Kaum zu glauben, als ich das erste Mal gegen Abend wagte den Duli mit den Zügeln zu steuern kostete es mich nur eine anstrengende Minute und er gehorchte. Für kurze Zeit ratlos verharrten wir auf der Stelle. Wohin nun. Direkt zurück erwarteten uns eine Menge Feinde. Wir beide schwitzten. Die Sonne glühte trotz den sinkenden Temperaturen des Abends weiter auf uns hinab. Verwandelte sich in eine rot gefärbte Kugel, am entfernten Horizont, genau dorthin wo es Tackander zog. Unsere dezente Duftnote erfreute die blutgierigen Insekten. In Scharen griffen uns die lästigen Stechmücken an. Kurzerhand lenkte ich Tackander auf einen seichten Bach zu. Eher eine modernde Pfütze. In der Mitte, der tiefsten Stelle gab es für einen kurzen Moment sauberes Wasser. Solange bis man mit der Hand die Oberfläche kurz umrührte und den schlammigen Untergrund aufwirbelte. Dennoch es reichte um wenigstens den schlimmsten Durst zu stillen. Tackander soff wie ein durstiges Kamel. Schnell und lange dann auf einmal verwandelte er sich zurück, in den Wachsamen gejagten. Von einer Sekunde zur anderen.
Im Moment fühlte ich mich jedoch ziemlich sicher. Uns trennte mindestens eine Reitstunde vor den schwächeren Verfolger. Diese kostbare Zeit nutzte ich endlich aus um in einem weiten Bogen die Stadt erneut anzupeilen. Aber erst nachdem ich den sträubenden Tackander gründlich mit viel Wasser anspritzte und ihn nachträglich mit etwas Schlamm einrieb damit die Duftspur weniger gierige Mücken anzog. Mein Duli schien äusserst Wasserscheu. Mehrmals riss er mir fast die Zügel aus den Händen. Einmal glückte ihm die Flucht. Merkwürdigerweise wartete er brav ausserhalb des Wassers bis ich aus dem knöcheltiefen Sumpf hinaus stampfte.
Als ich mich auf seinen relativ niedrigen Rücken schwang blickte er bereits erneut auf sein Ziel zu. Sonderbar er stand genau so in Richtung flache Berge. Jedenfalls sahen diese weit in der Ferne kleinen Berge wie aufgetürmte Blöcke aus. Olivgrün hoben sie sich von der sonst bräunlich, trockenen Landschaft ab. Umhüllt von einem Dunstschleier der sie allmählich verschluckte. Seit Stunden sind wir keinem Gebäude mehr begegnet. Keiner von Menschenhand gebauten Unterkunft. Vereinzelt kreuzte eine wilde Gazelleart unsere Wege. Versteckt hinter den mit Dornen besetzten Sträuchern verbargen sich die scheuen Tiere. Trotzdem, der stark sandhaltige Boden passte irgendwie nicht so recht in dieses Klima. So Heiss und Trocken verändert sich das Klima kaum innerhalb einer halben Reitstunde. Einmal nachdem ich die Sache genauer Untersuchte, mit den Schuhen Zwanzig Zentimeter ein Loch buddelte, da fand man bereits fruchtbare, dunkle Erde. Woher also stammte der lose Sand?
Schon deswegen weil man jede Spur gut sichtete wollte ich aus dieser seltsamen Gegend verschwinden. Selten sprossen ein paar zähe Halme aus dem kargen Boden. Eine Bedrückende Gegend. Unheimlich als stünde man am Anfang einer toten fast flachen Wüste.
Also floh ich Seitwärts davon. Brachte mühelos Tackander zum Galoppieren. Strebte zurück in den hügeligeren Teil, der mehr Deckung bot. Ausserdem bot der Möglichkeit selbst den Feind auf Entfernung zu sichten. Ungewissheit über die Grösse meiner hinderlichen Anhänger stürzte mich in eine nervöse Unruhe, dass ich mit grösster Mühe mich kaum auf die Buschtoilette wagte. An Schlaf unmöglich zu denken. Wie brachte ich nur eine finstere Nacht hinter mich wenn ich, ohne Ausrüstung, den Weg nicht erkannte. Dringend als irgendwer sonst benötigte ich ein sicheres Versteck und Information für den Chancenvergleich. Meine Nerven lagen langsam blank.
Trittsicher fand der Duli seinen Weg aufwärts. Freudig begrüsste ich die ersten Gesteinsbrocken die sich allmählich in riesige Felsformationen wandelten. Auf dem harten Boden fand man keinen Hinweis auf meinen Verbleib und hier gab es unzählige Verstecke. Gerade als sich der letzte warme Sonnenstrahl verabschiedete schlug ich den Weg in ein gut überblickbares Seitental ein. Jedenfalls gab es nur wenige gelöste Steine oder ein paar verstreute Sträucher. Hinten wo es unwegsam steil bergan endete versteckte ich mich mit meinem Duli hinter einem dieser mannshohen Felsbrocken der noch in der Schräglage feststeckte. Mit seinem tonnenschweren Gewicht versank er im Kieskegel. Es brauchte einige Überredungskünste um Tackander durch den losen Kies dorthin zu bewegen. Bestimmt überprüften die Verfolger keine eigentlich so offensichtliche Sackgasse. Dazu fehlte ihnen die Zeit und die rechneten damit dass sie mir genau so fehlte. Beruhigt seit langem Sattelte ich ab. Fesselte mit dem langen Zügel die Beine des Dulis zusammen und legte mich neben ihm, auf der Seite des Berges nieder. Schliesslich muss er auch einmal pissen. Stolz darauf auf alles geachtet zu haben schlief ich bald darauf ein mit einem letzten Blick auf die funkelnden Sterne. Eine Formation glich haargenau dem des grossen Wagens. Ich war bestimmt auf der alten, guten Erde.
Mehrmals wachte ich in den frühen Morgenstunden auf. Dennoch fehlte mir die richtige Motivation um einfach endgültig aufzustehen. Zudem plagte mich heftiger Muskelkater vom gestrigen Dauersitzen. Das ging von den Oberschenkel los, über Rücken, endete erst oben in meinen steifen Schultern. Also nach jedem Blinzeln, der schweren Augen, erlag ich dem Gedanken noch ein paar Minuten weiter zu dösen, bitte nur einen kurzen Moment.
Irgendwann, die Sonne lag deutlich über dem Horizont, doch verdeckt hinter einem kleinen Bergmassiv, da setzte ich mich auf. Langsam, Behutsam. Allerdings verleitete mich der unruhige Duli dazu endlich zu handeln. Er verhielt sich eigentlich äusserst still. Nur seine Ohren sausten hin und her. Sein besorgter Blick wanderte zwischen mir und dem rückwärtigen Felsen. Eigentlich eher was hinter dem Felsen lag. Erwartungsvoll blickte er mich mit seinen lebendigen Augen an. So gab ich mir alle erdenkliche Mühe möglichst behutsam ihn aufzusatteln. So dass keine seiner Sattelschnallen mich verrieten. Als ich seine Beine losband bewegte er sich keinen Zentimeter. Das kam mir sehr verdächtig vor also schlich ich leise zu Kante, beugte mich weit vor, denn sonst rutschte der weiche Kies unter meinen Sohlen hinunter. Wirklich da vor dem Eingang des Tales trabten zwei Reiter vorbei. Mühselig trieben sie ihre schlanken, sehnigen Pferde aufwärts. Unbarmherzig. Peitschenhiebe und Schreie hallen bis zu mir nach hinten. Im kühlen Morgen rieb ich meine Handflächen aneinander, freudig dass die zwei so zweifellos vorbei wanderten, dabei ihre müden Pferde weiter unnütz verausgabten. Gerade wollte ich mich Schadenfreudig abwenden als ein dritter Reiter erschien. Ein langsamer Nachzügler. Anscheinend bildete er die letzte Sicherheitslinie falls die anderen was übersehen sollten, denn er blieb unschlüssig stehen. Verflucht, wage es gar nicht, drohte ich Gedanklich. Er überliess die Wahl seinem Pferd. Der perfekte Jäger. Wo seine Sinne angrenzten, führten die seines sensiblen Tieres weiter. Wie zur Bestätigung lenkte er die Zügel ins Tal, trieb aber nicht an. Für einen Moment lang setzte das Pferd Willig seinen Fuss auf den Weg, dann zuckte es unerwartet zurück. Schlagartig erinnerte ich mich an den respektvollen Abstand den Pferde Dulis gegenüber ganz automatisch einhielte. Was der Reiter von selbst niemals erahnte, das verriet ihm sein ausgebildetes Pferd. Klar, nun trieb er seine kräftige, schlanke Stute erst recht zu mir.
Ich musste handeln. Denk nach, denk nach, mahnte ich mich erschrocken mit klopfendem Herz.
Neben mir der erstarrte Duli, dahinter der massive Felsbrocken. Mhm... Geschwind schlüpfte ich unter dem Dulibauch hindurch. Stemmte mich kräftig an den Felsen. Unter meiner ganzen Kraftaufwand zitterte der Brocken kaum. Dafür rieselte umso mehr der lockere Kies hinunter. Nun probierte ich es mit Unterstützung meines kräftigen Tieres. Im Sattel oben lenkte ich ihn Rückwärts. Zuerst reagierte er mit zwei energischen Huftritten sich von dem rückwärtigen Hindernis zu befreien. Nachdem seine harten Hufen wirkungslos versagten, setzte er sich fast mit dem Hinterteil an den Felsen.
Wie bei einer umgedrehten Sanduhr schlitterte unaufhaltsam die Kiesmasse unter dem mächtigen Gewicht weg, schleichend, fast geräuschlos. Einige aufgescheuchte Mäuse huschten, aus ihrem unsicheren Versteck vertrieben, in Sicherheit. Dann auf einmal krachte eine dünne Granitplatte in sich zusammen. Endlich donnerte der grosse Felsen ins den Talboden hinunter.
In Panik stürmte das überraschte Pferd des Jägers davon. Nach einigen Metern gelang es ihm jedoch sie zu beruhigen. Drehte die mit den Augen rollende Stute herum. Wir beide massen uns. Jäger und Gejagte.
Seine Reflexe geschmeidiger. Ehe ich meinen Duli wendete raste er ungebremst auf mich zu. Allerdings nur bis vor den Felsen. Ängstlich bäumte sich seine knochige Stute davor auf, stemmte ihre schlanken Beine fest in den weichen Untergrund und weigerte sich konstant.
Kein Vorteil für mich denn sie versperrten mir beide allemal den schmalen Ausgang. Auf die zwanzig Meter reichte sein langes Lasso jederzeit. Jetzt da seine ungehorsame Stute streikte, sprang er ab und löste seine weitreichende Waffe. Mir blieb nur der steile Hang vor kummervollen Sorgen. Da kam selbst ein geschicktes Pferd niemals hoch. Ein Pferd niemals....vielleicht ein Duli ?
Nach den ersten fünf Metern sprang ich ab. Rutschte mit meinen flachen Turnschuhen auf den lockeren Steinen bereits rückwärts. Besser mit seinen kleinen, scharfen Hufen grub sich der Duli vorwärts. Allerdings ohne Antrieb hielt er es für sinnlos weiter bergan zu klettern. Ich musste irgendwie voraus.
Den Allradantrieb voll ausnützend kletterte ich auf allen Vieren, egal wie peinlich das nun aussah. Es hing schliesslich auch Maximilians Zukunft davon ab. Schmerzhaft schürfte ich mir an den scharfen Kanten die empfindlichen Handflächen auf. Nur fünfzig Meter, dreissig, zwanzig.
Wie eine sehnige Gazelle spulte sich der brave Duli nach oben. Steine und aufgewühlte Erde wirbelten unter ihm hervor. Zehn Meter, fünf. Trotz der Kühle des Morgens drückte der Schweiss aus allen Poren. Knapp erreichten wir die oberste Felskante. Anderthalb Meter darunter stapften wir zwei, drei Minuten im Leerlauf bis wir wenigstens stillstanden, ohne rückwärts, zu rutschen. Am schlimmsten diese letzten unsicheren Meter. Danach stoppte uns eine fast senkrecht hohe Klippe. Für mich kein Problem, aber für ein Tier, das schon in einer achtzig Prozenten Steillage fest hing, unüberspringbar. Wir benötigten schon ein Wunder.
Rollender Kies verriet dass uns der Jäger erfolgreich zu Fuss nachsetzte.
Allein, oder selbst mit Unterstützung, schaffte man es nie den Duli da hoch zu ziehen. Wenn er sich aufbäumte... es bestand immerhin die Möglichkeit. Ich drückte mich an die kalte Mauer. Zog Tackander so nah heran dass er mit seiner Stirn die Steine berührte.
„Los, komm,“ lockte ich ihn weiter. Verstört wackelte er mit seinen Ohren. Unsanft klopfte ich ihm in die Seite, hielt mit der einen ausgestreckten Hand die Zügel nach oben. Erst als ich ihn am Schweif nach vorne zupfte versammelte er sich unentschlossen. Unter uns schwang der junge Jäger bereits sein Seil. Sein Gewicht erlaubte ihm kein Weiterkommen also versuchte er es auf andere Weise. Tackander zappelte zögernd mit seinen Hufen auf der Stelle. Auf einmal stemmte er sich unerwartet blitzartig auf die Hinterbeine. Ausgestreckt reichten seine vorderen Zehen gerade den äussersten Rand. Er musste näher rann. Also liess ich seine Zügel los und stellte mich hinter ihm und drückte seine Hinterhand mit der ganzen Belastung vorwärts. Was für ein riskantes Manöver. Er schien zu begreifen. Schritt näher an den Rand heran dass er mit seinen vorderen Kniegelenken sich bereits abstützte. In dieser Sekunde schwirrte das Seil heran. Legte sich zielsicher über seinen Kopf, rutschte an seinem Hals hinunter. Wenn der Jäger sich daran hing ruinierte er meine ganze Flucht. Bevor Tackander sein Manöver abbrach griff ich in meinem hohen Schuhen nach meinem Messer. Weil unser Verfolger bereits kräftig an seinem Folterinstrument riss gelang es mir wesentlich schneller das Seil zu durchschneiden. Hinter uns ertönte auf einmal ein Schrei als der Arme, aber wohlverdient, durch den gekappten Halt das Gleichgewicht verlor.
Dadurch gewann ich wertvolle Minuten. Wir rutschten und schoben uns Zentimeter voran. Nun fehlte nur noch die Hinterhand. Also kam ich auf eine saublöde Idee. Stellte mich Rückwärts und stemmte mit aller Kraft Tackander die Hinterbacken hoch. Irgendwie musste das klappen. So weit und so blöd war niemand anders je mit seinem Pferd gekommen. Also wenigstens sollte ein kleiner Erfolg herausspringen.
Überhaupt, wie kam ich winzige Frau auf die Idee eine über zweihundert Kilo schwere Hinterhand hoch zu stemmen? Das fragte ich mich, als mir der Schweiss nur so den Rücken hinunter floss und jeder Rückenwirbel spürbar schmerzte. Dagegen waren meine brennenden Handflächen nebensächlich. Auf einmal gab es einen Ruck. Nun arbeitete Tackander selbständig in Schüben. Stählerne Beine fuchtelten haltlos. Und es kam eben wie erwartet. Gleich einer Eisenstange bohrte sich der rudernde Huf in meine Schulter. Gespaltene Zehen bohrten sich wie ein Brandzeichen in mein Schulterblatt. Über zweihundert Kilo suchten und fanden Halt. Einen Moment wirbelte ich betäubt zu Boden. Schürfte mir dabei mehrmals über die empfindlichen Knie bis ich mein Gleichgewicht fand und abbremste. Unfähig aufzustehen blickte ich nach oben. Wenige Meter oberhalb stand Tackander verwirrt auf dem neuen Untergrund. Schnupperte bereits an dem dünnen, spärlichen Gras. Triumph, Stolz floss durch meine Adern.
Halb betäubt kraxelte ich im Schneckentempo nach oben. Als ich neben dem Duli stand, tränten meine Augen vor Erleichterung und Schmerz. Eigentlich wollte ich nur neben Tackander auf den Boden sinken. Mein Verfolger selber hinkte, weit unter mir, zu seiner Stute zurück, da hörte ich unerwarteten Hufschlag. Rasch realisierte ich die rasende Geschwindigkeit mit der er zunahm. Innert Sekunden zog ich mich ungeschickt in den Sattel. Meine linke Schulter brannte wie Feuer. Nie in meinem Leben kannte ich solche Qualen, tausend glühender Nadeln.
Erhöht auf dem schmalen Grat entdeckte ich rasch die zur linken nähernden Reiter. In höllischen Tempo. Weit schleuderten die Hufe die lockeren Steine in die beiden Täler hinunter. Dieses fremde Tal glich einem erloschenen Vulkankrater von einem halben Kilometer Durchmesser. Falls ich da hinein schlitterte sass ich gewaltig in der Falle.
Munter fegte Tackander am Steinigen Rand entlang. Da die hinter mir auch eine lästige, schwingende Seilkunst beherrschten hielt ich es angebracht einen gewissen Abstand zu halten.
Es brachte gewisse Vorteile einen dieser merkwürdigen Dulis zu reiten. Souverän meisterte er das kantige Gelände. Er fühlte sich richtig in seinem Element. Feurig, überlegen raste er Souverän davon. Siegessicher sprengten wir, beide von uns überzeugt, in Sicherheit. Liessen nur eine kleine Staubwolke zurück. Leichtsinnig sahen wir nur rückwärts und nach vorn. Völlig unerwartet überraschte uns ein vierter Reiter von der Seite. Erschrocken, ich und Tackander, reagierten wir unüberlegt. Einen Satz zur Felswand die uns bremste. Kurzerhand wandte Tackander sein Hinterteil zurück zu dem neuen Feind. Harte Hufschläge hagelten auf das arme Pferd nieder. Geschickt wich es rückwärts. Auf einmal rutschte der schmale Fussweg unter dem Duli weg. Kies geriet ins rutschen. Tackander auf den Kampf ausgerichtet vermochte sich auf keiner Seite mehr retten. Rückwärts verlor er jeden festen Halt. Ich weiss nicht wie viele Rückenwirbel ein Duli hat. Geschmeidig wie eine Katze brauchte er nur zwei Sätze um zu wenden. Unaufhaltsam glitten wir nun vorwärts, unkontrolliert auf der Aussenseite des Kraters wie ein unbremsbarer Schlitten auf Glatteis.
Besorgte Gesichter verfolgten unseren unglücklichen Rutsch. Niemand wagte sich auf diesen tödlichen Weg hinab. Hinter uns rollte eine Lawine von Millionen, unzähliger kleinen Steinen heran. Unaufhaltsam wie eine mächtige Springflut pirschten sie sich an den strampelnden Duli heran. Verschluckte seine Hinterhand, drückte sie gewaltsam nieder. Entsetzliches Schreien, Wiehern löste sich der erstickenden Kehle Tackanders. Da ein rettender Felsvorsprung. Tackander stemmte erfolgreich seine stahlharten Hufe dagegen. Kies rieselte, plätscherte an uns vorbei. Wie ein Fels im strömenden Wasser hielten wir stand. Drei, vier Meter vor uns stoppte der Abhang, rollte die Steinlawine aus, was ihre Kraft minderte. Entsetzt, mit den Augen rollend wartete der Duli bis endlich die Masse stillhielt. Beim letzten kullern eines Nachzügler stolperte er verspannt los. Unsicher holperte er zwei grössere Sätze vorwärts. Fand den gewünschten Halt und verstärkte seine Geschwindigkeit. Dennoch er verlor seine bisherige Geschmeidigkeit. Zum ersten Mal fiel es mir richtig schwer das Gleichgewicht zu behalten. Krallte meine Hände an der mageren Mähne fest. Zügellos liess er seiner Panik freien Lauf. Preschte den nächsten felsigeren Hang hinauf, vorbei an Mannshohen Steinen. Sträucher kratzten seine Beine. Dornen blieben an meinen Hosenbein hängen. Krampfhaft probierte ich einfach nur mich festzuhalten. Presste einfach meine Lippen zusammen. Hinauf, hinauf, Staub wirbelte auf. Gelockerter Untergrund schleuderte er mit seinen kräftigen, verletzten Hinterbeinen weit hinaus. Dulis, wahrhaft ausdauernde Kraftmaschinen. Umso schlimmer drehte einer durch. Oben versperrte ein knorriger Baumstamm den Weg. Gefällt, liegend seine Äste längst ausgetrocknet und vom Winde geknickt. Unaufhaltsam stürmte der Duli weiter. Bereitete mich auf einen Sprung vor. Umklammerte mit einer Hand fest den Sattel. Mühelos setzte der Duli darüber. Sein Atem ging schwer, darum sprang er weniger grosszügig über den auch niedrigen Stamm.
Vor seinen aufsetzenden Hufen klaffte plötzlich ein Loch. Schwarz und scharf führte eine tiefe enge Spalte ins Erdreich hinein. Ein ganzer Meter breit reichte das schmale Band. Kein Ausweichen, kein Aufschreien nur grauenvolles Entsetzen.
Haltlos schlüpften die Vorderbeine in den grundlosen Spalt. Es knallte brutal als der aufgerichtete Hals den Sturz abbremste. Knochen knackten. Stöhnend sackte der Duli in der Mitte wie eine Marionette zusammen, glitt zur Seite, abwärts in die kalte Tiefe. Völlig perplex hielt ich gerade meine Ellbogen nach vorn dass ich, während der Duli zusammen geklappt in den Schund rutschte, Halt fand. Einige Sekunden hing ich, gänzlich unter Schock, bis ich realisierte dass unter meinen Füssen wirklich kein Halt zu finden wahr. Langsam sickerte Sorge durch meine abgestellten Gedanken. Eben noch ritt ich, und jetzt hinderten nur meine Ellbogen vor dem Abrutschen ins Ungewisse. Allmählich schaltete mein Hirn auf. Vorsichtig wälzte ich meinen restlichen Körper über die Kanten hinaus. Schweigend, stumm wälzte ich mich halbblind jeden Zentimeter vorwärts. Nichts funktionierte mehr. Müde, bleich und vollkommen verstört verharrte ich anschliessend auf dem sicheren Untergrund. Gefangen war mein Freund, verloren mein Reittier, ich kannte keine weitere Seele in dieser unbekannten Welt. Ich verspürte das dringende Bedürfnis einfach los zu heulen. Es zitterten meine trockenen Lippen. Feucht glänzten meine Augen. Verzweifelt sah ich zu dem den grellen Mittagshimmel hoch. Zum ersten Mal sehnte ich mich nach der ruhigen Klapsmühle.
Nach einer Weile erinnerte ich mich an die zärtlichen Hände von Maximilian. Er liebte mich, davon war ich überzeugt. Ich liebte ihn, das gestand ich zweifelsfrei ein. Wir brauchten einander. Neue Hoffnung keimte auf. Noch war ich schliesslich frei.
Seit Stunden stolperte ich herum. Stechender Schmerz in den Waden liess mich öfters pausieren. Zudem stiess ich vermehrt mit meinen Wildlederschuhen an diese spitzten Steinbrocken. Überall diese verfluchten Steine. Als ob man sie alle im Land einsammelte und hier ablagerte. Jede Grösse verschiedenster Sorten. Vom härtesten Granit bis zum weichen Kalkstein der unter meiner Sohle gleich zerbrösmelte. Ein furchtbar lang gezogenes Steintal, unwegsam, feindlich, abschreckend. Später sollte ich herausfinden dass meine Vermutung so ziemlich stimmte. Tatsächlich transportierten die umliegenden Bauern, im Einverständnis der Regierung, hier ihre überflüssigen Steine von den Feldern her.
Ahnungslos, Zornig auf mich selber stürmte ich das ansteigende Tal hinauf. Leicht andeutungsweise führte ein schmaler Pfad meine Füsse. Nur mit guten Augen erkennbar. Immer wieder stiess ich auf einen grösseren Stein den man wie extra genau in die Mitte legte. Kluger Duli. Es existierte also doch irgendetwas hinter diesem trostlosen Land. Verschwörer, Rebellen gegen die Regierung... Banditen? Zweifel plagten meinen Verstand. Tat ich überhaupt das richtige? Dulis galten ausschliesslich Eigentum der Regierung. Lief ich geradewegs auf eine Festung zu? Auf keinen Fall führte so ein eingefallener Pfad auf ein bemanntes Soldatennest zu. Höchstens auf ein verlassenes. Ah… Vielleicht fand ich sogar zurückgelassene Lebensmittel. Besser eine Quelle mit Wasser. Oder hat man das Lager wegen ausbleiben des Wasser aufgegeben?
Dies und ähnliche Zweifel nagten ständig unter meiner heissen Stirn. An alles erlaubte ich mir zu denken nur nicht ans stillstehen. Den eingeengten schwitzenden Füssen eine Pause einzuräumen oder dem Schmerz in der Schulter nach zu geben. Lieber Zweifel nach vorn richten und erbarmungslose Jäger im Rücken sich einzubilden. Das hielt einen im ewigen Rhythmus. Jagte den Adrenalinspiegel hoch.
Gegen Abend sah ich dies schon ein bisschen anders. Schonungslos gaben die Steine die gespeicherte Wärme des Tages zurück. Hoffte ich beim absinken der Sonne auf ein Kühlung sah ich mich gründlich getäuscht. Es kam schlimmer nachdem ich den ersten, mit Staub überpuderten Reiter hinter mir sichtete. Kaum eine halben Kilometer trennend uns voneinander. Meine trockene Zunge klebte mir schon lange im Gaumen. Jeder einzelne Zeh drückte Qualvoll ins Leder. Kaum ein Zentimeter Stoff der nicht an meiner Haut klebte.
Panik schoss unkontrollierbar hoch sobald ich zurückblickend den schmelzenden Abstand beobachtete.
Ich wollte mich wehren. Meine Gedanken rasten, verwirrt im Bemühen, von wollen und können zu unterscheiden. Im Gegensatz zum Willen zitterte mein ganzer innerlicher Körper vor Erschöpfung. An meine Beine dachte ich schon gar nicht mehr. An dieses anhaltende Leiden hatte ich mich mittlerweile gewöhnt. Aber die Hände fühlten sich an wie gelähmt. Es kribbelte in jeder Zelle. So lange hatte ich durchgehalten, gekämpft, bis mein Körper versagte. Nun rebellierten meine Gedanken weiter, forderten widerstand.
Eine kühle Hand legte sich auf meine heisse Stirn. Auf einmal kehrte eine erlösende Stille ein in meine gejagten Gedanken. Ein fliessender Strom verbreitete Ruhe durch mein Gehirn. Träume, angenehme Bilder formten sich hinter geschlossenen Augen. Mein Herzschlag normalisierte sich.
In den nächsten Stunden realisierte ich herzlich wenig. Oder waren es Tage? Als erstes schlief ich bestimmt ein paar Stunden, als ich nämlich das erste Mal aufwachte fühlte ich mich schon erheblich frischer. Ich lag nicht mehr draussen auf den Steinen. Keine nächtliche Kälte die mich erstarren liess. Stattdessen sammelte sich zum ersten Mal eine schwache Energie, wieder in meinem Körper, an. Eigentlich spürte ich sogar den Drang mich aufzusetzen, doch ich stellte rasch fest dass ich irgendwie blockiert war. Gepolsterte Bandagen hielten mich an den Armen fest und auch meine Fesseln. Für einen Moment stockte mein Herzschlag. Schreckliche Erinnerungen tauchten auf dass ich mich in meiner alten Zelle wieder fand. Verzweifelt bäumte ich mich gegen die stabilen Fesseln auf.
Ein matter Lichtstrahl erhellte für eine Sekunde den dunklen Raum. Trennte die düstere Umgebung, für einen Sekunden Bruchteil, in eine umsorgte Atmosphäre. Jemand trat in der Dunkelheit an mein Bett heran. Mit jedem nähernden Schritt, dieser leichtfüssigen Stiefelsohlen, fühlte ich mich Erleichterter. Woher, wieso, darauf wusste ich keine bestimmte Antwort. Mir kam es vor als sei ich Zuhause angekommen. Erst recht als sich geschickte Finger meine Bandagen aufknoteten. Obwohl ich wie blind dalag, hilflos, ein wenig verwirrt, blieb ich liegen und genoss die Ruhe. Mit einem leisen Seufzer drehte ich mich auf die Seite. Rundete meinen Rücken ab um ihn zu Entlasten. Der Unbekannte betastete behutsam meinem Bein entlang. Es schien als könnte er im Dunkel sehen. Gar durch mich hindurch sehen. Er wusste genau wo es mir wehtat. Sobald er eine Stelle fand, breitete sich Wärme aus und der wunde Punkt löste sich auf. Von den Füssen bis zu den Oberschenkeln wanderte er hoch. Ich dachte gar nicht daran zu erschrecken sondern genoss einfach diese sonderbare, unerklärliche Wohltat. Obwohl ich mich sonst vor Fremden gar nicht gerne anfassen lies. Nicht mal bei Bekannten. Maximilian stellte bisher die erste Ausnahme dar und jetzt…?
Selbst als die Hand meinen Rücken abtastete, liess ich es willenlos geschehen. Fühlte mich sonderbar- gelassen, locker, ohne geringste Druckstellen, Wunschlos. Letzteres gab mir doch zu denken dass vielleicht in meinem paradiesischen Garten doch ein Wurm am Haken lockte. Beziehungsweise dass ich schon gar als Fisch an am betörenden Haken hing ohne es zu wissen. In solchen Augenblicken, des Zweifeln, hörte ich diese entspannende Singen. Keine Töne, es lag irgendetwas Unerklärliches in der Luft das seine angenehmen Schwingungen in mir verbreitete. Willenlos versank ich dann in einen leichten erholsamen Schlaf zurück.
Schwarz, also kombinierte ich, fensterlos müsse der Raum sein. Ohne Zweifel war ich wach. Spürte den weichen Stoff unter meinen Fingern, doch blieb er unerkennbar. Dabei wusste ich doch vom Vollmond und dass er durch jeden Vorhangstoff sein Licht durchsiebte. Jedenfalls in diesem Land wo man die Natürlichkeit schätzte. Wo war ich? In welchem düsteren Loch versteckt. Es kostete eine Menge Anstrengung mich einigermassen aufzurichten. Körperlich fühlte ich mich gesund aber immens schwach. Wie lange lag ich nur auf dieser harten Matratze. Nach dem abtasten der Finger fühlt es sich so an wie mit Stroh gepolsterte Säcke. Mit einem gekrümmten Rücken sass ich in der Dunkelheit. Liess meinen Oberkörper richtig durchhängen und begann ihn langsam aufzurichten. Jeder Muskel tat vom langen liegen weh. Verlockend rief eine innere Stimme dass ich mich einfach wieder hinlegen soll. Meinen wachsamen Verstand wieder ausklicken und einfach hinlegen. Was für ein wunderbarer Gedanke !
Safina, mahnte ich mich streng, denke nicht nur an dich. Suche eine Lösung, finde einen Ausweg wie du Maximilian helfen kannst.
Also ich lag auf einem harten Bett. Ein Badezimmer oder Waschraum ist gleich neben an. Soweit hörte ich das an einem tropfenden Wasserhahnen. Was für ein Luxus für eine Höhle. Ein dünner Lichtstreifen unter der Tür verriet mir den Ausgang. Das Bett lag ungewöhnlich Hoch auf einer aufgestellten Unterlage. So rutschte ich mehr auf den kalten Boden hinunter. Erst jetzt bemerkte ich meine Barfüsse und das schlichte Nachthemd. Behutsam streckte ich meine Zehen auf den steinigen Felsenuntergrund aus. Verlagerte langsam mein Gewicht auf meine Beine. Eigentlich erwartete ich riesige Schmerzen. Wo blieb mein Muskelkater, meine gezerrten Sehnen? Nichts, alles war verschwunden als hätte es nie mich nie geplagt. Verwundert taste ich erleichtert auf die Türe zu. In der Dunkelheit wollte ich nirgends anstossen. Geräuschlos schlich ich mich zur hölzernen Wand. Unter meinen Fingern entdeckte ich das verschiedene Material. Den kühlen geschliffenen Felsen und die glatt polierte Oberfläche des Holzes. Gab es hier keinen Türgriff. Wachsende Panik vertrieb den klaren Verstand. Sass ich in einem dunklen Gefängnis fest? Wieder überdeckte ein warmer Gedanke meine Angst. Ruhig, lass dir Zeit!
Dennoch ich wollte hier schnell hinaus und dies möglichst leise. Wie sollte ich beides schaffen? Aufgeregt sah ich ein dass ich so nichts erreichte. Lies meine Arme sinken, hörte auf diese sonderbare beruhigende Stimme. Dieses unbekannte Gefühl, das sich in mich schlich, ohne etwas zu erzwingen. Atmete tief durch. Dann versuchte ich es erneut. Es gab keinen Mechanismus. Auf einmal zitterte die dünne Wand. Aber halt, dies ist ja nur eine einfache Schiebetür. Nun Ärgerte ich mich über meine eigene Dummheit. So einfach und bringt einem Blinden zur Verzweiflung. Tatsächlich landete ich in einem breiten Gang den man einmal vor langer Zeit mühselig in Stein gehauen hatte. Schmucklos und kahl. Meine Füsse froren auf dem kalten, sauberen Boden. Da der Durchgang sich leicht krümmte, sah ich nur wenige Meter weit. Dicke hohe Kerzen beleuchten matt zwischen den Türen verteilt. Ihr Russ färbte die Decke schwarz. Und ich hatte Unrecht. Es gab Fenster, nur zeigten sie in den Gang hinein. Alle waren zurzeit mit einer Art Store verdunkelt. Da ich nur gerade mal zwei Türen weit sehen konnte schlich ich Richtung Hauptausgang. Dabei half mir die leichte Steigung des Boden richtig zu raten und der dünne Rauch der Kerzen. Leise tappte ich über den fein gehauenen Boden. Ein richtiges Kunstwerk für ein Land in dem Maschinen als Verboten galten !
Eine grössere bequeme Stube präsentierte sich zur linken. Verdeckt durch einen lichten Vorhang aus kleinen bunten Steinen. Neugierig trat ich ein. Jetzt spürte ich den vermissten, weichen Teppich. Mondlicht schimmerte zwischen den Spalten eines schweren Stoffvorhanges hinein. Liess mich den Reichtum dieser Stube ahnen. Sicher trat ich an dem dunklen massiven Holztisch vorbei direkt auf das silberne Mondlicht zu. Es versprach Freiheit.
Meine Füsse badeten schon in den weichen Strahlen, da stand ich einfach still. Zögerte. Behutsam führte ich den schweren Stoff zu Seite. Wollte jede Alarmanlage erkennen, vorbeugen. Doch nichts geschah. Keine Schreie, keine Sirene heulte los. Nur der ewig schweigende Mond begrüsste mein Gesicht, blendete sogar meine Augen. Dankbar begrüsste ich ihn. Genoss es weiterhin ruhig dazustehen und die Stille der Nacht auf mich einwirken zu lassen. Ich brauchte das nach den gestressten Tagen. Mein Körper saugte diese Ruhe mit jeder Faser ein. Entspannte sich, lockerte seine neue Versteifung. Auf wunderbare Weise fühlte ich mich einfach Sicher an diesem unbekannten Ort. Das war auch kein Wunder den er wurde gut bewacht.
Auf jeden Fall zog ich mich schnell in die Falten des Stoffes zurück. Versteckte, tarnte mich darin. Auf diesem Hofplatz gab es eine Menge leere, offene Boxen. Wo waren nur die entsprechenden Tiere verblieben? Der Grösse nach passten Elefanten in diese gestreuten Holzpferche hinein. Jedenfalls war an jeder Aussenwand ein steinerner Pfahl zur Verstärkung eingebaut mit einer soliden Eisenkette. Was mich jedoch zurück weichen liess war der Wachposten der als schwarze Siluette sich oben auf den höchsten Felsblock abhob. Gross stand er da. Eindrucksvoll mit einem geschärften Speer in der Hand, den er neben sich stellte, aber sich keinesfalls abstützte.
Nach einer Weile entdeckte ich eine weitere Gestalt unterhalb zwischen den Blöcken versteckt. Nur weil er sich mal kurz Bewegte hatte er sich mir verraten. Er sass verträumt da. Doch der Eindruck täuschte. Sobald meine Augen über ihn streiften ertönte wieder das bekannte Summen in mir. Dieser besänftigende Ton der sich in meine Glieder schlich. Mich schwer machte und zur Müdigkeit verleitete. Mehrmals riss ich mich von diesem einlullenden Gefühl hinaus. Kämpfte auf einmal dagegen an da ich es nun als ernsthafte Gefahr beachtete. Unheimlich woher es stammte.
Schaudernd zuckte ich zusammen. Dies war der absolute Wahnsinn. Der Fremde dort oben hatte sich umgewandt. Und ich wusste einfach dass er mich ansah. Ich wusste dass ich es selber ausgelöst hatte. Er vermochte meine Anwesenheit aufzufangen. Zutiefst erschrocken schlug ich den Vorhang zurück. Wo war ich gelandet? Obwohl ich weder Augen noch sonst was aus seinem Gesicht erkannte, erschütterte mich sein Blick. Als ob sein Geist mich wahrhaftig berührte. Dies empfand ich schlimmer als eine gefährlichen Gefahr der ich gegenüber treten konnte. Unfassbar. Erneut fasste Angst nach mir. Eine weiche Stimme vertrieb sie. Wiegte mich in Sicherheit.
Da überschlugen sich die Ereignisse für mein Fassungsvermögen. Rannte nur noch durch den Raum hindurch. Hinein in mein Zimmer zurück. Automatisch fand ich die Tür. Verschloss sie wieder so dass die Dunkelheit alles verschluckte. Kroch zitternd unter die Decke. Zehrte sie über meinen Kopf.
Leises Singen verfolgte mich in einen schwingenden Schlaf. Dagegen konnte ich mich nicht wehren, durfte ich einfach nicht. Verstand es nicht, aber es war so schön dass ich mich von der unbekannten Stimme einfach leiten liess meinen Frieden zu finden.
Tag. Jedenfalls nahm ich das stark an. Draussen im Gang stampfen eine Menge Stiefel umher. Wie eine wilde Horde Elefanten, erinnerte ich mich. An die zwanzig Leute schätzte ich. Sollte ich zur Türe gehen und nachsehen! Irgendwie getraute ich mich nicht recht. Alles war so fremd. Ausserdem war die Müdigkeit allgegenwärtig. Träge rollte ich mich auf die andere Seite. Spähe ratlos in den dunklen Raum hinaus. Zog die grobe Wolldecke erneut über die Ohren. Doch weiter kam ich nicht. Jemand riss meine Türe auf. Entsetzt schoss ich hoch, wappnete mich auf einen Überfall vor.
Ein blonder Riese füllte den Türrahmen. Dunkle Augen starrten mich finster an. „Anziehen! Aufstehen!“ brüllte er mit tiefer Stimme. „Na das haben wir gerne. Neulinge die den Kursanfang verpassen und dann noch zu spät zum Dienst erscheinen! Auf, auf! Immer noch am liegen?“ herrschte er mich grob an. Verstört packte ich meine Decke. Keinesfalls wollte ich in seine Nähe. So sprang ich aus dem Bett und presste mich verstört an die Wand. Mit einer Decke als Schutzschild.
Er betrachtete mich eine Weile ernst dann jedoch auf einmal unterdrückte er ein Lachen. „Neulinge“, schmunzelte er mehr zu sich selbst. „Raus hier. In einer Minute will ich dich draussen sehen oder es hagelt Strafarbeiten!“ Er verschwand wie ein Sommergewitter. Schnell, laut und liess einen beeindruckenden Schaden zurück.
Als erstes war ich wirklich wach geworden. Realisierte dass die Türe offen stand. Einige Nachzügler eilten im Expresstempo ihrem Führer nach. Himmel, was war dies für ein gnadenloser Ausbilder! Hoffentlich landete ich nicht in einem Militärlager! Ich tat es den anderen gleich. Hastete zur Türe. Mit einem Stoss schloss ich sie. Zog hastig an dem Rollladen meines Fenster um ein bisschen Licht ins innere zu bringen. Sprang zur nächsten Kommode, zog an der Schublade. Verblüfft schaute ich auf das enge dunkelblaue Hemd und die schwarzen Hosen. Sogar polierte Stiefel standen neben der Kommode. Alles in passender Grösse. Zum langen Überlegen blieb mir keine Zeit. Stürzte mich in die neue Kleidung. Zwängte meine Füsse in die weichen braunen Stiefel. Unsicher trat ich wieder in den Gang hinaus. So merkwürdig erschien es mir im matten Tageslicht. Vor dem zurückgeschlagenen Vorhang zögerte ich ein letztes Mal. Die anderen standen schon in zwei Reihen einander gegenüber. Angesicht zu Angesicht. Als erstes holte ich tief Luft. Suchte meinen Mut. Vorsichtig hastete ich so unauffällig wie möglich mich über den Platz, zu den anderen. Kein Stein polterte unter meiner Stiefelsohle. Der Anführer stand mit dem Rücken zu mir. Kurzgeschorene dunkelblonde Haare. Eine gepolsterte Uniform, die besonders seine kräftigen Schultern, unnötig verstärkte. Als ob er mit seinen zwei Metern Höhe dies benötigte. Seine geballten Hände energisch in die Hüften gestemmt. Wie ein grob gehauener Klotz glich er einem mächtigen Gegner aus einem Computer Kriegsspiel. Heimlich musste ich darüber lachen, sehr kurz. Dieser gefährliche Krieger drehte sich nämlich herum. Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete er meine Wenigkeit als hätte ich kein Recht zum Lachen. Fühlte mich wie ein frisch geschorenes Lamm vor einem ausgehungerten Wolf. Schluckte leer um die trockene Kehle zu befeuchten und lächelte verlegen, was dem grinsen in Comics glich.
