend genoss sie seine willkommene Nähe. Lange betrachtete sie den schwarzen Nachthimmel mit den funkelnden Sternen. Diese weiten, unvorstellbaren Dimensionen. Als sie sich bequemer zurück räkelte, stellte Berino seine volle stützende Front zur Verfügung. Dabei bemerkte sie durch den dünnen Stoff ihrer bedeckten Pobacken ein wohlbekanntes, drückendes Hindernis. Verstehend blickte sie wenig überrascht nach hinten. In seiner belegten Stimme, die jetzt viel rauer klang, als je zuvor. „Möchtest du mehr?“ Einfache Worte, die aber in ihr eine Hitze aufflammen lies. Das mit Klump hatte ihr gefallen, aber mit Berino wünschte sie keine Wiederholung dieses kurzzeitigen Abendteuer. Es käme zu sehr einem Vergleich nahe. Ihr nachdenkliches Schweigen, lieferte ihm eine neue Erkenntnis. „Du hast mit deinem Freund nie ein Lager geteilt?“ Sie schüttelte den Kopf. Genoss einfach wie er mit seinem kräftigen Finger so zart ihrem Arm rauf und runter streichelte, dass sich ihre feinen Häärchen aufstellten. Er informiert sich weiter, „Keine intimen Zärtlichkeiten ausgetauscht.“ Ihr schärferes Ausatmen liess ihn stutzig werden. Allerdings erklärte ihre Aussage alles, „Klump hat sehr geschickte Hände, was sein Urenkel geerbt hat.“ Berino wirkte darauf herausgefordert. „Wir gehören beide zu den erfahrensten Generationen. Möchtest du also heute Abend eine Kostprobe von einem meinerseits ausgelösten Feuerwerk geniessen?“
Sunta wusste genau was er ansprach. Er hörte ihr zögern alleine am flacher werdenden Rhythmus ihrer Atemzüge. Es lag eine Sehnsucht drin, doch ihr fehlte einfach der Mut, ihren Wunsch auszusprechen. Also flüsterte er anbietend in ihr Ohr. „Die Familie der Klums sind nicht die einzigen, die das Geschick der Verwöhnung beherrschen. Ich bevorzuge allerdings eine andere Variante die uns beide einen Vorteil bringt.“ „Woher? Kennst du etwas Klump auch persönlich?“ Lachend winkte Berino ab. „Also so alt bin ich nun wirklich nicht. Nein, aber meine Urgrossmutter hatte eine ältere Tochter. Nach deren diplomatischen Vermählung mit einem ziemlich jüngeren Gefährten sind sieben Kinder entstanden. Der zweitälteste Sohn war Klump. Und genaugenommen, du siehst ja wie unsere Nachkommen, bei solchen Geburtstagspartys wie heute, so einiges von den Eltern mitbekommen. Also vage ich zu Behaupten einige Talente Klums stammen sogar von meiner Grossmutter welche ihrem unerfahrenen Gefährten so ziemlich einiges beigebracht hat. Es ist nämlich selbst bei uns unüblich mehr als fünf Kinder zu haben. Also hat es den beiden, trotz arrangierte Ehe, im Bett ziemlich gut funktioniert.“ „So weit entfernt bist du aber im Alter auch nicht,“ stellte Sunta nach einer kurzen Überlegung fest. Berino schüttelte den Kopf. „Wir sind im Vergleich zu euch ziemlich langlebig. Meine eigene Grossmutter hat ihren Gefährten, in einem Blitzkrieg gegen die habgierigen Menschen, verloren. Danach hat sie Jahrhunderte lang als selbstständige Jägerin gelebt, dass sie erst kurz vor endender Fruchtbarkeit, wieder einen Gefährten in ihr Herz gelassen hat. Das beträgt eine Zeitspanne in der Klump inzwischen sicher bereits eine Handvoll Kinder gezeugt hat. Aber reden wir nicht von der Vergangenheit. Interessanter ist die Gegenwart.“ Ganz nah ihrem Ohr raunte er. „Was wünschst du?“ Ihr beschleunigter Herzschlag liess sie kribbelig werden. Ihre Gedanken purzelten durcheinander. Sollte sie mit aufs Ganze gehen? Wann oder wie weit wollte er gehen? Da sie leicht überfordert schien, nahm er sie einfach an eine Hand. Führte sie vorsichtig an den dornigen Büschen vorbei, welche zwischen den Steinen wucherten und spazierte auf einen erhöhten tonnenschweren Felsbrocken zu. Als er neben der, einen Schritt hohen, geschliffenen Platte stand, hob er sie kurzerhand darauf hoch. Für einen Bruchteil einer Sekunde sprang er selber auf die harte, aber sichere Unterlage. Denn manchmal versteckten sich gerne Giftschlangen im kühlen, sandigen Untergrund. Doch oben, auf der von Wind mit Sand geschliffenen Oberseite, waren sie absolut sicher. Einzig die stillliegenden Sanddünen drohten in wenigen Jahren wieder diese feuchte Oase mit ihrem trockenen Sand zu zudecken. Bis dahin war er garantiert längst ausgezogen. Genauso davon überzeugt, eben mit seiner hübschen, jungen Begleiterin. Ohne zu zögern setzte er sich neben Sunta und zog sie zu sich runter. Kaum sichtbar nahm sie wahr, dass Berino sich gemütlich neben sie flach hinlegte. Der Rechteckige Felsen, der sich auf der langen Kopfseite leicht erhöhte, eignete sich bestens dazu. Dann zupfte Berino die breiten Stoffbahnen seiner Front auf die Seite ums sie unter den kräftigen Oberschenkel zu schieben. Es sah so aus als trüge er keine Unterwäsche. Als Sunta etwas zurücklehnte, damit das Mondlicht ihn besser traf, bemerkte sie einen ziemlich ausgebeulten, dünnen Reservestoff. Berino der ihren aufmerksamen Blick bemerkte. „Neugierig?“
Sie verdrehte die Augen. „Na ja, ich kenne eure Kleidungsgewohnheiten auf jeden Fall nicht.“ Er sah unschlüssig zum Himmel hoch. „War dies jetzt ein verborgenes Ja?“ „Ein schwaches Ja,“ gestand sie ungern zugebend. Er gluckste vor sich hin. Auffordern klopfte er auf seine kräftigen Oberschenkel. „Setz dich einfach drauf.“ Ein Teil von ihr war leicht geschockt, der andere wissbegierigere Teil, kam aber seiner Bitte nach. Etwas verlegen spreizte sie ihre Beine und legte ihre Knie ausserhalb seiner Oberschenkel ab. Die Wärme, dort wo sich ihre Haut berührte war erschreckend. Erst recht dieses flaue Gefühl in ihrer Bauchregion, steigerte ihre Wachsamkeit. Erst gab er ihr eine Minute, bis sie wieder einigermassen entspannt atmete. Danach zog er sie mit seinen kräftigen Armen nochmals eine Handlänge weiter nach oben. Sofort lies er sie nach dieser, ihm bevorzugten Verbesserung, wieder los. Es stand ihr also jeder Zeit frei, zu gehen. Was sie entschieden nicht wollte. Mit angenehmer, gesenkter Stimme bat er, „Entspann dich ein bisschen.“ Streichelte gleichzeitig wieder harmlos über ihre Arme. Wagemutig lies sie ihn ihr volles Gewicht spüren. Worauf er kurz sagte, „Moment.“
Kurz richtete er seinen Oberkörper auf. Seine Hände legten ihre Beine frei und drapierten die vorderen Stoffbahnen nach hinten, um ihre Hüften herum. Kurz zog sie scharf die Luft ein. Vor allem als er die heikle, letzte Stoffbahn zwischen ihren Beinen aufschlaufte. Ihr feuchtes Geschlecht berührte seine leicht behaarte Haut der Oberschenkel. Obwohl sie erst vor wenigen Minuten, viel offenherzige, freizügige Stellungen gesehen hatte, war es ihr dennoch etwas peinlich. Sie sollte nicht so deutlich auf seinen kräftigen Körper reagieren. Ein kleiner vernünftiger Teil ihres Gehirnes, verriet ihr, dass Berino sich anbot, Ihn zu erkundigen. Er überliess ihr die Führung, die Entscheidung, wie weit sie gehen wollte. Er entschied das ganz bewusst. Da lag nicht die mindeste Unentschlossenheit drin, wie bei Pol. Es waren seine beschwichtigenden Worte, „Meine dünne Stoffbahn reicht völlig aus, dich zu schützen. Ausserdem macht es so garantiert mehr Freude für dich. Vertrau mir.“ Ganz behutsam wanderten seine Hände über ihren wohl gerundeten Hintern. Ziemlich forsch zog er sie unaufhaltsam nach vorne. Suntas Augen vergrösserten sich. Sie schuckte einmal leer. So nah, so dicht an seinem harten Geschlecht, hätte sie sich nie getraut. Oder jedenfalls nicht mit dem Tempo das Berino so unbekümmert vorgab. Er schien ihre Unsicherheit einfach zu übersehen. Eilens versuchte sie sich an die gewagte Stellung zu gewöhnen. Berino hielt inzwischen völlig still. Seine Augen blitzen sie abwarten an. Als er seine Lippen breit lächelnd öffnete, winkte er sie zudem zu sich näher. Verzagt sah Sunta ihn erst an, ehe sie ihre Hände auf seine breiten Schultern legte und sich vorbeugte. Ganz nahe vor seinem Gesicht, sie konnte seinen Atem schmecken, der nach dem letzten Honiggepäck süsslich roch. Gleichzeitig wurde ihr klar, wie ihre empfindsame Klitoris ziemlich heftig, durch das Vorbeugen, gegen seine harte Erektion drückte. Ehe sie ihre Position korrigieren konnte, hatte er sachte seine Hand, an ihrem Hinterkopf, in das weiche Haar vergraben und hielt sie fest. Leise flüsterte er. „Ist es unbequem oder bloss unangenehm?“ Verstehend holte sie tief Luft um sich zu beruhigen. Lächelte etwas verlegten. Als er sie darauf küsste, holte sie noch tiefer Luft. Ehe sie auf ihn einging. So viele Emotionen liessen sie die Augen schliessen. Seine warmen Lippen spielten erst mit seinen. Küsste verspielt ihre Mundwinkel, worauf sie mutiger sein Gesicht in ihre Hände nahm und entschlossener mit halboffenen Mund einladen küsste. Küssen kannte, konnte sie bereits von Donan. Und ganz anders liebte sie diesmal die neckische, zurückhaltende Zunge von Berino. So sehr, dass sie völlig die Zeit vergass. Erst als sie beide atemlos nach Luft schnappen, ruckelte er andeutend mit seinen Hüften, worauf sie sich beinahe wegen nichts verschluckte. Seine aufblitzenden Augen bedurften keinerlei Worte. Probehalber antworten ihre kreisenden Hüften. Was sie wieder geniesserisch die Augen schließen lies. Es lag ganz bei ihr, wie intensiv dieses herrliche Gefühl von ihrer Klit ausgelöst, ihren ganzen Unterlaib in eine so verzückende Anspannung versetzte, die nach mehr schrie. Mehr verlangte. Verstehend sah sie Berino an, der es jedoch Verstand sie weiter aus der letzten Reserve zu locken. „Du bist angeblich eine mutige Drachenreiterin.“ „Angeblich?“ fauchte sie keuchend, weil sie bereits fester ihren Unterlaib an seinen presste. Oh ja, die liebte bereits seine neckischen Auflockerungen dazwischen. Er hob unbeeindruckt die Schultern. „Komm schon. Ich bin sehr stabil gebaut. Auch an meiner empfindsamen Stelle, die sowieso gerade am härtesten ist. Und“, weiter kam er nicht. Sunta Finger packten seine Schultern fester. Küssten ihn intensiver, mit allem lockend was sie kannte. Er half ihr nach indem seine Hände den Druck auf ihrem Po, ihrem vorgegebenen Rhythmus, verstärkten. Ihre rollenden, schmeichelnden Bewegungen gewannen an Stärke, liessen ihn in ihren Mund keuchend. Dies hier fand endlich seine volle Zustimmung, bestätigte, kräftigte das knüpfende Band zwischen ihnen. Sollte irgendjemand künftig Anspruch an Sunta stellen, musste er erst an seiner strengen Prüfung vorbei. So einfach würde er sie nicht mehr hergeben.
Sie genoss es in vollen Zügen. Diese ungeahnte Leidenschaft war noch viel köstlicher als Klumps Demonstration. Sie zögerte bewusst ihren Höhepunkt so lange wie möglich hinaus, dass selbst Berinos Instinkte beinahe durchdrehten. Um ihr nicht weh zu tun, krallte er seine verkrampften Finger in seine seitlichen Stoffbahnen hinein. Während sie auf ihm, sich so fest an seinem aufgerissenen Hemd festklammerte, wie eine Ertrinkende nach dem letzten Halt. Ihr wimmern endete in einem erlösenden Schrei. Gleichzeitig stöhnte er tief, kehlig in die Nacht hinaus, dass sogar die umgebende zirpende Nachtmusik kurz verstummte. Suntas Atem ging stossweise und sie brauchte in paar Minuten um wieder einen klaren, vernünftigen Gedanken zu bilden. Zittrige Finger lösten sich ungerne aus dem körpergewärmten Hemd. Er lag selber schwer atmen, mit geschlossenen Augen da. Besorgt fragte Sunta. „Bist du Okay?“ Worauf sein breiter Brustkorb vibrieren hochzittert. Dann lachte er. Träge öffnete er die Augen um sie selig anzulächeln. „Du bist die Erste die mich so was fragt. Bisher hat sich nie jemand Sorgen um mich gemacht. Ungewohnt, aber das gefällt mir.“ Zittrig stellte sich Sunta auf die schwachen Beine. Zweifelte. „Ich kann mir nicht vorstellen, jetzt noch den Schacht hinunter zu klettern.“ Berino richtete sich gemächlich auf und streichelte bewundernd ihre Beine. „Hast du es so eilig? Wir haben genug Zeit zur Erholung.“ Er zog sie bereits wieder näher zu sich, bis sie willig an ihn lehnte und seine Streicheleinheiten, an der obersten Grenze ihrer heissen Innenschenkel, ins feuchte Paradies hinein, genoss. Während sie spielerisch mit ihren sanften Fingern seinen leicht verschwitzten Oberkörper erkundete. Es gab da und dort kleine, bleibende Narben. Berino Haut erzählte von seiner guten Verteidigung als Kämpfer. Der gute Mann verstand es an der Oberfläche zu überleben. Erfreut taste sie durch sein volles, dunkles Haar das nur ganz selten ein kleines, graues dazwischen durchblitzen ließ. Er atmete selber schwer, genoss ihren erregten süß herben Duft. Sog ihn tief in seine Lunge, um ihn langjährig einzuprägen und auch weil es ihn selber wieder scharfmachte.
Auf einmal jagte eine leise Spannung mit dem seichten Abendwind heran. Nach einem einzigen Herzschlag waren Berinos Sinne schlagartig hellwach. Klar seine schneidende, warnende Stimme. „Sunta!“ Die ungewohnte Schärfe lies sie sofort aufhorchen. Es dauerte jedoch länger bis sie sich von ihren Schwärmereien befreite. Er legte ihre Arme seitlich von ihm ab, so dass sie ihr Gewicht alleine trug. Notfalls konnte er so auch schneller reagieren. Beinahe lautlos schob er seinen massiven Körper unter ihr zur Seite. Sie hauchte beinahe tonlos, „Was?“ Es zischte leise, als er tief Luft durch seine engen Nasenflügel sog. Selbst die letzten Grillen verstummten mittlerweile. Er strich erst mit einem Finger liebkostend ihrer Unterlippe nach, ehe er ihn senkrecht darüber stellte. Einzig seine Kleider raschelten verdächtig als er sich aufrichtete. Horchte. Erspürten eine lauernde Präsenz die von vorne sich anschlich. Er wusste von ausgehungerten Pumas und dürren Wüstenwölfen. Vermisste aber die sonst typischen, verräterischen Hinweise, wie das leise Rieseln des Sandes unter den anpirschenden Pfoten. Nichts huschte, oder knickte, wie vertrocknete Grashalme. Unaufhaltsam wuchs sie Spannung. Schliesslich riet er ihr. „Geh zum Schacht.“ Duldete keinen Widerspruch und sie sah auch keinen Sinn ihm nicht zu gehorchen. Sie vertraute ihm. „Sunta, mach ihn aber nicht auf. Nicht bevor wir wissen was uns hier bedroht.“ Obwohl er leise sprach, schienen sämtliche harmlosen Tiere in der Umgebung sogar den Atem anzuhalten. Da zischte etwas auf ihn zu.
In letzter Sekunde gab er Sunta einen beschleunigenden Schubs der sie unsanft vom dem Felsen beförderte. Er selber sprang mit aller Kraft die er aufbrachte, wie eine Feder, mehrere Meter in die Luft. Was immer ihn treffen wollte, sauste weit unter seinen Füssen untendurch. Eine kräftige, feste Masse, soviel verriet ihm der sausende, kühle Luftzug. Doch dann sprang Sunta, recht ungeschickt wieder vor ihm auf den Stein zurück. Erst wollte er sie für ihren Leichtsinn tadeln, doch sie brüllte ein einziges, klärendes Wort in die Nacht hinaus. „Mika!“ Eine grollende, deutlich verstimmte Antwort, bestätigte ihren schlimmen Verdacht. Sanfter fragte sie. „Mika, was machst du denn für Sachen? Was ist los?“ Wieder donnerte ein düsteres Grollen, weit in die Dünen hinaus. Seufzend sagte Sunta. „Hey, Ich kann nicht so gut sehen. Wo versteckst du dich?“ Worauf in mehreren Meter Entfernung, ein bläulicher Feuerball auf sie zuschoss. Er zielte allerdings tiefer, aufs dorniges Gestrüpp am Boden vor ihrem Felsen. Knisternd fingen seine sonnenverdorrten Zweige sofort an zu brennen. Erschrocken verfolgte Sunta, wie einige Schlangen aus dem Boden darunter auftauchten und sich blitzartig in die Wüste schlängelten. Da stupste bereits eine grosse Schnauze Sunta abermals, rücksichtsvoll vom Felsen hinunter. „Was?“ Mit voller Absicht schwenkte der mächtige Kopf dann herum, diesmal mit gefletschten Zähnen. Sie scharfen Zähne zielten Berino alles andere als freundlich an. Doch der sprang leichtfüssig über ihren schnappenden Kopf hinweg, als sei es purer Alltag. Verwirrt zog Mika ihren langen Hals zurück. Ihre Augenpupillen verdoppelten ihre Grösse, als sie angestrengt in die Nacht hinaus spähte. Durch den Schein des glimmenden Feuers erhielten ihre Augen vorübergehend einen fürchterlichen roten Glanz. Gelassen landete Berino, elegant auf seinen Beinen, auf dem Felsen. Wirkte unbezwingbar. Müde krabbelte Sunta zum zweiten Mal auf den Felsen hoch. Worauf Mikas verengte Augenschlitze andeuteten, dass dies gar nicht mit ihrer Zustimmung geschah. Energisch gab Sunta die Order, „Stopp!“ Zur Verdeutlichung streckte sie ihre Arme seitlich aus. „Schön langsam Berino,“sie deutete neben sich und klopfte vertraulich auf dessen Schulter. Dann sah sie zu der angespannten Mika hinüber und versuchte ihr zu vedeutlichen. „Das ist ein Freund von mir. Er ist lieb.“
Misstrauisch äugte Mika skeptisch die Beiden an. Langsam kam sie einen Drachenschritt näher. Ganz behutsam schob ihr ausgestreckter Vorderzeh Sunta auf die Seite. Fuhr dann ihre vollzähligen, scharfen Krallen aus. Eine unmissverständliche Drohung um Berinos Abstand zu Sunta zu vergrössern. Verdutzt spähte Sunta zu dem gelassenen Berino. Sogar ihr war klar was los war. Mika zeigte gerade ihre eifersüchtige Seite. „Nein,“ startete Sunta einen neuen Versuch. „Wir können alle Freunde sein.“ Doch bevor sie den Abstand zu Berino verringerte schob sich Mikas grösste Kralle dazwischen, wie ein mahnender Zeigefinger. Berino nickte beeindruckt den Kopf. „Mika, du scheinst ja alles gut zu verstehen. Was ist, wenn Sunta ein Baby möchte? Dann braucht sie einen starken Gefährten, wie mich.“ Dabei klopfte er sich an seine gut gebaute Brust. Völlig unbeeindruckt schnaubte Mika abfällig. Keinesfalls einverstanden. Sunta probierte Berino zu unterstützen. „Schau Mika, eines Tages werde ich Kinder haben. Das kann ich nur mit einem menschlichen Gefährten. Darum möchte ich Berino näher kennenlernen. Weisst du Kinder können viel Spass machen. Sind süss…“ Mit grossen Augen verfolgte Sunta wie der mächtige Drachen sich vor den Felsen hinlegte und wie ein kleines Drachenbaby mit den Beinen in die Luft strampelte. Den passenden Welpenblick hatte sie sogar passend drauf. Sunta lachte ab dem gespielten Drachenbaby. „Ach Mika, du bist schon gross. Eines Tages wirst du einen stattlichen Drachenmann finden und selber niedliche Drachenbabys ausbrüten. Oder auch nicht.“ Der angewiderte Ausdruck im Drachengesicht verriet, dass sie den fehlgeschlagenen Zuchtversuch noch immer nicht verdaut hatte. Ratlos suchte sie nach einer anderen Idee.
Berino beendete seine Zurückhaltung und trat Näher. Vorerst vermied er es Sunta anzufassen. Mit ruhiger, forscher Stimme erklärte er, „Mika du bist eine Erwachsene Schönheit. Und das ist gut so. Wir sind doch eine grosse Familie. Du bist wie eine grosse Schwester zu Sunta. Wir beschützen einander. Ich liebe Sunta und du liebst sie auch. Also liebe ich dich auch.“ Äusserst skeptisch blinzelte Mika Berino an. Wieder platzierte sie ihre gekrümmte Klaue drohend zwischen die beiden. Da küsste Berino seine Sunta kühn, über diese Kralle hinweg, auf die Wange. Abrupt schnellte die Kralle in die Höhe. Bevor sie sich wieder senkte, stand Berino so dicht vor Mika, dass er mit ausgestrecktem Arm ihre Schnauze berühren konnte. Sie schielte geradezu nach vorne auf den unerschrockenen Winzling. Da packte Berino sie bereits an dem empfindlichen Tasthaaren und hielt sie äusserst behutsam fest. „Ehrlich, ich mag es wie du Sunta beschützt. Du bist ein guter Drache. Komm her. Du hast auch ein Küsschen verdient.“ Bevor Mika entsetzt reagierte, hatte er statt der Tasthaare ihre geblähten Nüstern, Rauchrohre, vorsichtshalber zu Seite geklappt und küsste Mika wirklich auf die warme, weiche, schuppige Nasenfront. In der nächsten Sekunde zuckte Mika erschrocken zurück. Mit Drohungen verstand sie umzugehen. Befehle, Anweisungen, die hatte sie immer erhalten. Doch Berinos liebevolle Art verstörte sie. Von Sunta hatte sie den respektvollen Umgang und etwas Toleranz gelernt. Doch dieser neue liebevolle Umgang überforderte sie ein wenig. Schon gar, von einem männlichen Wesen. Sollte sie ihn wegschubsen? Als er sogar seine Arme ausstreckte, wie um sie zu umarmen, zuckten es um Mikas Nase. Unsicher wie sie mit dieser fast aufdringlichen, freundlichen Reaktion umgehen sollte, tat sie das Einfachste. Wandte ihm rasch den Rücken zu. Mit der weitreichenden Schwanzflosse schob sie Berino rasch zu Sunta hinüber. Besser die zwei zusammen, als dass dieser neue anhängliche Floh sich plötzlich bei ihr einnistete. Erleichtert atmete Sunta auf. „Danke. Du bist wirklich ein guter Drache.“ „Danke dir auch,“ bestätigte Berino. Ohne Begeisterung schnaubte Mika. Ziemlich erleichtert atmete Sunta aus, als Mika beinahe lautlos in den noch warmen Sanddünen verschwand. Endlich fiel alle Anspannung von ihr weg. „Ohne die scharfen Chilischoten hätte ich dich schlecht beschützen können. Hab ihr eigentlich Chilischoten in der Küche?“
Berino schüttelte den Kopf. „Wenn die richtig Verärgert ist, nützen auch keine Chilischoten. Die angefangene Kühle der Nacht hat ihre Bewegungen bereits verlangsamt. Es bestand absolut keine Gefahr für mich.“
Zweifelnd sah Sunta den standhaften Mann neben ihr an. Diesmal getraute er sich den Arm um ihre Schultern zu legen. Er war klug im richtigen Moment, die richtigen Entscheidungen zu fällen. Trotz seinem hohen Alter flexibel genug, Fantasy zu entwickeln und sich perfekt anzupassen. Mit einem zufriedenen Lächeln quittierte er Suntas offensichtliche Bewunderung. „Lass und gehen.“ Als seien sie schon lange ein Paar, führte er sie zu dem Schacht hinüber. Gerade wollte er den Deckel anheben, da hörte er ein seltsames Geräusch. Ein leises vor sich hin schnattern eines Tieres. Es dauerte bis er den seltenen Tierlaut wiedererkannte. Warnte. „Sunta, pass bloss auf wo du hintrittst. Irgendwo ist eines dieser Stinktiere. Gleicht einer langhaarigen Katze, ist aber extrem reizbar. Wenn dieses empfindliche Tier seinen Willen nicht bekommt, spritzt es dich mit einem unglaublichen Gestank an. Glaub mir danach kannst du eine Woche zu niemanden in die Nähe gehen. Nicht einmal, wenn du dir die Haut abschrubbst. Wo ist es nur?“
Vor ihm kletterte es neugierig auf den Deckel. Ziemlich gewandt, flitzte Berino, Sunta mit sich ziehen, ein paar Meter zurück. „Nöcht bewögen.“ Bewegte er kaum seine Lippen. Allen Regeln zum Trotz, schnupperte das katzengrosse, schwarzweise Tier und trabte dann neugierig auf seine zwei Besucher, in seinem Revier zu. Verdutzt was dieses Vieh bei ihnen so verlockende fand, sah Sunta heimlich an sich herunter. Konnte aber im halbdunkeln der Nacht nichts erkennen. Schnuppernd trottete der Kleine zutraulich in Reichweite. Sunta spürte Berinos Sprungbereitschaft. Langsam, wie in Zeitlupe kauerte sie nieder. Das Stinktier schnüffelte deutlich in ihre Richtung. Dann streckte es seine Pfoten nach einem ihrer langen Stoffbahnen aus. Kurz darauf hörte man es genüsslich an etwas herumkauen. Es knackte sogar leise. Eine weitere Minute schnüffelte es ausgiebig an Sunta herum, stich ihr mit dem weichen Fell um ihre nackten Beine. Was ihr ein leises Kichern auslöste, wegen dem Kitzeln. Berlino erstarrte. Das Stinktier selber sah einmal irritiert nach oben, ehe es ins nächste Gebüsch davon trabbte. Dort vollführte es einen hastigen Sprung und rannte dann, vermutlich einer flinken Eidechse, hinterher. Berino fasste sich als erster mit der Hand an die Stelle wo sein Herz darunterlag. Sunta kicherte lauter. „Also ein ausgewachsener Drache bringt es nicht zustande, dir eine Schweissperle auszuquetschen. Aber ein halbwüchsiges Stinktier beschert dir beinahe einen Herzinfarkt? Habe ich das richtig gesehen?“ Finster funkelte Berino sie an. Dann murrte er. „Wir alle haben unsere Schwachstellen. Und jetzt will ich nur noch in mein behagliches, sicheres, Stinktiersicheres Quartiert und eine Runde relaxen. Natürlich mit dir zusammen.“
Wie selbstverständlich führte er sie geradewegs in sein Quartier. Unterwegs gab nur einen kleinen Zwischenstopp bei einer sogenannten Nasszelle. In einer Nische rieselte aus einer natürlichen Quelle Wasser nach unten. Unten fingen zwei Becken das klare Wasser auf. Hier wusch man sich, oder trank bei Bedarf aus dem oberen Behälter. Für das stille Örtchen gab eine andere Ecke mit viel Sand, damit kein Geruch nach draussen in die Gänge drang. In der Nasszelle wusch sich Berino notdürftig, dass er kaum die Hälfte von dem aufgestauten Nass benötigte. Zu ihrem Schrecken forderte er Sunta auf sich auszuziehen. Weniger erfreut kam sie dem nach. Er erklärte. „Ich möchte nicht, dass jemand erschnuppert, das wir zwei ganz draussen waren. Daher die flüchtige Katzenwäsche.“ „Hast du etwas Verbotenes getan?“ Im schwachen Kerzenlicht sah sie seine Bewegungen kaum. „Ach nein. Sie vertrauen mir. Aber für jede Kleinigkeit renne ich nicht einer Bewilligung nach. Also komm. Geht schnell.“ Es ging in der Tat sehr schnell, da dies Wasser ziemlich kalt war. Hastig spritzte sich Sunta damit voll. Beinahe grob, rubbelte er sie danach mit einem feuchten Wolltuch rasch trocken. Erst als Sunta an einer empfindlichen Unterarmstelle zurückzuckte, entschuldigte er sich hastig. „Verzeih mir. Ich habe es völlig vergessen.“ Leicht küsste er mit den Lippen über die sensiblen Stellen. Gerührt nahm Sunta seine freie Hand. Ein rücksichtsvoller Mann der sich entschuldigen konnte, war viel Wert. Irgendwie erinnerte sie sich an keine Entschuldigung von Pol über ihre lange Betäubungszeit.
Innert wenigen Minuten gelangten sie endlich vor dem Eingang seines persönlichen Zimmers. Als er einladend den Vorhang auf die Seite hielt, trat sie mit stillem Einverständnis hinein. Seinem hohen Alters gemäss, erwartete sie mehr Inventar. Viel mehr persönliche Erinnerungsstücke, wenigstens mehr als bei der jungen Nara. Doch sie erspähte im schummrigen Licht praktisch einen Gleichstand. Der einzige Unterschied war, dass sich neben seinem Schlafplatz, Schaffelle mit dichtesten Winterhaar, mehrere Lagen übereinanderstapelten. Auch die mit mehreren Fellen gepolsterte Sitztruhe verriet seine Vorliebe für gemütliche Plätzchen. Ausser seinen vom Jagen bevorzugten Waffen, gab es absolut nichts mehr im Raum, abgesehen von der doppeltlagigen Schilfmatte als Bodenisolierung und zwei tönernen Krügen. Schlicht und praktisch veranlagt. Keine Souvenirs aus seinem langen Leben. Verwundert setzte sie sich auf sein Bett. Einfachhalber hatte er ein grosses Gazellen Fell einfach umgedreht und schlief auf der gegerbten Lederseite. Vorsichtshalber fragte sich nach. „Erwartet man mich eigentlich nicht in meinem alten Zimmer?“ Kaum merklich schüttelte er den Kopf. „Es gab genug Zeugen die dich mit mir zusammen gesehen haben. Und im Gang hängt immer noch der Duft von uns zwei zusammen. Die Wissen das ich auf dich aufpasse.“ Leicht verunsichert beobachtete Sunta wie er sich ungeniert vor ihr auszog. Die blanke Kehrseite ihr zugewandt, band er sich wieder so eine lange Stoffbahn um die Hüften und einmal gelockert zwischen den Beinen, hinten wieder in dem improvisierten Gurt, hinein. Schlicht, effektiv und trotzdem hätte das nie einer der früheren Dorfbewohner je angewandt. Nicht mal in den heissesten, schwülen Sommernächten.
Ratlos sah sie an sich herunter. „Was soll ich anziehen?“ Der nachdenkliche Zeigefinger an seinem Kinn verriet, dass er nicht alles perfekt voraus bedachte. Tief Luft holend, meinte er schliesslich. „Ich bin gar nicht auf Damenbesuch eingerichtet. Wenn bei uns Frauen einziehen bringen sie immer ihre zusätzlichen Decken und andere Sachen mit. Ist so eine Mutter, Tochter, Brautabgaben Sache. Bei dir allerdings…“ Verschmitzt sah Sunta zu ihm rüber. „Ich kann mit einem Drachen dienen. In den Berghöhlen war es nötig gewesen, bei ihr zu übernachten.“ „Nein,“ schoss es ihm fast ein bisschen zu hastig hervor. „Ich meine, du wirst keinesfalls bei Mika übernachten!“ Verbesserte er sich gefasst. „Die anderen sind heute Nacht bis spät in die Morgenstunden beschäftigt. Ich wohne ziemlich abgelegen, das mich selten einer Besuchen kommt. Wäre es ein Problem für dich, unbekleidet zu schlafen? Ich meine, ich lösche vorher selbstverständlich das Licht.“
Verlegen und amüsiert lachte Sunta. Bei jedem anderen, mit Ausnahme Pol, hätte sie vehement abgelehnt. Bei Berinos vorbildlichem Verhalten war sie jedoch absolut in sicheren Händen. Daher nickte sie. „Ich Versuchs. Aber sollte ich in der Nacht die Decke heimlich ganz an mich reissen, übernehme ich dafür keine Verantwortung.“ Berino gluckste einmal begeistert. „Einverstanden.“ Nachdem er das mit dem Nachttopf, in der Ecke geklärt hatte, legte er sich in sein Bett und öffnete schon einladend die Decke für Sunta. Mit leuchtende, verschmitzte Augen verabschiedeten sich Berino von ihrem Tagesanblick. Ein kurzes Pusten in die Kerzenlaterne und der letzte Lichtschein verschwand. Ohne Eile zog sich Sunta aus. Huschte danach zu ihm unter die Decke. Wobei sie es sogar bevorzugte ihre Beine dicht neben seine zu legen. Mit einer letzten Scheu wagte sie sich mit dem Rücken ganz nah zu ihm, dass sie sich sachte berührten. Sein tiefes. „Träume was schönes,“ schenkte ihr eine zufriedene Zuversicht. Als ob sie ein neues behütetes Zuhause gefunden hätte. Sie Wünschte ihm dasselbe.
Stille? Nein, kurze Atemzüge weckten Sunta mitten im Schlaf. Es dauerte bis ihre Gedanken registrierten, dass ein gewisser Berino neben ihr lag und keine Gefahr bestand. Einzig seine tieferliegende Unruhe hatte sie aufgeweckt. Sie tastete im Dunkeln nach seinem zuckenden Arm. Beruhigend streichelte sie über die angespannten Muskeln, bis er hörbar tiefer Atmete. Auf einmal sog er scharf die Luft ein. Sie kannte mittlerweile seine prüfenden Angewohnheiten. Er war eindeutig aufgewacht. Bemerkte die sanfte Hand welche ihn streichelte und entspannte sich. Leise flüsterte sie, „Alles okay?“ Mit einem behaglichen Brummton wandte er sich ihr zu. Zog sie entschlossen in seine Arme, so dass ihr kalter Rücken sich an seiner warmen Brust wärmte. Seine wenigen krausen Brusthaare kitzelten spürbar an ihrem Rücken. Locker legte er seine breite Hand über ihren flachen Bauch und zog sich noch näher. Seine tiefe Stimme hörte sich trotz dem Flüstern doppelt so laut an wie ihre. „Alles gut. Ein paar alte unschöne Erinnerung. Jetzt bist du ja da, bei mir.“ Sein Oberkörper schüttelte er sich leicht um ihn ganz zu lockern. Er war so nahe, dass ihr die Hitze unter der Decke fast zu viel wurde. Trotzdem wollte sie keinen Zentimeter von ihm weg. Die schöne Erinnerung an den gemeinsamen Abend draussen, verstärkte ihre Sehnsucht nach mehr. Spielerisch tanzten ihre Finger über seinen Unterarm. Und wieder wanderten ihre Gedanken ein wenig Schuldbewusst zu Pol. Berino wusste schnell was er wollte und zögerte nicht es zu bekommen. Im Moment brauchte, genoss sie diese Zuverlässige Sicherheit. Im Gegensatz zu Pol, rannte Berino nirgendwo hin, ohne sie. Warum konnte Pol nicht ein bisschen mehr wie Berino sein? Sie verwarf den Gedanken wieder. Nutze das Gute was du hast und träume nicht von Unerreichbarem. Berino hatte keine Träumerin verdient. Nicht nach dem schönen Abend und all der Aufmerksamkeit die er ihr zu widmen versprach. Mittlerweile streichelten sie bewundernd seine breiten, kräftigen Schultern. Staunte über seine wohldefinierte Brust und die betonten Bauchmuskeln. Ein starker, zuverlässiger Beschützer. Sie wollte ihn auf jeden Fall an ihrer Seite haben. Seine entspannten Atemzüge flachten ab. Die Spannungen unter seiner Haut nahmen zu. Als sie ihre Erkundungen fortsetzte, begann er im Gegenzug sie belohnend zu streicheln. Wobei er gezielt die erotischen Stellen aufsuchte. Es gefiel ihr wie er mit seinem Daumen über ihre Brustknospen strich. Dann zwischen seinen Fingerkuppen nahm und Verlockend, fordernd, nahe an ihrer Schmerzgrenze zudrückte. Als ihr ein leiser Seufzer entfloh, begann er mit der anderen Hand, ihre innere Seite der Oberschenkel zu streicheln. Oh ja, sie wollte ihn, mehr von dem was er in ihr Auslöste. Die feuchte Hitze zwischen ihren Schenkeln erschreckte selbst Sunta. Er hingegen nahm es als Willkommene Einladung sie mit einem Finger zu prüfen. Ihre Enge nasse Tiefe zu testen. Ziemlich überrascht keuchte er auf. Den Finger tief in ihr lassend, wartete er ab. Bis sie anfing auffordernd ihre Hüften tiefer zu schieben. Erfreutes Schnauben verriet, dass er ihre Absichten durchaus teilte. Zuerst nahm er jedoch den Finger wieder aus ihrer Scheide, was bei ihr eine ziehende Leere hinterließ. Jetzt verstand sie erst Recht was die Bachschwestern an Männern so bevorzugten. Dies übertraf bei Weiten das, als wenn sie sich früher selber Lust verschaffte. Genau wie am Abend setzten sie Berions kräftige Hände auf seine tieferen Lendengegen ab. Wo sie genau spürte wie seine harte Erektion das gespannte Tuch zu durchbohren versuchte. Einen Moment zögerte sie. Einige Gedanken über Sitten und Anstand blitzten hoch. Sie schob sie auf die Seite. Wenn sie in den letzten Tagen, Wochen eines gelernt hatte dann, dass man seine Lebenszeit geniesen sollte. Weil das Leben so kurz sein konnte. Sie wollte diese Nacht ohne Einschränkung genießen. Als ihre zittrigen Finger Berinos Schutztuch auf die Seite schob, hörte sie keinen Protest. Nur ein vorsichtiges. „Bist du sicher?“ „Würdest du das auch jemand aus deinem Umfeld fragen?“ Er reagierte in dem er seine Hände hinter seinem Kopf verschränkte. Sein, „Tue was dir Spass macht. Ich überlasse dir das Tempo“ Flüchtig schnupperte prüfend die Luft ein. „Keine fruchtbaren Tage. Dir steht also alles frei, wie weit du auch gehen möchtest.“
Einen Moment war Sunta ernüchternd betroffen. Daran hatte sie ja so gar nicht gedacht. Mehr denn je zeigte sich, dass sie mit Berino Goldrichtig lag. Darum bat sie leise. „Könntest du? Ich möchte nicht allein…“ Sie verstummte ab der zärtlichen Geste wie er ihr Gesicht umfasste, näher zog, um sie auf die Lippen zu küssen. Sie liebte seinen Geschmack nach dunklem, rauchigem Honig. Ein spielerisches, lockendes Zungenspiel startete. Pausierte kurz, als sie zwischendurch wieder mehr Sauerstoff benötigte um den letzten Weg einzuleiten. Dank ihrer aufgeheizten Lust, traute, wagte sie sich vorsichtig auf Berinos Härte nieder. Trotz ihrer nassen Hitze im Inneren, tat es für einen Moment höllisch weh, dass sie innehielt. Zu ihrer Überraschung stützte Berino sie rücksichtsvoll an der Taille ab, bis sie seinen Händen ein lösendes Zeichen gab. Doch da wo ihre spärlichen Lebensweisheiten, begann, Ratschläge welche ihre besorgte Mutter ihr mit auf den späteren Lebensweg mitgeben wollte, dass es Momente im Bett gab die auch keinen Spaß bedeuteten, deckte sich aber nur in dieser einen, ersten Minute. Danach liessen sie die überfluteten Gefühle nach Luft schnappen. Berino gab ihr so viel Zeit sie wollte und bald begann sie selbst mutiger ihre Hüften zu bewegen. Anfangs etwas ungeschickt, doch Berinos Hände lenkten sie in den perfekten Rhythmus hinein. Von ihm voll und ganz ausgefüllt zu sein, begleitete immer noch ein leichtes Brennen, doch die gesteigerte Leidenschaft, das süsse Verlangen nach mehr verdrängte den letzten Schmerz und sie liess sich ganz von ihrer Lust lenken. Je nachdem wie weit sie sich vorbeugte, reckten sich ihre Brüste verführerisch Berino entgegen. Er leckte, saugte an den empfindlichen Knospen, soweit sie sich ihm entgegenstreckte. Diese sinnliche Zärtlichkeit verstärkte ihre Lust. Nachdem Berinos Finger zusätzlich über ihre empfindliche Klitoris strichen, konnte sie bloss noch stöhnen, geniessen, ihren Körper einfach dieser unbeschreiblichen, innneren Explosion hingegeben, die all ihre Synapsen flutete. Danach brauchte sie Zeit um ihren rasenden Herzschlag zu normalisieren. Noch immer sass sie auf Berino, der immer noch in ihr steckte. „Wow.“ Erschöpft liess sie sich einfach auf niedersinken und kuschelte sich dann an seine Seite. So gut konnte also das Leben sein. Dankbar für diese schöne Erfahrung küsste sie Berinos Haut neben sich. Nein, sie bereute gar nichts. Ganz im Gegenteil. Sie würde sich gerne an dieses perfekte Mal erinnern, vor allem an diese prickelnde, aufregende Energie, welche sie immer noch umgab. Träge streichelte er ihr über die seidigen Haare. Freute sich darauf es im nächsten Sommer länger zu sehen.
In dieser unruhigen Nacht verführte er sie noch zwei weitere Male. Wobei er jede Eroberung weiter hinaus dehnte und sie sanfter gestaltete, da er wusste wie empfindlich sie nach dem ersten Mal, sein musste. Ihm war nicht entgangen, dass ihr menschlicher Körper weniger schnell heilte, wie der von seinen Leuten.
Als er am nächsten Morgen die kleine Laterne anfachte, überraschten ihn die eingetrockneten Blutflecke an ihrem Oberschenkel kaum. Das erinnerte ihn an sein bewährtet Heilmittel. Er marschierte zu seiner Truhe und fischte gezielt einen kleinen verschliessbaren Tontopf aus der Ecke. Er überreichte es ihr. „Strich einen Fingerbreit davon, nach dem Waschen und trocknen, unten damit ein.“ „Danke,“ hauchte sie perplex. Der Mann dachte an alles. Oder aber, „Hast du öfter Erfahrungen mit jungen Frauen.“ Seine Augen vergrösserten sich. „Was unterstellst du mir? Nein, bei uns ist es zwar üblich, dass nachdem die jungen Mädchen ihre Geschlechtsreife erlangen, bevorzugt erfahrene Männer aussuchen. Doch die suchen sich jüngere Partner. Ich bin da entschieden zu alt.“ Nachdenklich betrachtete er ihre Kleidung. „Zu unpraktisch.“ Ihm fehlten erst die exakten Worte. Ehe er verbesserte, „Nicht dein Stil. Du brauchst was Praktisches. Vor allem weil wir nach den Essen was für dein Training tun.“ „Ach tun wir das?“ Sunta wunderte sich mit welchem Einfluss er jetzt einfach ihren Tagesplan änderte. „Yep, du brauchst mehr Ausdauer. Zu schwach, wenn du diesen Krieg überleben willst, brauchst du zumindest eine kleine, solide Grundausbildung.“
Dagegen hatte Sunta nichts einzuwenden. Zuerst jedoch stand ein vernünftiges Frühstück an der Tagesordnung.
Weniger als die Hälfte der üblichen Einwohner trudelten an diesem Morgen im beliebten Versammlungsort ein. Den meisten machten die Folgen des ausgiebigen Feierns zu schaffen. Im Gegensatz zu Muktu bereitete es Berino keine Schwierigkeiten, sich völlig frei an den grössten Tisch mit Sunta zu präsentieren. Kaum setzte er sich hin, bat er wie selbstverständlich, Sunta möge doch eine Kanne von dem abgekühlten Morgentee aus der Küche holen. Es freute sie, wie er sie einfach mit ins gewohnte Leben hineinzog. Sie marschierte mit einem mulmigen Gefühl in die Küche. Doch wenige Worte wie, „Frühstück für Berino,“ reichten aus, dass man ihr ein schwer beladenes Tablett in die Hände drückte. Mit ziemlich mehr, als nur einer Kanne Tee, balancierte sie mit der Last zurück zum Tisch. Erst sagte Berino gar nichts, dann lachte er los. Sämtliche Blicke im Raum sahen ihn beinahe erschrocken an. Er ignorierte seine verblüfften Leute und klopfte Sunta loben auf den Rücken. „Ich schicke dich nächstes Mal auch Holz holen. Was du dann alles zurückbringst, nimmt mich jetzt schon Wunder. Eine goldene Statue?“ „Die Leute lieben dich,“ bemerkte sie erfreut. In ihrem Dorf behandelte man nur reiche Leute dermassen Aufmerksam. Doch selbst dem sonst so zurückhaltenden, stillen Berino zollte man höchsten Respekt. Nachdem sie das schwere Tablett, ohne einen Tropfen zu verschütten, abstellte, bemerkte Sunta neben ihr eine elegante Darbietung von einem anderen Paar. Wobei die Gefährtin, in wenigen Handgriffen, formvollendet den Tee einschenkte als wäre es flüssiges Gold. Jede Bewegung, der kleinste Handgriff versprühte Weiblichkeit. Bewundernd sah Sunta ihr zu, bis sich die wahre Teekönigin, neben ihrem hochzufriedenen Mann, hinsetzte. Der blickte kurz zu Sunta rüber, weil ihm die Aufmerksamkeit, das geradezu faszinierende Starren, vielleicht etwas missfiel. Hast sah Sunta vor sich auf den Tisch, dann zu Berino. Der erklärte. „Eine perfekte Teezeremonie. Willst du es auch einmal versuchen?“
Zweifelnd sah Sunta den geschwungen, langen Hals der Teekanne an. Dann sagte sie sich, wage es einfach. Doch schon wie sie die Tasse vor Berino hinstellte, brachte unentwegt Kritik ein. Er korrigierte ihre Fingerhaltung, den Rücken, sogar mit den Beinen sollte sie in einer fraulicheren Pose stehen. Noch schlimmer gestaltete sich das Eingießen mit dem heissen Tee. Vor allem in ihrer unnatürlichen, verkrampften Haltung. Unzufrieden schüttete Berino die ersten drei Tassen zurück. Erst bei der vierten erntete sie das erste Lob. Bei der fünften hüpfte er erschrocken zur Seite und schlug sich dabei empfindlich das Knie an einem der soliden Tischbeine an. Verlegen lächelte Sunta. „Ich glaube ich sollte das erst einmal mit kaltem Wasser üben, ehe ich mich an die Meisterklasse wagte.“ Sie erhielt keine Wiederworte. Berino wirkte sogar insgeheim erleichtert. „Ja, essen wir besser, bevor es kalt wird.“ Zwischendurch spähte Sunta immer wieder hinüber zu dem so Vorbildlichen Verhalten der anderen Frau. Diese nickte sogar einmal mit einem ansteckenden strahlenden Lächeln zu ihr hinüber. Ihr selber schien es zu gefallen, dass sie kopiert wurde. Ein sachtes antippen auf Suntas Schultern und sie wandte sich Berino zu. „Sunta. Das mit den Teezeremonien praktizieren vor allem Paare, oder welche die es gerne werden wollen. So wissen die andern, dass die zwei sozusagen in einer perfekten Harmonie, zusammengehören.“ „Gut so?“ Es gab ein paar einfache Regeln, wie auf der rechten Seite von dem Partner zu sitzen, damit sie ihn so besser bediente. Gerade als sie den berühmten Pfefferminztee erneut einschenken wollte, plumpste jemand dicht neben ihr auf die Bank. Beinahe verfehlte sie sie die erst halbvolle Tasse. Berino der abermals eine Verbrennung fürchtete, spähte warnend zu dem unerwünschten Besucher. Das übermütige Grinsen Wiirins, vertrieb die düsteren Drohungen in der Luft. Es fiel dem anderen sogar ziemlich schwer die übertragende Freund zu verbergen. Triumphierend sah er das neue Paar an. „Wer ist der Beste?“
Dabei lehnte er sich siegessicher zurück. Berino wollte eine Antwort brummen, aber Suntas Hand deutete heimlich an, einzuhalten. Während er überlegte was sie plante, hörte er ihr alles andere als lobende, beipflichtenden Worte. „Wiirin, deine Voraussage war nicht ganz korrekt!“ „Wie?“ Er zog ein fragendes, langes Gesicht. „Ihr seid doch zusammen?“ Bestätigung einholend lehnte er über den Tisch vor und schnupperte. Wohl ein bisschen zu heftig, denn er rümpfte sogleich angewidert die Nase. „Ihr solltet unbedingt in den Waschraum bevor ihr eigentlich an den Tisch kommt.“ Diesmal war Berino schneller, „Machen wir gleich nach dem Training.“ Energisch stemmte Sunta in die Seiten, „Wie gesagt, deine Prognose ist fehlerhaft. Weisst du Berino, was Wiirin behautet hat? Es würde kesseln.“ Sie klang empört und Berino erkannte sofort das spielerische Empört. Im Gegensatz zu dem nun verunsicherten Wiirin. Allerdings machte Berino, das Kesseln stutzig. „Kesseln?“ Fragte er ungläubig. Sunta bestätigte. „Genau das waren seine Worte. Und kesselt es zwischen uns?“ Als Aufforderung tätschelte sie die muskulösen Muskeln ihres Begleiters. Überrascht hob Berino eine buschige Augenbraue. Er verstand noch nicht den Sinn ihrer Spielerlaune. Fand es jedenfalls klüger auf Suntas Seite mitzuspielen. Mit einem breiten Lächeln, verursacht durch die Erinnerungen der letzten Nacht, strahlte er Wiirin überzeugend an. Der strahlte selbstzufrieden wie eine gleißende Sonne über der Wüste. Doch Suntas Blick lies ihn stutzig werden. Sie anklagend. „Siehst du! Eindeutig daneben.“ Empört klagte nun Wiirin nach Gerechtigkeit. „WAS?“ Es brauchte nicht mal einen auffordernden Blick Suntas, da legte Berino ihr schon beipflichtend den Arm um ihre Schultern. Sie, „Sieht das nach kesseln aus?“ Berino gluckste fröhlich, als er einen nach Luft schnappenden Wiirin beobachte. Sagte aber beschwichtigend, leise in Suntas Ohren. „Lass es gut sein. Der hat nicht so ein dickes Fell wie ich“. Dann etwas lauter, „Wir wollten doch, dass er seine positive Energie weiterhin aussendet. Selbst wenn er mit seiner Einschätzung etwas danebenlag.“ „Du auch?“ Staunte Wiirin leicht geknickt. Sunta strahlte, „Eben ein bisschen Spass muss auch für uns sein.“ Endlich begriff Wiirin, dass sich die Zwei mit ihm einen Scherz erlaubten. Erleichtert atmete er aus. Wischte sich den imaginären Schweiss von der Stirn. „Ich habt mich erwischt.“ Wobei er nachdenklich seine Augen verengte. Er sah ernst drein. Der gewünschte bedrohliche Ausdruck misslang ihm jedoch gründlich. „Dafür seid ihr mir was schuldig.“ Zufrieden erhob er sich und klopfte Berino auf die kräftigen Schultern. „Ich weiss genau was. Wenn ihr Spass zu dritt haben wollt, lädst du mich umgehend ein. Du weißt wozu,“ raunte er verschwörerisch Berino zu. Der nickte einwilligend zu. Während Sunta noch über die Bedeutung Wiirins ahnungslos nachdachte, verschwand dieser eilig. Berinos Finger tippten leicht an sein leere Tasse, schon schenkte Sunta ihm nach. Wiirins Worte, deren unverstandenen Sinn, nagte weiter in ihr. Daher fragte sie; „Wie darf man seine letzte Aussage verstehen.“ Geheimnisvoll zog Berino die Mundwinkel nach oben. Auch er genoss es Sunta hinzuhalten, bis er ihren fragenden, ausdauernden Blick nicht mehr aushielt. „Zu dritt Spass haben ist für uns, viel zu früh.“ Entgeistert hauchte sie, „So etwas in der Art wie gestern auf dem Fest?“ Zu ihrem entsetzten bestätigte Berino dies mit einem gleichgültigen Nicken. Ergänzte: „Es heisst, wenn einer der Zwillinge mitmacht, erfüllt sich meistens ein Kinderwunsch. Irgendwie hat ihre Nähe einen positiven Effekt auf den Kindersegen.“ „Aha. Der kommt mir aber nicht in die Nähe deines Schlafzimmerst.“ Sie sagte das so ernst, dass Berino leise kicherte. „Gut kann dich Wiirin nicht hören. So eine traurige Absagte würde ihm weiter den Tag versauen.“ „Ich glaube, er verkraftet das,“ meinte Sunta zuversichtlich.