„Tempo“, herrschte er mich unbeeindruckt an. „Dauert das immer so lange!“ Huch, ich flog über den Boden, hinten herum, um mich neben eine schwarzhaarige gleichaltrige Frau anzustellen. An ihrem Gesicht war eindeutig zu erkennen dass sie Asiatisches Blut in sich führte. Sie glich Haargenau einer Japanerin aus meiner Zeit. Zum ersten Mal sah ich eine aussergewöhnliche Genossin die man hier ohne weiteres akzeptierte. Darüber sollte ich mich eigentlich freuen, doch diese junge Frau betrachtete mich mit einem überlegenen Blick von oben herab, dabei war sie kaum fünf Zentimeter grösser. Etwas in diesem höhnischen Blick warnte mich davor sie feindlich zu behandeln. Diese zierliche Frau barg ein Geheimnis. Mir fiel auch auf, dass sie die seitlichen langen Haare exakt nach hinten band um ein freies Gesicht zu haben. Mein Blick wanderte weiter zu den anderen. Sah wie alle gerade da standen und wie Taubstumme, unbeteiligt nach vorne starrten. Um nicht weiter aufzufallen tat ich es ihnen gleich.
„Also sind wir alle endlich Vollzählig!“ Der Hüne brüllte so laut dass es mir in den Ohren wehtat. Ich erlaubte mir nur ein Auge zu nieder kneifen. Öffnete es schnell wieder als der kritische Blick über uns schweifte. Dann trat er überraschender Weise am Ende in die Reihe. Ich schielte an der Nachbarin vorbei.
„Wenn tu etwas tust was uns Strafarbeiten einbringt, mache ich dich ein Kopf kürzer, “ zischte mir die Japanerin leise zu. „Verhalte dich gefälligst still!“
Sie bewegte dabei kaum ihre Lippen. Ich dagegen presste meine Zusammen, um zu verhindern was Gemeines zurück zu geben.
So sah ich mit starrem Kopf direkt mein Gegenüber an, in zwei Metern Entfernung. Eine hübsche mollige Blondine die mich freundlicher Anlächelte als sie meinen Blick auffing. Ich erwiderte unmerklich für die anderen, nickend ihren Gruss. Da drückten sich auf einmal alle in Position. Wirklich haargenau wie beim Militär. Mit einem stummen Seufzer folgte ich. Dann jedoch sah ich ihn, den wahren Kommandanten. Kleiner, als der stimmgewaltige Rüpel, aber immer noch einen halben Kopf grösser als ich. Meine gerade ausgerichteten Augen reichten ihm gerade mal an ein ausgeprägtes Kinn. Er schien mir jung für so einen hohen Posten doch strahlte er so ein gehörige Portion Autorität aus dass ich die anderen Verstand, weshalb sie mit gehörigen Respekt ihre gute Seite präsentierten. Ausserdem verstand ich, bei dem grossen Anteil von Frauen, dass die ihren Busen vorteilhaft heraus drückten. Dieser Kommandant mit den schwarzen wild gelockten Haare die er hinten zusammen bändigte, leicht schräg stehende, exotische Augen die dunkel funkelten, schöne weich geformte Wangenknochen und erst die feine gerade Nase. Ha, zum Glück wohnte er nicht in meiner alten Welt. Bei diesem Gesicht und perfekten Figur verdiente er als Model die höchsten Gagen. Nach dem Gesicht viel mir als zweites die langen Beine auf, gefolgt von der hervorragend geschnittenen Uniform die seine schlanke Taille zu Geltung brachte. Kein Gramm Fett sammelte er an.
Äusserst Würdevoll trat an unseren Reihen vorbei. Still musterte er kurz jeden, dennoch schien es mir als Drängte es ihn zur Eile. Mir war bald klar warum. Schon drei Leute vor mir schritt er unbeachtet an ihnen vorbei, den Blick auf einmal auf mir. Sofort richtete ich mein schräges, beobachtendes Gesicht in die richtige Lage zurück. Wünschte mir sehnlichst in der Menge mich zu verstecken, doch ich stand deutlich sichtbar am Ende der Kolonne. Trotz äusserster Nervosität zwang ich meine zuckenden Füsse am Boden zu bleiben. Stände nicht Maximilians Hilfe im Weg ich wäre, am liebsten in Panik, los gesaust. Irgendwo im Hinterkopf begann wieder dieses beruhigende Singen. Es half mir durchzustehen was unweigerlich auf mich zukam. Er blieb auf gleicher Höhe stehen. Ich konnte mich nicht verkneifen ihn anzusehen. Wobei ich leider fragend eine Braue in die Höhe zog. Fragend, gleichzeitig bittend um Gnade. Etwas zog mich einfach an. Zwang mich fast ihn anzusehen. Wobei auf einmal meine Knie sonderbar zitterten. Fühlte mich auf einmal schwach. Er schmunzelte mich nur an. Ein freundliches Lächeln trat in seine Augen, die dunkel violett, glänzten. Ich könnte schwören mein Herzschlag setzte einmal aus. Wenn ich nicht schon Maximilian kennen würde, dann gäbe es für mich nur eines, die Jagdsaison auf diesen Mann.
Die allzu schmerzliche Erinnerung trübten meine bewundernden Augen. Er folgte augenblicklich meinem Beispiel, wurde ernst. „Ein neues Gesicht. Hoffentlich das letzte. Unsere Unterkunft wird allmählich eng.“ Er wartete einen Nachdenklichen Moment „Den gesendeten Bewerbungsunterlagen nach bist du die vermisste Romena aus dem Dorf Kahsdesch. Stimmt das?“ Ohne Arg sah er mich offen an. Wie konnte ich so ein schönes Gesicht belügen. So eine betörende Stimme täuschen.
„Nicht ganz. Ich bin Safina, eine Freundin die für sie einspringt, “ schummelte ich mich aus der heiklen Lage. Wer weiss ob diese Romena nicht doch noch erscheint? Dann wäre es auf einmal schwierig zu erklären warum ich ihren Namen annahm. So blieb es immerhin halb bei der Wahrheit.
„Darf ich den Grund wissen?“
Schwer gewöhnte ich mich an seinen besonderen Akzent. Selber suchte ich ständig nach einfachen Antworten. Meistens hatte ich es bisher ja Maxim überlassen mit Einheimischen zu diskutieren.
„Probleme in der Familie.“ Wo gab es die schon nicht.
Er sah mich kritisch an. „Ich dachte sie hat keine Blutsverwandten mehr?“
Dies brachte mich in eine heikle Lage. Ohne zu zögern sagte ich was Einfaches um den nächsten Satz präziser zu überlegen. „Eben genau deswegen. Sie scheint wieder Anschluss gefunden zu haben. Eine Familie braucht ihre Hilfe.“ Zufrieden über mich selbst blickte ich ihn arglos an.
„Eigentlich habe ich das gar nicht gemeint. Warum bist Du hier?“ Dunkle Augen bohrten sich in meine. Tja, da blinzelte ich erst einmal verlegen. Suchte nach einer passenden Antwort, fasste dabei nach dem nahe liegenden. „Weiterbildung ist immer eine gute Sache. Ich dachte hier lerne ich mal was Vernünftiges.“ Wobei ich auch hoffte dass es hier dies gab. Lass mich nur nicht in ein Idiotenlager getreten sein wo man noch Militärischen Drill einhämmerte. Oder gar ein Arbeitslager wo auffällige ihre Strafe kompensierten! Ächz!
Wieso hatte ich nicht zuerst gefragt? Aber wenn ich so meine Nachbarinnen anschaue so vermute ich doch Freiwilligkeit zu dieser angetretenen Dienstleistung.
Erfreut über meine Einstellung nickte er mir zu. „Es wird eine Menge gelernt. Das erste Ziel ist pünktlich zu sein.“
Da schrumpfte ich schon mal ein Stück betroffen zusammen.
„Gerade Haltung ist das zweite!“
Sofort korrigierte ich meine Haltung der Schultern.
Er trat näher an mich heran. Mahnte freundlich, „Den Blick immer gerade aus. Sucht zuerst Fehler bei euch. Niemals vom Nachbarn ablenken lassen. Konzentriert euch bei dem was ihr gerade tut und seid trotzdem immer wachsam!“ Das galt eigentlich für alle. Dann kam der kalte Schock.
„Safina! Glaubst du auch wie die anderen keine Höhenangst zu besitzen?“
Meine Augen weiteten sich für einen Bruchteil. Keine Höhenangst? Himmel hilf! Wo bin ich gelandet? Hoffentlich nicht bei den freiwilligen Fallschirmspringern! Selbstverständlich hatte ich Höhenangst. Und wie! Anscheinend musste ich dies verheimlichen oder sollte ich angreifen? „Tja, ich fürchte mich schon ein bisschen. Aber das kann man schliesslich überwinden. Das dies weg geht, oder?“ Hoffnungsvoll sah ich ihn an. Wusste, ich durfte mich nur an ihn direkt wenden. Landete damit immerhin einen guten Volltreffer. Glücklich sah er mich an. Die violetten Punkte kehrten in seine grossen Augen zurück. „Endlich mal eine richtigen Antwort, “ er gab mir erfreut zu wissen, „Mit dieser Einstellung kannst du es hier weit bringen.
Zurück zur Tagesordnung. Ich gebe nun die Einteilung bekannt. Aufgepasst!“ Damit trat er an den Anfang der Schlange.
„Safina“, spottete leise eine bekannte Stimme. „Was für ein altmodischer Name. Vielleicht solltest du dahin zurück wo du herkommst!“
Verwundert über diesen direkten Angriff sah ich sie an.
„Safina“, donnerte sofort eine Stimme hinter mir. Unbemerkt hatte sich dieses grosse Tier hinter mich herangepirscht. „Eine Strafarbeit für dich!“
Für einen Moment verstummte alles. „Kommandant Dongard, mit deiner Erlaubnis teile ich sie für die Wäsche ein.“ Zum ersten Mal war ich über etwas glücklich was er von sich gab. Nun wusste ich wenigstens den Namen vom Kommandanten.
„Eigentlich wollte ich sie mit N`toki auf den Wachturm schicken. Aber so lernt man schneller wie das Lager funktioniert. In Ordnung, Derek. Schicke sie mit Stahri. Sie kann ihr alles zeigen.“
In den nächsten Minuten wurde geplant. Zum Schluss löste der Riese Derek die strenge Ordnung indem er rief. „Alle auf zum Frühstück.“ Mit sichtlicher Freude empfing man den Ruf. Das schnattern unter dem Volke ging los, man strömte in Richtung Halle zurück. Für einen Moment achtete ich genau wo diese feindliche N`toki sich aufhielt. Eigentlich wollte ich ihr aus dem Weg gehen, da kam mir auf einmal so ein verlockender, verbotener Gedanke. Nicht umsonst fürchteten einige Insassen der Anstalt meinen Zorn. Was Derek vollbrachte, ahmte ich perfekt nach. Schlich unbemerkt neben N`toki während er rechts von ihr lief. Stellte ich ihm, im günstigsten Moment, einen Haken. Wich wie eine Schlange unbemerkt auf die linke Seite.
Wirklich fast, nur eine Winzigkeit fehlte und der Riese wäre gestürzt. Stolperte vorwärts, machte einen kuriosen Satz, fuchtelte wild mit den Armen und fing sich im letzten Moment. Schade. Aber das Lachen der Anderen, über diesen merkwürdigen Ausrutscher, entschädigte.
Ein böser Blick nach dem Übeltäter folgte. Nach rechts und links. Als er mich streifte spielte ich staunen über N`tokis angebliche Dreistigkeit.
„Aha“, dröhnte er los als er sie packte. N`toki wusste sich zu wehren. Wand sich aus seinem Griff, ein kräftiger Fuss schnellte nach oben. Obwohl sie ihn voll ans Kinn traf, wankte er nicht eine Sekunde. „Wenn du nochmals deine Kräfte mit mir messen willst tue es gefälligst ehrlich.“
„So etwas habe ich bestimmt nicht nötig“, fauchte sie unerschrocken zurück. Der nächste Tritt traf seine Kniescheibe, ein gut platzierter Handrücken seinen Hals. Abrupt liest er die kleine Frau los. Brachte Raum zwischen sich.
„Hört sofort auf. Was ist los!“ Dongards scharfe Worte liess die beiden erstarren. Sein engster Stellvertreter klärte ihn rasch auf.
„Ich habe nichts getan“, verteidigte sich N`toki. Ihre Arme verschränkt vor der Brust. Nun hatte ich gesehen wozu sie fähig war. Kampftechniken beherrschte sie spielend. Deshalb warnte mich meine Stimme vor ihr. Ihr Geheimnis war gelüftet.
„Safina hat doch was gesehen?“ Meinte der Hüne.
„Ich?“ Protestierte ich, „ich habe nur eine schnelle Bewegung gesehen aber keine Ahnung wer sie auslöste. Aber N`toki stand ja am nächsten.“ Dongard prüfte meine Aussage. Dabei setzte ich meinen Unschuldigsten Blick ein. Verwandelte mich in ein jüngeres, verwirrtes Kind von Ahnungslosigkeit. Mit dieser Kunst täuschte ich manchen Pfleger, von meiner Harmlosigkeit, genauso wie jetzt den armen Dongard. Er sah N`toki genauer an. Spürte ihren aufmüpfigen Widerstand. „Morgen übernimmst du einen Strafdienst“, sagte er völlig gelassen zu ihr. Obwohl sie beinahe einen Wutanfall bekam.
„Dafür bekommst du sogar zwei. Mein Urteil stellt man ihm Rat in Frage und nicht bei solchen Kleinigkeiten. Lerne solche Dinge einfach wegzustecken. Und explodiere nicht so schnell, “ fügte er mit einer gefährlichen Ruhe hinzu. Ihr Kopf glühte. Nun hielt ich es für angebracht ihr weit möglichst auf Distanz zu gehen. Meine Rache hatte ihre Vergeltung erreicht. Meine neue Freundin Ascha begrüsste mich.
Wir verteilten uns alle um den langen Holztisch. Dabei spielte die Sitzordnung keine wesentliche Rolle. Dennoch verdächtigte ich besonders den Stellvertreter Derek dass er uns berechnend nach oben drängte. Irgendetwas störte mich am Verhalten der anderen. Einige plauderten in einer fremden Sprache. Wobei sie mich gleich zum Anfang ansprachen, eine Frage zu beantworten. Das war bestimmt eine Prüfung gewesen. Oder war ich vielleicht unter diesen fremden Leuten zu misstrauisch?
Nach meinem Abwinken unterhielten sie sich wieder angeregt zu zweit. Ich setzte mich auf meinem harten Wurzelstuhl zurecht. An was anderes gewohnt in der umsorgten Klinik. Vor mir auf dem halb gedeckten Tisch lag ein einziges Besteck. Eine zweizinkige Gabel auf der einen, auf der anderen Seite die Vertiefung für einen Suppenlöffel. Aus einem Stück Holz geschnitzt. Weder Teller noch Gläser, nur eine Stoffserviette lag vor einem. Dann sah ich den kräftigen Koch herein treten mit einer breiten Schüssel. Zwei weitere Portionen folgen. Man wartete auf Dongards Zeichen griff zum Besteck und schaufelte an diesem Kartoffel- Gemüseberg los. Eine kurze Weile langte ich nur zögernd zu um mich daran zu gewöhnen. Dasselbe mir dem gläsernen Krug den man einfach herumreichte. Unters Aschas neugieriger Ausfragerei lockerte ich mich rasch. Wobei ich ihr einfach von meiner angeblichen Familie vorschwindelte. Sie redete so viel auf einmal dass ich nur die Hälfte verstand. Brav nickte ich, bei ihren Pausen gab ein interessiertes „Aha, wirklich?“ von mir. Bis ihre Nachbarin, auch zur rechten Seite sie stoppte. Stahri mit dem langen geraden sandfarbenen Haaren. Sie glich auch einer Ausländischen Kategorie. Leicht braunhäutig mit einer grossen Nase im Gesicht. Strahlte aber eine Menge Lebensfreude aus. Ein ausgezeichnetes Gedächtnis und ein Herz aus Gold gehörten zu ihrer wunderbaren Persönlichkeit. Schon deshalb nahm sie mich in Schutz bevor Ascha mich mit zu vielen Fragen durchbohrte.
Aber Ascha gab nicht so leicht nach. „So, so, “ sagte sie aufmerksam, „Deine Eltern leben noch. Was meinten sie denn als du ihnen bekannt gabst dass du dich hier für zwei Jahre verpflichtest?“
Gerade als eine volle Gabel auf mich zu balancierte traf mich diese Frage ins Mark. Eigentlich dachte ich dass ich genau diesen wunden Punkt längst überwand. Meine zitternden Hände verrieten etwas anderes. Mitten in der Bewegung hielt ich für einen Moment Still. Ausser Ascha blicken noch einige andere Aufmerksam mich an. Nun konnte ich mich kaum noch mit Heiterkeit retten. „Nun“, leider verbarg ich die Gefühlsregung sehr schlecht. Sie warteten gespannter. So blieb mir nur die bittere Wahrheit übrig. Eine geformte Wahrheit auf diese Begebenheit angepasst. „Sie waren es überhaupt die mich drängten fort zu gehen.“ Einige runzelten die Stirn. Hatte ich unbedacht etwas Falsches gesagt? Aber es war wirklich wahr. Meine engsten Verwandten unterschrieben den Zettel, der Einwilligung, durch den ich in die Klinik eingeliefert wurde.
„In diesem winzigen Nest Kahsdesch?“ Fragte Ascha ungläubig. „Da wo du herkommst? Die sollten doch über jede Hilfe froh sein. Ich dachte immer auf den Versorgungshöfen gäbe es zu wenige Arbeitskräfte. Wie sind sie da einverstanden dass du gehst?“
Ich kaute meine Portion zu Ende und sah Ascha ernst an. „Hattest du nie Familienprobleme?“
Sie schüttelte ihre hellblonden Locken. Glich einem zu mollig geratenen Engel. „Nein. Ausser manchmal sagen sie mir dass ich zuviel rede.“
„Du glückliche.“
„Sie beachten mich dann einfach für eine Weile nicht.“
„Das fällt mir schwer.“ Besonders nämlich wenn der Plagegeist gleich neben einem sass.
„Ascha“, sprach Dongard mit schärfe aus. Mehr als die Tonlage, schüchterte seine dunklen Augen die Arme ein. Scharf und gefährlich warfen sie ihr einen warnenden Blick zu. Sofort wechselte er wieder zur Milde als sie ihre vollen Lippen schweigend zu einem Strich zusammen presste.
„Ich weiss. Aber alles ist so neu hier. Da muss man einfach...“ „Ascha“, wiederholte Dongard freundlich sanft.
„Ja“, fragte sie bedenkenlos.
„Gerne sage ich es mehrmals. Solange, bis du es wirklich begreifst.“ Sie zuckte schon zusammen wissend was folgte. „Ascha du weist ich erlaube dir eine gewisse Zeit zu reden genauso wie ich fordere dass du eine gewisse Zeit danach schweigst.
Nach dem Essen gehst du heute wieder Holz sammeln. Eine Menge Holz. Allein!“
Zum ersten Mal sah ich hinter diesem perfekten Gesicht eine andere Art Mensch. Darin entwickelte er sich ja langsam zu einem strengen Sklaventreiber. Als Dongard mein missmutiges Stirnrunzeln auffing sagte er völlig ruhig, „Wir sind hier um eine Ausbildung zu absolvieren. Das Beste für eine Verteidigung zu lernen. Ich denke kaum das Ascha es je schaffen wir mit ihrem oberflächlichen Reden eine Feind in die Flucht zu schlagen. Ich möchte dass sie lernt zuerst zweimal Nachzudenken und das geht nun einmal nur mit einem Schweigen.
Mit deinem Wort, deiner Bestätigung gehörst du jetzt auch zu uns. Wenn du je einen Befehl in Frage stellen willst so tute das nach dem Essen. Wir halten je nach Aufforderung eine öffentliche Ratssitzung ab wo jeder mit einbezogen wird. Oder sonst kann man auch jederzeit zu mir ins Büro kommen.“
„Wenn man sich traut“, fügte eine unbekannter bei. Einige pflichteten ihm schmunzelnd bei.
„Wie wahr, Monat! Ich verteile auch Strafarbeiten Privat sollte mir was missfallen.“
Verwundert sah ich den ernsten Dongard an, der keine Mine verzog. Also steckte doch ein kleiner Tyrann hinter der glücklichen Fassade. Wie schade.
„Safina“, fragte seine süsse Stimme. „Machst du gerne den Abwasch?“
Wissend dass ich kaum eine Chance dagegen aufstellen konnte, entgegnete ich gleichgültig, „Wenn es sein muss, kein Problem.“ Ass bedenkenlos weiter.
„N`toki wie denkst du heute darüber, “ Fragte er im gleichen Ton weiter.
„Heute weniger. Schliesslich habe ich schon zwei Arbeiten.“ Sie vermied es Strafarbeiten zu sagen. Anscheinend schmerzte dies zu sehr vor den anderen zuzugeben. Der gleichgültige Dongard sah abrupt hoch. Einige schnappen nach Luft.
„Nun jetzt sind es schon drei, mit dem Abwasch.“
„Das ist unfair“, protestierte die Betroffene wild. Stand auf. Stemmte die Arme auf den Tisch. Kommandant Dongard tat es ihr gleich, sehr langsam, wirkungsvoll. Winkte sie sogar nett zu sich hin. Davor fürchtete sich aber selbst eine tapfere Kriegerin wie N`toki.
„Hab ich dir vorhin nicht geraten dein Temperament zu zügeln. Du bist hervorragend im Kämpfen. Von Diplomatie fehlt dir noch eine Menge. Nimm es gleichgültig hin. Sei überlegen. Hast du nicht gesehen wie Safina reagiert? Ich, habe im Grunde gegen sie verloren.“
Alle starrten mich an. Dongard schwieg um sein Gesprochenes einwirken zu lassen. Entsetzt zischte ich ihm leise zu, „Lass mich ja aus dem Spiel.“
Dabei fürchtete ich mich bereits vor N`tokis Rache. Ihren glühenden Augen versprachen mir sogar weit mehr. Feindin wider Willen hängte mir da der Kommandant an, der ihr weiter gelassen empfahl, „Wenn ich etwas sage nimm es zur Kenntnis, ruhig. Gefällt es dir nicht, sprichst du mit mir später darüber. Sammle zuerst schlagende Gegenargumente. So wird ein Kampf auch Spannender!“ beim letzten Satz lachte er bereits ihr wissend zu. Sie liebte es anscheinend zu kämpfen. Bei so einer heissblütigen Gegnerin versteckte ich mich lieber.
„Ach, N`toki.“ Sie sah mit ihren Gefühlen ringend hoch. Dongard hob seine schlanken Finger hoch. Den Daumen hielt er unten. Es bedeutete eindeutig dass sich ihre Strafe um eine Vermehrte. Auf ihre Lippen beissend setzte sie sich stumm hin. Tränenfeuchte Augen sahen stumm in die Leere. N`toki, eine junge Frau voll Leidenschaft und wildem Feuer. Es viel ihr schwer sich zu beherrschen.
Mir selber brannte eine Menge auf der Zunge. Vergessen blieb das Essen. Besser ich schwieg in diesem delikaten Moment. Obwohl sich alle weiter normal verhielten, warteten einige ungeduldig auf die Tisch Auflösung. Sofort sprang die grössere Menge auf. Unschlüssig sah ich auf den schmutzigen Tisch und auf N`toki.
„Nein“, sagte Stahri. Zog mich am Arm energisch zu Seite. „Damit muss N`toki selber fertig werden. Glaub mir, sobald sie sich beim Abwasch abreagiert hat ist sie wieder leichter zu ertragen. Im Moment würdest du es ihr nur schlimmer machen.“ Mit gesenktem Blick folgte ich ihr in den Gang hinaus.
„Wir haben heute Wäsche?“ Fragte ich zaghaft. Was wusste sie darüber?
Wissend klärte sie mich auf. Zeigte mir wo die ganzen verdrecken Uniformen lagerten. Wie erwartet gab es selbst hier keine Maschinen. Wahre Handarbeit lag vor uns. Jeden dritten Tag wurden bis zu vier Körbe gewaschen. Wir nahmen unsere Arbeit und verschwanden bei einem langen Seitenausgang, der fast einen halben Kilometer durch Höhlengänge bestand. In einem kleinen Wagen schoben, zogen wir die Wäsche vorwärts. Dabei fragte ich mich ob die Spuren im Boden nicht von einem Pferd stammten. Auf meine Frage hin gab sie mir nur zu wissen dass sich gelegentlich wilde Ziegen hier verirrten. Nach dieser eindeutigen Lüge verlor ich das Interesse weiter zu Fragen. Wilde Ziegen, in dieser Dunkelheit? Da erfand meine Grossmutter bessere Märchen.
Der Gang endete hinter den steinernen Hügeln aus Klötzen. Unbewacht, ohne Türe strahlte Sonnenlicht uns entgegen. An diesem Hang wuchs wieder dünnes Gras zwischen den natürlichen Stein. Jeder nahm ein geschnürtes Bündel und vorsichtig stiegen wir zu einem schmalen, tiefen Bach hinunter. Die nächsten Stunden verbrachten mit Scheuern des Stoffes. Zum Mittagessen gab es Sandwichs die ein Freund von Stahri brachte. Nachher arbeiteten wir wieder allein. Nach jedem Kleidungsstück flickten wir zuerst ein paar von den Trockenen. Oder warteten einfach ein paar Minuten im Gras damit unsere aufgeweichten Hände nicht allzu sehr litten. Dabei erzählte mir Stahri im Wesentlichen nur belanglose Sachen über das Lager. Das die anderen zurzeit ihr Lauftraining absolvierten. Da seinen wir glücklicher dran. Irgendwie schlich sich bei mir der Gedanke ein dass etwas merkwürdig ablief. Das ganze glich eher einem harmlosen Sportlager. Was eigentlich keinen so ausgebildeten Kommandanten benötigte. So sportlich sah nun dieser Dongard auch nicht aus. Eleganz lag schon näher.
Bei diesem sonnigen Wetter genoss ich meine Ruhe. Vertrieb allfällige Gedanken. Ich brauchte mehr Information um zu Handel. Gewiss gab es irgendwo eine Landkarte. Stahri gab mir jedoch eine Antwort die mich erschreckte.
„Eine Karte? Was willst du mit einer Karte? Wir erkunden in diesem Jahr, anhand der Aufträge, die nächste Umgebung. Daher rate ich davon ab dieses Lager ohne einen Befehl zu verlassen. Schon drei Jahre bin ich hier und nur einmal hat eine schwache Frau versucht unbewilligt nach Hause zurück zu kehren. Dongard ist mächtig wütend geworden. Gab nicht nur ihr langen Zimmerarrest sondern bestrafte auch uns. Sobald eine Ausbildung beginnt, müssen wir alle zusammen halten.
Glaub mir die zwei Jahre hier gehen schnell vorüber. Vielleicht gefällt es dir hier so dass du wie ich ein dauerhaftes Zuhause findest.“
Zermürbende Aussichten. Sollte ich mich einfach offen an Dongard wenden? In einer fremden Welt? Ihn um Hilfe bitten in eine königliche Festung einzubrechen? Dongard. Auf der Zunge liess ich mir diesen Namen zergehen. Er gehörte selber der ehemaligen Garde an. Was sollte ich nur tun? Einfach nur abwarten!
Auf einmal sah ich, in der Ferne, wie Ascha den Abhang quer kletterte. Auf ihrem Rücken trug sie ein volles Gestell mit gesammelten Ästen welche sie beinahe zu Boden quetschte.
„Darf ich nicht Ascha helfen?“ Vor uns lag kaum noch ein halber Korb. Stahri warf einen lachenden Blick auf die körperlich ungeschickte Genossin. „Wenn dich ihr Geplapper nicht stört, dann geh meinetwegen.“
Erlöst hastete ich davon. Egal was Stahri dachte, ich genoss es über den sanften Abhang zu rennen. Übersprang übermütig kleine Steine. Ascha mochte zwar eine Menge reden. Dafür war sie lange nicht so ernst. Sie sprach bedenkenlos von der Seele, genau das brauchte ich im Moment.
Dabei übersah ich die Gestalt oberhalb des Hügels. Ein nachdenklicher Blick streifte Safina.
Gold zu Gold hämmerte es in seinem Innern. Die Vorhersage war eingetroffen. Für ihn mit einer vorbereiteten Überwachung. Sein Herzschlag schlug zu schnell von dieser ungewohnten Aufregung. Gerade er sollte sich doch besser im Griff haben. Nachdenklich streiften seine Finger durch die schwarzen Haare. Wie sollte er sich weiter verhalten? Auch er musste auf ihren ersten Schritt warten. Geduld besass er sonst unendlich. Diesmal war eine Kleinigkeit anders. Sein Inneres spielte total verrückt. Er fühlte sich so merkwürdig. Er wusste ja bereits dass sie sein Schicksal stark beeinflusste in der Zukunft. Nur inwiefern? Dongard ärgerte sich über sein Unterlassen erneut die ehrliche Wahrsagerin aufzusuchen. Sich an seine hellseherische Rasse zu wenden getraute er sich auch nicht. Oder fürchtete er sich gar vor der Antwort?
Dongard, Dongard. Selbst in ihm hallte der Name nach. Er musste doch sein Geheimnis schützen. Einem ausgebildeten Bewacher fiel bestimmt etwas Vernünftiges ein. Erneut erinnerte er sich an ihr verzweifeltes Flüstern, beim Tisch, „Lasst mich ja aus dem Spiel.“ Dafür war es jetzt zu spät. Sie steckte bereits in einem längst angefangenen Spiel. Wörtlich.
Wieder schmunzelte Dongard über ihre unschuldigen Worte. Dann gab er sich selber nachdenklich zu wissen, „Unsere beiden Schicksale sind längst miteinander verbunden.“
Am späteren Nachmittag, Ascha und ich lagen ausgestreckt im trockenen abgemähten Gras, um der trockenen Hitze zu entgehen. Ein paar Minuten erholsame Pause. Nutzten dies für einen kurzen Schlaf. Ascha erwachte als erste, murmelte etwas wie Toilette und verschwand hastig hinter den nächsten Hügel wo einige Büsche wucherten.
Der gedörrte Heuduft, mit vielen Kräutern gemischt erinnerte mich an die früheren Ferien, als meine Welt noch in Ordnung war.
Meine konzentrierte Nachdenklichkeit störte ein merkwürdiges Flattern das auf keinen Fall Ascha auslöste. Sie war zu weit weg. Dazu ein energischer Luftzug der mich streifte. Interessiert öffnete ich die Augen und wendete meine Kopf, da ich weiterhin auf dem Rücken lag, auf dem kürzesten, bequemsten Weg nach Hinten. Eigentlich sah ich ja alles verkehrt. Dennoch blickte unverkennbar in zwei, fast faustgrosse, Augen mit senkrechten grünen Pupillen. Für einen Moment blieb mir das Herz stehen. Sofort realisierte ich; das war keine mir bekannte Tierart. Viel zu hastig drehte ich mich herum um es genauer zu betrachten. Ein Kopf so gross wie von einem Pony, nur mit viermal so grossen Augen. Viel zu kurz geratene Vorderbeine. Es hüpfte wie ein Känguru zurück als ich es durch meine schnelle Bewegung erschreckte. Neugierig betrachteten wir uns einander. Es hatte auch einen langen Schwanz, mit dem das Gleichgewicht hielt, an dessen Ende eine dreieckige Schaufel mündete. Grünliche kurze Haare und auf dem Rücken entfalteten sich zwei kleine robusten Flügel. Dieses Wesen, kaum grösser als ein durchschnittlicher Hund, nur doppelt so lange. Ein gestreckter Hals der von meiner Hand bis zum Ellbogen reichte. Das nahe liegende; eine übergewichtige, riesige Fledermaus. Schon die Segelohren erinnerten mich daran.
„Hallo“, sagte ich das einfachste was mir gerade einfiel. Ein merkwürdiges Pfeifen, Quietschen antwortete. Respektvoll streckte ich meine Hand aus. Diese Tier besass ein breites Maul das mühelos meinen Arm abbiss sofern es die scharfen Zähne benutzte. Misstrauisch dehnte es seinen Hals so weit wie möglich um an der Hand zu schnuppern. Nach diesem kurzen Kontakt massen wir uns erneut mit den Augen. Mutig trat diese Tier auf einmal auf mich zu. Bewegungslos verfolgte ich wie es an meiner Kleidung interessiert weiter schnupperte. Wagte es kaum zu berühren. Es schien meine Unsicherheit zu spüren. Auf einmal zerrte es frech an meinem Hemd. Automatisch schoss meine Hand vor um ihm die Schnauze weg zuschieben. Geschickt hüpfte es zur Seite, ausser Reichweite. Nichts lag mir ferner als Streit anzufangen oder einen Machtkampf auszufechten. Das Beste ich holte mir von Ascha zuerst ein paar Informationen über diese unbekannte Art. Kurzerhand drehte ich mich herum, tat einen Schritt und viel prompt der Länge nach hin. Dieses freche Vieh hatte sich mein Hosenbein geschnappt und festgehalten damit ich mein Gleichgewicht verlor. Am Ende bedeutete ich sogar seine Beute. Na warte. Wenig erfreut schleuderte ich mich herum. Trockenes Gras wirbelte unter den Sohlen auf. Aufgeregte Flügel flatterten und schon fasste ich erneut ins leere. Dieses schlaue Biest, wusste um seine Überlegenheit. Wartete bis ich mich umdrehte und griff gleich wieder an. Allerdings nicht auf gemeine Art sondern eher spielerisch. Es zielte nur auf meine Beine, besonders die Schuhe. Schliesslich rannte ich ihm genauso spielerisch nach. Zwei, dreimal. Bis er dachte das er mein Limit kannte. Beim vierten Mal sprintete ich los und erwischte nach einem gewaltigen Sprung seinen Schwanz. er landete genauso unsanft auf dem Boden wie ich kurz vorhin. Wie ein Flugzeug ohne Fahrgestell. Kopf in den weichen Grund. Grashalme zwischen den Zähnen. Diesmal lachte ich über seine Ungeschicklichkeit. Nach diesem Vorfall schien er plötzlich mich mit anderen Augen zu betrachten. Drehte sich im sicheren Abstand herum. Dunkel funkelten seine Augen. Bedeutete das jetzt blutiger Krieg?
Dazu kam es nicht. Es ertönte ein schriller, kurzer Pfeifton in der Ferne. Zögernd sich abwendend hüpfte das merkwürdige Tier davon und erhob sich nach dem richtigen Schwung in die Lüfte. Immer ein paar Meter, dann holte er auf dem Boden erneut mit seinen kräftigen Beinen Anlauf. Verkümmerte Flügel oder einfach Übergewicht? Oder eine neue Generation die sich erst Flügel aneignete um sich in den nächsten tausend Jahren zum König der Lüfte zu entwickeln? In dieser Welt gab es noch vieles zu entdecken. Sollte ich es verfolgen?
Ascha rief mich zu sich. Die Arbeit wartete. Als ich ihr von dieser riesigen Fledermaus erzählte sah sie mich nachdenklich an. Bestätigte sogar meine Vermutung dass diese, neue Generation, von entflohenen Haustieren abstammte. Riet mir jedoch streng, ja von ihnen fern zu halten da sie äussert gefährlich sein sollten und sehr launisch. Na ja, das hatte ich gemerkt. Allerdings betrachtete ich den überraschenden Überfall trotzdem mehr als ein Spiel. Irgendwie sah dieser kleine Kerl doch süss aus.
Abgelenkt sammelte ich neben ihr das spärliche Holz ein.
Undeutlich heulte in der Ferne ein kurzer Hornlaut. Ascha die oben am Hügelkamm sich im trockenen Gras ausruhte, rief mich gleich zu sich hinauf. Sofort lies ich den trockenen Ast wieder aus den Händen fallen, befreite mich von dem schweren Rückengestell, versteckte die volle Ladung unter einem zweigreichen Baum, genauso wie es mir Ascha erklärte. Als Grund gab sie an, dass man gewisse Dinge von oben nicht erkennen sollte. Von Oben? Was gab es hier ausser kleinen, unbedeutenden Spatzen. Ganz selten kreiste ein dunkler Raubvogel über unseren Köpfen. Fürchtete man sich hier gar vor Satelliten die das Königreich von ganz oben heimlich kontrollierten? Daran Zweifelte ich stark, sonst hätte man mich ja schon längst gefunden. Wozu dann diese Vorsichtsmassnahme? Egal, ich war verschwitzt und körperlich müde. Schonend stieg ich gerade den Hang hinauf. Jeden Schritt wohl bedacht damit ich ja nicht ausrutschte. Auf dem spärlichen Graswuchs war es leicht die, tief in den Boden hinein führenden Steinbrocken wie eine Treppe zu benutzen. Das wuchernde Unkraut stellte jedoch manchen unsichtbaren Haken. Oben stützte ich mich Atem ringend, gebeugt auf meinen Knien ab. Lachend sah mich Ascha an. „Du bist ein Schatz.“
Kein Wunder. Den ganzen Nachmittag trug ich ihre eingesammelte Arbeit zusätzlich auf meinen Schultern. Sie selber so ungeschickt dass ich mehrmals fürchtete dass sie bald den steilen Abhang hinunter rutschte. Lieber übernahm ich ihre Last als sonst gezwungenermassen Hilfe zu holen, wo ich mich dazu so schlecht in dieser Region auskannte. Stahri war längst an eine andere Arbeit verschwunden und allein den dunklen Gang zurück. Ich, nein danke.
„Geht es?“ Sorge zeichnete sich auf ihrem pausbäckigen Gesicht. Meine Lungen waren einfach zu wenig trainiert für diese plötzliche Anstrengung. Obwohl ich seit der Klinik gewaltig an Muskeln zulegte. Mir fehlte es an Ausdauer. Mühsam richtete ich mich auf. Innert Sekunden erholte sich der Atem. Schon gab ich neckend zurück. „Ich wette ich bin schneller als du!“
Staunend sah sie mich an, dann rannte sie los. Lachend verfolgte ich sie ohne Mühe in die nächste Mulde hinein. Ein kleines Tal zwischen den Hügel. Mehrmals stolperte sie. Wie durch ein Wunder knickte sie niemals das zarte Fussgelenk ein. Diese junge Frau besass eine Menge Glück. In den letzen zwei Stunden erfuhr ich auch so ungefähr alles was sich unter dem gelockten Kopf ansammelt hatte. Besonders die Beziehung zwischen N`toki und Dongard erweckte meine Neugierde. Anscheinend gab es heimliches Verhältnis zwischen den Beiden. Wobei hier in dieser Welt einiges anders schien bei Beziehungen, als in meiner Zeit. Klar erkannte ich dass der grosse Anteil, der Auszubildenden, aus Frauen bestand. Von den zwanzig Schülern gab es nur vier Männer in diesem Lager. Den Anführer Dongard, sein grosser Stellvertreter Derek, Monat der Sekretär und Ktug den Koch. Ascha plapperte so Bedeutungslos darüber, das jene mal mit dem Schlief und darauf schon die nächste am selben Abend, dass ich nur fassungslos schwieg. Mir entfielen all die Namen und Reihenfolgen sogleich. Nur eines blieb mir hängen. Zwischen Dongard und N`toki gab es ein innigeres Verhältnis dass andere Frauen ausschloss.
Nun Verstand ich N`tokis Verhalten besser. Bisher war allen klar dass er ihr gehörte. Mir als Neuling hielt sie es nötig, dies von Anfang an, das gleich zu Verdeutlichen. Was für eine Verschwendete Zeit. Wen sie wüsste wen ich Liebte! Sie würde mich wohl wie alle anderen, sogleich Bedauern. Dabei habe ich so ein besonderes Glück.
Ausgerechnet heute, stellte ihr beanspruchter Dongard, sie so heftig bloss. Das gerade an meinem ersten Tag. Klar war sie wütend auf mich. Warum nur klärte sie das allerdings nicht, einfach mit ihrem auserkorenen Liebling persönlich? Woher kam ihr verrückter Gedanke in mir eine echte Konkurrenz zu sehen? Wie lächerlich. Da gab es doch eine verborgene Ungereimtheit. Selbst Ascha der sonst nichts entging, übersah diese Kleinigkeit.
Beim Abendessen sah ich diesmal meine Mitbewohner mit ganz anderen Augen. Jetzt begriff ich zusätzlich dass ich in einer völlig anderen Welt streckte. Bisher sah ich meist nur die äusserliche Fassade. Hier öffneten sich mir die inneren Strukturen. Damals im Sumpf und in den Bergen schonte mich Maximilians Sicherheit. Hier spürte ich den natürlichen Druck der Eingliederung. Ein Teil von mir wollte sich ändern. Sich in diese grosse Familie integrieren. Schweigsam verfolgte ich die wenigen Gespräche in meinem Dialekt. Vermied es N`toki direkt anzusehen, genauso wie den Kommandanten. Achtete jedoch auf jedes seiner Worte, die eine lockere Konversation pflegten.