Berino trank seinen Tee und drängte Sunta selber ihren zu beenden. Danach führte er sie in einen hinabsteigenden Schacht. Unten war es gegen alle Erwartungen von ihr, absolut trocken und ziemlich warm. Fünf leicht bekleidete Krieger spazierten zügig durch den schummrigen Gang. Untypisch für die erhitzten Krieger, dass sie nur ein Minimum an Kleidung trugen. Kleine kurze Lederbahnen, mit denen Berino bevorzugt nachts schlief. Als Sunta den Kriegern nachblickte, bemerkte sie aber doch einen kleinen bedeutsamen Unterschied. Sie bekam neben dem kleinen gewundenen Lederband auf der Rückseite einen unverhüllten Blick auf die knackigen Ärsche. Um nicht mit ihrem peinlich errötetem Blick aufzufallen, sah sie einfach nach vorne. Vorne auf die massive Brettertüre die den einzigen Ein-Ausgang schützte. Heftig polterte Berlino mit der Faust einmal gegen die solide Bretterwand. „Damit niemand aus Versehen verletzt werden kann,“ verriet er sein tun. „Auf beiden Seiten natürlich, ist es erwünscht angemessen zu klopfen.“ Nachdem er die Türe aufschob bemerkte Sunta gleich die vielen verschiedenen Waffen an der Wand. Vom kleinsten Wurfstern bis du einem ihr viel zu schweren Hammer, sammelte sich eine grosse Auswahl. Sie glaubte sogar, dass einige davon für Kinderhände geeignet waren. Jedenfalls bei den Pfeilbogen sah dies eindeutig so aus. Bevor sie die teilweise absurden geschwungenen Klingen betrachtete, hörte sie näherkommende, gehetzte Rufe. Als sie sich umwandte stutzte sie nicht schlecht über die gewaltige Halle. Hier hätte Mika locker dreimal Platz drin gehabt, wenn sie denn durch das Nadelöhr von einer Türe passte. Gefällte Bäume hatte man hier nach unten gezerrt. Nischen, Bretter, ein Korridor der Schlangenförmig bis in den hinteren Raum führte. Wo die ersten sichtbaren Meter bereits schwingende Hindernisse zeigten, welche den Durchgang massiv erschwerten. Berino verriet. „Zweimal nach rechts und zweimal nach links. Wenn du weniger als eine Umdrehung eines kleinen Sandglases brauchst, dann gehörst du in die oberste Profiliga. Ausser unserem Anführer haben dies bisher nur zwei weitere Leute geschafft.“ „Du?“ nahm es Sunta wunder. „Nein,“ winkte er ab. „Dazu fehlt mir die Wendigkeit. Ich bin mehr für kräftige Aufgaben geeignet.“ Er deutete an die Sanduhren, drei in verschiedenen Grössen, an der Wand. Ein kleines Grüppchen Leute stand davor. Da drehte jemand eines der mittleren Gläser herum. Schon flitzte so ein kleinwüchsiger Knirps, der Sunta kaum an die Busenhöhe reichte, hinein in den beweglichen Parcours. Barfuss und so leise wie eine flinke Katze. Manchmal sah man ihn, wenn er wieder in die Richtung zu den Zuschauern nach vorne, die Hindernisse übersprang. Dann wieder verschwand er für ein paar Sekunden duckend hinter einem schwingenden Sandsack oder während er seitlich sprang, schlüpfte er zwischen zwei vorschnellende Holzarmen mittendurch. Es schien als besässe er kein hinderliches Körpergewicht und eine riesige, unermüdliche Sprungkraft in den so dürren Beinen. Der Junge schaffte es bei den letzten rieselnden Sandkörnern über die Ziellinie zu hetzen. Sein Atem ging nicht einmal übermässig schwer. Als käme er von einem flotten Botengang zurück. Staunend sah Sunta ihn an, bis Berino sie neben sich auf die Sitzbank hinab zog. Es dauerte ein paar Minuten, ehe die durchgelaufenen Teilnehmer eine Pause einlegten. Kaum spazierten die Leute plaudernd nach draussen, stupste Berino sie auf die Beine hoch. Anders als die anderen, drehte er keine der Maßeinheiten, sondern demonstrierte Sunta ein Hindernis nach dem anderen. Zeigte wo was schmerzhaft zuschlagen konnte, dazu bestimmt war bei einer kleinen Unachtsamkeit, einem unsanft aus dem Weg zu fegen oder an die nächste Wand zu klatschen. Am schlimmsten empfand Sunta die wackeligen Wippen, welche auf jede noch so geringe Gewichtsbewegung reagierten. Wer nicht aufpasste, dem klemmte es zeitweise den Fuss ein. Für Unerfahrene war es ein Horror hier einen Rhythmus zu finden, bei dem man in Zeitnot durchschlüpfen sollte. Selbst ohne die ablaufende Zeit, vielen Sunta vor allem die Gleichgewichtsübungen schwer. Sie konnte zwar blendend auf steilen Felsgraten herumklettern, aber da waren immer feste, solide Simse unter ihren Schuhsohlen gewesen. Hier hatten es die teilweisen sehr fiesen Geräte darauf abgesehen, ihr den Boden unter den Füssen wegzuziehen, sollte sie zulange stehenbleiben.
Ein wenig Nachdenklich neckte Berlino, „Ich dachte Drachenreiter sind in der Balance besser geschult?“ Unbekümmert verteidigte sich Sunta. „Sind sie auch. Aber ich habe erst die Testphase bestanden, eine Woche mit einem Drachen zu überleben. Meine Unterschrift ist praktisch noch feucht auf dem abgesegneten Vertrag. Dann sind leider die Kataner aufgekreuzt und haben mich zur Flucht gezwungen und meine Ausbildung ist seither ziemlich in die Ferne gerückt“. Kürzte sie die Zusammenfassung extrem zusammen. Berino keuchte: „Du hast im Grunde keine Ahnung. Zum Beispiel über Drachenkrankheiten oder Trainings eines Drachen?“ Bedauernd schüttelte Sunta den Kopf. Berino stutzte einen nachdenklichen Augenblick, bis ihm die aktuelle Ausbildung wieder einfiel. „Wagst du eine Runde allein, jetzt wo niemand ausser mir da ist?“
Mit einem spöttischen „Aber sicher“, trabte Sunta gemütlich davon. Für sie war wichtiger erst mal ohne Prellungen und hässliche Beulen da durchzukommen. Berino nahm es mit Humor. Als sie nach zwei der grössten Sandumdrehungen trotzdem aus dem Parcours humpelte, verzog Berino über das miserable Resultat besorgt das Gesicht. Legte kurz den Kopf schief. „Süsse, etwas länger und mein kurzes Vormittagsschläfchen hätte in einem Tiefschlaf geendet.“ Sunta war selber ein bisschen von sich enttäuscht. Ein einziger Hebel hatte sie ausgerechnet am Schienbein getroffen, wo es besonders weh tat. Jetzt fragte sie sich, ob Berinos Worte nicht genauso einen weiteren Schmerz verursachten. Etwas angekratzt gab sie zurück. „Irgendwann musst du mir dein wahres Alter verraten. Vielleicht sollte ich in der Nacht etwas rücksichtsvoller zu dir sein, wenn du so viel Schlaf brauchst?“ Berinos Augen funkelten auf sie herab. „Du hast ja keine Ahnung was ich wirklich brauche. Glaub mir, ich zeigte dir gerne, sobald dein Energielevel gesteigert ist, mit wie wenig Schlaf ich auskomme.“ Gerade wollte sie ihm was zurückgeben, verstummte aber lieber. Zu ihrem Entsetzen spazierte Muktu in den Raum hinein, ohne vorher an der Türe zu klopfen. Sofort verschlechterte sich ihre Laune. Vor allem als er mit einem missbilligenden Blick ihren ramponierten Zustand betrachtete. Er wandte sich gleich direkt an Berino. „Wie viele Runden hat sie geschafft?“ „Eine“, hielt er sich knapp. Muktu schüttelte den Kopf, als hätte er nichts Anderes erwartet. Ohne sie weiter zu beachten schritt er zu nächsten Holzbank und schälte sich aus seinem wunderbar bestickten Umhang. Dass er so eine aufwendige, kostbare Kleidung verdiente, erkannte Sunta alleine an seinem durchtrainierten Körper. Dieser besondere Krieger bestand aus gut definierten Muskelpartien und klaren Sehnen. Kein Gramm Fett zu viel, was ihm eigentlich mehr schadete, dachte Sunta insgeheim. Denn so kantig mit den trockenen Gelenken und Gliedmaßen schreckte er ab wie ein durchtrainierter, ausgehungerter Kampfbulle. Kein Wunder war Muktu so extrem reizbar, dachte sie weiter, selbst der lange bewunderte Königsstier aus ihrem Dorf musste am Ende geschlachtet werden, weil er eine Gefahr für Kinder darstellte. Ein rüder Stoss ließ sie rasch den Blick abwenden. Fragens sah sie zu Berino. Ihre Hände strichen beschwichtigend über seine kräftigen Oberschenkel. „Weist du was mir an dir besonders gefällt?“ Nun besass sie seine volle Aufmerksamkeit. „Berino, das sind deine inneren Werte. Dein guter Charakter. Das ist viel mehr Wert, als der beste durchtrainierteste Körper. Ausserdem übertreibt dieser Muktu. Man könnte meinen er trinkt nur konzentrierten Pflanzensaft. Jetzt versteh ich seine schlechte Laune. Würde mir nicht anders gehen, wenn man mich auf so strafe Diät setzt. Himmel, wie ich deine Pfunde liebe.“ Dabei streichelte sie nicht nur, sondern knetete seine entspannten Oberschenkel, die fast das doppelte von ihren eigenen Maßen. Nach diesen lobenden Worten blieb Berino eine Weile stumm. So ein Kompliment hatte er von ihr nicht erwartet. Als angenommenes Dankeschön glitten seine Finger durch ihr seidiges Haar. „Schatz!“
Indessen stand Muktu nur mit dem obligatorischen Lendenschurz, in seiner typischen aufgerichteten, steifen Art vor dem Hindernislauf. Zum Warmlaufen gab es die rollenden Bänder zu beiden Seiten des Einganges. Noch nie hatte Sunta solche Laufbänder gesehen, wo man sich zwar bewegte, rannte und trotzdem nicht weiterkam. Meistens war eines dieser Bänder besetzt, um in Bewegung zu bleiben. Berino ermutigte Sunta zum Ausprobieren, wann immer der Sinn danach stand. Jedenfalls standen jedem bis zu 10 grosse Sanduhrenzeit zu. Es war sogar erwünscht diese mindestmenge täglich zu absolvieren. Als ein kaum angeschwitzter Muktu seine Aufwärmzeit beendete, nahm Berino seinen Platz ein. Beim vorbeigehen äugte Muktu skeptisch zu dem neuen Paar. Er schien seine Machtposition zu genießen als ihm beiläufig herausrutschte. „Tolle Freundschaft. Ist zu eurem Vorteil, wenn die Verhandlungen über Suntas Aufenthalt sich Hinhalten. Frühestens ab nächste Woche wird die erste Anhörung sein.“
Über so eine ungewöhnliche Verzögerung runzelten Berino leicht verärgert die Stirn. Unsicher fragte Sunta. „Stimmt das?“ Berino nickte. „Hab mich schon gewundert warum ich bisher keine Einladung zur Abstimmung bekommen hab.“ Also wandte sich Sunta direkt an Muktu. „Kann man das nicht beschleunigen?“ Muktu spähte zu ihr hinab. Den Schadenfrohen Spott in seiner Stimme war selbst in ihren Ohren unverkennbar. „Hältst du dich für so Wertvoll? Viele sind froh, dass sich Berino überhaupt mit dir abgibt. Du hast weder wertvolle Ressourcen zu bieten, noch wäre Eile geboten um da noch ein paar Bewohner zu retten. Falls denn noch welche von uns ausgewanderten Leuten da sind, kümmern wir uns unabhängig von dir, darum. Du bist ein aufgezwungener Gast und einzig Berinos Interesse ist es überhaupt zu verdanken, dass sich die obere Clan Liga mit deiner Anwesenheit befasst. “
Für einen Moment sprachlos, blinzelte ihn Sunta an. Oh ja, Muktu wusste genau wie er einem abkanzelte. Darum hatte er ja auch so einen riesigen Fan Club, mit vermutlich einem einzigen anhimmelnden Teilnehmer. Suntas Gehirnzellen arbeiten bereits auf Hochtouren. Berino, mit seinem klaren Verstand, der heimlich diesen Ausdruck mit den verengten Augen fürchtete, wich sogar einen Schritt zur Seite aus. Muktu dagegen kreuzte geradezu auffordern die Arme vor seiner Brust. Im Geiste ging Sunta nochmals den für sie schwierigen Parcour durch. Es war ziemlich anstrengend, zweifellos. Dennoch erkannte sie darin brachliegendes Potential. Daher versuchte sie es auf ihre Weise. „Werter Muktu, was wenn ich die eine grosse Sanduhr bestehe? Legst du ein gutes, beschleunigendes Wort ein, um meine Sache vorzuschieben?“
Schärfer musterte sie ein interessierter Muktu. Genau besah er sich ihre unvorteilhafte, gekrümmte Stehhaltung und kam zu dem Entschluss. „Solltest du sogar die Mindestanforderung für die mittlere Sanduhr bestehen, lege ich Andertags die Abstimmung auf dem Besprechungstisch vor. Sag einfach wann du bereit bist. Solltest du allerdings versagen, wirst du eine Woche alles tun was ich von dir verlange.“ Rasch warf Berlino ergänzend dazwischen. „Nur was den Haushalt betrifft. Keine körperlichen Arbeiten an dir.“ Stellte er gleich seine Sonderrechte an Suna klar. Muktu lachte überheblich. „Als ob ich an unwilligen Bettgenossinnen Interesse hätte. Natürlich nicht! Aber meine Füsse darf sie gerne einmal täglich waschen und massieren.“ Über diese seltsame Forderung vertiefte sich zwar Berinos Stirnfalten, aber nach einem prüfenden Blick auf Sunta, welche nickend einwilligte, gab er auch sein ok. „Gehört und abgespeichert.“
Während Muktu mit einem selbstgefälligen Grinsen die kleinste Sanduhr in Bewegung setzte, zottelte Sunta weiter auf ihrem Laufband herum. Berino pfiff leise, einmal aus. „Das dürfte nicht so einfach werden. Arbeite lieber drei, vier Tage an deiner Beweglichkeit und Reaktionsvermögen, die Schnelligkeit ist dein kleinstes Problem. Dann setze ich sogar einen kleinen Betrag auf dich. Eventuell sogar eine kleine Belohnung.“ Sie keuchte, „So, so, eine Kleine. Immerhin, ich versuche mein Bestes das zu würdigen.“ Trotz Berinos lockendem Angebot, was genau dahinter sich versteckte er aber nicht verraten wollte, zweifelte Sunta stark an ihrem gelingen. Jedoch verleitete die offene Herausforderung gründlich zum Nachdenken. Zwei, drei Tage Training verbesserte kaum ihre Kondition auf die Schnelle. Sie erkundigte sich also wann der günstigste Zeitpunkt, für sie zum Trainieren war. Die exakte Auskunft erhielt sie rasch, da niemand Interesse hatte Schleicher zu beobachten oder diese in seinem Weg wünschte. Immer um die Essenszeiten und in der halben Stunde danach, blieb sie völlig unbeobachtet in diesem Raum. Mit der Information schmiedete sie einen Plan. Während ihr neuer Freund lieber Gewichte stemmte, tanzte sie beim Fitnessprogramm für Frauen mit. Wobei selbst hier die Hälfte der Figuren, eine Belastungsprobe für ihre durchschnittliche Beweglichkeit darstellte. Bereits am dritten Tag, als sich Mittags alle anderen um den gedeckten Tisch setzten, blieb sie mit einer ziemlichen Erschöpfung im Trainingsraum zurück. Einzig Berino gönnte sie die Freiheit, ihre mickrigen Erfolge zu beobachten. Mit ihm spazierte sie nochmals alle Hindernisse gründlich durch. Und zwar im Schneckentempo. Bei jedem suchte sie nach den kürzesten, einfachsten Bewegungen, die es brauchte um sie zu überwinden. Bei ihrem nächsten Testlauf benötigte sie eine volle Glasdrehung und ein verlängertes Viertel mehr. Dieses letzte Viertel stand ihr im Weg zu einem glücklichen Finale. Mit keuchenden Atem und den bereits kraftlosen Beinen sah sie ihr Scheitern voraus. Sie bat Berino alleine zum Essen zu gehen. Höchst ungerne liess er sie in diesem ausgepowerten Zustand alleine. Nach einer kurzen Erklärung, um Konzentration bittend, gab er nach und versprach ihr vom besten Essen eine Portion zu reservieren. Im Alleingang forschte Sunta gründlicher um die Mechanik besser zu verstehen und schliesslich die letzten Schwachstellen zu finden. Wenige Minuten später setzte sie sich mit einem strahlenden Lächeln gerade noch Rechtzeitig gegenüber an Berinos Tisch, bevor der Hauptgang abgetragen wurde. Erwartungsvoll schob er Sunta die zurück gehaltenen Portion Eintopf zu. Dankbar nahm sie ihn im Empfang. Sie brauchte jede Kalorie. „Danke, heute Abend würde ich gerne eine Runde zur Probe drehen. Wenn es klappen sollte, laden wir Morgen Muktu zum Zusehen ein.“ Sprachlos schaute sie ein ernster Berino an. Allein sein weises Alter, liess in ahnen, dass Sunta einen Trumpf im Ärmel versteckte, welchem dem Wort Schummeln gefährlich nahekam. Gegen seine Beunruhigung sagte er gelassen. „Ich bin gespannt auf deine Darbietung.“
Den Rest des Nachmittags war ausgefüllt mit Bogenschiessen, diverse Waffen ausprobieren, Verteidigungsstunde ohne Waffen, eine weitere Stunde Teppichknüpfen bis hin zu Steinschleuderspielen, bei dem es darum ging, mit möglichst wenig Kieselsteinen eine Becherpyramide von ihrem Podest zu mähen. Dabei gab es erstaunliche Differenzen zwischen den Teilnehmern. Dem Meisterschützen, der halbwüchsige Sohn eines Jägers, traf sogar aus dreissig Fuss Entfernung mit seiner gewöhnlichen Steinschleuder, locker jede letzte Dose. Einzig ein dreijähriger traf schlechter als Sunta, was sie ziemlich wurmte. Ihre Jahre als Ziegenhirten erschienen ihr so weit weg. Als sie mit geworfenen Steinen die frechen Ausreisser daran hindere, verlockendere Wiesen im Alleingang zu erkunden. Tatsächlich als sie ohne Schleuder, nur mit blosser Hand die schwersten Steine warf, entdeckten die anderen ihr Talent. Es dauerte nur Minuten ehe die meisten versuchten sie nachzuahmen, aber kläglich versagten. Ein erster Sieg an sie.
Aufgeregt zog Sunta förmlich ihren Begleiter in den Fitnessraum. Es waren die letzten Minuten vor dem Abendessen. An diesem Abend sollte es wieder einmal Fleisch geben, da Mika anscheinend, wieder einmal eine Wüstengazelle teilte. Seit die Drachendame zum Aussenteam gehörte, verbesserte sich deutlich die Chancen auf Fleisch. Sunta vermisste zwar die gemeinsame Zeit mit dem Drachen alleine, doch Berino wollte sie diesmal gerne dabeihaben. In vielem dachte sie zuerst an ihren starken Berino. Dennoch geisterte Pol ständig hinten rum. An diesem Abend wollte sie sich nur auf ihre Körperleistung konzentrieren. Beweisen, dass sie auch eine einzigartige Klasse besass. Zusammen mit ihrem Freund trat sie in dem vom schweren Schweissgeruch gefüllten Raum, als die letzten gerade zum Abendessen aufbrachen. Eine schwarzhaarige mit fantastischen Traummassen und wunderschönem, schulterlangem Haar, welche perfekt zu dem herzförmigen Gesicht passte, hielt inne. Sunta verschwendete keinen zweiten Blick auf die so weiblichen, Rundungen die kaum eine Handvoll Lederstoff verhüllten. Trotz ihrer geringen Grösse, waren diese Frauen hier athletisch veranlagt und gleichzeitig so herrlich weiblich ausgestattet, dass man sie nur neidisch betrachten konnte. Einige von den Frauen wiesen zudem eine scharfe Intelligenz auf. Auch diese Schönheit hielt, gegen ihren drängenden Gefährten, inne. Dann marschierte sie gegengesetzt, Sunta hinterher. Diese vernahm das leise Getuschel hinter sich. „Warum?“ Von ihm. Sie unverblümt. „Weil ich einfach die Leistung von der Neuen sehen will. Vielleicht braucht sie etwas moralische Unterstützung hinterher.“ Als Sunta sich lächelnd umdrehte, erwiderte die andere Schönheit es ohne Verlegenheit. Mit einem kurzen Blick zu Berino, „Wir sind alle im selben Team.“ Wohlwollend nickte er ihr zu. Einzig der besorgte Gefährte schnaubte unwillig. Es klang wie. „Du weißt was du tust.“ Er wirkte nicht gerade glücklich als er im dunklen Gang, so leise wie eine Katze, davonging. Prioritäten setzen, Abendessen!
Angespannt zog Sunta ihr Überkleid aus. Kurzes Hemd, kurze Unterhosen die gerade Sittsam ihr Gesäss abdeckten, vergrösserten ihre Beweglichkeit enorm. Für das was sie vorhatte, durfte sie nirgendwo mit dem Stoff oder Leder hängenbleiben. Berino raunte zu seiner Nachbarin. „Die hat was vor, Lunia? Ich frage mich nur was.“ Begeistert klatschte die in ihre Hände. „Ist gut. Endlich läuft was.“ Genau wie Berino vor seinen Schaukämpfen, atmete Sunta tief durch und sammelte ihre Gedanken auf das vorliegende Ziel. Nickte Berino zu. „Letzten und mittlere Sanduhr, bitte.“ Mit einem zweifelnden Blick, setzte er die gewünschte Zeitspanne in Bewegung. Sie sprintete los. Im Gegensatz zu den anderen trommelten ihre Füsse regelrecht über den Bretterboden. Mit einer gewissen Anspannung hielt Berino den Blick auf dem mittleren, rinnenden Glas. Angestrengt horchte er auf die inneren Geräusche des Labyrinths. Als zwischendurch das Fuß trommeln verstummte, sah er skeptisch auf den Ausgang. Auf Lunias besorgten Blick hin, schüttelte er abweisend den Kopf. „Die hat mehr im Kopf als in den Beinen.“ Ignorierte ihren fragenden Ausdruck. Noch ein paar letzte Körner im mittleren Glas, als er schon die Hand danach ausstreckte, flitzte was keuchend durch den Ausgang. Völlig ausser Atmen, mit pfeifendem Luftschnappen rannte Sunta schwerfällig über die Zielgerade. Wie?! Sogar Lunia riss ihren Schmollmund auf. „Wie?“
Nachdem Sunta wieder regelmässig Luft atmete, japste sie. „Muktu hat gesagt, das grosse Glas reicht auch, aber das mittlere sei besser. Er hat aber nicht erwähnt wie ich den Parcours hinter mich bringe.“ Das siegreiche Lächeln hatte sie sich verdient. Kopfschüttelnd, mit einem Hauch schmunzeln, starrte Berino auf sein Wunderkind. Langsam dämmerte es selbst Lunia, dass geschummelt wurde. „Moment mal. Mehr im Kopf als in den Beinen,“ bestätigte sie Berinos Aussage. Dann lachte sie los. „Ich will unbedingt beim Wettbewerb dabei sein. Muktus Gesicht möchte ich auf keinen Fall verpassen. Ruf mich, wenn es soweit ist.“ Fröhlich verabschiedete sie sich mit einem strahlenden Lächen. „Ich verrat es niemandem.“ Trällerte sie fröhlich aus dem Gang noch ihnen zu. Verwundert schüttelte Berino seinen Kopf.
Geplant war ein diskreter Dreier der keine zusätzlichen Zeugen brauchte. Aus diesem Grund fing Berino, vor Beginn des Frühstückes, den vielbeschäftigten Muktu ab. Leider befand sich dieser umringt von einer kleinen anhänglichen Fangemeinde. Berinos diskret gesendetes Wort, lies Muktu mehr als nur gelassen aufhorchen. „Suna? Was will sie?“ Erst nachdem er dies bereits ausgesprochen hatte, dämmerte dem hohen Amtsträger, was der von ihm unerwünschte Gast wollte. Mit Skepsis fragte er nach. „Jetzt schon? Vor dem Ende des längsten Sandglases?“ Berino nickte. Dem scharfen Auge Muktus entging aber nicht die innere Sorge des Ältesten. Jedoch schätze er den Grund falsch ein und beging den Fehler vor den anderen Siegessicher zu sein. „So, so, die Kleine, die vor drei Tagen mehr als eine halbe Umdrehung Zeitüberschreitung hatte, soll also jetzt schon so fit sein wie unsere Jüngsten? Hast du ihr was Besonderes zum Trinken gegeben?“ Gelassen mit einem Hauch Unmut sah Berino ihn durchdringlich an. „Hast du Zeit oder lieber ein andermal?“
Jedes andere Mal hätte bedeutet Sunta mehr Zeit zum trainieren zu geben. Muktu glaubte einfach fest an Suntas Selbstüberschätzung, dass er sogar die fünf Jünglinge spontan einlud. Die wiederum informierten ihre Eltern, wegen dem zu späten Erscheinen beim Familienfrühstück. Was wiederum dazu führte, dass die aufgewärmte Sunta auf dem Laufband, statt den erwarteten zwei Zuschauern, praktisch die Hälfte der ganzen Höhlenbande, durch den Eingang zum Trainingsraum reinspazieren sah. Verdattert beobachtete sie, halb verschwitzt auf ihrem erhöhten Posten wie da jeder, der so früh wach und fit war, hier zur Versammlung eintraf. Sie blinzelte verstört und fragte Berino, „War mit dem Frühstücksessen etwas nicht in Ordnung, oder ist es schon vorbei?“
Er seufzte leise. Seit langem gestand er sich aber ein, das Muktu wirklich einen Dämpfer nötig hatte. Er lächelte ihr zuversichtlich zu. „Ich glaube die wollen eher deine Show nicht verpassen.“ Bei dem Auflauf bekamen Sunta Zweifel ob sie ihre gewagte Idee durchführen solle. Zu viele Leute. Sollte sie stolpern oder die wenigen Sekunden aus einer Unachtsamkeit verschenken, war sie ziemlich Blamiert. Gerade wollte sie Muktu ansprechen, doch der warf gerne zündendes Benzin ins Feuer. „Du hast es wohl eilig mir eine Woche zu Dienen? Ich habe eine Menge zum Aufräumen im Lager und auch einige andere unangenehme Dinge sind längst überfällig. So lautete der Wetteinsatz.“ Nachdenklich rieb sich Sunta die Augen, ehe sie leiser ansprach. „Andersrum bringst du heute noch meinen Antrag, für eine Reisegenehmigung, vor.“ Als sie dies für geklärt hielt, spazierte sie ziemlich angespannt zu Berino. In seiner Nähe fühlte sie sich beschützt. Leise flüsterte sie. „Wann sollen wir anfangen?“ er legte ihr eine Hand auf die Schultern, während sein Daumen unter ihrem zusammengebundenen Haar, ihren Hals liebkoste. „Bringen wir es hinter uns.“ Brachte er es auf den Punkt. Begleitete sie zu Startlinie hinüber. Als er zurückblickte rief er etwas erfreuter. „Lunia, wärst du so freundlich?“ Seine andere Hand hielt zwei Finger hoch. Sunta blendete die vielen seitlich rumstehenden Leute aus. Ging im Geiste bereits das erste Hindernis nach der Kurve an. Lunia rief begeistert. „Von mir aus kann es losgehen. Hey Sunta, solltest du es schaffen, gewinnst du eine komplette Brautbeigabe, von mir.“ Sunta schien sie nur halb zu verstehen. Dafür sah der überrumpelte Gefährte von Lunia streng zu seiner Gattin hinüber. Bevor er sein Mitspracherecht beanspruchte, sprintete Sunta los. Alle drängten angespannt nach vorne.
Suntas Herz raste wie verrückt als sie keine vier Minuten später, deutlich bevor die letzten Sandkörner runterrieselten, hinaus aus dem Parcours stürmte. Selbst nach dem sie die Ziellinie erreichte, blieb es lange ziemlich ungewöhnlich still. Solange bis Lunia loben in ihre Hände klatschte. „Du hast meinen Hauptpreis schon mal als sicher.“ Jubelte sie. Unsicher sah Sunta in die merkwürdigsten Gesichter. Trotz ihren schlimmsten Befürchtung gefiel ihr das erbleichte Gesicht von Muktu am besten. Verschwunden war seine gesunde sonnengebräunte Haut. Es zuckte gefährlich um seine Nase herum. Der öffentliche Beweis zu was Sunta fähig war, liessen ihn nach dem ersten Schock, vor Wut rot anlaufen. Durch die zusammengepressten Kiefermuskeln hörte man seine Zähne knirschen. Da er als einziger kein Wort sagte, sondern nur höchst Giftig Sunta anstarrte, hielten es die Umstehenden für klüger auf Abstand zu gehen. Ziemlich schnell und vor allem Weit auf Abstand, da der unterdrückte Wutanfall für alle nicht nur sichtbar, sondern auch bereits spürbar in der aufgeladenen Luft lag. Allerdings war er zur letzten Zurückhaltung gezwungen, da Lunia die beste Freundin von Akny war, welche wiederum ihren höchsten Anführer einlud. Der stand ungerührt irgendwo hinter ihm und beobachtete natürlich was ungewöhnliches gerade abging. Wenn er besorgt über die weissen, geballten Knöchel Muktus war, so liess er es sich nicht anmerken. Nein, Muktu konnte sich keine Ausraster leisten, auch nicht vor den tonangebendsten Frauen, welche ihn respektvoll, unerschrocken und mit ein wenig tadelnder Sorge betrachteten. Vor allem weil Sunta selber ruhig blieb, und wie ein folgsames Lamm, ohne einen Ton von sich zu geben, brav zu Berino trottete, brachte Muktu zu einem mehrfachen Augenblinzeln. Dies löste, löschte die glimmende Lunte zu seiner hochexplosiven Stimmung. Seelenruhig schritt der Anführer zu dem neuen Denkwürdigen Paar hinüber. „Eine gute, gelungene Vorstellung. Darüber wird unser Liedermacher seine wahre Freude haben. Dass ihr in einem seiner neuen Lieder verewigt werdet, könnt ihr nun nicht mehr verhindern.“ Als seine dunklen Augen unverwandt direkt Suna ansahen, überfiel sie ein merkwürdiger Schauer. Auf der Stelle fühlte sie sich schuldig, weil sie Unruhe in seine behütete Familie brachte. Die erfahrenen Augen quittierten es mit einem flüchtigen anheben der Mundwinkel. Wieder mit totalen Ersthaftigkeit wandte er sich an sie. „Wir werden selbstverständlich Beraten was das Beste für Euch sein wird. Das wird nicht in einer einzigen Sitzung entschieden. So etwas Bedeutsames braucht Zeit.“ Ein langer Blick folgte zwischen dem jungen Paar und landeten wieder bei Sunta. „Überlege dir gut, was das Beste für dich ist.“ Vor Schreck vergrößerten sich ihre Pupillen. Dieser Anführer schien in ihr Herz zu sehen, ihre Unsicherheit zu wittern. Jedes noch so kleine Staubkorn Unentschlossenheit in ihr zu entdecken. Er lächelte milde über ihre nachdenkliche Reaktion.
Die schwere Bedeutung hinter seinen Worten bescherte ihr in der kommenden Nacht genauso wenig Schlaf wie dem gekränkten Muktu. Die Entscheidung ganz bei Berino zu bleiben, eventuell sogar auf längere Dauer an diesem Ort, erschreckte sie aber weitaus weniger als früher in den Berghöhlen zu wohnen. Worin lag der Unterschied? Tief ihn ihr dachte sie ein wenig wehmütig an Pol. Erinnerte sich deutlich an seinen Geruch, seinen letzten Kuss, vor allem an seine sprühende Energie. Anderseits brauchte sie Berino ausgeglichene, entschlossene Vorgehensweise genauso. An diesem Abend, in ihrem Bett neben dem herrlich ruhigen Berino liegend, bedauerte sie ihre Angelegenheit beschleunigt vor den Rat gezerrt zu haben. Vielleicht brauchte sie wirklich mehr Zeit um Klarheit in ihr Leben zu bringen. Vielleicht sollte sie einen Gang runterschalten und ihr Umfeld, ihre Situation einmal genauer betrachte. Denn Pol konnte sie nicht so einfach vergessen. Unruhig wälzte sie sich auf ihrer Bettseite herum. Berino der ihren Zwiespalt mitverfolgte, legte sich näher an seine Bettkante. Es bedurfte keiner Worte. Sie wusste, dass sie ihn jederzeit um Rat fragen durfte. Und er lies ihr höflich Zeit ihre aufgewühlten Gedanken zu ordnen. Überhaupt die richtigen Fragen zu finden. Erst lange nach Mitternacht schlief sie ein. Erleichtert erlaubte sich Berino in seinen eigenen Träumen zu versinken. Doch bereits nach kurze Zeit schreckte eine ziemlich desorientierte Sunta in seinem Bett hoch. Vor allem ihre schnelle Atmung veranlasste Berino mitfühlend zu fragen. „Alles in Ordnung?“ Ihm war bereits klar das was nicht stimmte, aber er wollte es von ihr selber hören. Besorgt zündete er dafür gerne die kleine Öllampe an und stellte sie auf einen kleinen Sims über ihrem Nachtlager. Ihr ängstlicher Ausdruck in den Augen liess ihn ziemlich wacher werden. Es entfuhr ihr entsetzt. „Der Schrei! Hast du ihn nicht gehört? Diesen entsetzlichen, verzweifelten Schrei.“ Jetzt war er definitiv wach. Er schüttelte den Kopf. Sie senkte ungläubig die Augen. Versuchte sich klarer die letzte Erinnerung hoch zu rufen. Was war eben geschehen? War alles so ein verrückter Traum? Ein flüchtiger, unwahrer Traum? Kopfschütteln legte sie ihren verwirrten Kopf an Berinos kräftige Schultern nieder. Nachdenklich fuhr er mit einem Finger seiner Bartlinie entlang. „Was weisst du noch? Hast du erkannt von wem der Schrei kam?“ Ihr Erbleichen ließ ihn schlechten Neuigkeiten vorausahnen. Sie hauchte tief ergriffen. „Pol.“ Dann holte sie tief Luft, um sich zu Beruhigen. Schluckte um ihre trockenen Hals zu befeuchten. „Es war eindeutig Pol der um Hilfe schrie. Und es war so seltsam echt.“ Sie fuchtelte hilflos mit einer Hand in der Luft. „Da war Feuer um ihn herum. Gekreische, brennende Bäume, eine Hitze die fliegende Vögel in Sekunden verbrannte, dass sie verkohlt vom Himmel fielen. Und inmitten diesem Chaos habe ich Pol fallen sehen.“ Vorsichtig fragte Berino. „Lebte er noch?“ Mit grossen, verzweifelten Augen sah sie ihn an. Zu mehr als einem heiseren Flüstern nicht imstand. „Ich weiss es nicht. Es war als ob ich ihm beim Sterben zusehen konnte. Seine letzten Sekunden.“ Völlig mitgenommen versenkte sie ihr Gesicht tiefer in Berinos wärmenden Schutz. Wortlos umarmte er sie behutsam. Gab ihr einen Moment zur Erholung ehe er gestand. „Das macht mich Neugierig. Dieser Pol, ihr hab eine stärkere Verbindung zueinander als es nur normale Freunde teilen? Habe ich da Recht?“ Sunta schluchzte beinahe. „Ich habe keine Ahnung. Ich…kann ihn nicht vergessen. Vor allem jetzt wo ich nicht mal weiss wie es ihm geht? Was wenn er noch lebt? Dieser verdammte Krieg mit diesen Katanern bringt alles durcheinander.“ Mitfühlend strich er über ihre Schultern. Nach einer langen Pause meine er. „Das wird nicht einfach. Hier ohne Genehmigung raus zu spazieren. Zu zweit wären mir mit dem Drachen schneller. Mika hat ja schon mehrfach auf den Jagden draußen bewiesen, dass ihre Flügel gut verheilt sind. Gib uns drei oder vier Tage Vorbereitung. Dann reisen wir mit“, er kam dich an ihr Ohr und raunte, „oder ohne Erlaubnis ab.“ „Danke,“ schluchzte Sunta erleichtert. Weiter brauchte sie nichts zu sagen. Ihre Finger die sich in sein tragendes Wildlederhemd krallten, sagten alles. Sie brauchte ihn in diesem Moment, wenn auch dieser Pol gerade mit einer lästigen Dringlichkeit sich zurückmeldete. Bevor sie keine Beweise bekam, würde die Ungewissheit was mit Pol passiert war, immer wie eine Barriere zwischen ihnen stehen. Er sah es positiv. Hier für eine Weile rauszukommen, wieder einmal all seine Sinne zu schärfen, tat ihm auch gut. Aber dieser. „Pol?“ Er rollte den Namen über die Zunge. Ob Freund oder eher neuer Feind würde sich erst bei einem Treffen entscheiden. Er lachte über seine innere auf schwappende, bittere Eifersucht. So etwas hatte vor Jahrhunderten das letzte Mal verspürt. Nichts was man vermissen sollte. Drei, vier Tage waren lange hier unten. Dem Drachen taten die kurz gehaltenen Ausflüge auch nicht gut. Wobei er die Enge in seinem Quartier noch recht gut verkraftete. Aber ein prächtiges Tier wie Mika brauchte mehr Zeit ihre Energie in der Luft loszuwerden. Genauso wie ein kräftiger Kerl wie er seine brachliegenden Talente wieder einmal gerne entfaltete. Jetzt ergriff auch ihn eine unbehagliche Unruhe. Da seine Partnerin auch noch nicht schlief, murmelte er ihr in dem verblassenden Öllicht zu. „Wir packen morgen und versuchen morgen eine Proberunde zu fliegen. Mika braucht vielleicht auch Zeit, sich an mich und das ungewohnte, zusätzliche Gewicht auf ihrem Rücken, zu gewöhnen.“ Versuchte er für sie Alle, in den kommenden drei Tage, für eine normalen Abreise Zeit zu schaffen. So dass keine Hektik oder Nervosität aufkam. Das würde vor allem nur wieder Mika anstecken. So eine Drachendame war schliesslich kein einfaches Haustier. Dankbar streichelte ihm Sunta über seinen flachen Bauch. Er war gewiss nicht so perfekt durchtrainiert wie die anderen, umso mehr vermisste er diese Zärtlichkeiten einer Gefährtin. Viele kamen mit seiner verschlossenen, zurückgezogenen Art nicht klar. Mit Sunta passte alles perfekt. Jetzt wenigstens. Er fragte sich ob das auch Bestand hatte, sollte er später seine eigene Familie anführen. Schon lange kriselte es, in dem langsam zu Gross gewordenen Verband. Die Jungen brauchten neue Herausforderungen und Zeit sich für ein selbständiges Leben zu beweisen. Muktu war kein geborener Anführer, obwohl er viele junge Bewunderer mit seiner Überlegenheit ansteckte und sie ihn desswegen gerne in dieser Rolle sähen. Neben dem obersten Chef besass Orin als Ratgeber viel Macht. In seinem Alter jedoch bevorzugte er es, seinen bewährten Job zu behalten. Es drängte ihn persönlich nicht mehr zu Veränderungen. Anders herrschte da Berino als eine vertrauenswürdige Vaterfigur im Schatten des Königs. Vor allem die Älteren nutzten ihn gerne als erste Anlaufstelle bei Problemen. Einige hatten ihm bereits verraten, dass sie eine ruhigere, neue Zeit wünschten. Eine vorübergehende, gesunde Distanz zu den überschwänglichen Jungen wünschten. Mit Sunta an seiner Seite konnte das klappen. Wenn er auch ein wenig Zweifel hegte ob Sunta an seiner Seite, als Gefährtin eines Anführers, sich wohl fühlte. Zu Jung, zu wenig Erfahrung. Sie benötigte eine entsprechende Ausbildung. Was hatte Wiriin nochmals gesagt? Berino lachte still in sich hinein. Auf Wiriins Prognose konnte man sich eben verlassen, kesseln.
Routinemässig langte Sunta im Dunkeln nach den Zündsteinen, der kleinen Ölkanne und dem tönernen Schälchen. Ein paar Tropfen reichten aus, für den kurzen Weg zur Toilette. Sie benutzte den Topf in der Ecke einfach nicht gerne. Als sie zurück kam betrachtete sie im schwachen Schein des Lichts den leicht schnarchenden Berino. Ein stattlicher, vertrauenswürdiger Mann. Doch eine heimliche Sehnsucht nach dem jüngeren Pol liess sich einfach nicht abstellen. Was war bloss los mit ihr? In ihrem Dorf hatte man schon mit weniger Gemeinsamkeiten ganze lebenslange Ehen geschlossen. Dennoch lag ihr Berino so sehr am Herzen, dass ihr ein Leben ohne ihn, ziemlich schwerfallen würde. Ihre Eltern wären empört gewesen, dass ihr die Entscheidung so schwer fiel. Doch hier war eine andere Zeit. Sie dachte zurück an die letzte wilde Party. Geniesse den Tag, als könnte es dein Letzter sein. Sie sah erstaunt zu Berinos steifen Morgenlatte, welche das Leinentuch beachtlich anhob. Bevor sich ihr guter Anstand zurückmeldete, schob sie ihre Hand unter die Decke. Erkundete, streichelte die so seidige Haut seines Gliedes. So hart in seinem Inneren, so empfindlich im Äußeren, so warm und angenehm ihn mit einer Hand zu liebkosen. Im Gegensatz zu Donan roch er Berino angenehm als wollte er sie ständig Verführen. Sie liebte den Geruch an ihm, nach diesem speziellen Gewürz. Berino schüttelte seinen Halbschlaf ab. Leise knurrte er. „Setz dich drauf.“ So einfach gestrickt. Da kannte sie ihn von den vorherigen Nächten eigentlich ganz anders. Ihr Zögern lies ihn seine dunklen Augen öffnen. Klar, sah er sie abwartend interessiert und auffordernd an. Dann zog er einfach die behindernde Decke weg, genauso wie das halb schützende Fell, mit einem Fuss zur Seite schob. Als er in seiner ganzen Pracht vor ihr lag, fragte Sunta nur. „Was genau wünschst du?“ Auffordern klopfte er auf seine Oberschenkel. „Nach der heutigen Nacht mag ich es fürs erste einfach. Für die anspruchsvolleren Wünsche brauchen wir ein entspanntes Umfeld. Sobald wir unser selbstgebautes, gemeinsames Lager von Bestand haben, zeige ich dir ein paar Interessante Sachen. Sag es einfach wenn du etwas anderes bevorzugst.“ An diesem Morgen erfüllte sie gerne seinen einfachen Wunsch. Für kurze Zeit abschalten, geniessen um ein bisschen träge, aber nicht zu verausgabt, später am Frühstückstisch zu erscheinen.
Als sie später an einem kleinen Tisch alleine sassen, wechselten sie im Vergleich zu den anderen, kaum ein Wort. Sunta kannte Berinos Gewohnheiten genau. Wieviel er ungefähr von was ass und welches gedämpfte Gemüse er ihr gerne überliess. Eine bisher unauffällige Aussenseiterin spazierte zögerlich an ihrem kleinen Tisch vorbei. Mehrfach sah sie Berino unschlüssig an. Schliesslich sandte sie ein paar telepathische Worte. Überrascht sah Berino von seinem Essen hoch. Fragend, prüfend traf er ihre klaren nun entschlossenen Augen. Worauf er still zurück telefonierte. Ihr gefiel die einkommende Antwort und setzte, quetschte sich ohne Scheu auf Suntas kleine Sitzbank nieder. „Skella“, stellte sie sich kurz vor. Berino hielt es nötig zu ergänzen. „Jägerin, Spurensucherin und entsprechend ein einmaliges Gespür für Tiere. Wer in ihrem Umfeld eine Beute nicht respektvoll behandelt, bekommt ihren Zorn umgehend zu spüren. Sie ist diejenige welche Mika in deiner Abwesenheit nach draussen lässt.“ Bewundernd sah Sunta die unauffällige Frau, mit dem schlichten Leinengewand an. Im Gegensatz zu den andern wirkte sie geradezu bieder angezogen. Straff ihr langes, dunkelbraunes Haar zu einem Zopf zurückgebunden. Ein paar ganz seltene graue Haar darin verrieten etwas Anderes, als ihr kaum über vierzig Jahre gealtertes Gesicht. Es gab einige brachliegende Lachfältchen. Diese ältere Frau hatte einmal ein schönes, erfreutes Leben geführt. Doch jetzt umgab ein bitterer, düsterer Zug ihre Augen. Und schon bewies sie, dass sie zu dem intelligenten Typ Frauen gehörte. „Ihr braucht ein kleines Ablenkungsmanöver, sonst klappt das nicht. Die Tore zu öffnen braucht Zeit und tagsüber verlangt der Wächter nach einer Bestätigung von zwei der obersten Führungskräften. Es sei denn es wäre irgendwo ein Notfall und es würde sogar nach dem Wärter selbst verlangt. Und ich empfehle rasch zu handeln. Ein Geheimtipp hat mir zugeflüstert, das Muktu beabsichtigt euren Ausflug zu streichen. Sogar den Drachen…“ Eine entsprechende Bewegung mit einem Finger quer an ihrem Hals vorbeistreichend genügte. Sunta fiel es schwer zu glauben was sie gerade hörte. Nötigte sie diese Frau gerade zu einem auswärtigen Flug? Berino verstand Suntas fragenden, verwirrten Blick. Sprach ganz normal als gäbe es gerade keinen heftigen Wiederstand in seinem harmonischen Umfeld. „Der ursprüngliche Plan war Muktu, erst in ein paar Tagen, ein wenig abzulenken. Ein wenig zu überlasten, dass sein Umfeld nur Augen für ihn hat. Eventuell eine neue Herausforderung? Aber könnten wir das eventuell heute noch erreichen? Wozu würde deine Kreativität raten?“ Dabei sah er Sunta an.
Sie grinste erfreut über sein Vertrauen. „Muktu zum Explodierens bringen? Das fehlt tatsächlich noch auf meiner Abstreichliste.“ Berino Lachfältchen um die Augen vertieften sich. „Gut, das ist eine absolute Kleinigkeit für dich. Halt es einfach im niedrigen Maß Bereich, damit die Leute in seinem Umfeld es überleben.“ Sein vielsagender Blick zu ihr bedeutete, dass sie gerade eine Aufgabe bekam. Skella, die zu dem schlanken aber zähen, ausdauernden Typen von einer Frau, setzte zum Verabschieden an. „Wenn ihr mehr Vorräte besorgt, kann ich euch schneller einholen.“ Gab sie uns noch zu denken, als sie bereits aufstand. Ein deutlicher Wink was zu unserem eigenen Vorteil wäre. Ihre Finger zeichneten kurz ein Muster auf den Tisch. Während Sunta über die Bedeutung des Symboles studierte, nickte Berino und tippte seinerseits auf einen imaginären Punkt in der Tischecke. Mit einem zufriedenen Lächeln rauschte Skella davon. Auf ihrer Rückseite reichte der kräftige Zopf bis zu ihrem kleinen, knackigen Po. Anders als die anderen Frauen war Skella eindeutig mehr Unterwegs. Sobald sie ausser Hörweite war, nahm es Sunta Wunder. „Eine der Ältesten?“ Ein trauriger Ausdruck huschte Berino übers Gesicht. „Lebensgefährte verloren. Daher bevorzugt sie ihre einsamen Touren draussen. Wir glaubten lange, dass sie eines Tages nicht mehr zurückkehrt.“ „Sie gefällt mir, so ruhig und einfach.“ Er nickte. „Ihre Unterstützung draussen können wir gut gebrauchen. Mika ist zu auffällig. Dagegen ist Skella, ein tödlicher Schatten, der unbemerkt Essen beschaffen kann.“ Beeindruckt staunte Sunta. Wo sie bei anderen eine sprühende Lebensenergie spürte, lange bevor sie vor einem standen, war Skella tatsächlich absolut ein stiller Schatten. Bei einem Trauernden aus ihrem Dorf hatte Sunta einst eine ähnliche Kälte gespürt. In Skella war eine unheimliche Leere. Mit ihr zu arbeiten verursachte Sunta aber keine Angst. „Wie verfahren wir weiter?“
„Ein wenig bin ich ratlos. Zum Beispiel wie wir Mika nachmittags, sobald die tödliche Hitze abnimmt, startklar bekommen?“ Sie überlegte kurz. „Zeig mir wohin ich gehen muss um den Sattel besser anzupassen. Dann erzähle ich den Wächtern später, dass es eine Veränderung braucht. Das ist sogar die Wahrheit. Du sitzt ja später hinter mir, da braucht es eine Verlängerung. Nachmittag die letzte Anprobe, vor den Toren, wo sich Mika strecken kann um zu testen, dass nichts verrutscht.“ Erleichtert nickte Berino, „Kluges Köpfchen. Ich besorge inzwischen die Vorräte, oder für ein grosses Picknick die entsprechenden Kleinigkeiten. Da wird niemand misstrauisch.“ „Ledertaschen für Transport. Eine kleine Axt wäre praktisch für spätere für Holzarbeiten.“ Über den Tisch hinweg funkelten sie sich stumm, begeistert an. Berino beugte sich vor. Sein Arm ausgestreckt. Kräftige, so sanfte Finger in ihrem Nacken die sie so bittend heranzogen. Als er öffentlich seine Lippen auf ihre senkte und alles andere als freundschaftlich küsste, überraschte er damit nicht nur Sunta selber, sondern sogar ein paar verspätete Anwesende. Ein kleiner Vorgeschmack von dem, was er am Abend ausführlicher mit entsprechendem Vollprogramm durchzuführen gedachte. Sie ignorierte die gaffenden Blicke und küsste ihrerseits neckisch zurück. Wie lange der Kuss dauerte, darüber war sie ahnungslos. Die staunenden Zuschauer verrieten aber das dies nicht alltäglich war. Und bestimmt hatte es niemand von dem älteren Berino ein so leidenschaftliches Verhalten erwartet. Mit einem verlangenden Blick räumte Berino wiederwillig Abstand zwischen sie ein. Seufzte. „Lunia ist auf dem Weg, dich abzuholen. Sie ist für Lederarbeiten aller Art zuständig. Der Sattel ist in guten Händen bei ihr. Wenn du den Gang draussen zweimal rechts folgst, kommt sie dir entgegen. Ich bleibe besser noch eine kleine Weile hier.“ Heimlich schielte er auf seine sichtbare Beule in der Hose. „Dafür räume ich heute ab. Bis später.“
Vielsagend schaute Sunta besorgt an ihm herunter. Mit der Ausbuchtung gerieten die sonst so fallenden Lederbahnen leicht in Schräglage. Das wäre selbst für einen Ältesten ein peinliches Unglück. Lächelnd verabschiedete sie sich. „Vielleicht sollte ich dich öfters nach dem Frühstück küssen. Dann wirst du häuslicher veranlagt.“ Bevor seine Augen wieder anfingen drohend zu funkeln, schlenderte sie hüftschwingend davon. Als sie an dem Eingang vorbeikam, lehnte dort zu ihrer Überraschung ein nachdenklicher Wiirin an der Wand. Berino würde sich später schwertun je im inneren Haushalt zu helfen. Ihr entschlüpfte ein wissendes. „kesseln“. Es zuckte minimal in Wiirins Mundwinkel. Er dachte sich insgeheim, dass er den beiden gerne in schwierigen Zeiten, beistehen würde. Die überfällige Spaltung seiner Familie stand bald bevor. Er wusste bereits, wen er als seinen nächsten Anführer wählte. Einzig die bevorstehende Trennung von seinem Bruder fühlte sich jetzt schon sehr schmerzvoll an.
Das er abwesend wirkte, viel Sunta sofort auf. Der Spassmacher so ernst, da stimmte was nicht. „Was ist los?“ Fragte sie entgegenkommend. Intensiv musterte seine Augen die ihren. Sie hielt seiner Prüfung spielend stand. Die Zeiten des wahren, harten Lebens hatten längst wieder begonnen. Er lächelte matt. „Die Entscheidung fällt mir zwar leicht, auf welcher Seite ich zukünftig stehe, aber das wann und wie macht mir Sorgen.“ Selbst ihm lagen die ungewisse Zukunft schwer im Magen. Selbst Sunta zeigte eine seltene ernsthafte Seite. „Du wirst das richtige tun, wie immer. Vorerst wird abgeklärt, ob es überhaupt Überlebende in den Bergen gab. Bis dahin vergeht eine gewisse Zeit. Sicher Monate. Es würde mir weh tun, wenn du bis dahin nur Trübsal zeigst. Freue dich lieber auf die Veränderung. Da draussen gibt es mit Garantie noch einige Gefährtinnen. Eine davon wird dich brauchen. Niemand weiss besser als du, das irgendwo, irgendwann einmal ein passender Partner ins Leben tritt. Und man ihn nur findet, wenn man raus geht.“ Endlich strahlte der unterdrückte Funke in seinen Augen wieder auf. „Danke“. Zu ihrer Überraschung umarmte er sie spontan und herzlich. Sie selber wusste erst gar nicht wohin mit den Armen. Getraute sich einfach nicht diese schöne Geste zu erwidern. Doch da er gemeinerweise abzuwarten schien, gab sie sich einen Ruck und drückte ihn entsprechend zurück. Da erst gab er sie wieder frei. Zufrieden. „Siehst du, geht doch. Du lernst endlich deine Energie freier fliessen zu lassen. Wir sehen uns.“ Bevor sie darauf antwortete, schlenderte er gemütlich in einem Seitengang davon. Kurz darauf vernahm sie seine berühmten letzten Worte. „Es wird kesseln.“ Sie flüsterte leise aufgebracht. „Mit dir. Sicher!“ immerhin war er jetzt wieder das sprühende Energiebündel, so wie ihn alle liebten. Selbst Sunta liebte seine magnetische Anziehungskraft, wenn er sich in ihrer Nähe befand. Mit seiner aussendenden Lebensenergie zog er einfach alle in seinen Bann. Nebst dem charismatischen Anführer und seiner Heilerin, bildeten die Zwillinge so etwas wie den kittenden Zusammenhalt des Ganzen. Trotz den aufgestellten Regeln der Ältesten brauchte es die liebenswerten Chaoten um die riesige Familien zu Unterhalten. Sie zu etwas Speziellem zu machen, wohin man selbst nach dem grössten Ärger, gerne wieder zurückkehrte.
Erleichtert, dass sie sogar sie Wiirin etwas helfen konnte, lächelte Sunta entspannt vor sich hin. Das Lächeln blieb auf ihren Lippen als sie wenige Meter darauf Lunia begegnete. Zusammen marschierten sie gemütlich zu Mikas Aufenthaltsort. In den teilweise schummrigen Gängen war Sunta ziemlich erleichtert nicht alleine zu sein. Im Gegensatz zu den Bergleuten gab es hier keine hinweisenden Schriftzeichen. Hier verirrte man sich leichter und lief dann im Dunkeln vermutlich an mancher unbemerkten Abzweigung einfach vorbei. Wobei sie immerhin nicht mehr drohte in die Wände hineinzulaufen. In den letzten Tagen bemerkte Sunta wie sie Hindernisse, die Wärme oder Kälte der Wände spürte. Auch ihre geschärften Augen unterschieden in der Dunkelheit die verschiedenen Schwarztöne. Eine Winzigkeit grau oder braun darin warnte sie vor manchem harten Zusammenstoss. Gemeinsam mit dem Horchen, dem zurückgesandten Schall an den Wänden, verstärkten die zusätzlichen Informationen, zum Schutz ihres Körpers. Selbst Lunia machte ihr ein Kompliment als sie, ohne Lichtquelle, einfach so durch die Gänge spazierten. Wobei Sunta einfachhalber ihr den Vortritt lies. Wenig später erreichte sie eine dösende Mika. Jetzt gab Sunta ihrem neuen Freund vollkommen Recht. Die Drachendame brauchte dringend mehr Bewegung.
Obwohl Sunta sich der ständigen Überwachung eines der Torwächter bewusst war, griff sie entschlossen nach dem Drachensattel. Legte ihn Mika probeweise über, was in der liegenden Position ziemlich schlecht funktionierte. Doch es reichte aus um Mass für eine Verlängerung des Sattels zu bestimmen. Auch eine Verstärkung der Sicherheit für einen zweiten Reiter, wie sie Lunia freimütig erklärte. Eventuell ein paar zusätzliche Taschen für etwas Proviant oder einen Wasserkrug und ein paar kleine Schlaufen um andere nötigen Sachen zu befestigen, sollte die Jagt erfolgreich sein. Kritisch äugten sie Wächter zu ihnen hinüber, verloren aber kein Wort an sie. Da sie mit Lunia sozusagen geschäftlich verhandelte, fühlte die Wärter keinen Hauch von Besorgnis wegen ihrer Arbeit.
Die Lederwerkstatt von Luna zu finden wäre anhand der Verzweigungen alleine, unmöglich gewesen. Der starke, bittere Geruch des frisch gegerbten Leders war wirklich gewöhnungsbedürftig. Daher lag das spezielle Quartier ziemlich abseits von der anderen Gemeinschaft. Die Jagderfolge Mikas bescherten in den letzten Tagen zusätzliche Arbeit. Viele zusätzliche Fell lagen in einem ekligen Sud badend, hinten in ihren Eckern. Da nützte auch ein schwer beladener Vorhang aus vielen Kräuterbüscheln kaum was, dass Sunta im vorderen Teil des Ateliers permanent Übelkeit verspürte. Ungestört suchte dagegen Lunia in Ruhe die passenden Reststücke, ihrer alten Sammlung hervor. Von dem dicken Ledermaterial besass sie zu Genüge, denn ihre Kunden bevorzugten ja die weiche, dünne Qualität am einen Körper. Schwieriger gestaltete sich dafür das Nähen. Respektvoll überliess Sunta das Vorstechen, mit der spitzen Ale, Lunia. Sie selber nähte mit einer stumpferen Nadel die Vorlagen zusammen. Zwischendurch überprüfte die erfahrene Lunia ihre Festigkeit der Nähte. Dafür zeigte Sunta ihr den Trick mit dem raschen Einhaken des Karabiners und andere Schlaufentricke. Am Ende waren alle glücklich und die Zeit drängte zum Aufbruch fürs Mittagesseen. Auf dem Weg dorthin platzierte Sunta den speziellen Sattel im Quartier von Berino ein.
Sie kamen gerade noch pünktlich um sich einen der letzten Plätze zu sichern. Während sie auf die bereits angefangene Verteilung, der üblichen Pilzsuppe als Vorspeise warteten, spähte Sunta durch die Reihen nach ihrem Freund. Sie konnte ihn aber nirgends entdecken. Dabei drängte ihre Vorfreude ihm unbedingt von ihrem ersten Erfolg zu erzählen. Als sie eine Hand auf ihrer Schulter bemerkte, fuhr ist erfreut herum, und bemerkte ihren Irrtum. Skella stand da. Die sah jedoch Lunia an und zwinkerte ihr vergnügt zu. „Wie wäre es mit einem Platztausch? Dein Gefährte wartet sehnsüchtig ganz hinten links auf dich.“ Unverzüglich huschte Lunia davon. Da bemerkte Sunta wie ihr verspätete Berino erst jetzt den Raum betrat. Ihr Lächeln gefror als die die kleine, zierliche Blondine gewahrte die sich förmlich an Berinos Unterarm festkrallte. Diese zarte Erscheinung verschwand fast im Schatten des breiten Berinos und wirkte ein wenig ängstlich. Nicht wegen ihre stattlichen Begleitung, sondern mehr über ihr Umfeld. Hastig führte Berino dieses leichtgewichtige, fast elfenartige Geschöpf, an ihren Tisch. Bereits fragte sich Sunta ob Mika mit drei Reitern zu Recht kam. Auf einen Flug zu zweit hatte sie sich gefreut. Zu dritt? Die ungewohnte Eifersucht, die sie quälte gefiel ihr nicht. Trotzdem zwang sie sich zu einem höflichen Lächeln. Während sich die Neue auf Skellas Seite hin setzte, was dank ihrem schlanken Körperbau spielend passte, platzierte Berino Sunta halb auf seinem Oberschenkel, als wöge sie nicht mehr als ein Kind. Was etwas unbequem für sie war, aber die anfängliche Eifersucht löste sich sofort in Luft auf. Berino deutete auf die Neue. „Darf ich Vorstellen, Smesi. Sie ist eine talentierte Lagermitarbeiterin. Der heutige Morgen war ziemlich stressig, da wir das Inventar wieder einmal gründlich durchforstet haben. Doch wir haben alles gefunden was dringend benötigt wird. Smesi, das ist Sunta. Das bleiche, feingeschnitten Gesicht hellte merklich auf. Zögerlich streckte sie Sunta eine kleine Hand über den Tisch entgegen. Gerne nahm Sunta die dargebotene Geste willkommen an. Der schwache, laue Händedruck den sie geschenkt bekam, löste einen unangenehmen Schauer in ihr aus. Sie konnte gerade noch ein Zusammenzucken verhindern. So kalte, weiche Hände als berührte sie einen gelagerten Käse. Als dann Smesi noch leise pipste. „Kannst mich auch Maus rufen.“ Überraschte dies Sunta nicht im Geringsten. Brachte ihrerseits den Vorschlag vor. „Wie wäre es mit Mäuschen. Nicht wegen der Grösse, sondern weil es weiblicher und niedlicher klingt. Mäuschen hat so eine liebenswertere Note.“ Mäuschen Augen vergrösserten sich. Dunkelbraune grosse Augen mit dichten fast schwarzen Wimpern. Im Gegensatz du der hellen, makellosen Haut und dem langen, hellblonden Haar. Leise kicherte sie. „Das gefällt mir.“
Alles andere als Glücklich sah Berino strafend auf Sunta nieder. Vehement stritt sie ab. „Also ehrlich. Ein Mäuschen ist einfach süsser und ich sehen dieses rosa Mäuschen vor mir mit einer hübschen Schleife um den Hals. Sogar die Töchter vom Pfarrer haben eine Kreischkonzert vor Entzücken abgehalten, wenn es darum ging, wer dieses eingefärbte junge Mäuschen in der Hand halten durfte. Jede graue Maus dagegen hätte sie mit einer eisernen Kehrschaufel platt geklopft.“ Berino belehrte uneinsichtig. „Sie ist kein kleines Mäuschen!“ Sunta nickte. „Aber sie sieht so aus, wie etwas zum lieben haben. Etwas was man gerne beschützen möchte.“ Mit geröteten, verlegenen Wangen schaute Smesi zu den uneinigen Paar. Als Sunta ihren gebannten Blick bemerkte sagte sie aufmunternd. „Schon alles aufessen. Wenn du bei uns mitmachen willst, brauchst du etwas mehr Reserve.“ Berino schüttelte den Kopf. „Darüber habe ich mit ihr gar nicht gesprochen.“ „Oh“, diesmal blickte Sunta verlegen zu ihrem tadelnden Freund. Fragend sahen beide zu Smesi hinüber. Die fing auf ihrem Sitz förmlich zu schrumpfen an. Selbst der Löffel in ihren Händen fing langsam an zu zittern. Gelassen langte Sunta an Skella vorbei um mit einem Finger den unentschlossenen Arm Smesis höher zu lenken. „Essen,“ forderte sie kühl. Skella gluckte ab dem gespielten, übertriebenen Tonfall. Aber Mäuschen nahm es ernst und schluckte brav, ehe sie schüchtern fragte, „Mitmachen?“ „Ja Süsse. Du siehst wirklich ungesund bleich aus, als könntest du ein paar wärmende Sonnenstrahlen echt gut gebrauchen. Wie wäre es also mit einem Leben ausserhalb dieser Höhle?“ Ohne gross zu überlegen schüttelte Smesi heftig den Kopf. Verlangsamte die verneinende Bewegung aber zu einem merkwürdigen Zwischending. „Ich vermisse das Rauschen der Wälder. Oder durch das Singkonzert der Vögel am Morgen aufgeweckt zu werden. Hier ist es ja so still.“ Die nachvollziehbare Sehnsucht traf Sunta ins Herz. Verträumt starrten die Frauen auf imaginäre Flecken an der Wand gegenüber. Berinos staunte, räusperte sich um abzuschließen. „Dann wäre das geklärt. Sollte es dort Platz für uns geben, ohne das uns irgendeine Gefahr droht, holen wir Euch wieder hier ab.“ Die dunklen Augen des Mäuschen blitzten auf, als sie begeistert nickte. „Darum die Eile heute Morgen mit dem Packen. Ist habt die Erlaubnis schon eingeholt. Oh, bitte beeilt euch. Ich möchte so gerne.“ Mit einer abrupten Handgeste stoppte Berino ihren Redefluss. Sah sie eindrücklich an. „Eines nach dem Anderen. Wir gehen bald am späteren Nachmittag. Wir wissen nur noch nicht wie wir das anstellen sollen.“ Gab er ehrlich zu. Nachdenklich suchte Sunta den Raum ab. Ganz Hinten in einer Nische, zum Glück am anderen Ende des Raumes, sass ihr grosse Übel; Muktu. Sie zuckte leicht zusammen, erst Recht als sie feststellte, dass auch er sie gerade zu beobachten schien. Was wiederum Sunta hellhörig machte. „Ist Muktu immer so alleine?“ Seine jungen Fans sassen eindeutig an einem Tisch in der Nähe, aber nicht an Muktus Seite. Berino kratzte an seiner Bartlinie entlang. „Er sagte einmal, er bräuchte Raum um mit seinem Energiefeld klarzukommen. Also keine Fremdenergie in der Freizeit in seiner Nähe. Der sucht nicht mal eine Gefährtin, der holt sich nur ganz selten eine Geliebte für eine Nacht.“ Sachte stupste Safina Berino an. „Ich habe eventuell eine Idee. Ein kleines, flauschiges Haustier dürfte sicher seine Langeweile kurieren.“ Berinos Gedanken klapperten bereits alle möglichen Haustiere durch, die es oben in der Wüste gab. „Haustiere… wir haben keine Feldkatzen od…“ Angewidert verzog er das Gesicht. „Das Haustier! Das spezielle Haustier mit den Streifen?“ Fragte er sicherheitshalber noch einmal nach. Sunta wusste genau was ihm endlich eingefallen war. Er schüttelte zweifelnd den Kopf. „Wenn das schiefgeht, fasse ich dich selbst nach einer Woche nicht an. Nicht mal wenn du täglich badest. Willst du das riskieren?“
Sie nickte schief. „Ja das täte mir leid. Aber ich glaube an meinen Erfolg. Muktu hat doch so ein niedliches Streifenhörnchen verdient. Sie nur, sein bohrender Blick bettelt förmlich nach einer Streicheleinheit. Und es wäre eine kleine Herausforderung für ihn.“ Schwer seufzte Berino. Nur das nachfolgende Grinsen verriet, was er tatsächlich von der Idee hielt. „Er wird platzen,“ prophezeite er. Wobei er darauf achtete, dass vom wem sie gerade sprachen, den Rücken zuwandte. Damit alles schön geheimblieb. Smesi schreckensweite Augen jedoch waren für die Zielperson sichtbar. Also beschwichtigte Sunta augenblicklich. „Vor Freude! Und mehr wird nicht verraten.“ Die Runde beruhigte sich wieder. Smesi wollte gerade den letzten Fleischklos aufspiessen, da schnappte ihn Sunta frech vom Teller. „Der muss für den guten Zweck gespendet werden! Dein Beitrag für die gute Sache, Einverstanden?“ Smesi verstand zwar den Sinn der Aktion nur im Groben, daher kicherte sie verlegen. Was einen aufstehenden Muktu kaum entspannte. Mit einer gewissen vorahnenden Unruhe im Herzen, spazierte er nach der Geschirrabgabe, nahe an Sunta vorbei. Zähflüssig, sehr nachdenklich, bis ihm was einzufallen schien, was seinen Tag versüssen könnte. „Sunta,“ fragte er liebenswürdig. „Wäre es möglich heute, so gegen Abend, mit mir zu trainieren? Deine Fortschritte sind so fabelhaft. Vielleicht mit mir als Trainer, wird deine Zeit noch besser.“ Er wollte sie schwitzen sehen und das nicht nur für ein paar Minuten.
Einen Moment durchblitzte Sunta ein warnendes Gefühl. Zu lügen, oder sein Angebot einfach abzulehen, würde ihn misstrauisch werden lassen. Zögerlich sah sie zu Berino. „Ich weiss noch nicht wie Berinos Pläne für den Nachmittag aussehen, aber ich versuche es einzurichten. Ach übrigens, dürfte ich bei der Gelegenheit dir eine Kleinigkeit schenken? Als Dankeschön, wegen dieser wunderbaren Beschleunigung meiner Angelegenheit.“ Skeptisch äugte Muktu sie an. Er hasste Überraschungen. Jedoch konnte ein Geschenk, sogar öffentlich überreicht keinen grossen Schaden anrichten. Im Gegenteil festigte es sogar die Rangordnungen. Wohlwollend nickte er. „Du findest mich Nachmittags meistens im oberen Trainingsraum mit den beweglichen Zielscheiben. Bis später.“ Zufrieden mit sich selber, spazierte er davon. Ihr leises „Toll.“ Beschwingte sogar seinen Schritt zum nächsten Messerwurfstand.
Kaum senkte sich der Vorhang, flüsterte Sunta in die Runde. „Hat jemand eine Tasche oder Beutel in der Grösse eines Paar Schuhe?“ Smesi meldete sich, dass sie nach dem Aufräumen jede Menge alte Ledertaschen hätte. Sunta verriet inzwischen Berino wo der Sattel bereitlag. Man vereinbarte alle Sachen zum Mitnehmen in einem der oberen Gänge zu deponieren, kurz vor der Abflugshalle. Skella verabschiedeten sich, da sie keinerlei Lust verspürten auf Nagetiere oder sonstigen Wüstenbewohner, in der grössten Mittagshitze zu jagen. Smesi führte Sunta in ihren Arbeitsbereich, wo sie begeistert eine perfekte, stabile Ledertasche auswählten. Danach sprintete Sunta alleine, beinahe übermütig, den Gang zu dem früheren Schacht zu. Hielt sich exakt an die Angaben, welche Berino ihr mitgab. Sogar Muktu hätte seine Freude gehabt zu sehen, wie flink Sunta den Schacht hochkletterte. Trotz ihrer Eile, hielt sie die Regeln ein und schloss den getarnten Deckel sorgfältig. Dann suchte sie die kleinen Höhlen rund um die dornigen Büsche herum ab. Lange Zeit suchte sie vergeblich. Erbarmungslos brannte die Sonne mit ihrer Hitze auf ihre Haut, selbst dort wo Stoff sie schützte. Endlich raschelte es in einem der grösseren Gänge. Mit einem Ast, dessen vergabelte Spitze sie mehrfach über das Fleischbällchen rieb, dann in das Loch hinein, lockte sie das verschlafene Stinktier aus seinem Versteck. Es weigerte sich aber in die Gluthitze hinaus zu kommen. Also stellte sie die offene Tasche möglichst nahe an den Bau des Tieres. Das kluge Tier hatte seine Höhle direkt unter die Wurzeln eine dieser langstacheligen Büsche gebaut. So war es in der Nacht vor jedem Wüstenfuchs oder Sandeulen sicher. Mit einem neuen Ast sperrte Sunta die Ledertasche auf. Rieb, verschmierte mit dem Fleischbällchen den Eingang voll und rollte es selber ins Innenreich der Tasche. Dann konzentrierte sie sich wieder auf das hervorlocken des Stinktieres. Als es neben ihr im Gebüsch raschelte. Die Hitze verstärkte nämlich den Geruch des kleinen Leckerbissens in ihrer Tasche. Gespannt verharrte Sunta möglichst bewegungslos, als da eine kleine, langschwänzige Wüstenmaus daher hopste. Okay, kein Stinktier, aber eine flinke Wüstenmaus tat es zur Not eben auch. Sobald das hungrige Tier in der Tasche verschwand, klappte Sunta den Deckel zu. Erschrocken fiepte es kurz als die in Panik geratene Maus zwischen den polsternden Papierrollen durchschlüpfte. Hoch erfreut wollte Sunta schon aufbrechen, als es zu ihren Füssen abermals raschelte. Völlig furchtlos dackelte das Stinktier auf sie zu. Zögerlich bückte sich Sunta und streckte die Finger nach dem Tier aus um es daran schnuppern zu lassen. Eine kleine Zunge leckte über die Fingerspitzen die zuvor den Fleischball hielten. Dann biss das unverschämte Tier einfach probeweise in den Finger. Erschrocken schnellte Suntas blutender Finger zurück. Als sich das nervige Tier auf die Hinterbeine stellte um an ihr hochklettern zu wollen, legte Sunta rasch die Tasche wieder ab. Sofort schnüffelte das Stinktier an der zugehaltenen Öffnung herum. Ohne gross zu überlegen, öffnete Sunta einladend ihre Tasche. Natürlich steckte das neugierige Tier seinen Kopf hinein. Als es sich erst nicht getraute, trat Sunta einen Schritt sogar zurück. Jetzt steckte der gesamte Oberkörper des Stinktiers drin. Es reichte ein gekonnter Schubs mit der Hand, da plumste es komplett in die gute Stube hinein. Rasch hielt Sunta die Tasche hoch und schnürte den Verschluss zu. Doppelter Fang, doppeltes Glück.
Auf dem Rückweg, sie hatte trotz ihrem unterdrückten Lachen, nicht vergessen die Luke sorgfältig zu schliessen, da traf sie schon auf eine wartende Smesi. Die staunte über den sehr beweglichen Tascheninhalt. Sunta warnte, „Ja nicht aufmachen. Das gebührt nur Muktu. Mit den besten Wünschen. Und da ich mich verspäte eine kleine Entschuldigung. Sobald er die Tasche aufmacht, geh mindestens auf drei Meter Abstand und geniesse die Show. Oh, kannst du eventuell Wiirin anfunken, dass er meine Überraschung an Muktu bezeugen kann?“ Augenblicklich tippte sich Smesi an die Stirn. Sunta verstand den Wink mit dem Senden. Smesi flüsterte danach zweifelnd, „Eine Wüstenmaus?“ Oh ja, immerhin verriet sie einen Inhalt ziemlich gut, aber das leicht knurrende, halb grunzende Tier machte selbst ihr Schwierigkeiten zu erkennen.
Sunta nickte. „ja, ich habe eine gefangen. Doch dann ist mir noch so ein neugieriges Tier gefolgt. Es hat so ein schönes langhaariges Fell. Ich konnte nicht wiederstehen, es auch einzuladen.“ Begeistert quietschte Smesi los. „Das wird Spass machen die Maus wieder einzufangen. Ein richtiger Kinderstreich wurde Muktu schon lange nicht mehr gespielt.“
Da huschte eine weitere Person im Gang ihnen entgegen. Skella hielt kurz vor ihnen an. Mit einem überraschten Blick auf die grosse Tasche, die so ein furchtbares Eigenleben besass. Sie konnte ein Schmunzeln nicht mehr aufhalten. „Die Ablenkung.“ Das überbreite Strahlen der fast platzenden Frauen lies sie aufglucksen. „Erzähl es mir später am Lagerfeuer.“ Gerne hielt sich Sunta an den Rat der Älteren. Während Smesi gemütlich zum Trainingsraum spazierte, folgte Sunta nur mit grösster Mühe der rasanten Skella durch die Gänge zu Mika. Dort in der ausgefüllten Halle wartete ein stolzer Berino vor einer bereits aufgesattelten, ungeduldigen Mika. Lachend verriet er. „Das gute Mädchen hat mir sogar geholfen. Bist eine ganz liebe Mika.“ Verblüfft sah Sunta wie ihr Freund völlig vertrauenswürdig den schuppigen Hals tätschelte, sogar mit ein paar Streicheleinheiten Mikas Segelohren belohnten. Die genoss es mit halb geschlossenen Augen. Sogar Skella trat nach vorne und täschelte lobend Mikas Hals. Von einer plötzlichen Unruhe befallen, schritt der aufmerksame Wächter herbei zu der kleinen Versammlung dazu. Gerade als er vor ihnen stand, zuckte die gesamte Gesellschaft zusammen als erhielte sie einen kleinen, heftigen Stromschlag. Selbst Mikas Kopf donnerte aufgeschreckt an die obere Decke. Verputz bröckelte an einigen Stellen herunter. Obwohl Berino eingeweiht war, brüllte er los. „Was war das zum…“ Wieder erfüllte eine elektrische Ladung den gesamten Raum für eine Millisekunde. Die zwei Ältesten sahen sich an. Treffend erriet der besorgte Wächter. „Muktu!“ Sunta beruhigte erst Mika mit einem Augenzwinkern, dann unterstrich sie den Ernst der Lage. „Rasch, seht doch nach ob er Hilfe braucht.“ Wieder äugten sich die Ältesten unentschlossen an. Sunta klärte rasch den restlichen Verlauf. „Du“, sie zeigte auf den Wärter, „Geh besser! Berino und ich können den Drachen besser unter Kontrolle halten, wenn nochmals so eine Energiewelle kommt.“ Das leuchtete ein. Ohne weitere Sekunden zu verlieren, stürmte der Wärter davon.
Berino schüttelte kaum merklich den Kopf. „Was hast du getan? Was haben wir getan?“ Sunta gab ihm einen liebevollen Klaps auf den Rücken. „Ich erzähle es euch am Lagerfeuer, okay.“ Eindrücklich sah er Sunta in die Augen, als forderte er sofort eine Antwort. Doch dann half er Skella beim Öffnen der gepanzerten Türe. Eine drückende Hitze, die einem den Atem raubte, schlug ihnen entgegen. Einzig Mika begrüsste diese mörderische Hitze. Rasch kroch sie über den Boden nach draussen um ihre Schwingen willkommen zu öffnen. Inzwischen kletterte Berino auf ihren Rücken hoch, wobei er Sunta half indem er sie gut festhielt. Selbst Mika warf einen höchst zufriedenen Blick nach hinten. Die zwei Flöhe kamen besser zurecht als ihre anderen ausgebildeten Reiter zuvor. Als Hauptgewicht setzte sich Berino nach vorn. Zog Sunta hinter sich in den Reservesattel. Seine Beine baumelten nach unten bis seine Füsse die stützenden Steigbügel fanden. Ihre anfangs ausgestreckten Beine, winkelte die Knie an, so dass Berino genau dazwischen sass. Für den abrupten Start sicherte sie erst die zusätzlichen Riemen. Skella befestigte fleissig ein paar der kleineren Pakete an die restlichen Bänder. Zu Letzt umarmte Sunta ihren Berino kräftig um seine Taille und verschränkte die Finger ineinander. Ihm gefiel es, so zwischen ihren Beinen zu sitzen. Seine tiefe Stimme gab das lang ersehnte Signal. „Mika, wenn Du bereits bist, flieg los.“ Darum liess sich die Drachendame nicht zweimal bitten. Ein weiteres mal genoss sie den Körper voll zu dehnen. Auf einmal knickten ihre Beine ein. Sunta kannte das Zeichen und klammerte fester. Wie ein Katapult schleuderte sich Mika ein paar hilfreiche Meter hoch. Das reichte aus um elegant ihre aufgeladenen Schwingen mit wenige Bewegungen weiter in die Luft hoch zu bringen. Das Ganze mit minimalem Kraftaufwand. Bevor Sunta was sagte, rief Berino schon. „Schön langsam. Lass dir Zeit und finde den heissen Aufwind, um in langen Kreisen hoch zu segeln. Schone deine Kräfte.“ Sein ruhiger Tonfall verfehlte nicht seine Wirkung. Mika reagierte mit einem sanften, gemütlichen Aufstieg. Niemand der sie drängte oder den Nachtflug fossierte. Endlich durfte sie einen Ausflug in vollen Zügen geniessen. Ihre Ohren wackelten ständig nach hinten, sie wollte kein Wort von ihrem neuen Floh verpassen.
Suchen, finden, gefunden
Sunta rief laut dem Wind entgegen. „Sie mag dich. Das ist gut.“ Er tätschelte ihren Oberschenkel ziemlich verkrampfter als sonst üblich. So hoch oben war es doch nicht so angenehm, wie er sich das Anfangs vorstellt hatte. Selbst dem mutigen Berino wurde angesichts der schwindelerregenden Höhe ziemlich flau im Magen. Hinter ihm wusste Sunta genau was ihn so versteifte und umfasste ihn fester. Sie genoss es einfach seinen starken Körper zu umfassen. Versuchte ihm den Halt, den er innerlich zu verlieren drohte, zurück zu geben. Für sie war diese Reiseposition etwas ungünstig, aber Berino so nahe zu sein, liess es aushalten. Vor allem als sie eine ihrer Hände unter sein Lederhemd schob und die warme Haut seiner leicht behaarten Brust zu spüren bekam. Er atmete kaum merkbar. Also versuchte sie es anders. „Hey, Leute in deinem Alter halten öfters ein erholsames Nachmittagsschläfchen. Also wenn du den Wunsch verspürst dich etwas zu auszuruhen, du weisst ja, ich halte dich.“ Verärgert knurrte er, „Was soll das?“ In seiner Anspannung war kein Platz für Humor. Sie pochte mit ihrer Hand über seine kräftige Brust. „Mein lieber Berino, mir ist lieber wenn du knurrst als wenn du zitterst.“ Er warf einen flüchtigen, scharfen Seitenblick nach hinten, ehe er seine Lungen zu einem tiefen Atemzug zwang. Lobend tätschelt ihn Sunta mit der Hand. „Viel besser.“ Worauf er leicht den Kopf schüttelte. Aber seine Finger auf ihrem Oberschenkel streichelten sie liebevoller als zuvor.
Bereits nach einer Stunde, als sie ein kleines Vorgebirge erreichten, dessen Höhe knapp die Sanddünen stoppte, landeten sie kurz. Auch Älteste benötigten eine Pinkelpause. Sunta nutzte es für Körperdehnungen. Normalerweise musste sie jetzt stundenlang, bei schlechtem Licht, trainieren oder beim Teppichknüpfen helfen. Wobei einzig ihre Augen empfindlich schmerzten. Sie war die helle des Tages nicht mehr gewohnt, und schloss daher öfters die Augen. Als Berino zündete. „Und wer braucht jetzt ein Nachmittagsschläfchen?“ „Hast du keine Probleme mit den Augen?“ „Doch“, gestand er, „Darum jagen meine Leute bevorzugt während der später Abendstunde oder am anbrechenden Morgen. Das wird noch ein paar Tage so bleiben, dann geht’s wieder.“ Er lachte als er sah wie Mika ihren langen Hals und die verschwitzte Vorderflanke an einem vom Sandsturm abgeschliffenen Baumstumpf genüsslich rieb. Ausserdem schmuste sie förmlich mit dem kaum zwei Meter hohen, morschen Teil. Doch Berinos sensible Nase verriet den tieferen Sinn. „Sie markiert gerade, mit ihren Duftdrüsen dieses Teil. So bockig sie auch immer tut, heimlich sehnt sie sich gerade nach einem Partner. Darum hinterlässt sie eine ziemlich anlockende Duftspur.“ „Oder sie will was anlocken um zu fressen.“ „Sei nicht so gemein“, verteidigte Berino seine gerade sehr damenhaften Drachen. Die wandte sich gerade zu ihm herum. Der gut gemeinte Anstups liess Berino auf den Hintern plumpsen. Suntas herzliches Lachen, weil die beiden sich so gut verstanden steckte an. Erst nach einer ausgiebigen Auszeit flog man weiter. Als sie gegen den frühen Abend ein niedriges Gebirge von kaum einem Kilometer Höhe erreichten, hielt es Berino für angebracht frühzeitig zu landen. Er besass den richtigen Riecher. Seine Entscheidung neben einem ausgetrockneten Flussbett lagern, erwies sich als sehr Vorteilhaft. Dort wo Sunta nur angeschwemmtes kleines Gestein rumliegen sah, liess er Mika die scharfen Krallen einen Meter tief graben. Tatsächlich sammelte sich im feuchten, sandigen Untergrund eine schmutzige Pfütze. Miko sog selber jetzt ihre Nüstern zu rate. Grub noch tiefer alle feuchten Steine weg. Bis sich genug Wasser sammelte um einen Tonkrug mit Wasser zu füllen. Trockenes angeschwemmte Holzreste gab es genug für ein grosses Lagerfeuer. Eine Kleinigkeit für Berino innerhalb weniger Minuten ein Feuer, mit den Feuersteinen, anzufachen. Das von der Sonne ausgedörrte Holz war so spröde, dass es keine weite Feueranzündhilfe brauchte. Sunta selber kochte, wie Lunia ihr zwischendurch beim Teppichknüpfen verriet, eine einfache Pilzsuppe mit ein paar weiteren getrockneten Gemüsezutaten. Ein schmackhaftes Rezept. Dennoch erriet Berino auf Anhieb von wem es stammte. „Lunia Mutter war Jahrzehnte eine unserer bevorzugten Köchinnen. Keine traf so gut das Gleichgewicht zwischen den Gewürzen, Gemüse und nur ein wenig Fleisch. Du hast es perfekt getroffen. Was für eine schöne Erinnerung.“ Die schöne Erinnerung benötigte aber fast eine Stunde Köchelzeit bis sich die getrockneten Zutaten wieder butterzart aufweichten. Zeit in der sie mehrmals Trinkwasser abkochten. Berino benutzte dazu seine Variante, indem er die sauberen, heissen Steine, die er anfangs halb im Feuer platzierte, direkt in den Wasserkrug, reinschob. Indem es dann sprudelte und hoch spritzte als brauten sie einen bösen Hexentrank. Doch das Wasser war nach ein paar Sekunden bereits kochend heiss. Anfangs hatte sich Sunta über den Nutzen der Doppellinie der Steine gewundert. Jetzt machte es Sinn. Gleichzeitig brodelte die Suppe leise vor sich hin. Daher war es Berinos ausgebildete Wachsamkeit zu verdanken als er die gemeinsame Ruhe unterbrach. Horchen und mit einem konzentrierten Blick stand er auf. „Unmöglich“, flüsterte er ungläubig. „Ich weiss, dass sie gut ist. Aber so gut?“ Seine bleibende Gelassenheit deutete auf keine Gefahr hin. Fragend sah ihn Sunta zwar an, doch er hielt abgelenkt den Blick in die Weite. Ein Blick zu Mika bestätigte ihr auch, dass sich etwas näherte. Nach einer kurzen Denkpause riet sie, „Skella?“ Berino nickte. „Die hat ein sagenhaftes Tempo drauf. Kein Wunder wollte sie das wir die Lebensmittel mitnehmen.“ Sunta warf ein paar Äste mehr ins glimmende Feuer. „Perfektes Timing. Pünktlich zum Abendessen.“ „Ay, aber es dauert noch ein paar Minuten bis sie ankommt. Sie ist erst Fusse des Hügels angekommen.“ „Hügel nennst du das?“ „Da wo ich herkomme sind die stattlichen Berge mehrere Kilometer hoch.“ Sunta sah ihn von der Seite an. Seine Entschlossenheit und Zähigkeit passte perfekt zu einem Bergbewohner. Etwas wunderte sie schon. „Grosse Höhen scheinst du aber nicht so gewohnt zu sein.“ Gespielt warnend spähte er kurz zu ihr rüber. „Es ist ein Unterschieb ob du an einem gesicherten Seil hängst oder auf einem Koloss fliegst. Nichts gegen dich Mika. Du machst das Super. Aber selbst ich muss noch lernen, dir besser zu vertrauen. Es ist alles neu für mich. Ich habe ja auch nicht von heute auf Morgen gelernt, den höchsten Gipfel zu erklimmen. So ist es auch mit dem Fliegen. Es braucht alles seine Zeit bis man sicher im Sattel sitzt.“ Der laute Schnaufer den Sunta, von der erleichterten Drachendame darauf vernahm, überraschte sie. Mika schien sie viel besser zu verstehen, als ihre Züchter es je erwarteten. Und der beinahe liebevolle, zufriedene Blick, mit dem die sensible Dame Berino betrachtete, gehörte sicher nicht ins gewünschte Zuchtprogramm hinein. Aber Sunta fand die Chemie zwischen ihnen drei einfach super.
Keine halbe Stunde später stelzte eine langbeinige Gazelle auf ihr Lagerfeuer zu. Eine ungewöhnliche Rasse mit langen, sehnigen Beinen, beinahe so hoch wie Sunta selbst. Zudem trug sie sie zwei vertikale Hörner wie zwei zugespitzte Spisse, auf ihre Stirnfront. Dem Raubtier, dem es gelingen sollte ihm je auf den Rücken zu springen, würde kurzerhand mit diesen Spiessen einfach weggewischt. Im entspannten Zustand richtete sich diese Hörner wie zwei Antennen in den Himmel, wodurch sich die Grösse des Tieres auf sagenhafte drei Meter, vielleicht sogar etwas mehr, erreichte. Zur Tarnung in den Sanddünen trug es selber ein kurzes Fell in einem beigen Ton, dazu ein paar schwarze Streifen, welche Sunta an das aufgemalte Feuer eines Sportwagens erinnerte. Mit diesen einspännigen, leichten Wagen trugen früher öfters die zwei rivalisierenden Pferdezüchter ihre Rennen aus. Elegant schwang sich Skella von dem fast schon dürren Tier herunter. Winkte mit einem, „Hallo, zusammen“, zu ihrem erstaunten Bekannten hinüber. Ziemlich steifer spazierte sie dann ein paar flotte Runden um den Lagerplatz herum. Bis sich der schnaufende Atem der Gazelle nicht mehr zu hören war. Wobei Mikas Anwesenheit dem misstrauischen Tier alles andere als behagte. Sobald die sich nämlich aus ihre Ruhestarre bewegte, sprang die erschrockene Gazelle reflexartig so hoch, dass sie locker Skella übersprang. Mit ihrer ruhigen Stimme beruhigte sie ihr nun alles andere als erschöpftes Tier. Führte es einfach auf der anderen Seite des Lagers, am langen Zügel, ein paar Runden bis sich ihre beiden verkrampften Körper entspannten. Berino sah Suntas bewundernden Blick. „Ein Sandgleiter. Sagenhafte Geschöpfe. Man sieht es ihnen nicht an, aber zwischen ihren beweglichen harten Zehen haben sie eine spezielle Lederhaut. Sobald sie damit den losen Sand berühren, spreizen sich die Zehen automatisch und sie versinken weniger ein. Es ist ein wunderbares Schauspiel, wenn man die gesamte Herde in den Abendstunden, so schwerelos über Sanddünen gleiten sieht. Wie ein leichter, einfacher Tanz über die Sandkronen hinweg. Manche von denen haben sogar das Talent, die sicher zwanzig Schrittweite, einfach zu überspringen. Und Skella ist es gelungen, eines der scheuen Tiere zu zähmen.“ Das aufstrahlen in Berinos Gesicht, erwärmte Sunta das Herz. In den letzten Tagen mehrten sich die Momente wo er regelrecht aufblühte. Diese harte, abschottende Schale, so wie ihn die meisten kannte, platzte einfach auf, wie ein ruhender Same den man in die feuchte Erde drückte. Sunta selber bekam seine grimmige Mine nur noch in den nachdenklichsten Momenten zu Gesicht.
Ausser ihrem eleganten, sittsamen Lederkostüm, trug Skella eine einzige Decke im Arm. Die hatte sie als zusammengefaltete Decke, zum Reiten, benutzt und diente jetzt zum Wärmeschutz für die kommende Nacht. An ihrem Rücken hing ein gekrümmter Stock, den Sunta erst auf den zweiten Blick als ein Bogen entlarvte, der gerade nicht gespannt war. Erst als Skella sich kurz umwandte, um ihren Sitzplatz zu inspizieren, sah man auch die die in einem umhüllten Ledertuch, geschützten Pfeile. Wer noch genauer hinsah, entdeckte mit Glück die verborgenen, schlanken Messer auf den Aussenseiten ihrer beiden Stiefel. Erst sah es aus, als ob eine gewöhnliche Verstärkung des Leders, kaum fingerbreite da oben, hervorragte. Sie war also besten für einen Ausflug gerüstet. Die langen Zügel des Tieres hatte sie ausgeschlauft und seine Vorderbeine damit zusammengebunden. Vermutlich nur eine reine Vorsichtsmassnahme, weil Mika nicht gerade eine beruhigende Gesellschafterin war. Die Beinfreiheit liess genug Raum um in der offengelegten Quelle zu trinken und an ein paar dornigen Gebüschen die kleinen, saftigen Nachwuchsäste zu äsen. Die langsame Verfärbung des Himmels in ein Dunkelblau lies bereits die ersten Sterne durchblitzen. Der perfekte Zeitpunkt für Berino um den verräterischen Feuerschein zu senken. Baute ein höheres Steinmäuerchen drum herum. Da hielt Skella, mit einem Löffel bewaffnet, inne. Riet ihm. „Warte damit noch eine Weile. Wir bekommen bald Besuch. Die hat absolut keinen Orientierungssinn hier in der Natur. Aber ich vertraue darauf das She, so nenne ich das Weibchen von Himo, der Duftspur von Himo folgt. Nur sehen Sandgleiter nicht so gut in der Nacht. Daher würdest du noch ein bisschen warten, Berino?“ „Selbstverständlich. Verrätst du uns wer noch kommt?“ Skella lachte leise. „Das glaubst du nie. Ich dachte ich lasse mir gemütlich Zeit um Himo auf den langen Ritt vorzubereiten. Niemand hat mich gesehen als ich rausging. Aber Mäuschen war dermaßen besorgt wegen Muktus Ausrasten, dass sie darauf bestand mitzukommen. Da Sandgleiter nie gerne ohne ihren Gefährten sind, habe ich ihr eben She zugeteilt. Ich dachte vom Gewicht her könnte so problemlos mithalten. Aber Mäuschen hat ein bisschen Probleme mit der Steuerung und She springt anscheinend nicht so gerne mit einem so unsicheren Gast auf ihrem Rücken. Daher verzögern sich die Zwei.“ Sunta freute sich über das Mäusschen, aber bei Berino kam keine Begeisterung auf. Eher besorgt klang er. „Das wird nicht leicht für Smesi. Die hat keinerlei Erfahrung im Aussenbereich. Mir wäre es lieber gewesen, sie hätte ein paar Wochen gewartet.“ Skella nahm sich eine Schüssel von der feinen Suppe. Probierte und strahlte auf. „Hm, das ist Elly Rezeptur. Erkenne ich sofort. Ehrlich ich wollte auch das Mäuschen wartete. Aber ich hatte echt keine Geduld sie dort zum Bleiben zu überreden. Es wird eh Zeit, dass sie endlich eine richtige Ausbildung fürs Überleben bekommt. Darum habe ich ihr auch einen Vorgeschmack fürs harte Leben gelassen und sie mit She allein gelassen.“ „Auf die harte Tour“, erwischte Berino sie. Skella grinste leicht. „War mit uns nicht anders. So geht’s am schnellsten. Vor allem für diejenigen welche eben unbedingt mitmachen wollen.“
Etwas krachte und polterte im Hintergrund. Vom Abendessen abgelenkt hatte niemand am wärmenden Feuer auf die Tiere geachtet. Jetzt stand Mika in erschrockener Abwehrhaltung, wenige Meter von einem ziemlich energischen Gazellenbock, der seine scharfen Verteidigungswaffen auch zum Angriff einzusetzen wusste. Wütend scharrte Himo mit den Vorderhufen und gesenktem Hals. Skella wagte sich als erste zwischen die beiden. „Was ist los.“ Mika schnaubte empört und wandte Himo den Rücken zu und legte sich umständlich, vorsichtig an eine der warmen Felswände. Die jedoch ausgerechnet auch zu Himos bevorzugtem Platz gehörte. Der ziemlich erschöpfte Bock wollte auch daran seine Muskeln entspannen. Während sie sich wie eine rollige Katze an der wohligen Wärme rieb, zielte und verteidigte Himo weiterhin seinen Platz. Keiner wollte Teilen. Die Kühle der Nacht nahm stetig zu. Selbst Sunta nahm eine der wärmenden Decken um ihre Schultern. Skella besah sich die beiden uneinigen Streithähne. „okay, Mika wie wäre es mit einem warmen Sandbad?“ Aufhorchen hielt Drachendame mit ihrem Platzmarkieren inne. Skella bat die anderen. „Im Grunde ist das eine Echse und sie liebt Wärme. Decken wir sie einfach mit warmen Sand zu, dann kühlt ihre Empfindliche Körperwärme in der Nacht weniger aus.“ Berino dachte bereits weiter. „So wäre sie sogar für die grossen Gleiter, falls sie uns in der Nacht scannen, praktisch unsichtbar. Fangen wir an.“ Dabei schichtete er um das Lagerfeuer mehr Steine. Skellas Erfahrung liess sie einen guten Platz in einer seichten Mulde finden. Dort legte sich Mika gerne nieder. Während ihre neuen Pfleger erst eine dicke Sandschicht über sie Schaufelten, dann ein paar heisse Steine dazwischen und noch mehr Sand darüber. Wobei sie ausschließlich den erwärmten Oberflächensand benutzten. Am Ende blieb nur noch ein kurzes Stück Hals und der Kopf frei. Wobei das Mika nicht im mindesten störte. Im Gegenteil genoss sie die heilende Wärme nach dem anspruchsvollen Flugtag.
Sunta wärmte eine weitere, verwässerte Suppenportion auf und füllte jedem noch einmal eine Ration ab. Die Rollen waren wieder Eindeutig verteilt und Berino liess sich gerne bedienen. Sogar als er sie bat, ihre Decken in der Nähe von Mikas Hals zu platzieren, folgte sie seinem Ratschlag gerne. Sie ahnte was Wiirin mit dem Kesseln auch andeutete. Nicht jede Frau würde so einfach den Wünschen ihres zugeteilten Mannes folgen. Von ihren eigenen Eltern wusste Sunta aber was für eine Kraft von einem guten Team hervorging. Ein Team das eben ihr die häusslichen Pflichten zuteilte und ihm die kräftigeren Aufgaben. Wie bei Pol verwöhnte sie ihn gerne und sein zufriedenes Gesicht, mit den dankbaren Augen, war ihre Belohnung dafür. Sie hatte etwas bei ihm erreicht, was kaum eine andere Person vermochte.
Nachdenklich assen sie alle jeden Bissen auskostend. Die leichte Kost war vorteilhaft, vor allem wenn man durch ein heikles Kriegsgebiet reiste. Sie durften die drohende Gefahr über ihren Köpfen nie vergessen. Skella selber entdeckte einige Flugobjekte, ganz weit oben wie die Sterne. Doch die Distanzen täuschten. In mehr als zehn Kilometer Entfernung flogen diese Flugschiffe selten. Und wozu ein Drache mehr als eine Minute brauchte um diese Distanz nach unten zu überwinden, brauchte so eine effiziente Flugmaschine wenige Sekunden. Berino dämmte zur eigenen Sicherheit die feurigen Gluten ihres Feuers. Darin erhitzte Sunta gerade in einem Krug das Teewasser. Es wurde merklich dunkler um sie herum. Im spärlichen Licht streute Sunta gerade ein paar aromatische Kräuter in das abgekochte Wasser als Skella wissen wollte. „Was ist eigentlich passiert das Mukut dermassen seine Kontrolle verloren hat?“ Statt einer Antwort horchte Sunta hinter sich. Denn Himo scharrte erneut hinter, aufgeregt mit den Hufen. Ein merkwürdiges hohes Pfeifen rief er hinaus in die Dunkelheit der Nacht. Auf wundersame Weise bekam er ziemlich nahe einen ähnlichen pfeifenden Laut zur Antwort. Erleichtert sprach Berino es laut aus. „Smesi ist da.“ Bevor man das eintreffende Paar jedoch sah, hörte man das keuchende, hustende Atmen der kleineren Gazelle. Zielstrebig humpelte sie erst auf Himo zu, um seine feuchten Nüstern willkommen zu lecken. Dann erst ein wenig zaghaft, wegen den Lagerfeuer, zu Skella hinüber, welche die das etwas kleinere Exemplar eines Sandgleiters lobend am Hals kraulte. Nur weil sie ihren Hals etwas gesenkt hielt, sah man ihren kleinen Reiter. So klein und fest wie er sich an She festklammerte, hätte es genauso gut ein angebundenes Gepäckstück sein können. Erst Sunta leiser Ruf. „Mäuschen?“ Tatsächlich krallte sich Mäuschen so fest, als könnte sie selbst bei der stehenden She noch kilometerweit hinunterfallen. Jetzt war der Moment für den beruhigenden Berino gekommen. Sein sanfter Tonfall und seine entschlossenen Hände lösten die völlig verkrampften Finger von Smesi aus dem kurzhaarigen Fell von She Einen weiteren kritischen Moment gab es als She Lebenskraft neu erwachte, als sie den Drachen roch. Und Smesi sich schwertat deren Zügelriemen endlich loszulassen. Argwöhnisch riss She sogar Skella die haltenden Zügel aus den Händen, bis diese stattdessen entschlossen die Hörner festhielt. „Mäuschen,“ sprach nun auch Sunta zu der eingefrorenen Gestalt. Strich ihr mitfühlend mit der Hand über den Rücken Sie besass auch viel zu dünne Kleider für den nächtlichen Wüstenritt. In der Höhle herrschte einfach ein anderes Klima. Ohne den nächtlichen abkühlenden Wind, der sogar in manchen tiefen Sandtälern leichten Frost verursachte. Erst als Berino in einer seinem alten Dialekt zu Mäuschen sprach, taute sie sprichwörtlich langsam auf. „Also Mäuschen,“ Berino nutzte ungerne den neuen Spitznamen, „Du bist jetzt in Sicherheit. Wir sind da und passen auf dich auf.“ Leise redete Sunta weiter. „Jedenfalls besser als diese Gazelle. Willst du lieber auf ihr hocken bleiben oder am warmen Feuer eine Suppe nach…“ „Ellys Rezept“, half ihr Skella. Interessiert öffnete Mäuschen ihre Augen weiter. Fragte zittrig. „Wirklich Ellys Rezept?“ Die andern jungen Frauen nickten. Da kam mehr Leben ins Smesi dünnen Körper. Nach den ersten torkelnden Schritten, hob sie Berino in seinen Arm als sei sie ein kleines Häschen. Skella kümmerte sich inzwischen um die leicht verletzte She. Besorgt rief sie nach einer Weile. „Maus. Mäuschen ist das deine Decke?“ Eindeutig war Smesi nicht für ein Leben ausserhalb der Höhle vorbereitet. Eine kleine Satteldecke, die ziemlich genau einer gepolsterten Sitzunterlage eines Stuhles glich, hielt Skella verblüfft in den Händen hoch. Unsicher sah Mäuschen, von ihrer dampfenden Schüssel in den Händen, hoch. „Habt ihr nur gerade das nötigste im Gepäck dabei? Keine Reservedecke mehr?“ Ernsthaft schüttelte Berino den Kopf. „Bei unserer spontanen Aktion.“ Sunta nahm ihre Ahnungslosigkeit mit Humor auf. „Du schläfst heute einfach zwischen mir und Berino eingequetscht. Da bekommst du genug Wärme.“ Vor Schreck fiel Smesi beinahe die Tasse aus den Händen. In letzter Sekunde hielt sie ihre Finger wieder fest. Entsetzt sah sie zu Sunta, in der unsicheren Art; ist das dein ernst? Berino sah selber Sunta scharf, eindringlich an. Dieser Vorschlag schien ihm auch nicht zu gefallen. Vergnügt winkte Sunta ab. „Keine Sorge, ich heize Berino selber an. Aber zumindest in seinem Rücken solltest du schlafen damit du heute Nacht nicht frierst.“ Sanfter sah sie fragend zu Berino hinüber. Einwilligend nickte er. Worauf Skella, die sonst so ernste Skella, kicherte. „Im Ernst, Berino? Drei Frauen die um dich herumkuscheln? Das weckt alte Erinnerungen. Vor wieviel Jahrhunderten ungefähr, in deinen wildesten Zeiten als Teenager?“ Der Gute behielt seine berühmte Ruhe. „Mann, muss nehmen was man kriegen kann. Drei Frauen wären ein neuer Rekord für ich, aber machbar. Sofern Sunta bereit wäre, da mitzuspielen?“
Nicht nur Sunta betrachtete ihn mit grossen Augen. Sämtliche weiblichen Teilnehmer schauten gebannt zu dem vitalen Berino. Skella flüsterte, hinter der Hand, zu Sunta rüber. „Was hast du denn mit dem gemacht?“ Sunta selber schnappte nach Luft. Irgendwie machte sie Berinos Angebot verlegen. Sie wollte ihn nicht so früh teilen, wenn auch dies bei seiner Sippe so üblich schien. Wie sollte sie das diplomatisch mitteilen? Erschrocken über Skellas gutgemeinten Klaps auf ihr Schultern zuckte sie zusammen. Was die Jägerin noch mehr amüsierte. „Sei locker, Frischling. Ich danke dir, Berino fürs Angebot, aber ich ziehe es vor, unter meiner eigenen Decke, alleine zu sein. Kuscheln ist schon lange nicht mehr mein Ding.“ Sogar Smesi hob einen Zeigefinger. Ihr Arm war nicht infolge der Wärme nach oben geschnellt. Hastig sprudelte es aus ihr heraus. „Danke auch. Aber ich würde auch ganz gerne irgendwo alleine sein. Ein windgeschützer Unterschlupf reicht für mich.“ Als sie sich umblickte schien ihr langsam durch zu sickern, was es bedeutete draussen zu schlafen. Sie piepste beinahe geschockt auf. „Kein Unterschlupf oder Höhle zum reinkriechen?“ Sie schrumpfte wieder mal auf ihrem Sitz zusammen. „Ich habe es mir nicht so kalt und öde vorgestellt. Ich dachte da gibt es zumindest Wald oder Bäume um einen Windschutz zu bauen. Ein Zelt oder so was.“ Tröstend legte Sunta ihr eine warme Hand über die schlanken, schmalen Finger. „Berino ist anständig. Er beisst nur, wenn du zuerst beisst.“ Der Beschuldigte schnaubte empört. Skella lachte kurz auf. „Wir sind die schlimmste Vorhut die je in unserer Geschichte ausgesandt wurde. Ich hoffe, dir ist niemand auf deiner Chaotischen Flucht gefolgt, Mäuschen?“ Auf dem schüchternen Gesicht breitete sich ein hübsches Lächeln aus. Gut, sie taute langsam auf. Sunta überredete sie zu einer weiteren Tasse Tee. Dankbar streckte Smesi ihr die leere Suppentasse hin. Sunta spühlte sie erst mit klarem Wasser aus, ehe sie den noch dampfenden Tee reinplätscherte, damit er weiter abkühlte.