Unheimlich wie ich mich zu Hause fühlte. Zum ersten Mal ohne einen Fluchtgedanken. Dennoch quälte mich die Sorge um Maximilian. Spätesten Morgen musste ich ein Transportmittel finden um von hier weg zu schleichen. Bei diesem Gedanken tat mir auch schon das schlechte Gewissen weh. Rasch verdrängte ich den üblen Geschmack. Meine Ziel durfte ich nicht aus den Augen verlieren, egal wie wohl ich mich, im Moment, hier fühlte. Gab mir ein innerlicher Ruck. Zu diesen Ställen gab es doch Tiere! Was verschwieg mir diese Runde? Niemand sprach je über Tiere! Wie seltsam? Nur einmal hörte ich eine Frau sagen, dass sie die Fütterung übernehme. Welche Fütterung? Misstrauisch äugte ich harmlos nach rechts und links über die Plaudernde Gesellschaft. Nur der wachsame Dongard registrierte sogleich meine Veränderung. Streifte mich wie zufällig.
Himmel, ich verbrachte mehrere Jahre in einer Klinik. Zum ersten Mal beglückwünschte ich mich zu dieser Erfahrung.
Die hier täuschten mir was vor, wie meine Pfleger. Nach Aussen die sorglose Ruhe und innerlich jeden Fehler notierend. Nicht umsonst vereitelten sie erfolgreich jeden Selbstmordversuch.
Sobald das Essen, leichter Salatteller, endete, steuerte ich wie die anderen erleichtert in mein Quartier. Hastig schob ich die Tür hinter mir zu, lehnte mich tief Einatmend dagegen. Obwohl ich mich schon vor dem Essen ausgiebig wusch schwitzte ich erneut aus allen Poren. Dennoch ich fühlte mich Beschützt und eingepfercht zugleich. Wie in einer grossen Familie eingeschlossen. Ich brauchte dringend frische Luft. Einige Minuten wartete ich ausgestreckt auf meinem Bett. Nach zehn Minuten kehrte Ruhe in den Gang hinein. Aus einmal klopfte es unerwartet an die Tür. Ascha fragte mich hindurch ob ich sie zur Versammlung begleite. Müde streckte ich mich, stand zögernd auf. Noch durfte ich nicht einfach einschlafen. Zuviel benötigte eine gründliche Überlegung. Als ich erschöpft vor ihr stand sah sie mich nur einfach an. „Alles klar“, sagte sie einsehend. „Wenn du uns suchst, wir sind im grossen Saal versammelt.“
Verstecktes Gähnen gab ihr Antwort. Ich stützte mich schlaff an den Türrahmen. So etwas gab es zwar nicht einmal, sondern nur eine präzise aufgerichtete Mauer. Dann sickerte der Gedanke durch, da jetzt alle versammelt waren, konnte ich unbemerkt nach draussen. Ich sehnte mich danach alleine, für eine Weile, zu sein. Unter freiem Himmel wo Gedanken ungebremst in die Ferne schweiften. Sehnte mich nach den funkelnden Sternen, die ich mit Maximilian damals in der Nacht, teilte.
Hastig schnappte ich mir einen leichten Stuhlüberzug als Decke. Auf leisen Sohlen schlich ich den leeren Gang hinunter ins Freie. Vor dem Vorhang huschte ich wie ein Schatten vorüber. In dessen inneren redeten sie schon wieder in der fremden Sprache. Zum Ausspionieren war ich im Moment zu erschöpft.
Wie begrüsste ich die würzige Abendluft. Frisch abgekühlt belebte sie meinen tauben Kopf.
Vom morgendlichen Antreten her wusste ich wo ungefähr der versteckte Posten das Lager sicherte. Lautlos schlich ich an ihm vorüber. Zu meinem Vorteil versteckte sich das Lager selber dass sie es vermieden Fackeln anzuzünden. Warum nur diese Geheimnistuerei?
Hinter den hölzernen Boxen kletterte ich auf den steinernen Simsen in die Höhe. Suchte zwischen den Blöcken den kürzesten Weg nach oben. Gut zehn Meter hoch wie ein Wall säumten sie das Lager zur rechten und linken Seite
Auf der höchsten Platte setzte ich mich hin, die Beine lose über eine Kante baumelnd. Starrte in die unerkennbare Ferne. Nur die funkelnden Sternenlichter verrieten wo der Horizont endete. Diese entsetzliche Müdigkeit. Auf einmal war mir klar dass dies zusätzlich auf ein weiteres Attentat zurückführte. Schlafmittel! Man wollte mich sicher von der Sitzung fernhalten.
Müde wickelte ich mich in die Decke hinein, legte mich auf die harte Platte nieder und träumte von Maximilian.
Wie lange hatte ich nur geschlafen? Auf einmal wachte ich mitten in der Nacht auf. Zwei halbvolle Mondsicheln standen weit in der Ferne. Nach meiner Schätzung war es also kurz vor Mitternacht. Vier Stunden war ich völlig weggetreten. Man hatte mich erneut manipuliert! Verärgert setzte ich mich auf. In meinem Kopf surrte ein Bienenschwarm. Es dauerte eine Weile bis ich ihn klar bekam. Überlegte vernünftig, über Dongard Lager nach. Na warte, morgen würde ich ihn zur Rede Stellen. Falls ich dann noch den Mut aufbrachte, dachte ich schon wieder verunsichert. Nochmals lasse ich einen Angriff nicht straflos über mich ergehen, schäumte es in mir erneut hoch. Wütend trat ich nach einen Eckigen Vorsprung der mir einfach im Weg schien. Sterne tanzten vor meinen Augen. Verflucht. Nun Ärgerte ich mich erst recht über meine Unbesonnenheit. Mein Zeh schmerzte trotz den gepolsterten Schuhen. In der nächsten Sekunde hüpfte ich auf einem Bein stehend weiter. Auf einmal bröckelte die Ecke zu Boden.
Sei still, mahnte ich mich. Alleine schon mein zurück haltendes Stöhnen war einige Meter zu hören. Hinzu diese verräterische Abbröckeln des Felsen. Was hatte ich nur Angerichtet! Zerstörte Dongards Festung, lachte ich scherzend in mich hinein. Vorsichtig humpelte ich zu dem angerichteten Schaden. Dieser Stein hatte ein merkwürdiges Gewicht. Hinter einer einem dieser symmetrischen Quader, vor dem Lager abgeschirmt zündete ich ein Streichholz an. Bevor das Aufflackern sich beruhigte, löschte ich bestürzt die Flamme.
Benommen sass ich da. Meine Arme schwer an der Seite. Umklammerte mit den Fingern den seltsamen Brocken. Schnappte tiefer nach Luft. Diesen Schock zu überwinden brauchte Zeit. Diese Dimension zu begreifen !?! Wie war die möglich? Mir war längst klar dass diese Steinplatten künstlich hier gestapelt lagerten. Die ganze Landschaft. Alles, alles aus einstmals geschmolzenem und geformtem Gold. Ich sass auf einem Milliarden schweren Goldberg. Gold soweit das Auge reichte sofern man die obere Schicht Gips abkratzte. Eine besondere, ein Zentimeter Mischung aus porösem Stein, indem einige Pflanzen wurzeln schlugen und das ganze zu geschliffenen Steinblöcken tarnte. Dabei war es ein sichtbares Goldlager für Eingeweihte. Blöcke um Blöcke.
Einer Verrückten gleich kicherte ich vor mich hin. Nun endlich erreichte ich mein Ziel. War es das wirklich? Im Grunde war es mir längst gleichgültig, dieses meist gesuchte Edelmetall unserer Erde. Für mich zählte nur mein Freund. Wie sollte ich ihn aus einer Festung befreien? Bestimmt wusste jemand aus dem Lager etwas über diese Verteidigungsanlage. Mal sehen was Dongard morgen über mich denkt wenn ich ihm verrate dass ich unfreiwillig hier bin. Die halbe Wahrheit sollte genügen dass er mich wenigstens gehen liess. Meine letzen Verfolger gaben längst auf und ich brauchte keine neuen. Bestimmt öffnete sich eine Chance sobald die Überraschung auf seiner Seite wechselte. Mit neuer Hoffnung kletterte ich sorgfältig hinunter. Das Gold unter meinen Füssen. Ein wertloser Haufen für mich.
Müde schlich ich in mein Zimmer. Längst löschte man im Gang die Fackeln. Mit den Fingern tastete ich mich an den warmen Wänden entlang. Mich wunderte es dass niemand meine Abwesenheit bemerkte. War es so einfach zu verschwinden? Ich zweifelte daran. Da gab es bestimmt einen Haken. Wenn ich ein paar Vorräte verschwinden lies konnte ich eigentlich auch zu Fuss fliehen. Aber die heutige Nacht eignete sich schlecht. Ausgeruht kam ich viel weiter. Meine Finger ertasteten eine Streichholzschachtel. Das war immerhin ein Anfang. Schnell stopfte ich sie in meine Tasche. Sollte ich meine Flucht um einige Tage verschieben? Besser nicht, bereits jetzt fühlte ich mich ja fast wie Zuhause. Also doch fliehen, am nächsten Abend, nachdem ich Dongard ein unvollständiges Geständnis ablegte.
Am nächsten Morgen schmetterte wieder diese Horn los. Verständnislos drehte ich mich zur Seite und schlief weiter. Jedoch nur wenige Sekunden. Derek schmetterte die Tür zur Seite dass ich völlig perplex reagierte. Ich stand schwankend neben dem Bett, Orientierungslos starrte ich einfach Löcher in die Luft.
„Wach“, brüllte eine kräftige Stimme.
„Nein“, murmelte ich vor mich hin und sank in die Knie. Im letzten Moment stützte ich mich am Bett ab damit ich nicht ganz nach vorne kippte. Wie war ich müde. Erneut plagte mich an den sonderbarsten Stellen Muskelkater. Ich sank in mich zusammen.
„Auf!“ Ein forscher Befehl. Taumeln stand ich auf. Als dieser Riese sogar auf mich zu schritt, erschrak ich dermassen dass ich rückwärts, ausweichend grob mit dem Schrank kollidierte. Darauf schüttelte Derek nur seinen Kopf. „Hoffnungslos“, redete er zu sich selber dann ganz energisch, „In fünf Minuten will ich dich mit den anderen draussen sehen!“
Sobald er verschwand zog ich mich hastig an. Schlüpfte in meine Stiefel. Wusch mich mit einem alten Hemdzipfel, bürste mich flüchtig.
Diesmal war ich längst nicht die letzte. Hoffnungsvoll stellte ich mich neben Ascha. Kaum stand ich neben ihr zupfte sie aber schon mein Hemd zu Recht. „Du bist verrückt. So ungewöhnliche Haare und pflegst sie so schlecht. Deine Stiefel werden Dongard auch nicht gefallen.“
„Ich mache mir andere Sorgen. Solche Kleinigkeiten sind mir doch egal, “ gab etwas schroff zurück.
„Ach ja? Aber meistens müssen wir alles gemeinsam ausbaden. Dongard legt Wert auf Gruppenarbeit. Wenn wir zusammenhalten sind wir stark.“
„Stark und allen überlegen. Was für ein Märchen. Ein einzelner Krieger erreicht manchmal mehr als eine ganze Armee.“
Mir grossen Augen sah mich Ascha an. „Du musst noch viel lernen!“ Sagte sie im schönsten Schulmeisterton. Lächeln sah ich in ihr Gesicht. Entschuldigte mich für mein Benehmen. Stimmte ihr zu. Putzte flüchtig den Staub meiner Stiefel, an den Hosen, rückseitig ab. Rasch sortierte ich meine Haare neu hinter die Ohren zurück streifend.
Vollzählig parierten wir in unserer Rangordnung. Derek flitzte wie immer als Vorprüfer herum, bis Dongard erschien. Wieder eiferte jeder sogleich um den perfekten Anblick. Wie langweilig. Einschläfernd.
Ein waches Auge prüfte uns nach jedem Staubkorn. Selbstverständlich genügte ein kurzer Blick, über mich, und Dongard seufzte ergeben auf. Wandte sich ohne ein Wort zu verlieren von mir ab. Ignorierte mich völlig. Es folgte die Aufteilung der Arbeit. Wobei er mich mit keinem Wort erwähnte. Als er gar zum Essen aufrief stand ich betreten da. Verunsichert. Sollte ich ihn nun Fragen? Sehr nervös schlenderte ich den anderen nach. „Ascha“, flüsterte ich leise. „Was ist los?“
Aschas bedauerliches Gesicht streifte meines. Das verhiess kaum gutes. Sogar dass sie schwieg und bloss Abwinkte.
Ich merkte kaum mehr dass ich an einem meiner Nägel anfing zu kauen. Wortlos setzte ich mich zu den anderen an den Tisch. Ohne Freude würgte ich das nötigste hinunter. Ich begriff nun dass es sogar härtere Strafen gab als das Tellerwaschen. Dongard ignorierte mich gänzlich. Die anderen folgten seinem Beispiel. Nur Stahri wechselte ein paar knappe, beruhigende Worte. Sagte dass sich alles von selbst regle. Das Essen verlief wie am letzten Morgen sonst ohne Unterschied. Unruhig stand ich später mit den anderen auf. Folgte automatisch Ascha hinter her. Als ich wieder einen Fingernagel drastisch um seine Verzierung beraubte packte mich eine fremde Hand und riss sie beiseite. Schon meine gesteigerte Nervosität reichte um zu reagieren, diese unerwartete Handlung dazu ... ich zuckte zusammen als brannte mich ein heisses Eisen. Wich so schnell zu Seite dass ich beinahe über die eigenen Füsse stolperte. Mein Skurriler Satz reichte um frei zu kommen, zutiefst erschrocken stand ich weiterhin fluchtbereit da. Mir gegenüber stand nur Dongard, Bewegungslos, Fassungslos.
„Das habe ich in all meinen Dienstjahren nie gesehen“, sagte er ergriffen. Befahl sofort Derek an seine Seite. „Ihr kommt mit in mein Büro.“ Nach dieser Bekanntmachung schritt er voraus. Nicht ohne vorher mich schief anzusehen.
Monat räumte fleissig einen Stapel Papier im Vorzimmer. Sobald sein Chef eintrat stand er artig von seinem Stuhl auf. Verfolgte uns stumm mit dem Blicken. Auf eine Handbewegung von Dongard reagierte er ratlos. „Stell dich vor die Tür.“ Zusätzlich verdeutlichte ihm Derek mit Nachdruck. „Lass keinen raus oder rein.“
Jetzt standen meine Karten schlecht.
„Wozu brauchen wir diese Massnahme? Die ist doch harmlos, “ gab er Dongard offen zu verstehen. Der wollte sich gerade an den beleuchteten Schreibtisch setzen, besann sich aber kurzerhand anders. Zielstrebig trat er drei Schritte auf mich zu. Schon setzte ich zurück, als er stehen blieb. Eine Hand hob und nur nach meinem Ärmel zielte. Bevor er mich berührte wich ich zurück.
„Harmlos, nennst du unerwartetes Harmlos? Solange sie so überreagiert will ich dich zu meinen und ihren eigenen Schutz in der Nähe haben. Ausserdem habe ich keine Lust ihr Nachzurennen. Stell dich vor die Tür. Du, “ er deutete auf mich, und den Stuhl vor dem Schreibtisch, „Setzen!“
Mir fiel es schwer ihm nachzugeben. Ich wünschte mich weit weg in den verlassenen Sumpf bevor alles begann. Wie ein rohes Ei vor der Hinrichtung setzte ich mich auf den, mit einem kleinen Kissen, gepolsterten Stuhl.
Dongard setzte sich, lehnte zurück und verschränkte seine Finger unter dem Kinn. Studierte mich ausgiebig eine Weile. „Warum bist du hier? Eine einfache Frage und ich möchte eine klare ehrliche Antwort.“
Lange studierte ich nach. Wusste genau wie seine Frage verstehen sollte. Der schwierige Moment war da. Wie viel durfte ich ihm verraten?
„Nun?“ Drängte er unerbittlich.
„Ich suche noch nach den richtigen Worten. Diese Sprache kann ich erst seit kurzer Zeit.“ Gab ich ihm ehrlich zu wissen. Im Moment verflüchtigte sich mein knappes Wissen durch die ungewöhnliche Aufregung. Warum war Maxim nicht an meiner Seite? Denke an ihn, mahnte ich mich streng. Hilf ihm! Nun hast du Gelegenheit!
„Ich gehöre nicht hierher. Können sie mich nicht einfach gehen lassen, “ fragte ich zweifelnd.
„Nenn mir einen guten Grund“, gab er vernünftig, ohne die geringste Überraschung zurück.
„Weil ich diese Person aus Kadesch nicht einmal kenne. Rein zufällig bin ich in diese trostlose Gegend geraten. Und ich muss dringend in die Stadt zurück, um einem Freund zu helfen.“
Dongard zeigte keinerlei Regung. „Warum hast du das nicht schon gestern gesagt?“
Himmel, er klang so vernünftig dass ich mich schon schämte ihn hintergangen zu haben.
„Wenn ich schon auf der Flucht bin passe ich schon auf wohin ich gerate. Ein, zwei Tage Erholung kommen mir da gerade recht. Ausserdem verspricht dieses bewachte Lager eine gewisse Sicherheit. Darum dachte ich mir, ich spiele mal brav mit. Für was Trainiert ihr hier eigentlich?“
Dongard lachte einmal humorlos auf. „Diese Frage kommt reichlich spät. Das hier ist eine Vorschule für die Verteidigung des Königreiches. Es ist eine einfache Weiterbildung. Entweder man klettert nach diesen zwei verpflichteten Jahren weiter hoch oder kehrt zur Familie zurück. Diese Entscheidung ist einem selber überlassen.“
„Mhm. Ich kann aber keine zwei Jahre warten, “ sagte ich mit einem Gesicht als ob ich gerade eine Zitrone probierte.
Lachende violette Augen verrieten ihn. „Zu spät. Du hast gestern dein Einverständnis, öffentlich vor Zeugen, abgegeben. Und ich bestehe auf deine Mitgliedschaft. Die Zeit läuft. Mhm.“ Er sah mich genauer an. „Siebenhundertundachtunzwanzig Tage, “ fügte er schärfer hinzu.
Das traf mich hart. „Gibt es auch einmal Ausgang? Freie Wochenenden?“
Er schüttelte seinen Kopf. „Schon gar nicht wenn ich treffsicher weiss dass du diese offene Gelegenheit ausnutzt.“
Unruhig kratzte ich mit meinen stumpfen Nägeln über die geschliffene Tischplatte. Mit zusammengekniffen, drohenden Augen sah ich ihn an. „Was wenn ich Terror mache. Streike.“
Sorglos lehnte er zurück. Schmunzelte mich geradezu fröhlich an. „Das möchte ich erlebt haben. Nein! Bisher war es nie nötig drastische Massnahmen gegen eine Meinungsverschiedenheit einzuführen. Dieser Raum hier genügte um alles auszudiskutieren. Also mein Standpunkt ist der das ich deine Zusammenarbeit, hier im Lager, will. Lass das einmal, unwiderruflich, in deinen Kopf einsickern. Du unterstehst meiner Verantwortung, meinem Schutz. Dafür hast du, “ er genoss es richtige gedehnt lässig zu sagen, „Deine erholsame Zeit.“
Die folgenden Worte sagte ich zermürbend, mit hängenden Schultern, in meiner alten Sprache; „Das ist ja schlimmer als im Irrenhaus.“
Derek und Dongard wechselten nur einen stummen Blick.
„Was hast du vorher gemacht?“ Dieser schlaue Anführer wollte mich geschickt einwickeln. „Was hast du bisher gelernt? Welche Sprache beherrschst du noch?“
„Eine, die hier kaum noch jemand kennt. Ausserdem war ich nur in einer durchschnittlichen Schule. Sonst habe mich auf gar nichts spezialisiert. Lesen, Schreiben nützt mir hier gar nichts. Und vom Rechen habe ich das meiste Vergessen.“ Das letzte war schlicht gelogen. Aber wer wollte schon einen Bürojob? Ich am wenigsten. Dann war ich ja unten in dem engen Höhlensystem gefesselt.
„Bei deinem Alter. Was hast du, nach der Einführung ins Erwachsenen leben, getan?“
Tja, da waren wir an einem toten Punkt. Ersten, es existierte kein Wort in meinem Übersetzung was Irrenanstalt bedeutete. Zweitens, wer erwähnt dies schon gerne.
„Nichts. Zu Hause geblieben.“
„Der Familie geholfen als was? Haushalt oder Feldarbeit?“
Ach, der gab ja nie auf. „Nein. Okay, ich kann es einfach nicht sagen!“ Dabei sah ich ihn finster an. Er stützte seinen Kopf nachdenklich an einer Hand ab. „Du kannst mir alles sagen. Soll ich Derek nach draussen schicken?“
Dann wäre ich ja mit ihm alleine in diesem kleinen Zimmer. Noch schlimmer. Mir schwitzten jetzt schon die Handflächen. Im Moment wünschte ich mir nichts sehnlichster als ein grosses Zimmer voller Menschen, wo es einfach war sich unsichtbar zu machen.
„Das bringt dir keinen Erfolg. Was willst du tun? Mich ständig bewachen?“
„Du weist was ich tue, ich öffne einfach meine zweite Gabe ein!“
Ich hörte zu und verstand kein Wort. „Was für eine zweite Gabe.“
Er beugte sich über dem Tisch vor. „Sieh in mein Gesicht, ist es nicht offensichtlich.“
Ich runzelte die Stirn. Klar er war zum halben Teil ein Elf. Versuch dich zu erinnern was Maximilian darüber äusserte. Magische Fähigkeiten. Damit hielt man doch keinen zurück. „Wie funktioniert das?“ Fragte ich vorsichtig. Mir war längst klar dass man aus meinem Gesicht die Ungewissheit erkannte. Maximilian verriet mir dies ja oft dass ich schwer tat mich zu verstellen.
Fasziniert verfolgte ich wie seine Augen sich änderten. Als ob sich mich bei einem Fehler ertappten. „Du weist wirklich kaum Bescheid. Gut.“ Er zögerte.
„Wie geht es deinem Kopf? Nach dem Unfall, beim See, keine Gehirnerschütterung?“
Fassungslos sah ich ihn an. Benötigte Zeit zum Begreifen. Meine Finger verharrten. Überhaupt selbst der automatische Augenaufschlag stand still. Woher wusste er von dem längst vergangenem? Das hatte ich ja schon beinahe vergessen.
„Gold zu Gold, prophezeite man mir. Selbst ich habe es vorhergesehen. Es ist eingetreten. Nun bleibt mir kein anderer Ausweg als dich in meinem Dienst aufzunehmen.“
„Das Gold ist mir egal. Ich möchte nur meinem Freund helfen, dazu muss ich zuerst in die Stadt.“ Diesmal veränderte ich meine Augen zur Weitsichtigkeit. „Und ich komme in die Stadt. Soviel kann ich voraussehen!“
„Du“, lachte er mich aus. „Du hast kein Elfenblut in dir.“
„Man muss kein Melf sein um gewisse Dinge zu sehen, zu erreichen.“
Erst musterte er mich von Kopf bis Fuss. „Was weist du schon darüber“, sagte er abschätzig.
„Ich hatte eine Menge Zeit zu lernen. In der Bibliothek.“ Wenn ich früher einsam war verhalf mir meistens ein Buch über die schweren Zeiten. Nur auf einmal waren mir die Romane zu kitschig, das Rechnungswesen zu schwer und die Philosophie passte nicht zu meiner Weltansicht. Danach kappte ich jede Brücke und der Wahnsinn fing an. Aber eine Prise über Magie ortete ich in meinem hintersten Stübchen. Wenn du was wirklich willst, bekommst du es auch. Zum ersten Mal sah ich ein klares Ziel vor Augen. Maximilian zu Befreien. Dongard begriff meinen inneren Antrieb.
„Mag schon sein. Nur liegt die Entscheidung bei mir. Ich halte es Vernünftiger dich hier zu behalten als alleine umherziehen zu lassen. Du hast ja keine Ahnung wo die nächste Stadt liegt. Und wir werden es dir keinesfalls verraten. Ausserdem gibt es da jede Menge Leute, die nach dir suchen und für deine Belohnung, sogar ihr Leben riskieren, “
Niedergeschlagen sass ich auf meinem Stuhl. Was sollte ich tun. Es war an der Zeit zu handeln. Ein leeres Holztablett stand auf einem Papierwagen zu meiner rechten Seite. Ich hatte gut gegessen, fühlte mich richtig kräftig. Also auf in den Kampf. Von unten her sah ich zu Dongard hinauf, wie eine Katze die um Verzeihung flehte. Dongard schüttelte missmutig den Kopf. „Nein, So was wirkt bei mir schon gar nicht.“ Mir einem Seufzer senkte ich die Augen. Die mich sonst nur Verrieten. Bevor der schwere Seufzer endete schnappte ich mir das Tablett und schmetterte es Derek auf die Kniescheibe. Sekundenbruchteile. Völlig perplex kapierte er für einen Moment gar nicht was los war. Ich nutzte diese Ablenkung, zielte an seinen Hals. Ich wusste von der tödlichen Gefährlichkeit. Aber Derek war einfach mein gefährlichster Gegner. Vermutlich weil er sein Denken ausschaltete und einfach reagierte, rettete es ihn. Er hob den Arm dass die hölzerne Scheibe abgleitend harmloser in seine Nase knallte. Abgelenkt vom Schmerz schnappte ich mir sein verstecktes Messer im Stiefel. Drehte mich herum und zielte was sich auf mich zu Bewegte.
Der Raum mass kaum sechs Meter von Wand zu Wand. Aber ein breiter Schreibtisch trennte ihn. Dongard verlor wertvolle Sekunden als er herum wirbelte. Zwei Meter Abstand zu mir nur. Mein Arm war schon ausgeholt. Eigentlich brauchte ich das Messer nur noch fliegen zu lassen, wie es mich Maxim lehrte, und mich gleichzeitig in Sicherheit zu bringen. Es hätte gereicht doch ich sah in Dongards dunkle Augen. Mir war als sähe ich in seine verletzliche Seele. Ich durfte ihm einfach nicht Weh tun. Bevor sich der Blut verschmierte Derek erholte, tauchte ich unter ihm hindurch und rannte zur Tür hinaus. Nun stand mir Monat zögernd im Weg. Die Beine weit auseinander, die Arme ausgestreckt verbarrikadierte er sich wagemutig vor der Tür, zu allem bereit. Wie eine aufgedrehte Lokomotive stapfte ich durch die trennenden Meter. Holte Anlauf, zu allem entschlossen. Sein Gesicht bleichte aus. Gerade als ich hochspringen wollte, liess er sich einfach nach unten fallen.
„Ich gebe auf, ich gebe auf, „ jammerte er. Triumphierend bremste ich ab, stieg vernünftig über ihn hinweg damit ich die Schiebetür überhaupt öffnete. Da packte er mich einfach an einem Bein und hielt mich umschlungen. Eine einfache, wirkungsvolle Methode. Besonders da ich mit keinem Widerstand rechnete.
„Monat“, japste ich mit ungewöhnlicher hoher Stimme, dann brülle ich nach dem erholten Schreck los. Ihn einfach auf den ungeschützten Kopf treten wollte ich nicht. Monat war nur ein kleiner, unwürdiger Gegner. Da durfte ich nicht Gnadenlos zuschlagen. Dieser Hund war einfach zäh, obwohl ich ihm einige Haare ausriss. Da packte mich schon Derek von hinten. Mit einem letzten Versuch riss ich ein Bein hoch. Zu spät. Schon hielt er mich mit beiden Händen hoch. Riss sogar den hängenden Monat auf die Knie.
„Lass los“, knurrte er. Sofort befreite sich das zusätzliche Gewicht von meinen Füssen. Derek war mich einfach wie einen Mehlsack über die Schultern. Hielt vorne meine strampelnden Beine fest. Aufrichten konnte ich mich nicht sonst schlug mir die Felsendecke auf den Kopf.
„Hast du sie?“ sagte ein erleichterter Dongard.
„Na, klar.“
„Aus dir mache ich Hackfleisch“, schrie ich sinnlos tobend in meiner Sprache. Sollten die anderen ruhig über mein Gekreische lachen, ich arbeitete schon am nächsten Plan. Der so aussah dass ich Derek das Hemd nach oben riss. Mit meinen blossen Fäusten richtete ich an diesem kräftigen Rücken keinen nennenswerten Schaden an. Aber wie angenehm war es mit Fingernägel tief in die Haut zu kratzten.
„Halt sie fest, schnell. Ahh.“ Schreiend drehte er mich so dass Dongard den Rest festhielt.
„Wenn ich Terror anfange bleibt kein Stein auf dem anderen“, drohte ich.
„Das wollen wir mal sehen“, sagte Dongard wieder mit seiner eisigen Ruhe.
Minuten später lag ich in einer dunklen, schmalen Kammer. Um mich herum nur grob gemeisselte Steinwände. Bevor mich Derek, in dieses verlassene Loch, hineinstiess hatte ich gesehen dass es eine stählerne Truhe, in der Ecke lag. Wahrhaftig aus schwerem Stahl. Unmöglich sie für mich anzuheben um sie jemanden anzuschmeissen. Mit einem dumpfen Knall schloss sich die Türe. Ich war alleine mit dieser monströsen Kiste im Dunkeln. Auf den Knien kroch ich zu ihr. Zu tief sass der Schock über das gerade mal Heil überstandene. Wenigstens hielt Dongard seinen Stellvertreter zurück sich an mir zu Rächen. Sonst lägen meine Knochen jetzt woanders zerstreut. Vermutlich brach ich Dereks Nase. Auf jeden Fall hatte ich nie so viel Blut vorher fliessen sehen. Soll ich auch erwähnen dass er sich kaum auf den Beinen halten konnte. Ein Wunder dass er mich überhaupt tragen konnte.
In der Truhe lagerten zwei mufflige Decken. So war wenigsten Vorgesorgt dass ich nicht erfror. Was für eine Hoffnung. Wie kam ich jetzt am schnellsten wieder aus diesem Schlammassel. Hätte ich nur sorgfältiger Überlegt, dementsprechend gehandelt. An diesem Tag untersuchte ich genau die Stabilität der Türe. Kein Lichtstrahl drang durch ein Ritzte. Massives Eisen, oder Gold im innersten Kern wie ich vermutete. Zu schwer um sie aus den Angel zu heben. Vor mir versuchten sicher auch ein paar anderen zu fliehen.
Enttäuscht sank ich an einer Seitenwand zu Boden. Liess die Decke unbeachtet liegen. Für die nächsten Stunden, dann merkte ich wie der harte Boden an meinen Hüftknochen schmerzte. Von da an benutzte ich sie als polsternde Unterlage. Zum ersten Mal hatte ich wirklich meine Ruhe. Allein in der Dunkelheit schonte ich meinen müden Körper. Was sollte ich nur mit all dem nichts tun anfangen? Früher warteten Bücher auf mich oder wenigstens das Fernsehen wenn es nur stumpfsinnige Werbung war. Hier gab es absolut nichts. Ich und alleine mit einer feuchten Decke. Das Beste schien mir vor mich hin zu dösen wie in der Klinik. Zog mich in meine innere Welt zurück. Das Verrückte daran war, diesmal fiel es mir schwer in meine alte Gewohnheit zu versinken. Ich klammerte mich an das Leben. Was sollte ich sonst mit dieser Zeit anfangen. Verrückt werden? Das war ich ja schon. Was gab es als Steigerung? Bei Dongard kamen anscheinend alle weiter. Leise lachte ich vor mich hin. Bis ich den ernst der Lage begriff. Hier drin half ich Maxim keinesfalls. Ach Maxim, lass mich von dir träumen.
Mit grosser Wahrscheinlichkeit war es Abend warum sonst öffnete Derek die quietschende Tür. Ein dampfender Teller wurde auf den Boden gelegt. Ich reagierte in keiner Weise. Alles hielt still jeder Muskel. Nur meine Augen verfolgten die Schatten an der gegenüber liegenden Wand. Die Tür befand sich wenige Meter von meinem Kopfende. Das begleitende Licht vom Eingang stammte vermutlich von einer Kerze. Jedenfalls flackerte die Flamme so unruhig. Ich verhielt mich passiv, wollte es einfach nicht sehen, den Kopf drehen. Mein stummer Weg zu protestieren.
Niemand sprach. Nur das schwere Atmen verriet das Derek mich scharf im Auge behielt. Wer sonst sollte es riskieren die Türe aufzumachen? Wer sonst hatte solche Schmerzen dass es das Atmen so beeinträchtigte. Kurz darauf schloss er wieder mein finsteres Gefängnis. Bei dem flackernden Licht fiel es schwer in mein inneres zu versinken. Es lenkte ab, interessierte mich. Träge richtete ich mich auf. Schlurfte zu dieser Kerze und löschte den brennenden Docht zwischen meinen befeuchteten Fingern. Ich spürte kaum das flüssige, heisse Wachs. Die dampfende Suppe beachtete ich schon gar nicht. Die sollen sich nur Sorgen machen. Die Armen hatten ja keine Ahnung wie lange ich es ohne Essen aushalten konnte. In der Klinik war dies manchmal ein interessantes Experiment. Man spielte den Deprimierten. Weigerte sich zu Essen und lachte dann heimlich über ihre Bemühungen zur Anregung. Niemand liess dort einem Sterben, genauso wie hier dieselbe Regeln herrschten. Stand ich doch unter Dongards Verantwortung. Ätsch.
Noch am selben Abend kam der erwartete Besuch. Jemand holte den Teller ab und stellte einen Eimer mit warmem Wasser hin. Jetzt erinnerte ich mich an ein vergittertes Loch im Boden, in der hintersten Ecke. Wohl als Toilette gedacht. Das Wasser war wohl zum Waschen und spülen. Als wieder die gewohnte Ruhe in meine Wände stillstand, musste ich tatsächlich dringend in die Ecke. Ich erlaubte mir einen knappen Teil des Wassers zu verwenden, und den auftretenden Durst zu löschen. Wieder blies ich die Kerze aus um in meine Träume ungestört abzutauchen. Nach dem träumenden Tag, träumte ich genauso erfolgreich in der Nacht. Kein richtiger erlösender Tiefschlaf.
Mit dem Frühstück tat ich dasselbe wie mit dem Abendessen. Obwohl nun mein Magen bei dem verführerischen Duft, der innert wenigen Sekunden den kleinen Raum füllte, knurrte. Meine leeren Därme rumorten schon in den frühesten Morgenstunden. Doch ich durfte nicht aufgeben. Auch Kälte bohrte sich zu meinen Knochen hinein. Ich verbot mich in die Wärme zu retten.
Verlor allmählich jedes Zeitgefühl. War schon wieder Abend. Jemand öffnete die Türe. Nachdem die Schlüssel im Schloss umdrehten, wartete ich noch eine kleine Weile. Brauchte selber eine paar Minuten um mich aus meinem Fantasyreich zu lösen. Es viel mir immer schwerer meinen klaren Verstand aufrecht zu halten. Sammelte auf einmal meine Vernunft, stand wie ein Automat auf und steuerte die blendende Kerze an. Beim nach vorne tasten gewahrte ich flüchtig, dass jemand daneben an der Wand kauerte. Wurde noch jemand bestraft? Besass ich nicht einmal eine Einzelzelle?
Er war es. Dongard höchstpersönlich. Egal, obwohl mein Herz verräterisch stockte hielt ich meinen stumpfen Blick, an die nächste einengende Wand, aufrecht. Ohne ihn zu beachten, löschte ich die Kerze und tastete mich zu meiner warmen Unterlage.
„Das gib es gar nicht?“ Flüsterte Dongard besorgt vor sich hin. Sekunden später flammte ein Streichholz an und die Kerze brannte erneut. Sollte ich hingehen? War mir bereits zu mühsam.
Die Kerze blieb an ihrem Platz. Schritte näherten sich. Sobald der Kommandant vor mir stand drehte ich ihm den Rücken zu. So ein hübsches Gesicht wie er lenkt mich nur ab.
„Willst du nicht wenigstens mit mir verhandeln?“ Seine Stimme tönte leer in diesem Zimmer. Nach einer Weile atmete er laut aus. Schien am Ende seiner Weisheit. Gut, so gefällst du mir schon besser!
„Du kennst die Bedingungen“, flüsterte ich heiser.
„Schön, du redest wieder, “ er klang alles andere als erfreut, „Wie lange glaubst du kannst du dies aushalten?“
Triumphierend gab ich zurück, „Bis zum bitteren Ende. Und glaub mir es ist nicht das erste Mal das ich dies durchstehen.“
Er schien sich zu setzen. „Woher kommt das?“
„Nicht von dieser Welt, wenigstens vermute ich dies. Ihr habt nur eine riesige Insel, wir haben ganze Kontinente.“
„Oh“, sagte er überwältigt. „Ich habe kaum erwartet dass du freiwillig so offen darüber sprichst. Nicht darüber.
Einst war unsere Insel ein Teil eines Kontinents.“
Es störte mich das er aufhörte. Endlich gab es eine einmalige Gelegenheit exakt abzuklären wo ich eigentlich war. Diese kostbare Geste durfte ich nicht abweisen. Interessiert wälzte ich mich herum. „Was heisst das genau. Hatte sie einen Namen?“
Er sass locker da an die Wand gelehnt. Ein Knie am Boden das andere abgewinkelt und seinen Arm darauf abgestützt.
„Es ist lange her. Über zweihundert Jahre. Es gab zuerst einen Grossen Krieg, danach die mächtigen Erdbeben. Nur wenig ist übrig geblieben. Teile sind gesunken, andere vom steigenden Wasserspiegel überflutet. Europa war der alte Name.“
„Was“, fuhr ich dazwischen. Sah einem Moment nachdenklich an die Decke hoch. „Dann bin also doch noch auf der Erde.“
„Das bist du gewiss“, bestätigte er mir glücklich darüber endlich Fortschritte zu erreichen. „Vermutlich kommst du aus der Vergangenheit. Wie ist dies nur möglich?“
„Keine Ahnung wer der Erfindern ist. Aber es wird Komplikationen geben. Sie sind hinter eurem Gold her. Gelingt es ihnen wird sich vielleicht die Geschichte verändern, “ verriet ich schon mitzunehmender Sorge.
„Du wirst es ihnen nicht verraten, habe ich Recht?“
„Mhm“, ich liess ihn gerne ein bisschen zappeln. Als ich seine ersten Falten sah, lachte ich ihn aus. „Nein. Sie haben mir zwar eine einsame Insel versprochen. Aber verrate mir einmal, was ich mit einer Insel anfange die in der Zukunft überflutet wird.
Besser, eine einsame Insel,“ meine Stimme wurde unmerklich weich, „ohne Maximilian. Undenkbar. Sein Zuhause ist hier.“
„Aha, Maximilian heisst der Glückliche. Du willst mit ihm die kommende Zukunft gemeinsam verbringen nehme ich an.“
„Na ja es wird nicht einfach, solange man ihn verfolgt und mich gleichzeitig jagt.“
„Bei mir wärst du sicher“, versicherte mir Dongard. Es erfüllte mich mit Freude dass er mir einen sicheren Platz anbot. „Danke. Für mich kein Problem. Maximilian zu verstecken dürfte jedoch schwieriger sein. Er ist... Er kommt aus dem Labor. Falls dir das was sagt.“
Dongard lockere Art war vorüber, “Ein Tiermensch?“ Fragte er ungläubig. „Ohje, du steckst voller Überraschungen. Was hast du überhaupt für eine Ausbildung das du dich in solche Sachen verstrickt? Hat man dir nichts Gescheites beigebracht?“
Bedauern schüttelte ich den Kopf. „Du errätst nie aus was für einer Klinik ich komme.“ Erwartungsvoll sah er mich an.
„Mein Training bestand darin dass man mich nachts unvorbereitet aus dem Bett holte und ein bedrucktes Papier unterschreiben liess. Eine schriftliche Bestätigung für eine Belohnung und eine Tonnenschwere Ausrüstung auf den Buckel lud. Die liegt nun neben der Reisekapsel, irgendwo im Gebirge. Nur ein bescheuerter Idiot schleppt so was umständlich in eine Gegend mit, die er nicht kennt.“
„Was, wer war dein oberster Vorgesetzter?“
„Mein lieber Dongard, kapiere es endlich, es gibt keinen Vorgesetzten. Ich bin aus einem Irrenhaus. Ein Versuchskaninchen wie Maximilian. Nur habe ich einige Selbstmordversuche hinter mir. Womit wir wieder bei unseren Persönlichen Krieg sind. Nun weist du warum du mich gehen lassen musst. Den ich schaffe es nicht nachzugeben. Für mich ist das ein Kinderspiel durchzuhalten bis mein Körper versagt.“
„Sag so etwas nicht“, sagte er schroff. „Leben sollte man immer respektieren.“
Auf einmal stand er auf und kam auf meine Seite. „Beweg dich mal ein bisschen.“ Dabei zupfte er an meiner weichen Unterlage. Zerrte sie hervor. Eine Ecke liess er auf dem Boden. Deutete mich darauf zu setzen. Mit dem Rest hüllte er mich ein. „Besser?“
„Ich habe dich nicht darum gebeten.“ Darauf zupfte er mit einer warmen Hand, mir Strafend in die Nase. Bevor ich auswich packte er meine Beine und legte sie über seine, rückte näher trotz meinem aufmüpfigen Protest.