Schelmisch sah Mäuschen über ihren Tassenrand hinweg. „Ihr habt ja noch keine Ahnung was passiert ist. Ich habe wie versprochen Muktu die Überraschung überreicht. Gleich nachdem er den Verschluss aufschnürte, sprang ihm so eine langschwänzige Wüstenmaus mitten ins Gesicht. Krabbelte ihm an den langen Haaren entlang als suchte sie ein Versteck und sprang dann auf einmal in den Trainingsraum hinein. Oh, Sunta, der Anführer und drei weitere Familienoberhäupter waren auch gerade im Raum. Die haben alles mitangesehen. Vor allem nach Muktus erschrockenem Aufschrei. Vor Schreck ist ihm ja die Tasche aus den Händen gefallen. Ein schlimmer Fehler. Dem Stinktier hat die rüde Behandlung nicht gefallen. Es ist schnurstracks aus der Tasche geflitzt und hat in den nächsten Schuh reingebissen. Am Gebrüll nach, hat es ziemlich heftig einen Zeh erwischt. Daraufhin ist Muktu beinahe explodiert. Hat geflucht und versucht das festgebissene Tier wegzuschleudern. Dann ist Wiriin erschienen. Ein Blick, ein lautes Lachen und ein Wort. „Sunta!“ Das war der entscheidende Tropfen der das Fass zum Bersten brachte. Muktu hat schon immer seine wahre Kraft verheimlicht. Seine Blitzattacke mit der anschließenden Schockwelle hat gereicht uns alle auf den Boden zu strecken. Als Dank für den Elektroschock, hat das verängstigte Stinktier ihm dafür eine abkühlende Stinkdusche verpasst. Bevor er wieder ausrastete ist unser Anführer kühl vor ihn getreten. Trotz dem abscheulichen Gestank hat er ihn einfach eisig gemustert. Mit dem absoluten unerschrockenen Eiszeitengefrierblick. Das hat gewirkt. Nachdem Muktu sich endlich in den Griff bekam, hat der Chef ihm eine vorübergehende Verbannung auferlegt. Nicht wegen dem widerlichen Gestank, sondern weil er mit seiner schmerzhaften Blitzattacke sein eigenes Volk bedroht hat. Der Gefährte von Lunia war, als ich aus dem Raum geflohen bin, immer noch wie gelähmt am Boden. Akny hat mir später gesendet das mit ihm alles in Ordnung sei. Sein Gehirn ist momentan einfach nur vorübergehend ruhiggestellt. Orin sieht das ebenfalls als keinen harmlosen Streich an und ich hatte keine Lust, dass mich nur ein kleiner Teil von Muktus Zorn mich trifft. Darum bin ich Skella nach gerannt. In den nächsten Tagen wird man mich eh kaum vermissen. In dem durcheinander das dort jetzt herrscht, ist es viel interessanter bei Euch zu sein. Wiriin habe ich später noch in einem persönlichen Senden lachen gehört. Der Anblick war eben phänomenal. Wie ein stets korrekter, steifer Lehrmeister plötzlich wie ein Hampelmann herumzappelt, mit einem Stinky an seinem Fuss. Einfach Köstlich. Davon wird es bestimmt ein Lied geben.“
Ungerührt blieb Berino ziemlich ernst bei der vorgetragenen Geschichte. Er versuchte es jedenfalls. Bis Smesi ihm einen kurzen Erinnerungsfetzen zusandte. Worauf er sich selbst am Tee verschluckte. In den nächsten Minuten war es ihn unmöglich noch einen weiteren Schluck zu nehmen, weil es ihn vor Heiterkeit schüttelte. Trotzdem versuchte er rasch wieder zur Ernsthaftigkeit zurück zu finden. Denn eines war ihm klar. „Da Muktu aus der Gesellschaft verbannt wurde, sei es auch nur für kurze Zeit, könnte das später einmal böse Konsequenzen für Sunta bringen. Er ist nicht gerade bekannt dafür, gnädig zu sein. Jemand mit seiner Wut, so alleine von allen ausgeschlossen, wird garantiert nicht so einfach vergessen und zum Alltag zurückkehren. Seine Intelligenz wird ihm anraten, dir den Tiefschlag, die ganze Schmach, irgendwann ohne Verjährung, zurück zu zahlen.“
Das folgende Schweigen sagte mehr als Worte. Bis es in Skellas Mundwinkel zuckte. Trotz ihrem Alter, oder gerade desswegen, hielt sie gerade an den heiteren Momenten fest. „Ich hätte es gerne live miterlebt. Aber ganz ehrlich, vielleicht sollten wir uns sogar Sorgen machen, dass Muktu uns folgt? Schliesslich hat er jetzt ziemlich viel Zeit.“ Selbst Sunta realisierte die zusätzliche Verschärfung ihrer neuen Situation. Dennoch gab sie wenig reuevoll zu. „Ich sehe ein, dass es ein schlechter Scherz war. Die Wüstenmaus ist mir nur zufällig so reingerutscht. Die war nicht einmal eingeplant. Das Muktu überhaupt so eine mächtige Energie besitzt, hätte ich nie geglaubt. Ich habe zwar unterschwellig gespürt, dass er sich immer so kontrolliert zurückhält. Aber dieses gefährliche Ausmass übertrifft meine schlimmste Einschätzung. Die Ablenkung ist mir zwar gelungen, aber zu welchem Preis? Hoffen wir das Beste, dass die entfernten Verwandten in den Berge noch leben. Das wäre jedenfalls eine neue Beschäftigung für Muktu, falls er uns tatsächlich verfolgt.“
Von einem der hervorstehenden Zweige, brach Berino einen langen Stachel ab. Klopfte zur Entschärfung erst auf einen Stein und startete danach mit der abendlichen Zahnreinigung. Angesteckt folgten die anderem seinem Beispiel. Zwischendurch verriet er seine Gedankengänge. „Es besteht eine höchst geringe Chance, dass er seinen Racheplänen gegenüber Sunta nachgeht. Er ist intelligent genug um zu wissen, dass ich sie beschütze. Das schreckt von vornherein ab. Denn er weiss, sollte mir was passieren, er nie wieder einen Fuss auch nur in die Nähe der alten Familie setzen darf. In seiner jetzigen ausgesetzten Position darf er sich nicht den geringsten Fehler erlauben. Schon gar nicht einen Angriff auf mich. Nein, Muktu wird eher mehrere Monate, irgendwo in den abseits gelegenen Bergen, sich intensiv mit seinem Training beschäftigen. Das letzte Mal als er so emotional reagierte, damals hat seine Geliebte ihren wahren Gefährten gefunden, war er auch ein paar Tage unausstehlich und ist freiwillig eine Zeitlang abgehauen.“ Skella lächelte. „Ein paar Frauen haben ihn wirklich vermisst. Mit seinen Händen kann er nach dem Training, wie ein Heiler Wunder wirken. Tief in seinem Herzen steckt eben auch die Sehnsucht, nach all den Jahrhunderten, endlich einmal eine Gefährtin in den Armen zu halten. Eine die ihn von seinem verbissenen Weiterbildungswahn etwas bremst.“ Jetzt bedauerte Sunta aufrichtig. „Schade gab es keine weiblichen Frauen mit magischen Fähigkeiten in den Bergen. Ich habe keine gesichtet. Nicht einmal davon gehört. Jetzt wo ich weiss was ihm fehlt, tut er mich fast Leid.“ Dankbar über Berinos Anwesenheit, strich sie ihm über den starken Oberarm. Er hob eine Augenbraue. „Siehst du, manchmal ist es gut erst ein paar Hintergrundinformationen zu wissen, bevor man einem Fremden einen Streich spielt. Wiriin hätte den Scherz, gleich von Anfang an, besser aufgenommen.“ Skella stimmte ihm zu. „Wiriin hätte aus Erfahrung den Deckel gleich nach der Wüstenmaus zugehalten und die böse Überraschung schnell weitergereicht. Muktu ist überhaupt nicht gewohnt, dass jemand Scherze mit ihm treibt.“ Betroffen schaute Sunta zu ihr hinüber. „Also jetzt tut er mir doppelt leid. Ich dachte er ist nur zu mir so…kühl und feindselig gestimmt. Dass er ziemlich Einzelgängerisch sein kann, ist mir auch selber aufgefallen. Aber dass ihr ihn größtenteils meiden, damit habe ich nicht gerechnet. Kein Wunder hat er so extrem reagiert.“ Berino beugte seinen Kopf vor, seine warmen Lippen spielten an ihrem kalten Ohr. „Sunta, es war auch seine etwas überhebliche Ader, mit der er dich unterschätzten. So ganz schuldlos ist er jedenfalls nicht. Seine Auszeit zum Nachdenken, dürfte ihm ganz guttun. Die Familie wird ihn gerne wieder herzlich aufnehmen, sobald er in seiner Besinnung reifer geworden ist.“ Erschrocken zuckte Berino zurück. Als über ihren Köpfen ein gleißendes Licht glitt. Unvermindert patrouillierte ein Katanerschiff ziemlich weit oben, wie ein fliegender Stern. Erschaudernd meinte Skella trocken. „Haben die gerade uns gescannt?“ Jep“, bestätigte Berino trocken. „Normaden sind für sie belanglos. Und Mika, das brave Mädchen verhält sich wunderbar still. Für die da oben, dürfte ihr sichtbarer Hals so aussehen, als hätten wir den Rest des Körpers gerade eben verzehrt.“ Ein leises Rieseln von Sand, ausgelöst von einer minimalen Bewegung, verriet aber das die Gute ziemlich genau zuhörte. Sunta lobte. „Gutes Mädchen. Schön wie du so ganz entspannst daliegst. Das hast du dir nach dem langen Flug heute auch verdient.“ Skeptisch äugte Skella zum klaren, glitzernden Nachthimmel hoch. Murmelte, „Unheimlich.“ Dann verfolgte sie interessiert wie Berino den Duft an Suntas Hals inhalierte. Öfters liebevoll an ihr knapperte. Ungehemmt fragte Skella. „Darf man vielleicht etwas mitmachen?“ Während Sunta das Angebot verdaute, sagte Berino sanft. „Gerne ein anderes Mal. Unsere Verbindung besteht erst seit wenigen Nächten.“ „Oh, habe ich ganz vergessen. Irgendwie gehört Sunta längst zu unserer Familie. Es wird echt langsam Zeit, dass ich mir wieder einen Geliebten fürs Bett finde. Nur fürs Nachtlager. Auf anhängliches Getue kann ich getrost verzichten.“ Dabei zog sie Himos stinkende Satteldecke enger um sich. Sunta presste sich näher an Berino. Als er sich nach dem Hinlegen, richtig ausstreckte, platzierte sie automatisch ihren Kopf an seiner breiten Schulter. Sie liebte seine Nähe, seine abstrahlende Wärme, vermischt mit dem verstärkten Geruch nach Erde, wie nach einem Sommergewitter. Die elektrische, erotische Spannung hing zwischen ihnen weiter in der Luft. Es störte Sunta keineswegs als er mit dem freien Arm Mäuschen an seine andere freie Schulter näher heranzog. Smesi fiepte leise erschrocken auf. Kurz vor dem Einschlafen murmelte Sunta. „Das arrangieren wir irgendwie schon, wenn wir die einzigen Leute sein sollten.“ „Drei Frauen“, zweifelte Berino. Sie tätschelte auf seine Brust hinunter. „Klumps Verwandtschaftliche Gene schlummern auch in dir. Du schaffst das.“ Er gluckste über ihre Zuversicht. Selbst als ausgerechnet Mäuschen, leise schnarchte, ein kleines Röcheln, schlief Sunta noch lange nicht ein. Es beschäftigte sie die Sorge um die Überlebenden. Wieviele? Vor allem ob Pol unter ihnen war? So viele Tage war sie weg gewesen. Vielleicht war er in seiner Not, wieder mit seiner alten Verlobten zusammen? Das schmerzte. Gut, sie war jetzt auch mit Berino zusammen. Das alles verwirrte sie genug. Weil sie sich stärker zu Pol hingezogen fühlte, ihn einfach nicht vergessen konnte. Den wahren Frieden mit Berino konnte sie erst finden, wenn sie wusste wie Pol zu ihr stand, sollte er noch leben. Der verzweifelte Hilferuf versetzte ihr immer noch einen Stich ins Herz. Lass ihn leben, betete sie zum Himmel hoch. Gewiss würde es die Beziehung zu Berino komplizieren. Sie wusste überhaupt noch nicht, wie sie damit zu Recht kam. Jedoch liebte sie Berino auf eine andere Art, als sei er ein Teil ihres Lebend, den sie auch brauchte.
Am Horizont der kargen Bergflanke schimmerte ein gelblicher Streifen auf, der die Morgensonne ankündete. Als erster stand Berino auf. Ein netter, hilfreicher Handschlag, damit weckte er seine schlafenden Damen, inklusive Mika auf. Klugerweise wartete die Drachendame mit dem Aufstehen bis die vom Traumland benebelten Leute, sich von dem betäubenden Modus verabschiedeten und auf ihre Beine kamen. Ohne Vorwarnung, raste wenige Sekunden später eine silberne, Metallscheiben auf sie zu. Das Adrenalin blitzte förmlich allen durch die Glieder. Mika blinzelte zwar selber geschockt, da aber keiner den Befehl gab sich zu erheben, hielt sie ihr Versteckt für akzeptabel. Berino kickte den gekrümmten Wanderstock, mit dem Fuss, Skella direkt in die Hände. Geschickt fing sie ihn auf. Wenige Sekunden später hatte sie die schmückende Sehne längst gelöst und gespannt. Mäuschen hingegen wusste überhaupt nicht was sie mit dem merkwürdigen Stock, den Berino ihr fast ins Gesicht knallte, anfangen sollte. Sunta dagegen verwünschte den Umstand, ihre rücksichtsvolle Art, dass sie am Abend zuvor Mika den Sattel von Rücken schnallte. Jetzt ihn in Eile aufzuschnallen käme einer Quälerei gleich, da unabgeschüttelter Sand die Schuppen darunter Wund rieb. Es blieb ihnen keine Zeit zum aufsatteln. Dieses blinkende Ding, in das mindestens vier ausgewachsene Drachen hinein passten, platzierte sie frech, keine fünfzig Fuss Abstand vor ihnen. Sunta gratulierte der guten Bremse. Dafür bekamen sie eine Dusche aus heißem Motorenluft und vielerlei aufgewirbelten, kleinen Gegenstände des Bodens. Dieser eher plumpe Gleiter war für extreme Distanzen gebaut worden. Dazu gehörte das keine Fenster seine Stabilität beeinträchtigen. Er unterschied sich überhaupt in seiner massigen Eleganz zu den eher schnittigen Kataner Kriegsschiffen.
Geschockt stammelte Mäuschen, „Was, was tun wir?“ Beherrscht verstaute Berino ein paar Wurfmesser an seinem Körper. „Wir bleiben ruhig. Entweder wollen die mit uns spielen oder…“ Zischend öffnete sich die Lucke unterhalb des Raumschiffes. Es schwebte so weit vom Erdboden abgehoben, dass Sunta bequem hätte unten drunter spazieren können, wenn sie denn Interesse zu einer Inspektion bekam. Neben dem aufgelösten Vakuum, stiegen kleine warme Dunstwolken von der geöffneten Bodenluke auf. Eine schräge Leiter fuhr geräuschlos, automatisch nach unten. Okay, sie war gruselig, denn kein Kataner hätte diese steile Treppenstufen überwunden, ohne nach unten zu purzeln. Aber ein Sprung nach unten, wäre machbar. Niemand hielt mit seiner Wachsamkeit inne. Nicht einmal Sunta wagte zu Blinzeln.
Silbergraue Stiefel, in die eine menschliche Form perfekt hineinpasste, erschienen als erstes.
Das heimische Grüppchen atmete erleichtert aus. Der Rest des Besuchers, der ziemlich elegant die letzten Stufen übersprang, war eindeutig männlich. Kaum so gross wie Skella. Sogar Berino überragte ihn locker ein paar Zentimeter. Nur in der Höhe! Die raffinierte gepanzerte Uniform, mit den schützenden Platten des Halses und der verlängerten Schulterpartie, vermittelte einen falschen Eindruck von der wahren Breite. Trotzdem steckte ein gestählter Krieger in der speziellen massgeschneiderten Uniform. Mit ausgeprägten Muskeln, welche die von Berino geradezu lächerlich aussehen liessen. Ein kampferprobter Krieger was, trotz sorgfältigen Pflege, ausgebeulte Schutzplatten verrieten. Hinzu kam eine unheimlich kräftige Aura, die man nicht gerade als warmherzig eingestufte. Irgendetwas nervte diesen ziemlich überheblichen Besucher. Kühle, beinahe schwarze Augen scannten den aufgeschreckten Lagerplatz. Mit seinen schwarzen Haaren, die wild bis zu zwei Handlängen von seinem Kopf Abstand, als stünde er ständig unter Strom, glich er einer halbwegs gezähmten Bestie. Das Verlangen nach Flucht verstärkte sich bei seinem Auftritt, als würde er eine echte Bedrohung darstellen. Muktus Magie wirkte im Vergleich dazu wie das eines schmollendes, zornigen Kleinkindes. Für Sunta kam diese charismatische Erscheinung vor ihnen, eher wie ein blitzschneller Totbringer vor. Jemand der absolut keinen Humor besass. Trotz den breiten Schultern war er überraschend schlank in der Taille. Oberschenkelmuskeln wie aufgepumpte Muskelstränge. Der Fremde besass mehr als die doppelte Schlagkraft, als Berino in seinen besten Lebenszeiten. Dafür fand ihn auch Sunta doppelt hässlicher. Ein kantiges Gesicht mit einer geraden, ziemlich kleinen spitzen Nase, sowie einem energischen Kinn. Die Stirn mit hohem Haaransatz verlieh ihm zwar einen intelligenten Ausdruck, was ziemlich zu den wachsamen Augen passte, denen kein Detail entging. Erst verzog er angewidert das Gesicht, dann sprach er holperig in der alten Universalen Sprache. „Ihr da! Gibt es auf diesem Planeten eine stabile, wirtschaftliche Lage um Nutzvieh, ohne Verluste, zu züchten?“
Zögerlich wandte sich Sunta an ihren verstimmten Freund. Die fehlende Höflichkeit dieses Fremden liess Berino bockig die Arme vor der Brust verschränken. Da er sich in Schweigen hüllte, fragte ihn Sunta vorsichtig. „Hat er uns gerade gefragt, ob es hier gutes Weideland gibt?“ Berino nickte weiterhin verschlossen. Also trat Sunta einen Schritt nach vorne zu dem unheimlichen Besucher. „Guten Morgen. Also wenn sie Weideland suchen gibt es nördlich von hier, kurz vor den Bergen, ziemlich viele naturbelassene Wiesen. Allerdings ist mir unklar warum ihr das von oben nicht selber gesehen habt. Wie hoch fliegt das Ding?“ Sie deutete zu dem seltsamen, unförmigen Flieger hinüber.
Die dunklen Augen verengten sich zu engen Schlitzen. Doch nicht dies, sondern die brodelnde, tödliche Finsternis in den Pupillen liess Sunta rasch einen Schritt zurücktreten. Bisher kannte sie so eine abgebrühte Tödlichkeit nicht einmal von den grossen Katanern. Diese kleine Person vor ihr strahlte eine dermassen eiskalte Präsenz aus, die selbst einen Kataner, mit halber Gehirnmasse, zur Flucht veranlasst hätte. Sie erschauderte und versuchte trotz dem kribbelnden Nacken ruhig stehen zu bleiben. Loszurennen löste sogar bei ruhenden Wölfen den Jagdinstinkt aus. Zum Glück hielt es der aufgebrachte Fremde nicht für nötig die Distanz zwischen ihnen zu verringern. Es stemmte eine Faust auf die schmale Hüfte ab, wie um sich zu verbreitern. „Frau! Ich will wissen ob die wirtschaftliche Lage gewährleistet ist? Wieviel Weideland vorhanden ist, haben wir selber abgescannt. Wir haben schliesslich keine Tomaten vor den Augen. Ist die hiesige Bevölkerung friedlich oder gibt es feindselige Veden unter euch wenig verbliebenen Clans?“ „Ähm“, stutzte Sunta, „Was sind Tomaten? Und Clans sind mir auch nicht bekannt. Wir hatten in unserer Umgebung des Dorfes nie Probleme mit den entfernten Nachbarn, oder Einsiedlern. Clans hat es bei uns nie gegeben. Die grösseren Familien haben in unserem Dorf alle zusammengearbeitet. Ohne funktioniert da…“ „Gibt es Territorien Kämpfe oder ist, auf dieser Seite des Planeten, die wirtschaftliche Lage stabil?“ Schrie er unbeherrscht dazwischen. Einen Moment verdaute Sunta seine barschen Worte. Vor allem was auf der anderen Seite des Planeten los war, nahm sie genauer Wunder. Wieviel wusste er und wesshalb kam er gerade in ihre Region? Auf seine Dringlichkeit hin, reagierte sie entsprechend empfindlich und verschränkte, genau wie ihr Freund, die Arme vor der Brust. Diesmal sah sie ihn warnend an. „Feindlich. Sehr feindlich! Neben den brutalen Katanern gibt es anscheinend noch ziemlich unhöfliche Besucher, die unseren Weltfrieden empfindlich zu stören scheinen.“
Zu den verengten Augen kam jetzt die Verstärkung seiner markanten schwarzen Augenbrauen dazu, die eine ernsthafte Verärgerung ausdrückten. Er hatte ihre Anspielung gleich verstanden. Seine Augen schweiften kurz über Skellas primitiven Langbogen und schon beruhigte er sich ein wenig. „Bauern,“ kam es abschätzig über die schmalen Lippen. „Gibt es einen Landabschnitt der bekannt ist für gute Haltung von Nutzvieh? Qualifizierte Leute die ein Jahr lang bis zu 500 Rinder beaufsichtigen könnten? Ohne Verluste versteht sich.“
Sunta atmete ruhiger, da auch er wieder eine entspannte Haltung annahm. „Den Platz hätten wir hier. Aber die Kataner kommen uns immer wieder dazwischen und zerstören unsere wenigen Dörfer.“ Tatsächlich milderte sich sein Ausdruck im Gesicht als er zugab. „Wir haben das gesamte Zerstörungsmass registriert und analysiert. Genauso die kleinen menschlichen Gruppierungen die weit zerstreut noch vorhanden sind. Für uns ist nur unklar ob ihr selber untereinander Schwierigkeiten habt, oder in diesen schwierigen Zeiten es versteht zusammen zu arbeiten. Denn sollte eine vernünftige Zusammenarbeit möglich sein, bieten wir euch gerne eine bessere Chance zum Wiederaufbau.“
Es tat Sunta weh zu hören, dass es keine intakten, grösseren Dorfer mehr gab. Auf einmal fragte sie sich, ob sich der Wegzug der einstigen Verwandten überhaupt gelohnt hatte. Wie willkommen wäre deren Rückkehr. Mit Mika war es sogar möglich, im kommenden Jahr nach ihnen Ausschau zu halten. Sunta nickte bedrückt. „Die meisten lebenden Leute die ich noch kenne, haben sich entweder in Berghöhlen oder unter dem Wüstenboden versteckt. Die Kataner haben uns da keine andere Wahl gelassen.“ Es zuckte wissend ein einem der Mundwinkel dieses Fremden. „Verstehe. Klimatisch betrachtet steht euch zudem ein harter, langer Winter bevor. Ich danke für diese Information und wünsche euch weiterhin eine friedliche Zeit. Ach übrigens, um die Kataner haben wir uns gekümmert. Die dürften in den kommenden Jahren sich von diesem Teil des Universums fernhalten. Es sein denn, sie suchen einen Unterschlupf um zu überleben.“ Brüsk wandte er sich ab und schrie zu der Lukenöffnung hoch. „Schlechter Platz! Zuwenig Bodenpersonal. Also für den Start möchte ich einmal einen vorbildlichen Schub erleben. Einmal! Das dürfte doch...“ „Moment“, rief ihm Sunta ihrerseits barsch dazwischen. „Wir haben einen geeigneten Aufpasser gleich hier. Einen sehr effizienten Aufpasser für mehr als 500 Kühe.“ Der kleine Krieger hielt ruckartig inne. Vermutlich eher, weil es höchst selten vorkam, dass ihn jemand unterbrach. Gelassen sah er erst Sunta an, dann schweifte sein Blick ohne das geringste Interesse zu Berino hinüber. Er wirkte ziemlich überheblich als er den Kopf schüttelte. „So eine riesige Kuh Herde braucht zur Beaufsichtigung mehr als einen einzigen begabten Bauernknaben. Eine Handvoll dieser robusten Archrinder genügt, um ihn in wenigen Sekunden völlig Platt zu trampeln. Junge Rinder, ohne erfahrende Leitkühe sind extrem schreckhaft und ihr habt hier jede Menge wildernde Wölfe,“ gab er in sicherer Überlegenheit preis. „Ha“, hielt Sunta selbstsicher dagegen. „Bei unseren Kuhhirten kommen die nie in die Nähe. Wir sehen Wölfe nur von weiten, was sogar bedauerlich ist. Und das mit dem niedertrampeln ist absolut lachhaft.“ Sie deutete hinter Berino. „Bitte einmal alle Platz machen! Mika wärst du freundlich, einmal aufzustehen?“ Bat sie höflich.
Während ihre eigenen Leute respektvoll zurückwichen, blieb der Fremde unbeeindruckt, wie festbetoniert, an seinem Platz stehen. Selbst als die mächtige Bodenwelle vor ihm erzitterte und sich aus dem grossen Sandhügel zwei mächtige Schwingen entfalteten, rührte er sich keinen Zentimeter. Sandkörner peitschte durch die Reihe von Leute als Mika sich von dem körnigen Ballast befreite. Misstrauisch äugten ihre Augen zu dem Raumschiff hinüber. Schüttelte ab dem Kälteschauer ihren Hals ehe sie ihn geradezu majestätisch beugte, um neben ihrem Floh den unbekannten Fremden zu beschnüffeln. Ungerührt stand er da. Eventuell glaubte Sunta sogar ein bisschen Faszination zu entdecken. Es zuckte schliesslich belustigt in seinen Mundwinkeln, ehe er mit einem äusserst zufriedenen lächelnd sagte. „Na, das nenne ich ein nettes Schosshündchen.“
Sunta bekam grosse Augen. Dieser unerschrockene Fremde betitelte Mika als harmloses Hündchen? Woher kam dieser ahnungslose Typ? Oder dressierte er Drachen in seiner Freizeit als Nebenbeschäftigung? Unbekümmert trat der mysteriöse Besucher näher an die gesenkte Drachenschnauze heran. Mit verschränkten Armen die keinerlei Alarmbereitschaft signalisierten, sondern eher Langeweile. Vorsichtshalber warnte Sunta. „Achtung, sie kann Feuer spucken.“ Sie erhielt ein kurzes Schultern zucken, ein belustigtes Schnauben und eine hilfreiche Information als er preisgab. „Ich kann auch Feuerbälle abschiessen. Sogar solche die ganze Berge zerbröseln.“ Wieder dieses kalte Lächeln. „Ihr besitzt nicht einmal ansatzweise eine Technologie um euren Schutz auf diesem Planeten zu gewährleistet.“ Zuerst sah es so aus als mache er eine völlig harmlose Geste zu Mika hinüber. Sekundenschnell formte sich in seiner offenen Handfläche eine feuerrote Kugel. Während er die Handbewegung noch weiter abdrehte, verwandelte sich die glühende Luft in einen hellweisslichen Lichtball, der wie die Sonne blendete. Mit einer achtlosen Geste schleuderte er diese riesige Feuerkraft hinaus in die Ebene, wo ein kleiner versteinerter Vulkanhügel hervorstach. Es dauerte weniger als eine Sekunde. Die Augen vermochten kaum dem gleissenden Licht zu folgen. Schon explodierte der halbe Hügel in kleine Stücke.
Während Mika einen respektvollen Drachenschritt zurück hopste, stellte Berino sich schützend vor Sunta hin. Es grollte und donnerte in der Ferne als das hochgeschleuderte Gestein zurück auf den restlichen Stumpf plumpste. Fassungslos beobachtete Sunta wie in der Ferne sich alles wieder beruhigte, bis auf die hochgewirbelten Staubwolken. Sprachlos sah sie zu dem Fremden hinüber. Das überstieg jetzt irgendwie ihren Horizont. Nach ihrer stillen Denkpause, trat aber jemand anders aus dem Flugschiff hervor. Sunta erster entsetzter Gedanke; Es gibt sogar Zwei von dieser überlegenen Spezies? Warum mussten die ausgerechnet ihren Planeten aussuchen?
Allerdings trat da eine vollkommen harmlose, weibliche Person zu ihnen. Schon von der ersten Sekunde an, war ihre normale, menschliche Abstammung eindeutig erkennbar. Das exakte Gegenteil zu dem hochtrainierten Monster, dass schwer gepanzert daherkam als würde es gerne in den nächsten Krieg ziehen. Nein, eine braunhaarige, leicht mollige Schönheit, schlenderte mit einem freundlichen Lächeln auf sie zu. Der weitgeschnittene legere Leinenanzug, brachte mit seinem schlichten Silbergrau, erst richtig ihre langen Haare Geltung. Es schimmerte wie bei Sunta geradezu golden in der morgendlichen Sonne. Ihre gutartige Erscheinung verpuffte die angesammelte Spannung in der Runde. Das gelungene Gegenstück, wenn man ihren kriegerischen Begleiter betrachtete, der alles andere als erfreut über ihre Einmischung war. Dennoch las man den Stolz von seinen Augen ab, als er sie betrachtete. Was ihn nicht davon abhielt sie darauf hinzuweisen, „Hab ich dir nicht gesagt, du sollst drinbleiben, Weib!“
Während Sunta den heimlichen Wunsch verspürte ihn für diese Unhöflichkeit zu recht zu weisen, übersah seine abgehärtete Begleiterin diese rüpelhafte Art. „Entschuldigung, er ist einer der Besten in der Kriegerelite. Da herrscht ein raues Klima. Aber Kironimek, du hast angefangen auf einem fremden Planeten gleich einen ganzen Hügel wieder als Spielwiese zu beanspruchen, da ist es angebracht dich wieder auf unser ursprüngliches Ziel zu lenken. Wir brauchen doch die Zusammenarbeit mit den Einheimischen. Es nützt uns nicht fiel, wenn die vor Angst und Schrecken davonrennen.“ „Das war bloss eine kleine harmlose Demonstration!“ Verteidigte er sich rasch. Diesmal lächelte sie ihn gekünstelt an. Als er es wagte seine Brauen, wegen seiner aufkommenden Missbilligung zu senken, sah sie ihn genauso bedrohlich an. Sie hatte eindeutig das besser Argument auf Lager. „Willst du die Kühe erschrecken? Deine hochmoderne Anlage filtert den Gestank von der Scheisse jetzt schon nicht mehr richtig heraus. Sobald die Viecher Angst verspüren, scheissen sie noch viel mehr! Glaub mir, ich weiss das. Ich bin schliesslich auf dem Land aufgewachsen. Also willst du die Fracht möglichst bald loswerden oder lieber eine weitere Woche mit so herrlichem Morgengeruch aufwachen?“ Er atmete mürrisch aus. Bis sie fortfuhr, „Dann bitte ich um ein scharmantes Lächeln. Sie haben einen Drachen. Das kann für von uns sehr von Vorteil sein, sofern er nicht alle Nutztiere auffrisst.“ Dabei sah sie begeistert zu Sunta hinüber. Die trat erfreut mit ausgestreckter Hand auf sie zu. Eine bekannte Geste, die mit angenehmen Händedruck erwidert wurde.
„Hi, man nennt mich Sunta, Willkommen auf unseren Planeten.“ Strahlend drückte die andere ihre Hand. „Naru und soweit ich bisher herausgefunden habe, stamme ich von dem blauen Planeten Terra Gaia. Danke für den freundlichen Empfang.“ Verlegen lächelte Sunta, dann platzte ungewollt heraus. „Ihr seht uns so ähnlich. Natürlich mit Ausnahmen,“ sie deutete heimlich zu Kironimek hinüber. „Aber gleichgesinnte Außerirdische habe ich mir immer exotischer vorgestellt. So wie die Kataner mit ihren Schildkrötenpanzern. Zum Glück sehen nicht alle so aus.“ Erleichtert musterte sie das seltsame Paar. Naru lächelte zustimmend. „Ja, so ist es mir anfangs auch ergangen. In der Grundstruktur sind wir uns alle ziemlich ähnlich. Einzig was die Fähigkeiten oder Talente angeht, da unterscheiden wir uns himmelweit. Die Kataner bilden da eine ungewöhnliche Aussnahme. Vielleicht hat sie das zu den gefährlichen Aussenseitern gemacht, die sie heute sind. Das hat wiederum die Niederlage in ihrem einseitigen Krieg herbeigeführt. Doch reden wir nicht davon. Ihr habt da einen prächtigen Drachen. Bei uns sind die geflügelten Echsen bedauerlicher Weise, längst vor tausenden Jahren, ausgestorben.“ „Wow, was ist passiert? Ich muss gestehen, es gibt auch nicht mehr viele Exemplare von Mikas Art. Keine Seuche oder so was?“ Interessiert schaute sie Naru an. Jeder Hinweis, wie man Drachen auch schützte, konnte später für Mikas Nachfahren wichtig sein. Traurig schüttelte Naru den Kopf. „Ich denke die Seuche waren wir selber. Indem wir ihren Lebensraum wegnahmen. Es gibt keine Niederschriften, nur noch Bilder auf alten Landkarten. Immerhin hat man die Wertgeschätzt und ziemlich originalgetreu Kopiert. Wir haben selbst auf unseren Planeten eine raue, kriegerische Fase hinter uns. Da ist vieles zerstört oder in geheimen Tresoren versteckt worden. Bis heute liegen unbekannte Schätze irgendwo, tief unter der Erdschicht begraben, wo sie einfach dahinrotten.“ „Das ist schade.“ Naru winkte verscheuchend ab. „Die übervorsichtigen Leute hat es selbst in ihren unterirdischen Verstecken erwischt. Sie dachte sie seien mit ihren irdischen Schätzen sicher. Aber ein bombensicherer Tresor entwickelt sich plötzlich zu einem schrecklichen Eigentor, wenn da mehr als ein himmlisches Reinigungsprogramm seine epischen Infernos schickt. Schade ist eigentlich nur, dass so viel gesammeltes Wissen verloren ging. Es wäre schön, wenn Ihr später nicht vergesst, die wichtigsten Ereignisse in Büchern festzuhalten.“ Sunta nickte wissend, „Ein Dorfchroniker?“ Sie deutete auf eine leicht abseitsstehende, fluchtbereite Person. Mäuschen selbst hob zaghaft ihre Hand zum Winken. Zögerte ob sie vortreten sollte, als jemand ungeduldig dazwischen bellte.
„STOP!“ Kironimek erntete dafür ziemlich finstere Blicke von sämtlich anwesenden Damen. Er ignorierte sie kaltblütig. „Bevor ihr hier ein gemütliches Kaffeekränzchen veranstaltet und eure Kochrezepte austauscht, darf ich daran erinnern, dass wir uns in einer aufgelösten Kriegsfront befinden. Zwar nicht aktiv, aber da draussen könnten einzelne geflohene Kataner rumschwirren. Wer also beobachtet die Monitore?“ Dabei sah er streng Naru an. Sie streckte ihren Rücken gerade. „Na eines der älteren Kinder. Sind ja genug dabei.“ „Wie wäre es, wenn du deinen hübschen Hintern wieder in die sichere Zone hinein bewegst und darauf achtest, dass die wilde Horde nicht einen der leuchtenden Schalter rausreist? Ich kläre kurz das mit dem Vieh hier.“ Für Sunta hing eindeutig der Hausfrieden zwischen den Beiden etwas schief. Verlegen blickte sie Naros Kleid an. Die legte besänftigend eine Hand auf Kironimeks angespannten Oberarm. „Keine Sorge, die Jungs respektieren dich zu sehr. Vor allem deine Strafen mit den langweiligen Hausaufgaben. Die rühren nichts ungefragt an.“ Dabei merkte sie Suntas bewundernden Blick. Ertappt lächelte die Hirtin breit und gestand. „Schönes Kleid. So elegant geschnitten und es sieht so bequem aus.“ Naro überging Kironimeks Absichten und übernahm selber das Ruder. „Zeigt uns eure Hauptregion und wir werden dort die Kühe abladen. Sobald wir im nächsten Sommer ein paar ausgewachsene Kühe abholen, bring ich gerne einen Ordner mit Schnittmustern mit. Vielleicht könnten wir uns statt auf Bezahlung auf einen praktischen Ausstausch mit Handelswaren einigen? Stoff oder Eisenwaren, da von eurer Industrie ja nicht mehr viel übrig ist.“
Einmal mehr wurde Sunta bewusst wie wenig sie eigentlich für den Aufbau eines Dorfes besassen. Sollte von den Pols Volk niemand mehr da sein, wie kam sie überhaupt an Werkzeug ran? Jetzt wo das gesamte Dorf mit seinem Markttag ja nicht mehr existierte. So weit, dass sie eines Tages mehr als nur einen Hammer besitzen sollte, hatte sie gar nicht gedacht. Auf dem Hof war immer alles Vorrätig gewesen. Nun sah alles anders aus. Vielleicht hatte sie selber Tomaten auf den Augen. Wobei, „Was sind eigentlich Tomaten?“ Erstaunt blinzelte Naru sie an. „Eine rote rundliche Frucht, die du roh essen kannst. Die solltest du unbedingt kennen. Vor allem weil sie so herrlich leicht zum nachzüchten sind. Ich kann dir gerne jetzt schon ein paar getrocknete Samen…“ Sie hielt eine Sekunde inne als eine ziemlich junge Stimme aus dem inneren des Raumschiffes nach ihr schrie. Naru horchte, überdachte eine Sekunde dessen Dringlichkeit und schrie in gleicher Lautstärke zurück, „Ich komme gleich.“ Wandte sich wieder an Sunta. „Es genügt sie einen Fingerbreit unter die Erde einpflanzen. Einmal am Morgen anzufeuchten, schon keimen sie nach wenigen Tagen.“ Diesmal quengelte eine zweite höhere Stimme. „Naruuuu!“ Abgebrüht hob Kironimek kurz eine Schulter und murrte. „Deine adoptierten Biester rufen dich.“ Mahnend hob Naru ihm einen Zeigefinger entgegen. „Du hast auch deine Zustimmung gegeben. Das hier ist wichtig. Eine Pflanze, welche das biologische Gleichgewicht nicht stört ist selten, daher…“ „Naro,“ kreischte ein panischer Kinderchor aus dem Inneren. Gerade als Sunta rätselte wie wohl ihre adoptierten Kinder aussahen, setzte sich ein kaum fünfjähriger auf die Treppenstufen herunter. Ein Junge mit grüner Haut und mit vier länglichen Fühlers, welche sie an ein Schneckengesicht erinnerte. Rasch ratterte er herunter. „Ist es normal, dass die gesamte Monitorumrandung rot aufleuchtet? Wir haben ehrlich keine anderen Knöpfe als die der Sitzverstellung angefasst.“ Bevor er das letzte Wort aussprach, sprang Naro bereits die halbe Treppe hoch. Unschön entfuhr ihr ein gehetztes, „Scheisse! Rein! Anschnallen die gesamte Crew! Kironi?“ In Rekord Tempo flitzte sie tiefer ins Innere des Fliegers. Gelassen blieb der Krieger ungerührt an seiner Stelle draussen stehen. „Ich mache das schon, Schatz.“ Rief er ihr durch die bereits schliessende Lucke nach. Danach warnte er Berino. „Feindlicher Besuch mit ausgefahrenem Waffensystem. Macht euch zum Kämpfen bereit. Oder was ich gerne Empfehle; Versteckt euch!“
Diesmal entfuhr Naru ein, „Mist“. Der ruhig dastehende Krieger wandte sich herum. „Was habt ihr Frauen immer so eine Aussprache?“ Sunta überging sein tadeln. Hastete zum Flugsattel, während sich Mika ein paarmal Warm flatterte. Innerhalb von Sekunden befestigte Sunta den Sattel auf ihren Rücken. Das ging nur, weil Mika ihr das Gurtende hilfreich hochhielt. Ein paar feste, anziehende Handgriffe auf die Mika mit einem gepusteten Luftstoss über den Flohkopf reagierte. Angespannt zog sich Sunta in den Sattel hoch und klammerte sich fest. Allerdings scheiterte der erste Startversuch kläglich wegen der kühlen Morgenfrische. „Blödes, kaltes Klima,“ mauzte Sunta. Ein seitliches, „Moment, dagegen kann ich abhelfen.“ Da strömte eine gelborange Feuerwalze aus nächster Nähe herbei. In letzter Sekunde warf Sunta ihren Oberkörper auf die Seite, Mika als Deckung nutzend. Einzig ihr angewinkeltes, klammerndes Unterbein auf der linken Seite schien in einem heissen Backofen zu stecken. Jeden Moment erwartete sie einen harten Aufprall einer Detonation. Ein lauter Knall oder ähnliches. Stattdesseen bekam sie wegen dem prassenden Feuer, dass sie umgab, fast keine Luft zum atmen. Es knisterte bedrohlich um sie herum. Ein Funkenregen brannte überall dort, wo kein Stoff ihre Haut bedeckte. Schützend hielt sie ihr Gesicht an Mikas kühle Schuppen gepresst, während ihre Hand auf die vergessliche Drachendame einschlug um ihre Not zu verdeutlichen. Sie brauchte mehr Sauerstoff. Ohne weitere Vorwarnung wuchtete sich Mika in die Lüfte. Fast senkrecht katapultierte sich Mika nach oben. Ihre Reiterin blieb in der seitlichen Halterung niedergedrückt. Unfähig sich zu bewegen Erst nach mehreren hundert Meter, in den helleren auflösenden Nebelwolken, legte sich Mika in eine horizontale Linie und spähte herum. Jetzt gelang es Sunta sich zurück in den Sattel zu ziehen. Ihr halbes linkes Bein schmerzte und trotzdem zwang sie ihre Aufmerksamkeit erst den restlichen Sicherheitsriemen zu. Danach spähte sie selber herum, woher wohl die Gefahr herbei rauschte. Völlig unerwartet überraschte sie Kironimeks Anwesenheit. Er tauchte einfach so, knapp ausser Reichweite der rudernden Flügel, auf. Er flog! Sie musste zweimal hinsehen und sich mehrmals gut zureden, dass sie bei vollem klaren Verstand war. Wir konnte ein Mensch, gut er war eben kein gewöhnlicher Mensch, die Schwerkraft einfach so überwinden? Dazu brauchte er nicht einmal mit den Armen herumzufuchteln, sondern schwebte ziemlich lässig, mit verschränkten Armen vor dem Oberkörper, in der Luft. Ohne Feuer oder Raketenanzug. Nicht nur sie, sondern auch Mika blickte verstört zu dem unerklärlichen Phänomen hinüber. Ihr ungewöhnlicher Begleiter schrie, um das Sausen der mächtigen Flügel zu übertönen. „Verstecken nützt nichts. Ihre intelligente Technologie reagiert auf Wärme. Sie kommt von da.“ Letzteres hätte er sich auch sparen können, da ein kleines, blendendes Licht auf sie zuraste, welches die umgebenden Wolken in kleine wirbelnde Strömungen versetzte. Elegant wich der Krieger seitlich aus, während Mika erst ihre kräftigen Schwingen in Schräglage versetzte um es ihm gleichzutun. Wirkungslos schoss ein zugespitzter metallener Zylinder, mit einem sirrenden Ton, an ihnen vorbei. Nicht nur die frische Morgenluft liess Sunta heftig frösteln. Die enorme Schnelligkeit dieses beinahe Kopf grossen Metallkörpers erschreckte die Hirtin. Wer erfand nur diesen hochgefährlichen Mist um ihn dann gegen andere harmlose, intelligente Wesen einzusetzen? Sachte manövrierte Sunta die Drachendame in eine höhere Position um wie ein leichter Köder zu wirken. Ihr Augenmerk galt dem noch grösseren Objekt, das sie in Kürze erreichen würde. Natürlich passte sie ihre Höhe dem des Gegners an. So als bräuchte er sie nur zu rammen, ohne Munition zu verschwenden. In Bruchteilen von Sekunden gewahrte Sunta wie ihr verbündeter Nachbar, halb abgewandt die Rückseite im Auge behielt. Aus den Augenwinkeln verfolgte sie eine rasche Handbewegung die aufblitzende Leuchtkugeln hervorzauberten. Sie realisierte nur das gleissende Licht, dass aus seinen Händenflächen nach hinten schoss, schon explodierte etwas mit einem betäubenden Knall. Eine warme, heisse Druckwelle strömte in einem Bruchteil einer Sekunde an ihnen vorbei. Mika genoss natürlich die heisse Luftdusche. Aber vor allem Suntas Bein meldete sich mit neuen Schmerzen zurück. Ihr blieb kaum Zeit zum Denken. Denn Mika klappte sekundenschnell ihre Flügel zusammen, weil der feindliche Fluggleiter sie einfach vom Himmel wischen wollte. Stattdessen tauchte Mika rasend schnell unter das Raumschiff und streckte dabei automatisch ihre Krallen nach der silbrigen Metallhülle aus. Schmerzhaft der folgende Ruck für Mensch und Tier. Selbst durch den gepolsterten Sattel hindurch spürte Sunta kribbelnde Stromstösse. Ganz schutzlos waren die Kataner also nicht, trotz abwartender Waffenstille. Auf einmal zuckte Mikas Kopf angewidert zurück. Freiwillig löste sie sich von dem abstürzenden Objekt. Aus einem aufgebissenen Leitungsschlauch spritzte eine schwarze Flüssigkeit heraus. Mehrmals spuckte Mika aus, um die wenigen dunklen Tropfen auf ihrer empfindlichen Zunge herauszuschleudern. Eine rückwärtige Explosion liess sie beide herumfahren. Dank Kionimeks Einmischung hatte das untere Waffensystem zusätzlich ein riesiges Lüftungssystem erhalten. Anders als die lebende Masse, wandte sich der angeschlagene Gleiter mühelos herum. Kleinere Geschosse, nicht minder gefährlich als die im ausgehöhlten Keller, zielten nun von der oberen Seite auf die verhassten Objekte zu. Geradezu spielerisch wehrte Kironimek die Projektile mit seinem Laserfeuer ab. Angesteckt feuerte nun Mika einen ihrer gefürchteten Feuerbälle auf den geblendeten Raumgleiter zu. Klugerweise erwischte sie die verwundbare Unterseite, die nun ihn Flammen aufging und einen schwarzen, beissenden Qualm verursachte. Auf einmal brach der Angriff auf sie ab. In der selben Sekunde explodierte nicht nur etwas in der Unterseite, was dem angeschlagenen Gleiter in mehrere Stücke riss, auch Kironimeks blendende Attacke verdampfte förmlich was von der Explosion noch übrigblieb. Es folgte eine merkwürdige Stille in der ein paar weitgeschleuderte Einzelteile von der stabileren Verstärkung des Fliegers, fernab zu Boden segelten.
Mikas geiferndes Schmatzen, welches den scheusslichen Restgeschmack der öligen Flüssigkeit loswerden wollte, brachte Suntas in die Gegenwart zurück. Diesmal lief der Kampf so wahnsinnig schnell vorbei. Ein paar wenige Atemzüge und das Kateranerschiff sank bis zur Unkenntlichkeit zerstückelt, auf dem Erdgrund hinunter. Staunend sah Sunta zu dem lässigen Krieger hinüber. Für ihn schien das wie langweilige Routine. Den kurzen, anerkennenden Blick den er ihr zuwarf übersah sie beinahe.
„Nicht übel, für ein Nomadenvolk.“
Sunta schnaubte. „Ich hüte normalerweise Ziegen in den Bergen. Mika kenne ich erste seit wenigen Wochen. Aber wir verstehen uns irgendwie“. Das brachte ihr einen zweiten staunenden Blick ein. Lachend rief Sunta ihrem zahmen Schosshündchen zu. „Fluss, Wasser“. Die Schlüsselwörter reichten aus um Mika praktisch in einen rasanten Sturzflug zu versetzten. Während die Umgebung vor Suntas tränenden Augen quasi vorbeischwamm, suchte Mika bereits nach dem erlösenden Nass. Es war zwar nur ein spärliches Rinnsal, welches da durch die feuchten Steinsplitter rieselte, aber Mika hatte es schon gewittert. Elegant landete sie zwischen den Felsentrümmern. Exakt auf dem Hügel den Kironimek übermütiger Weise, wenige Minuten zuvor, zerstörte. Im kleinen erloschenen Vulkan hatte sich ein unterirdisches Wasserreservoir gebildet. Mikas scharfe Krallen schaufelten eine kleine Mulde frei, worin sich das erdige Wasser bald sammelte. Trotz dem lehmigen Geschmack schlürfte sie gierig als sei es langersehnter Nektar. Ein paar Male rieb sie ihre ölige Schnauze an dem feuchten, schmutzigen Gestein ab, bis endlich das restliche Maschinenöl verschwand. Gemütlich hüpfte dann die Drachendame in die Luft hoch um praktisch schwerelos den letzten Kilometer zum Lager gemütlich zu segeln. Bereits warteten die anderen auf ihr Erscheinen. Wobei Kironimek eher bemüht war, eine aufgeregte Kinderschar daran zu hindern, aus dem Raumschiff zu stürmen. Den mutigen Entschlossenen genügte es anscheinen nicht, einfach nur auf den inneren Monitoren die neue Lebensart zu betrachten. Sie wollten viel lieber den echten Drachen mit blossen Händen anfassen. Ein bisschen verstört horchte Mika zu dem aufgeregten Geschrei hinüber. Aufmerksam half Berino Sunta beim Absteigen. Gerne nahm sie seine helfende Hand. Verschränkte ihre Finger mit den seinen. Mit Sorge betrachtete er den verkohlten Stoff ihres Hosenbeins. Es tat gerade noch erträglich weh. Doch bevor sie ihn beruhigen konnte, trug er sie schon hinüber zu ihrem alten Lager. Rasch schlaufte Skella eine Decke von ihrem Windgleiter ab. Wollte sie gerade auf dem Boden ausbreiten, da rief Sunta. „Es geht schon. Ich glaube nur der Stoff hat gelitten.“ Nachdem Berino sie aber absetzte und in Windeseile den geschwärzten Stoff behutsam wegzog, entdeckte man die arg gerötete Haut. Auf einmal war Naru da. Während Berino vor Sorge selber mit den zusammen gepressten Zähnen knirschte, sprach Naru beruhigend. „Keine Sorge. Wir haben entsprechende kühlende Creme bei uns.“ Schon schmierte sie behutsam eine dünne Schicht über Suntas Unterschenkel. Überall dahin wo Berino gerade den verkohlten Stoff abschälte. Tatsächlich liess mit jeder geschmierten Stelle der brennende Schmerz nach. Naru lächelte bereits aufmunternd. „Da bleibt nicht einmal eine Narbe zurück. Aber die Haut wird noch ein paar Monate ziemlich empfindlich sein. Kironimek, Schatz, wärst du so lieb und könntest du ein bisschen was von deiner heilenden Kraft was abgeben? Schliesslich bist du nicht ganz unschuldig an dieser Verletzung.“ Sie sagte es ohne den geringsten Vorwurf. Ein wenig Fragend sah Sunta sie an. Rasch flüsterte Naro ganz leise. „Er hat ja so einen Stolz.“ Lauter danach. „Keine Sorge, das kribbelt nur ein bisschen“ Zweifelnd blickte nun Sunta zu dem besagten Krieger. Sie hoffte, dass sein Stolz sie vor Lügen schützte. Und sie behielt recht, als er erst Mika mit erhobenen Zeigefinger warnte ja brav zu sein, um darauf zu ihr hinüber zu marschieren. „Nicht immer. Die Empfindlichkeit eines Patienten spielt dabei eine grosse Rolle.“ Hinter ihm stürmte eine laute Kinderschar aus ihrem stählernen Gefängnis. Für einen Moment vergass Sunta ihre eigenen Sorgen. Das nutzte Kironimek klugerweise aus, als er seine kräftigen Hände über den luftigen Gase Verband des verletzten Beines legte. Sofort kehrten die rasenden Schmerzen wieder zurück. Verstärkten sich bis zur Grenze des Unerträglichen. Während Sunta gequält ein Auge zudrückte, beobachtete sie mit dem anderen wie da eine riesige Kindertraube eine erstarrte Mika umringten. Unzählige bewundernde, streichelnde Kinderhände tätschelten über die schuppige Haut. Eine Zeitlang liess sich das die überrumpelte Drachendame auch gefallen. Wohl bis eines der neugierigen Kinder ihr versuchte eine der kleineren Schuppen als Souvenir auszuzupfen. Mit einem warnenden Fauchen erhob sich Mika auf die Hinterbeine. Eigentlich wollte Sunta die wagemutigen Kinder wegschicken, aber sie presste lieber ihre Zähne zusammen um nicht schreien zu müssen. Erleichtert beobachtete sie wie Berino die lebhafte Band zu mehr Abstand drängte. Diejenigen welche sich für klüger hielten und hinter seinem Rücken zurück zu dem beunruhigten Drachen drängten, schob Mika selber sachte mit ihrem langen Schwanz zur Seite. Als endlich alle respektvoll den gebührenden Abstand einhielten, spreizte sie ihre schwarzen Schwingen. Der kräftige Luftstoss fegte die vorderste Front weiter nach hinten. Zufrieden schüttelte sich Mika. Blitzte mit ihren klugen Augen die Kinder an. Ein kurzes Grollen und sie sprang förmlich über die Bande hinweg, um ein paar Meter weit zu fliegen. Als die staunenden Bewunderer, vor allem die unerschrockenen Jungs erneut auf sie zustürmte, vollbrachte sie einen weiteren Satz und landete hundert Meter seitwärts. Für einen Moment vergass Sunta ihre brennenden Schmerzen. Stammelte baff. „Sie spielt. Sie spielt mit ihnen. Das ist noch nie vorgekommen. Autsch.“ Ein wenig böse sah sie Kironimek an. Ohne eine Miene zu verziehen erwiderte er, voll konzentriert, ihren Blick. „Schon vorbei. Der Rest erledigt die Zeit von selbst. Freunde aus dem äusseren Kreis erlösen wir nur von schlimmsten.“ Naru selber legte ihm dankend eine Hand auf die Schultern. Erklärte dann Sunta. „Es ist überhaupt ein Privileg von einem wie ihm geheilt zu werden. Im Normalfall steht das nur dem inneren Familienkreis zu. Und selbst da sind sie sehr sparsam damit. Hat was mit ihrem strengen Glauben zu tun, dass nur die Härtesten und Zähesten von ihnen überleben sollen. Aber wir wollen ja die stinkende Fracht so rasch wie möglich loswerden.“ Während sie wohlwollend ihren Freund betrachtete, dessen strenger Blick genügte um die ausgetobten Kinder wieder in ihren Flieger zu dirigieren, fragte Sunta nachdenklich. „Ich hoffe ihr meint damit nur die Kühe?“ Den schrägen Blick den Naru ihr plötzlich zuwarf, liess kurz ihren Herzschlag stocken. Dann lachte Naru los. „Natürlich. Die Weisenkinder haben wir quasi adoptiert damit sich Kironimek während der Friedenszeit nicht langweilt. Nichts ist schlimmer als untätig nach einem schlimmen Krieg rumzusitzen. Er braucht eine ablenkende Aufgabe. Und als Handwerker taugt er nichts. Also ist es klüger ihn als Lehrer im Sportbereich anzustellen.“ Verstehend nickte Sunta. Neben den Renovierungsarbeiten würde es ihr auch gutun alte Gewohnheiten, wie das Hüten der Hoftiere, wieder zu übernehmen. Etwas was man kannte, gerne tat und gleichzeitig eine beruhigende Normalität schenkte. Was auch immer sie in ihrem fruchtbaren Tal vorfand, war ein neuer Anfang wert. Naro klopfte ihr auf die Schultern. „Komm mal kurz rein und zeige mir wo wir unser Vieh ausladen können. Wir haben da eine elektronische Karte. Ich hoffe du fürchtest dich nicht vor modernem Kram.“ Sunta schüttelte den Kopf. Als sie aufstand, begleitete sie ein leichtes Pochen von ihrem verbundenen Bein aus. Kurz bevor sie die Stufen ins Innere des Schiffes hochkletterte, bemerkte sie eine weitere starke Präsenz ihn ihrem Rücken. Berino begleitete sie hoch. Wobei er zu Naru bemerkte. „Ich kenne mich mehr mit Elektronik aus. Mein Stamm holt fast jährlich einen dieser feindlichen Spiongleiter von Himmel herunter.“ Im künstlichen Licht der Innenbeleuchtung spähte Kironimek zweifelnd kurz herüber. Den wachsamen Augen Berinos entging nichts. „Wir haben die ihr erbeutetes Waffensystem rasch durchschaut. Einzig der Umbau der modernen Technologie hat uns fast ein Jahrzehnt gekostet. Danach war es ein Kinderspiel den Spiess umzudrehen. Das ist eine Karte.“ Dabei zeigte er selbstbewusst auf einen Monitor mit seltsamen Linien und unförmigen Kreise. Es dauerte schon etwas länger bis Sunta die Bergformationen verstand heraus zu lesen. Die unnatürlich gefärbten Wärmefelder irritierten sie ein wenig. Doch die Flusskrümmung in ihrem Tal war einzigartig. Sogar das gestrandete Katanerschiff hatten die sensiblen Sensoren, bei einem früheren Überflug, registriert. Zielsicher deutete Sunta auf die ungenutzten, verlassenen Dorfweiden. „Dort müsste das Gras bereits Kniehoch sein. Gutes Futter um sich eine Fettreserve vor dem Winter anzufressen. Wenn ihr da, keine niedergebrannten Weiden findet, könnt ihr die Kühe da ausladen. Ansonsten kann ich unseren Planeten nicht weiter empfehlen.“ Zufrieden nickte Kironimek. Auf einmal hellten sich seine Gesichtszüge auf. „Ein halb aufgerissenes Katanerschiff mit deutlichen Kratzspuren“, erinnerte er sich. Während sich Berinos Gesicht verfinsterte, lächelte Sunta. „Genau.“ „Das Haustier gefällt mir immer besser.“ Bei seinem eindrücklichen Blick fröstelte Sunta obwohl es angenehm Warm im Inneren war. Erst Recht als der Krieger lächelte. „ich würde gerne ein paar Exemplare davon auf meinem alten Heimatplaneten aussetzen.“ Entsetzt drängte sich Naru vor. „Was! Denk an die Kinder. Das wäre eindeutig zu gefährlich.“ Er nickte zustimmend. „Du hast Recht, Frau. Die wilden Biester würden den armen Drachen den letzten Nerv rauben. Wir müssten Schutzgebiete einrichten. Oder eventuell auf Sidiriv, dem grünen Planeten. Ein bisschen weit weg, aber absolut sicher um nicht als Spielzeug abzukratzen.“ „Kironi“, warnte Naro scharf. Es löste ein sachtes Zucken um seine Mundwinkel aus. „Ach Schatz“, beschwichtigte er. „Fürs Kampftraining wäre so ein Drachen eine herrliche Übungssache. Jetzt will ich erst Recht unbedingt einen!“ Energisch mischte sich Sunta ein. „Mika ist aber nicht zu haben. Und ob es noch andere gibt, ist fraglich. Ich muss erst in den Bergen nachsehen, ob es andere Überlebende gibt. Soviel ich weiss, gab es nur noch wenige Exemplare.“ „Ach, mit künstlicher Befruchtung ist das Überleben, nach einer einzigen Eizelle, gesichert. Es gibt genug Gesetzeslücken um mit anschließendem Klonen einer beinahe ausgestorbenen Spezies wieder auf die Sprünge zu helfen.“ Lauter rief Naru ihn zur Ordnung. „Kironi! Du weisst schon, dass gewisse Technologien besser geheim bleiben sollte.“ Sie warf einen vielsagenden Blick zu ihren Gästen, ehe sie fortfuhr. „Wir wissen nicht genau, wie weit ihre Wissenschaft geforscht haben. Zurzeit dürfte eh vieles wieder um einige Stufen herabgesetzt sein. Also hübsch Neutral bleiben und nicht Zuviel einmischen.“ „Ich will trotzdem so einen Drachen,“ beharrte er stur. „Mir egal ob er das Gleichgewicht im biologischen Umfeld stört. Das hat sich meinem Willen unterzuordnen. Schliesslich gehört Atego zur Hälfe mir. Und meine Mitregentin hat garantiert nichts gegen ein wehrhaftes Haustier einzuwenden. Ganz im Gegenteil.“
Auf die irritierten Blicke hin, erklärte Naru. „Atego ist sein Heimatplanet wo seine königlichen Vorfahren regierten. Momentan herrscht eine weit entfernte Verwandte als Königin. Also sie teilen sich sozusagen Gemeinsam das riesige Reich. Kironimek ist mehr für Verteidigung ausserhalb zuständig und entsprechend viel auf Reisen.“ Nachdenklich huschte Suntas Blick huschte zwischen den beiden Erwachsenen hin und her. Naru nickte, „Ja, wir sind offiziell zusammen. Er ist mein Lebensgefährte, aber die alte Blutlinie muss laut Ategischem Gesetz bestehen bleiben. Da ist es nötig, dass ich ihn wohl oder übel gelegentlich teilen muss. Sorry, wenn das jetzt deine heile Weltanschauung etwas zerstört.“ „Nein,“ beschwichtigte Sunta sofort. „Es ist okay. Ungewöhnlich und ich wünsche dir viel Kraft dabei das durchzustehen.“ „Danke. Manchmal ist es echt nicht…“ „Stopp“, bellte Kironimek energisch dazwischen. „Für Kaffeekränzchen haben wir keine Zeit. Also wenn die Sache steht, fliegen wir los. Es ist ziemlich einfacher hundert Kinder rauszulassen als fünfhundert junge Kühe auszuladen. Ein paar Jungstiere sind auch dabei. Übrigens wir haben den Funkspruch mit der Hoteleinladung auch empfangen. Da wir eure Frequenz zuordnen können, bleiben wir also in Kontakt. Sagt uns einfach was ihr braucht und wir liefern im nächsten Sommer. Sind wir im Geschäft?“ Etwas überfahren von der schnellen Verhandlungstaktik nickte Sunta. Kironimeks ausgestreckte Hand galt aber nicht ihr, sondern Berino. Reflexartig ergriff dieser die kräftige Hand. Zuckte ab dem festen Händedruck zusammen. Kironimek bemerkte den tadelnden Blick seiner geliebten Frau. Wie selbstverständlich hielt er darauf auch Sunta seine Hand entgegen. Zögerlich nahm sie sein freundliches Angebot an. Stellte aber fest das ihre kostbaren Finger nicht gequetscht wurden. Über ihre sichtliche Erleichterung schmunzelte Kironimek. „Ich bin kein Barbar. Dafür hat meine Frau schon gesorgt.“ Diese belohnte ihn, mit einer zärtlichen Berührung an seinem kräftigen Oberarm. Sagte zum Abschied. „Wir danken für den freundlichen Empfang. Ich freue mich schon auf das nächste Mal. Und selbst wenn da keine Wiesen mehr sein sollten, planten wir trotzdem nächstes Jahr einen Besuch ein. Wir bringen jede Menge frisches Obst und Gemüsepflanzen mit, um das Überleben zu erleichtern.“ Skeptisch sah ihr strenger Freund sie an. „Wie war das mit der neutralen Haltung und sich nicht in den natürlichen Fortschritt einmiiiiischen?“ Spielerisch rieb er sich die Seite wo ihn ihr Ellbogen kalt erwischt hatte. Flüsterte leise. „Warte nur bis wir alleine sind. Ganz alleine.“ Eine verheissungsvolle Drohung die sie alles andere als Einschüchterten. Hastig bedankte sich Sunta. Ein kurzes Nicken von Berino und er folgte ihr rasch aus dem Gleiter hinaus. Die langsame Steigerung des Kuhdungs aus dem unteren Kellergeschoss, marterte seine empfindlichen Geruchssinne. In flotten Schritten traten sie aus dem Radiusfeld des aufsummenden Antriebs. Aus der schliessenden Luke vernahmen sie das letzte weibliche Geschrei. „Raus aus dem Chefsessel, das ist immer noch mein Platz! Und hört auf mit Popkorn nach mir zu werfen.“
Leise lachte Sunta. Ein schmunzelnder Berino begleitete sie zu ihrem kleinen, wartenden Grüppchen. Er gab den Startschuss. „Wenn alle bereit sind, brechen wir auf.“ In gebührenden Abstand stupste Mika gerade ein paar schwere Gesteinsbrocken herum. Darunter hatten ein paar Wiesenmäuse ihre Nesthöhle gegraben. Ein kurzer, heisser Feuerball blendete die aufgeschreckten Mäuse. Schon sog Mika ihr knuspriges Frühstück in den Mund. Angewidert wandte sich Skella ab. „Wäh, bin ich froh einen vegetarischen Reisebegleiter zu haben“ Sattelte rasch ihre langbeinige Gazelle. Wartete bis sich der riesige Gleiter endlich in die Luft erhob um danach die Beinfesseln zu lösen. Als sie sich elegant in den Sattel hochschwang rief sie Sunta zu. „Ich begleite Smesy. Diesmal gestalten wir das reisen etwas gemütlicher. Wir treffen uns also wie üblich spät am Abend. Ohne sich umzudrehen trabte das erholte Paar dem anderen zappeligen Windgleiter hinterher. Mäuschen besass eben ein weniger gutes Händchen für Tiere. Ohne Worte stellte sich Berino einfach neben Sunta. Einen Arm wie selbstverständlich auf ihren Schultern abgelegt. Sie umarmte in vertrauensvoll um die Hüften. Eine weitere halbe Stunde liessen sie Mika Zeit ihr Frühstück aufzustöbern. Manchmal huschte auch so eine flinke Maus unter ihrem Bauch davon. Im grossen Ganzen lobten sie aber Mikas Talent sich selbst zu sorgen. Selbst Sunta fiel auf, wie sehr sich diese freie Mika von dem eingesperrten Drachen unterschied, als sie sich kennen gelernt hatten. Neugierig, entspannt und mit frischer Lebensfreude wirkte sie wie ausgewechselt. Diese Mika wollte niemand mehr in den Kochtopf stecken. Heimlich bekümmerte Sunta der Gedanke, was wenn ihr früheren Besitzer sie zurück wollten? Sie zurück forderten? Das durfte nicht geschehen. Sie hoffte von ganzem Herzen das Pol noch lebte und mit sich Handeln liess.
Das ruhige Tempo schweisste die ganze Gruppe fester zusammen. Am Mittagessen, welches aus zwei Störchen bestand, die unglücklicherweise verspätet in den wärmeren Süden zogen, dabei aber unerwartet vom Pech verfolgt in Mikas Jagtgebiet gerieten, nahmen alle gemeinsam teil. Berino warnte vor einer seltenen Vogelkrankheit, daher kochte Sunta den einen Vogel über eine Stunde lang, bis sich das Fleisch butterzart von den Knochen löste. Genug Zeit, damit die anderen Frauen sie einholen. Über die beinahe flache Ebenen war dies eine Kleinigkeit. Der nächste Abend verlief ohne Vorkommnisse. Man genoss einfach dankbar die friedliche Ruhe, die erholsame Pause. Am darauf folgenden Morgen zogen die Reiter der Sandgleiter lange vor dem Sonnenaufgang los. Die zunehmenden Hügel bildeten ein ziemliches unübersichtliches Hindernis für die Bodentruppe. Dank Mikas überschaubarem Flug, liess Sunta den feuerspuckenden Drachen ein paar praktische Abkürzungen markieren. Da und dort wiesen ein paar verkohlte Büsche auf die einfachen Passagen hin. Erleichtert entdeckte die Hirtin, auf den ehemaligen Weideflächen ihres Dorfes, die riesige Herde der langhaarigen, robusten Rinder. Wohlbemerkt eine wachsame Herde. Die bei Mikas Flügelschlag mit einem lauten Brüllen reagiere. Umsichtig bat Berino die Drachendame etwas höher zu fliegen, damit die kurzsichtigen Augen der empfindsamen Tiere sie nicht als ernsthafte Bedrohung wahrnahm.
Als Mika später die angekohlten Ruinen von Suntas ehemaligen Heim überflog, drängte ihr Floh sie einfach weiter zu fliegen. Traurig deutete Sunta nach unten und informierte kurz das dies eigentlich ihre Zukunft sein sollte. Berinos Blick schweifte über die Felder bis zum Fluss. „Fruchtbares Land,“ verriet der Kennerblick. „Wollen wir es uns nicht ansehen?“ Sunta schüttelte den Kopf. Die kurzen Sonnenpassagen waren selten. Mika flog gerade perfekt in einem kräfteschonenden Rhythmus, den sie nicht unterbrechen wollte. Ihr Arm deutete an Berino vorbei zu den ansteigenden Alpen. „Das Land läuft uns nicht weg. Wichtiger sind die Leute. Ich möchte erst wissen wie es denen geht. Bestimmt schaffen wir es am Abend noch zurück. Auf jeden Fall, wenn das Wetter so bleibt.“ Da stimmte ihr Berino zu. Legte zuversichtlich seine Hand über die von Suntas, die auf seinem breiten Brustkorb lag. Seine ausströmende Wärme schien sie zu beruhigen. Vor allem nachdem sie die traurigen Überreste ihres Elternhauses überflogen. Es steckte jede Menge Arbeit drin. Jedoch sobald er die guten Felder bemerkte, wirkte Berino zuversichtlich. Alles nur halb so schlimm. Auf seine tröstliche Geste hin, umarmte sie ihn kräftiger. Der Schmerz angesichts der Zerstörung, liess von ihrem Herzen ab. Und löste seine eigene Verkrampfung die sich bei dem ungewohnten Flug angesammelt hatte. Sinnvoll gebraucht zu werden, danach sehnte er sich schon lange in seinem Leben. Hier wurde er dringend benötigt. Mit einer schönen, tatenwilligen Frau wie Sunta an seiner Seite, war für ihn alles vollkommen. Frei, so frei wie nie zuvor im Leben fühlte es sich endlich wieder so an, als sei er zurück auf dem richtigen Lebensweg angekommen.
Die Nähe der alten Höhle zog Mika magisch an. Sie beschleunigte ihr Tempo über den leicht schneebedeckten Pass der sie mit eisiger Temperatur willkommen hiess. Für Sunta kam dieser kühler Empfang einer schlechten Vorahnung gleich. Mühevoll kämpfte Mika gegen das lähmende Klima an, welches ihr aufgeheiztes Blut innert wenigen Minuten abkühlte. Jede ihrer sonst so geschmeidigen Flügelschläge verwandelte sich in eine zähflüssige Anstrengung. Nur dank der bisherigen gemütlichen Reisen, besass sie die genügenden Kraftreserven um bis zu ihrem bekannten Domizil durchzufliegen, welches nach wie vor eine Anziehungskraft ausströmte. Sie spürte das dort noch Leben auf sie wartete, selbst wenn die deutlichen Krater von gewaltigen Explosionen etwas Anderes aussagte. Dort wo ihre verschlossene Dachluke sein sollte, klaffte ein verbreitertes, geschwärztes Loch in die Tiefe. Gewaltsam hatte man das getarnte Versteck, aufgerissen, entblößt. Vorsichtshalber landete Mika erst auf einem stabileren Grund um erst in ihren einstigen Stall hinunter zu äugen. Ihr angeborener Instinkt meldete Vorsicht, nachdem sie die den bitteren Gestank des verbrannten Schwarzpulvers roch. Lobend tätschelte Berino ihren Hals. Nach ein paar weiteren tiefen Atemzügen zeigte sie deutlich Entwarnung. Dort unten lauerte keine Gefahr von lebenden Wesen. Äusserst bedächtig landete Mika nach einem weichen Hüpfer in dem tiefergelegenen Krater, wo einst ihr Zuhause war. Gesplitterte Schifferplatten standen jetzt abschreckend über den Boden verteilt. Teilweise sogar ragen sie wie gefährliche, scharfe Splitter aus den Wänden. Alles andere als eine behagliche Wohnhöhle. Dort wo der Ausgang zur Halle sein sollte, lag tonnenweise abgerutschtes Berggeröll. Niemand hatte versucht den Durchgang frei zu schaufeln. Dennoch brülle Mika sehnsüchtig in ihre alte Wohnstätte hinein, dass die einzelnen Splitter an den Wänden vibrierten und sogar aus ihrer Fassung rutschten. Unschlüssig sah sich Sunta um. „Sollten wir den Gang nah innen freilegen? Lohn sich das?“ Verneinend schüttelte Berino den Kopf. „Da kommen wir nicht weit. Und wenn, dann auf keinen Fall heute. In ein paar Stunden geht die Sonne runter. Bevor das passiert, sollten wir ja unser Nachtlager unten im Tal errichten. Über den Bergpass schaffen es unsere Zwei auf jeden Fall nicht ansatzweise.“ Sunta nickte freudlos. Es war so schwer sich damit abzufinden, bei ihrem erreichten Ziel, mit unverrichteter Dinge wieder abzureisen. So Nahe und nichts unternehmen zu können. Sie deutete auf den Berg hoch. „Weiter oben gab noch eine Luke die zu einem unterirdischen See führte. Aber ich habe keine Ahnung wo sie zu finden ist. Wenn wir Morgen…“ Ein merkwürdiges Poltern liess sie innehalten. Neugierig spähte Mika in den hinteren Teil der Höhle. Auch Berinos empfindliches Gehör vernahm ein deutliches Schaben. Er verriet, „Da kommt etwas in einem schnellen Tempo.“ „Oh,“ dämmerte es Sunta. „Das ist der Futterschacht. Da passen Menschen sowie ein Kataner durch.“ Zuerst rieselten ein paar kleinere Steine herunter, dann tauchte ein blauer Lederstiefel auf. Erleichtert stellte Sunta fest. „Ein Mensch.“ Eine schlanke Person seilte sich da ein paar Meter hinunter. Jedoch nur so weit bis sie in die hintersten Ecken der Höhle blicken konnte. Irgendwie kam Sunta das Gesicht bekannt vor. Es einem Namen zuzuordnen gelang ihr aber nicht. Bleich und erschrocken starrte diese eindeutig männliche Person zu Mika hinüber. War ja klar, dass man den riesigen Drachen zuerst in Augenschein nahm. Doch dann zur Überraschung aller, schrie jemand ziemlich kräftig. „Sunta? Seit ihr beide zurück?“ Ein Zaghaftes „Ja,“ rutschte ihr heraus, ehe sie verstärkt mit mehr Begeisterung schrie. „Ja“ Geschickt seilte er sich in Sekundenschnelle ab. Was sie staunen lies, wie furchtlos er ohne eine Waffe auf sie zu marschiert. So als ob sich überhaupt kein Drache hinter ihr befände. Doch der leichte Gang, die sachte geneigten Schultern und vor allem der schüchterne Blick, mit den schönen blaugrauen Augen, liess in ihrem Gedächtnis aufblitzen wer vor sie trat. Derjenige der ihr früher den Vertrag in der Küche zum Unterschreiben gab. Dennoch geriet Sunta unangenehm in Verlegenheit als sie beim Händeschütteln, leise betreten, flüsterte. „Dürfte ich nochmals deinen Namen hören. Ich fürchte es ist so viel passiert, dass er irgendwie verloren ging. Obwohl ich dir so dankbar bin.“ Sichtlich enttäuscht verlor sein strahlendes Gesicht etwas von seiner Freude. „Ka“ „Ka, darf ich vorstellen, Berino. Es sind übrigens noch ein paar Leute unterwegs die später zu uns kommen. Wie sieht es bei euch oben aus?“
Schmerzlich verzog sich sein Gesicht. So viel bittere Traurigkeit lag darin. „Eine Katastrophe. Durch die Explosionen ist das gesamte obere Viertel der Oberschicht eingestürzt. Die hatten ja die grössten Wohnungen. Bis auf ein zwei Älteste ist die gesamte Führung ausradiert. Es herrscht ein schlimmes Durcheinander, weil alle permanent Angst haben. Wir haben längst aufgegeben, mit einem kleinen Tunnel uns dort reinzugraben. Das kleinere engmaschige Seidenviertel blieb uns unbeschädigt erhalten. Aber leider hat der Wassereinbruch vom See die Hälfte der Wohnungen darunter im Arbeiterviertel geflutet. Es war ja Nacht als der Angriff kam. Die meisten Leute haben geschlafen und sind innerhalb wenigen Minuten ertrunken. Es gibt kaum noch ein Durchkommen in den Gängen. Glaube mir, mehr als hundert Leute sind wir kaum noch auf unserer Seite. Um alle exakt zu zählen bleibt keine Zeit. Das retten von den Eingeschlossenen hat Vorrang. Aber sollte der eine oder andere noch viel Glück haben, könnten es mehr werden. Mit Klopfzeichen halten wir Kontakt zu denen, die Abgeschnitten sind. Wir schätzen das vermutlich ein Viertel überlebt hat, aber keinen Zugang zu uns findet. Beim letzten Kontakt haben sie uns verraten, dass es einen kleinen, alten Gang gibt, der auf der anderen Seite des Berges rauskommt. Ein kleines Trostpflaster.“ Zum ersten Mal erhellte sich sein gesamtes Gesicht. Diese letzte gute Neuigkeit klärte Suntas trübe Gedanken. Jetzt war ihr Zeitpunkt die persönliche Frage zu stellen, welche ihr schon lange auf der Zunge brannte. „Lebt Pol noch?“ „Pol“, nachdenklich fuhr eine von Kas Händen durch sein gekürztes Haar. „Nein, den habe ich seit seinem Ausflug nicht mehr gesehen. Der ist nicht mehr zurückgekommen. Nicht einmal sein Drache.“ Berino betrachtete die instabile Höhle und wunderte sich. „Wollt ihr denn alle weiterhin hierbleiben?“ Seine tiefergehende Sorge verdüsterte seine Gesichtszüge. Ka schien erst jetzt darüber nachzudenken. Unsicher gestand er, „Also ich weiss ja nicht wie die anderen sich entscheiden. Bisher kamen wir nicht dazu solche Diskussionen zu führen. Darüber müsste die Führung bestimmen und bisher gibt keine klaren Richtlinien.“ Verstehend nickte Berino. „So grosse Entscheidungen fällt man ungerne über eine Nacht. Aber in euren Fall scheint es mir dringend nötig. Alleine das wenige, was ich hier sehen, beunruhigt mich sehr. Und glaubt mir, ich verstehe auch was von Höhlensystemen.“ Ka bedachte ihn mit einem weiteren langen Blick, eher er sich einen Ruck gab. „Kommt ihr mit hoch? Eine weitere Meinung eines Experten ist immer willkommen.“ Bevor Sunta sich dazu äusserte, schnürte er bereits eine breite Gurte um ihre Taille. Einmal eingeschlauft im Rücken und zwischen ihren Beinen durch. Das erinnerte sie an eine Babyschaukel. „Im ernst?“, meinte sie skeptisch. So wog ein paar Kilo mehr als früher und die feuchten geflochtenen Seile wirkten alles andere als vertrauensvoll. Ka lächelte mit einem gewissen Stolz. „Das hält. Das ist von unserer besten Seide und keine Pflanzenfasern.“ Er zupfte an einem der dünnen Stränge. Schon zog man Sunta ruckartig nach oben. Jetzt interessierte sich Berino erst richtig wie es oben in dem ausgebauten Höhlensystem aussah.
Die extremen Sparmaßnahmen zwangen die ganze Gruppe nur eine Feuerfackel zu verwenden. Die obligatorische Beleuchtung an den Kreuzungen hatte man längst aufgegeben. Was umso Vorteilhafter für die eingeschränkte Belüftung war. Überall klafften kleinere Risse bis zu fingerbreite Spalten in den Gängen. Besorgniserregender war da das durchsickern von dem tropfenden Wasser, welches die Risse stetig ausspülte und vergrösserte. Es sammelte sich in der ausgetretenen Mitte der Durchgänge, bis es eine weitere Ritze fand und dort hinein schlüpfte. Egal wohin Sunta ihre Schuhe absetzte, ihre Fußsohlen waren völlig durchnässt. Jeder Schritt quietschte und knatschte durch das vollgesogene Leder. Ungläubig schüttelte Berino den Kopf. „Ich rate euch aus Erfahrung, dass ihr in den nächsten zwei Tagen alles evakuiert. Das Gebäude ist so löchrig wie ein gereifter Käse aus Kuhmilch. Ohne das Wasser könnte man es ja noch verantworten, hier den Winter zu verbringen. Als Schutzzone gegen die eisigen Temperaturen. Aber mit dem Wasser, wird spätestens beim ersten Tauwetter alles in kleine Stücke gesprengt. Dann unvorbereitet in den kargen Frühling hinaus zu flüchten, bringt den Rest von euch um. Ihr braucht dringend ein stabiles Lager vor dem einbrechenden Winter. Doch hier sehe ich absolut keine Überlebenschance.“ Dicht hielt sich Ka bei ihm um ja kein Wort zu verpassen. Bis er schliesslich fragte. „Seid ihr ein Ältester?“ Guten Gewissens bestätigte ihm das Berino. Ka wirkte auf einmal sichtlich entspannter. „Das ist gut. Ich werde bei der nächsten Versammlung heute Abend, das Problem ansprechen. Wenn ich ein paar wenige von der Mittelschicht überzeugen kann, ziehen die restlichen problemlos mit.“
Zügig marschierten sie durch die arg gebeutelten Gänge. Es gab keinen der restlos geräumt war. Manchmal war es nötig über die Anhäufungen von Steinen zu klettern. Für Sunta der reinste Horror, hier jetzt noch tiefer in den Berg zu wandern. Ein drückendes, warnendes Gefühl warnte sie permanent. Mit jeder Faser wollte sie nur den Gang zurück rennen, dahin wo der Ausgang lag. Die helfenden Schriftzeichen an den Wänden hatte man mit Kohle provisorisch überschrieben. Als sie plötzlich einen stickigen Raum betraten, wich sie erschrocken zur Seite. Hier lagen viele Verletzte, auf dem harten Fußboden. Nur für wenige gab es ein paar Teppiche zur Linderung. Es roch schlimm nach ranzigem Schweiss, getrocknetem Blut und sogar nach Fäkalien. Die letzten Bänke oder Holztische hatte man längst als Feuerholz verwendet um warme Suppen aufzukochen. Alles was man sonst noch als Brennmaterial verwenden konnte, stapelte sich ganz hinten an den Wänden. Von einer kleinen Feuerstelle, kam der süssliche Duft von Tee herüber. Ein dünner Geruch der fast im restlichen Gestank unterging. Dort gab es noch einen leicht gebückten Älteste, dicht umringt von einer Gruppe ratsuchender Leute. Wobei sich seine seidene, graufleckige Kleidung kaum mehr von den mehrfach strapazierten Baumwollstoffen der anderen unterschied. Einzig die gelassene, aufmerksame Art, mit der er jedem Gehör schenkte und ein paar hilfreiche Worte mitgab, zeichnete ihn als erprobte Führungskraft aus. Gleich nachdem die neuen Besucher über die Schwelle traten, zuckte er wie elektrisiert hoch. Sein Rücken straffte sich automatisch und die Falten aus seinem Gesicht schmolzen förmlich weg. Sanft schob er die besorgten Leute auf die Seite. Mit einem breiten Lächeln steuerte er klar, wie eine geeichte Kompassnadel, auf Sunta zu. Berino entging der entschlossene Gang nicht. Als er die leichte Nervosität von Sunta empfing, verfolgte er Misstrauisch das selbstbewusste Auftreten des Fremden. Da schützte auch das ziemlich vorgeschrittene Alter des Unbekannten nicht vor dem leicht eifersüchtigen Stich in seinem Inneren. Sunta selbst spürte Berinos angespannte Haltung obwohl ihre Augen erleichtert das bekannte Gesicht begrüssten. „Klump“, hauchte sie. Verblüfft weiteten sich Berinos Augen. „Der legendäre Klump?“ Er hatte ihn wessentlich älter, greiser und vor allem ziemlich weniger vitaler, vorgestellt. Obwohl Klump anfangs Sunta ansteuerte, hielt er kurz vor ihr inne. Ganz dem Kodex der Ältesten entsprechend nickte er Sunta flüchtig zu, wandte sich dann aber an Berino. Ohne sein erfreutes Lächeln zu mindern sagte er geradeaus. „Ja, der legendäre Klump.“ Bewies er die exzellente Funktion seines Gehöres. „Ihr seid auch ein Ältester. Mit wem habe ich die Ehre?“ Kaum sprach Berino seinen Namen ausgesprochen, fand er sich in einer herzlichen Umarmung wieder, die ihn selber überraschte. Klump lachte den verdutzten an. „Berino, den Namen kenne ich. Du hast dich prächtig entwickelt. Aus dem kleinen Berino ist ein würdiger Nachkomme geworden.“ Vor Verlegenheit wusste Berino kaum was er erwidern sollte. Doch als ihn Klump aus der kameradschaftlichen Umarmung entliess, sah er bestürzt wie dieser sich Sunta zuwandte. Mit einer bedrückenden Vorahnung beobachtete er seinen berüchtigten Verwandten.
Anfangs umarmte dieser Sunta ziemlich gebührlich. Wobei er ihr leise zuraunte. „Du bist immer für gute Überraschungen gut. Ich bin froh das du wieder da bist, Sonnenschein.“ Fest hielt Klump sie an sich gedrückt, da er ihre Wärme genoss. Erst als seine Hände tiefer glitten, über Suntas wohlgeformten Hintern, unterbrach ihn ein hinweisendes Räuspern. Worauf Klump seine Aufmerksamkeit wieder voll auf Berino richtete. Ungerührt hielt dieser den wachsamen Augen stand. Freundlich wies er darauf hin. „Ich beanspruche Sunta für mich.“ Die verborgene Schärfe im Unterton mochten die wenigstens auffangen. Die Klarheit der ausgesprochenen Worte reichte, dass Klump sofort seine Hände von dem Ort seines Begehrens wegnahm. Sanft schob ihn Sunta weiter zur Seite. Vergrösserte gerne die Distanz zwischen ihnen beiden. Theaterisch hielt sich Klump nun eine Hand aufs Herz. „Du hast dich also endlich entschieden.“ Leicht beugte er sich vor und schnupperte sogar an ihrem Hals. Sein warmer Atem steifte merklich über ihre abgekühlte Haut. Die Anziehungskraft welche Klump so natürlich ausströmte, liess Sunta innerlich erschaudern. Freiwillig trat Klump einen weiteren Schritt zurück. „Du bist in guten Händen. Wir stammen ja von der gleichen Blutlinie ab. Falls er sich nicht gut benimmt, du weisst ja wo man mich findet.“ „Im Bett einer anderen.“ Das brachte ihr einen kleinen Knuff ein. Ernst sah Klump zu dem etwas schockierte Berino hinüber. Der Gute hatte nicht erwartet das seine Freundin sich getraute mit einem der Ältesten so unverschämt, direkt zu sprechen. Klump lächelte milde. „Du solltest sie ein bisschen erziehen!“ Berino brummte. „Bloss ein bisschen?“ Während die Zwei verbrüdert lachten, ahnte Sunta schlimmes. Bis ihr wieder Einfiel. „Du hast auch nichts von Pol gehört?“ Sie wollte einfach sicher sein, diesbezüglich keine Möglichkeit versäumt zu haben. Der traurige Ausdruck in Klumps Gesicht reichte ihr vollkommen als letzte Bestätigung. Vielleicht war es besser so. Sie hatte ja Berino als unterstützender Begleiter. Wie zur Bestätigung legte der seinen kräftigen Arm über ihre schmalen Schultern. Sie verstand seine tröstende Geste. Legte ihre Hand, unter seiner gepolsterten Weste über seinen straffen Bauch. Nachdenklich fügte Klump hinzu. „Sein Drache ist nie zurückgekehrt. Selbst wenn er vom riesigen Glück gesegnet sein und einen Absturz aus niedriger Höhe überlebt haben sollte, glaube ich kaum das er länger als ein paar Tage, durchgehalten hätte. Möge ihm ein kurzer, schmerzloser Tod gegönnt sein.“ In seinen feuchten Augen sah man den mitfühlenden Schmerz. Sunta nickte. „Weisst du Sunta, bei uns ist es unter Verwandten möglich..“ Er tippte sich vielsagend an seine mit Sorgenfalten gefurchte Stirn. „Aber ich habe kein Senden, kein hilferufendes Lebenszeichen von ihm vernommen. Und Pol steht mir sehr nahe. Wie ein eigener Sohn. Genauso brennt sein Verlust in meinem Herzen.“ Auf einmal schien ihm was einzufallen. Konzentriert sah er Berino an. Müde lächelnd legte er traditional gemäss einen Finger an seine Stirn. Sunta verstand das Klump gerade mit ihm telepathisch telefonierte. Aufatmend lächelte Klump matt. „Meine Fähigkeiten sind eingerostet, aber die inneren Sender hätten Pol empfangen, wenn er nach mir gerufen hätte. Wenn ich es selbst von mir aus versuche, meine Fühler nach ihm ausstrecke, stosse ich bloss auf undurchdringliche Dunkelheit.“
Unglücklich aber zufrieden nickte Sunta. „Ich wollte bloss sicher sein. Vor allem nach einem bösen Traum, indem ich ihn mit seinem Drachen abstürzen sah.“ Mitfühlend umarmte sie Berino fester. Aufmunternd lächelte ihn Sunta an. Ein Zeichen, dass sie okay war. „Morgen fliege ich sowieso ein paar Runden um nach verlorenen Ziegen zu suchen. Vielleicht finde ich die Absturzstelle. Ich hoffe nur, dass die Wölfe ihn nicht zerfleischt haben. Eine richtige Bestattung hat schon manchem Geist Frieden geschenkt.“ Klump staunte. „Das würdest du tun?“ Sunta nickte streng. „Selbstverständlich. Es ist auch für den eigenen Frieden gut, wenn man sich verabschieden kann.“ Verstehend nickte Klump. Berino lächelte stolz. „Dann finde ich es sogar schön, wenn du Morgen nach ihm suchst.“ Gab er gerne zu. Seine ausströmende Wärme vertrieb die Schwere in Suntas Herzen. „Ich freue mich auf einen ruhigen Flug. Mika wird Spass haben die Schafe von den Berghängen zu pflücken. Wir werden den Winter auf jeden Fall überleben.“ Teilte sie seine Zuversicht. Pol würde ihr unerreichbarer Traum bleiben. Fürs weltliche Leben blieb ihr ein wunderbarer Berino. Dankbar streichelte sie seine Seite. Einzig Klump teilte weniger ihre Freunde. „Schade. Jetzt habe ich vermutlich keine Gefährtin fürs Leben mehr. Hier haben kaum Frauen überlebt und eine Witwe zu trösten ist nicht gerade meine bevorzugte Art.“ Sunta wischte seinen aufkommenden Herzschmerz auf die Seite. „Du wirst das gut überstehen. Vor allem wenn ich dir verrate, dass da noch einige Mitglieder von Berinos Stamm zu uns kommen. Zwei weitere sollten noch heute Abend eintreffen. Eigentlich drängt die Zeit für den Aufbruch, zu meinem alten Haus.“
Klump grinste erfreut. „Das sind endlich einmal gute Neuigkeiten. Bis jetzt bin ich noch nicht dazu gekommen die Höhlengänge zu inspizieren. Den zugebrachten Berichten nach scheint jedoch alles in einem sehr fragwürdigen Zustand. Ich bin froh, dass noch keine Panik ausgebrochen ist, obwohl jetzt noch des öfteren grössere Steine von der Decke herunter fallen. Die Aussicht hier weiter zu leben habe ich aufgegeben.“
Dem setzte Berino gerne nach. „Evakuiert so rasch wie möglich. Alle können ja nicht helfen. Vor allem Frauen und Kinder, bringt die so rasch wie möglich den Berg hinunter. Es wird in den kommenden Tagen eine sichtbare Rauchfahne geben. Dort bauen Sunta und ich eine neue Siedlung auf. Und im abgestützten Katanerschiff hat es jede Menge Platz. Mit einer ausgeklügelten Raumbeheizung wird keiner im Winter frieren.“ Versicherte er überzeugt. Er deutete an die mir kleinen Rissen überzogenen Decke. „Hier unten bekäme ich selbst nach einem anstrengenden Training keinen Schlaf. So eine löchrige Substanz habe ich noch nie gesehen. Wie du weisst ist unser Volk für Höhlen spezialisiert.“ Nachdenklich nickte ihm Klump zu. Als Ka hinter ihm bestätigte. „Mir ist auch unwohl bei dem Gedanken hier unten weiterhin zu wohnen, während eingeschlossene Nachbarn langsam sterben. Wir haben keine Werkzeuge um denen zu helfen. Jedes weitere Graben könnte sogar unser eigener Untergang sein. Meine Nerven halten das nicht mehr lange aus. Es gibt noch andere, die möglichst schnell hier raus wollen. Diese unsichere, verschärfende Lage macht mir mehr Sorgen als die Vorstellung draussen zu überleben. Im Pilzkeller ist alles hoffnungslos verfault. Überall bricht diese schimmlige Fäulniss aus. Also ich melde mich morgen freiwillig um den Weg über den schneebedeckten Pass zu wagen.“
Bedächtig lehnte sich Klump an eine raue Felswand. Trotz der sichtbaren Müdigkeit, staunte Sunta wir gut er aussah. Er besass einfach eine faszinierende Ausstrahlung. Ein stiller Kämpfer mit einem wachen Verstand. Dennoch bereute sie keine Sekunde Berino als ihren Gefährten zu haben. Sie war sogar froh, wenn die Frauen weiterhin für Klump schwärmten. Zudem fragte sie sich insgeheim, ob sie je mit Klumps Energie hätte mithalten können. Vor allem neben seiner würdevollen Erscheinung eine angemessene Partnerin zu sein. Trotz allem lauschte sie gerne seiner angenehmen Stimme. „Gut,“ meinte er überzeugt. „Dann teilen wir uns Morgen auf. Alleine gehst du mir nicht über den Pass. Es ist allemal besser wenn die ängstlichen Leute aus der Höhle sind. Das wirkt auf Dauer nämlich ansteckend. Sunta, könntest du am Nachmittag einen kurzen Kontrollflug machen, ob die Leute auf dem richtigen Weg sind?“
Sie bestätigte. „Ja. Ausserdem sollen sie auf die angekohlten Zeichen achten. Wir haben das Verfahren auch angewendet damit unsere zwei Kolleginnen den leichtesten Weg finden.“
„Kolleginnen,“ fiel es Klump natürlich auf. Wissend verzog Sunta ihr Gesicht. „Bei denen hast du schlechte Karten. Mäusschen lässt dich sicher nicht mal in ihre Nähe. Und wie gesagt, Witwentröster ist nicht so dein Fall.“ Er nahm es Würdevoll zu Kenntnis. „Du kennst mich langsam zu gut. Wie dem auch sei. Bevor du gehst, habe ich ein wichtiges Abschiedsgeschenk für dich. Würdest du mich kurz begleiten?“ Während Sunta nickte, entliess sie Berino nicht aus seinem Griff. Er nickte auch. Klump übersah das Misstrauen und klärte auf. „Es ist absolut nützlich für uns alle.“ Dabei spazierte er voraus, in die tieferen Stollen. Bei einem der vom Wasser halb geflutet war, mahnte Klump unnötig zur Vorsicht. Bis zu den Knien wateten sie durch das eisige Wasser zu einer speziellen Kammer. Zittern fragte sich Sunta heimlich, ob das Geschenk diese Strapazen wert war. Mit einem wüsten Wort auf den Lippen drückte Klump gegen die vom Wasser verzogene Holztüre. „War ja klar, dass sich niemand um das zweitwichtigste zum Überleben kümmert.“ Berino drängte sich neben Klump. Gemeinsam stemmten sie verkrümmte Türe auf die Seite. Splitter planschten in den verwünschten Bergbach. Drinnen flatterte etwas wild durcheinander. Federn, jede Menge hellgrauer Vogelfedern schwammen an Sunta vorbei. Es polterte unheimlich in düsteren Inneren. Nachdem Klump einen riesigen Kasten, aus geflochtenen Schilfrohren heraushielt, bemerkte Sunta ihren Irrtum. In dem Kasten befanden sich keine Vögel. Nein, Klump wollte etwas weitaus wichtigeres retten. Auf einem künstlichen Nest aus Stroh befand sich ein riesiges Ei. So gross wie ein ausgewachsenes Huhn. Nicht wie das Ei, welches ein ausgewachsenes Huhn legte, sondern als ob ein fertiges Huhn aus dem Ei schlüpfen wollte. Erschrocken keuchte Sunta zurück, als ihr dämmerte was für aussergewöhnliche Eier dies waren. Jetzt viel ihr auch die ungewöhnliche Wärme im Raum auf. Die sich mit dem Öffnen der Türe rasch verflüchtigte. „Dracheneier?“ Fragte sie staunend. Das zweite war so gross, das ein halbes ausgewachsenes Schwein drin Platz gehabt hätte. Sie selber getraute sich kaum eines dieser Riesendinger in den Händen zu halten. Gekonnt schnappte sich Klump ein Seil aus einer dunklen Nische. „Keine Sorge die Beissen nicht. Jedenfalls jetzt noch nicht. Wenn sie allerdings geschlüpft sind und kein Fleisch in der Nähe sein sollte, würde ich die Hände nicht vor ihre Schnauze halten. Aber in diesem harmlosen, robusten Zustand“, er klopfte zur Bestätigung mit seinem gekrümmten Zeigefinger auf die harte Schale. „Gut geschützt. Immerhin sind es Dracheneier. Von daher müssen sie etwas mehr aushalten als gewöhnliche Hühnereier.“ Flink sicherte er mit dem Hanfseil den polsternden Flechtkorb herum ab. Berino hielt die zwei Körbe fest, als Klump ihm das schwere Gewicht auf den Rücken montierte, wie eine Rückentasche. Sorgfältig deckte er alles mit einer Seidendecke ab und schlaufte alle Enden fest. „Bis letzte Woche hat die Temperatur gestimmt. Eigentlich sollten sie bald schlüpfen. Da du mit Mika fliegst, nimmst du Zwei dieser Eier mit. Versuche sie dazu zu bringen, sie Nachts an ihrem Körper zu wärmen. Ich glaube, tief in ihrem Inneren ist ihr Mutterinstinkt noch intakt.“ Schnaufend befestigte er den leichteren Korb an Suntas Rücken. Danach zog er noch einen dritten Korb hervor. So gross wie zwei riesige Wassermelonen zusammen. Er ächzte vor Anstrengung. Rasch half ihm Berino und übernahm die schwere Last. Klump japste. „Das dritte bringen wir nur zur Sicherheit in die warme Stube hoch. Dieses seltene dunkelblaue Ei ist sozusagen Halbgeschwisterlich zu Mika Stammbaum. Sollte daraus ein männlicher Drachen schlüpfen, haben wir den ultimativen Hauptgewinn gezogen. Den holst du mir gerne im Laufe der kommenden Tage ab. Zuerst klären wir ab, ob Mika mit den kleineren Eiern klarkommt.“ „Gerne.“ Sunta freute sich schon auf Mikas Reaktion. Nochmals warf Klump ein dickes, behaartes Bärenfell, welches Sunta ziemlich bekannt vorkam, über ihr Reisegepäck. Das Gesamtgewicht von mehreren Kilos drückte Sunta ziemlich in die Knie. Sie war heilfroh in den letzten Tagen so fiel trainiert zu haben. Alleine der Gedanke, hier ein paar Drachenküken zu retten, gab ihr neue Kraft. Vor allem der Krieger Kironimek würde sich darüber, sprichwörtlich tierisch, freuen. Sie selber freute sich jetzt schon über jeden Meter der sie aus dem schaurigen Stollen heraus führte. Manchmal stützte Klump sie hilfreich am Arm, als es zurück in die Drachenhöhle ging. Sie mochte die Wärme die unter seinem groben Seidenhemd spürbar durchging. Es vermittelte ihr eine Spur von Sicherheit in dem kalten Tunnel. Allerdings war da nicht mehr. Die körperliche Anziehung war eindeutig verschwunden. Im letzten Viertel als es wieder stetig nach unten ging, trennte sich Klump abermals von ihnen. „Du kennst ja den Weg.“ Ehe sie was erwidern konnte, war der flinke Klump in einem der dunklen Nebengängen verschwunden. Sie protestierte, „Wie macht er das bloss?“ Berino nickte. „Das frage ich mich auch. Vor allem wie er sich all die Jahre so gut gehalten hat.“ Im schmalen Korridor vor ihnen schaufelten ein paar Aufräumer den Durchgang breiter. Es stank unangenehm nach erdigem, faulen Wasser. Berino sagte es so laut, dass ihn die Arbeiter hörten. „Ich würde das Wasser hier unten nicht einmal abgekocht trinken. Das scheint mir nicht nur vom Schimmel sondern auch vom verwesten Fleisch verseucht zu sein.“ Entsetzt hielten die Arbeiter inne. Selbst Sunta fand in ihren übermüdeten Gesichtern bereits Anzeichen von Krankheit zu lesen. Die sonst makellose gesunde Blässe zeigte neben verfärbten Stellen, kleine unterschwellige Entzündungen. Zudem fand sie den säuerlichen, bitterscharfen Geruch von altem Schweiss noch schlimmer als vom durchspülenden Wasser. Gerade als sie sich durch den Engpass im Korridor durchschlängelte, bebte der gesamte Tunnel. Ein leichtes Zittern das verstärkt weiter vibrierte, so dass kleine Kieselsteine auf dem Boden auf hüpften. Sunta quietschte erschrocken los. Die Urangst hier unten eigeschlossen zu sein, liess selber ihren Schweiss aus allen Poren fliessen. Alles kam ihr nicht nur zu eng vor, auch der Sauerstoff in der Luft schien abzunehmen. Hastig versuchte sie vergebens zu rennen. Das schwere Gewicht in ihrem Rücken hinderte sie daran. Doch die kostbaren Eier zurück zu lassen, kam für sie nicht in Frage. Sie lachte beinahe hysterisch auf, als sie endlich die Futterluke erreichten. Auf einmal war es wieder still. Unheimlich still. Sogar das Plätschern zu ihren Füssen versiegte. Der ganze Berg schien den Atem anzuhalten. Berino traf es treffend. „Raus hier! Raus aus diesem instabilen Kartenhaus.“ Das spornte Sunta zur Eile an. Doch Berino stoppte sie nachdem sie rasch die Seile umgelegt hatte. Sorgfältig überprüfte er jeden Knoten. Dafür nahm er sich gerne Zeit. Bevor er sie nach unten liess, drückte er ihr einen flüchtigen Kuss auf die Lippen. Dieser schmolz viel von der bedrückenden Angst weg, die Sunta umgab. „Danke,“ hauchte sie. „Dafür, dass du da bist. Überhaupt, dass du mit mir hier hoch bist.“ „Gerne Schatz. Mir war es in der Wüste echt zu langweilig. Wobei ich mir jetzt aber nicht sicher bin, ob ich lieber mit dir dort unter einem Fell liegen möchte, als hier einen Adrenalinkick zu erleben.“ Er seilte sie vorsichtig durch die Luke nach unten. Rief ihr nach. „Das hier ist mir eindeutig etwas zu übertrieben Spannend. Ich bin dann doch eher der gemütlichere Typ.“ „Wir sind ja bald zuhause. Mit äusserst häusslichen Angelegenheiten.“ Sunta betete förmlich darum, dass dies der Wahrheit entsprach. Sie war heilfroh das Mika startbereit auf sie wartete. Dem abgebrühten Drachen, versetzten die kleinen Bergbeben in keine Panik. Gemütlich erhob sie sich beim energischen Auftreten ihres entschlossenen Flohs. Geübt seilte sich Berino ohne Hilfe ab. Wenige Sekunden später folgte eine deutlich steifere Person seinem Beispiel. Diesmal war es Sunta, welche das Drachengeschirr gründlich prüfte. Unter einem Riemen hatte sich eine Scheuerstelle gebildet. Ohne gross Nachzudenken zog sich Sunta eine der feuchten Socken aus. Die weiche Polsterung, kühlte zugleich die entzündete Stelle. „Nur bis nach Hause, dann nehmen wir alles weg und du bist wieder frei, für ein paar Tage,“ versprach sie. Als sie hochblickte, bemerkte sie das Klump verstärkt humpelte. Ungetrübt strahlten seine Augen sie und Berino an. Vor allem sie. Breit lächelnd hielt er diesmal einen kleinen Kasten, mit vielen Luftlöcher hoch. Am gurren erkannte Sunta sofort was für ein Geschenk sie erhielt. Der schlaue Fuchs hatte ihr eine Brieftaube mitgegeben. Er lächelte. „Ihr seid ein schönes Paar. Ich möchte auf dem laufenden bleiben. Wenn ihr etwas wichtiges mitzuteilen habt, ein Notfall oder eine Warnung, dazu sind sie da. Altmodisch, aber funktioniert zuverlässig.“ „Danke“ Respektvoll nickte ihm Sunta zu und nahm das nützliche Geschenk in Empfang. Ehe Berino es für eine schlechte Idee hielt, streckte der Alte seine Arme aus. „Lass dich drücken,“ bat er. „Es könnte das letzte Mal sein, falls wir zu spät evakuieren.“ Missbilligend verdüsterte sich Berinos Gesicht. „Sag so etwas nicht. Ich wünsche mir, dass so viele wie möglich rauskommen. Einschliesslich dir. Die verunsicherten Leute brauchen einen Führer dem sie Vertrauen. Du bist mehr als Willkommen. Wir brauchen dich.“ Diese Worte kamen aus seinem tiefstem Herzen. Dankbar, nicht weniger herzlich drückte ihn Klump nur etwas kürzer. Eine Heiserkeit steckte plötzlich in Klumps Stimme. „Ich hoffe wir sehen uns bald wieder auf sicherem Gebiet. Ich werde zu ihnen sprechen und zum Aufbruch drängen.“ Damit es ihm nicht weiter wehtat, wandte er sich abrupt um. Diesmal sah man ihm sein hohes Alter an. Leicht gebeugt, traurig und ziemlich erschöpft trat er mit schwerem Gang zur Futterluke zurück. Jede Leichtigkeit war aus seinen Bewegungen verschwunden.