„Du hast kalt ich sehe es dir an. Also halt still.“
„Du wirst nur dreckig und wir müssen deine Uniform wieder waschen“, protestierte ich. Darauf lachte er wirklich los. Ein schönes tiefes Lachen. Umarmte mich, obwohl ich mich wehrte. „Ach, du solltest Angst vor mir haben. Hast du Derek nicht gesehen. Ich bin gefährlich, “ warnte ich vollkommen vergebens.
„Du krümmst mir kein Haar. Das ist mir in der gewissen Sekunde bewusst geworden als du den Dolch in den Händen gehalten hast. Der Moment war absolut ideal dennoch hast du es nicht übers dein gutes Herz gebracht mir…Autsch!“
Ich kniff ihn erfolgreich in die Seite. Statt abzuweichen hielt er mich enger Umschlungen. „Komm her“, Sagte er mit sanftweicher Stimme. „Senk mal deine Verteidigung hinunter. Entspanne dich. Wir suchen eine gerechte Lösung. In Ordnung?“ Ich nickte bloss. Dongard in seiner schicken Uniform sass hier auf dem harten Boden und hielt mich einfach fest. Er erinnerte mich stark an Maximilian. Dieselbe Geborgenheit, nur war mein Herz schon an den Tiermenschen vergeben. Aber diese Wärme. Ich war einfach schwach. Er bot mir auch einen sicheren Platz an. Vielleicht lag es daran dass ich schon lange nichts mehr gegessen hatte. Ich schmiegte mich an diese verlockende Wärme.
Minuten später quälte mich die Ungewissheit. „Wann gedenkst du mich nach draussen zu lassen?“
„Mhm“, es klang ziemlich müde. Erstaunt sah ich zu ihm hoch, sofort raffte er sich zusammen. „Sobald du wieder mit Essen anfängst“, sagte er klarer. Prüfend sah ich ihn an. „Das ist alles?“
„Na ja.“ zuerst überdachte er alles noch einmal. „Es würde mich glücklicher machen wenn du mir vorher Versprichst nicht zu fliehen.“
Ohne Begeisterung gab ich zurück, „Du beharrst auf deine zwei Jahre?“
„Unumgänglich. Inzwischen werde ich versuchen etwas über deinen speziellen Freund heraus zu finden. Mal sehen was sich da entwirren lässt. Du wirst diesen Hort dabei nie verlassen. Schliesslich trage ich auch die riesige Verantwortung über das Gold. Gewisse Leute sähen es gar nicht gerne wenn du plötzlich wieder auftauchst. Schon gar an meiner Seite. Es gibt genug Neider die sich über meinen Posten streiten. Verstehst du meine Beweggründe?“
„Wie lange dauern ungefähr deine Nachforschungen?“
Er presste die Lippen zusammen. Es fiel ihm sichtlich schwer offen zu sein. Ehrlich auch zu sich selber. „Gewisse Dinge brauchen Zeit. Schon alleine weil es sich um ein umstrittenes Labor handelt. Sollte gar Politik darin verstrickt sein kann es über ein Jahr dauern. Als Kommandant kann ich nur einen Stein, im königlichen Parlament, ins Rollen bringen.“ Er sah mich um Vergebung heischend an. „Dies dauert einfach. Selbst wenn ich Maximilian für Experimente anfordere, müssten gewisse Papiere bewilligt und geschrieben werden. Das ist langwierige Bürokratie. Ein Grund mehr warum ich mich auf diesem abgeschiedenen Posten sehr glücklich schätze. Kein Mensch kontrolliert oben. Man kann hier auf die einzelnen Probleme eingehen und viel grössere Leistungen erzielen.“ „Trotzdem, in der Zwischenzeit wird man Maximilian schon wieder wehtun?“
„Sobald ich mich einmische wird man ihn als neutral beiseite schieben. Das ganze Abwarten. Kannst du das auch?“
Über ein Jahr warten auf Maximilian Anwesenheit. Ein Jahr auf ihn verzichten, verschenken? Dabei gab es keine garantierte Absicherung. Würde Dongard tatsächlich bis nach oben gehen? Ein einfacher Kommandant seine Stellung gefährdet für einen Unbekannten? Die Klinik lehrte mich sehr Misstrauisch zu sein. Woher sollte ich wissen das dies ganze kein Spiel war welches man mit einer dummen Maus spielte? Das ganze Schauspiel war perfekt um einen Staatsfeind für zwei Jahre hinzuhalten. Bei Dongard Charme fiel es mir sowieso schwer zu erraten was man hinter den Kulissen vertusche.
Er lass meine Zweifel. „Lass dir Zeit. Hier kannst du ja ungestört Nachdenken, “ meinte er ironisch.
Minutenlang studierte ich alle Möglichkeiten durch. Sollte ich ihm auch mal Vortäuschen sein Spiel mitzumachen? Auf einmal sank Dongards Kopf an meine Schulter. Was das sein Ernst oder probierte er eine neue Masche aus? Schwarze Locken streiften mein Gesicht. Es roch eindeutig nach Pferd oder Duli. Ich bemerkte gar nicht dass er sein Haarband löste. Tatsächlich übermannte Schlaf den sonst strengen Kommandanten. Für eine Weile war ich ratlos. Sollte ich ihn aufwecken oder heimlich seine Schlüssel stehlen? Beim letzten Gedanken kam es mir vor als ob etwas meine Hand lähmte. Elfenmagie?
Er kam mir so verletzlich vor. Obwohl alle ihn achteten und sich so vor seinem Zorn fürchteten. Gerade darum. Verdiente er sich doch den Respekt der anderen. Sollte ihm was in meiner Zelle passieren, schützte mich kein Königreich mehr. Langsam rutschte ich zur Seite bis er sachte auf meine gepolsterte Decke hinunter glitt. Seine Arme rutschten zur Seite. Seine Hände waren so kalt als ich sie auf die Decke zurücklegte. So breitete ich das zweite Tuch über ihn aus. Um mich ein wenig zu stärken ass ich zum ersten Mal den erkalteten Teller Suppe leer. Dazu das köstliche Brot. Nach dieser Fastenzeit schmeckte alles wunderbar. Über das Versprechen dachte ich gar nie nach. Niemals würde er dies bekommen.
Schon nach kurzer Zeit richtete er sich schlaftrunken halb auf. Formte sich aus dem oberen Teil der Decke eine Nackenrolle. Legte sich auf den Rücken. Wenn ich mich freute aus seinem Bereich zu sein, sah ich mich getäuscht. Ich verschluckte mich beinahe als er meinen Oberschenkel als Kissen betrachtete und die Decke als Stürze, fliessende Verbindung. „Halt Wache“, murmelte er weggetreten.
„Na, klar“, beruhigte ich ihn. Soll ich auf ihn aufpassen? Kein Wunder war dieser Kerl müde wenn er sich ständig auf dem Posten glaubte. Er wirkte immer so Energie geladen dass man ihm keine Schwäche zutraute, dabei war er auch nur ein Mensch. Präzise, ein halber Mensch. Bewundernd streiften meine Finger über das gelockte, dichte Haar. Als er sich wenig Bewegte hielt ich sofort inne. Wollte ihn keinesfalls aufwecken. Da hob er seinen Arm nach oben. Als ich ihn sachte niederdrückte, tastete er sich nach meiner ihm zugewandten Hand. Seine kalten Finger umklammerten die meinen, zogen die zu sich unter die Decke, dorthin wo sein Herz lag. Sobald ich mich bemühte mit den Finger davon zu schleichen, hielt er stärker fest. „Lass“, bat er fast unhörbar, „Darauf warte ich schon so lange.“
Vermutlich verstand ich ihn falsch. Oder er verwechselte mich mit N`toki. Doch bei ihr brauchte er ja kaum zu warten. Mhm. Nun beschäftigten mich wieder neue seltsame Gedanken. Nicht nur das es hier so viele Geheimnisse gab die man vor mir verbarg sonder sogar der Oberboss persönlich gab, trotz meiner guten Menschkenntnisse, ein unlösbares Rätsel auf.
Nach dem abschmelzen der Kerze verging knapp eine Stunde. Gelegentlich versank ich auch in meinen Träumen. Sehnte mich so danach Maxims Körperwärme unter meinen Fingern zu spüren. Seinen Herzschlag wahrzunehmen. Dongards Nähe weckte süsse Erinnerungen an meinen Geliebten. Dabei sollte ich über ein Jahr auf ihn warten?
Knacken eines eisernen Schlosses schreckte mich auf. Jemand drehte einen Schlüssel an der Stahltüre. Wie leichtes Holz schwang sie trügerisch auf. Nur Derek war dazu in der Lage. Misstrauisch blieb er an der Schwelle stehen. Wartete bis die Türe ganz aufschwang damit er in den vollen Raum überblickte. Ein würdiger Stellvertreter. Sprachlos sah er einfach zu uns hinüber. Wir gaben auch ein ungewöhnliches Bild ab.
Wie verwandelt stürzte er Sekunden später auf mich los. Abwehrend hob ich den freien Arm schützend über meinen Kopf. Erwartete das schlimmste.
„Lebt er? Hast du ihn nieder geschlagen?“ Ich verstand seine schlimmen Verdächtigungen. Warum sollte sonst ein angesehener Kommandant sich neben einer Gefangenen hinlegen. Sobald er die Decke wegriss entdeckte er als erstens den Schlüssel. Sofort beruhigte er sich. Dafür furchten sich tiefe Falten in seine Stirn als er gewahrte dass Dongard meine Hand festhielt.
„He, Dongard.“ Vorsichtig stupste er seinen Anführer an. „Wach auf.“
Erst als ich Dongard sachte in die Brust kniff, zeigte sich allmählich eine Regung. Vergebens wartete Derek auf ein grösseres Lebenszeichen.
„Ich werde ihn auf keinen Fall, über Nacht, hier behalten“, sagte er mit finsterem Blick zu mir. Bedauernd löste ich meine Hand zuvorkommend aus den aufgewärmten eleganten Fingern. Sofort packte ihn Derek als sei ich eine gefährliche Löwin. Unter schmerzen hob er Dongard auf, wobei besonders seinen Knie erheblich darunter litten. Seine kräftigen Arme hoben ihn so leicht wie ein Kind. Doch bei jedem schwerfälligen Schritt hinkte er fürchterlich, mit seiner doppelten Last. Aber ich wusste Derek würde lieber seine Knie ruinieren um Dongard sicher aus diesem Verlies zu tragen, als ihn ein paar Minuten länger bei mir zu lassen. Mit dem angeschlagenen Bein zog er die Türe hinter sich zu. Ich hörte ihn gerade noch gepresst sagen, „Du arbeitest zu lange.“ „Mit guten Beispiel voran gehen“, murmelte Dongard unvollständig.
„Ja, ja. Es kann keiner mit dir mithalten, “ gab Derek missmutig zurück. Mit einem leisen Bedauern hörte ich wie der Schlüssel drehte. Dabei vermisste ich bereits die Gesellschaft. Bevor die Wärme sich aus der Decke verflüchtigte wickelte ich sie um mich.
Am selben Abend brachte mir Derek eine Portion schwereres Essen als bisher. Mit versteckter Freude wartete ich bis er mich verliess. Sobald Ruhe in meinen Wänden herrschte schlang ich das Essen gierig hinunter. Ich brauchte jeden Bissen, dennoch liess ich den letzten absichtlich drin. Füllte ihn mit Wasser auf damit am nächsten Morgen es von weitem wieder so aussah als hätte ich nichts angerührt. Danach stemmte ich die schwere Kiste von der hintersten Ecke neben die Türe. Auf jene Seite die sie aufschwang. Den Wassereimer leerte ich aus, versteckte ich unter die Decke. Das ganze versuchte ich so zu drapieren dass es aussah als ob ich unter der Decke schlief.
Diese Nacht verbrachte ich sehr unbequem auf einem schmalen Deckel. Wollte ich ohne Zeitgefühl meinem Wärter abpassen blieb mir nicht anderes übrig als so zu warten. Bis auf einen langen morgigen Tag.
Metall kratzte auf Metall. Sofort war ich hellwach. Derek war mit einem aufgeweckten Dongard da. „Nein“, bestimmte Derek hörbar. „ich gehe vor wir immer. Schliesslich muss ich auf dich aufpassen.“
„Mir passiert hier...“
Weiter kam er nicht denn Derek trat schon einen Schritt in den Raum hinein. Abgelenkt durch Dongard. Registrierte halbwegs den vollen Teller und die unbenutzte Kerze. Wie immer. Eigentlich. Nur diesmal stemmte ich meine Beine mit aller Kraft auf einmal gegen die Türe. Abgestützt im Rücken. Mit schwerer Wucht knallte die massive Türe an den Riesen unerwartet zurück. Sehen konnte ich in die zurückkehrende Dunkelheit nichts, aber etwas knackte verdächtig wie Knochen. Augenblicklich sprang ich auf die Beine. Riss die Türe auf bevor sie ein anderer abschloss. Taumelnd stand ein blutender, heulender Derek da. Aha, seine bedauerliche Nase. Mehr blieb kaum zu erkennen. Mutig schlüpfte ich unter seinen schwingenden Armen hindurch. Gab von hinten ein Nachstoss, in die Bandagen seiner Beine, dass er den Hilfe leistenden, stützenden Dongard völlig belastete.
Mit Vollgas flitzte ich durch den leeren Gang. Zurück zum Wohntrakt hinüber.
Als erstes blendete mich der erste Sonnenstrahl, sobald ich die Gefängnisstollen verliess. Dabei war es kaum Hell. Dongard wollte anscheinend vor dem Appell, die heikle Sache mit mir, lösen. Gut für mich, denn die meisten schliefen noch so dass ich ungesehen über die Steinblöcke hoch flüchtete. Achtete darauf, solange ich genügend Kraft besass, so viel wie möglich an Höhe zu gewinnen. Duckte mich unter den Vorsprüngen durch, robbte an dornigen Sträuchern vorbei, als Deckung, damit die Wachposten mich nicht entdeckten. Die sahen zuerst zum Lagereingang hinüber als der schreiende Derek lärmte. Begriffen anfangs gar nichts. Selbst als Dongard hinter seinem humpelnden Vertreter erschien, verharrten sie weiterhin untätig. Verwundert wandte ich mich um. Warum gab keiner Alarm? Da spürte ich auf einmal einen unsichtbaren Sog. Meine Gedanken erlahmten. Meine Beine erstarrten. Verwirrung liess mich desorientiert stehen. Weder Gelenke noch Muskeln gehorchten.
Elfenmagie schoss es mir durch den Kopf. Liess mich einfach fallen. Rollte mich herum, plumpste grob auf einen tieferen Block hinunter. Das brachte mich ausser Sichtweite.
Vor Schmerz schrie ich ungewollt auf. Dafür verschwand die unbekannte Macht. Sofort sprang ich auf, jagte in gemässigtem Tempo über den Goldberg weiter. Mir blieb nur eine Richtung, nämlich welche von der ich einst kam.
„Warum verfolgen wir sie nicht“, protestierte ein Blut spuckender Derek. Bitter enttäuscht sah zu seinem Vorgesetzen hoch, denn mit seiner blutender Nase wollte möglichst weit weg von den Kleidern sein.
In die ferne Blickend, stand Dongard mit seinem geraden Rücken da. „Schade kannst du sie nicht sehen. Sie ist erstaunlich flink trotz ihrem leichten Übergewicht. Von all unseren Frauen hier ist sie am wenigsten trainiert, dennoch kommt höchstens N`toki an ihre losgelassene Energie heran. Was sollen wir uns ab bemühen wenn ich ihren eingeschlagenen Weg kenne. Mit unseren Tieren sind wir ihr weit überlegen. Heute Abend fliege ich los, dann bringe ich sie morgen zurück. In der Nacht kann sie nichts erkennen. So bleibt unser Geheimnis weiterhin geschützt. Ausserdem demoralisiert das ihren weiteren Fluchtwillen, wenn wir sie nicht zu schnell fangen. Da draussen beginnt eh der Backofen. Daher lasse ich sie da gerne ein bisschen schmoren. Oder siehst du das anders?“ Nachdenklicher sah er zu einem begreifenden Derek, fügte mit einem schiefen Lächeln hinzu. „Falls es ihr ein weiteres Mal gelingt zu entkommen. So liegt er Vorteil weiter auf unserer Seite. Sie darf ruhig wissen dass wir es ihr nicht einfach machen. Ich freue mich schon sie zu unterrichten. Einen solchen Feind auf unserer Seite. Ein schöner Gedanke. Ein unerwartetes Geschenk, “ meinte er mit einem Blick zum Himmel. „Nimm dir ein paar Tage Frei. Solange ich auf sie aufpasse verletzt sich kein anderer.“
„Wieso“, schnüffelte ein gebückter Derek.
„Dies liegt in ferner Zukunft geschrieben… Unausweichlich. Safina scheint sogar fähig zu sein, einen Teil davon im Unterbewusstsein zu empfangen. Sie handelt manchmal ohne den Grund dafür zu Wissen. Genau wie wir Melfen. Wenn ich es nicht genau wüsste, würde ich sie für einen Abkömmling unserer Rasse halten.
Ab Morgen kommt ein neuer Sturm in unser Lager. Ich hoffe wir schaffen es, ihn in die richtige Richtung, zu lenken.“
Eine frauliche Stimme kam hinter Dongard hervor. „Was siehst du? Eine neue Herausforderung?“ N`toki schmiegte sich von hinten an seinen Rücken. Normalerweise tat sie so etwas nie in Gegenwart anderer. Derek beschäftigte sich jedoch ausschliesslich mit dem betasten seiner schiefen Nase. Bemühte sich schielend das Ausmass des Schadens abzumessen.
„Du hast es treffend formuliert“, dabei löste sich Dongard aus der Umarmung. „Es wird einige Veränderungen geben mit Vor und Nachteilen. Riechst du den frischen Wind?“
Missmutig schaute N`toki an ihm hoch. In diesem Punkt schied sich ihr vertrauliches Verständnis. Sie beneidete ihn um diese riesige Überlegenheit. „Du bist der Melf von uns beiden“, gab sie ihm trocken zu verstehen.
Schräg, von der Seite her, sah Dongard ausdruckslos in ihr Gesicht. Während er sich noch fragte weshalb gerade seine aussergewöhnliche Fähigkeit bei der normalen Safina versagte, entfernte sich eine verstimmte N`toki.
Bei allem guten Menschenverstand, was ich bei der Flucht vor den Fliegern leistete, dies wollte ich diesmal nicht wiederholen. Bedächtig nahm ich jede Strecke in Angriff, teilte meine Kräfte gut ein damit meine Ausdauer erfolgreicher durchhielt. Bereits nach einem Kilometer zwang ich mich zu einer kurzen Rast. Diese ewigen trostlosen Blöcke nagten erneut an meinen Nerven. Diesmal wusste ich jedoch dass es ein Ende davon gab. Dies war immerhin etwas leichter, die heisse Hölle danach zu ertragen. Dieses Kilometer weite steinige Gebiet, speicherte dank seinen tiefen Gruben noch die Wärme zusätzlich. Zwischen den von der Sonnhitze aufgewärmten Hügel bremste jeder noch so flaue Wind ab oder verwandelte sich selber in eine untertägliche trockene Luft, das mir das atmen weiterhin erschwerte. Ausserdem brannte jeder Flecken Haut wo kein Stoff schützte. Gerade als ich zu zweifeln begann ob ich es ohne Sonnenbrand überstand entdeckte ich, gegen Mittag, erlöst das erste grüne, bepflanzte Feld in weniger als einem Kilometer Entfernung.
Wunderbar weich fühlte sich der neue erdige Untergrund unter den Sohlen an. Mehrmals blickte ich zurück, überprüfte meine Rückseite. Trotz all meiner Mühe gelang es mir nie einen Verfolger zu entdecken. Verwirrt, fast ein wenig Enttäuscht suchte ich die Umgebung in der Ferne ab. So einfach stellte ich mir meine Flucht nicht einmal in den kühnsten Träumen vor. Ständig begleitete mich der Verdacht dass hinter all dem eine heimliche Taktik lauerte. Vielleicht umsorgten mich zu viele Gedanken. Vermutete sogar das unmögliche, dass ich eine Verfolgung gar nicht wert war.
Anderseits gäbe ein Kommandant sich so leicht geschlagen?
Nervös trimmte ich mich vorwärts. Das unablässige Nachdenken beeinträchtigte stark mein gestrecktes Ziel. Vermehrt zwang mich Atemnot zu einer kleinen Pause. Schliesslich gab ich auf. Setzte mich unter einem breitwüchsigen Baum in den Schatten. Zuerst klärte ich meine aufgewühlten Gedanken. Zwang mich zur Geduld. Niemand Verfolgte mich, na und? Sollte mir doch gleichgültig sein? Konzentrierte mich lieber auf Maxim. Maxims Rettung, das sollte meine oberste Priorität sein. Allein seine sanften Augen, die flauschigen, seidigen Ohren, die weissen perfekten Finger…. Schwärmerisch blickte ich in den wolkenlosen Himmel hinauf. Verfolgte mit den Augen einem kleinen Vogelschwarm. Verflixt, diesen Punkt vergass ich schmählich. Die gross gezüchtete Fledermaus flatterte durch meine Erinnerung. Klar, solch einen überlegenen Spion an meinen Fersen, dem fiel es leicht unentdeckt zu bleiben. Allerdings bezweifelte ich ob seine Intelligenz dafür reichte. Nach dem wilden Spiel damals zu Urteilen, war der Kleine viel zu Jung. Viel zu Kindisch für diese ernste Angelegenheit... Oder?
Nur eines zählte; wie gelangte ich sicher in die nächste Stadt. Wie ohne vorher zu verhungern. Mit Maxim an der Seite brauchte ich mich nie zu Sorgen. Meine alten, mitgeführten Kapseln fielen mir wieder ein, nur die hatte ich mit meinem Gepäck längst zurückgelassen. Vielleicht besass der nächste Bauer etwas. Leider fehlte mir die Zeit um für mein Essen zu arbeiten. Nicht solange eventuelle Verfolger auf meiner Spur klebten.
Ausgeruht joggte ich den Nachmittag gemütlich weiter. Befragte nur wenn nötig einen Feldarbeiter nach dem Weg. Ansonsten vermied ich jeden Kontakt. Gegen Abend griff ich zu einer kleinen List. Statt wie sonst den geraden Weg anzupeilen wie ein Kompass, wich ich von dem Pfad ab. Steuerte zwei Kilometer weiter in von Menschenhand unberührte Hügel ab, welche keinen Nutzen in der Landwirtschaft darstellten. Sträucher wucherten, wilde Wurzeln angelten sich um das Schuhwerk. Manch einer dieser verlassenen Hügel diente früher als Ziegelwerk. Vorrat an Steinen um Mauern zu bauen. Nun eroberte Unkraut das unwegsame Gelände. Genau richtig um ungestört zu übernachten. Von unten kletterte ich gute Hundert Meter aufwärts in einen schmalen Spalt hinein. Kleine Büsche gaben mir Halt, versteckten meine Spuren, verheimlichten mein Versteck von unten. Auf einem kleinen leicht schrägen Flecken krümmte ich meine Gestalt zusammen. Drückte mit einem reibenden Rücken die harten Kanten weg, suchte mein Plätzchen für die Nacht. Sollte ich mich im Schlaf auch Bewegen, so sollte der Halt gesichert sein. Wie ein Kissen benutzte ich eine leicht erhöhte Plattform. Legte zuerst den Arm darauf, betete mein Gesicht in den gewinkelten Ellbogen hinein. Damit liess sich gut übernachten. Mehrmals wechselte ich noch die Position bis die Sterne zu funkeln begann. Selbst dann viel es mir schwer einzuschlafen. Unruhe Plagte mich. Mir fehlte die schützende rundum Sicherheit vom Lager. Wie gerne wäre ich jetzt in dem überfüllten Gesellschaftsraum. Gelächter um mich herum. Wärmende Körper. Wünschte mir Maxims Nähe heran. Seine wachsamen Ohren, seine empfindliche Nase. Oh, Maxim. Siehst du dieselben Sterne wie ich jetzt gerade, oder steckst du in einem fensterlosen Kerker. In diesem Königreich war alles zu erwarten.
Ein unregelmässiges Rascheln weckte mich auf. Fluchtartig zuckte ich zusammen. Realisierte aber rasch das ich auf sehr unsicherem Grund schlief. Meine Augen suchten nach Halt, erblickten nur in eine graue, leere Wand. Mit morgendlicher Langsamkeit schaltete das Gehirn ein, das feuchter, schwerer Nebel mir die Sicht verwehrte, auf alles über zwei Meter Entfernung.
Wahnsinn. Was für eine wunderbare Gelegenheit unentdeckt zu reisen. Allerdings klebten mir unangenehm die durchnässten Kleider auf der Haut. Kälte drang spürbar bis auf die Knochen hinein. Unaufhaltsam schleichend während meines erholsamen Schlafes.
Den friedlichen Moment voll auskostend drückte ich mich an die kantige Wand. Fand ein bisschen Schutz an den Wetterfesten Felsen wo die Zeit stehen zu bleiben schien. Einfach die Gedanken abschalten, die gestrigen Nerven entspannen. So entdeckte ich auf völlig gefasst die kleine Maus welche mich aufweckte. Beobachtete wie sie durch die wenigen engen Nischen im Spalt der Erde umher flitzte, nach was Essbarem suchte. Vom Wind einst hergeblasene Pflanzen oder Baumsamen einsammelte und damit in ein dunkles Schlupfloch verschwand. Ich fühlte mich wieder ganz allein. Die sichere Wand in meinem Rücken, das feuchte Gras von vielen Tauperlen getränkt.... Das stimmte mich Nachdenklich. Sorgenvoll tastete ich mit einer Hand nach dem nassen Gras. Das bedeutete einen gefährlichen Aufstieg.
Die Gunst der frühen Stunde nutzend streckte ich zuerst, so gut es eben der schmale Halt erlaubte, meine einzelnen Glieder. Schüttelte meinen Oberkörper um die Kälte und den angehauchten Tau zu vertreiben. Abwägend tastete ich mich an einem glitschigen Grasbüschel heran. Mit dem richtigen Druck verschaffte er mir sicheren Halt. Nur mit den flachen Schuhen bekam ich unermessliche Probleme. Wie beim Skilaufen aufwärts drückte ich meine Kanten in den weichen Boden. Dort wo meine Knie oder Ärmel das Gras streiften tropfte es wie bei frischer ungeschleuderter Wäsche hinunter. Es kostete mich schon eine kleine Anstrengung besonders die letzten steileren Meter. Jeden Handgriff prüfte ich nach bevor ich mein Gewicht darauf verliess. Den Fuss hämmerte ich zweimal fest hinein um eine sichere Treppenstufe zu gewährleisten. Trotzdem in diesem dichten Nebel fühlte ich mich sicher. Sollte ich ausrutschen würde diese Peinlichkeit wenigsten niemand sehen. Grossen Schaden nahm ich eh kaum sollte ich an diesem Grashügel den Halt verlieren. Nur hässliche Grasflecken blieben übrig.
Sorglos packte ich nach einem grösseren Büschel Halt. Dem Letzen der mich über die abgerundete Kante bringen sollte. Mein Atem ging von der Anstrengung schon ziemlich Laut. Bei meinem Aufstieg hielt ich zwischendurch inne um besser nach fremden Geräuschen zu Lauschen. Nie gab es das geringste Anzeichen von etwas anderem Lebendem. Umso überraschter entfuhr mir ein entsetzter Aufschrei als mich jemand unerwartet, von Oben fest, am Handgelenk packte und mich mit einem Ruck hinauf beförderte.
Es dauerte einige Sekunden bis ich mich von diesem unerwarteten Schock erholte. In die weichen Knie gesunken realisierte ich als erstes, die sehr wohl bekannten Stiefel vor meinen Augen. Ich getraute mich nicht aufzustehen, mein Herzschlag setzte aus. „Dongard“, hauchte ich völlig baff. Wagte kaum in seine strengen Augen hoch zu blicken. Zitternd setzte ich mich zurück auf mein Hinterteil. Nur langsam beruhigte sich mein Atem.
Dongard selber verhielt sich unnachgiebig, als ob ihm alle Zeit der Welt gehörte. Griff mich nicht an sondern liess mir Zeit zu begreifen. Deutliche Zeit seine Macht kennen zu lernen. Seine Ausdauer zu schätzen. Folgende schweigende Minuten schüchterten mich mehr ein als wenn er im Lager jemanden scharf zurechtwies.
Ganz automatisch zuckte mein Finger verunsichert zum Kauen hoch, als mich eine leise Mahnung sofort stoppte. Aufseufzend stand ich unsicher auf und riskierte einen zaghaften Blick in sein Gesicht. Wie erwartet brannten mir seine harten, unerbittlichen Augen eine tiefe Kerbe in mein Gewissen. Als ob eine kalte Hand mein Herz berührte zuckte ich unangenehm zusammen. Wie konnte nur jemand mit so unübertroffenen schönen Augen so einen abschreckenden Blick übermitteln. Demütig hielt ich meine Augen gesenkt.
„Komm!“ Eine einzige deutliche Aufforderung ihm zu folgen. Ohne sich umzudrehen stiefelte er davon, ganz der selbstsichere Kommandant.
Nur für einen Bruchteil spähte ich zur Seite, bevor ich den Gedanken an Flucht nur formulierte warnte er mich zurück. „Denk nicht mal daran!“
Dieser unerträgliche, überhebliche Bastard. Nicht einmal umgewandt hatte er sich bei diesen Worten. Wütend starrte ich seinen entschwindenden Rücken an. Verweigerte standhaft ihm den Gehorsam. Eine schlichte Handbewegung folgte andeutungsweise nach hinten. Schon folgte ich ihm gegen meinen Willen. Elfenmagie würde Maximilian dazu beipflichten.
Meine schweren Füsse setzen sich nach vorne obwohl ich dagegen ankämpfte. Immer wieder sah ich bildlich seine durchdringenden Augen vor mir. Eindrückliche Augen die einem gefangen nehmen. Alleine die Erinnerung liess mich zusammen schaudern.
Nach einer halben Stunde lichtete sich leicht der Nebel. Fünf Meter voraus, marschierte er Ziel gerichtet auf sein Hauptlager zurück. Steif sein Rücken. Was war Dongard nur für ein Mensch? Rasch korrigierte ich zu Melf. Was hatte ihn nur zu dem gemacht? Trotz seinem Erfolg, seiner Karriere, sicherem Leben, nie möchte ich mit ihm tauschen. Mit der Zeit viel es mir leicht ihn sogar zu Bedauern. Wie ein alter, selbstbewusster Sieger schritt er über die einfachen Wiesen als ob eine verbündete Armee ihm hinterher folgte. Kurze Zeit später folgte ihm tatsächlich eine anhängliche Armee, eine Armee aus neugierigen Schafen welche ein Bauer hier frei grasen lies. In dieser abgelegenen Landschaft brauchte es keine Zäune um sein Eigentum zu sichern.
Für einen Melf kein Hindernis. Schon nach wenigen Metern zerstreute sich die Herde gelangweilt. Es ergab sich einfach keine günstigere Gelegenheit zur Rebellion.
Stunden später. Mehrmals hielt er barmherzig an. Dongard schien zu wissen wann meine Beine, von der gewaltigen Leistung der letzten Tagen, allmählich drohten zu versagen. Müde sackte ich einmal gegen eine ausgetrockneten Baum von dem nur noch der robustere Stamm existierte. Er setzte sich abweisend mit dem Rücken zu mir auf eine erhoben Wurzel nieder. Wich er mir vielleicht aus?
Dachte er genauso an mich, wie er in mir ständig herumgeisterte oder war dies Bestandteil seiner Konzentration mich in seinem Bann zu halten.
Sobald wir erneut marschierten, diesmal näherten wir uns dem Rand der Steinwüste, versuchte ich an etwas völlig anderes zu denken. Darauf begann nur mein Kopf fürchterlich zu schmerzen. Dies erinnerte mich an die Anstalt. Na, klar. Da kramte ich in alten Erfahrungswerten. Also schaltete ich einfach zuerst das Denken ganz aus. Fühlte die trockenere Umgebung. Den steigenden, wärmenden Druck der Sonne. Schmeckte den Duft der abgestorbenen, dörren Gräser. Sah meine mit Erde und Gras verschmierten Hände. Verfolgte deren unzähligen Hautrillen. In dem Moment war ich Frei. Gelöst aus dem fremden Willen. Horchte nur auf meine innerste Stimme. Stand still am Ort.
Erst eine Minute später merkte Dongard die Veränderung. Erneuerte, verstärkte seinen Zauber. Abwartend verfolgte er, wie ich im Tempo einer Schnecke, startete. Eine wirklich schnelle Schnecke hätte mich bestimmt sogar überholt.
Schliesslich auf gleicher Höhe sah er mich etwas milder an. Liess mich einfach Stillstehen. Nach einem schweren Seufzer gab er mir offen zu wissen. „Das ist mir so zu anstrengend.“ Völlig erstaunt über seine zugebende Schwäche sah zu ihm hoch. Gerne hätte ich was gesagt doch er versiegelte meine Zunge.
Mit einem kurzen Lächeln zauberte er völlige Verwirrung in meinen Geist. Für eine Sekunde fühlte ich mich schwach, willenlos. Was ihn zu einem breiten Grinsen verleiten liess.
„Genug jetzt mit diesen Kinderkram. Gehen wir!“
Erneut spazierten er grosszügig los. Allerdings in die falsche Richtung. Es dauerte mehr als eine Minute als ich zurückbleibend begriff.
„Was“, röchelte ich aus meinem trockenen Hals.
„Was ist, kommst du endlich?“
Unsicher stolperte, rannte ich sogar hinter ihm her. Wusste überhaupt nichts mehr. Als ich ihn einholte hielt ich mich wie vorhin respektvoll in seinem Rücken. Er winkte mich jedoch nach vorn.
„So“, sagte er mit einem intelligenten, aufmerksamen Blick, „Und jetzt erzähl mal ein bisschen!“
Erst nach einer Weile begann ich stockend zu erzählen. Später sprudelte ich wie ein Wasserfall. Er wollte auch eine Menge wissen. Ein paar wichtige Fakten über Maximilian und hauptsächlich Details aus meiner alten Welt. Aber wir hatten ja Zeit. Der Weg in die Hauptstadt war schliesslich sehr lang.
Einmal am dritten Abend schlichen sich zum ersten Mal Zweifel in mein riskantes Vorhaben heran. Im halbdunkeln kauerte ich an der feuchten Aussenmauer einer grösseren Raststätte. Deutlich spürte man hier den Hauch, Unruhe der Stadt. Emsig verkehrten vorne die Leute beschäftigt in das saubere Lokal. Man verhandelte in der kühlen Stube manchen Tauschhandel. Dumpf klangen die Stimmen durch die verdeckten, halb offenen Fenster nach aussen. Zitternd kauerte ich an die stabilisierende Grundmauer. Eigentlich schüttelte es meinen Körper grundlos. Die Ziegelmauer schien an diesem Abend die gespeicherte Wärme des Sommertages wieder abzugeben. Dennoch irgendwie bekam ich mich nicht unter Kontrolle. Dongard buchte indessen ein Zimmer für die Nacht. Anders als ich zog er eine hygienische Unterkunft vor. Einmal am Tag zwang er mich zusätzlich zur einer gründlicheren Reinigung, da ihm das klare Flusswasser allein nicht genügte. Immerhin konnte er sich einen gewissen Standart beim Reisen leisten; wie er mir selber verriet. Gehorsam folgte ich ihm auf versteckten Wegen bis wir spät am Abend eine beleuchtete Herberge erreichten. Während ich mich unsichtbar herumdrückte, zwischen den Büschen oder hinter den Gartenzäunen ausruhte, wartete ich auf sein Signal. Manchmal dauerte es Stunden bis dieser Ruf kam. Verwischten damit jeden Verdacht dass wir uns eigentlich kannten. Es sollte später nicht aussehen als ob er sich nur in seinem Zimmer versteckte, oder jemanden erwartete. Sondern er unterhielt sich wie sonst immer, bei seinem Beruf, zuerst mit ein paar informativen Gästen. Sobald seine Stimme später, ein lautloses Flüstern in meinen Gedanken rief, zottelte ich zum offenen Fenster auf Etagehöhe. Auch diesmal wartete er auf der Seite. Seit dem ersten Abend wo ich unhöflich seine unterstützende Hand ablehne, trat er einfach abwartend seitlich zu den Vorhängen. Diese Zurückhaltung strikt einhaltend wartete er geduldig, an diesem dritten Abend, bis ich reichlich ungeschickt über den Sims hochkletterte. Die innere Kälte bremste mich arg. Ansonsten flitzte ich regelrecht über die Simse, damit mir Dongard ja nicht zu nahe kam. Jetzt nachdem ich ihn nämlich besser kannte fürchtete ich mich mehr denn je vor dem strengen Kommandant. Seine wichtige Persönlichkeit, die Autorität welche er so selbstverständliche ausstrahlte dass sogar fremde Leute ihn mit Respekt behandelten. Jeder, mit gesundem Menschenverstand, erkannte seinen hohen Rang alleine wie er sich Bewegte oder sprach und öffnete ihm dementsprechend die Tore. Alles stand ihm offen. Das weibliche Personal himmelte ihn an, die Männer reagierten mit Wertschätzung und Ehrfurcht. Dongard selbst trat nicht wie ein König sondern mehr wie ein aufmerksamer Verbündeter an ihren Seiten. Es störte mich wie spielend leicht er mit den Leuten umging. Und ich wollte einfach nicht zu denen gehören die er auch so schnell um den eigenen Finger wickeln konnte. Ausserdem gehörte ich zu Maximilian, das wollte ich mir deutlich beweisen. Mit meinem etwas rüden Verhalten hielt ich den Anführer auf Distanz. Ich weigerte mich sogar länger ihm heimlich Komplimente zu schenken. Obwohl er oft das andere Geschlecht kühl behandelte, kam ich mir langsam etwas bevorzugt vor. Das wollte ich auf jeden Fall gleich mal abstellen. Zu meinem eigenen Frieden.
An diesem sonderbaren Abend sah ich zum ersten Mal ein Andeuten von Stirnrunzeln als er mich, nach der anstrengenden Kletterpartie, musterte. „Ah“ War sein kurzer Kommentar, drehte mir kurzerhand den Rücken zu.
Mir dämmerte so gar nichts. Was wollte er damit wieder klar stellen?
In dieser einzigen Kammer, im gedämpften Licht der Lampe, beobachtete ich scharf wie er geradewegs zum Bett marschierte und mit einer warmen Decke auf mich zurückkam. Das erste Mal duldete ich ihn in meiner nächsten Nähe. Dann wie üblich spähte er aus dem Fenster, ein letztes Mal kontrollierend, bevor er endgültig die Vorhänge zuzog.
Ansonsten vollzog er das Ritual gleich nach meinem Einstieg.
Zitternd drückte ich mich stützend an eine Wand am Kopfende des Bettes. Üblicherweise diskutierten wir eine Weile während wir abwechseln ins Badezimmer verreisten. Danach hiess es für uns beide gleich Schlafen. Diesmal verkroch ich mich lieber gleich unter die warme Decke. Etwas worauf sonst Dongard streng reagierte. Mich gleich erst zum Waschen schickte. Diesmal verhielt er sich merkwürdig ruhig. Als er aus dem kleinen Badezimmer kam das nur ein schwerer Türvorhang vom Raum abtrennte, sah ich ihm schon mit ziemlich müden Augen entgegen. Ich wusste er wollte wieder mit mir schimpfen. Jedenfalls erwartete ich dies.
Langsam kauerte er vor mir nieder. Mit grossen, traurigen Augen sah ich zu ihm hoch.
„Safina“, sagte unerwartet sanft, „dir ist klar dass etwas nicht stimmt.“
Mir war gar nichts klar. Das sah man mir auch an.
„Mach dir keine Sorgen. Deine Nerven spielen ein bisschen verrückt.“
Meine Nerven! Was wusste er schon darüber. Mir fehlte Maximilian unendlich. Es zerriss mich fast. Mit jedem Tag kam ich ihm ein Stück näher und dennoch trennten, stand uns noch die ganze Stadtarmee. Wie sollten wir das zu zweit schaffen, Dongard und ich. Es stiessen mir immer neue Sorgen hinzu, diese unheimliche bewachte Stadt. Seher, Waffen, Übermacht von Soldaten, mir kam keine Vernünftige Lösung. Alleine wie durch das kontrollierte Stadttor sich zu schmuggeln, unmöglich. Wie? Mein einsamer Hilfeschrei hallte stumm durch meine Gedanken.
„Gehen wir schlafen.“ Dongard bestimmte über die Einteilung das Tagesprogramm.
„okay“, flüsterte ich müde. Erschöpft schlenderte ich Richtung Badezimmer. Dongard achtete schliesslich peinlich auf Reinlichkeit.