Sunta wandte sich zu Mika durchhängenden Halsseilen. Gerade als die ihr beim Aufsteigen helfen wollte, warnte Sunta streng. „Vorsicht!“ Stutzig über die ungewöhnliche Planveränderung hielt Mika inne. Auf einen Wink von Suna hin, hob Berino kurz den Wärmeschutz von Suntas Rucksack nach oben. Danach beobachteten sie Mika gespannt. Als die Schnauze der neugierigen Drachendame näherkam, liess Sunta die Bemerkung fallen. „Was hältst du von Omelett zum Frühstück. Ich glaube das reicht für eine Woche um satt zu werden.“ Es dauerte ein paar Sekunden. Ehe Mika abermals ihre Nüstern blähte. Auf einmal zuckte die Drachendame zurück. Man erkannte genau den exakten Moment als sie realisierte, was Sunta auf ihrem Rücken mitschleppte. Hörbar beschleunigte sich der Atem aufgeregte Drachen. Ungläubig spähte Mika auf ihren Floh hinunter und zum ersten Mal seit langer Zeit, senkte sie ihre Schnauze mit bedrohlich hochgezogenen Lefzen. Ein ernstgemeintes warnendes Knurren füllte den Höhlenraum, der den Laut noch unheilvoll verstärkte. Sofort winkte Sunta beschwichtigenden ab. „War ein Scherz. Ich wissen doch alle das du Drachenkinder über alles liebst. Du darfst es haben. Es gehört dir. Wir müssen nur einen geeigneten Platz finden damit es schön warm bleibt.“ Verstört blickte Mika ihren Floh an. Es schien ihr Mühe zu bereiten den Blick von dem Ei abzuwenden. Doch dann spähte sie zu ihrem alten, verwahrlosten Schlafplatz hinüber. Während Berino das kostbare Gut wieder sorgfältig zudeckte, gab Sunta ihrem besorgten Tier zu verstehen. „Nicht hier. In anderen Haus. Unten im Tal wo die Winter milder sind als hier oben.“ Flugs hob Mika ihr Bein seitlich an, um Sunta in den Sattel hoch zu helfen. Die sonst zupackende Schnauze, blieb geschlossen. Als Berino sich zu Sunta bemühte, sagte dieser kurz. „Vorsichtig.“ Was ihm auch einen kühlen Luftzug verschaffte, da Mika ihn ebenso heftig abschnupperte. „Zwei,“ bestätigte Berino. Aufgeregt tänzelte Mika auf der Stelle, was das festzurren der Sicherheitsriemen erschwerte. Jede Bewegung des Drachen wirkte elektrisierend. Ihr war deutlich die innere Unruhe anzumerken. Wegen der neuen Sattelordnung, dauerte es ein paar Minuten länger. Diesmal sass Sunta vor Berino, ihm zugewandt. Ohne das geringste Zögern, legte sie ihre Arme um ihn und schmiegte sich an seinen warmen Brustkorb. So viel Wärme, so viel Vertrauen. Er umfasste sie, drückte sie selig fest an sich, ehe er nach dem Halszügel Mikas fasste. Diesmal gab er das Startzeichen. Der fortgeschrittene Abend vereinnahmte die Tagesluft mit seiner Kälte. Anfangs liess sich Mika von dem kühlen Klima nicht beeinflussen. Zu sehr wollte, drängte es sie zu den schneefreien Wäldern im Tal hinunter. Der eisige Pass, dessen oberste Schneeschicht zu einer harten Kruste kristallisierte, brachte sie aber an die äusserste Grenze ihrer ausgeschöpften Kräfte. Mit dem zusätzlichen Gewicht der Eier, war es als ob drei Reiter auf ihrem Rücken lasteten. Dazu die langen Flugzeiten in den letzten Tagen, das ließ ihre Reserve drastisch dahin schmelzen. Obwohl sie es anfangs Gemütlich angehen wollten, keuchte Mika vor Anstrengung, in die eisige Abendluft hinaus. Als Sunta den gepressten Atem realisierte, bekam sie dermassen Sorge, dass sie Mika anbot eine Pause einzulegen. Diesmal riet Berino entschlossen davon ab. „Mika, schön langsam. Bleib oben.“ Fragend sah Sunta ihren Gefährten an. Der sagte laut, um das Sirren der schwerfälligen Schwingen zu übertönen, „Wenn wir jetzt im kalten Schnee landen, kühlt sie zu sehr ab. Danach ist es unmöglich über den Pass zu fliegen, wir müssten alle laufen.“ Das leuchtete ein.
Mika selber wusste was sie auf ihrem Rücken trug. In erster Linie ging es ihr zu allererst um die Sicherheit der Dracheneier. Sie strengte sich an um die Nachkommen ihrer Spezies zu sichern. Ein erbitterter Kampf gegen die lähmende Kälte in ihrem ausgekühlten Blut. Einzig ihre Starrköpfigkeit hinderte sie daran, hier aufzugeben. Sogar Sunta zweifelte lange ob sie es diesmal schafften den lebensfeindlichen Pass zu überwinden. Mehrmals sackte ab, verlor bedrohlich an Höhe, dass sie nur wenige Meter über dem weissgrauen Boden flatterte. Schwerfällig, träge flog sie dem wärmeren Aufwind entgegen. Sobald sie die Südseite erreichten ging ein Ruck der Erleichterung durch alle. Für die immensene Anstrengung belohnte sie die klare Luft mit einem wunderschönen Anblick auf eine sinkende, gelbliche Sonne. Dazu glitzerten die ersten Sterne durch den dunkelblauen Himmel. Funkelnde Diamanten die sich deutlich abzeichneten und mit der Farbe des Himmels harmonierten. Ab jetzt ging es in einen flüssigen Segelflug hinüber. Das ruhige Fliegen beruhigte zwar Suntas Magen, aber ihre Verkrampfung steigerte sich erneut angesichts des mörderischen Tempos. Es dauerte nur wenige Minuten, bis sie die alten Ruinen ihres ehemaligen Hauses sichteten. Vorher sprang einem der mattsilbrige Kloss daneben, unfehlbar wie ein auffälliger Wegweiser, ins Auge. Ganz sanft bremste Mika ab und landete so weich als befände sie sich auf einer flauschigen Wattewolke. Sunta überlliess Berino gerne den Vortritt. Im Gegenzug half er ihr, auf den zittrigen Beinen, wieder das Gleichgewicht zu finden. Anders als zu sonst, wenn Mika von dem Ledergeschirr befreit war, eilte diese nicht auf der Suche nach Futter davon. Diesmal hielt sich sich ungewöhnlich Anhänglich an Suntas Seite. Sunta liess sich von der Eierstalkerin nicht stören. „Keine Sorge, solange ich sie am Rücken trage, haben sie genug Körperwärme. Wir kümmern uns gut darum, bis wir einen provisorischen Unterschlupf gebaut haben, der für dich und die Kleinen vor Kälte schützt.“
Zielstrebig marschierte Berino auf schiefe Haustüre zu. Wobei die Türe selber noch heilblieb, obwohl der Rahmen nicht mehr ganz zu ihr passte. Skeptisch schlüpfte Berino durch das alles andere als rechtwinklige Holzgestell, ins zugemüllte Innere hinein. Maximal bis zu den Schultern reichte die spärlichen Umrisse der Aussenmauer. Einzig der unverwüstliche Herd, schien von Götter geschmiedet worden sein. Die dreifache Rückwand wo einst ihr Bett stand zeigte sich angekohlt, geschwärzt mit unzähligen, verzierenden Splittern. Sie stand wie ein Mahnmal zur Erinnerung an das Leiden des Hauses, während alle Opfer, vor allem die Reststücke vom Dach, zu Füssen niedergestreckt lagen. Ein Chaos aus geborstenem Holz, Steinen und leeren Katanerpanzerschalen.
Berino entdeckte immerhin etwas Positives. „Also das wichtigste ist vorhanden.“ Wunderlich sah ihn Sunta an. Er deutete mit dem Kopf zu seiner linken Seite. Ja, der unheimliche Herd schien unzählige Leben zu haben. Berino nickte zufrieden. „Alles was ein Mann glücklich macht ist ein funktionierender Herd, eine Frau die kochen kann und natürlich ein Schlafplatz.“ Nach einem genaueren Hinsehen entdeckte Sunta noch ein paar Bretter, unter dem eingestürzten Dach, hervorschauen. Sie sahen so aus als würden ausgestreckte Arme nach Hilfe suchen. Skeptisch äugte sie zu Berino hinüber. „Das Bett sieht aber alles andere als bequem aus.“ Unerschrocken zupfte er an einer feuchten eingequetschten Wolldecke herum. „Du Herd, ich Rest.“ Verteilte er die Rollen. Sie nahm es mit einem Seufzer. Auf seine rasche Frage: „Willst du lieber tauschen?“ „Nein,“ wehrte sie hastig ab. „Es ist nur so viel Arbeit.“ „Alles nur provisorisch um es die nächsten Tage bequemer zu haben. Später, denke ich, ist es besser drüben beim Hügel, hinter dem Katanerschiff eine kleine gemütliche Hütte aufzustellen. Oder eventuell eine kleine Höhle hinein zu graben. Mit Überblick auf die Felder und Weiden.“ Das gefiel Sunta. Sie konnte sich sehr gut in Berinos Träume hineinversetzen. Zuversichtlich klopfte er Sunta auf die Schultern. Sie belohnte ihn zustimmend in dem sie seinen unteren Rücken streichelte. Seine zuverlässige Stärke kam gerade im richtigen Moment.
Zuerst bat sie die kräftige Mika darum ein paar schwere Dachbalken zu entfernen. Berino sammelte alle Stoffmaterialen und brauchbaren Fellstücke ein. Klopfte sie gründlich ab. Hängte sie danach zum Trocknen über eine der Zaunlatten. Sorgsam legte Sunta die Küchenmitte frei. Überall lagen unzählige zersplitterte Dachziegel herum. An den scharfen Kanten konnte man sich schnell verletzten. Den einen oder anderen Dachstuhlrest, zerrte Mika dafür umso gröber auf die Wiese hinaus. Ein paar letzte schwere Mauersteine drückte Sunta höchstpersönlich mit staubigen Händen selber auf die Seite. Wischte mit den robusten Schuhsohlen die untere Gipsschicht über den rauen Bretterboden hinweg, bis der teilweise gehärtete Lehmboden darunter zum Vorschein kam. Grober Sand und Glasspitter erschwerten ihr Vorhaben. Vorsichtig nahm sie dabei einen verbeulten Löffel zur Hilfe. Berino selber hatte inzwischen sogar grössere Teile von ihrem alten Bärenfell gesäubert. Verwundert fragte er. „Was versteckst du da unten?“ Entschlossen hämmerte sie ihre Fusssohlen auf die letzten störenden Bodenbretter, bis die alten Ritzen sichtbar wurden. Endlich fand sie die alten Kellerluke. Jetzt mussten Mikas Krallen vorsichtig nachhelfen. In der nächsten halben Stunde war die Drachendame unabkömmlich. Erst beim einbetonierten Herd versagte sogar deren Kräfte. Den mussten sie später irgendwann aus der Verankerung ausgraben. Auf einem gebastelten Holzschlitten sammelten sie möglichst viel brauchbares Brennholz. Diesmal war Berino froh, eine kleine Axt mitgenommen zu haben. Mit all den aussortierten Rohstoffen begaben sie sich dann zum E-710 hinüber. Staunend kletterte Berino behende in den ersten Stock hoch. Mit ein paar von Mika heraus gerissenen Kabeln sicherte er den Aufstieg von Sunta. Mika selber reichte ihre Lasten wie ein programmierter Lift nach oben. Drinnen fand man rasch eine windgeschützte Kammer. Gross genug zum Schlafen für weitere vier Personen, selbst wenn in der Mitte ein Lagerfeuer brannte. Innert wenigen Minuten entfachte Berino probeweise ein kleines Feuer. Zufrieden sah er dem Rauch nach, der in den oberen Lüftungsrohren den Weg nach draussen fand. Nachdem die Sauerstoffzufuhr gewährleistet war, schürte er ein prächtiges Feuer heran, auf dem man sogar ein kleines Schwein hätte braten können. Steine rund herum verhinderten das der Bodenteppich weiter verschmorte. Der dankte nämlich die üble Behandlung mit giftigen Gestank. Sobald sich eine angenehme Wärme im Raum ausbreitete half man sich Gegenseitig aus den schweren Rucksäcken. Erleichtert riss sich Sunta förmlich die nassen Socken von den aufgeweichten Füssen. Nach einer gefühlten Ewigkeit streckte sie ihre eiskalten Barfüsse dem lodernden Feuer entgegen. Als Berino sie so zufrieden sah, liess er sich davon anstecken. Gemeinsam wärmten sie Schweigsam ihr Glieder auf. Müdigkeit kroch in ihre Glieder, als Berinos tiefe Stimme sie aufschreckte. „Es ist Zeit, draussen auf dem Dach ein Signalfeuer anzubringen.“ Träge nickte Sunta. Nachdem heutigen Tag wollte sie eigentlich nur noch schlafen. Ein liebevoller sanfter Anstoss brachte sie in die Gegenwart zurück. Aus einem irrwitzigen Grund sagte sie. „Ich mache es, wenn du dafür kochst?“ Berino spähte zu den wenigen mitgenommenen Utensilien. Dann nickte er. Er brauchte praktisch nur den Arm auszustrecken um alles essbaren Zutaten in den arg zerbeulten Kupferkessel, hineinzulegen. In einem zusammengebundenen Holzkistchen legte Sunta ein paar glühende Holzkohlen hinein. Das feurige Packet hielt sie an einem Draht sicher von sich fern. Barfuss wie sie war, schlenderte sie zu Mika. Der Transport durch den kräftigen Kiefer war diesmal Sunta zu unangenehm. Zeit etwas Anderes auszuprobieren. Tatsächlich reagierte Mika auf die Handbewegung sich umzudrehen. Verstand sogar ihre Schanzflosse zu heben. Vorsichtig kletterte Sunta darauf. Zur Sicherheit kniete sie lieber hin, als zu stehen. Ganz behutsam hob Mika sie auf das mattsilberne Dach hoch. Nach einem lobenden Dankeschön schlenderte Sunta auf den verbreiternden Mittelteil. Dort legte sie das glühende Kästchen hin. Durch die Ritzen drang der kühle Nachtwind hinein und lies die Kohlen leuchtend orange aufglühen. Bald brannte der gesamte Kasten selber. Gerade so Nahe, dass es sie vor Verbrennungen schützte setzte sich Sunta vor die wärmende Lichtquelle hin. Weit hinter sich vernahm sie Berino angenehme Stimme. Er fragte Mika gerade ob sie ihm Wasser vom Fluss bringen konnte. Mit gekreuzten Beinen sass Sunta vor dem Feuer, lehnte sich zurück und sah zu den tausenden Sternen hoch. Staunend betrachtete sie die endlose Weite. Im Gegenzug zu dem bunten Tag waren es nur das silbrige Glitzern und eine tiefe Schwärze. Dennoch hatte sie das Gefühl, ein bisschen von dem Begriff der Unendlichkeit zu begreifen. Sich so klein und winzig zu fühlen angesichts diesen immensen Dimensionen. Mehr als sie es je von dem höchsten Berg, von höchsten Flug mit Mika, kannte. Das hier war so viel, unbeschreibliches viel, mehr. In ihren beschäftigten Gedanken, blitzte die Erinnerungen des vergangenen Tages hoch. Alles war so schnell verlaufen. Die ständige Eile endete hier. Ganz in der Ferne hörte sie das Brüllen einer Kuh. Mikas Flügelschlag die gerade vom Fluss heranrauschte. Das flaue Lüftchen welches die entfernten Bäume zum rascheln brachten, weil die letzten abgestorbenen Blätter zu Boden rauschten. Jetzt wo sie sich sicher war, das Pol nicht mehr lebte, war sie mehr als nur froh Berino an ihrer Seite zu wissen. Als sie zurück in die züngelnden Flammen sah, bemerkte sie die feuchten Tränen an ihren kühlen Wangen. Ja, sie vermisste Pol. Sein Lächeln als er das erste Mal richtig aufblühte als er hier draussen aufkreuzte. Genauso seine funkelnden Augen, wenn er sich ärgerte. Das Leben war manchmal eben ziemlich fies, gestand sich Sunta ein. Zu viele starben einfach zu früh. Sie wischte sich mit ihrem Ärmel die warmen Tränen ab. Zeit sich um einen vernachlässigten Drachen zu kümmern. Seit Mika die Dracheneier sichtete, vergass sie sogar ihre nötigen Mahlzeiten. Bevor sie sich an den Kühen vergriff, war es nötig sie anderweitig auf Futtersuche zu schicken. Zeit sich den Lebenden zu widmen.
Tod und Leben
Das hässliche knirschen von aufgerissenem Metall ächzte durch den gesamten Schiffsrumpf bis nach oben. Ein wenig besorgt spazierte Sunta zu ihrem Lieblingsdrachen hinüber um dessen eifrigen Tatendrang zu dämpfen. Die am Signalfeuer aufgewärmten Hosen waren beinahe trocken. Die aufgeweichten Lederschuhe brauchten etwas länger. Als Ersatz trug sie ein paar aufgewickelte Stofffetzen um ihre empfindsamen Füsse. Staunend fand sie Mika tief im unteren engen Teil der dunklen Lagerzellen stecken. Es hörte sich an als ob ihre robusten Klauen ein zukünftiges Nest durch das Metall bohren wollten. Sie kratzte und schabte, da wo sie mit dem ihrem gestreckten Zeh gerade noch hinkam. Anscheinend war ihre Schnauze bereits zu breit oder sie brachte ihr Gebiss in der Enge nicht zum Einsatz. Mit verbissenem Einsatz kratzte sie ziemlich vergebens gegen die stabilen Wände an. „Ein Nest“, wunderte sich Sunta. Da würden ja vorher die Eier schlüpfen als das Mika einen kleinen Raum ausbeulte. Die konzentrierte Mika zuckte ab der nahen Stimme zusammen, als hätte man sie bei was ertappt. Mühsam robbt sie sich zurück, bis ihr Kopf auf gleicher Höhe wie Sunta war. Merkwürdig streng sah Mika zu Sunta hinüber und wieder hastig zum kaum vergrösserten Durchgang. Aufgeregt schnaubte sie. „Soll ich helfen?“ Anscheinend schon, denn Mika gab ihr sogar einen rüden Ruck mit ihrer warmen Schnauze. Vor dem spitzen, aufgerissenen Metall bremste Sunta ehrfürchtig ab. Von drinnen vernahm sie keine Geräusche. Doch die finstere Ecke war alles andere als Einladend. Sie bedauerte, keine Laterne oder Fackel mitgenommen zu haben. Aus einem unerfindlichen Grund starrte Mika nämlich völlig gebannt auf die aufgeschobene Lücke, als Spränge jeden Moment ein wahrer Leckerbissen heraus. Geradezu unheimlich empfand Sunta das unerklärliche Verhalten. Doch selbst nach langem zögerlichem Verharren, blieb es absolut ruhig, bis auf das regelmässige Atmen von ihnen zwei. Also befand sich bestimmt kein panisches Opfer da drin. Dennoch konnte Sunta die Anspannung einfach nicht abschütteln. Vor Mika wollte, durfte sich aber Sunta nicht als Angsthase aufführen, sonst würde die deren Respekt verlieren. Da half nur tiefes Durchatmen und mutig durch die mannshohe Lücke zu marschieren. „Mika mach ein wenig Platz, damit wenigstens etwas Mondlicht reinscheint.“ Dies war nur die halbe Wahrheit. Vor allem wollte sie Platz um im Notfall sicher nach draussen zu rennen ohne irgendwo im Dunkeln dagegen zu stossen. Nein, sie war kein Angsthase, aber die massive Metalltüre, in der ein hässliches Loch klaffte, wurde schliesslich aus irgendeinem guten Grund einmal montiert. Vielleicht um etwas draussen oder drin sicher zu verwahren. Vorsichtig tastete sie mit einer zittrigen Hand durch die Lücke hindurch um auf der Innenseite schnell die Sicherheitsriegel zu lösen. Alleine das kleine Problem kündete an, dass sich jemand hier einmal eingeschlossen hatte. Ein verzweifelter Kataner der hoffentlich längst aus Luftmangel das zeitliche segnete. Nach einem heftigen Rütteln schoben Sunta erleichtert die verkrümmte Sicherung aus der Verankerung heraus. Endlich liess sich die Haupttüre bis auf zwei weitere Schritte öffnen. Mikas vorschnellende Klaue riss kurzerhand die bereits aufgeschlitzte Türe gnadenlos aus der Verankerung. Wenige Sekunden später hörte Sunta bereits den harten Aufprall irgendwo draussen auf der Weide. Gedanklich nahm sie sich vor der lieben Drachendame mehr Geduld beizubringen. Zur Sicherheit aller Menschen in deren Umfeld. Es folgte lautes Geschnüffel als Mika intensiv die Luft einsaugte. Wie ein neugieriger Jagdhund der begeistert die Luft aus den Mäusegängen aussaugte. Ohne Suntas zutun, zuckte Mika heftig zusammen. Ihre geschlitzten Pupillen weiteten sich. Dann brüllte sie Markerschütternd los, dass es Sunta beinahe von den Beinen riss. Sie presste sich die Handflächen schützend an die schmerzenden Ohren. Rasch trat sie auf die Seite. Rechnete jederzeit mit einem rausstürzenden Kataner. Doch da kam nichts. Die Stille umso unheimlicher als Mika angestrengt Lauschte. Was immer da drin war, liess sie kurzzeitig ihre Klauen zucken. Langsam konnte Sunta ihre Angst nicht mehr wegschieben. Sollte sie Berino holen? Oder war es einfach nur ihre übertriebene weibliche Art die überreagierte? „Mika?“ Fragte sie daher zögerlich. Knurrend schlängelte diese sich aus dem Einwegkanal zurück. Beinahe ärgerlich blickte sie weiterhin aggressiv Sunta an. Diese hielt es für absolut unvernünftig jetzt einfach diesem unheimlichen Ort möglichst schnell zu verlassen. Mika würde sie vermutlich gar nicht lassen. „Mika,“ versuchte sie ihrer Stimme Festigkeit zu geben. Demonstrativ wandte die ihr den Rücken zu und legte sich hin. Sie verschloss praktisch jedem der Hinaus wollte den Rückweg. „Na toll,“ murrte Sunta. „ich habe nicht mal eine Waffe um mich zu verteidigen,“ erklärte sie ihre Angst. Hörbar schnaubte Mika. Aufgebend brüllte Sunta mit aller Stimmgewalt. „Berino! Wir brauchen Licht hier unten.“ Nach ihrem Hilfeschrei kam keine Antwort. „Senden,“ rief sich Sunta in Erinnerung. Sie nahm ein paar tiefe Atemzüge. Konzentrierte sich auf den geliebten Namen und eine Fackel in der Hand. Natürlich war es ein angezweifelter Versuch. Dennoch probierte sie es ein weiteres Mal. Alle störenden Gedanken ausblendend, nur diese eine Bild von Berino mit einer brennenden Fackel in den Händen, geisterte hinter ihrer Stirn. Gespannt horchte sie auf ihre innere Stimme. Es war als ob ein unsichtbarer Fremdstoff ihr Gehirn kurz durchsiebte. Wie warmer Nebel huschte es kurz hinter ihrer Stirn durch. Erleichtert schmunzelte sie. Er oder jemand hatte sie gehört oder gespürt. Da erhob sich Mika schon auf die Seite. Tatsächlich marschierte Berino zügig mit einer Laterne in der Hand auf sie zu. Erst sah er sie stolz an, ehe er breit lächelte. Leise flüsterte, „Das habe ich gehört, aber wir müssen das noch ziemlich üben.“ Begeistert lächelte Sunta über ihren Erfolg. Beim bitteren Geruch nach Rauch, den seine Kleider ausströmte, wich sie seinen Schritt zurück. Beinahe beleidigt sah er zurück. „Die Suppe köchelt, also weitere Beschwerden an Mika richten. Die war etwas langsam mit Wasser holen.“ Hinter ihnen ertönte ein grollender Laut. Sunta lächelte wieder. „Ich glaube das hat die Gute verstanden und nicht gerade wohlwollend aufgenommen. Mich Wundert mehr wie du so schnell eine praktische Lampe gebastelt hast.“ Die Scheiben waren zwar alle vom Kerzenstummel geschwärzt, doch sie erfüllten ihren Zweck. Worüber Sunta staunte war die ungewöhnliche dreischeibige Konstellation. Er deutete auf die pyramidenförmige Form. „Das ist ziemlich originell. Haben die Kataner erfunden. Hat allerdings gedauert bis ich herausfand wie man die eine Scheibe zum öffnen hochschiebt. Also was willst du erkunden?“
Sie deutete auf den finsteren Raum hinter sich. „Berino, mir ist das ein bisschen zu unheimlich. Könntest du bitte da hinten dich ein bisschen umsehen. Mika erschnüffelte irgendetwas interessantes da drinnen.“ Leise flüsterte sie gestehend, „Ich getraue mich im Dunkeln da nicht rein.“ „Angst vor Spinnen?“ „Ne. Vorher vor angenagten Katanerleichen. Es stinkt ja erbärmlich bis hierher. Aber Hunde mögen ja halb verweste Knochen am liebsten.“ Berino trat näher, damit die intelligente Drachendame ihn nicht hören sollte. „Lass das ja nicht Mika hören, dass du sie mit primitiven Hunden vergleichst. Vielen Dank für den Vortritt übrigens, mein mutiges Frauchen.“ Scherzte er. Schritt rasch an ihr vorbei. Hielt aber erst die Lampe ziemlich ausgestreckt nach allen Seiten hinein. Sein Oberkörper gut in Sicherheit hinter der verbeulten Seitenwand. Riskierte erst einen kurzen Blick. Unsicher verharrte er auf der Stelle. „Ich spüre was. Undeutlich vage. Kaum fassbar. Scheint aber keine Gefahr auszusenden. Vielleicht ein paar herumstreuende Nager?“ Da nichts sich im Innenraum bewegte, spazierte er bedächtig hinein. Es lag Besorgnis in seiner Stimme. „Jetzt bin ich mir nicht sicher ob das verschiedene Munition zum Abschiessen ist. Scheint alles gut verschlossen. Warum so viele verschiedene Grössen?“ Wunderte er sich. Mutig trat Sunta in den spärlich erleuchteten Raum. Da lagen tatsächlich unzählige metallene Behälter rum. Rasch registrierte sie schnell, wie herzlich wenig Berino von einem modernen Kücheninventar verstand. Da stapelten sich hunderte, schwere Dosen. Unbeschriftet, aber mit verschiedenen Katanerziffern versehen. Suntas Augen weiteten sich vor Freude. „Wow, also normalerweise verkaufte unser Dorfhändler diese extragrossen Dinger beschriftet. Mir ist bis jetzt nicht bekannt, dass sich darin etwas Anderes als ziemlich haltbare Lebensmittel befinden. Vermutlich hatte Kironimek doch recht. Diese Kataner planten längerfristig irgendwo zu bleiben. So ein riesiger Notvorrat wäre für ein reines Kriegsschiff zuviel Ballast.“ Ungläubig starrte Berino den chaotischen gefüllten Raum an. Es gab kleine Behälter mit kaum einem Liter Inhalt, bis hin zu fünf Liter schwere eingedellte Monsterdosen. Durch die harte Landung war so ziemlich die gesamte Ladung in ein totales durcheinander geraten. Ein Minitornado hätte keine hübschere Verwüstung hingezaubert. Verunsichert blickte Sunta zu Mika zurück. „Wollte Mika wirklich nur an das Futter? Wie kann sie das durch das verschweisste Metall riechen? So eine Supernase hätte ich ihr nie zugetraut.“ Bis auf die vielen Beulen sahen die silbrigen Konserven eigentlich unversehrt aus. Bis auf eine einzige Ausnahme. Eines der grössten Kaliber musste förmlich explodiert sein. Denn nebst einem stechenden Essiggeschmack, klebten da noch unappetitliche, grünliche Überreste überall am oberen Deckengewölbe. Sunta erkannte sogleich die zermatschten Essiggurken als ursprünglichen Inhalt. Allerdings hatte sie noch nie gehört, dass so eine Essigdose zu explodieren neigte. Gespannt suchte sie nach dem Auslöser der Gefahrenquelle. Der Vorrat türmte sich teilweise bis zu Decke hoch. An anderen Stellen, stapelte er sich ordentlich an den Wänden entlang. Es schlängelte sich ein durchaus begehbarer Mittelraum ab. Endlich fand sie im hinteren Teil eine verfranste, aufgerissene Dose. Verwundert hockte sie sich nieder um den Übeltäter genauer zu betrachten. Da gab es keine Schneidespuren von einem Dosenöffner. Allerdings verriet die geschwärzte Unterseite so einiges. Es hatte sie wegen Erhitzung gewaltsam gesprengt. Als Sunta nachdenklich rückwärts trat verlor sie beinahe, wegen einer der rollenden Dosen unter ihren Fusssohlen, das Gleichgewicht. Abstützend schoss ihre Hand zur Bodenseite. Doch statt auf eine der kalten, glatten Dosen, landete ihre Hand auf etwas weichem, feuchten. Mit einem Aufschrei sprang sie rekordverdächtig gleich über mehrere Dosen hinweg. Sie keuchte erschrocken. Berion nickte bedächtig. „Kein übler Sprung. Es fehlt dir nur noch mehr an Kraft.“ Anklagend fuhr sie ihn hastig an. „Da war keine Dose, sondern etwas weiches.“ Erst jetzt merkte sie wie angespannt Berino den Hintergrund hinter ihr beobachtete. Als nach ein paar Sekunden nichts passierte, atmete er erlöst aus. Nur die gespenstigen Schatten, welche die Kerze hinter dem Dosenberg hinterliessen, beunruhigten Sunta nach wie vor. Ohne auf die bewegenden Schatten zu achte, spazierte Berino nach hinten. An seinem fast geräuschlosen Gang erkannte Sunta wie sehr ihr Freund wachsam blieb. Sollte ihn jemand angreifen, war er alles andere als harmlos. Dann verharrte Berino auf der Stelle. Das zurückzucken seines geschockten Kopfes, verriet eine erfolgreiche Entdeckung. „Da liegt jemand.“ Bevor Sunta reagierte, hastete er nach vorne zu einer liegenden Gestalt. Von da her kam auch der seltsame Gestank der alles andere, als nach natürlichen Essiggurken, in der Nase brannte. Mehr nach Vergammelten, altem Schweiss oder gar schlimmerem wie eine ungespülte Toilette. Sunta zweifelte, „Lebt er überhaupt noch?“ „Ja, kannst du Wasser bringen, schnell!“ Das brauchte man ihr nicht zweimal zu sagen. Froh dem Gestank zu entkommen, raste sie über den Boden nach draussen. Kaum verliess sie den Gleiter, fand sie Mika die ziemlich selbstzufrieden an den Flieger lehnte vor. Lachend füllte Sunta ihre Lungen erst mit frischer Luft. Holte rasch einen Eimer und da Mika bereits den alten Viehtrog mit Wasser aufgefüllt hatte, füllte sie ihn dort. Angespannt raste sie zu Berino zurück. Hinter einer eingestürzten Dosenwand lag eine ausgestreckte, verletzte Person. Aus einer tiefen Wunde an seinem Oberschenkel war eingetrocknetes Blut bis hinunter zu den Lederstiefeln sichtbar. Selbst der Hosenabschnitt seiner Unterschenkel wies zahlreiche Schnitte auf. Jedoch fielen Sunta vor allem die noch einigermassen intakten Lederstiefel auf. Solche massgeschneiderten Anfertigungen stammten aus der handwerklichen Kunst der oberen Höhlenbewohner. Gepolsterte Stiefel, wie sie Drachenreiter trugen um gegen die Kälte der Höhenluft besser geschützt zu sein. Es war als ob sie auf einmal keine Luft mehr bekam. Eine eisige Spannung legte sich um Suntas Herz. Durfte sie hoffen? Sie drückte sich neben Berino nach vorne um besser in Gesicht des unglücklich Verletzten sehen zu können. Gerade säuberte Berino dessen Wangen und benetzte mit einem feuchten Lappen dessen Lippen. Wie war das möglich. „Pol,“ keuchte sie mit den verschiedensten Emotionen. „Das ist Pol!“ Kreischte sie völlig ausser sich auf. Auf einmal füllte sich ihre Lungen wieder mit Luft. Ein riesiges Glücksgefühl füllte sie aus. Tränen der Erleichterung flossen ihr über die Wangen. „Das ist Pol,“ erklärte sie wieder gefasst völlig unnötig Berino. Der lächelte wissend. „Das ist also der berüchtigte Pol, der dir so am Herzen liegt.“ Verwundert sah Sunta ihren alten Freund verblüfft an. Berion hatte sie längst durchschaut. Er schüttelte den Kopf. „Beruhige dich Sunta. Er wird’s überleben. Nein, lass mich machen. Ich schaue zuerst ob man ihn transportieren kann. Ausserdem… er schluckt ja schon kleine Wassertropfen. Gut, seine Überlebenswille ist zurück.“ Mit ruhiger Hand schaffte er es Pol das lebensspendende Nass einzuflössen. Dessen geschlossenen Augenlieder flatterten, blinzelnd in die Höhe. Verwirrt blinzelte er erst Berino an. Kaum entdeckte er Suntas Anwesenheit, hielt sein Blick sie wie gebannt gefangen. Selbst Sunta empfing einen erschreckend starken Energiestoss, der sie völlig überraschte. Erschöpft lächelte Pol matt. Er wollte etwas sagen, doch es gelang ihm nicht. Seine Dankbarkeit mit der er Berino danach betrachtete, liess selbst den nicht kalt. Zu erschöpft um wachzubleiben, liess sich Pol wieder zurück in den Schlaf hineinziehen. Berino brummte. „Keine Sorge, Mann. Du bist in guten Händen. Wir bringen dich wieder auf die Beine.“ Betastete darauf sorgsam Pols lange Beine, bis er ein Stöhnen auslöste. „Gute Neuigkeiten. Nichts gebrochen. Die Wunde hat sich kaum entzündet.“ Was ihn ziemlich verwunderte. Als Sunta jedoch die kleinen unzähligen Tannennadeln sichtete die an den aufgerissenen Stellen des Leders sich förmlich in die gerötete Haut hineinbohrten, erschauderte sie. „Das sind giftige Nadeln. Eine Handvoll davon reicht aus um ein ganzes Pferd zu töten.“ Das erklärte für Berino so einiges. „Also Glück im Unglück. Denn so haben Fliegen und andere Kadavernutzer es vorerst vermieden über ihn herzufallen. Diese spitzigen Nadeln sollten wir besser oben im helleren Licht entfernen. Zum Glück haben wir oben warmes Wasser aufgesetzt. Du brauchst dringend eine Wäsche.“ Faste er unverblümt das wichtigste zusammen. Was Sunta nicht verstand; warum Pol sich so tief in den Innenraum verkrochen hatte. Als ob er einen Platz zum Sterben suchte. Oder hinderten ihn unerträgliche Schmerzen daran für die einfachen Bedürfnisse nach draussen zu gehen? Ein anderer schlimmer Verdacht keimte in ihr hoch. „Ich hoffe das seine Wirbelsäule intakt ist.“ Das umliegende Dosenchaos sah nämlich wirklich genauso aus als ob in letzter Zeit hier jemand auf allen vieren herumkroch. Zweifelnd musterte Berino den jüngeren, erschöpften Mann. „Das könnte durchaus sein. Gewissheit haben wir erst, wenn er wieder wach wird. Ihn hier liegen zu lassen, halte ich für keine gute Option. Er braucht Wärme und frische Luft.“ Tatenkräftig packte er zu. Trotz seiner kräftigen Figur war es schwierig, umständlich den grossgewachsenen Pol über die beweglichen Hindernisse zu heben. Also packte Sunta kurzerhand ihn unter den Knien an. Gemeinsam war es leichter ihn im Halbdunkel sicher nach draussen zu transportieren. Als sie den Ausgang erreichten, tänzelte Mika unruhig auf der Stelle. Gerne lobte Sunta. „Ja, super gemacht Mika. Du bist einfach toll! Du bist echt die Beste.“
Mikas aufgeregtes Verhalten zeigte deutlich was sie von Anfang an hatte ihrem Floh zeigen wollen. Ganz nahe schnüffelte sie Pol an. Wollte sich überzeugen, dass sie richtig lag. Sunta beruhigte. „Er schläft nur. Er ist einfach wahnsinnig erschöpft auch von seinen Verletzungen.“ Da zuckte Mikas empfindliche Nase ziemlich schnaubend zurück. Ein paar Sekunden betrachtete die Drachdame den aufgespürten Bekannten. Dann wandte sie sich kopfschüttelnd ab und watschelte davon. Berino überlegte noch wie sie den Verletzten am einfachsten, möglichst schmerzfrei, ein ganzes Stockwerk höher bekamen. Da trottete Mika gemütlich wieder zu ihnen. Ob sie bemerkte, dass man ihre Hilfe benötigte? Bevor sich Sunta über die unnatürlich aufgeblähten Backen wunderte, spritzte ein Schwall kaltes Wasser gezielt auf Pol hinunter. Entsetzt sprang Berino hilflos auf die Seite um nicht selber unfreiwillig zu Duschen. Indessen schnappte ein aufgeschreckter Pol nach Luft. Verschluckte sich, hustete und strampelte wild um sich herum. Es nützte nichts. Gnadenlos entleerte sich ein kleiner Poolinhalt über ihn herab. Sunta selber erwischte ein scharfer Stiefeltritt in die Waden, bevor sie Abstand einlegte. Immerhin beförderte sie der unsanfte Stoss ausser Reichweite des kurzzeitigen Wasserfalls. Sich das schmerzhafte Bein reibend meinte sie versöhnlich. „Immerhin haben wir jetzt den Beweis, dass sein Rücken keinen Schaden hat.“ Nachdem der kalte Schwall versiegte blieben alle ein wenig geschockt an ihrer Stelle stehen. Probeweise schnüffelte Mika von ihrer erhöhten Kopfstellung aus nach unten. Das rümpfen der Nase verriet; etwas war ihr nicht genug sauber. Trotz Suntas lautem Protest trottete sie erneut zum alten Wassertrog. Berino schnappte nach Luft ehe er ihr zurief. „Sunta, bleib hier. Ich hole die trockenen Decken von oben und das grosse Fell. Besser du ziehst ihn vor der letzten Dusche komplett aus. Danach schaffen wir ihn hoch in die Wärme. Keine Sorge, Pol. Du wirst es überleben.“ Ein schwacher Trost für den zitternden Pol. Hilflos musste er mitansehen wie seine zerfetzte Kleidung ganz zerschnitten, teilweise kurzerhand gerissen wurde und er noch erbärmlicher schlotterte. Wobei Suntas Hände nicht weniger zitterten, als sie den dünnen Pol von der schmutzigen Lederkleidung befreite. Ihre wirren Gedanken rasten. Freude, Erleichterung, dass ihr Pol tatsächlich lebt. Sorge um seine angeschlagene Gesundheit und wegen ihrer vertrauten Verbindung waren da noch so viele Empfindungen die es ihr schwer machten ihre Finger auf die tatsächliche Arbeit zu konzentrieren.