„Jetzt“, gab er mir mit einer klopfenden Aufforderung auf die gefütterte Decke, zu wissen.
Verblüfft schaute ich hoch.
„Safina. Es ist heute Nacht wichtig dass du dich beruhigst, erholst. Also rein mit dir. Sofort!“ Mittlerweile kannte ich Dongards Gesicht. Er duldete diesmal keinen Widerstand. Das lag mir auch im Entferntesten. Ich streifte mir die Schuhe ab ohne die Bändel zu lösen. Völlig kaputt sank ich auf die harte Matratze. Dongard verlangte immer solche gesunden Vorzüge.
Während er mir die Decke hochhielt schlüpfte ich rasch unter das wärmende Material. Zum ersten mal uneingeschränkt Ausruhen. Was für ein Luxus. Obwohl ich doch zu gegeben mich etwas für die staubigen Haare schämte. Es dauerte jedoch nur kurze Minuten. Drückte mit meinem schweren Kopf eine bequeme Mulde ins Kissen und liess meine schmerzenden Gedanken davonfliegen.
Nach kurzer Zeit merkte ich am schwanken der Federung das Dongard neben mir lag. In den anderen Nächten hatte er immer eine zusätzliche Decke verlangt mit der er sich auf den Boden abseits schlafen legte. Beunruhigt wollte ich mich umdrehen. Es blieb bei dem Wunsch. Meine schweren Glieder versagten meinem Willen.
„Denk einfach an Maximilian“, flüsterte eine Stimme nahe an meinem Ohr. Komischer Weise störte mich das keineswegs. Ich schloss glücklich die Augen und liess mir die Illusion vorgaukeln das tatsächlich mein Freund neben mir wachte und auf mich aufpasste.
Maxim Körperwärme. Behaglich schmiegte ich mich an diesen schützenden Fels in der Brandung. Meine Finger tasteten sich zu seinem weichen, ungewöhnlich langen Haar hoch. Ein unwirsches runzeln verschandete meine Stirn. Meine sensiblen Sinne sandten eine Warnung hoch.
Dieser sonderbare Geruch, auch sehr angenehm, verführerisch, unbekannt. Das war nicht mein geliebter Maximilian. Reflexartig öffnete ich meine Augen. Entdeckte jedoch nur das dunkle Grau der Decke. Dann erst erinnerte ich mich an Dongard. Mit wesentlich weniger Unruhe als erwartet, setzte ich mich erleichtert auf. Dongard, wider Willen schlich sich sein Name durch meine Gedanken. Warum half er mir?
Setzte seinen viel geschätzten Rang aufs Spiel? Auf einmal versuchte ich mir Vorzustellen wohin es ihn Verschlug, sollte man ihn für seine Mittäterschaft anklagen. Es gab keinen anderen Job. Er war der perfekte Kommandant.
Ich forschte weiter. Blickte intensiv auf die schlafende Person hinunter. Sein Atem ging regelmässig. Mir kam es vor als sähe ich durch ihn hindurch. Ein unbestimmtes Gefühl. Hauch des Wissens. Tatsache der Zeit. Von irgendwo her wusste ich dass er die Sache heil überstehen würde. Woher dieses verborgene Wissen ? Manchmal staunte ich selber über mich. Konnte ich ungeahnt in das Buch des Lebens einsehen? Es war einfach da, diese bestimmte Gefühl. Warum funktionierte es nicht an mir selber? Verärgert schnaubte ich auf. Dieser leise Laut wirkte dass Dongard von seinem Tiefschlaf auftauchte. Träge wälzte er sich auf meine Seite. Kaum gewahr dass ich wach ihn beobachtete, richtete er sich hastig auf. Sein halbes offenes Hemd rutschte ihm über eine Schulter. Gleichgültig wandte ich mich zum Badezimmer zu. Innerlich brodelte es gewaltig. Dieser Kerl sah einfach unverschämt gut aus. Mir zitterten fast die Hände. Himmel, Maxim hilf mir das durchzustehen! Ärgerte mich über meine Unbeherrschtheit. Ein unflätiges Wort rutschte mir in der alten Sprache über die Lippen.
Dongard blickte gleich hoch. Himmel, er konnte das doch unmöglich verstehen.
„Fluchst du etwa?“ Frage er wie beiläufig als ob es gar nicht wichtig sei.
„Du hast doch gar nichts verstanden, “ gab ich leicht gereizt zurück.
„Nein, dafür hörte man es deutlich aus deinem Ton.“ Damit liess er die Sache auf sich beruhen. Was mich wiederum heftig beschäftigte. Dongard dachte sehr viel Gedanklich nach, lies aber die anderen kaum ein Hauch davon wissen.
Misstrauisch sah ich ihn an. Verlangte, erpresste stumm eine Erklärung.
„Also, “ begann er schweren Herzens gestehend, „Ich habe mich gefragt wie hast du es geschafft zu einem Freund zu kommen?“
„Eh !“ Was soll das wieder heissen. Fluchen war bestimmt nicht so schlimm.
„Du bist Stur, Hartnäckig, zäh. Eine junge oft verwirrte Frau mit vielen Widersprüchen. Alles andere, was man von einer zukünftigen, vernünftigen Frau erwartet. Trotzdem, gerade wegen diesen Besonderheiten hab ich das Gefühl das ihr Euch zwei, wie auch immer, sehr gut versteht. Es ist einfach so merkwürdig. Vielleicht verstehe ich es besser wenn ich Maximilian kennen lerne.“
Seine offene Ehrlichkeit schockierte mich ein wenig. Bevor ich was scharf erwiderte beschwichtigte er, „Safina. Ich betrachte dich nicht abschätzend. Sehe ich doch dein gutes Herz, respektiere deinen starken Willen dahin zu gelangen wo du hingehörst. Ihr, Du und Maximilian seid etwas Besonderes. Du bist in deinem ganzen Wesen speziell und ich brauche wirklich Zeit mich daran zu gewöhnen. Manchmal habe ich das Gefühl uns trennt mehr als nur die Zeit, eher Welten. Und ich frage mich, das wenn du tatsächlich hier bleibst, ob du dich hier wirklich wohl fühlst?“
„Auf jeden Fall“, bestätigte ich andächtig. „Es ist hier viel besser. Ich möchte nicht zurück und dort gezwungen sein einen Job zu suchen. Die Hektik und der ständige Zeitdruck. Jede Minute zählt wenn es um Geld geht. Die alte Welt sprengte mein Auffassungsvermögen. Ich...“
„Denkst du denn dass du hier klar kommst, wenn Du zum Beispiel – Alleine, hier wärst?“
Eine gute Frage. Was täte ich ohne Maximilian? Hatte doch auch er mich schmerzlich darauf hingewiesen dass ich ohne seine Führung längst von irgendwelchen wilden Tieren längst als Frühstückshappen endete. Doch mit seinem Wissen. Ob ich jetzt fähig wäre mich in die Gesellschaft einzugliedern. Nachdenklich versank ich eine Minute in Schweigen dann rief ich mir den sympathischen Glasmaler in Erinnerung. Bei dem ich gerne Arbeit lernte. „Ja“, gestand ich mir ehrlich ein. Hielt Dongards prüfendem Blick stand. „Selbst ohne Maximilian finde ich mich hier zurecht.“
Als ob eine Last von Dongards Schultern wich. Sein Gesicht strahlte auf. Woran zweifelte er? Das der Wahnsinn der alten Anstalt mich wieder einholte. Niemals bei der Freiheit die einem hier geboten wurde. Kein Stress, kein Druck von Ausserhalb, unbekannt die Macht des Geldes.
„Safina. Falls du je einen Ort für Sicherheit suchst, du bist jederzeit in meinem Lager willkommen.“ Gab er mir ein Versprechen. Ja, und dort würde ich auch ausgelastet sein wie ein schwitzendes Arbeitspferd.
„Na, na. So schlimm ist es auch nicht. Jeder leistet einen Teil und ich will dich vernünftig Ausgebildet haben, “ überraschte mich Dongard. Dabei dachte ich doch nur meine Worte.
„Hast Du vergessen dass man in deinem Gesicht gut lesen kann! Auf jeden Fall wird immer ein Platz für dich frei sein. Warum so ungläubig ?
Ich kann genauso wie du in die Zukunft sehen, sogar einiges besser. Und du wirst eines Tages deine Ausbildung unter mir beenden. Das weiss ich nun mit unumgänglicher Tatsache.“
Bestürzt sah ich in an. War das möglich? Seine klaren Augen durften nicht lügen. Ahnte ich doch selber das Dongard Weg weit in der Zukunft den meinen nochmals kreuzte. Also nahm ich mein Schicksal an. „Vielleicht hast du Recht. Es wird bestimmt erträglich sein.“
„Auf jeden Fall. Du wirst wieder unter meinem persönlichen Schutz stehen. Aber nicht dass du mich wieder in ein solchen Abenteuer zwingst!“
Mit hängenden, gelösten Schulter wollte ich als letztes noch von ihm wissen. “Warum tust du das alles überhaupt? Und streite es nicht ab! Du behandelst mich anders als die anderen?“
Ausweichend senkte er den Kopf. Gab es dies wirklich. Dongard versteckte ein Geheimnis? „Das darf ich dir nicht sagen. Mit dem Wissen, über die Zukunft. Es muss gehütet werden. Es würde dich nur verwirren und ich will auf keinen Fall eine Veränderung einleiten oder es irgendwie beeinflussen. Verstehst du das?“
In diesem Punkt verstand ich ihn als eingeweihte.
„Gehen wir“, drängte er zum Aufbruch.
„Was haben wir den für Zeit?“
„Zeit?“ Er blickte kurz zwischen dem dicken Vorhangspalt nach draussen. „kurz vor Mitternacht.“
Seltsam ich fühlte mich nach meinem kurzen Schlaf trotzdem völlig erholt. Melfenmagie ist sehr praktisch. Er zerstörte allerdings meine Illusion.
„Alles in Ordnung! Schliesslich habe ich dich einen ganzen Tag durchschlafen lassen.“
„Was“, entfuhr es mir ungewollt entsetzt. Diese ungeheure Manipulation! Jedoch stoppte Dongard meine aufbrausende Entrüstung. Hielt sich mahnend als Zeichen des Stillschweigens ein Finger an die Lippen, öffnete die Haupttür einen Spalt weit. Das war pure Absicht. mir blieb gar keine andere Wahl. Flüsterte kaum hörbar. „Glaub mir du hast diese Erholung gebraucht. Oder fühlst du dich nicht frisch ?“
Da stimmte ich ihm erstaunt zu. Es fühlte sich wunderbar an. Einmal ohne schmerzende Sehnen zu stehen. Erfreut schlich ich hinter ihm nach draussen. Wahrhaftig ein Kommandant dem man gerne gehorchte. Wenn er auch zwischendurch für gewaltige Überraschungen sorgte. Drückte mich, es ihm gleich tun, an der Wand entlang, leise lauschend auf der Suche nach nähernden Geräuschen. Als ich vor der Treppe dicht hinter ihm stand hauchte ich ein „danke.“ Schliesslich passte er wirklich tadellos auf mich auf. Mehr als fast nötig.
In dem Moment entdeckte ich eines seiner seltenen, entspannten Lächeln. Es endete jedoch leicht schelmisch. Er blickte sich zuerst wachsam um in dem schwach beleuchteten Treppengang. Wagte nur ein paar knappe Worte. „Ein Kompliment von dir. Auf was darf ich als nächstes Hoffen? Darf ich dich küssen?“ Es war selbstverständlich eine harmlose Neckerei. Dennoch hielt er mir rasch wissend eine Hand vor meinen protestierenden Mund. „Pst !“
Gegen diesen weitsichtigen Mann verlor ich jeden Streit. Funkelnden Augen bohrten sich in seinen Rücken als ich ihm die hölzernen Treppenstufen hinab folgte. Dongard flüchtete vermutlich besonders schnell nach draussen damit ich keine Gelegenheit fand ihn anzusprechen. Von seiner steifen Haltung als er hinter der Bar durchschlüpfte war nichts mehr wieder zu erkennen. Dies zeigte einen völlig anderen Dongard. Nicht den Kommandanten, einen geschmeidigen Melf der leichtfüssig wie ein Elf es verstand sich unsichtbar zu machen. Trotz allen Erfahrungswerten von Maxim hatte ich Mühe ihm zu folgen. Den einige müde Gäste schliefen in der Gaststube direkt auf ihren Stühlen. Halb betrunkene schlummerten unruhig auf dem harten Sitzplatz vor sich hin.
Aufatmend stürzte ich die letzten Aussenstufen nach unten. Dongard zerrte mich hastig an eine Seitenwand, ins halbdunkeln der Schatten.
Gelassen spazierte Dongard über die menschenleere Hauptstrasse. Mit einhaltender Regelmässigkeit hielt er an und wir lauschten in die Dunkelheit hinaus. Dunkle schwere Wolken verdeckten den vollen Mond. Erschwerten unsere Überprüfungen genau so wie es unserem Gegner schwer viel überhaupt etwas zu erkennen.
Ein seichter kühler Nachtwind erfrischte angenehm. Grillen zirpten, trotz der späten Stunde, ihre Konzerte. Trockene Gräser, reifer spröder Weizen, alles duftete intensiv. Besonders der halbtrockene Mist, Überrest vom aktiven Tage, stank enorm störend. Wenigstens traten ihn die unzähligen Tierhufe völlig platt so dass an unseren Sohlen kaum was kleben blieb.
Nur einmal wichen wir von der staubigen Strasse ab, als weit in der Ferne Laternen aufleuchteten. Kleine Kerzenlichter, geschützt hinter russigem Glas, umringten wie eine Kette, eine kleine Wagenkolonne. Schwere Ochsen zogen die breiten Mistwagen. Ausgelassen säuberten die Arbeiter in ihren dunklen Kleidungen die Strassen. Schabten trennten, geduldig jeden kleinen Haufen vom sandigen Belag. Eine einzigartige Gruppe deren ausgelassen Witze kaum verständlich in ihrem Slang, über das kleine Wiesenbord, bis zu uns drangen.
„Was sind das für Leute“, fragte ich Dongard leise, der neben mir ausgestreckt im niedrigen Gras lag. „Wer verrichtet den schon gerne so eine Arbeit freiwillig?“
Er kaute nachdenklich an einem langen Grashalm. Auf einmal spürte ich seinen Blick obwohl es kaum Licht gab. Mehr so eine Wärme die von ihm zu mir entgegen strahle. Erstaunlich, selbst in der Dunkelheit wurde man seiner Anwesenheit gleich bewusst. Wie schmuggelte man so eine Person in eine bewachte Festung?
„Täusche dich nicht. Im Stall von denen stehen die besten Pferde. Belohnungen sind recht hoch für solche – schmutzige Arbeit, “ gab er mir beiläufig zu wissen. Schon seit den zwei Stunden wo wir unterwegs wanderten benahm er sich sonderbar. Irgendwie wie weit abwesend. Seine Konzentration beschäftigte sich mit etwas anderem. Wie immer blieb es sein gehütetes Geheimnis.
Eine Stimme klang weiterhin schal als er ergänzte, „Ausserdem haben sie eine schöne Arbeitszeit im heissen Sommer. Arbeiten ein paar Stunden in der kühlen Nacht und bekommen eine der besten Entschädigung. Dieser Job ist sehr begehrt.
Komm weiter, “ er zupfte mich kaum spürbar am Ärmel. Langsam setzte ich mich hinter ihm in Bewegung. Braucht eine gewissen Abstand da ich in der Dunkelheit wesentlich unsicher meine Füsse aufsetzte. Stiess mehrmals unsanft mit meiner Schuhspitze an einen der Randsteine der Strasse. Obwohl ich, dem hören nach, genau abschätzte das ich ein paar Schritte genau hinter Dongard marschierte. Der unruhige Wind täuschte mich zuweilen arg.
Erleichtert und stark nervös begrüsste ich den Anblick der schwarzen Stadtmauer. Selten brannte hoch oben, auf den Zinnen, eine Fackel in einer windgeschützten Nische. In gebürtigem Abstand schlichen wir über den holperigen Grasstreifen neben der Hauptstrasse. Dieser kleine Zwischenteil trennte die Felder und diente zur Fütterung der wartenden Zugtiere. So richteten sie auch keinen Schaden an, oder diente im Notfall als Überholspur.
500 Meter vor dem Haupteingang gab es die erste Warteschleife. Eine niedergetretene Wiese die man auch als Rastplatz benutzte. Verlassen mit unzähligen verlöschten Feuerstellen übersät. Zum Leidwesen meiner schon geplagten Zehen. Dongard nahm sich da schon mehr Zeit und scharrte mit den Stiefelspitzen abtastend sich vorwärts. Auf einmal blieb er stehen. „Warte“, sagte er tonlos. Verharrte auf der Stelle. Abwartend. Verwirrt hielt ich es auch eine Weile stumm aus. Dabei verstand ich gar nichts. Wo sollte das hinführen? Wir wollten doch irgendwo durch ein unbewachtes Tor ins innere der Stadt. Kaum zweihundert Meter entfernt in der zweiten Warteschleife glühten noch die schwach die Reste eines weiteren Lagerfeuers. Andeutungsweise lagerten dort wenige schwere Transportkarren die es vor Betriebsschluss nicht mehr durch die Kontrollen schafften. Einzig ein Aufpasser schlief unter den Wagen oder in einem kleinen Zelt, bei den Tieren. Ausser dem gelegentlichen Brüllen unruhiger Ochsen, welche das kommende Gewitter ahnten, nahm man keinen Laut wahr, der die Wachsamkeit von Menschen verriet. Um diese Zeit schlief alle tief, mit einziger Ausnahme von jenen die man als Stadtwachen anstellte.
Zehn langweilige Minuten später verspürte ich ein zunehmen des abkühlenden Windes. Ungeduldig trat ich mit den Füssen am Ort. Auf einmal stellte sich Dongard vor mich.
„Was?“ hauchte ich gespannt.
„Pst!“
Mittlerweile akzeptierte ich Dongards geheimnisvolle Schweigsamkeit. Unternahm keinen Anlauf hinter seine Geheimnisse zu kommen. Aufseufzend fügte ich mich hinter seinem Rücken. Staubrosen wirbelten auf. Kleine Steine spickten an meine Beine. Erschrocken stellte ich mich näher an Dongards schützende Seite. Es klang als ob zwei rauschende Flügel die Luft antrieben. Sausend, über unseren Köpfen etwas ungeheures Grosses das einen enormen kräftigen Wirbel auslöste. Zum ersten Mal spürte ich wie sich vor lauter Angst, einen eiskalten Schauer im Rücken. Da packte mich Dongard und drehte mich so herum dass ich ihm direkt gegenüber stand. Bevor ich wusste was überhaupt geschah zischte ein Streichholz auf und er lies es flüchtig hochhaltend, abbrennen. Verstört wollte ich mich unbedingt umdrehen. Dongard hielt mich mit jedoch mit einer entschlossenen Hand, am Arm fest. Sobald ich versuchte mich seitlich zu bewegte packten seine Finger erstaunlich stark zu. Es tat mir dabei fast schon weh.
„Halt still! Sieh mich an!“ Die violetten Augen liess mich keine wachsame Sekunde los. Nur einmal für einen Bruchteil schwenkte sein Blick über mich hinweg. „Es ist völlig harmlos. Sieht allerdings fürchterlich einschüchtern aus. Bald lernst du unsere Geheimwaffe kennen.“
Das klang alles andere als beruhigend. Als das winzige Streichholz erlosch verstärkte sich der Windzug. Als ob ein geräuschloser Helikopter hinter meinem Rücken landete. Dumpf zitterte sogar der Boden leicht unter einem landenden Gewicht das abrupt aufsetzte.
Gross und mächtig trennten mich wenige Meter von mir etwas unerkennbarem Tierischem. Warme Atemluft, eines Wesens streifte meine kühlen Wangen. Es atmete gleichmässig tief. Es roch unerklärbar, sonderbar und völlig unbekannt. Daher wagte mich vorerst nicht zu rühren.
„Krag, alter Junge. Komm her. Du musst mir einen Gefallen tun, “ sprach Dongard die unbekannte Kreatur an. Schwere Schritte näherten sich.
„Wo steckst du? Mhm, bist du gesattelt? Da hat jemand mit Weitsicht gehandelt!“
Er tätschelte lobend einen langen Hals entlang. Es klang als ob er aus gespanntem Leder sei, jedenfalls kein weiches, behaartes Fell. Ungeduldig scharrte ein Fuss über den Boden. Streifte einen der eingepflanzten Lagersteine. Mit sinkendem Mut verfolgte ich den anschliessenden polternden Laut, weit in die Nacht hinaus. Diese Tier verfügte über enorme Kraft. Stärker und treffsicherer als ein gewöhnliches Pferd.
„Safina, darf ich dir den stärksten Teil meiner Truppe vorstellen. Du hättest sie eigentlich nie zu Gesicht bekommen dürfen aber es ist nun mal die einfachste, sicherste Lösung dich auf die andere Seite der Mauern zu bringen. Also lass uns mal bekannt machen. Darf ich vorstellen, Krag! Keine Angst er ist der älteste und am besten Erzogene.“
Zaghaft näherte ich mich Dongards Stimme. Kaum neben ihm drückte er mir ein paar Lederzügel in die Hand. Unsicher verfolgten meine zittrigen Finger der dünnen geflochtenen Lederleine bis an ihren Ursprung. Lautes Schnauben liess meine Hand jedoch blitzartig zurück zucken. Dongard lachte leise. „Vielleicht ist es besser so. Die meisten halten die Existenz der alten Rasse für Unmöglich. Komm, lass dich führen, damit du aufsteigen kannst. Wir haben nicht all zuviel Zeit!“
„Worauf aufsteigen? Wie gross ist es überhaupt, “ flüsterte ich eingeschüchtert.
„Etwas höher als ein Pferd.“
„Und wie komme ich damit hinter die Mauern? Es kann Fliegen, ja, “ beantwortete ich meine Frage gleich selbst. Hoffte aber dass er sie verneinen würde. Darauf wartete ich vergebens.
„Komm“, bat er sanft. Nervös trat ich abtastend an das Riesen Vieh heran. Keine Lederhaut, Schuppen! Kleine weiche Schuppen bildeten eine schützende Hautschicht. Dongard tippte mir ans Bein und wollte dass ich den Fuss hoch in den Steigbügel pflanzte. In anderthalb Meter Höhe, ohne was zu sehen? Nach mehreren Versuchen gab er es auf. „Dreh den Rücken zu mir“, gab er geduldig Anweisung. „Halte dich mit dem linken Arm am Sattel fest.“
Zuerst fasste ich zu weit an irgendeine massive Stange. Dann ertastet ich den kleinen, leichten Ledersattel, dessen vorderes Horn.
„Hast du es? Gut warte, einen kurzen Moment. Wo sind meine Streichhölzer?“
Es flackerte auf. Was ich entdeckte war keine Stange sondern ein dicker Knochen eines Flügels. Mit dem Umfang meines Oberschenkels. Leider verdeckte der Abgewinkelte Lederflügel das spärliche Licht, versteckte den Rest des Hinterkörpers. Es reichte trotzdem allein, (das erinnerte mich an die Fledermaus- Flügel), an die Länge eines kleinen Sportfliegers. Bevor ich richtig begriff, stiess mich Dongard mahnend in die Rippen. „Fuss hoch“, erinnerte er mich. Automatisch reagierte ich, der Abstand war jedoch immer noch zu weit. Da packte mich Dongard von hinten und hob mich kurzerhand den Rest hoch. Den restlichen Teil zog ich mich auf den schmalen Sattelgrat hoch. Da löschte Dongard das Streichholz schon aus bevor ich den Rest des schlanken Tieres überhaupt wahrnahm. Das war bestimmt pure Absicht.
„Halte dich nur am Sattel fest. Die Zügel nehme ich weg damit sie nirgends hängen bleiben. Alles Klar?“
„Sind das wirklich Flügel gewesen?“ Fragte ich mit trockener Kehle.
„Selbstverständlich und sie bringen dich sicher hinüber. Es gib einen kleinen Ziehbrunnen im Norden der Stadt. Krag wird dahin steuern weil er mich mit seinen Augen verfolgen kann. Er kann allerdings in der Nacht sehr schlecht sehen. Wenn er also einen Zwischenstopp einlegt, weil er müde wird, bleibe einfach ruhig im Sattel. Hab keine Angst. Einfach festhalten.“ Er nestelte neben meinem Oberschenkel am Sattel herum. Schliesslich fand er einen Riemen, mit dem er meine beiden Beine fest schnürte. „Fürs Gleichgewicht.“
„Was ist mit meiner Höhenangst“, klagte ich.
„Vergiss sie. Du wirst dort oben eh kaum was erkennen.“
„Und wenn mir schlecht wird?“
Er lachte wieder kurz auf seine Weise. „Dann bedaure ich höchsten die arme Stadtwache unter dir. Also los Krag!“
„Nein, “ entfuhr mir ein Aufschrei, „wenn ich runterfalle. Es ist doch gefährlich?“
„Safina.“ Der heftige Flügelschlag verschluckte fast seine letzten Worte. Das Tier wärme seine langen Glieder auf. „Safina, vertraue mir. Es wird nichts geschehen. Sitze einfach ruhig und still. Auf!“ Herrschte er mit seinem letzten Befehl das Biest in die Höhe. Es ruckte wie beim Start eines wilden Kamelrittes. Rechts, links, rechts, schleuderte es mich im Sattel umher. Mein Genick protestierte gegen diese ruckartigen Bewegungen. So presste ich mein Kinn nach unten. Dann ein weiter Satz, Spannung in den Beinen, der erste Flügelschlag beförderte uns mindestens zwei Meter hoch. Nochmals so viel beim nächsten. Man spürte deutlich den Luftzug. Den Druck und Widerstand. Wie auf einem überdimensionalen Schwan. Es brauche einige Sekunden bis ich wirklich begriff dass ich mich auf einem Tier, in der unsicheren Luft, befand. Unglaublich. So schnell so hoch, so riskant. Schwindel erfasste meine Gedanken. Angst lähmte jede meine Bewegung. Steif wie ein Brett sass ich aufrecht im Sattel. Realisierte kaum wie mir geschah. Als es langsam durchsickerte, brachte ich keinen Schrei heraus. Meine Finger klammerten sich verkrampft am Sattel fest als hinge ihr Leben davon ab. Mein Herzschlag hämmerte wohl am unregelmässigsten, in meinem ganzen Leben. Ich hatte unendliche Angst, Panik zum Sterben.
Zeit wurde bedeutungslos. Irgendwo unter mir flackerten ein paar seltene Fackeln, Strassenlampen. Verschwommen orange Flecken, von meinen feuchten Augen. Verzweifelt schloss ich sie, damit beruhigte sich wenigstens ein grosser Teil in mir. Augen können nämlich vervielfachen, täuschen. Ewige Minuten. Er hielt sich fast bewegungslos in der Luft. Wie ein wendiger Falke schwang Krag sich durch die Luft. Nutzte den warmen Aufwind von den Felswänden am Stadtrand und verharrte wieder fast unmerklich schwingend bis die Müdigkeit ihn zu der nächsten Gleitrunde zwang.
Meine Knochen zitterten, mein ganzer Körper bebte vor Angst auf diesem wackeligen Flugobjekt. Ein riesiges, unbekanntes Tier welches die Verantwortung über mein Leben in der Hand hielt, beziehungsweise Rücken.
Unendlich bis er auf einmal seine Höhe reduzierte. Elegant glitt er nach unten. Der angenehmste Part auf diesem schrecklichen Ritt.
Dongard hielt eine Kerzenlaterne in die Luft damit Krag besser den Brunnen, das kleine Dach darüber erkannte, auf dem er seine dünnen, langen Beine absetzte. Krallen schlugen sich durch die Ziegel in die trockenen Balken hinein. Holz splitterte, zitterte als die mächtigen Flügel sich zusammen zogen und das Gewicht sich ganz ab senkte. Erstaunlicher weise hielten die alten Balken stand. Winzig war der Stadtplatz. Mit heruntergekommen Häuser umringt. Krag konnte nur auf diesem Brunnen landen sonst berührten seine Flügel entweder einen Baum, erloschene Laterne oder gar die nächste Hausmauer. Diesmal liess Dongard das spärliche Licht an. Im matten Schein der Kerze erkannte ich endlich womit ich es tatsächlich zu tun hatte. Mir stockte der Atem erneut. Unglaublich, unfassbar, ich war ausserstande mich noch zu rühren. Sass ich doch tatsächlich auf einem Drachen.
Erst nach einer Weile begriff ich das Dongard längst an meinem Hosenbein zerrte. Hängte sein Kerzenlicht unter die Balken fest und stand auf das kleine Mäuerchen. Damit er erreichte er jedoch kaum meine Sicherheitsgürtel. Starr vor Schreck klammerte ich mich weiter fest. Als der lange schlangenartige Drachenhals auf einmal herum schwenkte zuckte ich arg zusammen. Dunkle Augen unter buschigen Brauen starrten mich an. Er schnupperte einen ausgedehnten Moment. Roch er meine Angst? Es schien so, denn schlussendlich schnappte er unendlich vorsichtig nach den Lederriemen meiner gefesselten Oberschenkel und biss sie schliesslich durch. Immer noch trennten mich dreieinhalb Meter vom sicheren Boden. Leise sprach Dongard auf mich ein. Zog mich Stückweise zur seiner Seite hinunter. Als ich langsam den Halt verlor, klammerte ich mich trotz dem Unwillen, vor diesem mystischen Legendentier, an dessen Hals fest. „Safina“, lockte eine süsse Stimme von unten. Allmählich drang sie in meine festgefahrenen Gedanken. „Safina, Bitte tu mir nur einen winzigen Gefallen.“ „Was“, zitterte ich von oben.
„Sieh mich an. Sieh mich an und vergiss mal alles andere.“ Es klang so melodiös wie er es aussprach.
Einen schwachen Blick riskierte ich auch nach unten. Aber ich hatte einfach eine eiserne Blockade in mir. Schloss die Augen, was mich einigermassen ruhig stellte.
„Safina, du wirst langsam Müde. Lass dich einfach fallen. Ich fange dich überall auf, “ versprach Dongard. Behutsam schob er meine Beine nach unten. Nun hing ich nur mit meinen Armen schwer an Krags Hals. Widerwillig schüttelte der Drache mehrmals sein schuppiges Gesicht.
Schliesslich riet Dongard, „Krag, beiss sie mal vorsichtig in den Arm!“
Erschrocken sah der grosse Drachen seinen Herrn an. „Tu es!“
„Nein“, jammerte ich entsetzt, doch loslassen wollte ich auch nicht. Dann knabberte Krag zaghaft an meinem Ärmel herum. Mein Gewicht belastete arg seinen dünnen Hals also dauerte es nicht lange bis er heftiger mit den Zähnen meine Haut quetschte. „Dein Drache frisst mich“, stellte ich entsetzt fest.
„Dann lass los“, sagte Dongard schonungslos. „Krag beiss endlich fester zu.“ Vor dem hatte ich allerdings zufiel Angst. Meine zitternden Muskeln versagten. Liess mich fallen. Landete auf Dongard Schultern. Langsam liess er mich herunter gleiten. Auf gleicher Höhe trafen sich endlich unsere Augen. „Schlaf!“ Hauchte er nur und schon überfiel mich unendliche Müdigkeit.
Wie der Drache verschwand davon nahm ich nichts mehr wahr. Auch nicht wie ich in nächste Gasthaus gelange.
Schwer hing ihr Gewicht in seinen Armen. Dongard war ein weniger kräftiger Melf. Seine Stärke lag in der Wendigkeit, Denken und im Umsetzen. Mit all seinem alten Wissen über Kräfte, die einem gewöhnlichen Denker sonst nicht zu Verfügung standen, schaffte er es jedoch problemlos sie hoch zu heben. Dennoch drückte ihn jedes Kilo in den schlanken Knochenbau. Entschlossen sah er in ihr schlafendes Gesicht auf dessen Stirn sich einige Sorgenfalten aufrecht erhielten. Was für eine Frau? Er konnte immer noch kaum glauben was er da in seinen Armen hielt. Aus einer anderen Zeit. Zudem wagte sie ihm zu widersprechen und zeigte sich ziemlich widerspenstig gegenüber seiner Melfenmagie. Bisher waren solche Schwierigkeiten ihm fremd. Ihre vernünftige Gegenwehr erschwerte ihm sein Vorankommen. Verdeutlichte ihm wo seine Fähigkeiten inzwischen eingerostet waren. Die letzten ruhigen Jahre im Lager liessen ihn wohl nachlässig werden. Diese Einsicht verdankte er nun Safina. Obwohl es wie bittere Medizin schmeckte wurde die Last, in seinen Armen, schon leichter. Schliesslich wusste er auch einiges über ihre Zukunft.
Zielorientiert steuerte er einen bekannten Gasthof an. Klopfte leise an die Haupttüre. Wusste dass der halbblinde Wirt ihn trotzdem hörte. Dieses gepflegte Gasthaus war ein alter Geheimtipp für zwielichtige Gestalten oder solche welche was Aussergewöhnliches unternahmen. Dongard kannte es aus seiner frühen Truppenzeit. Und jetzt brauchte er es selber als Schutz vor der ehemaligen Garde. Da ihn niemand in der Stadt vermutete, würde er an diesem Ort wo sich viele mit fremden Frauen amüsierten, sicher sein. Keiner würde sich überhaupt getrauen ihn zu verraten sollte er zufällig einen seiner früheren Kameraden antreffen.
Diese junge Frau verwirrte ihn. Brachte seine strenge Ordnung einfach durcheinander. Manchmal viel es ihm schwer seine steife Maskerade aufrecht zu halten. Er wollte sie in den Armen halten. Nicht wie jetzt, anders, wenn sie wirklich wach wäre. Ihr gestehen was er fühlte. Niedergeschlagen trug er seine lang ersehnte Last die Treppe in sein Zimmer hoch. Hinter ihm begleitete ihn der tastende Wirt mit dem Licht hinauf. Oben im Zimmer legte Dongard Safina sachte aufs schmale, weiche Bett nieder.
Der alte Wirt schmunzelte mit seinem fast Zahnlosen Gebiss. Mit einer zittrigen Hand strich er sich seine ergraute Leinenmütze tiefer auf die Stirn hinunter, als wollte er weiter sein dünnes Haar verstecken. „Ihr Melfen habt es da ziemlich einfach. Ich wünschte ich könnte meine Frau manchmal auch so unkompliziert ruhig stellen.“ Ohne eine Antwort zu zuwarten stellte er die Kerze auf einen Simsvorsprung hin und schlurfte, in seinen Wollsocken, praktisch lautlos in den dunklen Flur zurück. Er benötigte kein Licht. Er kannte jede Stufe blind, auswendig.
Dongard vertiefte den Schlaf erneut. Flüsterte Safina leise Worte zu von denen er wusste das sie tief in ihr drin aufgenommen würden. Auch er wollte diese Nacht selber wieder einmal richtig durchschlafen. Allerdings glaubte er kaum daran dass es ihm gelang, solange Safina nicht in seinem Lager in Sicherheit war. Morgen war ein wichtiger Tag. Er würde zum ersten Mal all seine Macht für eine Täuschung einsetzen. Vielleicht gegen den Befehl seines Königs. Zweifelnd setze sich Dongard neben Safina. Sie unterschied sich so gänzlich von dem was ihm als Ideale Melfenfrau, all die Jahre vorschwebte. Sie sollte zierlich sein, fraulich, elegant, selbstsicher, gebildet. Die vorbildliche Krone des neuen Familienstammes präsentieren. Melfen waren ja verpflichtet nach höherem zu streben, ihr Ideal ständig zu verbessern. Bin ich überhaupt ein richtiger Melf? fragte sich Dongard. Blickte fast verärgert auf die unschuldige Frau hinunter, welche sich fest in seinen Gedanken einnistete. Als er ihre Falten entdeckte strich er mit einem Finger über ihre Stirn. Beruhigte ihren Geist. Besänftigte ihre Sorgen.
„Safina“, seufzte traurig der sonst strenge Kommandant, „Solange war ich alleine glücklich und jetzt machst ausgerechnet du mir Bewusst was mir fehlt.
Schlaf Safina, schlaf!
Ich hoffe das der Kerl es Wert ist.“ Nachdenklich legte sich Dongard neben sie nieder. Ahnte dass sie ihn wieder lange am Schlaf hinderte. Für ihn war diese gemeinsame, kurze Zeit so kostbar.
Kalt und steril roch der Raum nach Desinfektionsmittel. Kahl, öde die innere Ausstattung aus praktischen einfach zu reinigen Kacheln. Nur eine dünne Unterlage streckte sich ganz hinten am kühlen Boden aus. Alles farblos, leicht gelblich im matten Schein vom künstlichen Licht.
Gebückt, geknechtet sass Maximilian kniend, barfuss auf der nutzlosen Matte. Seine Arme stützend auf den Knien, den Kopf niedergeschlagen gesenkt. Er wusste weder ob Tag oder Nacht draussen herrschte. Das Licht in der Zelle liessen sie immer an. Manchmal etwas matter um Strom zu sparen. Jedoch in unregelmässigen Abständen damit er ja kein Ruhe fand. Er wusste dass er wieder als neues Versuchskaninchen diente. Besonders am Anfang war es schwierig gewesen. Stundenlange Verhöre, wie er lebte, mit wem er lebte, wie es sich überhaupt lebte mir so einem Körper, so einem missratenen Kopf, wie er sich fühlte. Beschissen, dachte Maximilian verzweifelt. Wäre nicht die Hoffnung nach Safina hätte er sich längst aufgegeben. Versucht sich irgendwie das Leben zu nehmen. Jemanden angegriffen, tödlich verletzt damit sein Urteil schneller vollstreckt wurde. Etwas was er sonst verabscheute.
Er hatte nicht gewagt nach seinem früheren Arzt zu fragen. Er wollte seinen ehemaligen Freund nicht mit Verdächtigungen belasten. Niemand sollte ihn mit der unerlaubten Rettungsaktion in Verbindung bringen. Im Moment vermisste er ihn aber sehr. Bräuchte dringend eine Person mit der er Reden könnte. Sein Verstand schien in bisweilen zu verlassen. Ohne es zu merken stand er mitten im Raum, und starrte Löcher in die Luft. Er vermisste die duftende Natur, die blühende Weite, oder selbst den verlassenen, stinkenden Sumpf. Manchmal watete er durch das zähflüssige Wasser und stiess auf einmal rüde gegen ein stabiles Hindernis. Dann erwachte er um festzustellen dass er tatsächlich gegen die Wand schlug, seine Zellewand. Es lag bestimmt an den Pillen die sie ihm aufzwangen. Sie sollten ihn ruhig stellen. Ihn den erfahrenen, trainierten Jäger damit sie, die kraftlosen Ärzte überhaupt eine Chance bekamen ihn zu untersuchen. Blutabnahme, Haare, ganze Hautfetzen hatten sie an seinen Händen abgezogen. Am schlimmsten, stundenlanges Aufsperren seiner Schnauze. Wie sich seine Zähne bewährten. In den letzen Tagen bekam er seltsame Getränke zum ausprobieren. Wenn er sich weigerte diese medizinischen, chemischen Mittel zu trinken steckten sie im schlimmsten Fall einen Schlauch in den Hals. Nur einmal überstand er solch eine scheussliche Prozedur, danach nahm er lieber alles freiwillig an. Sterben lassen würden sie ihn eh kaum so schnell.
Es rasselte an der Tür. Metallschlüssel drehten sich. Maximilian reagierte in keiner Weise. Wie ein träumender Irrer verharrte er.
„Aufstehen“, schnauzte ihn ein einer der Wärter barsch an. Die tiefe Stimme überraschte Maximilian. Zwang seine müden Augen hoch. Ein bislang unbekannter Wächter wartete mit misstrauischen Zügen. Einen Kopf grösser als ich, realisierte Maxim schnell, den stärksten den er bisher je sah. Robust und kräftig. Das verhiess schlimmes wenn ein solcher Wächter zur Sicherheit ausrückte.
Kraftlos stemmte sich Maximilian hoch. Die Hände an der kahlen Wand abstützend schlurfte er zur Tür. Seine eigene Stimme kam ihm fremd vor als er heiser fragte, „Wohin geht es heute?“
Von hinten packte ihn eine schwere Hand an seinem verschlissenen Hemd. Kräftige Finger krallten sich in seinen verspannten Nacken.
„Zum Arzt“, brüllte ihm die überhebliche Stimme in die Ohren. Wie vom Blitz getroffen zuckte Maximilian zusammen. Das bedeutete keine weiteren lästigen Verhöre, keine unwichtigen Untersuchungen. Jetzt ging es ins wahre Labor von dem er dass Unangenehme mit den angehängten Schläuchen gut in Erinnerung bewahrt hatte. All die Jahre, die vielen Schlaflosen Nächte in denen er schweissgebadet aufwachte. Seine schlimmen Alpträume holten ihn erneut ein. Mit grossen, entsetzten Augen starrte er seinen Wächter an. Gelähmt. Er sah nicht einmal den brutalen Schlag an seinen Kopf kommen der ihn Bewusstlos auf den Boden sinken lies.
Als er wider aufwachte wünschte er sich gleich wieder ins dunkle Reich des Vergessens zu sinken. Nicht weil sein Kopf so brummte sondern weil er fühlte das er nackt auf einer Tischplatte ausgestreckt lag. Gefesselt die Hände mit gepolsterten Lederriemen.