Unausweichlich kam die letzte Dusche. Was Sunta verblüffte, das Mika das Wasser erstaunlich lange im aufgeblähten Mund zurückbehielt, als wollte sie es vorwärmen. Nachdem der letzte heftige Wasserstrahl Pol gänzlich säuberte, dankte Sunta ihrem Drachen. Sichtlich stolz schüttelte sie ihren langen Hals. Da winkte Sunta sie schon näher. „Mund auf“. Ein klarer Befehl den Mika gut verstand. Mit einem Fuss balancierte Sunta auf einem der harten Unterzähne und hielt sich dabei an einem der langen oberen Eckzähne fest. Ohne ein weiteres nötiges Wort, hob Mika gelehrsam Sunta ganz nahe zu Pol hin. Berino beobachtete dies mit einem Hauch von Unbehagen. Er vertraute Mika. Doch eine kleine Ungeschicklichkeit, selbst eine ungewollte Geste, konnte ziemlich verheerend sein. Rasch wickelte er Pol in die harte, robuste Felleinlage. „Mika, wärst du so lieb.“ Während Sunta den sitzenden Pol im Gleichgewicht behielt, sprang Berino flink das Stockwerk nach oben hoch. Allerdings benötigte er einen kurz hervorstehenden Stützträger als Zwischenlandung. Bewundernd verfolgte Sunta seine so flüssige Leichtigkeit trotz dem schwierigen Sprung. Beinahe hatte sie vergessen wie hervorragend geschickt die Wüstenbewohner waren. Unter ihrer warmen Handfläche war sie sich aber gleichzeitig bewusst, wie kalt Pols Schulter war. Im selben Moment ahnte sie die Schwierigkeiten voraus in denen sie steckte. Sie brauchte Berinos unerschütterliche Stärke und gleichzeitig sehnte sie sich nach Pols Nähe. Ohne zu zögern hob Berino oben den Verletzten auf, als trüge er nicht mehr als ein leichtes Kleinkind in den Armen. Sunta brauchte eine nachdenkliche Sekunde, ehe sie hinterher hastete. Inzwischen war der lästige Qualm des feuchten Holzes längst abgezogen. Dafür wärmten heisse Gluten die zwei verbundenen Zimmer. Ein paar rasche Handgriffe reichten aus, damit eine Zimmerecke frei wurde. Behutsam legte Berino den stillen Pol so auf den Boden nieder, dass die Felldecke wieder als polsternde Unterlage diente und ein anderer Teil ihn von der kalten Rückwand schützte. Mit einem weiteren, ziemlich löchrigen Wollumhang, deckte er den langen Pol notdürftig zu. Dann startete er den gründlichen Untersuch der letzten gefährlichen Tannennadeln. Suntas Hände, welche eine Laterne hielten in der eine angezündete Kerze brannte, zitterten angesichts der vielen kleinen Verletzungen. Vor und Nachteil dieser Nadeln war ihre erstaunliche Robustheit. Trotz Pols gepolsterter Fliegerkleidung waren mehr als eine Handvoll vielerorts eingedrungen. Da Sunta vor der Dusche Pols die letzte Kleidung entfernt hatte, sah man jetzt vor allem die vielen blutenden Stellen. Wie kleine gerötete Insektenstiche die sofort leichte Entzündungen auslösten. Selten steckte da noch eine abgebrochene Nadelspitze drin. Duldsam bohrte Berino mit einem schmalen Messer die blutenden Stellen, zur Sicherheit ganz sauber. Sunta konnte ihm dabei kaum zusehen. Obwohl Pol die schmerzhafte Prozedur mit zusammengepressten Lippen schweigend durchhielt, litt Sunta mit ihm. In den schlimmsten Momenten schloss Pol gequält seine Augen zusammen. Manchmal lag es jedoch nicht an den brennenden Schmerzen, sondern auch wegen der ungewohnten Helligkeit, die eine zusätzlich aufgestellte Öllampe ausströmte. Berino merkte es als erstes. „Zulange in der Dunkelheit gelegen. Bleib schön wach! In der späteren Nacht kannst du dann besser schlafen. Gewöhne dich lieber rasch wieder an einen Tagesrhythmus, denn wir brauchen morgen jede noch so schwache Hand um uns für mehrere hundert Leute einzurichten. Deine wenigen überlebenden Volksleute haben nämlich beschlossen bald bei uns einzuziehen.“ Darauf lächelte Pol schwach. Für einen kurzen Moment. Ehe er den Ernst begriff. Flüsterte heiser. „Das wird ein ziemliches Chaos.“ Doch Sunta lächelte zuversichtlich zu ihm runter. Alleine um ihm näher zu sein beugte sie sich vor. „Wir haben gute Zukunftsaussichten. Wenn wir bis nächsten Sommer gut auf eine Kuh Herde aufpassen, liefern uns die Eigentümer als Bezahlung wertvolle Werkzeuge. Ich hoffe man rettet noch ein paar von den Seidenraupen aus den Höhlen, dann wären wir interessanter auf dem Handelsmarkt.“ „Autsch“, beschwerte sich Pol über eine weitere gesäuberte Wunde, ehe er Sunta in die Augen sah. Vollkommen ernst dachte er weiter. „Wer hat Angeboten mit uns Handel zu treiben? Wer sind die, welche keine Kataner fürchten?“ Diesmal freute sich Sunta darauf seine kalte Hand in die ihren zu nehmen. Es tat so gut zu spüren, wie seine Körperwärme stetig zunahm. Was er auch Berinos fachkundigen Händen verdanke, welcher rasch die lange Beinwunde versorgte. Erfreut informierte sie Pol. „Keine Ahnung wie diese Menschenrasse heisst. Jedenfalls können sie Feuerbälle aus ihren blossen Händen abschiessen, so wie Drachen Feuer spucken. Die Kataner haben sogar Angst vor denen. Der Krieger Kironimek hat eine normale menschliche Gefährtin. Also denke ich sie haben das Herz am rechten Fleck. Jedenfalls ist die gute Nachricht, dass die beiden die letzten Katanerschiffe in unserem Luftraum zerstört haben. Ihre Botschaft lautete auch, dass der Krieg mit den Kataner vorüber sei. Ab jetzt geht es vorwärts.“
Pol schnaubte mit geschlossenen Augen, ehe er zu Berion rüber blinzelte. „Sie ist zu vertrauensselig.“ Berino nickte breit schmunzelnd ihm zu. „Aber sie ist bei uns in guten Händen. Du bist selber in sicherer Obhut. Klump wird ein funktionierendes Lager hier in der Gegend organisieren. Und wir werden uns, sobald das Überleben für die Leute gewährleistet ist, etwas zurück in die Wälder ziehen.“ Verunsichert murmelte Pol. „Wir? Also Ihr?“ Selbst in seinem verletzten Zustand bemerkte er, dass zwischen Sunta und Berino eine gewisse engere Vertrautheit herrschte. Da war wieder der störende Stich in Suntas Brust. Ein grosser Teil von ihr fühlte sich schuldig, dass sie nicht länger auf Pol Verbleib gewartet hatte. In diesem Moment legte Berino vertraulich einen Arm über Suntas Schultern und gleichzeitig nahm er Pols freie Hand in seine kräftigen Pranken. „Was kommt wird geschehen. Wir drei arrangieren uns schon mit der Zeit. Erst einmal ist eine enge Zusammenarbeit wichtig um den harten, kargen Winter zu überstehen. Sind wir uns da einig?“
Erleichtert nickte Sunta. Unschlüssig was er von dem ganzen Halten soll, schloss Pol einfachhalber seine Augen. Murmelte. „Müde.“ Sunta konnte sich nicht zurückhalten und strich mit dem Handrücken über seine eingefallenen, bleichen Wangen. Berino erkannte, dass er sie nicht so einfach von Pols Seite mehr wegbekam. Entschied sich also fürs Praktische. „Also ich hole jetzt ein paar von diesen Dosen hoch.“ Mit einem zuversichtlichen Nicken erhob er sich. Sunta riet ihm. „Nimm am besten die kleineren. Dann haben wir eine grössere Auswahl was uns am besten schmeckt“. Bevor Berino aus den Raum trat, warf er ein paar der getrockneten Äste über die glühenden Kohlen. Legte ein paar feuchtere ganz nahe an den glühenden Ofen. Lächelnd sah er zu der besorgten Sunta hinüber. Deren Kleidung war auch noch etwas feucht. „Wenn ich dir eine Empfehlung geben darf; nichts lässt einen Mann schneller heilen als eine nackte Frau an seiner Seite.“ Er schaffte es tatsächlich das Sunta geschockt zu ihm rüber blickte. Ehe sie unsicher stotterte. „Du willst…. Du meinst?“ „Also mir würde das gefallen und ich wette meine gesamten Besitztümer drauf, dass Pol nichts dagegen hätte. Auf jeden Fall bringt es seine müden Lebensgeister auf Trab.“ Mit einem schelmischen Augenzwinkern verabschiedete er sich. Entgeistert sah ihm Sunta nach. So ein Vorschlag kam ausgerechnet von ihm? Sie schüttelte den Kopf. Anderseits war es ja in seinem Lager normal gewesen, dass eine Frau mit zwei Männern gleichzeitig das Lager teilte. Die anstössigen Bilder von der berüchtigten Geburtstagsparty verschob sie besser wieder tief in ihrem Innern. Sie war nicht so aufgewachsen. Eigentlich sollte sie zu Pol Abstand halten um ihm die Chance auf eine eigene glückliche Familie zu gewährleisten. Jemand der besser zu ihm passte, der aus den Wüstenregionen stammte. Alleine der Gedanke wie er jemals eine andere Frau, alles andere als Schwesterlich berührte, tat so Weh in ihrem Inneren. Sie schüttelte erneut den Kopf, als sie bemerkte wie eine kühle Hand über ihre streifte. Ihre Augen suchte die Stelle dieser sanften Berührung. Er hatte selber zaghaft seine Hand über ihre gelegt. Leise bat er. „Lege dich doch einfach mit den Kleidern neben mich“. Da war er wieder. Den anständigen Pol den sie kannte. Die warme Energie wo ihre Hände zusammentrafen, lies sie zum letztem Mal den Kopf schütteln. Haut an Haut, das lies ihre Wangen immer noch peinlich rot werden. Entschlossen zog sie sich aus. Pol keuchte als sie wirklich nackt neben ihm unter das Fell schlüpfte. Sobald er ihre blossen, hellen Brüste sah, war er unfähig gewesen die Augen von ihr zu nehmen. Hinweg war die gute Erziehung. Er sah sie ein paar Sekunden überwältigt an, ehe sich sein Gehirn halbwegs einschaltete. Wohl eher sein Verstand der sie entschlossen umarmte genauso wie sie ihn. Ein wenig scheu legte sie ihren Kopf auf seine wärmende Brust nieder, während ihre neugierigen Finger von der Brust über seine Rippen nach unten glitten. Sie fand ihn entsetzlich dünn. Sein, „Warte“, lies kurz ihre Finger innehalten. Er griff nach einem Tonkrug der abgekochten Tee beinhaltete. Beim Trinken bemerkte er ihren forschen Blick. Mit zitternden Finger stellte er den fast leeren Krug zurück. Als Sunta den kleinen Tropfen auf seiner vollen Unterlippe bemerkte, beugte sie sich rasch vor und lecke ihn ab. Völlig gebannt starrte Pol nun hellwach in ihre halb gesenkten Augen. Er war nicht nur überrascht, sondern völlig überrumpelt. Maha hätte ihn eventuell geküsst, aber nie so verführerisch abgeleckt. Aber wer war schon Maha? Seine Exverlobte war nach diesem Erlebnis definitiv aus seinen Gehirnzellen verbannt. „Pol?“ Ihre fragende Stimme löste ihn aus seiner Starre. Nun wusste er kaum wohin er seine Hände als erstes legen sollte. Von ihren so weich geformten Schultern, zu dem weichen Busen mit den harten Spitzen. Absolut sein Lieblingsplatz. Auch hielt er fest eine Hand um ihre gepolsterten Hüften, als würde er ihr nicht mehr erlauben mehr Abstand einzulegen. Genießerisch lies er seine Hand bis zu ihrem gerundeten Hintern gleiten. Das war endlich ein perfekter Körper. Hier getraute er sich zuzufassen und schob sie entschlossen näher, dass sie halb auf ihm lag. Sie kicherte leise und sah in seine verträumten Augen, die so viel Wärme beinhaltete. Als ihre achtsamen Fingerkuppen auf etwas Spitziges in seinem Nacken stiess, hielt sie inne. Sorgsam entfernte sie hoffentlich die letzte Tannennadel aus seinem Körper. Strich ihm die langen Haare zurück über die Schultern. Langsam formte sich seine Geschichte heraus. Ein verheerender Absturz inmitten so einem Nadelbaumnest konnte ihn vorübergehend kaum ausser Gefecht setzen, es sei denn er hatte ein paar dieser hochgefährlichen Nadeln in den Mund gekommen. Seine ehemaligen Worte; ohne dich könnte ich hier draussen kaum überleben. Er besass absolut keine Kenntnisse wie man einen Jagdbogen baute. Nicht mal eine schlichte Steinschleuder für Vögel. Wie hatte er die letzten Tage in der Vorratskammer überlebt, wenn alle Dosen verschlossen waren? Über den Pass zu marschieren, mit seinem tiefen Schnitt im Bein war zu riskant gewesen. Selbst sie sah ein, wie klug seine Entscheidung war, zu ihrem Bauernhof zu wandern. Seine Stimme so glücklich. „Ich bin so froh dich an meiner Seite zu haben. Ich glaube ich träume noch.“ Suntas streichelnde Hände die an seiner Seite entlang glitten, bis sie sich wieder oben in seinem Nacken trafen. Er merkte wohl ihre tastenden Finger die unter seiner dichten, wirren Haarpracht nach weiteren Nadeln suchten. Im Gegenzug zu Berino war sie viel sanfter. Aber wer wollte sich beschweren, wenn sie so ihre Arme hob und im Gegenzug sich ihre herrlichen Brüste ihm so verlockend entgegen reckten wie zwei süsse, reife Früchte. Gerade als er sie kosten wollte, platzte zu seinem Leidwesen Berino in den Raum hinein. Als er die zwei so dicht beieinander sah, grinste er zufrieden. Während sich Pols Ausdruck sekündlich verdüsterte. Vor allem als er die glänzenden Behälter in Berions Händen sichtete. „Was wollte ihr mit den Dingern? So dicht am Feuer sind die gefährlich!“
Stumm sahen sich die anderen Zwei an. Es war Sunta die sich erkundigte. „Du hast wohl auch keine Ahnung was da drin ist?“ „Klar, das ist die Munition zum Abschiessen der verschiedensten Spezies. Ein Bestandteil des katanischen Waffenarsenals.“ Lachend schüttelte Sunta den Kopf. Ehe sie halb korrigierte, „Nun, das wäre nur halb Richtig. Eines dieser Dinger an den Kopf zu bekommen wäre in der Tat sehr tödlich. Berino dürfte ich dein robustes Messer?“ Sobald sie es in den Händen hielt, richtete sie sich halb auf. Etwas langsamer folgte Pol hinterher. Nur um ihr rasch eine der zusätzlichen Decken schicklich über dem sonst sichtbaren Busen zuzuhalten. Berino ignorierte sein führsorgliches Verhalten. Er würde ihn ein anderes Mal informierten, wie überflüssig das in seiner Anwesenheit war. Stattdessen verfolgte er gespannt wie Sunta mit der scharfen Klinge am inneren Rand entlang glitt. Schon nach der Hälfte drückte sie den Deckel kurzerhand hoch. Mit riesiger Freude fischte sie eine rote Kirsche heraus von welcher ein dicker Zuckersirup tropfte. Diese seltene Delikatesse wuchs überhaupt nicht in ihrem Teil des Landes. “Mund auf“, forderte Pol zu einer Reaktion auf. Verdutzt sperrte er brav seinen Mund auf. Fröhlich legte ihm Sunta die weiche Frucht auf seine Zunge nieder. Sie meinte neckisch. „Dann lass uns mal sehen wie Pol die hochexplosive Munition schmeckt.“ Sobald er die Kirsche auf seiner Zunge herumrollte und die Süsse, vermischt mit dem fruchtigen Aroma, seine Geschmacksnerven zum Jubeln animierte, verschluckte er sich beinahe. So sehr überwältigte ihn dieses Erlebnis. Während er sich noch räusperte um die Atemwege wieder freizukommen, klopfte Sunta ihm sachte auf den Rücken. Er nickte, mit Tränen in den Augen. „Es schmeckt unglaublich.“ Er sah überwältigt auf die geöffnete Dose hinunter und tatsächlich rollte ihm da eine einsame Träne über die Wangen. Schniefend wischte er hastig die feuchte Spur weg. Diesmal mit erstaunlich kräftiger Stimme klang er ziemlich verärgert. „Das darf nicht wahr sein. Ich war am Verhungern. Kann kaum aufstehen und das…“ Anschuldigend starrte er böse auf die vollen Blechdosen. „Das liegt einfach gut verpackt neben mir? In Griffweite! Ich wollte mich am Ende nur noch umbringen und habe sogar versucht eine dieser Munition Kapseln zum Explodieren zu bringen. Sie ist explodiert aber der Inhalt bestand nur aus einer säuerlichen, bitteren Schmiere. Ungeniessbar! Mir haben von dem lauten Knall ausserdem fürchterlich die Ohren geschmerzt. Ich wollte letzte Nacht oder war es Tag einfach nur sterben? Ich habe kein Zeitgefühl mehr.“ Fassungslos sah er auf Suntas Hände. Die reichte ihm rasch die Köstlichkeit hoch. „Pol, du hast das Dessert echt verdient. Lass den Frust nächstes Mal lieber an einer leeren Dose ab. Weisst du dadurch, dass die Hitze nicht entweichen kann, neigen geschlossene Behälter einfach zum Explodieren. Egal mit was für einem Inhalt sie abfüllt wurden.“ Berino lachte befreit auf. „Die Kirschen hast du in der Tat verdient. Wenn auch bei mir alte, schöne Erinnerung an frische dunkelrote Kirschen von Baum aufkommen.“ Pol fischte ein paar der Kirschen aus der Zuckersauce und reichte dann den Behälter zu Berino hin. „Wir teilen“, riet er Brüderlich. Anerkennend klopfte der ihm auf die Schultern. „Ich mag dich. Sunta hat einen guten Geschmack. Ah, da kommt unsere erste Verstärkung.“ Keine Sekunde später platzte Skella putzmunter ins Zimmer hinein. Begleitet vom frischen Nachtwind, der Sunta gleich schneller zu Pol unter die Decke kriechen liess. Eine ziemliche tierische Ausdünstung vom verschwitzten Fell der Wüstengazellen, verpestete kurz darauf das Zimmer. Als Gegenmassnahmen legte Berino ein paar aromatisierende Kräuter auf die Kohlen. Der aufsteigende, kräuselnde Rauch verteilte ein bittersüsses Aroma. Mäuschen folgte stiller hinter Skella in den Innenraum. Ohne Aufforderung zog Skella die stinkenden Hosen aus. Angelte sich eine der löchrigen Decken. „Ich habe Hunger!“ Ganz die selbstständige Kriegerin hätte sie beinahe Berino die Dose aus den Händen geangelt. Doch er war schneller. Reichte sie Pol hinüber und warnte. „Finger weg. Pol braucht die zusätzlichen Kalorien!“ Skeptisch musterte Skella erst Pol gründlich, ehe sie Berino unzufrieden anfuhr. „Ach ja, du naschst aber auch! Brauchst du etwa auch Kalorien? Ich mag mich erinnern, dass deine letzte Nacht nicht so anstrengend war.“
Ganz ruhig stand Berino mit einem geheimnisvollen Lächeln auf. Aus diesem Lächeln wurde Sunta nicht schlau. Trotzdem spürte sie eine verborgene, gefährliche Note hinter dem freundlichen Ausdruck. Hier ging es eindeutig um Klärung der Rangordnung. Ziemlich schnell senkte Skella ihren Blick. „Schon gut, ist ja Suppe im Überfluss da.“ Die Decke befestigte sie wie einen Rock um ihre Hüften und setzte sich auf eine der silbrigen Dosen nieder. „Man sind die aber unbequem.“ Beschwerte sie sich. Als ihr Blick abermals auf die süssliche Verlockung fiel, die Pol in den Händen hielt. Erst da dämmerte ihr auf was sie sass. Überrascht sprang sie in die Höhe. Sunta konnte sich nicht verkneifen zu sagen. „Die brauchst du aber vorher nicht auszubrüten. Die sind auch ungewärmt geniessbar.“ Selbst Pol lachte leise los. Skella horchte auf. „Wen haben wir den da neues? Willst du uns nicht vorstellen?“ Sunta kam Pol zuvor. „Das ist Pol. Er ist, er war einer der obersten Quartiermeister und gehört zugleich der Drachenreiter Elite an.“ Der Nämliche staunte überrascht mit welchem Status er vorgestellt wurde. Genoss die Anerkennung Suntas zu sehr um sie zu korrigieren. Eigentlich war er bloss Ersatzmann in der sogenannten Drachenelite. Als sich Skella vorbeugte hielt er kurz den Atem an. Vor allem als er feststellte wie Nahe sie an seinem Hals schnupperte. Kurzerhand zerrte er das Fell höher um seinen mageren Oberkörper zu bedecken. Nach einem tiefen Atemzug setzte sich Skella zurück zu den wärmenden Kohlen. Während sie mit einer Holzkelle Suppe in eine der Schüssel abfüllte, funkelten ihre Augen über den Rand hinweg erst zu Sunta, dann zu Berino hinüber. „Sie hat sich also die zwei besten Männer geschnappt. Ich sollte mich besser auf eine heilige Mission schicken lassen.“ Ihr trockener Kommentar. Berino lachte eher spöttisch auf. „Glaub mir, schlichte Kleidung und eine keusche Enthaltsamkeit passen überhaupt nicht zu dir. Die Hohen würden dich schon nach dem ersten Abend wieder aus ihren heiligen Hallen werfen.“ Verstimmt verzog Skella das Gesicht. Es konnte aber auch an Berinos mangelhaften Kochkünsten liegen. „Mach ja keine Scherze darüber. Ich habe eine längere Partnerpausen hinter mir als du. Hey, Hübscher, hast du Geschwister? Ein paar ungebundene Brüder?“ Pol schluckte hektisch seine letzte Kirsche hinunter, ehe ihm ehrlich entfuhr. „Vor dem zerstörerischen Überfall hatte ich eine Menge Verwandte. Allerdings keine näheren Geschwister.“ Rasch legte ihm Sunta eine Hand tröstend auf die nun warme Schulter. „Dein Grossvater Klump, einer der Ältesten, lebt noch.“ Sachte begann sie sein verfilztes Haar entwirren. Beinah verächtlich kam es Skella über die Lippen, „Klump, war ja klar. Zum Glück stammt meine Familie von einer berühmten Heilerin ab die einen tadellosen Ruf hat. So wie sich Klump vermehrt ist es ein Wunder, dass es bisher keine Fälle von Inzests gegeben hat.“ Sanft meinte Berino. „Skella bitte. Soviel Bitterkeit passt nicht zu dir. Auch du wirst wieder die Arme eines geliebten Gefährten finden.“ „Eines führsorglichen Partners reicht mir vollkommen,“ verbesserte sie ihn rasch. „Denn einen anderen perfekten Gefährten als mein verstorbenen Pfeilon wird es sicher nicht geben. Nicht in meiner jetzigen Lebenszeit. Vielleicht im nächsten Leben.“ Berino öffnete bereits zwei andere Dosen. Beim einem erkannte man einen tomatigen Geruch. Fragend hielt er die zweite Sunta entgegen. Die nickte, „Das sind gefüllte Teigtaschen. Normalerweise sollte man die über dem Feuer grillen. Ich würde das Öl abgiessen. Dann eine leere Dose mit halb Tomatensauce und Teigtaschen füllen. Einmal aufkochen, fertig.“ Zufrieden nickte Berino. Sah dann wieder Skella an. „Das mag ja alles stimmen. Aber du sehnst dich nach einem Gefährten. Deine Trauerjahre sind längst vorbei. Niemand hat länger als ein Jahrzehnt seine Felle komplett vor anderen verschlossen.“ Nachdenklich sah Skella in den aufflackernden Feuerschein. „Mein neuer Gefährte muss auf jeden Fall wieder ein treuer bodenständiger Kerl sein. Keiner der ständig allen Festen nachjagt oder gar anderen Frauen. Eine kleine Familie. Das habe ich mir all die Jahrhunderte gewünscht.“ Zuversichtlich nickte Berino. „Das wirst du auch finden. Zeit haben wir jetzt genug. Spätestens, wenn nächstes Jahr das grosse Handeln und Feilschen losgeht, blüht unsere Gesellschaft richtig auf. Haben wir eigentlich den Ältesten informiert, dass wir nächstes Jahr, von einem anderen Volk Unterstützung erhalten?“ Sunta verschluckte sich halb an einer lauwarmen Saucentomate. „Ich wusste, ich habe was vergessen. Auch das wir jetzt genug Vorräte für mehr als einen Winter haben und Pol hier ist, wäre das eventuell eine Brieftaube wert. Was gibt’s als nächstes?“ Damit verfolgten alle gespannt was Berino aus der nächsten Dose hervorzauberte. Grüne Erbsen mit eingelegten Karotten landeten zusammen mit ein wenig Tomatensauce zum Aufwärmen in den nächsten Topf. Genau wie bestellt fand Berino zum Abschluss einen Volltreffer mit süssen Ananasringen, die im eigenen Saft gelagert wurden. Pol tauschte sogar seine restliche Kirschdose gegen einen dieser gelben Ringe ein. Kaum jemand sagte während des Essen ein Wort, ausser wie gut es schmeckte. Erst gegen Ende entfuhr Berino ein dankendenes, „Kerikius, König über alle Könige, Danke für das perfekte Festmahl.“ Pol sah verdutzt zu ihm rüber. Er zögerte erst, ehe er erzählte. „Als ich da unten so verzweifelt war, glaubte zu sterben, hoffte bald zu sterben, da habe ich auch seit langem wieder gebetet. Im nächsten wachen Moment seid ihr aufgetaucht. Sunta, wenn du die Taube schickst, bitte meine Leute ob sie die alten Schriften mitnehmen können, sofern sie erhalten geblieben sind.“ Berino staunte. „Ihr hab noch Abschriften? Man merkt das du auf dem Weg der Besserung bist. Du wirst bald sie Prüfung für die Ältesten beginnen.“ Ohne weiter nachzudenken fragte Pol geradewegs. „Kannst du mich bis dahin Unterrichten?“ Das breite Lächeln auf Berinos Gesicht liess Sunta schlimmes ahnen. Sie hatte Recht als ihr vertrauter Freund wie selbstverständlich sagte, „Trifft sich hervorragend. Wir, Sunta, ich und du werden so enger zusammenarbeiten.“ Nach dem Berino den inneren Zweifel in Sunta erkannte, zwinkerte er ihr beruhigend zu. Wandte sich aber an Pol um klarer zu formulieren. „Du bist ihr enger Lebensgefährte. Das habe ich gleich erkannt, sobald man euch zusammen sieht. Ich gehöre zu ihren Weggefährten. Dir steht das Recht zu Nachkommen zu zeugen. Aber ich nehme mir das Recht heraus sie zu begleiten, solange sie mich braucht. Wenn du mich als auch als Weggefährten akzeptierst und ziemlich sicher als zukünftiges Oberhaupt, vereinfacht das die Sachlage natürlich. Es wäre mir eine Freude euch beide zu Unterrichten. Anderseits möchte ich auch einiges über Drachen lernen und soviel ich von dir gehört habe, bist du ausreichend Qualifiziert.“ Mit gespielter Sorge sah er Sunta an, der halb der Mund offenstand. Sie wollte was sagen, fand jedoch nicht die richtigen Worte. Da sorgte sie sich über die Zukunft, wie sie das mit den zwei Männern regeln sollte und Berino nahm ihr kurzerhand alles ab. Dies mit so einer Klarheit, dass ihr Gehirn über die gemischten Gefühle ziemlich hinterherhinkten. Berino klärte es einfach. Überrascht sah sie zu ihm hoch. Es lag ein beruhigendes Lächeln in seinem Gesicht als er erklärte. „Manchmal entsteht mit der Zeit eine festere Bindung. Hin und wieder kann es auch unangenehm kesseln. Wir wollten doch nicht Wiirin Voraussage in Zweifel ziehen?“ Befreit lachte Sunta auf. „Nein, Wiirins Prognosen treffen zu. Wer könnte dem schon wiedersprechen. Ich denke ich habe verloren.“ Erneut wirkte Pol besorgt. „Wer ist Wiirin? Ein weiterer Verehrer von dir?“ Der leise Stich der Eifersucht war deutlich hervor zu hören. Die Leute vom Wüstenvolk lachten auf. Es war Skella welche die Wahrheit unverblümt heraus platzte. „Vor dem musst du keine Angst haben. Ausser vielleicht er steckt mit Sunta den Kopf zusammen um gemeinsame Streiche auszuhecken. Dann sind beiden wie unreife Kinder die zusammen viel Unfug anstellen.“ Beinahe lautlos glitt Mäuschen an Berinos Seite und streckte ihm, in einer Handfläche für die anderen verborgen, etwas hin. Zufrieden nickte er. Auf die fragenden Blicke hin erklärte er kurz. „Smesi, hat ein Händchen für Schriften. Sie kümmert sich um die Taube.“ Leise ergänzte Mäuschen. „Ich habe früher kleine Singvögel gezüchtet. Nur in unseren dunklen Wohnräumen haben die sich nicht so wohl gefühlt. Also habe ich sie alle freigelassen.“
Draussen kreischte geritztes Metall auf. Eine Schrecksekunde blickten alle geschockt drein. Es war Sutna die reflexmässig auf die Füsse sprang. Rasch schnappte sie sich eine gestrickte Wolldecke, leider mit riesigen Mottenlöcher, um ihre Nacktheit zu verbergen. Ungerne verliess sie so den warmen Raum. Doch schlimmer war es für sie so halb unschicklich an den anderen vorbei zu laufen. Wobei sie rasch bemerkte, wie wenig Beachtung man ihr schenkte. Das Wüstenvolk war ganz andere Anblicke gewohnt. Erleichtert beschleunigte sie ihre Schritte und begab sie sich zu dem aufgerissenen Rumpf hinüber. Blickte in die dunkleTiefen hinunter. Seitlich, ganz hinten hatte sich Mika ziemlich tief unter den Rumpf in die Erde eingegraben. Allerdings störte sie öfters das metallene Dach. Ihrem Kunstempfinden nach war die Wölbung des Raumschiffsboden auf die falsche Seite gerundet. Also hatte sie den Boden sogar am Rande aufgeschlitzt und nach aussen gebogen. Gegen die nächtliche Frische zog Sunta ihre Decke enger um sich. Das wenige was sie im Sternenlicht sah, reichte um hastig wieder zurück in Pols behagliches Bett zu flüchten. Den anderen Berichtete sie. „Wir brauchen uns keine Sorgen um Mika zu machen. Die übersteht den Winter problemlos. Gerade eben habe ich gesehen, wie unglaublich klug sie das Metall über ihrem Kopf nach aussen gebogen hat. Falls es regnen sollte, läuft da nicht ein Tropfen in ihre Winterhöhle. Und sie gräbt wie besessen.“ Pol legte einen seiner warmen Arme um sie. Ungefragt schmiegte sie ihren Körper näher an den seinen. Er lächelte begeistert und flüstete leise. „Wir haben alle ihre Intelligenz unterschätzt. Oder liegt es…“ Wissend deutete er zu den Dracheneiern hinüber. Sunta nickte. „Ja, sie weiss, dass wir sie haben. Auf jeden Fall kommt sie bestens damit zu Recht. Sobald sie ihre Höhle fertig hat, geben wir ihr die Eier in ihre Obhut.“ Smesi schnappte sich eine der Lampen und spazierte gemütlich aus dem Raum. Als sie nach ein paar Minuten wie ein Schatten zurück zu ihrem Schlafplatz glitt, nahm es Berino wunder. „Was hast du mit der Lampe gemacht?“ „Die habe ich über Mikas Eingang gehängt. So kann sie besser sehen. Ich hoffe sie beschädigt so weniger unser stabiles Hotel. Ich habe ihr jedenfalls angeraten.“ „Und du lebst noch?“ Smesi lächelte hörbar. Ging aber nicht drauf ein. Sie dachte gerade an was Anderes. „Wo schläfst du?“ „Heute mal Ausnahmsweise nicht an Suntas Seite. Aber wenn du einen warmen Platz suchst, dann kann ich dir Skella empfehlen. Wenn ich mich im Schlaf umdrehe, habe ich Angst, dass ich dir was Quetsche.“ Unentschlossen verharrte sie neben Berino. Ihr Zögern verriet ihre Unsicherheit, wohin sie sich schlussendlich wenden sollte. Pol schien tief in seinem gesunden Schlaf gesunken zu sein. Die neuen Ereignisse hielten Sunta noch etwas wach. Vor allem die prickelnde Energie, seit sie Pol so nahe war, erschreckte sie ein wenig. Da Smesi so lange verloren herumstand fragte sie leise. „Du schläfst nicht gerne alleine?“ Das Kopfschütteln war kaum vernehmbar, begleitet von einem „Nein.“ „Dann komm doch her. Die wenige Decken die wir haben, werden dich kaum nach dem ausbrennen der Kohle, wärmen. Ich glaube nicht das Pol etwas dagegen hätte, wenn du seine andere Seite warmhältst.“ „Echt,“ zögerte Smesi. Sunta klopfte energisch auf die freie Stelle, der rechten Seite von Pol. „Warm halten! Aber nicht im Schlaf auf ihn springen.“ Die Kleine benutzte die löchrige Decke als Polsterung gegen den harten Boden und drückte sich unter dem Fell an den grossgewachsenen Pol. Hastig stellte sie klar. „Er ist überhaupt nicht mein Typ! Oh… das ist so schön warm.“ Begeistert schmiegte sie sich an die so wohlige Wärme. Eingeengt in der Mitte gluckste Pol schlaftrunken. „Ich schlafe nur halb. Wenn ich daran denke, dass ich gestern daran dachte mich umzubringen und heute liegen zwei wunderschöne Frauen neben mir. Ich glaube ich bin gestorben und längst im Himmel gelandet bin.“ Energisch platzierte Sunta ihre Hand auf seinen flachen Bauch. „Träume schön weiter. Wir sind keine Jungfrauen mehr. Soviel ich gehört habe, warten im perfekten Männerparadies eine ganze Horde Jungfrauen als Hauptpreis.“ Pol stöhnte bei der Vorstellung. Er klang alles andere als erfreut. „In meinem perfekten Himmel existiert eine vollkommenere Version. Ich will nur eine, meine liebende Gefährtin die auf mich wartet oder mich in Empfang nimmt. Die eine die mich kennt, mit all unseren Höhen und Tiefen in unserem gemeinsamen Leben. Alleine die schreckliche Vorstellung, bei diesen völlig fremden Jungfrauen aufzupassen, damit ihr erstes Erlebnis nicht traumatisiert wird. Maha hat mich nach ihrem ersten Mal, den ganzen Sommer über, hingehalten. Und laut Klumps Ratschlägen habe ich nichts falsch gemacht.“ „Oh“, hauchte Sunta in die folgende Stille. Jetzt verstand sie endlich warum Pol ständig eine letzte Distanz einhielt. Damals in der Höhle und vor allem auf ihrem Land nie aufs Ganz gehen wollte. Liebkosend strichen ihre Fingerspitzen über seinen flachen Bauch. „Na dann ist ja gut, dass ich dies hinter mir habe. Und bei dem Spass, den es mir bereitet hat, freue ich mich schon auf Morgen Abend. Ich hoffe du bist dann gut erholt?“ Es dauerte bis die ankündigende Info durchsickerte. Mit belegter Stimme flüsterte er. „Bist du dir sicher? Ich meine nach all der Zeit und wie wir zuletzt…Sunta!“ Die letzten Worte grollte er tief. Kichernd drückte sie den Kopf in die Deckenfalten über seiner Brust. Ihre neugierigen Finger fanden genug Beweise. Sein Körper, vor allem seine männliche Ausstattung, sprach eine deutliche Sprache. Einfach nur glücklich, schmiegte sich Sunta an die herrliche Wärme. Entspannt wollte sie nach diesem ereignisvollen Tag die Augen schliessen. Bis Pol nach ein paar Atemzügen ihr gequält ins Ohr flüsterte. „Ich kann so nicht schlafen. Wie soll ich überhaupt schlafen? Jetzt wo ich dich endlich in meine Arme halte. Erzähle mir einfach was du nach unserem letzten Treffen gemacht hast.“ Auf der anderen Seite gab Berino einen ungläubigen Laut von sich. Müde murmelte er. „Sunta übernimmst du bitte die Führung?“ Riet er ihr. Sie lächelte leise ab dem ausgesprochenen Wunsch. Rückte platzsparend seitlich an Pol entlang. Alleine die Hand auf seine schlanken Hüften anzulegen, verstärkte ihr inneres Kribbeln. Sie dirigierte ihn zu sich näher. Wobei sie gleichzeitig ihr Bein anhob und über ihn kletterte. Mit gespreizten Beinen sass sie über seinem Bauch. Wobei sie ihr gesamtes Körpergewicht auf die seitlichen Knie verlegte um ihn nicht zu belasten. Sein bleicher Oberkörper war unter der löchrigen Decke trotzdem ganz warm geworden. Sie wussten, ahnte dass er bald mit der zusätzlichen körperlichen Arbeit noch einiges an Muskelmasse aufbaute. Obwohl er gerade ziemlich mager wirkte, fand sie ihn einfach perfekt. Lächelte ihn verträumt an, während ihre Finger seinen Oberkörper abtasteten. Mittlerweilen war von den fast ausgeglühten Kohlen nur ein Dunkelrotes Licht übrig. So ertastete sie mehr sein Gesicht. Streichelte liebevoll seine Wangen. Beugte sich vor und küsste ihn auf die willkommenen, hab geöffneten Lippen. Er hatte sie bereits erwartet. Als sie ihn gar spielerisch mit der Zunge küsste, nahm er gerne ihr Angebot an. Ihn ihm entbrannte ein Feuer. Automatisch legte er seine Hand auf ihren Hinterkopf und zog sie entschlossen näher. Bis ihm beim Luftholen einfiel wo er eigentlich war. Protestierend wollte er ihre streichelnden Hände bremsen. Es fiel ihm allgemein schwer einen klaren Gedanken zu fassen. Worte zu finden als er heiser flüsterte. „Sunta, das geht nicht. Falscher Zeitpunkt. Wir sind nicht alleine.“ Er klang ziemlich verzweifelt. Zu seinem Leid kicherten gleich zwei freche Geister neben ihm in der Dunkelheit. Anfeuernd gab Berino zum Besten. „Steh deinen Mann! Bring endlich deinen Job zu Ende!“ Skella säuselte gar mit lasiver Stimme. „Wenn du willst, mache ich gerne mit. Du wirst heute Nacht dir überhaupt nicht mehr wünschen schlafen zu wollen.“
„Nein“, klagt Pols entsetzte Stimme gequält. „ich kann doch nicht…“ Kurz darauf ein leiser Aufschrei der in einem langgezogenen Stöhnen endete. Zufrieden flüsterte Sunta. „Wie immer will dein Kopf nicht. Aber das unterhalb der Gürtellinie will definitiv.“ Entschlossen rutschte sie ein Stück tiefer. Aus seiner dunklen Ecke brummte Berino, „Sunta, mach ihn müde.“ Das schaben einer schweren Felldecke verriet, dass er ihnen den Rücken zuwandte. Ihn kümmerte kaum was sie diese Nacht anstellte. Also rutschte Sunta noch tiefer, während sie mit küssen Pol Oberkörper erkundete. Endlich durfte sie ihn so berühren, wie sie sich das schon immer in ihren Träumen wünschte. Vor allem auch in seinen wundervollen, langen Haaren vergrub sie eine ihrer Hände. Jetzt roch er verführerisch nach frischen Tannennadeln. Diesen frischen Geruch liebte sie einfach an ihm. Als sie eine besonders kitzlige Stelle bei ihm fand, fand er seine Stimme zurück. „Sunta, ich glaube kaum, dass ich dich so lieben kann wie du es wünscht, brauchst. Ich habe mich selber kaum unter Kontrolle. Jedenfalls nicht da unten wo...“ Ihr Zeigefinger liebevoll auf seine Lippen gepresst, hinderte ihn am Weitersprechen. Dann wanderten ihre Finger direkt zu seiner männlichen Pracht. Er brauchte keine weiteren Liebkosungen, war längst bereit für sie. Die Sehnsucht, endlich ein zu werden, hiess Sunta ihn in sich willkommen. Es war so vollkommen anders als sie es von Berino kannte. So viel intensiver, energiegeladener. Pol auf seine eigene Art perfekt. Das hier war mehr als nur purer Genuss seine Hitze in sich zu spüren. Ein wahres Feuerwerk von Gefühlen stachelte sie an. Jede Berührung ein Brennen, ein drängen zu einer Einheit zu verschmelzen. Intensive Gefühle die ihr beinahe Angst machten. Kein Wunder hatte sie Berino so schnell bevorzugt. Mit ihm war alles so einfach. Das hier entzog selbst ihr jede klare Sicht. Kein Denken, nur Fühlen, zusammen sein und die entfachte Leidenschaft voll auskosten. Selbst wenn es sie an die äussersten Grenzen brachte und sie glaubte an dem inneren Feuer zu verglühen. Sie wusste, dass dieses erste Zusammentreffen ziemlich rasch zu einem Ende kam. Ihr Höhepunkt genau so schnell wie seiner kam. Dieses erste Mal überrumpelte sie beide gleichermassen. Als sie ihre Stirn an seiner warmen Brust ablegte, überflutete sie das Gefühlt tiefer Geborgenheit. Ein endgültiges nach Hause kommen. Am Heben und Senken ihrer bebenden Unterlage merkte sie, dass er genauso ausser Atem war. Im Dunkeln hörte sie sein entspanntes, glückliches Lächeln. Matt seine liebevoll geflüsterten Worte. „Sunta, ich wünschte ich wäre in einer besseren Verfassung um unser Vergnügen zu verlängern.“ Ihre Lippen küssten die warme Haut unter ihr. „Wir haben Zeit. Jahre, ganze Jahrzehnte. Ihr seid ja ein langlebiges Volk, habe ich gehört.“ Bei seinem tiefen lachen vibrierte der Brustkorb unter ihren Wangen. Er nickte. „Ja, das sind wir. Wenn ich dich erst in das Geheimnis eingeweiht habe, wirst auch du ein paar weitere hundert Jahre leben.“ Sie wollte sich neben ihn legen, doch er hielt sie entschlossen fest. „Bleib. Ich geniesse deine Nähe auf mir zu sehr.“ Wissend lächelte Sunta. Pol war ein Mensch der gerne die Nähe einer vertrauten Person genoss. Kein Wunder hatte das mit der völlig gegensätzlichen Maha nie funktioniert. Er küsste ihre Stirn und liess seine Hand bewundernd durch ihr seidiges Haar gleiten. „Ach Sunta. Ich möchte dir so viel von unserem Volk beibringen und gleichzeitig so viel von dir lernen, dass…“
„Sunta,“ brummte es missmutig von der anderen Raumseite. „Geh in die zweite Runde. Sag ihm wir haben erst Morgen wieder die volle Energie um ihm unsere Geheimnisse und Bräuche beizubringen. Vorausgesetzt er lässt uns endlich schlafen.“ Pol gluckte unbeeindruckt. „Dir auch eine gute Nacht.“ „Friede und gutes gelingen möge einziehen“, kam postwendend die Antwort des Ältesten. Worauf Skella und Smesi dies leise wiederholten. Nachträglich murmelte es Sunta dazu, einfach weil es eben angebracht schien. Gemeinsame Ruhe kehrte ein.
Das letzte Kapitel:
Kalter Eisregen peitschte von einem stürmischen Wind getrieben in alle Regionen vor. Unentschlossen schüttete es einmal vorne ins Gesicht, dann folgte ein gemeiner feuchter Angriff in den warmen Nacken. Mal öffneten sich die Schleusentore des tief verhangenen Himmels, als gäbe es einen See auszuleeren, dann wieder tanzten feuchte Schneeflocken wie leichte Federn zu Boden. Einzig Mikas massiver Erdwall verhinderten erfolgreich das Eindringen von jeglicher Feuchtigkeit des winterlichen Sturmes in ihren Rückzugsort. Müde von der anstrengenden Nachtarbeit ruhte sie zusammengerollt in ihrem erstaunlich grossen Bunker. Die riesige ausgeschaufelte Erdmasse ruhte wie ein schützender Damm um ihr neues Domizil und bildete sogar vorne beim Einstieg in den Raumgleiter eine bequeme Rampe. Sunta glaubte kaum, dies sei zufällig entstanden. Doch Pol zweifelte diese weitreichenden Intelligenz des Drachens an. Er hielt es für undenkbar, dass ein Nutzdrache wie Mika, sozusagen ein gütiges Geschenk, eine praktische Rampe für menschliche Grössen basteln sollte. Erst Berinos Äusserung brachte die naheliegende Erklärung. „Die hat nicht gewusst wohin mit all der überschüssigen Erde. Da sie aber ein sauberes Nest mit geschützter Umgebung bevorzugt, hat sie uns das unnötige Baumaterial vor die Füsse gelegt. So einfach.“ Auf seine Anweisungen hin, trug man eines der Dracheneier in ihre Nähe. Selbst im Halbschlaf, funktionierten Mikas Lebensgeister. Wenn auch mit verlangsamter Verzögerung. Behutsam rollte sie das kostbare Ei unter ihren nun völlig abgestumpften Krallen zu ihrem seitlichen Bauch heran. Schützend senkte sie eine Schwinge darüber. Aus eigener Erfahrung wusste Sunta ja bereits wie angenehm warm es dort war. Bei Mika würde die Bruttemperatur perfekt sein. Nach kurzer Absprache gab Berino sogar das okay für alle Eier. Mika schnurrte förmlich in ihrem Glückszustand. Jedenfalls ertönte ein seltsames anhaltendes Grollen, als sie die die Eier in die richtige Position schupste.
Sunta organisiere als vorübergehende Küchenchefin zum Frühstück eine gewöhnungsbedürftige, pürierte Erbsensuppe mit fadem Fladenbrot. Mehl hatte man zwar gefunden, aber kein Salz zum würzen. Immerhin wusste Sunta noch aus Grossmutters Notrezepten, das vom verbrannten Holz der Bäume, die weisse Asche wie ein Backmittel funktionierte. So litten nur die verwöhnten Gaumen und nicht die Zähne. Selbst wenn das besondere Essen kaum Beliebtheit erfreute, zögerte man alleine wegen dem anhaltenden miesen Wetter das Frühstück hinaus. Eigentlich freute sich nur Skella, da sie gedachte die eintönige Architektur der einteilenden Zimmer umzugestalten. Nachdenklich stand Berino lange Zeit vor dem offenen, kühlen Ausgang und spähte durch den tristen Regenvorhang hinaus. Nach dem Abwasch gesellte sich Sunta an seine Seite. Obwohl es ihr schwerfiel Pol alleine zu lassen. Doch nach dem kleinen Frühstück genehmigte er sich ein erholsames, stärkendes Nickerchen. Die zweite späte, oder besser sehr frühe Runde hatte ihn ziemlich erschöpft. Schweigend verharrte Sunta neben Berino und genoss die angenehme Stille zwischen ihnen. Alleine seine vertraute, angenehme Anwesenheit hüllte sie willkommen ein. Er wirkte trotz der einsamen Nacht vollkommen zufrieden. Freute sich ab ihrem neuen Glück. Erst nach einer nachdenklichen Weile fragte er mit tieferem ernst. „Du kennst die Umgebung am besten. Wo sind die ertragreichsten Felder?“ „Wenn wir eine Kanalbewässerung einbauen, ist der Abschnitt hinter dem Hotel geradezu ideal für Weiden. Für fruchtbaren Ackerboden kann ich die Richtung des früheren Dorfes empfehlen. Es ist dort zwar trockener, aber der Platz ist vor launischen Überschwemmungen geschützt. Die Weide wäre mir auch lieber hier, da der Flussbogen eine natürliche Barriere bildet. Später wäre vielleicht ein ausgebauter Weg in die Berge ideal, um im in den folgenden Jahren eine Überwinterung in einer der Berghöhlen zu beginnen. Sofern wir genug Winterheu sammeln, absolut ein Vorteil dort oben in einem geschützten Raum die trächtigen Kühe unterzubringen. Hier unten im Tal, brauchen wir dringend einen überdachten Unterstand. Vielleicht könnte man sogar den alten Kochherd in die Mitte setzen und auf der Stallüberdachung ein Gästehaus einrichten? Man würde zweimal von der Wärme profitieren. Eine Fussbodenheizung kann im Winter sehr angenehm sein.“ „Die Idee gefällt mir. Wir stehen aber ziemlich unter Zeitdruck, daher sollten wir erst einen Zaun errichten um erkrankte oder schwache Tier auszusortieren. So eine riesige Masse an Tierhaltung ist für mich Neuland.“ Er beugte sich vor und küsste zärtlich ihre kühle Stirn. „Aber mit dir zusammen, sehe ich in eine gute stabile Zukunft. Meine kleine Sorge ist eher wie Mika mit dem Winter zurechtkommt. Obwohl ihr verlangsamte Mechanismus, heute Morgen ziemlich darauf hindeutet, dass sie eine Winterpause einlegt.“ Beschwichtigend legte Sunta ihre schmale Hand auf seine breite Schulter. „Mika haben wir gut im Griff. Ob Drachen einen Winterschlaf halten, werden wir vermutlich bald feststellen. Ansonsten kann sie sich hervorragend durch entlaufende Ziegen und wildgewordene Schafe ernähren. Sollte tatsächlich längere Zeit die Temperaturen unter den Gefrierpunkt fallen, wäre ich allerdings froh um so ein paar Schlafkräuter. Die sie etwas betäuben. Wir müssten halt selbst ein bisschen herumexperimentieren. Immerhin haben wir eine brütende Mika.“ Gerade setzte der starke Regen aus und verwandelte sich urplötzlich in ein schwaches Nieseln. Kurzerhand packte Berino seine kleine Axt. „Darüber sollten wir unbedingt mit den Leuten von Oben verhandeln. Zum Glück hast du gestern noch beim Heimflug die Markierungen gesetzt. Ich glaube kaum, dass wir heute Mika von den Eiern wegbekommen hätten. Also ich bin dann kurz weg, ein paar kleinere Bäume fällten für einen Zaun. Hoffentlich hält mein Glück an.“ Ein energisches Zupfen an seinem Ärmel hielt ihn zurück. „Warte.“ Besorgt sah Sunta dem dunklen Wolkentreiben am verhangenem Himmel zu. „So kannst du nicht lange nach draussen. Wir sollten ein paar Stofftücher mit Wachs einreiben. Wenn du mir später Birkenrinde bringst, stelle ich Pech her. Wir brauchen das unbedingt zum Abdichten.“ Begeistert täschelte er über ihre Schultern. „Du bist ein sehr wertvoller Schatz. Es wird mir ein bisschen schwerfallen dich zu teilen.“ Sein ehrliches frohes Gesicht sagte ihr, wie sehr er sich für sie freute. Seinem Volk schien das Wort Eifersucht fremd. Es reichte ihm einfach mit ihr zusammen zu sein und den Moment zu geniessen. Dankbar schob Sunta ihre Finger in seine grosse Hand hinein. Er umschloss sie liebevoll als seien sie schon ein altes vertrautes Paar. Respekt zollend ließ er sie als erster los und trat einen Schritt auf die Seite. Seine langjährige Erfahrung riet ihm zu der gesunden Distanz. Verstehend nickte Sunta. „Lass es mich einfach wissen, wenn du meine Gesellschaft brauchst. Es könnte sein, dass ich durch Pol etwas an Weitblick verliere.“ „Etwas?“ Es zuckte belustigt in einem seiner Mundwinkel. „Du wirst in den nächsten Tagen kaum mehr von seiner Seite weichen. Und das ist Gut so für seine Gesundheit. Es stärkt zudem eure Bindung. Über mich, oder uns reden wir vermutlich erst nach dem nächsten Sommer. Dann wenn wir die Früchte eines erfolgreichen Jahres endlich geniessen dürfen. Ich weiss jetzt schon das dieser wunderbare Moment mit einem mehrtägigen Fest gefeiert wird.“ Zustimmend nickte Sunta. Ein leichter Zweifel über ihre so veränderte Beziehung blieb. „Berino, ich brauche dich auch als festen Halt in meiner Nähe.“ Beschwichtigend gab er ein verstärktes Lächeln zurück. „Und ich brauche deine erfrischende, jugendliche Energie. Vor allem deine kreative Art um im Leben zurecht zu kommen. Ohne dich hätte ich mich nie auf ein neues Abendteuer ausserhalb meines bequemen Alltagstrottes eingelassen. Es wäre ein ewiger unerfüllter Traum geblieben. Doch jetzt stehen wir beide hier mit unserem neuen Glück. Oh Mist.“ Er schaute bedauernd in den ziemlich zunehmenden Regen hinaus. Fröstelte. „Wir werden bis heute Abend völlig aufgeweicht sein.“
Mit einer Hand klopfte ihm Sunta auffordern ins Kreuz. „Dann lass uns nachsehen was die Kataner gedachten als Regenschutz benutzen.“
Sie fanden in einem der hinteren Lager, in einem muffigen Raum, lauter polierte Katanerschilde. Die waren zur Notreserve zum Auswechseln gedacht. Mehr als ein geölter Panzer war sorgfältig restauriert geworden. Manch einer besass angeschmolzende, verbesserte Platten. So ein riesiges verbessertes Ungetüm wog bis vierzig Kilo. Die sich umzulegen und durch aufgeweichten Boden zu marschieren, wäre für menschliche Massstäbe ziemlich umständlich und vor allem Nutzlos als Schutz gegen Regen. Da die Regentropfen zuerst einem munter auf Haupt trommelten um danach unbekümmert den Hals hinunter in empfindlichere Körperregionen flossen. Immerhin fanden sie ein paar brauchbaren Waffen, ein paar handliche Sicheln und mehrere Stichwaffen, welche in der Küche einen neuen Job bekamen.
Berino und seinen Leuten blieb keine andere unangenehme Wahl als so schnell wie möglich in den nächsten Wald zu eilen, ein paar junge Bäume zu fällen und genauso zurück ins Trockene zu flüchten, bevor sie sich unterkühlten. Einzig Pol blieb derweilen einsam zurück. Mit der Verantwortung vertraut, das Herdfeuer ja nicht ausgehen zu lassen. Sobald die ersten stabilen Stämme eintrafen, hieb ihnen Sunta die verzweigten Äste weg. Vier dieser Pfosten stutzte sie erst schon nach zweieinhalb Meter. Verdutzt äugte Berino misstrauisch zu ihr rüber. „Kurze Weidezäune oder zu lange für Pfosten.“ Sein kritischer Kommentar. Als Sunta jedoch begann zwei der Katanerschilde aneinander zu binden und wiederum einen Pfosten in jede Ecke stellte begriff er den praktischen Sinn. Mit dünneren Zeigen stabilisierten sie die unteren Zwischenräume. Dieser gebastelte Unterstand, dieser vergrösserte Schild zu einem Dach umfunktioniert, schützte sie hervorragend vor dem kalten Regen. Allerdings brauchte es zwei Leute um ihn gleichzeitig zu transportieren. Da Pol Muskulatur noch ziemlich schwach war, half ihm Sunta bei Anheben der hinteren Stangen. Berino selber übernahm mit Leichtigkeit alleine die vorderen Stangen. Die anderen Frauen spalteten die mitgebrachten Stämme in zwei oder mehr Teile. Wobei Skella am meisten Geschick bewies. Smesie sammelte dafür fleissig die überflüssigen Zweige zusammen. Manche, welche sich später für Pfeile, oder einfach nur als Brennholz eignete, sortierte sie aus.
Später am Mittag plante Sunta eigentlich mit dem Drachen hoch in die Berge fliegen. Sollten bei dem stürmischen Wetter sich die Bergbewohner über den Pass trauen, wäre das Lebensgefährlich. Doch Mika weigerte sich die warme Höhle zu verlassen. Vermutlich weigerte sie sich die Dracheneier zurück zu lassen. Es gab einfach zu wenig wärmendes Material, welches die empfindlichen Eier bei der richtigen Temperatur warmhielten. Das leuchtete Sunta ein. Nach einer Absprache mit Berino, der seine entfernten Verwandten für vernünftig hielt bei diesem scheusslichen Wetter die Höhle nicht zu verlassen, einigte man sich darauf den Weiterbauen zu beschleunigen. Nach ein paar weiteren Stunden gingen ihnen aber die Nägel aus. Dabei war erst die knappe Hälfte der geplanten Weide eingezäunt. Also flocht Sunta fleissig aus zähen Schilfhalmen, von denen es genüge am Flussufer gab, robuste Schnüre. Die Arbeit ging weiter, wenn auch etwas langsamer. Über ihren Köpfen riss die Wolkendecke öfters auf. Kurze Zeit trafen warme Sonnenstrahlen ihre kalten Glieder. Für ein paar Minuten standen sie dann draussen, gemeinsam pausierend, einfach still da. Die günstige Trockenpause schien länger als eine halbe Stunde anzuhalten. Kostbare Zeit die Sunta nutzen wollte. Mit aufgewärmten Händen flocht sie die verbindenden Schnüre schneller. Sie stellte sich so hin, das ihr eigener Schatten in ihrem Rücken blieb. Sortierte gerade geduldig ein paar der widerspenstigen Halme als Berino warnte. „Da kommt jemand.“ In Sekundenschnelle packte er seine Axt. Vorbei sein entspanntes Sonnenbaden. Seine aufgewärmten Muskeln waren Kampfbereit. Pol sah die neue Situation entspannter an. Im wörtlichen Sinne nutze er seine ausgezeichnete scharfe Weitsicht um zu beobachten was da, von weit her am hintersten Waldrand, aus seiner perfekten Deckung marschierte. Berino stellte sogleich klar. „Bei dem Leichtsinn werden sie kaum feindlich sein, sonst hätten sie sich seitlich in den Uferbüschen versteckt gehalten.“ Von weitem sah es für Sunta aus als näherten sich verkrüppelte Menschen in einer merkwürdigen Gangart. Umgeben von den aufsteigenden Dampfschwaden der umliegenden Felder, sah das ganze ziemlich unheimlich aus. Die warme Sonne verstärkte den Effekt des aufsteigenden Nebels. Die unförmigen Kreaturen wuchsen, in der wabbelnden Nebelmasse zu erstaunlicher Übermenschlichen Grösse an. An deren Spitze näherte sich ein kleinerer Anführer dem die anderen brav in einer Linienform folgten. In dieser Formation war es praktisch unvorhersehbar wie viele da auf sie zu watschelten. Automatisch stellte sich Sunta schützend vor Pol hin. Doch diesmal lies er sich das nicht gefallen. Energisch stellte er sich neben Sunta hin. „Ich habe durchaus eine Kampfausbildung absolviert. Einzig vom Überlebenstraining draussen besitze ich keinerlei Erfahrung.“ Verstehend nickte Sunta. „Gut.“ Zu seiner Verwunderung überliess sie ihm sogar den kompletten Vortritt. Aus mehrfachen Beobachtungen aus dem Dorf wusste sie einfach wie gerne Männer die Nase, bei solchen Situationen, vorne hatten. Ein gesunder Beschützerinstinkt hatte durchaus seine Vorteile. Obwohl er sein Augenmerk stur nach vorne richtete, hörte Sunta seine überraschte Reaktion. „Im Ernst? Einfach so?“ Sie nickte. „Ja. Freiwillig. Ich respektiere dich. Deine Ausbildung war sicher umfangreicher als mein kurzer Crashkurs. Ausserdem weiss ich wie gut deine Reflexe sind. Da bist du mir eindeutig im Vorteil. Ich geniesse und schütze lieber deinen Rücken. Aber vergiss ja nicht wie sehr es mich schmerzen sollte, wenn dir etwas passiert. Ich habe schliesslich sogar gespürt als du vom Drachen abgestürzt bist.“ Sein intensiver Blick löste sich von der eigenartigen Karawane. Ein bisher seltener weicher Ausdruck begegnete ihren leicht besorgten Augen. Ein Blick der sie gefangen nahm. Die Zeit schien stehen zu bleiben. Bis er lächelte. „Genauso tut es mir weh, wenn dir was geschehen sollte. Meine Gedanken waren ständig bei dir, als ich im Dunkeln gefangen lag. Das hat mir überhaupt die Kraft gegeben solange durchzuhalten. Ich wage zu behaupten, dass diese innige Verbindung zwischen uns, wahre Liebe ist. Wie meinst du das, meinen Sturz gespürt zu haben?“ Kurzerhand packte ihn Sunta um seine Hüften. Es kribbelte schon wieder in ihren Finger. Überall wo sie ihn berührte. Befreit lächelte sie zu ihm hoch. „Ich liebe dich auch, mein Grosser. Und ich haben von deinem Sturz geträumt.“ Berino wandte kurz einen Blick auf die Beiden und korrigierte, „Du hast entsetzlich geschrien. Das Senden zwischen zwei Partner kann ziemlich weit reichen. So wer kennt nun diese Reiter? Wartet?“ Seine zwei ausgetreckten Finger fuhren an seine Stirn hoch. Sofort bremste die in einen dunklen Mantel gehüllte Gestalt in der Führungsposition. Das träge, erschöpfte Reittier blieb sofort stehen. Als es seine schnuppernde Nase seitlich in den zuwehenden Wind hielt, keuchte Sunta auf. „Um Himmels willen.“ Es war deutlich ein robuster Minidrachen der da beiläufig eine interessante Witterung einsaugte. Erleichtert nickte Berino. Befreiend lachte er auf einmal kurz auf. „Unglaublich“, sagte er mehr zu sich selbst. Dann zu den anderen. „Die habe ich nicht so schnell erwartet. Schon gar nicht bei diesem unmöglichen Sauwetter. Wie haben die das bloss geschafft?“ Mit einer Vorahnung sah Sunta zu dem vermummten Kapuzenträger hinüber. Der lockerte gerade seinen langen Schal um sein gepolstertes Gesicht. Ehe er mit kräftiger Stimme rief. „So sieht man sich wieder. Wir hatten Sehnsucht einmal die Welt draussen im Sonnenschein zu erleben. Vor allem nachdem ein kleines nächtliches Erdbeben uns quasi aus den zitternden Höhlen rausgeschüttelt hat.“ Er trug einen langen polierten Holzstab in seinen Händen. Mit dem tippte er sanft auf die Hinterbacken des Jungdachen. Diese Berührung reichte aus, dass er sich trotz der Müdigkeit in Bewegung setzte. Staunend schüttelte Sunta den Kopf. „Klump.“ Der zähe Alte hatte es tatsächlich, durch einen Schneesturm über den Pass geschafft. Ihre Handbewegung reichte aus um ihre Verwirrung zu verdeutlichen. Der Alte lächelte bei seinem Triumpf. „Nun, nach eurem gestrigen Besuch war es mir unmöglich einzuschlafen. Zu viele Gedanken, zu viele Entscheidungen. Also habe ich kurzerhand das nötigste ausserhalb der Höhle sammeln und einpacken lassen. Kurz nach Mitternacht verursachte einer der gefluteten Dämme im Berg ein weiteres Chaos. Wir haben es beinahe vollzählig nach draussen geschafft. Diesmal gab es nur zwei Vermisste, aber fast zwanzig Leute sind verletzt oder Gesundheitlich nicht in der Verfassung zu reisen. Wir haben uns also in zwei Gruppen eingeteilt. Die Benachteiligten haben in einer geschützten Mulde ihr Lager aufgeschlagen. Sie warten dort bis sich das Wetter verbessert. Wir, die noch etwas Reserve, vor allem Entschlossenheit, aufweisen sind noch in der Nacht losmarschiert. Ein berechnetes Risiko. Allerdings war nicht nur das konstantere Wetter von Vorteil. Wir sind auf dem gefrorenen Schnee marschiert und haben so Energie gespart. Wenn man diese Jungdrachen mit aufgeheizten Mondsteinen eingewickelt sind sie ziemlich lange auf den Beinen. Aber wir sind alle froh, nach diesem schrecklichen nassen Vormittag, endlich hier zu sein. Also ich könnte jetzt glatt einen ganzen Tag durchschlafen und ich denke den anderen geht es genauso. Wir sind alle ziemlich erschöpft und…“ Er machte eine tiefe Atempause. Die Anspannung in den letzten Tagen vertiefte seine Gesichtsfalten deutlich. Die sonst so lebhaften Augen überschattete eine tiefliegende Müdigkeit. Er war sichtlich am Ende seiner Kräfte. Eine weibliche Stimme rief plötzlich überrascht. „Pol!“ Bisher hatte Sunta seiner Begleitung keine Beachtung geschenkt. Das änderte sich drastisch als diese empörte Stimme mit der hohen Tonlage, ihr Reittier nach vorne drängte. Zu Suntas genugtun rutschte die bekannte Person ziemlich plump von ihrem Untersatz herunter. Kaum berührten ihre Stiefel den sicheren Boden, verfolgte Sunta allerdings beunruhigt den weiblichen, hüftschwingenden Gang. Ausserdem lag in der entschlossenen Bewegung der weiblichen Grazie, eine ziemliche bedrohliche Ausstrahlung. „Pol gehört mir. Also nimm gefälligst deine Hand von ihm weg!“ Fauchte sie Sunta herrisch entgegen. Die aufgebrachte Frau brauchte gar nicht erst mit feingliedrigen Fingern die Kapuze von ihrem perfekten gestylten Haar zu streifen. Sunta entlarvte sie bei ihren ersten Worten als die nervige, störende Exverlobte Pols. Ein wenig schockiert über den unerwarteten Angriff, fehlten ihr vorerst die Worte. Innerlich blieb sie dafür standhaft und wich der kommenden Furie keinen Millimeter zurück. Bevor sie beide jedoch Kollidierten quetschte sich Berino wagemutig, quasi in letzter Sekunde, schützend vor Sunta. Als die grossgewachsene Maha so urplötzlich gebremst gegen ihn prallte, glühten ihre Augen zorniger auf. Das kleine massive Hinderniss liess sich aber dadurch nicht im mindestens beeindrucken. Im Gegenteil nahm er die Herausforderung gerne an. Seine zu allem entschlossene Aura liess Sunta hastig einen weiten, respektvollen Schritt zurückweichen. Seine sonst so rücksichtsvoll zurückgehaltene Macht eines Ältesten verstärkte er nun auf sein absolutes Maximum. Blind für diese alles andere als harmlose Warnungen, rührte sich Maha keinen Millimeter von der Stelle. Selbst in ihrer aufgedrehten Wut war sie eine imposante Schönheit. Etwas was sie bewusst zu ihrem Vorteil, im stummen Gefecht, einsetzte. Ihre langen hellblonden Haare besassen zwar nur noch einen trüben Glanz, doch jede Strähne lag genau perfekt in ihrem geflochtenen Zopf. Die letzte Woche hatte ihr auch ziemlich zugesetzt und kleine Spuren hinterlassen. Doch aus der müden, erschöpften Gesichtsmaske funkelten zwei türkisblaue Augen hervor, als besässen sie eine unauslöschliche
Energiequelle tief in ihrem Innersten. Eisige, tödliche Gletscher fixierten den genauso entschlossenen Berino an. Ihr giftiger Blick prallte bei ihm völlig schadlos ab. Etwas Anderes, dem er gerne mehr Prioritäten schenkte, lenkte ihn völlig von dem stillen Blickduell ab. Unverhohlen senkte er den intensiven Blick auf den bebenden Busen hinunter, der sich praktischer Weise angenehm auf seiner Augenhöhe befand. Deutlich genoss er den Ausblick in ihren tiefgeschnittenen Mantel. Vor allem weil sein naher warmer Atem ihre Gänsehaut auf den nur halb verpackten Rundungen verstärkte. Er bräuchte sich nur vorzubeugen um ihre makellose empfindliche Haut mit seinen Lippen zu kosten. Empört wich Maha nun freiwillig einen grossen Schritt zurück. Auf sein echtes Bedauern hin fauchte sie verächtlich, „Bauerntölpel“. Ungerührt betrachtete Berino sie weiterhin. Hartnäckig weigerte auch er sich nur eine Haaresbreite nachzugeben. Bedrohlich funkelte sie ihn weiterhin wie eine böse Hexe an. Die geladene Luft knisterte förmlich zwischen ihnen vor Hochspannung. Von den angespannten Umherstehenden wagte sich niemand zu rühren. Selbst Sunta hielt den Atem an. Berino selbst unterbrach die eingefrorene Szene als er sich schnuppernd nach vorne beugte. Mit halb gesenkten Liedern registrierte er den weiblichen warmen Körperduft, der von ihrem ungeschützten Hals entgegen schwebte. Mahas Augen verengten drohend ab der angenommenen Beleidigung. „Das ist eine absolute Frechheit! Man kann von mir nach so einem anstrengenden Reisetag nicht erwarten, dass ich nach frischen Blumen dufte. Geh mir gefälligst aus dem Weg!“ Sie verstand seine Geste völlig falsch. Sein bleibender verträumter Ausdruck, wegen ihrer verschwitzten Ausdünstung, alarmierte Suntas Gehirn. Konnte es sein, dass ausgerechnet diese lange, hochgeschossene, reizbare Maha zu IHM passen sollte? Maha hingegen sah ihn an als strömte er direkt die tödliche Pest zu ihr hinüber. Bis er tief grollte, „Frau, ich gehöre zu den angesehensten Ältesten in meinem Clan. Mir befielt niemand etwas. Man bittet mich höflich darum.“ Skeptisch sah sie voller Zweifel zu ihm hinab. „Ein Ältester? Du siehst aber alles andere als alt aus. Wie Alt werden den bei euch die Leute?“ Sie schien ihm eine knappe Gelegenheit für eine Erklärung zu gewähren. Mit einem Anflug von Interesse musterte sie den angeblich Ältesten gründlicher ohne Vorurteile. Diesmal blitzte ihre gute Ausbildung mit höheren Ratsmitgliedern durch. Zufrieden lächelte Berino sie kurz entspannt an. Äugte kurz zu Klump hinüber. Ein wohlwollendes Nicken zollte ihm gebührend Respekt. Berino grüsste erfreut, „Schön dich wiederzusehen, Onkel.“ Mahas Augen vergrösserten sich vor tiefem Schreck. Hauchte entsetzt, „SO alt!“ Bestätigend nickte Berino. Strich sich mit einer Hand durch seine buschigen braunen Haare. „Bei mir gab es eine warme Wasserquelle. Scheint mir besser bekommen zu sein als eurer verborgenes Leben versteckt in einem Berg. Da ich hier bin um eine neue Familie zu gründen und mein Mädchen sich gerade in jemand anderen verguckt hat, bin ich sozusagen wieder freigestellt.“ Ein Wink mit dem Lattenzaun hätte nicht wirkungsvoller sein können. Natürlich verstand Maha sofort was er ihr da unmissverständlich anbot. Abweisend beschloss sie ihn zu ignorieren und versuchte an ihm vorbei zu laufen. Kurzerhand verstellte er ihr abermals den Weg. Warnte mit absolut freundlichem Ton. „Frau, hättest du die Güte gutes Benehmen gegenüber Sunta zu zeigen? Respektiere den neuen Bund zwischen ihr und Pol. Ich glaube selbst in eurem abgelegenen Berglager hat man so was wie vernünftiges Verhalten und Akzeptanz zu geschmiedeten Bündnissen gelehrt.“ Das waren ungeschickte Worte für eine tickende Zeitbombe. Die Anstrengung des Tages liessen Mahas letzte Nerven dahinschmelzen. Vor Wut und Beschämung lief sie ziemlich rot an. Sie schrie geradezu: „Wo bleibt DEINE Erziehung? Ich heisse Maha und bin nicht irgendeine unbedeutende Frau! Ich bin die Tochter eines kürzlich verstorbenen Ältesten und übernehme daher als Alleinnachfolgerin sämtliche Privilegien mit dessen Verpflichtungen. Ich beanspruche meinen zukünftigen Platz im obersten Rat“ Es dauerte ein paar Sekunden bis Maha ihr unbedachter Versprecher selber auffielt. Es existierte kein Berglager mehr von dessen gesammelten Reichtümer sie profitieren konnte. Keine vorgebenden Regierungspläne mehr die sie als Familienerbin einbezogen. Sie schluckte leer und schloss betroffen die Augen um sich zu sammeln, ehe sie gefasst erklärte. „Da ich seit einigen Jahren mit Pol verlobt bin habe ich durchaus gewisse Rechte. Es gab nie eine ausgesprochene Kündigung von diesem Bündnis.“ Jetzt platzte Pol der Kragen. „Deine Rechte! Die sind längst abgelaufen. Schliesslich wusste jeder im Berg, dass du in den letzten Jahren andere Betten bevorzugst hast, als meines. Du hast von allen wertvolle Geschenke angenommen. Ja, ich weiss davon. Ich habe geschwiegen und all die Jahre auf dich gewartet. Doch nach zehn Jahren ist nicht nur meine Hoffnung längst gestorben, sondern auch das Verlobungsdatum längst abgelaufen. Da du es gerne öffentlich bezeugt haben magst, sage ich es eben laut vor allen anwesenden Zeugen. Unser Versprechen ist ungültig! Wage es nicht Einspruch zu erheben, denn selbst unser altes Gesetz steht auf meiner Seite.“ Schockiert schaute ihn Maha an. Ein so entschlossener Pol kam ihr fremd vor. Normaler Weise gab sie die Richtung über ihr bevorzugtes Leben vor. Es brauchte seinen Moment bis sie die ungewöhnliche Wendung verdaute. Ein flüchtiger Moment der Verzweiflung huschte über ihr strenges Gesicht, da sie all ihre schönen Pläne aufgeben musste. Befreit, als wäre ihm ein schweres Gewicht von den Schultern genommen, sah Pol zu Klump hinüber und seine leise Stimme klang bewegt. „Schon vor dem Angriff habe ich längst geplant, bei einem meiner Aussenflüge, nicht mehr zu der Berghöhle zurück zu kehren. Ich wollte dauerhaft bei Sunta bleiben und den Drachen alleine nach Hause schicken. Doch leider ist mir der nächtliche Angriff zuvorgekommen. Mit seinem fatalen Absturz. Ich wollte nur noch zu Suntas Haus. Als ich dann gesehen hab, wie wenig davon noch übrig war, ist echt meine Hoffnung auf den Tiefstand gesunken. Da Mika fehlte habe ich angenommen, dass ihr zwei vielleicht entkommen seid. Aber nachdem Sunta drei Tage später immer noch nicht zurückgekommen ist, habe ich mich im Keller des Schiffes einfach aufgegeben.“ Entschuldigend sah er Sunta an. „Mir ist gar nicht in den Sinn gekommen, dass diese Tannennadeln giftig sein könnten. Zum Glück bist du rechtzeitig zurückgekommen.“ Dankbar streckte er seine Hand nach ihr aus. In dem Moment war Maha völlig vergessen. Sunta eilte zu ihrem Pol. Als sich ihre Finger um seine umschlossen war wieder das vertraute Kribbeln zwischen ihnen. Inzwischen genoss sie diese kleine elektrische Spannung. Maha hingegen stiess ihren angespannten Atem aus. Missbilligend blickte sie mit verengten Augen zu dem neuen Paar hinüber. Sie presste die Lippen zusammen, weil es ihr schwer fiel zu schweigen. In ihr brodelte es weiter. All die verwöhnten Jahre in den Bergen liessen sich nur schwer auf die Seite schieben. Ausserdem war sie erschöpft und ziemlich müde nach den letzten ruhelosen Tagen. Jetzt besass sie nichts mehr. Nicht mal einen beschützenden Pol. Bevor sie zu einer Entscheidung kam, wie es weitergehen sollte, merkte sie plötzlich wie sie den Halt unter ihren Beinen verlor. Ehe sie begriff, dass es überhaupt nicht an einem Schwächeanfall lag, konnte sie sich nicht mehr wehren. Spontan hatte Berino sie sich über die Schultern geworfen. Seine Entschuldigung. „Wir haben einen engen Zeitplan. Da es wieder eine heftige Regenphase gibt…“ Tatsächlich hatte sich eine schwere Regenwolke beinahe über sie geschoben und versprach mehr als ein paar Minuten heftige Schauer. Es rauschte bereits vom Waldrand her eine schlimme Sturzflut herbei. „Also ich brauche jetzt eine Pause und unseren Besuchern vom langen Weg hierher geht es ja nicht anders.“ Als er in langen Schritten an Sunta, die dicht mit Pol unter dem schützenden Schild standen, vorbeieilte, zwinkerte er ihr kurz zu. „Es scheint zu passen, ohne zu kesseln.“ Verdutzt wanderte Pols verdutzter Blick von der glucksenden Sunta zu dem kräftigen Berino. Der sprang, als Wöge Maha nichts, einfach in das oberste Stockwerk des Raumschiffes hoch. Seinem schweigenden Gepäck nach, stand sie völlig unter Schock. Als er sie oben freigab und auf die Beine stellte, schwanke sie schwindelig. Krächzte verdattert ehe sie mit lauten Protest startete: „Niemand behandelt mich so. Das lasse ich nicht zu. Meine alte Familienlinie zieht niemand in den Schmutz. Nimm gefälligst deine rauen Bauernfinger von mir. Du magst von mir aus ein Ältester oder sonst ein einflussreicher Rüpel sein, doch ich lasse nicht zu, dass du mich so unzivilisiert behandelst.“ Gelassen nahm Berlino ihren Protest zu Kenntnis. Als sie gerade Luft holte, beugte er sich lächelnd vor und raunte nur für ihre Ohren bestimmt. „Ich denke du wirst meine unzivilisierte Art durchaus mögen. Im Gegensatz zu der unerfahrenen Sunta weisst du die etwas raueren Varianten im Bett durchaus zu schätzen. Dein Geruch hat mir das verraten. Aber wie wäre es erst einmal mit einer heissen Tasse Tee oder einer nahrhaften Suppe zum Aufwärmen? Du siehst ziemlich blass aus. Wir sind die ersten am Kochtopf, das bedeutet wir suchen uns nachher als erstes ein bequemes Quartier für dich aus. Während du dich ausruhst, hole ich dein Gepäck nach oben.“ Weiter brauchte er nicht mehr zu reden. Widerstandlos lies Maha sich an der Hand sicher in die neue Behausung hineinziehen. Weiterhin etwas von seiner Vorgehensweise überwältig. Gerade diese eiserne Kraft stärkte ihren erwachenden Lebenswillen. Mutig packte sie seine Finger kräftiger.
Versuchte das Ruder wieder in ihre Gewalt zu bringen. „Du hast keine Ahnung was ich bevorzuge.“ Als Berino in ihre blaugrünen Gletscheraugen sah entdeckte er den feurigen Funken dahinter. Oh ja, bis er sie gezähmt hatte, würde es auch ziemlich kesseln. Aber danach… Ganz die feine Dame, sagte sie bestimmend. „Vorerst möchte ich tatsächlich eine sehr heisse Suppe zur Stärkung.“ Er ahnte ihre Absichten und stimmte ihr zu. Sie war nicht leicht zu Beeindrucken. In den kommenden Jahren wo ihnen so wenig Bequemlichkeiten zur Verfügung standen würde sie noch öfters leiden. Danach getraute er ihr genug Verstand zu, zu erkennen was sie wirklich brauchte um glücklich zu werden.
Sunta blickte blinzelnd zu Pol hinauf. „Hab ich wirklich grad gesehen… Berino und Maha?“ Selbst Pol wirkte überrascht. Auf einmal nickte er ernsthaft. „Er hat sie gut im Griff. Vermutlich gerade wörtlich. Wenn sie so was wünscht, gönne ich ihr das. Ich bin nur froh, dass ich jemanden wie dich an meiner Seite habe.“ Erleichtert streichelte seine Hand über ihre geröteten Wangen. Die restlichen vier Reiter stiegen von ihren jungen Drachen herab. Eigentlich nur drei. Der vierte hing ziemlich erschöpft seitlich im Sattel fest. Trotz der geringen Höhe widerstrebte es ihm abzusteigen. Als er kurz hochsah, erkannte ihn Sunta und verstand. Der schmächtige Schreiberling Ka war echt nicht für so strapaziöse Reisen geeignet wie über einen lebensgefährlichen Pass zu überqueren. Er sah nicht nur völlig durchweicht aus, sondern auch völlig verkrampft da ihm das Festhalten auf dem Reittier alles andere als behagte. Er war nicht einmal geschaffen zu Fuss irgendwelche Berge zu überqueren, geschweige denn auf einem unsicheren Sitz reitend. Als Sunta einen Schatten an sich vorbeihuschen sah, rief sie ganz automatisch. „Smesi, kannst du mir helfen?“ Die fast unsichtbare Kleine wollte zwar eher sich um das liegengelassene Gepäck kümmern. Doch Ka war wichtiger. Ka kam Sunta gerade im perfekten Moment genauso wie die stille Smesi. Kaum stand ihre Hilfe unentschlossen hinter ihr, winkte sie die Kleine kurzerhand nach vorn. „Smesi, darf ich dir Ka vorstellen. Er ist übrigens auch ein talentierter Schreiber. Aber momentan dürfte er so ziemliche schmerzen in allen Muskeln haben.“ Ratlos sah Mäuschen erst Sunta an. Also half sie verdattert diesem erstarrten Ka aus dem Sattel. Mit Zerren und Ziehen plumpste er stöhnend beinahe auf den Boden. Im letzten Moment half jedoch Pol mit das Fallgewicht zu bremsen. Mit zittrigen Beinen stand Ka halb benommen da. Durch die klappernden Zähne hindurch brabbelte er. „Sind wir endlich da?“ Sunta nahm eine seiner klammen, kalten Hände und streckte sie Smesi entgegen. „Ja Ka. Erinnerst du dich noch an mein Versprechen? Also das ist Smesi, sie wird sich um dich kümmern. Du bist in guten Händen bei ihr. Bitte sei auch nett zu ihr.“ Die letzten Worte waren völlig überflüssig. Niemand wirkte harmloser als die beiden. Obwohl Mäuschen ein bisschen verwirrt Sunta anschaute. Doch Sunta war sicher das zwei, die gerne die Stille bevorzugten hervorragend zueinander passten. Blieben nur die drei anderen. Die zwei Männlichen Personen sahen sich suchend um. „Keine anderen Weiber mehr?“ Grinste einer frech. Ernte dafür aber von der hinteren schlanken Person einen warnenden Handschlag auf seine mit dicken Fellen gepolsterte Schulter. Die talentierte Weberin, das sah man alleine an ihrem kostbaren Gewand mit den komplizierten Mustern, hob empört ihre weissblonden Augenbrauen. Als sie die Kapuze zurückschob, bemerkte Sunta ihr ziemlich fortgeschrittenes Alter. Bei einer normalen Menschenrasse müsste sie mindestens um die siebzig Jahre aufweisen. Kleine Fältchen, auch von einem freundlichen Lächeln hatte sich verewigt. Freundschaftlich streckte sie Sunta ihre Hand entgegen. „Taminü. Hebamme, Weberin und leider auch Mutter von den zwei missratenen Söhnen.“ „Oh,“ entschlüpfte es Sunta, „Es sollten in den nächsten Monaten eventuell noch mehr Leute von der Wüstenregion hierherkommen. Einfach ein bisschen Geduld haben.“ Gemütlich schlenderte gerade Skella heran. Jedoch ignorierte sie die zwei Interessierten Bewerber die ziemlich gierig ihre weiblichen Proportionen bewunderten. Anscheinend waren sie ihr zu jung. Stattdessen schenkte sie den beiden einen scharfen, mahnenden Blick. „Benehmt Euch! Keine knuffigen Schlägereien oder übermütigen Herumschupsereien. Wenn ihr zu viel Energie habt, schlagt junge Bäume so wie ihr sie hier rumliegen seht und bringt sie zum Weidezaun bauen her.“ Dann wandte sie sich kopfschüttelnd zu Sunta. „Berino hat mir gerade gesendet. Und ich kann es nicht fassen.“ Prüfend sah sie Sunta in die Augen. „Er hat mir gesendet, dass ihm der liebliche Geruch seiner neuen Partnerin quasi den Kopf verdreht.“ Es war beinahe ein wütender Unterton in ihrer Stimme. Sunta versicherte ihr rasch. „Du brauchst mich nicht zu verteidigen. Berino und ich sind, bleiben weiterhin enge Freunde. Aber Pol wird immer vorrangig sein.“ Sie beugte sich vor und flüsterte. „Er hat mir auch den Kopf verdreht.“ Worauf Skella ihre Augen gegen den Himmel verdrehte. „Sind wir eigentlich schon in der Frühlingszeit oder warum bilden sich überall auf einmal verliebte Paare?“ Wenig erfreut sah sie zu den jungen Männer hinüber die lieber ihr Gepäck abluden und ins aufgewärmte Hotel trugen als beim Zaun bauen zu helfen. „Grüne Jungs,“ ihr abwertender Kommentar. „Ich hoffe sehr da kommen noch ein paar ältere wo die herkommen.“ Sie schnappte sich die liegen gebliebenen Gepäckstücke von Ka. Schon schlenderte Klump gemächlich heran. Die Kälte der Berge lies auch seine Bewegungen ziemlich erstarren. Mit einem Lächeln befreite er sein erschöpftes Reittier von seinem Gepäck. Irgendwie wurde der trockene Boden von Suntas Schild gerne als Abladeplatz benutzt. Pol half dem jungen Drachen sich zu Orientieren und führte ihn zu Mikas Schlupfloch. Als er vorging, folgten ihm die übrigen Artgenossen. Es war spannend die heftige Reaktion zu sehen als sie das Alphatier erschnupperte. Sofort lies Pol das Gesichtshalfter los. Als die Jungen kläglich zu brüllen anfingen, grollte Mika aus ihrem warmen Unterschlupf heraus. Es klang alles andere Bedrohlich. Eher wie ein aufforderndes Schnurren. Entsprechend respektvoll tapsten die Kleinen in die unterirdische Höhle hinein. Nachdem es ruhig blieb war klar, dass die außergewöhnliche Mika sogar diese Kleindrachen duldete. Tief Beeindruckt staunte Klump. „Eine absolute Ausnahme. Ich denke Mika hat ziemlichen Nachholbedarf was Babydrachen angeht. Damit hätte ich oder die anderen Ältesten nie gerechnet.“ Das strahlende herzliche Lächeln mit dem er Sunta betrachtete, liess ihr eigenes Gesicht erhellen. Klump besass einfach diesen natürlichen Charme. Ihre aufsteigenden Bedenken hinsichtlich seiner Absichten verflogen als er ehrlich bedauerte. „Ich würde dich ja gerne herzlich umarmen, aber Pol wäre sicher gegen so einen innigen Empfang. Darf ich euch stattdessen zu eurem ausgesprochenen Bündnis gratulieren.“ Herzlich klopfte er Pol auf den Rücken, das dieser beinahe stolperte. Besorgt fragte Klump: „Alles in Ordnung?“ Pol winkte hastig ab. „Mein Bein hat beim Sturz vom Drachen arg gelitten. Aber sobald die Entzündung weggeht, reicht gutes Essen und mehr Training um mich bald wieder in Höchstform zu bringen. Jetzt passt ja Sunta auf mich auf.“ Während er seine Liebste umarmte blitzten Klumps Augen auf. „Ja es ist schön, dass Ihr euch gefunden habt. Wir haben übrigens einen kleinen Vorrat von dem Pilzpulver dabei. Das wird deine Heilung beschleunigen. Ich bin einfach nur froh dich, euch beide, lebend vor mir zu sehen. Das gibt mir Hoffnung auf einen erfolgreichen Wiederaufbau unserer Gesellschaft. Ich brauche nur momentan eine lange Pause. Nicht nur um mich zu erholen, sondern auch um…“ Er tippte vielsagend mit einer matten Bewegung seiner Hand an seine Stirn. „Um die ganzen überstürzenden Ereignisse mitsamt den Veränderungen zu verdauen. Aber es bestärkt mich zu sehen, wie einige von uns so rasch neue Perspektiven finden. In Maha habe ich, auf dem beschwerlichen Weg hierher, nur ein ziemlich schlimmes Übel gesehen. Aber es war unmöglich sie dort oben davon abzuhalten auf einen besseren Reisemoment zu warten. Vor allem nicht, nachdem sie von der Brieftaube von Pols überleben erfahren hat. Aber dieser Berino hat sie sich einfach geschnappt wie eine kostbare Beute. Das war einfach grossartig. Ich bin gespannt mit was für wundersame Überraschungen hier das Schicksal sonst noch uns beschenkt.“ Obwohl er müde lächelte schien ihm nichts aus der Umgebung zu entgehen. Vor allem als Skella so unbekümmert durch den Regenschleier marschierte, hielt er inne. Seinem geschulten Augenmerk entgingen die überaus weiblichen Rundungen Skellas, unter dem ziemlich anliegenden nassen Leder, nicht. Sie hingegen ignorierte ihn, wie vorher die anderen zwei Bewunderer. Deutete stattdessen auf das liegen gebliebene Gepäck. Es waren mehrere geschnürte Decken und Felle dabei. Die waren besonders beliebt gegen die tieferen nächtlichen Temperaturen. „Darf ich das hochtragen? Ich verteile auch gerecht.“ Klump beeilte sich zu sagen. „Moment! Solange ich keinen weiblichen Partner an meiner Seite habe, beanspruche ich das dicke Fell mit der angenähten Verstärkung. Es sei denn, eine Schönheit wie du wäre bereit meine einsamen nächtliche Stunden mit ihrer Anwesenheit zu bereichern. Nur ein bisschen Wärme um meinen alten Knochen ein bisschen Heilung zu gönnen.“ Auf ihren wachsenden skeptischen Blick hin, fügte er noch hinzu. „Ich kann ganz brav sein und meine Hände bei mir behalten.“ Zum Glück stand Sunta hinter Skella. So bekam sie deren Ungläubigen Blick nicht mit. Sogar Pol war anzusehen wie wenig er Klumps Worten glaubte. Einschätzend musterte Skella den schlauen Alten. Keineswegs fiel sie auf die schönen Worte herein. Ihr vertrauenswürdiges Augenmerk stellte aber klar. „Du siehst robust aus. Vielleicht bin ich geneigt dich auf mein Lager zu lassen. Kommt darauf an wie du dich anstellst. Wie lange ist es her seit deine Partnerin dich verlassen hat?“ Er seufzte schwer. Rechnete kurz nach. „Zwölf Jahre und ein halber Sommer dazu. Sie ist bei der schweren Geburt unseres Kindes gestorben. Ich habe ihn jener üblen Nacht beide verloren.“ Die schmerzliche Erinnerung liess seine Stimme heiser werden. Diese Information schockierte Sunta. Skella sah ihn voller Mitgefühl an. Ganz leise gab sie preis. „Vierzehn Jahre. Ein tödlich
verwundeter Hirsch hat ihn ganz unerwartet erwischt. Ein tragischer Jagdunfall als der erste Schnee gefallen ist. “ Mitfühlend nickte Klump verstehend. Die Traurigkeit hing beinahe greifbar zwischen den Beiden. Sogar Pol wollte plötzlich die zwei Trauernden alleine lassen. Er nahm Sunta an der Hand und zog sie leise weg. Ganz mit ihm einverstanden wollte sie wegschleichen. Doch da packte einer der hilfsbereiten Jungs von Taminü das restliche Gepäck auf seine breiten Schultern. Dabei liess er unbedacht die Worte fallen. „Klump, wir nehmen das für dich hoch.“
In der nächsten Sekunde verzogen sich Skellas Gesichtszüge als hätte sie den bitteren Saft einer Zitrone im Mund gekostet. Mit merkwürdig hoher Stimme, „Klump! Der berüchtigte Älteste Klump?“ Der kniff kurz die Augen zusammen ehe er sie schuldbewusst anlächelte. Bevor er ein Wort zu seiner Verteidigung hervorbrachte, rauschte Skella eilig davon. Erst als sie ein paar sichere Meter Abstand zugelegt hatte, rief sie entschieden zurück. „Vergiss es! Du wirst nicht mal im selben Zimmer von mir schlafen.“ Verblüfft blieb ein schockierter Klump zurück. Die heftige Reaktion Skellas hatte ihn ziemlich überrumpelt. Als er wieder fähig war sich zu bewegen, schaute er fragend zu Sunta. Nach dem lauten Ausruf Skellas waren sie und Pol stehen geblieben. Abwehrend hob Sunta ihre Arme. „Ich habe nur Gutes über dich gesagt. Das eben hast du nur deinem langjährigen Ruf zu verdanken.“ Verstehen nickte Klump. Nicht zum ersten Mal wirkte er trotz seinem berüchtigten Nachruf einsam. Die leere in seinem Herzen zeigte sich auch in seine silbrigen Augen. Für ein paar Sekunden erlaubte er sich resigniert zu Seufzen. Die anstrengende Reise raubte ihm viele Kräfte. Nachdem er jedoch seine Augen für einen Moment geschlossen hielt, atmete er tief durch. Gerade als Sunta zweifelte ob sie ihm helfen sollte, sah er wieder zu ihnen hinüber. Willkürlich trat Sunta näher an Pol heran. So dass sich ihre Körper streiften. Sie brauchte seine bestätigende Nähe, denn Klumps schmale Augen glichen die einem erwachten Jäger der fanatisch sein Ziel verfolgte. Eine seiner Hände, die eben noch so verloren Wärme suchend mit der anderen zusammenrieb, formte sich nun zu einer entschlossenen Faust. Als er an Sunta vorbeischlenderte, täuschte sein langsamer bedächtiger Gang. Alle anderen mochten einen erschöpften Alten sehen. Was er im Grunde auch war. Doch mit einem entbrannten Feuer in seinem Inneren war er voll klaren Geistes auf etwas fokussiert. Sunta ahnte genau auf was. Sein kurzes Lächeln welches er ihr flüchtig zuwarf, liess ihre weiblichen Instinkte warnend aufheulen. „Wer sagt denn, dass es einfach sei?“ Er hielt kurz inne. „Gehe ich recht in der Annahme das Skella bisher alleine schläft?“ Sunta nickte. Verbesserte hastig, „Ohne Partner, wenn dann nur in weiblicher Gesellschaft.“ Pol ergänzte. „Berino hat schon eine klare Einladung bekommen. Allerdings bevor ihn Maha beschlagnahmt hat. Es besteht als durchaus Bedarf an einem neuen Bettgefährten.“ Seit langem lächelten die Blutverwandten gemeinsam entspannt zusammen. Sunta schüttelte bloss den Kopf. „Männer.“
Klump gluckste. „Ist eben von meinem Blut. Also ich hoffe heute Abend, bevor die Sonne untergeht, treffen wir uns noch einmal zusammen. Falls ich verschlafen sollte, weckt mich bitte unbedingt. Ich brauche mindestens eine Stunde Aufwärmpause vor dem Abendessen. Bitte sagt mir, dass es einen aufgeheizten Ofen gibt?“ Da Pol zögerte, wagte sich Sunta vor. „Eine Feuerstelle gibt im zweiten Stock. Aber du hast Recht, es braucht ein besseres Heizungssystem welches gleichzeitig mehrere Räume beheizt. Ich bin froh das du sicher hier bei uns bist. Wir können eure Hilfe und Erfahrung gut gebrauchen.“ Klumps Augen die an der Stelle verharrten wo Skella einst in den Gleiter verschwanden, huschten flüchtig zu Sunta. Er nickte. „Danke. Du hast dich auch schön Fortschrittlich zum Guten verändert. Ich bin gespannt wie es mit uns allen weitergeht. Eine neue Ära hat begonnen. Wenn ihr mich entschuldigt. Die Kälte.“ Wie aus Kommando durchfuhr in ein Schlottern. Dennoch stellte er sich beim raufklettern in die oberen Etagen geschickt an. Gerade als er im innen verschwand, öffneten sich die Schleusen des Himmels mit neuer Anstrengung. Erschrocken vor diesem rauschenden Inferno rückte Sunta dichter an ihren Gefährten. Pol schloss sie gerne fester in seine Arme. „ich glaube wir bleiben besser hier.“ So standen sie unter den Katanerschilden sicher geschützt und blickten in den herabstürzenden Regen hinaus. Ohne Worte. Genossen einfach ihren ungestörten Moment. Er knabberte lockend an ihrem Hals, während ihre Hände über seine, die unter ihrem Pullover über ihrem warmen Bauch lagen, streichelten. Eine Oase des Friedens und Zärtlichkeiten.
Tatsächlich zeigte sich die Sonne erst am früh einbrechenden Abend von ihrer gnädigen Seite. Diese letzte trockene Stunde nutzten alle um ihre Reserven zu aktivieren. Draussen bildeten sich eine kleine Arbeitergruppe die noch das doppelt erreichte als das von den Morgenstunden. Sogar Mika zeigte sich kurz in ihrer wahren Pracht um ein paar wärmende Sonnstrahlen mit ihren ausgestreckten Schwingen einzufangen. Wobei sie ziemlich entschieden ihr freiwillig adoptiertes Volk in die sichere Höhle zurück schickte. Nach einem kurzen Rundflug alleine, erbeutete sie in einer halben Stunde bereits zwei Ziegen und ein Schaf. Das noch ziemlich unversehrte, zerzauste Schaf war dank seiner dicken Wollschicht geschützt. Dieses haarige Fell verschaffte dem Tier ein verlängertes Leben. Denn Mika beanspruchte die Ziegen für sich selber und scheuchte das blökende Schaf zu Berino hinüber, was der dankend annahm. Nach einem kurzen Untersuchs Berino, wurde es einfach in das neue Gehege gebracht. Die toten Ziegen zerteilte Mika mit ihren starken Backenzähnen, da ihre stumpfen Klauen erst wieder bis zum Frühjahr nachwachsen mussten. Reinlich achtete die Drachenmutter darauf, dass ihr Domizil im Untergrund sauber blieb. So lockte sie die mitgebrachten grösseren Jungtiere fürs Fressen nach draussen. Achtete sorgfältig sogar darauf, dass jedes Gerecht seine Fleischportion erhielt. Klump beobachtete das staunend. „Das nenn ich perfekte Mutterliebe. Wir haben wirklich einen grossen Fehler mit ihr gemacht.“ Er hielt sich bewusst in der Nähe von Skella. Diesmal ignorierte er ihre kühle abweisende Gesten. Und wenn sie kurz, bitterböse zu ihm rübersah lächelte er geheimnisvoll auf seine typische Art. Als sie einmal ziemlich beleidigend, ein wenig zu laut, für alle hörbar aussprach. „Du bist mir echt zu alt!“ Betrachtete Klump bloss seine mit Erde beschmutzten Hände. Nicht nur ihm ging es so. Alle hatten von den zugeschnittenen Bäumen grüne Saftflecke oder kleine Schnitte von den abgerissenen Ästen bekommen. Als der Alte bewusst in gleicher Lautstärke rausposaunte. „Im engeren Familienkreis sind meine geschickten Hände für ihre geradezu magischen Heilwirkungen bekannt. Ich kann so ziemlich jede Verspannung im weiblichen Körper auflösen. Von Überdehnung bis zu Frauenbeschwerden bei nervösem Magen, kann ich alles kurieren.“ Als beinahe sämtliche Frauenaugen begehrlich zu ihm schwenkte, schüttelte er hinweisend seinen Zeigefinger in die Höhe. „Das begrenzte Angebot steht vorerst nur meinen nahen Auserwählten zu Verfügung. Später wenn wir ein Krankenzimmer haben, kann ich gelegentlich wieder aushelfen.“ Dieser klare Hinweis wie rar er seine Hilfe anbot, liess Skella mehrmals abwägend zu ihm rüberschauen. Für Sunta war klar, dass Skella den ausgeworfenen Köder längst geschluckt hatte.
Diese knappe abendliche Stunde reichte aus, die gebildeten Grüppchen enger zusammen zu schmieden. Mehr als einer war froh wie Berino die Führung übernahm und deutliche klare Anweisungen gab die jedermann oder Frau trotz ihrem erschöpften Zustand erfüllen konnte. Von Maha selber war an diesem Abend nichts mehr zusehen. Und nur wer Berino so gut kannte wie Sunta, erkannte dessen körperliche Verausgabung. Sein selbstzufriedenes Lächeln als er beim Abendessen in die volle Runde sah, liess andere die meisten Sorgen vergessen.
In den nächsten Tagen pilgerte eine ziemlich ausgedünnte Gruppe von knapp fünfzig Leuten von den Bergen herunter. Die letzten, die man einen Kilometer vor der neuen Unterkunft einsammelte erzählten, dass von den übrigen zurück gelassenen Leuten keiner die vorherige Nacht überlebt hatte. Man hatte die gefährliche Kälte ausserhalb der Höhle völlig unterschätzt. Auf diese traurige Nachricht hin, legte man jede Arbeit nieder und widmete sich der Pflege von den nicht nur körperlich Verletzten. Einfach nur das gemeinsame Zusammensein stärkte vor allem wieder die Zuversicht auf eine bessere Zukunft. Trotzdem sonderte sich eine kleine trauernde Gruppe von den übrigen ab. Jemand hatte in den hinteren Wäldern eine alte, verlassene Bärenhöhle gefunden und dort gruben sie sich, ganz von alten Gewohnheiten besessen, tiefer in den weichen Sandstein hinein. Das plötzliche helle Licht, verstärkt durch frisch gefallenen Schnee, tat den meisten in den Augen weh. Diejenigen die im gestrandeten Flieger blieben, bauten, verformten in Windeseile die dunklen Innenräume zu gemütlichen Wohnstuben um. Sunta übernahm einen der aktiveren Posten als Jäger. Vor allem mit Skella zusammen sicherte sie die neuen steileren Wege welche in die höheren Bergregionen führten. Sammelte die verstreuten Schafe und wilden Ziegen wieder ein bevor der meterhohe Schnee jedes vorwärtskommen stoppte. Auf den abgekühlten Drachen mussten sie leider verzichten. Mika fiel tatsächlich nach dem ersten ganztägigen Frost in eine Art Winterschlaf. Was sie aber nicht davon abhielt, hin und wieder halbverdautes Fleisch herauszuwürgen um ihre frisch geschlüpften Drachenjungen zu versorgen. Damit die herzensgute Mutter nicht ganz so viel abmagerte, legte man jede Woche eine frische Keule, meisten von einem männlichen Schaf, in ihrem Futtertrog. Vor allem Pol kümmerte sich um den jungen Nachwuchs. Jeden Tag besuchte er mit Berino zusammen das warmen Nest um die Jungtiere zu streicheln und sie an den Menschen zu gewöhnen. Ansonsten fand man den einstigen Aufseher als glücklicher Helfer in der Küche. Wobei er bereits ahnte, dass er frühestens im Frühling für seine häufige Nascherei betraft wurde. Dann wenn sein hartes Training wieder starte.
Die anfangs unbeliebte Maha erarbeite sich bald ihren zweitrangigen Platz neben Berinos Führungsposition. Auch wenn sich nur wenige mit ihr anfreundeten, als Überwachung des Häuslichen Frieden stellte sie sich geschickt an. Und keiner wollte sich mit ihr anlegen, wenn sie Ungerechtigkeit sah. Dort wo Berino diplomatische Gespräche suchte, reichte ihr strenger eisiger Blick aus, um egoistische Parteien zum Verstummen zu bringen. Man nannte sie hinten herum auch heimlich die Eisdrachenlady. Da eines der geschlüpften Drachenkinder die milchige bläulichgrüne Schuppenfärbung ihrer Augen besass, machte bald der Name Malah die Runde. Ein Scherz der jedoch Maha so gut gefielt, dass sie gleich Ansprüche an den jungen Drachen meldete. Niemand war so unklug ihr zu wiedersprechen.
Frühling
Nach dem strengen Winter zögerte sich der Frühling dermassen lange hinaus, dass man das hungrige Vieh kontrolliert in die Wälder liess, wo sie mit tiefliegenden Zweigen und mit Baumrinde ihren leeren Mägen besänftigten. Sunta kannte noch ein paar, für tierische Ansprüche, verwendbare Tannensorten. Die wuchsen jedoch in höhere Regionen, so dass vor allem die jungen Männer täglich ein grosse Portion Tannenzweige für die Kühe herbeischaffen mussten. Gerade als eine Woche die Sonne dauerhaft schien, die ersten Blumen sich aus dem von Schnee geschmolzenen, aufgeweichten Boden hervorgetrauten, landete ein riesiges, silberschwarzes Ungetüm von einem Weltraumtransporter in gebührendem Abstand vom Hotel. Die braungrünen, vom Tauwasser aufgeweichten Wiese schienen förmlich unter dem schweren Gewicht der abstützenden Stelzen zu schwanken. Bis auf Klump waren alle anderen Männer gerade auswärts beschäftigt. Zwölf Leute davon, ziemlich erfolgreiche Jäger aus der Wüste, die auch in den verschneiten Bergen jede verdeckte Spur von Schneehasen oder anderen kleinsten Nager entdeckten. Beinahe doppelt so viele entschlossene Frauen waren aus der Wüste herbei gereist. Und Sunta ahnte bereits, dass die meisten nach dem kurzen heftigen Beben der gelandeten Flugmaschine, einen Langbogen oder andere tödlichen Waffen in den Händen hielten. Die lange Schreckensherrschaft der Kataner war noch lange nicht vergessen. Von dem kleinen zentralen Erbeben erwachte sogar Mika alarmiert aus ihrem Winterschlaf auf. Das leise Flüstern des noch angestellten Antriebs der unbekannten Besucher glich mehr einem knistern von magnetischer Energie. Dieser deutliche Schwertransporter war nicht für den Krieg oder schnelle, kurze Strecken gebaut worden. Ewas das Sunta sowie Skella sofort registrierten. Während Maha lieber nach einer vertrauten Stabwaffe griff, streifte sich Sunta eine saubere Tunika über. Skella präsentierte sich auch gerne im gepolsterten Gewand und mit einem unauffälligen Lederstreifen über der Schulter. Was wie eine zusätzliche Deko aussah, benutzte sie jedoch gerne als Steinschleuder. Ihre ruhigen Hände hielt sie sichtbar ausserhalb der leicht ausgebeulten Taschen. Sunta wusste von den walnussgrossen Steingeschossen darin. Schliesslich hatte sie mit Skella gemeinsam, nach den perfekten Wurfgeschossen, am Flussufer unten gesucht. Gemeinsam wie zwei lang vertraute Geschwister marschierten sie furchtlos auf den neuen Besucher zu. Aus dessen geöffneter Lucke schwebte ein riesiger Krieger hervor. Sunta erkannte gleich die Ähnlichkeit mit Kironimeks Rassentyp. Allerdings mass diese durchtrainierte Person vor ihnen das doppelte in die Höhe sowie in der Breite, die des kleineren bekannten Kriegers. Unter der schwarzen krassen Haarmähne die daneben jeden ausgewachsenen Löwen wie ein struppiges Kätzchen aussehen liess, erstrahlten zwei dunkle Augen. So sehr jeder Zentimeter, von dem gestählten, breitschultrigen Krieger, förmlich nach Gefahr und Ärger ausströmte, so sehr zeigte sein offenes Lächeln die Harmlosigkeit seines Besuches. Während Sunta sein aufrichtiges Lächeln erwiderte, bewunderte Skella weiterhin sprachlos die muskulösen Oberschenkel welche mehr als das Dreifache ihrer eigenen massen. In dem engen, dehnbaren Stoffanzug den der Unbekannte trug, zeichneten sich bei jedem Schritt genau die kräftigen Muskeln ab. Verlegen kratzte sich der junge Krieger in dem dichten Geflecht seiner unglaublichen Haare. Und auf wundersame Weise blieb seine Hand nicht darin hängen, sondern teilte sich zwischen den Fingern wie flüssige Seide. Überhaupt wirkte er trotz dem schlichten sportlichen Anzug sehr gepflegt. Dank seinem so freundlichen Gesicht wirkte er kaum älter als dreissig Jahre. Auf jeden Fall älter als Zwanzig. Hastig stupste Sunta ihre gaffende Kollegin an und grüßte zuvorkommend. „Willkommen. Schön, dass sie hierher gefunden haben. Wie können wir ihnen helfen?“ Eine Frage die sie später bitter bereute. Doch da in dem Moment der leere Magen unter dem deutlich abzeichnenden Sixpack seines Bauches rumorte, lächelte er verlegen breiter. Also bot sie leider an. „Wie wäre es mit einem frühen Mittagessen?“ Und endlich fand ihr männliches Prachtexemplar seine Stimme wieder. In angenehmer tiefem Ton stellte er sich vor. „Hi, Guten Morgen. Ich bin Demorg ein Freund und Kollege von Kironimek, der ihnen ja bekannt sein dürfte. Da ihr so freundlich wart ihm einen Auftrag zu erfüllen, habe ich mir gedacht vielleicht könnt ihr auch mir einen kleinen Gefallen tun.“
Ein Anflug von Besorgnis zeichnete sich aufs Suntas Stirn ab. „Ich hoffe es sind keine weiteren tausend Rinder. Der Frühling hat erst gestartet und die Futterweiden sind noch alles andere als üppig.“ Rasch winkte der andere ab. Seine Fröhlichkeit war dermassen ansteckend, dass sich Sunta selber beim breiten grinsen ertappte. Dabei gab es eigentlich keinen Grund dafür. Demorg wirkte kurz verlegen als er preisgab. „Nein, der Grund meines Besuches sind vier Geschwister die dringend ein verschwiegenes Versteck benötigen. Da Kironimek in ein paar Monaten wieder hier vorbeikommt hielt er es für angebracht sie auch hier zu stationieren.“ Aus dem Hintergrund von Demorg vernahm man hörbar eine weibliche aufgeregte Stimme. „Seine unhöflichen Worte waren exakt; lassen wir die jungen Hühner doch bei den Rindviechern stationiert. Dort richten wir keinen Schaden an…“ Lange, wohlgeformte Beine erschienen auf dem silbernen Steg des Ausstiegs. Auffällig gelbe Schuhe mit hohen Absätzen, von dessem Anblick Sunta alleine schon schwindlig wurde, pflanzten sich zögerlich in den feuchten wässrigen Untergrund es Bodens. Achtsam hob eine unsagbar hübsche Brünette mit sorgfältig gepflegten Locken ihre mit Spitzen verzierten Rocksaum hoch. Jedes ausgewählte Kleidungsstück, dessen war sich Sunta sicher, war mehr wert als ihre eigene schlichte Ausstattung zusammen. Kleine verspielte Stickereien und glitzernde Kunststeine verzierten die kostbaren Ausstattung dieser kaum ausgewachsen jungen Frau. Dunkelblaue Augen massen skeptisch Suntas einfache Arbeitskleidung. Die wiederum betrachtete mit einer gewissen Faszination und Erschrecken die wundersame elegante Erscheinung. Ihrer guten Erziehung erinnernd folgte ein höflicher Knicks von der Fremden. Zeigte allerdings deutlich eine Abneigung gegen ein Händeschütteln. Entschuldigend lächelte Sunta sie an. Ihre rauen Arbeiterhände wollten die hellen Handschuhe eh nicht beschmutzen. „Sunta,“ stellte sie sich einfach vor. „Herzlich willkommen. Es mag zwar nicht den äusserlichen Anschein haben, aber unser Hotel,“ sie deutete auf das Katanerschiff hinter sich. „Hat einigen Komfort den sie sicher gerne zu schätzen wissen. Ausserdem sind wir offen für Ratschläge falls sie Veränderungen wünschen.“ „Oh“ Die vollen rosalippen verharrten einen Moment sprachlos. Dann ein erleichtertes Lächeln. „Endlich jemand der Prinzessinnen zu würdigen weiss.“ Innerlich zuckte Sunta jedoch zusammen. Wie eine besorgte Älteste trat Skella heran. „Seid ihr alle so hübsch?“ Wollte sie wissen.
„Drei von uns sind bereits verlobt,“ kam ihr die Besucherin ziemlich hilfreich entgegen. Zufrieden nickte Skella. Als Sunta sie fragend ansah, hob sie entschuldigen die Schultern. „Was, Klump ist zwar halbblind seit der letzten Erkältung, doch das würde ihn nicht lange aufhalten. Wir führen zwar eine lockere Beziehung, aber vier ledige Schönheiten hätten durchaus meine geringen Ansprüche an den Alten empfindlich gestört. Bei versprochene Schönheiten hält er sich jedoch an die Regeln. Er ist durchaus ein zuverlässiger Ehrenmann.“
„Prinzessin Rega“, stellte sich die andere vor. Da tänzelten hinter ihr, bereits ihre genauso herausgeputzten Schwester herbei. Einzig die älteste Vierte, trug ein schlichtes, ungefärbtes Ledergewand. Demorg trat rasch einen grossen Schritt zur Seite. „Sachte Ladys. Wie ich versprochen habe, gibt es hier ein sehr praktisches Hotel mit entsprechender Sicherheit. Ein echtes Katanerschlachtschiff sieht man auch nicht alle Tage. Wisst ihr wirklich damit umzugehen falls unliebsamer Besuch aufkreuzt?“
Beschwichtiend lächelte Sunta. „Das Schiff wurde vollkommen umgebaut im innern. Unsere Prinzessinen werden natürlich traditionell von einem Drachen beschützt. Nicht war Mika?“ Aus der Ferne äugte eine verschlafene Mika hinüber. Dabei erinnerte ihr träger Anblick mehr an eine harmlose Schlaftablette. Einzig ihre Ohren wackelten rege, als sie ihren Namen hörte. Nach einem müden Schnaufen, verzog sie sich wieder lieber zurück in ihre warme, trockene Höhle.
Dennoch reichte ihr Anblick, dass drei der vier Prinzessinnen in hochbegeisterte Stimmung zu setzen. „Drachen!“ „Echte Drachen.“
Sunta hob einlenkend ihre Hand. „Wartet nur bis ihr erst die frischgeschlüpften Kleinen seht.“ Das Entzücken in der hohen Stimme tat selbst Sunta empfindlich in den Ohren weh. „Drachenbabys, süsse Drachenbabys?“ Bestätigend nickte Sunta. Wandte kurz den Kopf zu Skella um kurz ihr aufgestautes Lachen, selbstverständlich tonlos, über das merkwürdige Verhalten ihrer Besucher loszuwerden. Total ernst wandte sie sich danach wieder herum. Trotz aller Begeisterung zupfte die Älteste ihre nahen Geschwister zurück um die kostbaren Schuhe vor dem gewöhnlichen Landschmutz zu bewahren. „Demorg, wärst du so nett uns sicher ins Hotel rüber zu bringen,“ bat sie mit dem Ton einer besorgten Mutter.
„Selbstverständlich“. Ein paar lange Schritte zu den kleinen Schwestern reichten um die volle Aufmerksamkeit von allen zu haben. Die schienen genau über sein Vorhaben informiert zu sein. Nachdem alle ihn am Arm oder Schulter fest anfassten, tippte sich Demorg mit einem konzentrierten Finger an die Stirn. Automatisch fragte sich Sunta mit wem er wohl telepathisch Kontakt aufnahm. Ein flimmern vor ihren Augen belehrte sie eines Besseren. Geräuschlos ohne Vorwarnung verschwand Demorg mit den jungen Damen völlig aus ihren Sichtfeld. Erschrocken keuchte sie auf. Während sie schon zum Hotel rüber schaute, starrte Skella noch immer geschockt auf die überraschende Leere vor ihnen. Doch hinten, bereits auf der höheren Etage, winkte das teleportierte Grüppchen zu ihnen herüber. Gerade als sich Sunta in Bewegung setzen wollte, formte sich Demorg neben ihr in voller Grösse auf. „Ich liefere noch ein paar notwenige Sachen ab die Naro für Euch unbedingt als unverzichtbar hielt.“ Zapp, und weg war er wieder. Langsam kam sich Sunta selbst ziemlich rückständig vor. Stella japste nach Luft. „Das ging ja schnell!“ Mitgenommen nickte Sunta, ehe sie gestand, „Das ging selbst mir eine Nummer zu schnell. Oder werden wir einfach langsam zu alt?“ Unerwartet tatschte Skella ihre Hand auf Suntas Schulterblatt nieder. Der Effekt des Aufschrecken wirkte. Skella grinste. „Das lernst du auch noch. Dein zu gewöhnliches Blut wird bald Danks Pol Energie ein bisschen mehr Pepp abbekommen. Wird höchste Zeit dir ein paar Riten beizubringen die deine Gehirnzellen auf Zack bringen.“
„Kann ich danach dieses Geflitze auch?“ Nahm es Sunta gespielt unschuldig wunder, obwohl sie die Antwort kannte. Skella lachte amüsiert. „Nicht ganz. Die befinden sich eine beträchtliche Evolutionsstufe höher als meine. Aber ich denke, auf meine Stufe wirst du es dank Pol und mir schon schaffen.“
Wie angekündigt lud Demorg vier riesige verschnürte Pakete ab. Eines enthielt einen vitaminreichen Futterzusatz für die Rinderherde. Das zweite eine so umfangreiche Ausstattung die jeden Handwerker in Suntas früherem Dorf vor Freude in eine wahre glückliche Tränenflut ausbrechen liesse. Im dritten stapelten sich allerlei Baumaterial und eine exakte Anleitung zur Herstellung eines sehr resistenten Zementes. Ausserdem beinhaltete eine kleine Truhe ein sehr umfangreiches Sortiment von verschieden Gemüse und Früchtesamen. Beim letzten Überraschungsgeschenk jubelte jedes Frauenherz höher. Ein handlicher Webstuhl und tonnenweise Stoffballen warteten auf die kreative Ideen einer geschickten Schneiderin.
Wie verspochen blieb Demorg zum Mittagessen. Allerdings wunderte sich alle wohin er sich das bald siebte komplette Gängemenü hineinstopfte. Seine wundersame Anatomie brachte alle ins Staunen und vor allem den Koch ins Schwitzen, da nach über einer Stunde bereits drei Tagesrationen in den nimmersatten Demorg verschwanden. Zum noch grösseren Staunen zeigte sich kaum mehr als ein leichtes Bäuchlein aus bei seinem Abschied. Staunend und ein bisschen Neidisch winkten ein paar der ledigen Frauen ihm nach. Doch schon am Tisch kristalisierte sich rasch heraus, dass der gutgebaute Krieger längst vergeben war. Neben guten Essen liess er sich höchsten für einen herausfordernden Kampf begeistern. Doch jedermann hütete sich davor, angesichts dieses Muskelberges nur eine Andeutung in diese Richtung auszusprechen.
Der sichere Grundstein war also gelegt und dank Kironimek als Verhandlungspartner schien die Zukunft gesichert.
Als an diesem Abend ein ausgelassenen Fest über diese wunderbaren Aussichten gefeiert wurde, achtete niemand auf aufklarenden Sternenhimmel. Niemand bemerkte, dass die anfangs so flüchtende Sternschnuppe statt harmlos vorbei zu flitzen in Wahrheit näher kam. In aller Stille und Heimlichkeit krachte in einiger Entfernung irgendwo im Berggebiet eine Notfallkapsel der Kataner ziemlich heftig in einen Waldstreifen. Es gab Überlebende.
:D
Tag der Veröffentlichung: 25.11.2011
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