„Schwester“, flüsterte Maximilian heiser als er eine Gestalt in grüner Uniform vorbei huschen sah. Sie blieb kühl an seinem Kopfende stehen und band sich ihre strohblonden Haare nach hinten.
„Schwester“, bettelte Maxim an ihre Vernunft. „Wir haben doch die Rassentrennung längst abgeklärt. Ich habe doch meine Rechte.“ Ein verzweifelter Versuch. Sie streifte sich, ohne eine Mine zu verziehen, enge Handschuhe aus Gummi, über. Fasste mit den gepolsterten Händen an Maxims Kopf um ihn festzuhalten. Hielt seine empfindlichen Ohren umklammerte dass jedes Ausweichen zur Seite verunmöglichte. „Fertig“, ihr einziger gefühlloser Kommentar, den Blick starr nach vorn. Maxim konnte nichts erkennen was da unten bei seinen Füssen abging. Er spürte nur wie jemand seine gespreizten Beine, die Bandagen die als Fesseln dienten ein Loch weiter schnürte.
„Wir sollten ihn in die Arena schicken“, meinte jemand abschätzend.
„Ja, bei einer weiblichen Gattung wäre das Experiment hoch interessant. Wessen Gene dann vererbt werden oder gar neue Aufgenommen.“
Maximilian horchte gespannt. Er wusste was bald geschah. Als dann einer der Ärzte wie geahnt zwischen seine Beine fasste bäumte er sich verzweifelt auf.
„Safina“, schrie er mit letzter Kraft Verzweifelt in den Raum hinaus. Über diesen Namen hatte er stets geschwiegen. Egal wie schlimm die Folterung ihn Quälte.
Alle Ärzte drehten sich für einen Moment überrascht herum. „Wer?“ Sie bekamen keine weitere Antwort. Also arbeiteten sie gleichgültig, geschickt weiter.
Eine hörte diesen Ruf. Durch die unzähligen Mauern.
Mir war als ob mich jemand rief. Verstört richtete ich mich halb schlafend auf. Wo war ich? Neben mir lag Dongard friedlich schlafend. Sein ebenmässiges Gesicht halb ins Kissen gedrückt. Ich kam mir vor wie eine Verräterin. Da lag ich faul mit einem fremden Mann im Bett während mein teurer Freund wer weiss was durchmachte. Beschämt schlüpfte ich unter den warmen Daunen weg ohne dass sich die Decke verschob. Ja nur nicht den Kommandanten aufwecken. Alleine war ich besser dran. Brauchte keine Zweifel, Misstrauen über seine Loyalität zu verarbeiten. Sollte ich kämpfen müssen war ich frei, ohne die hinderlichen Sorgen dass ihm was geschähe. Zweifellos schaffte ich das besser alleine.
Dicht stand ich an der Hausmauer. Wenige Meter um die Ecke eines der wenigen Seitentore durch welche nur Hausdiener und Lieferanten Durchlass erlaubten. Seit ich diesen Eingang vor einer halben Stunde entdeckte beobachtete ich ihn kritisch um einen günstigen Moment zum hinein schleichen zu finden. Nur schien es anscheinend der falsche Zeitpunkt, die Sachen fürs Frühstück wurden geliefert. Hektischer Betrieb herrschte. Also wartete ich bis der erste Schub abnahm. Einfach frech mich den Lieferanten anschliessen durfte ich nicht riskieren. Ein einzelner Wächter begrüsste die ihm wohl bekannten Gesichter freundlich. Ich bezweifelte ob er mich auch so zuvorkommend ins Ritual einschloss.
Vorsichtig kauerte ich an meinem Plätzchen nieder. Überall hier um den Palast herrschte eine sichtbare gesteigerte Sauberkeit. Die Strassenkehrer begannen als erste mit diesem Platz. Hier im Zentrum putzten sie sich vorwärts wie bei einem Spinnennetz nach draussen. Vergeblich achtete ich auf Spinnweben zwischen den Mauern. Es gab keine. Sehr begeistert versuchte ich dennoch möglichst nicht die weisse, bröcklige Kalkwand der Hausmauer zu berühren. Meine mit Farbe verdunkelten Haare klebten mir noch halb feucht herunter. Es reichte schon eine Tönung, da brauchte ich keine wilde Mischung.
Wie kam ich rein? Zuerst beruhigte ich mich so weit wie möglich selber. Alles zitterte innerlich vor Erregung. Maxim, die Wachen, ein bewachtes Tor. Das Rätsel forderte mich.
Da weckte mich feines Hufgeklapper aus den tiefen Gedanken auf. Sprang sofort auf die Beine hoch. Spähte wenige Zentimeter um die Ecke.
Ein ziemlich kleiner Reiter führte zwei halbstarke, ungesattelte Pferde an der Hand. Anscheinend kehrt er mit den beiden auffällig schlanken, edlen Tieren geradewegs von der Weide in den Stall zurück. Ich wusste dass die sensiblen Läufer meinen Blick spüren konnten. Also fasste ich einen besonders streng ins Auge, wanderte mit einem stechenden Nadelblick den braunen Nacken hoch und biss mich förmlich in sein Genick. Ruckartig zerrte der nervöse Braune an seinem Zügel. Tänzelte.
Im Rücken des Führers, unsichtbar, näherte ich mit einem barschen Schritt der Respekt einflösste. Eingeschüchtert riss der Flieger seinen machtlosen Führer stückweise rückwärts. Haltlos rutschten seine flachen Sohlen über den körnigen Kies. Hilfsbereit sprang der lange Wächter hastig hinzu. Selber kein Tierkenner übte er mit seiner Unsicherheit auch keinen beruhigenden Einfluss aus.
Das zweite hellbraune Tier lies sich allmählich von seinem grundlos verrückten Gefährten anzustecken. Geschickt wechselte ich in einen weichen Gang über. Mit fliessenden Bewegungen angelte ich mir geschickt das einigermassen vernünftigere Tier. Welches mich sogleich äusserst misstrauisch beäugte, aber still hielt. Das wiederum verblüffte seinen aufgeregten Kameraden der mich auch wachen Blickes überwachte. Es herrschte gespannte Ordnung.
So entschärfte ich den Augenblick als ich mit sanften Worten sprach: „Darf ich helfen? Ich bin sonst Stallbursche von einem Kommandanten der bevorzugt Dulis reitet. Auch so eine sensible Züchtung.“
Unentschlossen haderte der junge Verantwortliche. Bevor er die falsche Antwort gab drehte ich mich etwas zackig herum. Tätschelte aber dem widersprechend weich lobend an den Hals meines Pferdes. Der andere Wilde fasste diese ihm zugewandte abweisende Geste, weniger Vertrauenswürdig auf. Schreckte erneut zurück. Sein Diener hüpfte einen Meter weiter am Geschirr hängend. Starr und Verkrampft. Wagte keine neue Bewegung auszuführen die eine Katastrophe auslösen könnte. „Ja, sehr gern.“ Sagte er hastig ohne seinen Pferd aus den Augen zulassen.
Mein erster planmässiger Sieg.
Aufgeregt aber leicht an der Leine führend steuerte ich den Flieger eifrig durch das abgesicherte Tor hindurch. Hinter mir stellte sich der höfliche Wächter wieder in seine stramme Position. Meine Bewilligung, dachte ich stolz und klopfte meinem mageren Pferd den Hals. Ganz wie von selbst steuerte es seinen bekannten Stall an. Wir kamen rein ins erste Gebäude als ob wir schon seit Jahren zusammen gehörten. Dutzende Pferdepfleger huschten beschäftigt zwischen den hölzernen Boxen umher. Mein intelligenter Flieger wusste genau in welchen vier Wänden sein Futter auf ihn wartete. Steuerte wie ein Jagdhund der Beute witterte darauf los. In einer Reihe mit über zehn geräumigen Boxen fand er sein leeres Plätzchen. Schlüpfte durch den offenen Eingang. Es grüssten wiehernd seine Nachbarn zur Seite. Oh, das hiess das mein menschlicher Begleiter seinen empfindlichen Flieger woanders versorgte. Ohne dass es jemand auffiel durfte ich mich also im Stall herum bewegen und davon schleichen. Allerdings erst nachdem ich den Flieger wie andere Pferde einschloss und mit seinem Halfter herum spazierte um erst einmal das weit verzweigte Gelände zu erkunden. Einfach wie beschäftigt halb rennend, energisch aussehend. Keiner stellte Fragen. Bei den über hundert gefüllten Boxen ein spielerisches Unterfangen. Schwieriger schon gestaltete sich nachdem ich den Haupteingang fand, für Diener selbstverständlich, wie ich in der riesigen Burg einen Weg zum Labor finden sollte. Neben bei warf ich das Halfter in einen Abfall Eimer. Dann fragte ich selbstsicher einen der im Rang unteren Diener wo die Ärztekammer sein. Zuerst erklärte er mir aufwendig den Weg, danach sah er mich kritisch an. Ich brummte etwas vom Stall, Verletzung und Tetanus. Worauf der Unwissende gleich einen Schritt zurück wich. Seine königliche leuchtende Uniform, in Gelb und Blau, zu Recht zupfte und sich mit einem Blick voller Mitleid entfernten.
Da stand ich also nun. Wenige Meter von der breiten Haupttreppe entfernt. Ein gesuchter Spion inmitten der Höhle des Löwen. Einen Prächtigen Palast unterhielt dieser König. Ehrfürchtig beobachtete ich das fleissige Treiben der Angestellten. Damit ich nicht auffiel bewegte ich mich langsam auf meinem beschriebenen Weg entlang. Lies mich kaum von den handwerklichen Kostbarkeiten beeindrucken. Gemälde, wie ich sie von herrschaftlichen Schlössern aus meiner Zeit kannte, gab es allerdings sehr selten. Dafür sehr zeitraubende Wandteppiche aus weichem dünnen Material. Rustikale im Wachs polierte Möbelstücke. Sehr einfach gehalten. Dafür die verschiedensten Schnitzereien als Verzierung oben drauf gestellt. Geschmackvoll in leichter Einheit. Allerdings fand man nirgends einen persönlichen Gegenstand der mehr über den wahren Charakter des Königs verriet.
Irgendwie war mir das auch egal. Blind für die kleinen Details hielt ich mich gerade auf dem direkten Weg. Es drängte mich die Hoffnung Maximilian wieder zu sehen. Taub für viele Geräusche, Stimmen die mich zum Teil ansprachen. Personen die über meine abweisende Ignoranz den Kopf schüttelten. Sie bedeuteten mir nichts. Weiter, weiter, schneller.
Zum ersten Mal vernahm ich deutlich einen Hinweis. Es gab da ein seltsames Wissen in meinem Hinterkopf welches mir Verriet dass ich meinen lang ersehnten Freund bald wieder in meinen Armen hielt. Es liess mir Flügel wachsen. Ich brauchte jeden Funken Vernunft um mich zu bremsen. Man rannte schliesslich nicht über einen Flur im königlichen Palast. Es gehörte nicht zum guten Ton und auf einen Stammplatz im Gefängnis wollte ich vermeiden. Auf diese Weise wollte ich verhindern Maxim wieder zu sehen. Schon jetzt erregte ich missbilligende Blicke. Ausserdem fehlte mir ein wichtiger Teil, ich brauchte eine Uniform. Eine angepasste Tarnung für die inneren Räumlichkeiten. Da bemerkte ich eine abrupte Veränderung. Gleich nach einer der unzähligen massiven Eichentüren, welche die verschiedenen Fluren trennte. Statt den farblich getönten Kerzen, die sich den Wänden anpassten, blendete mich grelles Licht. Künstliches Licht. Langgezogene weisse Neonlampen erstrahlten bis in den kleinsten Winkel. Ausser wenigen bunten Kleidungstücken, an der Garderobe die sich über den ganzen Raum erstreckte, fühlte ich mich wie in einer kahlen Röhre gefangen. Kein Teppich dämpfte die Schritte, Schuhsohlen auf dem gekachelten glänzenden Boden.
Nach dem warmen abstrahlenden Palast fühlte ich wie sich etwas um mein klopfendes Herz klammerte. Abweisend. Erst recht als ich nach vorn über der Tür blickte. Ein winziges schwarzes Kästchen. Dies gab mir einen weiteren schmerzhaften Stich als ich die Kamera gewahrte. Es schüttelte mich. Die feinen Häärchen stellten sich an meinem Arm hoch. Jetzt gab es nur noch ein Vorwärts.
Es galt schnell zu handeln als sei alles Routine. Trotz der Kälte entledigte ich mich des warmen, dünnen Pullovers. Griff mir am Ende des Ganges einen der einheitlichen weissen Kitteln welche fürs Labor bestimmt waren. Steifte mir die ohne Beschriftung Kleidung über die schmalen Schultern. Glück gehabt. Es gab auch für zierliche Figuren das passende. Bändigte mein Haar straff nach hinten, mit einem Gummiband.
Nach einem kurzen Kontrollblick öffnete ich entschlossen die kalte Metallklinke der Tür. Ich durfte keine Schwäche zeigen. Ich gehörte zum Team. Am richtigen Ort, als ob es mein Job sei. Zögern erweckte nur Zweifel und die würden mich selbst in der Zielstrebigkeit stürzen. Nach dem ersten Blick ins andere Zimmer schwang ich die Tür rasch zurück. Da war gerade eine ältere Frau vor einem Schalter energisch vorbei gestelzt. Nur einen Bruchteil einer Sekunde benötigte ich für eine zündende Idee. Denn Frauen trugen hier anscheinend noch Röcke. Also knöpfte ich kurzerhand meinen bequemen Mantel zu. Der weisse Stoff reichte mir bis zu den Knien. Rollte meine blau gefärbten Hosenbeine über die Knie nach oben. Na also. Keiner sah den Unterschied zwischen einem oder keinen Rock darunter. Mit einem glücklichen Lächeln trat ich ein ins unbekannte Reich.
Rat fand ich am ehesten beim Schalter den man Zentral in den Gang hinein pflanzte. Seine Funktion diente Hauptsächlich zur Information und kaum zur Kontrolle. Die junge Frau hinter dem geordneten Bürotisch sah mich ohne Interesse entgegen. Flüchtig als sei sie neue Gesichter gewohnt. Für sie war das sorgfältige Überprüfen der Papiere von grösserer Wichtigkeit. Also peilte ich sie erst recht an. Räusperte mich leise und grüsste deutlich.
Ihr Kopf bewegte sich nicht aber die Augen schielten zur Seite hoch. War ich eine Aufmerksamkeit wert? Ich war es. „Was darf es sein?“
„Nun, ich bin neu hier und wüsste gerne wo ich die Abteilung für ...“ ich zögerte das Wort auszusprechen. Verriet mir ja Maxim dass vieles selbst unter Ärzten Geheim blieb. „Man hat mir den Tipp gegeben das es in der Abteilung für spezielle Fälle sehr interessant sei.“
Ihre braunen Augen funkelten interessant auf. Wachsamkeit versteckte sich hinter der gewöhnlichen Fassade. „Welche speziellen Fälle ?“
Ein verlegendes Lächeln hätte alles versaut also versuchte ich möglichst ernsthaft zu bleiben. „Ein Arbeitskollege will mir vermutlich einen Streich spielen. Er erwähnte das wenn ich es in meinem Fach weit bringen möchte mal die besondere Kreuzungen untersuche. Sie wissen schon. Mensch- Tier.“
Ganz unerwartet fragte sie, „ In was für einem Fach wollen sie den nach vorn?“ Wenn ich jetzt was von den Ärzten erwähnte? Unmöglich man würde schnell den Schwindel erkennen. So kam es ganz spontan. „Aus der Botanik.“ Das überraschte selbst sie. Darüber wusste sie bestimmt kaum etwas.
„Botanik. Sehr weit geholt. In unserem Labor?“
„Klar. Mich interessiert ob es mit Pflanzen und Tier, das Verhältnis, auch klappt. Klingt doch spannend. Was könnte man da für Intelligente Pflanzen züchten.“ Jetzt liess ich meine Augen fanatisch leuchten. Es wirkte. Sie blinzelte erstaunt. „Landwirtschaft, Manipulation“, murmelte sie nachdenklich. „Ich dachte das sei Verboten.“
Nun sah ich sie an als sei sie leicht naiv. Lächelte mit nur einer Mundseite. „Sind das die lebenden Tier- Mensch versuchte nicht auch!“
Sofort rückte sie ihren Rücken gerade. Hoffentlich sagte ich nichts Falsches.
Sie überlegte kurz. „Am besten den orange Pfeilen nach“, meinte sie mit den besten Empfehlungen. Erfreut dankte und verabschiedete ich mich. Mein Herz klopfte wieder schneller. Maxim ich bin dir schon einen Schritt näher. Ein Schauer der Erregung kribbelte über meinen Rücken.
Kalte kahle Wände diese fade Weiss. Unten führte eine orange Leiste den richtigen Weg. Diskret ohne weiteren Hinweis. Manchmal winkelte sich der Raum ab. Eine Leiste in grün begann dann mit ihren Streifen. Es führten keine Fenster in diesen Gang nur Türen mir kleinen Nummerierungen. Ohne Namen oder Titel. Nach hundert Meter versperrte mir eine Schwingtür mit glasigen Bullaugen den Durchgang. Vorsichtig trat ich näher. Horchte auf Schritte, Stimmen. Von denen vernahm ich höchstens was hinter mir. Schon so weit da musste ich einfach hindurch. Nach einem abschätzenden Blick, der mir einen weiteren langweiligen Gang verriet, öffnete ich die elastische Gummitür. Sie liess sich äusserst schwer aufschwingen. Für eine Sekunde checkte ich die Veränderte Lage. Da gab es nun einen Unterschied. Es existierten Glasfenster. Vermutlich sogar gepanzerte. Das erinnerte mich stark an meine heimische Anstalt. Ein mulmiges Gefühl entwickelte sich im Magen. Zwang meine Füsse weiter. Bis zur Scheibe. Dahinter ein Labor. Verschiedene aufgebaute Stationen. Einige mit durchsichtigen Schläuchen, andere glichen eher vergrösserten Mikroskopen. Leere Ampullen, gedrehte Schläuche, Gläser. Alles wartete auf seinen Einsatz. Ganz hinten entdeckte ich einen beleuchteten Raum. Leise öffnete ich die Tür und horchte. Mein Augen flitzten kontrollieren durch den Raum. Nirgends entdeckte ich Kameras. Schon wollte ich wieder schliessen als ich hinten ein Geräusch wahrnahm. Sehr seltsamem Laut. Ein Fiepen. Das war bestimmt kein Mensch. Denn sonst hätte ich mich auch schnell verdrückt. Dies entfachte meine Neugierde. Völlig geräuschlos schlüpfte ich in den Raum hinein. Huschte wie eine Maus über den Boden. Achtete auf meine Ellbogen das ich ja nichts von dem zerbrechen Zeug berührte. Drückte mich an die Wand vor dem Türlosen Eingang zum nächsten Raum. Krabbelnde Beine kratzten über den Boden. Heftiges Schnauben, ein Niesen und wieder hastiges rennen. Auf einmal kroch eine eklige Kakerlake auf mich zu. Entsetzt rückten meine Beine zusammen, stellten sich automatisch auf die Zehenspitzen. Da flitzte ein junger Hund um die Ecke, tollpatschig, in den Kurven ausrutschend. Braun kurzes Fell, Babyspeck um seine kurzen Beine, Schlappohren flatterten bei jedem Galopp. Er sah einfach süss aus. Bei meinem Anblick zuckte er zusammen. Bremste abrupt was einen weiteren Rutscher auslöste. Wenige Meter vor mir sass er auf seinem Po. Blickte mich neugierig an. Da die grosse Kakerlake respektlos an mir vorbei flitzte entfuhr es mir anspornend. „Na, los! Schnapp sie dir!“ Wich dabei an die Seite aus um ihm zu zeigen dass ich keine Gefahr darstellte.
Sein Gesicht stellte sich schief. Mir war als runzelte er die Stirn. Schon flitzte er begeistert los. Wobei er auf dem glatten Boden mehrmals spulte. Was mich zu einem Lachen verleitete. Misstrauisch bremste der junge Hund vor mir ab, trabte respektvoll, mit gespannter Rute, an mir vorüber. Danach raste er wieder übermütig los. Ein weiter Hechtsprung und er trappelte auf der Kakerlake herum. Die schien hinüber zu sein. Tot streckte sie die Beine von sich. Neugierig stiess der Welpe sie mit der feuchten Nase an. Behaarte Beine zappelten und der Hund nieste über dieses unerwartete Kitzeln. Ehe er sich versah drehte sich das Ungeziefer um und kroch rasch unter eine Ritze in der schlecht verputzten Wand. Ausdauernd lauerte der junge Jäger geduldig. Vergebungslos. Schliesslich verlor das ganze seinen Reiz. „Hallo“, sagte ich gespannt. Seit Maxims Begegnung erschütterte mich kaum mehr etwas. So durfte ich auch alles erwarten. Vielleicht konnte der Hund sogar sprechen?
Nein, er schaute mich an. Also bückte ich mich um mich kleiner Erscheinen zu lassen und lockte ihn zu mir. Langsam zottelte er näher. Maxim liebte es wenn ich ihn an den Ohren kraulte. So begann ich es auch mit meinem neuen Bekannten. Es dauerte Sekunden dann brach das Eis. Sichtlich genoss er die Massage. Als ich aufhörte, schnappte er nach meiner Hand, dann nach meinem Hosenbein. Erschrocken wich er zurück. Ich lachte, warnte straffend mit dem Finger. Erziehung muss schliesslich sein. Dann neckte ich ihn mal zur Abwechslung.
Nach wenigen Minuten widmete ich mich erneut dem Ernst. Meine Mission rief. Als ich zum Ausgang schritt bemerkte ich dass mich ein neuer Begleiter verfolgte. Was tun? Diese feine edle Gesicht mit den grossen klaren Augen. Wer widerstand da? „Komm“, forderte ich ihn auf.
Gerade setzte ich einen Fuss in den Gang, da flitzte ein zweiter junger Hund im geknickten Gang um die Ecke. Rutschte wie sein vorheriges Geschwisterchen. Ohne Zweifel verwandt.
Allerdings folgten ihm ein paar schwere Stiefel hinterher. Dunkel wuchs der Schatten im Flur und ein hochgewachsener Wächter donnerte heran. Der junge Hund flüchtete nachdem er seinen Bruder entdeckte unter meinem Mantel hindurch hinter mich. Suchte Schutz, jedenfalls verrieten das die traurigen Augen mit welchem mich beide anflehten. Geschlagen fügte ich mich dem unvermeidlichen. Beschützerisch streckte ich meinen Arm steif aus und setzte eine finstere Miene auf. Stopp, bedeutete meine ganze starre Haltung.
Ärgerlich, keuchte der Wächter auf mich zu. „Was soll das?“ herrschte er mich an. „Ich muss die ganze Bande einfangen! Mir fehlt die Zeit für solche Kindereien. Aus dem Weg!“
Gnadenlos, keine Miene verziehend durchbohrte ich gezielt seine hellen Augen. Stellte mir vor wie ich in sie eindrang bis ins hintere Hirnmark. Seine buschigen Augenbrauen zogen sich zusammen. Das verhiess, er stellte sich. Seine Augen verrieten jedoch dass er mir alles zutraute. Ratsam hielt er besser erst einmal Distanz. Abwartend. Sich gross vor mir aufzubauen. Hände in die Hüften stemmen um sich mehr Grösse zu verschaffen. Leider vergeudete er seine mühevollen versuche. Ich erkannte einen aufgeblasenen Ballon in dem nur gewöhnliche Luft steckte. Holte zum Gegenangriff aus, „Was ist das für eine Schweinerei. Sie jagen hinter schmutzigen Hunden her! Noch nie was von Erziehung gehört. Die Hunde sollten ihnen folgen. Stattdessen scheuchen sie die durchs ganze Labor. Sie verteilen gefährliche Bakterien im ganzen Trakt! Alles wird verseucht. Haben sie schon die grossen Kakerlaken gesehen? Nein?“
Mit tief gefurchter Stirn starrte er mich an. Schüttelte widerwillig den Kopf. „Bis jetzt gibt es keine Meldung. Wenn..“
„Ab jetzt gibt es eine!“ Fuhr ich ziemlich energisch dazwischen. „An wen muss ich muss ich mich wenden wenn ein Kammerjäger gebraucht wird?“
„Ein Was ?“ Sah mich an als sei ich verwirrt.
Offenbar kannten sie das Wort für Kammerjäger nicht. Wie drückte man dies in einer anderen Sprache verständlich aus? „Einen Insektenfänger. Wer ist zuständig für die Jagd auf diese kleinen gefährlichen Biester. Sie zerstören unsere aufwendigen Projekte. Sie vernichten, verfälschen die Arbeit von Jahren!“
Langsam, beeindruckt wich er zurück. Hob empört die Arme. „Dafür ist jemand vom unteren Revier zuständig. Sie können mir keine Schuld geben.“
„Das will ich auch gar nicht. Aber es wäre nett wenn sie diese Leute Informieren hier wieder einmal gründlich zu reinigen. Und inzwischen kümmere ich mich um dieses Problem hier.“ Damit deutete ich auf die zwei kleinen.
Unentschlossen ordnete er seine Gedanken. Kam mir unangenehm dazwischen. „Wer sind sie eigentlich?“
Es galt anzugreifen, mit langen Erklärungen brachte ich nur Zweifel an meiner Identität.
„Darf ich mich vorstellen Safina Casar.“ Ups, vergass ich doch das es hier kaum Nachnahmen gab. „Aus Casar. Man hat mich neu angestellt um hier die Leitung zu prüfen. Bis auf dieses streuende Flohpack hat mir eigentlich alles gut gefallen. Ich muss sagen ausser mangelnder Hygiene habt ihr eine prächtige Ausrüstung.“ Ein erfreutes Lächeln huschte über sein gepflegtes Gesicht. Liess ihn jünger erscheinen aber die obere Zahnlücke stand ihm schlecht. Unbekümmert wollte er sich an der Scheibe abstützen als ich scharf räusperte. Sofort stellte er sich Soldaten mässig aufrecht.
„Nicht deswegen“, wies ich ihn zurecht. „Sehen sie!“ Damit zeigte ich auf die Fingerabdrücke an der Scheibe. „Fett. Menschliche Haut sondert feinste Partikel ab. Das ist unhygienisch!“
Ungläubig sah er seine winzige Hinterlassenschaft an. Dann machte es rasch Klick in seinem Hirn. „Also womit kann ich dienen“, versuchte er rasch von seinem Missgeschick abzulenken und eine Möglichkeit sich langsam zu verdrücken. Bevor ich weitere Missgeschicke entdeckte.
„Wo steckt die Bande! Also wo sind die anderen arbeitenden Mitglieder der Ärztekammer zu finden, “ verbesserte ich mich schleunigst.
„Zwei Türen weiter vorn, rechts. Sie sind gerade an einem neuen Test. Soll ich sie hin begleiten.“ Beim letzten Satz zog er ein langes Gesicht. Er tat es keinesfalls mit Begeisterung.
„Nein, danke. Sie wissen, am Anfang sollte ich mich unauffällig umsehen. Das verfälscht weniger meine Ergebnisse wenn sich alle wie sonst benehmen. Sobald die merken dass ich von der Externen Inspektion bin, werde die meisten nervös.“ Wir verabschiedeten uns beide mit einem falschen Lächeln. Erleichtert hetzte er mit ausholenden Schritten aus meinem Blickfeld. Wenn er wüsste dass ich doppelt so viel Erleichterung verspürte, Aufjubelte. Mich rasch nieder bückte dass die jungen Welpen erschrocken zurück wichen.
„Keine Angst den sind wir los. Also wohin gehört ihr. Geht nach Hause!“ Ein klarer Befehl den die Hunde auch verstanden. Mit leicht eingekniffenem Schwanz tappen sie vorwärts. Schon nach der ersten Türe kratzten sie an den Gummibelag der Türe. Zwei mal Bellen und eine Automatik öffnete. Diesmal staunte ich beeindruckt. Das vermerkte ich als tolle Erfindung. Abgelenkt folgte ich, ins innere, mit Blick auf den Welpen. Zu spät bemerkte ich eine zusätzliche Person die bewegungslos neben einer getönten Scheibe verharrte. Leicht versteckt zwischen einem vorstehenden Büroschrank und der Scheibe. Ich nickte freundlich und plante weiter den jungen Hunden zu folgen. Es kam ein unerwartetes, ablehnendes, „Hnhn!“ Ein mahnender Hinweis mich gefälligst Vorzustellen. Ein noch jüngerer Arzt als der Wächter. Um die Vierzig mit einem kurz geschnittenen Kinnbart der mit einer dünnen Linie über die Oberlippen führte. Mit dem leicht verzausten Haar wirkte er mehr wie ein unordentlicher Typ. Keinesfalls wie ein praktizierender Arzt. Ohne seinen weissen Kittel hätte ich ihn als deplaziert gehalten. Mit einem Hauch von Traurigkeit starrte er durchs Fenster. Was löste diesen betroffenen Blick aus? Lautlos trat ich ans Fenster neben ihn.
Was ich sah versetzte mir einen unangenehmen Stich ins Herz. Ohne es zu wollen entfuhr mir ein scharfer Atemzug. Wich wie geschlagen einen Schritt zurück.
Man sah in eine angrenzende kleine Kammer. Auf dem kahlen Boden kauerte eine Person. Mit knappen Kleidern verwahrlost angezogen. Daneben ein umgestülpter Kessel der als Hocker diente. Zwei weitere und ein naturbelassenes Brett obenauf, was wohl grob einen Tisch ersetzte. Ein trauriges Bild. Was mich am meisten beschäftigte an diesem Mensch; sein Hundekopf. Einer grossen schwarzen Dogge.
„Wonach suchen sie hier“, fragte mein unfreiwilliger Genosse tonlos.
„Nach einem anderen Gesicht“, gab ich ziemlich unbekümmert von mir. Dabei kochte und brodelte es in meinem Innern. Wie konnten sie nur so Intelligente Wesen einfach einsperren, ohne Rechte. Maxim könnte genau wieder hier sitzen. Geplagt hilflos allen Launen seiner falschen Schöpfer ausgeliefert. Meiner falschen aufgesetzten Gleichgültigkeit filterte man bald die prodelnde Betroffenheit heraus. Erst jetzt sah ich den kalten Kaffee in den Händen dieses Mannes. Nachdem er meinen viel sagenden Blick auffing stellte er die Tasse auf einen kleinen Sims. Sein trauriger Ausdruck nun unverkennbar. „Ein Experiment wie er mit den einfachsten Sachen umgeht. Gestern haben wir ihm ein modernes Zimmer gezeigt und heute versucht er es schon nach zu bauen. Leider steht ihm nicht viel zu Verfügung.
Man unterfordert ihn.
Wenigsten lässt man ihn am leben.“
„Die anderen leben auch noch, oder.“ Es rutschte mir unbeherrscht voll Sorge heraus.
Mit einem merkwürdigen Seitenblick sah er mich an. „Was wissen sie von anderen lebenden. Davon sollte niemand wissen der das erste mal hier erscheint.“
„Ich habe gut recherchiert“, spielte ich ihm stolz vor.
Er rückte näher um mich genauer zu betrachten. Allmählich fühlte ich mich in die Enge getrieben. Was wusste er genau?
„Hier gibt es nichts zu recherchieren. Seit Jahren stellen sie niemand ein der so Jung ist wie du. Also über wen wollen sie was wissen?“
Das konnte man auf zweierlei verstehen. Ich beschloss alles zu riskieren. Der Mittag rückte schnell näher. Je länger ich blieb umso wahrscheinlicher würden sie irgendwann bemerkten dass etwas nicht stimmte.
„Maximilian. Können, dürfen sie mir darüber gewisse Auskünfte erteilen?“
Seine heftige Reaktion endete mit einem nervösen zucken seiner Hand.
„Was wissen sie darüber?“ Sagte er heiser und mit gesenkter Stimme. Er tat als sei es nicht wichtig dabei hörte er mit jeder Faser gespannt zu.
„Na, ja. Beginnen wir damit, was für Untersuchungen stehen wieder für ihn an? Man sollte doch Meinen das früher bereits das bestmöglichste aus ihm rausgequetscht wurde. Wo hält man ihn zurzeit im Gebäude fest?“
„Festhalten?“ Er widmete sich wieder der Beobachtung seines neuesten Projekts. „Der ist schon vor Jahren verstorben. Ach nein, ich erinnere mich wieder. Auf mysteriöse Art ist er über Nacht verschwunden.“ Er trank einen widerlichen Schluck von dem kalten Kaffee. Verzog dementsprechend das Gesicht.
So leicht liess ich mich nicht abspeisen. „Nein“, betonte ich energisch. „Ich will wissen wo er heute, jetzt im Moment, in diesem Gebäude steckt! Ich weiss dass sie ihn irgendwo verstecken. Ist es möglich ihn persönlich zu sehen?“
„Davon weiss ich nichts“, sagte er völlig eisig. Zeigte mir abweisend die kalte Schulter.
„Wirklich nicht oder wollen sie einfach nicht darüber reden, “ hakte ich gewagt nach.
Ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen. „Ihnen liegt aber viel an diesem... Maximilian. Was ist an diesem Exemplar so besonders?“
Für einen Moment hing ich nun in der Luft. Was sollte ich harmloses erfinden. Fand ich doch nur gute Worte, Worte die ihn als persönlichen Freund verrieten. Warum viel mir so spät ein, eine scharfe Waffe zu besorgen mit dem ich ihn jetzt hätte bedrohen können. Das ist nicht das Zeitalter der Waffen, hier verstand man die Kunst des Handelns. Ich verlor wertvolle Zeit. Mein Gegenüber wurde Misstrauische.
„Er hat überlebt“, war so ziemlich das dümmste was mir einfiel.
„Aha, hat er das. Und jetzt sitzt er wieder gefangen im Labor, “ sagte er der Arzt mit genauso belegter Stimme. Deutete mit dem Armgelenk nach Hinten zum Ausgang, Richtung Labor. Da wollte ich doch genau hin. „Ups, wie die Zeit verfliegt. Wir sehen uns sich später. Ich gehhhh...“ Weiter kam ich mit meiner Flucht nicht. Er packte mich geschwind am Ärmel. Energische flinke Finger. So fest das ich keinen Schritt mehr weit kam. „Was soll dass, “ ich versuchte mich zu wehren wie es eine schwache Frau tut, um ihn erst einmal zu täuschen.
„Du gehst nirgends wohin! Nicht im Moment. Also heraus damit! Ist es wirklich wahr das Maximilian erneut gefangen ist?“
„Ja.“
„Mist. Was hat er den gesucht? Er weiss genau wie gefährlich…“ Er sprach mehr mit sich selber.
„Vermutlich sie,“ viel ich ihm ins Wort.
„Was“, herrschte er mich gedämpft an. Sah mich voller Entsetzen an. Diese offenen Augen gehörten nicht einem herzlosen Arzt der sich über Wertvorstellungen anderer einfach blind hinweg setzt.
„Ja, sehr wahrscheinlich genau Sie. Oder haben nicht sie ihm vor Jahren geholfen? Tun sie es wieder?“ Diesmal bat ich mit flehendem Ausdruck.
„Was? Was soll das? Eine Falle?“ Verwirrt wandte er sich zur Tür, drehte wich herum. Trat sehr langsam zögernd heran.
„Wer sind sie wirklich?“
„Seine Freundin. Maxims Freundin.“
Staunend, fassungslos sah er mich an. „Das ist unmöglich. Wie sollten sie... Seine Freundin...? Seine Freundin. Er hat es also geschafft. Dieser intelligente Hund hat es also tatsächlich geschafft, “ sagte er mit strahlenden Augen.
„Hat er, aber nicht so richtig. Sonst sässe er kaum irgendwo im Gebäude fest. Seit fast einem Monat.“
„Einem Monat. Warum hat man mich nicht informiert. Klar sie verdächtigen mich noch immer. Diese blutgierigen Barbaren! Diesmal werden sie ihn foltern...“ Zu spät merkte er seine Taktlosigkeit, versuchte zu retten, „Na ja, etwas rauer mit ihm umspringen als das letzte Mal.“
„Verschönerung ist unangebracht“, erklärte ich eifrig. „Ihre werten Kollegen haben sich früher schonungslos über humane Werte hinweg gesetzt und jetzt haben sie ein kostbares Versuchskaninchen zurück. Also zählt jede Minute denn ich will Maxim in einem Stück zurück!“
Halb Lachend und Traurig zugleich entfuhr es ihm erleichtert. „Entweder sind sie eine überzeugende Schauspielerin oder es ist tatsächlich wahr. Ich kann es immer noch kaum fassen dass er zurück ist.
Sie haben Recht. Die scharfen Messer werden längst geschliffen. Es ist nur eine Frage der Zeit bis sie ihn... Allerdings frühestens in einem Jahr. Junge Frau, machen sie sich keine Sorgen. Meine Kollegen im Labor sind sehr neugierig. Wie kleine Kinder die ein lang ersehntes Spielzeug zurück erhalten haben. Da gibt man Acht dass es nicht gleich so schnell zerstört wird.
Warum war Maxim so verzweifelt dass er sich überhaupt hierher zurück wagte? Er kannte doch das Risiko.“ Ihm viel kein Vernünftiger Grund ein, warum einer Entflohener so verrückt war, ins heilige Labor einzubrechen. Verstehend schüttelte ich den Kopf. Erklärte ihm. „Er wollte nur mit mir unbedingt in die Stadt um mit einem seiner ehemaligen Ärzte zu sprechen. Hat mir aber keinen Namen verraten. Jedenfalls wollte er…“ Obwohl ich einem Arzt gegenüberstand, war es mir schicht peinlich darüber zu reden. Daher verzog ich unangenehm eine Gesichthälfte. Ihm dämmerte dass ein gewisses Thema mir schwer viel zu erörtern. Ungeduldig sahen mich freundliche Augen an. Erinnerte mich auffordernd. „Die Zeiten hier unten sind streng geregelt! Wenn ich nicht planmässig meinen Arbeitsrapport abliefere brauche ich einen guten Grund als Ausrede. Also was wollte Maxim bei uns finden?“
Allein wie vertraulich er den Namen abkürzte vertiefte meinen Verdacht das mein Freund wirklich zu diesem Arzt wollte. Daher wagte ich über meine sonstige Blockade zu springen. „Er wollte nur eine Information. Jedenfalls hat er mir mehrmals erwähnt, dass er erst eine richtige Beziehung mit mir Eingeht nachdem er mit einem Arzt gesprochen hat. Maxim befürchtet dass er…wir Kinder zeugen könnten die nicht…überlebensfähig sind.“
Nachdenklich blickte er abwesend neben mir in die Luft. Konzentriert waren die Augen verengt. Auf das Resultat war ich gespannt. Auf einmal sah er mich tief in die Augen. „Sein Problem was das Betrifft ist das geringste. Innert wenigen Sekunden kann ich das feststellen. Was mich beschäftigt ist, was macht er mit der nutzlosen Info wenn er weiterhin bis an sein Lebensende hier eingeschlossen bleibt? Soweit ich sehen kann wird seine Lebenserwartung hier drin drastisch gekürzt. Länger als zwei Jahre gebe ich ihm nicht. Also soll ich ihnen dabei auch helfen?“
„Gerne“, kam es aus meiner trockenen Kehle. Hoffnungsvoll setzte ich meinen treuen Blick ein. Schliesslich wirkten bei ihm bettelnde Hundeaugen. Schon einmal half er seinem Schützling.
Dennoch besass er ein letztes, gesundes Zweifeln. „Warum sollte ich einfach so meine kostbare Karriere auf Spiel setzen um ihnen zu helfen?“
Dass schmerzte! Eigentlich besass ich nichts als geeignetes Druckmittel. Daher griff ich zum letzten schweren Schiffsanker. Bluffte stinkfrech. „Schade haben sie nicht den trainierten Körper von Maxim gesehen. Er hat mir immerhin auf drei Arten beigebracht, wie ich mit einem Schlag, sie leicht ausser Gefecht setzen kann. Wohl bemerkt für immer, tödlich.“
Erstaunt wich mein Gegenüber einen Schritt zurück. Allerdings bezweifelte er meine Drohung. „Das klingt überhaupt nicht nach Maximilian. Aber ich stelle auch eine bedeutende Bedingung, die du mir erfüllen musst. Ansonsten ziehst du nämlich alleine los!“
Nervös sah ich ihn an. „Ja, die wäre?“
„Du“, mit zusammen gekniffenen Augen sah er mich an. „Du sorgst für die drei Hunde.“
„Ähm“, entfuhr es mir verwirrt.
„Ganz einfach. Es sind drei junge Welpen. Ich will das du sie nach draussen schmuggelst. Ihnen ein richtiges Zuhause gibst, damit sie endlich weiches Gras unter ihren Pfoten spüren dürfen. Aber ich will dass du gut für sie sorgst. Sie sind etwas ganz besonderes. Bei allem was dir heilig ist musst du mir Versprechen dass du sie nie verschenkst oder verkaufst!“
Erleichtert atmete ich auf. „Ist das alles. Gerne übernehme ich die Verantwortung. Maximilian wird sich eh freuen wenn er Gesellschaft bekommt die beim Anschleichen nicht so trampelt wie ich. Ausserdem… Auhhhh!“ Entfuhr es mir entsetzt als der Arzt zuerst wie dankend meine Hand ergriff, dann aber heimtückisch eine versteckten Nadel, in meine empfindliche Fingerkuppe bohrte.
Er sah mich entschuldigend an. Drückte einen roten Blutstropfen heraus den er mit einem hauchdünnen Glasplättchen auffing. Eilig verschwand er in einem abgedunkelten Raum. Dessen schmale Türe mir neben einem grossen Schrank gar nicht auffiel. In dem kleinen Labor flammte blendend die Deckenleuchte auf. „Damit kann ich einige Fragen lösen“, rief er mir nach. Warf aber hastig die Tür, mit einem rückwärtigen Fusstritt, zu. Eindeutig verwehrte er mir den Zutritt.
„Welche“, brummte ich mit gefurchter Stirn. Der kurze Blick in das fortschrittliche Labor reichte um mich zu beunruhigen. Dessen gehobener Standart in keiner Weise meiner Zukünftigen Zeit nachstand. Erstaunlich wie sie so was Herstellten.
Er rumorte im inneren Raum. Neugierig warteten zwei tapsige Welpen vor der Türe. Bis einer protestierend bellte. Sofort öffnete der betreuende Arzt und liess sie in sein Reich reinschlüpfen. Zwei! Die Rede war ja von Drei! Wo?
„Wie bringe ich die drei lebhaften Hunde ungesehen hinaus“, rief ich ihm besorgt nach.
„Dafür sorge ich jetzt gerade indem ich sie vorübergehend etwas einschläfere. Und...“ man hörte deutlich seine Anstrengung. „In einem Korb verstaue.“
Danach quietschten leise Räder. Kurz darauf erschien ein schlankes Transportwägelchen, mit einem grossen geflochtenen Weidenkorb in der untersten Ablage. Nur weil alle anderen Tablett fehlten versteckt sich das lebende Geheimnis perfekt. Mit einer ausholenden Geste schwang der Arzt ein blütenweisses Tuch abdeckend darüber. „So das müsste klappen, komm!“
Entschlossen jagte er zur Tür hinaus. Sein langer offener Mantel flatterte zur Seite als befände er sich in einem entfachten Sturm.
„Herr..?“ Ich wusste nicht mal wie ich ihn ansprechen sollte. Er drehte sich nur halb herum. Mahnend ein Zeigefinger in die Höhe. „Keine Namen. Man weiss nie wer der nächste sein kann der gefoltert wird. In diesem gesicherten Gebäude ist alles möglich. Und man hat wirklich schon jeden Gefangenen zum Reden gebracht. Das kann ich dir mit hundert Prozent Bestätigung schriftlich geben.“ Er sah mich absolut tödlich ernst an. „Um positives Endresultat zu erzielen benötigen wir eigentlich überhaupt nicht die geringste Gewaltanwendung. Nur einige meiner studierten Kollegen lieben einfach die Vielfalt der Experimente. Spannung um den Alltag zu versüssen.“
„Abartig“, sagte ich angewidert.
Nachdenklich verharrte er vor der einen Tür. „Ja, vielleicht. Du darfst nicht vergessen, wir haben hart studiert. Wir kennen nichts anderes als studieren und experimentieren in diesem Superlabor. Das ist unser Zuhause hier, wo wir selten verlassen. Da ... vielleicht verliert, man mit den Jahren, den Bezug zur wirklichen Realität.
Wie zum Beispiel diese wichtige Tür. Automatisch wollte ich sie gerade mit meiner persönlichen Karte öffnen. So einfach eben wie immer vorgegeben. Es wäre mein Todesurteil würde ich so handeln wie es auf dem Anleitungsblatt steht. Mein einseitiges Denken muss von praktizierendem Arzt zum gewieften Dieb umschalten. Warte hier, ich...“ Er streckte sich leicht verlegen, drückte sich vorsichtig leise aus, „Klaue mal die Karte von jemand anderen.“
Beim davon hasten hörte ich ihn noch wie er beschämt sich verbesserte, „Auslehnen.“
Es dauerte kaum ein Minute. Die dauerte lange genug wenn man sich mit seinen unzähligen Gedanken herumschlägt. Besonders quälend die Zweifel um Verrat. So eine Winzigkeit vor dem Ziel durfte ich mir keine Fehler leisten. Ich war gespannt wie eine geladene Feder.
Von weitem realisierte ich seine eilenden Schritte. „Hier“, hielt er triumphierend eine kleine Karte hoch wie sie in unserer Zeit für Zahlungskarten oder moderne Ausweise dienten.
„Ich kenne den Code, ich kenne den Code“, sang er leise vor sich hin als er vor der Türe stand und sie seitlich in durch einen Spalt schob. Ruckartig schob sich die dünne Wand zur Seite. Gab einen kleinen Schalter frei, der eine Zahl verlangte.
„Ohne meine Hilfe wärst du nie ins geheime Labor vorgedrungen. Das kennen nicht einmal die Königlichen Inspektoren. Ha !“ Jubelte er als sich die Wand lautlos ganz zur Seite schob. Enttäuscht erblickte ich einen weiteren leeren Raum. Kaum rollte der Arzt den Wagen hinein erhellten automatische blendende Lichter den Raum. Mein Begleiter wartete ausserhalb der Schwelle. „Von hier musst du alleine weiter. Ich darf nicht riskieren dass man mich sieht. Die gegenüberliegende Seite einfach wie eine Schiebetür..., “ er zeigte mir eine fliessende Handbewegung. „Dann bist du drin in Herzstück. Nun muss ich mir ein glaubwürdiges Alibi besorgen. Ach ja bevor ich es vergesse.“ Gedanken verloren sah er mich an. „Es tut mir Leid für die traurige Botschaft.“
„Was“, entfuhr es mir entsetzt. War Maxim am Ende schon was passiert?
„Maximilian“, fing er mitfühlend an. Mir rutschte das hämmernde Herz in die Hosen als er den Namen erwähnte. „Das was er wissen wollte. Nun, ihr.. er wird nie ein Kind mit dir zeugen können. Eure Werte liegen zu weit auseinander. Seltsamer Weise sind die Gene überhaupt nicht in geringster Weise kombinierbar. So was habe ich bisher selten gesehen. Es ist fast so als ob DU nicht von unserem Land abstammst. Du bist doch nicht etwa Ausserirdisch?“ Über diese verrückte Vorstellung schüttelte er selber seinen Kopf. Aufmerksam überprüfte er den Inhalt des Korbes. Erleichtert dass er abgelenkt war, ersparte ich mir eine Ausrede.
Entspannt dösten die Welpen vor sich hin. Da hielt er nötig zu erwähnen. „Sollte er jemals eine andere Freundin finden, wäre es ratsam erneut zu testen. Zwar besteht dann nur eine minimale Chance dass er einen lebensfähigen Erben produzieren kann, sozusagen Eins zu Tausend, immerhin. Hoffentlich enttäusche ich deine Erwartungen an ihn nicht. Vor allem mach dir keine Vorwürfe weil deine Gene für ihn absolut nicht kompatibel sind. Dafür kannst du nichts. Ist einfach trauriges Schicksal.
Nur langsam dämmerte mir was ihm so schwer über die Zunge ging. Es handelte nur um diese belanglose Sache, dass mir keine Mutterfreuden bevorstanden? Für mich war das absolut Nebensächlich. Um seine Sorgen zu vertreiben gestand ich, „Um Kinder geht es mir überhaupt nicht. Ich reicht es schon wenn ich Maximilian überhaupt sicher neben mir habe. Wir sind ja ständig auf der Flucht.“ Mir kamen fast die Tränen hoch. „Ich bin schon glücklich wenn ich ihn nur in den Armen halten kann. Für ein paar ruhige Minuten. Das ist mir viel wichtiger. Ausserdem sind nicht junge Hunde wie Kinder. Ist zwar ein schrecklicher Vergleich in diesem Fall.“
„Aber liegt auch wahres darin. Ihr werdet eure Freude haben. Hoffentlich kommt ihr heil heraus. Ich wünsche Euch alles Glück. Ich ... es ist höchste Zeit zu verschwinden.“ Einmal drehte er sich in seinem Eiltempo herum, dann verschwand er wirklich und liess mich in absoluter Stille zurück.
Nervös, aufgeregt stand ich eine Minute einfach abwartend da. Mein Kopf brauchte Zeit um alles zu verarbeiten bis ich zum nächsten schwierigen Schritt überging. Uns trennte nur noch eine lästige Tür. Hinter der nächsten dünnen Wand musste mein Geliebter sein. Sei ruhig, sei Ruhig, ermahnte ich ständig, doch die Nerven vibrierten am Limit wie überspannte Drähte. Was immer hinter der nächsten Tür lag, ich würde mein Leben einsetzten um bei Maximilian zu sein. Behutsam strich ich über die polierte Oberfläche der Tür. Versuchte das Rauschen in meinen Ohren abzustellen. Alles drehte sich um mich. Erst die Kühle des kalten Materials brachte mich zu Vernunft. Sei Mutig, sei Stark, es ging um meine Zukunft. Entschlossen drückte ich die Tür zur Seite. Geräuschlos schob sich das geölte Eisen zur Seite. Grelles Licht blendete mich. Hier sparte man nicht an Strom. Vier Leute mit dem Rücken zu mir beugten sich auf einen Tisch auf dem jemand lag. Ihr Interesse galt nur dem wehrlosen Patienten. Ganz automatisch bewegten sich meine Füsse vorwärts. Sollte, durfte ich hoffen...
Heiser würgte ein schwache Stimme, „Neeein“, die gequetschte Kehle hoch. Für einen Moment hatte ich Mühe die Stimme zu erkennen. Zögernd wagte ich mich vor bis ich einen Meter hinter den abgelenkten Ärzten stand. Ihre weite Schutzkleidung verhinderte einen klaren Blick. Mit grosser Mühe hielten sie ihr zappelndes Opfer fest. Grosse modere Lampen blendeten, schmerzten in meinen trockenen Augen. Grüne Kleidung flatterte hin und her. Da bückte sich jemand zu der halb nackten Gestalt hinunter und mein Herz zuckte zusammen.
Braune, sanfte, gequälte Augen starrten hoch zu dem blendenden Licht der Deckeleuchte. Verlorener Blick in die Ferne, ein vollendeter Körper lag da wie eine wertlose Hülle. Auf einmal schienen diese starren Augen etwas wahr zu nehmen, zu fühlen, zu ahnen. Als ob die entflohene Seele in ihren Körper zurückkehrt, senkte sich sein Kopf allmählich ohne sich um die hektischen Bewegungen zu kümmern. Von den Ärzten, brutale Folterer, bemerkte jeder die urplötzliche Veränderung. Bis jemand seinem Blick folgte, mir fragend ins fassungslose, blasse Gesicht sah. „Wer sind sie“, herrschte mich eine fremde Stimme von der Seite an.
„Safina“, hauchte mein Freund erschöpft. Gab endlich seinen sinnlosen Kampf auf. Sackte erleichtert mit einem unendlich unwiderstehlichen Lächeln auf die weissen Laken zurück. Sein ganzer Körper entspannte sich, trotz der unbequemen, harten Unterlage. „Endlich bist du da, mein Traum.“
Ziemlich einfallslos stand ich wie gelähmt da. Tränen glänzten in meinem feuchten, überlaufenden Augen. Um ehrlich zu sein jeder vernünftige Mensch hätte mich, blind vor Liebe stehend, einfach überwältigen können. Professionelle Ärzte sehen das etwas anders. Sie benutzen bevorzugt ihre spitzigen Spritzen. Ihr kalkulierter Vorteil war zugleich meine Rettung. Was anderes, vor meinen Augen, hätte mich nicht schneller in die Gänge geschossen. Aus dem blossen Seitenblick entdeckte ich das aufblitzende Geschoss. Jemand hielt Maximilians Arm und die dünne Nadel zielte statt auf seine Adern plötzlich in meine Richtung. Adrenalin kribbelte durch meinen Körper. In Bruchteilen einer Sekunde reagierte ich wütend auf die neue Bedrohung. Entschlossen packte ich das nächst liegende, es sah eigentlich aus wie ein Kleiderständer diente jedoch für Fusionen. Wirbelte die schwere Stange herum. Eine grüne Haube flog von seinem aufschreienden Gesicht. Jedoch blieb der Ton in seinem Hals stecken. Schonungslos hämmerte das stabile Teil mitten an seine Stirn, dass er einfach wie ein Sack umfiel. Er würde es überleben, mit einer riesigen Beule als Verschönerung.
„Weg von Maximilian“, kreischte ich halb hysterisch. Ohne Nachzudenken schleuderte ich den schweren Ständer in den nächsten ungeschützten Magen und wieder auf den folgenden gekrümmten Rücken. Die Zwei lagen Besiegt und gleichzeitig bestraft am Boden. Blieben noch zwei übrig. Eine erstarrte Assistentin und ein flexibler handelnden Arzt der auf den rettenden Ausgang losstürmte. Das Ding in meiner Hand war zu schwer, unhandlich um es geschickt zu werfen. Aber nicht das was daran hing. Schnappte mir eine durchsichtige Flasche mit farblosem Inhalt und schleuderte sie an dem rennenden am Kopf vorbei. Mein Ziel galt auch der harten Wand davor. Splitternd zerschellte das kostbare Glas, Flüssigkeit spritzte zu Boden. Einem sehr glatten Boden dank der Hygienischen Reinigung. Während ich los sprintete glitt der Arzt, dank den glatten Schuhsohlen, bereits aus dem Gleichgewicht heraus. Ungebremst krachte er seitlich an der Wand. Probierte aufzustehen, rutschte jedoch wie auf Glatteis, auf dem ungewohnten, gemeinen Belag aus. Auf allen Vieren kroch er den letzten Meter vor die rettende Türe. Bevor die ausgestreckte Hand sie berührte, schickte ich ihn, mit einem kräftigen Schlag, unfreiwillig ins Reich der Träume. Um ehrlich zu sein, in dem kritischen Moment war mich sogar egal ob ich ihn damit umbrachte. Für mich zählte nur mein vermisster Freund, mein zukünftiges Leben. Es war in höchster Gefahr. Als ich mich umwandte bemerkte ich rasch dass die zukünftige Ärztin sich von ihrem ersten Schock erholte. Absolut tödliche, zitternd zielte ein Skalpell auf den hellen ungeschützten Hals von Maximilian. Entsetzt starrte ich zuerst auf die unsichere Klinge, dann ziemlich böse in ihre zögernden aufgerissenen, blauen Augen. Von allen bösen Teilnehmern, hier im Raum, handelte sie im Grunde am klügsten und versuchte mich zu erpressen. Ihre ausströmende Angst konnte sogar ich riechen.
„Frau“, drohte ich freundlich aber mit eisiger Bestimmtheit. „Wenn nur ein Tropfen Blut fliesst, bringe ich dich um!“ Das war kein leerer Scherz. Bitterer Ernst war aus jeder meiner Bewegung zu lesen. Ihre nervösen Finger zitterten noch schlimmer. Am Fusse meines unersetzbaren Freundes hielt ich inne. Unglaublich gefasst, löste ich seine engen Bandagen auf welche schon seine sensible Haut ziemlich entzündete. Erleichtert, mit leuchtenden Augen sah mich Maximilian an dann hoch zu der gefährlichen Bedrohung. „Sie sollten lieber das scharfe Messer wegnehmen. Ich habe Safina selber trainiert und sie wird gnadenlos angreifen solange mein Leben in Gefahr ist.“
Mutig und dennoch unsicher hielt sie die gefährliche Klinge näher bis sie fast das weiche Fell berührte. „Und wer beschützt mein Leben“, erklärte sie ihre verzweifelte Lage.
Maximilian schluckte leer. „Wenn sie einfach in die Ecke zurück treten, ohne sich weiter um uns zu kümmern wird Safina ihnen nicht tun. Ich habe doch dein Wort Safina? Du haltest dich daran?“
Ohne die potentielle Gefahr aus den Augen zu lassen liess ich meine gespannten Schultern sinken. „Bei meiner Freundschaft zu dir, tue ich meinetwegen den Gefallen.“ Legte meine Stange möglichst lautlos auf den Boden zurück damit die junge Frau auf keinen Fall erschreckte und ihre unruhige Hand ausrutschte.
Ungläubig schaut sie mich an. „Ich habe wirklich ihr heiliges Versprechen!“
Ernst, widerwillig nickte ich ihr zu. Nervös auflachend hob sie ihre tödliche Waffe langsam hoch. Beide Hände zeigten ihre Bereitschaft aufzugeben.
Mit einem schweren Seufzer stürmte ich zu Maximilians ausgebreiteten Armen. Befreite ihn von den letzten einschneidenden Fesseln. Aufstöhnend stürzte er in meine offene Umarmung. Meine Hände umfassten seinen kühlen Oberkörper, strichen ungläubig über seinen langen Rücken. Das war ein sensationelles Gefühl, wie in ein perfektes Zuhause heimzukehren. Sein warmer Atem an meinen Ohren. „Ich habe dich so vermisst.“ Seine Nähe, diese Geborgenheit, ihn endlich so zu berühren war einfach phantastisch. Ich wollte ihn nie mehr loslassen.
Die überflüssige Frau presste sich, mit einem aufgesetzten Lächeln, an die Wand. Schlich sich unauffällig Richtung Ausgang. Maximilian, langjähriger Jäger, gepeinigtes Opfer, witterte sofort die neue Gefahr. Lies nichts ausser Kontrolle. Blitzartig schwang er sich von seinem unbeliebten Bettlager herunter. Scharfe Augen fixierten die unscheinbare Frau. Hastig warf sie ihr wertloses Messer auf den Boden hinunter. Verzagt lächelte weiter, wobei sich das Gesicht hässlich verzerrte. Verzweifelt mit hoher Stimme „Ihr habt mir versprochen nichts zu tun!“ erinnerte sie Maximilian.
Wie ein Raubtier lähmte er seine verängstigte Beute. „Wer hat Gnade für mich gezeigt? Niemand! Nur Safina hat ein Versprechen abgegeben, ich nicht!“ Deutlich kostete er seine neue Überlegenheit aus. Winselnd, leidend wechsele diesmal zu der jungen Praktikantin. Ihre Augen weiteten sich vor Schreck als er geschmeidig auf sie zuging. Mit einer schnellen, humanen Bewegung drückte er diesmal eine geladene Spritze in ihren Oberarm. Innert wenige Sekunden entleerte er den Inhalt. Dann trat er zurück an meine Seite. „Keine Sorge, die kippt gleich um.“
Überrascht sah ich stolz meinen halb nackten Freund an. Abgemagert, das man jede Rippe entdeckte. Dennoch kräftig, wie ein ausgehungerter Jaguar. Grinste als er sich, der mangelnden Kleidung bewusst, hastig umschaute. Bewundernd verfolgte ich seine geschmeidigen Bewegungen bis er in den weiten Arbeitsumhang, einen der Ärzte, schlüpfte. Dabei verfolgte ich mit Bedauern wie er seinen perfekten Körper verdeckte. Viel lieber hätte ich ihn überall abgeküsst. „Ich liebe dich.“ Entfuhr mir ganz ungewollt. Sprach eher laut meine Gedanken aus.
Seine dunklen Augen schauten hoch. Er brauchte gar nichts zu sagen. Ich las alles darin was ich mir je wünschte.
Als nächstes zerrte er einem der bewusstlosen Ärzte ziemlich rau die Hosen weg, schlüpfte hastig hinein. Schuhe folgten über deren Enge er eine Grimasse schnitt.
Mir den Rücken zugewandt, zupfte er seine Kleidung zurecht. Zitternd strichen meine Hände über seine kräftigen Schultern. Mein Kinn zuckte unkontrolliert. Ungewollt flossen warme Tränen über meine blassen Wangen. Gerührt drehte er sich hastig herum. „Safina, Safina“, bat, flehte er mich zur Vernunft. „Wir sind so nahe am Ziel. Wir suchen meinen früheren Arzt und dann versch...“
„Das brauchen wir nicht“, unterbrach ich gefasst, „ich habe ihn getroffen und er hat es mir erklärt.“
„Gut dann verschwinden wir gleich und du erzählst es mir später. Safina, ich freue mich auf den Moment wo wir endlich wieder alleine in Sicherheit sind. Ich werde dich lieben. Keinen Moment aus den Augen lassen. Egal wie der Bescheid meines Freundes ausfällt. Ich...“
„Komm“, appellierte ich ihn diesmal zur Vernunft. Fest drückte ich seine kalte Hand, zog. Vergebens, nach einer Sekunde Unentschlossenheit zog er mich stattdessen näher. Sachte, unsicher küsste er mich soweit das mit einer Schnauze eben möglich war. Zaghaft berührten sich unsere Zungen. Es Elektrisierte mich bis in die Zehenspitzen. Ihm ging es genauso. Das ziehen im leeren Magen brachte ihn schneller in die Realität zurück. „Safina, ich sehe es in deinen leuchtenden Augen. Wenn wir jetzt uns nicht zusammennehmen kann keiner mehr die Hände vom anderen lassen. Also..“
Einverstanden nickte ich, bedauernd entfernte ich meine Hand aus seinem flauschigen Haar. Sah zu seinem Gesicht. „Wie verstecken wir dein Gesicht?“
Grinsend riss er ein weisses Handtuch aus einem der niedrigen Wandschränke. „Das kleinste Prob…“
Hell, schrill, pfiff ein durchdringender Alarm in gleichmässigen Abständen. „Was?“ Maximilian wirbelte herum. Zählte, entsetzt stellten wir fest das der erst Arzt fehlte. Eile drängte. In weiten Schritten rannte Maximilian den Flur hinaus. Hastig folgte ich ihm auf den Fersen. Draussen auf dem Gang schnappte ich mir den Wagen und rollte mit ihm hinterher. Quietschende Räder liessen Maximilian überrascht inne halten. „Was soll...“
„Das erkläre ich dir später.“ Dann merkte ich seinen raschen Atem. Also war er in schlechter Form. Schweiss klebte ihm von der ungewohnten Anstrengung auf der Stirn, im Fell. „Steig auf!“ Auffordernd klopfte ich auf oberste stabile Oberfläche. Etwas misstrauisch rutschte er drauf. Auf einmal erleichtert bog sich sein Rücken zusammen. „Gib Gas“, forderte er und ich stürmte den leeren Flur hinunter. Weiter vorn krachte eine überschnell aufgestossene Tür an die Wand. Sofort streifte sich Maximilian sein Tuch über den Kopf, verhüllte sein ganzes Gesicht. Kräftige Stiefel trampelten heran. Fünf gepolsterte Wachleute rannten, die ganze Breite des Korridors brauchend, heran wie robuste Bulldozer. Mir blieb kaum Zeit nachzudenken. Schrie ihnen verzweifelt entgegen. „Schnell, schnell“, winkte dem gewaltigen Sturmtrupp entgegen. „Ihr müsst den hinteren Raum sofort versiegeln.“
Aus den weichen Falten versteckt krächzte Maximilian. „Giftige Sporen breitet sich aus. Alles ist verseucht. ANSTECKEND, “ betonte er das letztere. „Ansteckend, kommt ja nicht in meine Nähe, mein Atem...“
Erschrocken sprangen, drückten die schwer bewaffneten Kämpfer sich hastig an die Wand. Es schepperte, kratzten die gezogenen Schwerter und Schilde an dem Mauerverputz. Diese Gelegenheit nutzte ich, sprintete durch die grosszügige Lücke. Schrie den entsetzten hinterher. „Wir gehen ins Isolierzimmer.“
Während die verunsicherten Wachen beratschlagten stürmten wir schon durch die erste Empfangshalle. Von Maximilians Idee begeistert warnte ich schreiend, „Vorsicht ansteckend. Ansteckend!“ So kurz vor dem Mittag herrschte Hochbetrieb in der Halle. Wie bei einem Bahnhof standen die wartenden Patienten, Krankenschwestern dicht beieinander. Dazwischen ein paar, seit schrillem Alarmzustand, aufmerksame Wächter. Bei meinen eindrücklichen Worten, spritzte die bunte Menge wie angestossene Billardkugeln auf ein sicheres Loch zu. Ungebremst steuerte ich auf einen der unscheinbaren Personalgänge zu, die andere wegen der Enge vermieden. Lachend sprang Maximilian vom Wagen als ich vor einer Treppe bremste. Wachen polterten über den Hauptgang hinter uns. Keiner wandte unter dem schweren, gepanzerten Helm den Kopf um den leisen Abgang von zwei Ärzten zu beobachten. Unbemerkt entkamen wir die steile Treppe hinunter welche direkt nach draussen auf den ersten Hofplatz führte. Im kühlen Schatten eines Torbogens traten wir ins Freie. Sobald wir uns an der sonnigen Wand entlang drückten traf uns die schwüle der ansteigenden Hitze. Maximilians gepresstes keuchen besorgte mich sehr. Das schlimmste stand noch bevor. Wir mussten irgendwie durch das bewachte Palasttor und der aufmerksame Posten würde kaum einen verhüllen Kopf akzeptieren. Wie Maximilian unbemerkt vorbei schleusen? Dongard, dachte ich zum ersten Mal mit Sehnsucht an den erfahrenden Kommandanten. Vor der Hausecke spähte ich halb hinüber, über den gepflasterten Platz wo emsig Betrieb herrschte. Wie geordnete Ameisen huschten die Angestellten über den grossen Platz. Soldaten bewaffnet, verteilt. Vermutlich in Kenntnis von dem Alarm oder auch nicht. Ihre Augen blickten ohne Interesse ins beschäftigte Volk hinaus. Allein auf mein Glück vertraute ich kaum. Da rollte ein kleiner Wagen mit wenig, zugedeckter Fracht vom Ausgang auf uns zu. Ein verhüllter Bewahrer als Kutscher. Wenn wir es schafften den zu überwältigen.
Maxim flüsterte schon entsetzt. „Vergiss es, die haben manchmal Magie. Eine falsche Bewegung... ausserdem, falls sie uns später fassen, kriegen wir die höchste Strafe ohne Verhandlung. Absolut tödlich einen Bewahrer zu überwältigen. Aber vielleicht können wir seinen unbewachten Wagen später unbemerkt stehlen. Warten wir im Schatten auf eine günstige Minute.“
Eben rückten wir einen Schritt zurück als der Wagen, zu unserer Überraschung, rückwärts um die Ecke erschien. Einen Meter platzierte der unvorsichtige Kutscher das wendige Gefährt über die Kante hinaus. Versteckte uns so vorzüglich. Nur was wenn der Bewahrer höchst persönlich um die Ecke marschierte um auszuladen?
Jemand sprang vom Kutscherbock, jedenfalls federte die Ladung unter einem erleichterten Gewicht wenig nach oben. Maximilian schob mich schützend hinter sich. Spannte seine übrig schwachen Muskeln.
Völlig unerwartet verharrten die Stiefel vor der Ecke. „Safina“, lockte eine mir sehr bekannte Stimme ungewohnt leise.
Maxim schaute mich stumm fragend an. Ein erleichtertes Lächeln huschte über mein Gesicht. „Dongard“, hauchte ich erklärend zurück.
„Dongard?“ Maximilian staunte verwirrt. Riskierte jedoch einen hastigen Blick um die Ecke.
„Ja, Maximilian, ich bringe euch sicher hinaus, doch die Sache eilt. Unruhe verrät mir die Luft. Ich kann es förmlich spüren...“ Sprachlos musterten sich Kommandant und Maximilian. Dann zuckte Maxim unerwartet zurück.
„Melf“, er hielt seine Stimme weiter gedämpft. Sein schützendes Tuch über dem verräterischen Kopf hielt er wegen der ansteigenden Wärme offen. „Ein Melf will uns helfen? Ihr steht doch alle irgendwo im königlichen Dienst.“ Er klang aufgeregt und entsetzt.
Dongard schlichtete rasch die schreckliche Wahrheit. „Es mag den Anschein haben. Ja, ich arbeite für den König aber dennoch du weist auch von meiner weitsichtigen Gabe. Gewisse Dinge die ich sehe, vor anderen weiss. Und Safinas Zukunft... ich weiss nur das ich ihr helfen muss, mehr darf ich dir nicht verraten. Eine Beeinflussung durch preisgegebenes Wissen sollte nie Veränderungen einleiten. Du darfst mir vertrauen... Safina so ruhig, “ bemerkte Dongard ein wenig besorgt.
„Ich will hier nur raus“, bemerkte ich mit schmerzender Schulter von meinem schweren Korb. Wohlgemerkt keinen Moment vergass ich die Hundekinder.
Dongard knüpfte das schützende Baumwolltuch von seinem Frachtgut hinten los. „Hinein mit euch! Besser als Fliegen, “ meinte er mit einem aufmunternden Lächeln zu mir.
Verwundert gab ihm Maxim zu wissen. „Melf, du bist mir ein unerklärliches Rätsel.“ Aber er schickte sich an unter das weisse Dach zu kriechen als auf einmal ein lang gezogener Hornlaut ertönte. Erschrocken zuckten wir alle betroffen zusammen. Wussten unsere Flucht war nun offiziell allen verkündet. Dongard reagierte gefasst. „Sie werden die Wagen prüfen. Safina, schau mich an!“
Es klang wie ein Befehl. Seine Augen brannten in die meinen. Vernahm augenblicklich das verführerische Singen. Vor lauter Aufregung, die nervliche Anspannung liess sich nicht so leicht vertreiben, weckte mich das Singen eher auf als sein gewünschtes Ziel zu erreichen. „Safina, lass dich gehen.“ Dongard trat entschlossen auf mich zu. In dem Moment schreckte ich völlig übereifrig zurück. Tänzelte mit meinen Füssen bereit für einen schnellen Sprint. Energie sammelte sich an. Unsicherheit, Maxims Gegenwart, Flucht, Angst. All das peitschte mich dermassen auf dass es undenkbar war ich entspannt zu lockern. Dongard forderte in der Eile unmögliches. Ich wollte bereit sein meinen kostbaren Freund zu bewachen und nicht untätig schlafen.
„Safina“, flehte Dongard Butterweich.
„Ich kann nicht.“ Wich scheu, überspannt weiter zurück.
Sofort wechselte Dongard seine eingeschlagene Taktik. „Steig sofort in den Wagen. Maximilian ich muss dich als Schild für sie benutzen. Es wird schwer für Safina werden aber ich will dass ihr beide lebend durchs Tor kommt. Und die Kontrollen können nicht nur aus Magie bestehen. Als schau mich an!“
Während dessen kroch ich auf den schaukelnden Wagen, neben die kleinen Fässer zu beiden Seiten, in einen schmalen Durchgang. Nur einen halben Meter hoch die geladene Ware so dass ich mich rasch bückte, umdrehte. Dongard sang leise, konzentriert mit sanften Worten. Augenblicklich zog er meinen Freund komplett in seinen Bann. Besonders die letzten Worte erschreckten mich als er ihn leise eindrücklich forderte, er sollte unverletzbar sein und vor gar nichts Angst haben. Alles ruhig, gelassen überstehen. Willenlos wie eine Marionette setzte sich Maxim schliesslich auf den Wagenrand. Dongard liess ihn einschlafen. Erstaunlich geschickt hob Dongard ihn sofort hoch. „Nimm ihn über dich“, drückte er mir den schlaffen Arm entgegen. Gerne zog ich meinen Geliebten in meine Nähe, während Dongard bereits das Tuch wieder nach unten befestigte. „Safina, egal was du hörst, fremde Stimmen, oder siehst, schreckliche Bilder, Visionen. Denk immer daran: alles ist eine Illusion. Egal wie Real es dir erscheint. Wie warm, wie kalt, es ist nur eine vorbeiziehende Illusion. Sag kein Wort, bewege keinen Muskel wenn dir Maximilian was bedeutet. Ist das klar!“
„Klar, Kommandant“, gab ich eindrücklich, wie eines seiner gezähmten Schäfchen, zurück.
Anfangs rumpelte der Wagen ziemlich schnell, unangenehm über die unebenen Pflastersteine. Höchst bedenklich, kriminell steuerte Dongard den wendigen Karren durch die engen Gassen. Suchte den einfachen Weg wo ihn die wenigsten Menschen behinderten. Dafür nahm er schon mal in Kauf dass sein Duli erschrocken über einen kleineren Berg von Abfall hüpfte.
Wenigstens warnte er mich kurz vorher, damit ich Maxims Kopf schützte. Unruhig hüpfte der Wagen von der einen auf die andere Strassenseite. In den schmalen Durchgängen verursachten der Wagen mit seinen Eisenreifen, an den Rädern, einen Heidenkrach. Was wiederum den Duli nervös tänzeln liess. Auf einmal lenkte Dongard sein Gefährt in die geschäftige Hauptstrasse hinein. Drosselte seine Geschwindigkeit, passte sich der langen, schleichenden Wagenkolonne an. Jetzt gegen Mittag kehrten zu unserem Vorteil mehr die Bauern und Kaufleute zu ihren Mahlzeiten in eine der Gaststädte. Wohlriechende, aromatische Düfte strömten aus den geöffneten Fenstern auf die Strasse hinaus. Überdeckten sogar den strengen Geruch der schwitzenden Zugtier und den Dunggeruch der an den Strassen haftete. Da die meisten in die Stadt hinein drängten, wollten nur wenige auswärtige Händler wieder nach Hause. Ihre Geschäfte waren erledigt. Genau wie wir versuchten sie de ansteigenden Hektik, der Stadt, zu entfliehen.
Die verlockenden Düfte der Küchen drangen sogar durch unser Stoffdach hindurch. Dem betäubten Maximilian viel es vermutlich gar nicht auf, aber mir knurrte schon gelegentlich der leere Magen ab den verheissungsvollen, würzigen Duftwellen. Zum Glück näherten wir uns schnell dem Torbogen. An den autoritären Stimmen erkannte man die überprüfenden Wächter welche hin und wieder Fragen stellten.
Erleichtert stellte Dongard fest das man nur grob Überprüfungen anstellte. Die nachlässigen Torwächter schätzten, dass es niemand in dieser kurzen Zeit schaffte, ihren äusseren Stadtrandbezirk zu erreichen. Oder ohne immerhin aufzufallen. Dongard lieferte ihnen auch keinen Grund. Geschickt manövrierte er seinen aufgeregten Duli, der bereits die Weite des Landes witterte, vor eine stauende Kolonne. Gelassen bremste er den Hengst ab der bereits erkannte dass sie auf dem Heimweg waren.
Die unbestechlichen Melfeninspektoren hielten sich im oberen schattigen Torgang versteckt. Vor dem sonnigen Tor winkte ein kräftiger Wächter, ein gewöhnlicher Mensch, praktisch alle Leute durch ohne die üblichen, langweiligen Fragen zu stellen.
Alles schien in bester Ordnung. Bis der starke Arm des Wächters nach vorne zuckte und den langen Zügel ergriff, welche den Duli steuerte. Sofort stoppte das nervige Kraftpaket. Allerdings mit einem sehr aggressiven, unwilligen Ausdruck. Dongard versteckte seinen aufkommenden Ärger dagegen meisterhaft. Diese verantwortlichen Melfen arbeiteten schlampig. Nicht nur dass sie sich weitaus überschätzen, dieser ahnungslose Aufpasser griff sogar völlig unbekümmert ins Duligeschirr. Damit riskierte er bereits ein paar Finger zu verlieren, als er sich dem Kutscher zuwandte. Einzig Dongard scharfe Warnung, „Pass auf deine Hand auf!“ Rettete in letzter Sekunde die kostbare Hand vor den bleckenden Zähnen. Respektvoll wich der unerfahrene Inspektor endlich einen Schritt, vor dem stampfenden Hengst, zurück.
Erleichtert lehnte sich Dongard zurück an seine gepolsterte Rückwand. Versuchte einen höflichen Ton zu finden „Was gibt es?“
„Ihr wartet! Es gab einen Wink von oben.“
„Mit irgendeine Begründung“, sagte Dongard zurückhaltend sanft.
Verstimmt drehte sich der verstaubte Wächter ihm zu. Unter seinem gepolsterten Eisernen Helm schmorte sein Gehirn schon zu lange unter der unerbittlichen Mittagssonne. Er schwitzte und der Staub kratzte unangenehm an seinen ungeschützten Stellen. Alles andere als gut gelaunt schnauzte er zurück. „Wenn die verlangen, “ er deutete mit seinem Finger zum Wachturm hoch, „zu warten, dann wartet ihr. Begründungen überflüssig.“
Befliesendlich nickte Dongard. Flüsterte mehr zu sich selbst. „Sehr geistreich.“
Mit einem erzürnten Blick, über die unverfrorene Bemerkung, hielt sich diesmal der gereizte Wächter nicht länger zurück. Übellaunig setzte er seine zu engen Stiefel in Bewegung. Autoritär baute er sich neben der Kutsche auf. Blähte seine starke Brust auf„Was sollen diese überflüssige Äusserung? Wollen sie ernsthaft sich mit mir anlegen?“ Dabei glaubte er immer noch an seine Überlegenheit.
Da kam er beim strengen Dongard gerade an den Richtigen.
Der beugte sich steif nach vorne, mit einem eisigen, warnenden Blick. „Kommandant Dongard! Obwohl ich nur auf einem gewöhnlichen Transport unterwegs bin achte ich trotzdem auf das äusserliche Erscheinungsbild. Soldat ich weise darauf hin dass ihre Stiefel unehrenhaft geputzt sind. Dreck aufweist der garantiert vor ihrem Dienstantritt Geschichten erzählt. Ausserdem sollten sie mal ihre verrutschte Uniform richten, bevor ihr Vorgesetzter, “ er deutete auf den heran nähernden Melfen, „Ihr fehlerhaftes Auftreten bemerkt. Sie verschleudern leichtsinnig ihre Beförderung. Oder bevorzugen sie es immer auf diesem…“ Er blickte mitfühlend auf die erbarmungslose Sonne hoch. „Heissen Posten degradiert zu bleiben?“
Fassungslos benötigte der ausgelaugte Wächter schon einige Sekunden um zu begreifen was ihm schonungslos entgegen donnerte. Schliesslich klang alles begreiflich logisch. Doch er kannte seine eher gutmütigen Vorgesetzten. Melfen kümmerte sich mehr um ihresgleichen. Waren Streng aber selten zornig. Daher wunderte er sich über den heftigen Ausbruch dieses äusserst peniblen Halbmelfen. Hastig riskierte er einen prüfenden Blick in die dunklen Augen des Kommandanten. In einem gleichgültigen Gesicht funkelten höchstens die Augen aussergewöhnlich Lebhaft. Also wagte der Wächter einen neuen vorsichtigen Angriff. „Warum auf einmal so ruhig?“
Dongard präsentierte seine makellos glänzenden Stiefel, die er aufs Abstützbrett stellte um seine eleganten Beine zu strecken. „Als Kommandant warte ich wenn es verlangt wird. Sollte es mich trotzdem aufregen, “ er blickte streng nach unten. „So beherrsche ich mich und zeige es nicht. Ich nutzte nicht meine Stellung aus um andere zu schikanieren. Egal wie mies mein Tag angefangen hat.“
Damit spielte er mehr als deutlich auf die missliche Lage des Wärters an und vor allem seine unfreundliche, vernachlässigte Bedienung.
Sichtlich erleichtert wischte sich dieser den Schweiss von der Stirn als sein persönlicher Vorgesetzter ihn erlöste. Verdrückte sich rasch unauffällig hinter dessen langem Rücken.
Gross gewachsen, an die zwei Meter Grenze reichend, lächelte ein junger hellblonder Melf erfreut zu dem entspannten Kommandanten hoch. Jedenfalls schien er entspannt.
„Hallo“, grüsste der ahnungslose, „Wie geht es euren Drachen?“ Er strahlte übers ganze edle Gesicht.
Dongards Mine verfinsterte sich zusehends. „Seit wann schreit ihr, ungebildeten Frischlinge, geheime Projekte in aller Öffentlichkeit aus? Bringt man euch auf der Akademie nichts mehr Vernünftiges bei?“
Verstört sah ihn der wesentlich jüngere an. Sein dunkelblauer, luftiger Anzug verriet dass seine Ausbildung kurz vor der Vollendung stand. Eigentlich nur noch die Abschlussprüfung bevorstand. Irritiert startete der Unerfahrene, „Ihr seid... ein Halbmelf?“
„Kommandant Dongard, Regiment vier“, stellte sich Dongard vorbildlich korrekt vor.
Was der andere schwierig auffasste. „Wir sind doch eine Familie? Alle miteinander Verwandt, da können wir doch Förmlichkeiten beiseite lassen, “ meinte dieser gutmütig.
Ohne eine Miene zu verziehen sprang Dongard elegant vom Wagen hinunter. Stellte sich gerade vor seinen Kameraden hin. Schmunzelte harmlos, „Sind wir im Dienst oder ausserhalb?“
Die erste Freundlichkeit nahm der Junge wohlwollend auf. Erleichtert strahlte sein Gesicht auf. „Eine halbe Stunde, dann gibt es die grosse Pause“, verriet er. „Wollt ihr mit uns Essen?“
Sanft sah ihn Dongard an. „Ist das ein neuer Zeitvertreib?“
„Äh, wie ?“ Unverständnis in jeder Sicht.
Unerschrocken sah Dongard strenger hoch. Diesmal verdüsterte sich der Ausdruck ankündigend wie ein aufkommendes Gewitter. „Wo bleibt eure teure Ausbildung. Rang! Namen!“
„Das ist doch ein Scherz?“
„Keineswegs! Was sind das für nachlässige Disziplinen?“ Bellte Dongard richtig los dass die Leute, in fünfzig Meter Entfernung, noch eingeschüchtert verstummten. Sprachlos blinzelte sein Gegenüber völlig baff. Jemand legte Dongard rückwärtig eine feingliedrige Hand auf die Schulter. Stolz, ebenfalls grösser als Dongard hatte sich der Melf lautlos genähert. Silbriges Haar verriet sein hohes Alter. Ein goldiger funkelnder Stirnreif wies auf seinen hohen Rang hin. „Dongard“, begann seine ruhige, melodiöse Stimme, „Du bringst mir doch nicht meine Schüler durcheinander?“
Auf seinem Standpunkt beharrend gab Dongard zurück, „Wenn du sie so mangelhaft schulst dann schadet eine Belehrung kaum!“
„Gnadenlos wie eh und je. Benutze mal deine Melfischen Fähigkeiten, dann verstehst du Lihtin besser.“
„Da gibt es nichts zu verstehen. Solange wir im Dienst sind, gelten für alle dieselben Regeln. Ausserdem solltest du ja wissen dass ich nie eine Ausbildung als Melf absolvierte. Dafür fehlt mir die Zeit. Es gibt wichtigeres zu tun als da draussen... in der Wildnis rumzuhängen.“
Milinor, der älteste Melf von der ganzen Königlichen Stadt, atmete hörbar enttäuscht aus. „Du hältst es für Unnötig, überflüssig es überhaupt in Erwägung zu ziehen. Dabei kann dir die seltene Gabe eines Tages von unerwartetem Nutzen sein. Noch bis du Jung genug.“
Dongard winkte ab. „Das wenige was ich beherrsche reicht vollkommen“ Dummerweise erinnerte er sich da gerade an Safina erfolgreiche Gegenwehr. Sein ausweichender Blick verriet ihn.
„Dongard“, fragte Milinor sehr eindringlich. „Darf ich in dich hinein sehen?“
Zum ersten mal erschauderte Dongard. Sollte er Milinor gewähren lassen würde er einen tiefen Einblick von seinen Gefühlen und Erlebten offenbaren. Vielleicht sogar sein Zukünftiges Schicksal verraten. Entdeckte er gar darin Safina?
„Verrat mir zuerst, was los ist mit diesem Alarm?“ Versuchte Dongard von sich abzulenken.
Milinor hörte einen Moment dem scheusslichen Heulen in der Ferne zu. „Scheint ein entflohener Sträfling zu sein. Aus der Arena entkommt keiner also bleibt nur das Labor oder das Arbeitslager übrig.“ Er nickte seinem etwas abseits stehenden Schützling zu. „Fangt an die Wagen zu kontrollieren!“ Wandte sich erneut Dongard zu, welcher jedoch Lihtin schärfer denn je ins Auge fasste. Dieser schlich Interessiert gerade um seinen Wagen herum. Beiläufig meinte Dongard im richtigen Moment; „Bauer.“
Die empfindlichen Ohren eines Melfen vernahmen die offensichtliche Beleidigung. Anklagend sah er betroffen zu Dongard hinüber. Dieser Verteidigte sich; „Seit wann benimmst du dich wie ein gewöhnlicher Bauer? Du bist doch in der privilegierten Lehre für höhere Melfen. Lernst du da überhaupt irgendetwas?“ Er betonte seine Worte sorgfältig betont, herausfordernd, keinesfalls beleidigend. Dennoch glühten die Wangen des jungen Mannes auf. Mit verstimmter Mine vollführte er eine Handbewegung. Murmelte unverständliche Worte in seiner heimischen Ursprache.
Es knisterte daraufhin hörbar unter der gespannten Decke. Dongard bemühte sich seine gespielte Ruhe aufrecht zu erhalten. Hoffte das Safinas vernünftiger Durchhaltewille weiter funktionierte.
Mit sichtbarem schrecken vernahm er das verräterische Rascheln. Lautlose Magie spürte ein empfängliches Opfer auf... oder?
Triumphierend meinte Lihtin dich die Hände reibend, „Davon hattest du wohl keine Ahnung?“
Dongard presste seine Zähne zusammen, ballte seine schmalen Finger zu einer Faust. Fluchtartig glitt die grelle grüne Schlange unter dem schmalen Spalt des Tuches hervor. Etwas dumpfes knallte hinterher gegen die Stoffwand. Mit zittrigen Beinen trat Dongard vor. Da zwängte ein flauschiges Fellbündel seinen knurrenden Kopf durch den engen Ausgang. Zappelte, rutschte sich überschlagend auf den staubigen Boden.
Geblendet von der grellen Sonne blinzelte der junge Hund orientierungslos. Schnupperte an den nahesten Lederstiefel. Lachend erklärte Dongard, „Der Lieferant hat mir angekündigt dass er eine kleine Überraschung beifügte. Aber mit einem Welpen habe ich wirklich nicht gerechnet“
Verstimmt kreuzte Lihtin die Arme vor seiner Brust. Als der struppige Welpe ungeschickt ihn ansteuerte lockerte er seine ablehnende Haltung. Streckte seine Hand nach dem flauschigen Fell aus.
Misstrauisch wich der junge Hund seinem gut gemeinten Angebot aus. Dafür tapste er eilig zu dessen kostbaren Wildlederstiefel. Setzte sich müde auf dessen gepolsterte Spitze. So liess er sich zu Lihtins Freude endlich streicheln. Ein paar wenige Sekunden. Dann hoppelte er erneut zum Wagen zurück.
Empört starrte Lihtin auf die scheussliche gelbe Pfütze auf seinem nassen Stiefel. Nur ganz sehr selten, in seinem bisherigen Leben, verlor Dongard seine eiserne Kontrolle. Obwohl er hastig eine Hand auf seinen Mund presste, schaffte er es nicht mehr sein inneres Lachen zu verbergen. Seine Schultern erbebten.
Staunend beobachtete Milinor seinen ehemaligen Schüler. „Das ich das mal erleben darf“, flüsterte er mehr zu sich selbst. Dongard vernahm es und wischte sich rasch eine flüchtende Träne von seinen Augen. Fasste sich, strafte seine Schultern und der kalte, eisige Kommandant war zurück.
„Dongard“, gab ihm Milinor kopfschüttelnd, tadelnd zu wissen. „Du bist im Freien, auswärtigen Dienst. Entspann dich!“
Finster funkelten Dongard Augen zu ihm hoch. Er erkannte die melfische Mentalität, welche unendliche Ruhe ausstrahlte. Fühlte dessen Überlegenheit und irgendwie passte es ihm überhaupt nicht das die angespannte Situation anders verlief als geplant.
„Dienst ist Dienst, egal in welcher Tätigkeit ich unterwegs bin. Ausserdem ist es gerade im auswärtigen Dienst ungemütlich, lange Reisezeiten auf sich zu nehmen. Meine Zeit ist knapp und mein Lager braucht mich.“ Bekümmert blickte er zum Himmel hoch. „Eine Stunde noch bis zur heissesten Tageszeit. Lass mich weiterziehen bevor es unerträglich wird. Du hast mein Wort das ich nichts tue, oder bei mir führe was dem jetzigen je König schaden könnte.“ Unterstrich seine Eile mit der verabschiedenden Hand. Beeindruckt schüttelte Milinor die verabschiedende Geste. Hielt Dongards Finger länger als nötig. „In diesem Punkt vertraue ich dir. Doch in einer anderen Sache glaub ich fast Furcht zu erkennen. Erlaubst du mir zu sehen damit ich selber beruhigt sein kann.“
Lange haderte Dongard mit sich selbst. „Furcht suchst du vergebens. Schliesslich erkenne ich meine Zukunft selbst, wenn auch nur undeutlich. Doch ich halte es auch für klüger die Einzelheiten auszulassen. Sonst treten nur unverhoffte Veränderungen ein wenn ich dementsprechend vorbereitet reagiere. Und mit dem Wenigen was ich bereits weiss bin ich völlig zu zufrieden. Aber um unnötige Sorgen zu vertreiben…“
„Gönnst du einem alten, verschwiegenen Grosvater einen kostbaren Einblick“, lachte Milinor strahlend. „Das ist lieb von dir.“
Über die ungewohnte Bezeichnung zuckte eine Gesichtshälfte von Dongard zusammen. Man hatte ihn schon vieles genannt, aber lieb passte überhaupt nicht zu einem vorbildlichen Kommandanten.
Diesmal liess Milinor sich von der Ernsthaftigkeit anstecken. Ruhe herrschte im engen Umkreis. Obwohl Lihtin brav die weiteren gestressten Kutscher aufhielt, ungeduldige Tiere mit den Hufen scharrten, nahm Dongard kaum mehr davon etwas wahr. Selbst die anhänglichsten Fliegen verdrückten sich aus dem gespannten Energiefeld das zwischen den beiden Gleichgestellten Kommandanten herrschte. Warme Hände berührten Dongards Schläfen. Angenehme, entspannte Ruhe durchflutete seinen Körper. Offen, mit reinem Gewissen hielt er Milinors hellen Augen stand. Lies ihn klar lesen wie aus einem offenen Buch. Ihm selbst viel es schwer aus der Bilderflut etwas klar zu erkennen. Die geöffneten Kammern in seinem Innern verschlossen sich bevor sein Verstand anfing zu analysieren. Obwohl nur einen Bruchteil einer Sekunde, so glaubte sich Dongard eine Ewigkeit, in seiner inneren Geschichte verirrt.
Eine halbe Minute stand er weggetreten da bis Milinor eine Hand vor seinem Gesicht schwenkte. Verwirrung stand in den Zügen des Kommandanten. Doch Milinor lächelte zuversichtlich. Klopfte Dongard grob auf die Schultern was den rasch in die Gegenwart brachte.
„Dongard“, lobte Milinor mit einem schelmischen Ausdruck, „In dir steckt mehr als ich je erwartete. Allerdings braucht es erst einen gehörigen Wirbelsturm der das ganze auslöst. Danach musst du nur noch aufpassen das du dich mit ihm Veränderst. Du...“ Milinor sah zu seinem jüngsten Schützling hinüber der den Blick auffing. „Sei vorsichtig wenn du den Sturm zähmst, sei nicht so grob wie vorhin zu Lihtin. Zeig deine andere Seite. Ach, du wirst es schon merken. Es freut mich für dich.“
Wenig begeistert wandte sich Dongard an seinen Wagen zu. „ Sonst keine zusätzlichen Bedenken?“
Milinor stachelte, „Bist du Unsicher? Kennst du das Wort überhaupt?“
„Ich weiss was ich tue“, verteidigte sich der Kommandant sofort. „Plane soviel wie möglich im Voraus.“
Bedenklich faltete der Weisere die Hände zusammen. „Zuviel Kontrolle kann auch eine Schwäche sein.“
Nachdenklich kletterte Dongard auf den Kutscherbock hoch. Deutete mit einer offenen Hand hinweisend zu Milinor. „Vielleicht ergibt sich irgendwann eine Gelegenheit mit der Ausbildung.“ Sah überprüfend über das hintere Wagendach. „Bevor der Sturm losbricht.“
Milinor bestätigte, „Nachher findest du keine Zeit mehr.
Komm mich mal im Dunkeln mit einem deiner ...Wunder besuchen. Nur für ein Wochenende. Unsere Familie interessiert sich sehr über die Entwicklung deiner Tiere.“
„Keine Zeit.“ Bedauernd schüttelte Dongard den Kopf. Es war Wahrheit und Ausrede zugleich. Wusste dass er sich auf seine Vollzeitbeschäftigung zurück freute, die ihm kaum Freizeit erlaubte. Das geordnete Aussenlager war sein aufgebautes Zuhause, welches er nur ungern verliess.
Wissend schüttelte der alte Melf sein silbernes Haupt. „Wenn du die Ausbildung vollendest hast, nehme ich dir diese lahme Ausrede nicht mehr ab. Ein geborener Organisator wie du schafft es immer Platz einzuräumen.“
Winkend verabschiedend setzte Dongard seinen Wagen in Bewegung. Blicke abschätzend zum grellen Himmel und beschleunigte deutlich sein Gefährt. Ahnte was für eine unerträgliche Hitze sich unter dem schweren Zeltdach sammelte. Erst als er sicher war dass die aufmerksamen Wächter, auf der weit zurück liegenden Mauer, ihn unmöglich noch als interessantes Objekt beachteten, zupfte er an den losen Zügeln. Sofort reagierte der empfindliche Duli. Im flotten Trab überholte er die trägen Bauerngespanne. Hinter ihm blieb eine Staubwolke inmitten der Strasse hängen. Windstille trieb allen den Schweiss aus den Poren.
Unbeweglich lag ich absolut still da. Wagte keinen Muskel zu bewegen. Einerseits weil ich fürchtete das die nasse Kleidung unangenehm an mir klebte, anderseits aus purer Angst. Vor mir züngelte eine aufgerollte grüne Schlange, drohend! Obwohl ich mit Dongards Worte zu Herzen nahm und ständig wiederholte alles sei nur eine Illusion, so hämmerte mein Herz rasend und aufkommende Atemnot quälte mich. Anwesenheit von fremden Leuten zwang mich ruhig liegen zu bleiben. Unsere Sicherheit gehörte oberste Priorität. Also presste ich die trockenen Lippen zusammen und die brennenden Augen. Versuchte zu vergessen wo ich gerade lag.
Kurze Zeit später richtete Dongard endlich ein erlösendes Wort an mich. „In ein paar Minuten kann ich das Dach etwas öffnen. Wie geht’s da unten?“
Ich wagte kaum zu blinzeln. Direkt vor meinem Gesicht zischte diese giftige Schlange.
Wie sollte ich da meinen Mund aufmachen?
Unverständlich wagte ich zu murmeln. „Nimm sie weg!“
Dongard hingegen streichelte gerade den flauschigen Pelz durch, der müde, vertrauensvoll sich an ihn schmiegte. „Warum sollte ich? Sie fühlt sich sehr wohl. Mach dir keine Sorgen.“
Gepresst murmelte ich zwischen den knirschenden Zähnen, „Ach ja! aber ich fühle mich unwohl also mach sie weg.“
„Hey, keine Angst. Sie fällt nicht hinunter und sie wird sich nicht in Luft auflösen. Ich gebe gut Acht.“
„Meine Wünsche zählen wohl nichts! Wenn sie in ein paar Minuten noch hier ist greife ich an und schlage sie dir danach um die Ohren!“ Versprach ich ernst, egal wie die Konsequenzen hinterher schlecht aussahen. Mir der Hitze kam ich einigermassen Klar. Dieses gefährliche Monster das mich ständig bedrohte, liess meine Geduld dahin schmelzen. Gegen diese Gefahr bestand schliesslich eine Möglichkeit anzugreifen.
Allmählich dämmerte es selbst Dongard das nicht der harmlose Welpe meine Panik steigerte. Wagte einen Spalt des Daches zurück zu schieben. „Oh“, tönte es Mitfühlend. „Ich verstehe. Einen Moment das haben wir gleich.“ Vollführte eine konzentrierte Handbewegung, begleitet von gemurmelten Worten in einer mir fremden Sprache. Allmählich verblasste die echte Nachbildung, bis sie sich vor meinen starren Augen auflöste. Schwer aufatmend füllte ich meine leeren Lungen. Erlöst sackte ich mit zitternden Nerven auf die harten Bodenbretter zurück. Der nasse Schweiss, Gestank und Staub war mir auf einmal Gleichgültig. Müde legte ich meine unruhige Hand über den reglosen Maximilian. Traurigkeit, Schmerz fühlte ich über den Zustand meines Gefährten. Am meisten störte mich die eigene Machtlosigkeit. Ohne Dongards Hilfe, wo wären wir da? Dankbar sah ich hoch. Traf allerdings nur einen geraden Rücken an. Blendendes Licht bohrte sich brennend in meine strapazierten Augen hinein. Sofort senkte ich meinen Kopf auf Maxims Arm hinunter. Unerträglich der Druck der Hitze. Ausser imstande irgendeinen Muskel zu bewegen. Gnadenlos rüttelte uns die schwache Federung, des einfachen Transportkarren, durch wie hilflose Marionetten. Mir war einfach schlecht.
Scharfer Hufschlag trommelte gleichmässig über die ebenere Strasse. Ausserhalb der Hauptstrasse verteilte sich die Abnutzung des Strassenbelages gleichmässiger. Hier fanden die weniger gestressten Kutscher noch Zeit die gröberen Steine aus dem gepflegten Weg zu räumen. Hier drängte keiner von hinten.
Leichtfüssiger Hufschlag. Dongard lenkte sein Gefährt auf den nächsten schattigen Flecken zu. Einen alten Nussbaum der mit weiten ausladenden Ästen und viele Blättern vor der gleissenden Sonne schützte. An jeden anderen Obstbaum hingen gerade reife, süsse Früchte welche dementsprechend auch die lästigen Insekten anzogen. Er wollte vermeiden dass sein empfindlicher Duli unnötig gereizt wurde. Gespannt horchte der Kommandant auf die neben führende Strasse, und tatsächlich drosselte der eilende Reiter seine Geschwindigkeit. Statt vorbei, zielte der gerade das angehaltene Gespann an.
Zum ersten Mal sorgte sich Dongard denn der nähernde bekannte Laut verriet dass es sich um einen königlichen Boten handelte. Unverkennbar die scharfen Hufe eine weiteren Dulis. Um keinen Verdacht zu erregen wandte er sich gemütlich herum. Wie beiläufig lies er seine Hand über Rückenlehne gleiten. Kaum erblickte er die grosse Reiterin wartete er auf einen günstigen Moment, bis sie ihren kräftigen Duli zügelte, und geschickt nutzte er ihre Ablenkung um die Plane zu schliessen. Behielt seinen Arm locker weiterhin abgestützt über dem Rückenpolster.
„Hallo“, begrüsste er gut gelaunt eine wohl Bekannte aus seiner einstigen Ausbildungszeit. „Kommandant Damarilis, schön dich wieder einmal zu sehen.“ Winkte sie heran. Überraschung strahlte aus dem von der Sonne gebräunten Gesicht. Elegant lenkte sie geschickt ihren übermütigen jungen Duli heran. Sein kurzes Fell verfärbte sich leicht rosa als er nervös auf den Wagen zustapfte. Sofort funkelten Kommandant Damarilis hellblaue Augen wachsam auf. „Was hast du den gefährliches Geladen?“
Gemütlich setzte sich Dongard auf der schmalen Bank bequem. „Sprengstoff.“
Beruhigt näherte sich die Uniformierte schlanke Reiterin. Kräftig, energisch lenkte sie ihr störrisches Tier, welches die verborgene Gefahr witterte.
Sie schüttelte ihre kurzen dunkelblonden Haare. Mehr um die lästigen Mücken zu vertreiben als wegen ihrem Unverständnis. „Hallo, Dongard. Wie kommt es das ausgerechnet du so eine explosive Landung transportierst? Dafür hast du doch geschulte Untergebene.“
Nichts trübte Dongards Freude über das Wiedersehen. „Du solltest mich besser kennen. Eine solche heikle Verantwortung überlasse ich niemand anderen. Bei dem trockenen Wetter. Leider garantiert mir das gerade den Erhalt der empfindlichen Ware.
Wie ich sehe hast du es tatsächlich auch bis nach oben geschafft.“ Seine Stimme klang stolz. „Bist du gerade auf einer Mission?“
Weisse gerade Zähne blitzten ihm entgegen. Fasziniert blieb Dongard Blick an dem fröhlichen Lächeln hängen. Überhaupt erinnerte er sich gerne an die frühere Schwärmerei für diese zielstrebige Kollegin. Erst wenn man sie näher betrachtete viel einem auf das dies hübsche Gesicht sowohl einer Frau wie einem jungen Mann gehörte. Auf den ersten täuschenden Eindruck verkörperte sie einen entschlossenen erfahrenen Kommandanten. Eine gerade Nase, ein mittelmässiges Kinn, aber wenn sie lächelte, für ihre Freunde, dann übertraf ihre Weiblichkeit viele ihres Geschlechts.
„Ja, ich soll ein paar auffällige Spione aufspüren. Eigentlich ein Kinderspiel doch jemand unterstützt sie erfolgreich von Ausserhalb. Also suche ich genau nach einem dritten getarnten Verräter was der ganzen Sache eine gewisse Würze verleiht. Ganz nach meinem Geschmack. Übrigens darf ich einen harmlosen Blick unter deine Plane werfen? Damit ich beruhigt sein kann hinsichtlich meiner unumgänglichen Pflicht, alle Wagen sind zu durchsuchen, die ich bis heute Abend auf dieser Strasse antreffe.“ Ihre entschuldigenden hellblauen Augen mit goldenen, leuchtenden Punkten baten um Nachsicht. Dongard warf rasch die Plane seitlich aufwärts. Gab Blick auf die schweren Fässer frei. „Klar, ich verstehe dich. Allerdings darf ich dich höflich darum bitten dass du die Deckel erst am kühleren Abend aufmachst. Zu unserer beiden Sicherheit würde ich das wärmstens empfehlen. Aber wenn du mir überhaupt nicht traust lade ich dich gerne ein uns zu Eskortieren. Dafür spendiere ich dir sogar das beste Abendessen auf der Speisekarte. So eine wertvolle Fracht beschützt zu wissen wäre mir sogar viel mehr Wert.“
„Euch? Wenn beziehst du mit Uns ein?“ Ihr intelligenter Verstand bemerkte Dongards Versprecher doch er reagierte genauso geschickt inner Bruchteilen einer Sekunde.
„Klar, meinen wertvollen Zuchtduli, mich und meinen allerneusten Reisegefährten, ein kleiner Hund. Also darf ich auf deine angenehme Gesellschaft zählen?“
Abermals schüttelte sie den Kopf. „So charmant wie früher. Aber es hat sich in dieser Hinsicht absolut nichts geändert.
„Schade“, bedauerte er ehrlich. „Darf ich dich heute Abend trotzdem Einladen?“
Sie beugte sich neugierig vor. „Streck mal deine langen Beine aus!“
Mit einem schiefen wissenden Lächeln platzierte Dongard seine Stiefelabsätze demonstrativ über die vordere Fussstütze. Damarilis belohnte ihn mit sehnsüchtigen Augen. „Schade, wirklich schade. Besonders jetzt wo ich sehe dass du mittlerweile erwachsen bist. Deine Muskeln stehen dir gut, doch ich glaube im Rennen kann ich dich immer noch um eine Nasenlänge besiegen. Nachdem was ich jetzt sehe verspreche ich dir dass ich dich bald im Lager besuche um das zu testen. Ist das ein Angebot?“
„Wenn du es wirklich versprichst, “ meinte er fröhlich, „dann verzeih ich dir heute die Eile.“
Sie legte ihre kräftige Hand aufs Herz. „Ganz, ganz ehrlich“, gab sie ernst zurück. „Ich will sehen wie gut du bist.“ Sie reichte ihm ihre Hand hinüber. Dongard nahm ihr Angebot funkeln an. „Nach dem Sieg lasse ich für uns ein herrliches warmes Bad einrichten.“ Schelmisch lächelte er sie verschmitzt an. Rückte näher an ihre Seite. „Mit uns meine ich nur wir zwei. Einverstanden?“
„Du gibst wohl nie auf. Was soll das?“
„Völlig harmlos gedacht. Du bewunderst meine Beine und ich deinen perfekten Körper. Bevor du erneut schlimmeres Denkst, mir schwebt da nur eine entspannende Massage vor Augen. Wann hast du dich das letzte Mal verwöhnen lassen?“
Eindrücklich prüfte sie sein ehrliches Angebot. Er hielt ihren scharfen Augen stand. Sachte biss sie auf ihre Unterlippe, nachdenklich. „Du hast Recht. Deine raren Angebote sind kostbar. Auf jeden Fall werde ich das Annehmen. Sobald es sich einrichten lässt, eile ich zu dir.“
Kräftig drückte sie erfreut die Hand zum Abschied. Wehmütig blickte er ihrer Staubwolke nach. Bedauerte dass sie niemals tiefere Gefühle für Männer hegte. Unempfänglich für seinen Charme.
Aufmerksam überprüfte er die Gegend. Ausser einem harmlosen armer Bauer der Gras mähte um es später als Heu einzulagern, zeigte sich kein weiterer Mensch. Flink zupfte er das Stoffdach auf die Seite.
Schweissperlen rannen trotz dem Schatten über mein Gesicht. Schwer atmend genoss ich erleichtert den schwachen Windstoss, der die unerträgliche Schwüle im Wageninneren abschwächte. Dongards heiteres Gesicht wandelte sich in Sorge. „Safina, du gefällst mir überhaupt nicht. Hier...“ Er streckte mir eine Wasserflasche entgegen. Träge stemmte ich mich mit den schweren Armen hoch. Lehnte an Vorderstütze. Dankbar trank ich ein paar kurze Schlücke. Das kalte Wasser tat fast meinen empfindlichen Zähnen weh. Schlimmer noch dem warmen Magen. Reichte ihm die Flasche zurück. Nachdenklich schüttelte er das mit Leder umfasste Trinkgefäss. Hielt sie mir erneut unter die Nase. „Bevor nicht die Hälfte weg ist. Erst danach reisen wir weiter.“
Unbegreiflich sah ich hoch. Seine dunklen Augen unerbittlich. „Bei der Hitze musst du mehr trinken, oder willst du heute Abend krank sein. Dabei ist gerade heute eine spezielle Nacht. Ich lasse euch für ein paar Stunden alleine, bewache aus entfernter Distanz. Also entweder du trinkst und bist fit für deinen unvergesslichen Moment oder du kannst mit Fieber im Bett liegen. Was ist dir lieber? Romantik mit Maximilian oder lähmendes Fieber!“
Mit knallrotem Gesicht sah ich abgewandt zu meinen Schuhen. Verflixt, musste er sich so deutlich ausdrücken. Unwillig riss ich ihm die Flasche aus den Händen. Zwang mich unter den wachsamen Augen mehr Flüssigkeit zu trinken. Wobei ich jeden Schluck eine Weile im Mund hielt um ihn etwas vorzuwärmen. „Gut“, lobte der Kommandant meine kluge Einsicht. „Du hast keinen Grund verlegen zu sein. Sieh mich an!“
Diese vollständige Überlegenheit hasste ich. Finster sah ich seitlich an. Unbeeindruckt winkte er ab. „Sieh mich direkt an! Mit beiden Augen.“
„Was willst du eigentlich“, herrschte ich ihn an, des Spiel leid.
„Sieh mich an und ich verrate es dir“, klang er freundlich, geduldig. Was sollte ich tun. Tief atmete ich durch und sah ihn an. Begegnete warme, liebevolle Augen, die mich milde stimmten. „Zufrie...“ Weiter kam ich nicht. Gebannt hielt er meinen Blick gefangen. Lähmte damit meinen ganzen Körper. Willenlos lies er mich vorsichtig auf den Bretterboden neben Maximilian sinken. Wie sehr ich mich dagegen wehrte, stärker sein unerbittlicher Wille, zwang mich unterzuordnen.
„Es ist zu deinem eigenen besten, wenn du nach dem Stress ausruhst“, sagte er leise. „Schlaf! Du wirst ihn dringend brauchen, denn wer weiss wie die nächste Nacht vergeht. Vertrau mir. Ich pass auf!“
Mir klappten die Augen zu und traumlos entführte mich der Melf.
Unsanft stiess ich mir den Kopf an. Ungewohnt auch die ruckartige Bewegung des harten unbequemen Transportmittels. Protestieren hielt ich meine Hand abtasten über die schmerzende Stelle. Natürliche Sternenbilder erkenne ich am klaren Himmel. Abend oder spät Nacht? Laute Stimmen aus einem Wirtshaus dringen an mein Ohr. Demnach eben erst kurz nach Sonnenuntergang. Denn die Stimmen sind deutlich, ausgelassen. Es fehlt der berauschende mitreissende Ton. Stiefel knirschen über den Kies. Ein dunkler Schatten verharrt hinter dem Wagen, etwas zupft mich an meinem Fuss. „Safina“, ruft Dongard gedämpft. Dasselbe bei Maximilian. Stöhnend dreht der sich, eben aufgewacht, ungelenkig auf den Bauch. Hält sich mit einer Hand den Rücken. Das spärliche Licht aus dem Fenster läst erkennen das wir auf einem einzelnen Hof gelandet sind. Positiv das selbst die leichten Vorhänge auf die Seite offen stehen. Also hat uns Dongard in eine ehrbare Unterkunft geführt. Abseits ist ein grösseres, in die Länge gezogenes Zelt kaum sichtbar. Aufgeregt blähten sich die weiten Nüstern, flemmte unser unruhiger Duli da hinüber. Stemmte sich ins Geschirr, was einen weiteren schaukelnden Ruck auslöste. Da erkannte ich den Übeltäter meiner wachsenden Beule. „Wird der nie müde?“
Dongard musterte seine neue Züchtung. „Doch, gerade deswegen ist er so aggressiv. Er verlangt nach seiner Ruhe.
Also die Sache sieht folgender Massen aus. Für uns gibt es einen ungestörten Platz im Stall. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte, es sind zurzeit etwa dreissig Soldaten stationiert. Ausser Dienst, aber wir sollten unser Glück nicht herausfordern. Halten wir uns also abseits! So unsichtbar, unauffällig wie möglich.
Safina versorge bitte den Duli im Stall! Maximilian blieb ruhig sitzen. Inzwischen besorgte ich uns einen kleines Abendessen und ein paar saubere Decken. Bevor diese übermütige Bande drinnen alles beansprucht. Danach bleibt genug Zeit mich um deinen Rücken zu kümmern. Es dauert nur wenige Minuten, “ prophezeite Dongard. Durchdachte, organisierte alles perfekt wie im Lager. Zielstrebig schritt er zur Haustür davon.
„Maxim wie geht’s?“
Zurücklehnend sah er zu mir hoch. Rasch setzte ich mich neben ihm. Gemeinsam suchten unsere Hände zu einander. Genossen die nächtliche Ruhe, die Atempause. Liessen unsere Beine über die Wagenkante baumeln.
Es drängte mich mit jeder Faser ihn zu umarmen. Wahrhaben, Bestätigung dass er tatsächlich unversehrt neben mir sass. Doch auf eine unerklärliche Weise spürte ich einen Hauch einer winzigen Barriere. Dieser gefolterte Maximilian war verändert seit unserer letzten Trennung. Nachdenklicher, besorgter. Obwohl ich ihn erst so wenige Stunden zurück hatte, spürte ich all die kleinen Dinge. Seine natürliche Ungezwungenheit war weg. Jede zaghafte Bewegung als erwarte er einen strafenden Hieb von dem er nicht mehr zurück wich sondern erduldete. Sich seinem Schicksal ergebend. „Maxim“, hauchte ich besorgt. Er verstärkte den warmen Druck seiner trockenen warmen Hand. Wohlwollend nahm ich seinen unzerstörten Willen wahr. „Es geht schon. Ich brauche nur etwas Zeit dann ist alles wie früher.“ Damit wollte er zwar mich beruhigen, aber ich hegte den starken Verdacht das er sich damit selber belügt. Sein alte Abneigung gegen die verurteilenden Menschen, sein Misstrauen, alles verstärkte sich erneut. Formte ihn, hinterliess unvergessliche Narben in seinem leider oft unterschätzten, klaren Verstand. Ahnten diese Ärzte überhaupt was sie anrichteten. Sollte einer wie Maximilian je ausflippen, zu einem Kriminellen ausarten...der Schaden wäre enorm. Mit überlegenen Talenten versehen war er einem gewöhnlichen Menschen weit überlegen. Alleine schon wie er sich unsichtbar anpasste, bemerkenswert. Vertrauensvoll legte ich für einen kurzen Moment meinen Kopf an seine Schultern. Da er kaum auf meine Vertrauten Gesten einging, rutschte ich vom Wagen herunter. „Ich geh dann mal zum Stall“, kam es mir wenig begeistert. Aber der erschöpfte Duli hatte seine Nachtruhe verdient. Je schneller ich ihn versorgte umso schneller würde ich zurück in Maxims Nähe sein. Ihn seine alten Gepflogenheiten herauslocken.
Mit schweren Beinen schlurfte ich zum Zelt. Unverschossene dicke Planen liessen sich auf die Seite schieben wie bei einem Duschvorhang. Warmer Tierdunst floss an mir vorbei. Unverkennbar Pferde. Mein Auftritt löste bei den wachen Einwohnern unruhiges Schnauben aus. Während ich nach einer Laterne suchte, wieherte der Duli zur Begrüssung. Streckte seinen Hals und flemmte aufgeregt. Nach dem ersten Lichtstrahl, meiner hilfreichen Lampe, erkannte ich die geschickten zweier Einteilungen des Stalles. Im Mittelgang genug Platz damit ein Wagen den Mist am Morgen bequem abführte. An die Wände verteilt je acht Pferde an jeder Seite. Angebunden gemeinsam, an einem dicken Seil das nach jedem Pfosten mit dem Zelt verbunden war. Im hintersten Mittelgang hielt ich es für am günstigsten den Duli zu versorgen. Spazierte gemütlich an den Hinterteilen vorbei. Beim letzten weigerte sich mein Duli mir zu folgen. Zerrte mich gleich zu einer ihm interessanten rossigen Stute.
Wirklich für das folgende fühlte ich mich überhaupt nicht verantwortlich. Denn mein Dulihengst berührte das zickige Tier nicht einmal. Schon pfefferte sie ihre zierlichen Hufe ihm um die Ohren. Achtsam wich er zurück, stiess ungewollt kurz an das runde Hinterteil eines Wallaches. Panik erfüllt schrie dieser auf als sei er von ihm gebissen worden. Zuckte nach vorne mit einem gewaltigen Satz. Verwundert wandte sich mein harmloser Duli neugierig auf die andere Seite. Schonungslos nutzte diesen Moment die hinterlistige Stute um ihren schmerzhaften Stempel in doppelter Ausführung auf seiner Vorderhand einzupressen. Buschige Ohren klappten zornig zurück. So eine rüde Behandlung schickte mein edles Tier postwendend Express zurück. Scharfe, spitzige Klauen ritzten eine tiefe Wunde in ihr Hinterteil. Berechtigt wieherte die Stute nun vor Angst. Wie ein Lauffeuer breitete sich die Panik über alle Tiere aus. Eines der Pferde bäumte sich auf, riss einen der hohen Stützpfosten aus der Verankerung. Jetzt wackelte die ganze Zeltdecke. Wie bei einem Dominospiel rissen die verstörten Tiere, mit ihren Leinen verbunden, die Pfosten reihenweise aus dem Boden. Das ganze Zelt drohte zusammenkrachen. Mein erschöpfter Duli selber wusste gar nicht wie reagieren sollte. Alles schwankte, die Stoffwände, die völlig verstörten wild gewordenen Pferde. Es krachte, Stoff zerriss. Ich selber drückte mich in die hinterste Wandecke. Kauerte nieder, geschützt vor den wirbelnden Hufen. Irgendwann ein kühler Luftzug, die ganze Decke verschwand, mit ihr die brodelnde Menge.
Vorsichtig späte ich unter meinen abschirmenden Arm ins Dunkle hinaus. Wenige Meter von mir lag unversehrt die umgeworfene Lampe. Winzig klein klammerte sich das unschuldige Flämmchen an den kurzen Docht. Eilig sprintete ich los, errettete sie vor dem ablöschen. In aufrechter Lage schaffte ich es ein paar Meter meiner aufgewühlten Umgebung zu erkennen. Letzte, leichte Heuhalme schwebten in einer trockenen Staubwolke zu Boden. Alle Tiere waren ausser Sichtweite geflüchtet. Mit einer seltenen Ausnahme. Hinter meinem Rücken suchte ein müder Duli die schmackhaften Heuresten zusammen. Gierig wie ein hochgeschraubter Staubsauger schluckte er die feinen Büschel fast ungekaut hinunter. Kein Wunder, lebte er bisher nur vom zähen Stroh und wässerigen Gras. Diese würzige Nahrung bedeutete ihm soviel wie für mich ein köstlicher Schokoladenkuchen. Frösteln trat ich gemächlich auf ihn zu. Damit ich leicht an seinen Strick geriet. Noch zwei Minuten liess ich ihn die kärglichen, verstreuten Reste einsammeln, dann zerrte ich ihn zur Wirtschaft hinüber. Vielleicht gab es da noch einen Kuhstall mit einem separaten Plätzchen. Schon auf dem Weg dahin, eilte mir jemand entgegen. Auffällig erkennbar das weissen Hemd in der Nacht. Ein sehr weites Herrenhemd, schlanke, kräftige Oberschenkel darunter. Überhaupt war die rennende Person mindestens einen Kopf grösser als ich. Erst auf dem letzten abbremsenden Meter erkannte ich meinen Irrtum, es handelte sich um eine athletische Frau. Obwohl ihr Gesicht mit den kurzen geraden Haaren genauso gut einem hübschem Mann angehören konnte. Allerdings formte sich verräterisch der Busen unter ihrem weiten Hemd ab. Durchbohrende helle Augen aus dem sonnengebräunten Gesicht liessen mich erstarren.
„Was ist passiert? Wo sind die Pferde?“ Herrschte sie mich laut an. Eine Befehlsgewohnte Stimme. Erst bei genauerem Hinhören weiblich. Ihr selbstsicherer weite Gang liess mich erschaudern. Wenn die loslegte dann... gute Nacht, blieb garantiert kein Knochen heil. Am besten stellte ich mich ahnungslos. „Pferde?“ Fragte ich dämlich, „Ach deswegen liegt da hinten überall Heu auf dem Boden. Dachte ich mir doch dass dies eine ehemalige Futterstelle sein muss. Aber freilaufende Pferde habe ich keine gesehen. Gibt es denn hier überhaupt eine Umzäunung?“ Überzeugte, streute viel Ahnungslosigkeit in meine Stimmelage. Misstrauisch stand sie Eindrücklich vor mir. Jede Faser ihres perfekten Körpers signalisierte wachsame Präsenz. Kriegerisch starrte sie über mich hinweg. „Wo ist das Zelt?“
„Zelt? Da hinten gibt es kein Zelt, “ verriet ich sogar ehrlich. Schmale, zu Schlitzen verengte Augen prüften mich. „Seit wann marschierst du mit deinem Duli hier herum? Du weist doch hoffentlich das man mit einem Dulihengst nicht in der Nähe eines fremden Pferdestalles soll!“
Eine Bedrohung durch eine Giftschlange wäre angenehmer als hier vor der überlegenen Tyrannin zu stehen. Höchsten Dongard Zorn käme dem angemessen entgegen. Überhaupt vieles an ihr erinnerte mich an meinen strengen Kommandanten. Ich hätte geschworen dass sie auch einen höheren Offizierstitel besass. Momentan kam ich mir vor wie ein zu Recht gewiesenes Kind. Etwas was mir arg missfiel. Es reichte schon dass Dongard sich wie ein überlegener Lehrer aufführte. Von einer Konkurrentin liess ich mich nicht mehr einschüchtern. Genau wie sie stemmte ich meine Fäuste in die Hüften. Fühlte wie sich meine Nackenhaare aufstellen als ich zurück anbellte; „Wenn Du mir ein schlechtes Gewissen auftischen willst, vergebliche Mühe. Da hinten gibt es keinen Pferdestall. Es gibt keine Pferde! Alles was du findest ist ein bisschen zerstreutes Heu!“
Demonstrativ hielt ich meine Lampe in die betroffene Richtung. „Siehst du was? Na, also ich brauch keine Brille!“ Murmelte leise hinzufügend, „Dafür brauchen andere ein neues Gehirn!“
Ihr weites Hemd flatterte als sie herumwirbelte. Durchdringende Augen brannten mich in ihr Gedächtnis. „Woher stammst du eigentlich mit deinem sonderbaren Akzent?“
Wollte sie mich jetzt überprüfen. Rasch schlüpfte ich unter dem Dulihals auf die andere Seite. „Wird das jetzt noch eine Fragestunde“, reklamierte ich, „Um diese Zeit? Habt ihr nicht was Besseres zu tun als brave Bürger zu belästigen! Falls ihr Soldaten jemals bei unserem Hof stationiert gibt es nur kalten Kaffee serviert!“ Drohte ich erbost.
Zog meinen Duli Richtung Haus. Irgendwo gab es noch einen anderen gewöhnlichen Stall. Aufgebracht verharrte sie unentschlossen auf der Stelle. Hände zu Fäuste geballt. Zum einen Verlangte ihr gekränkter Stolz mich in meine niedrigen Gefilde zurück zu drängen. Andersweilig beschäftigte sie das Verschwinden der Pferde. Den Sieg errang ihr innerer treffsicherer Instinkt. „Wie kommt es das ausgerechnet du mit einem königlichen Duli reist?“
Unschuldig sah ich rückwärts, suchte direkten Blickkontakt um jede Zweifel auszuräumen. „Bei einem Job als Pferdepfleger ist das schliesslich normal. Jedenfalls wenn man sich um Weiterbildung bemüht. Das ist doch kein Fremdwort für dich?“
„Verschwinde“, herrschte sie mich an. „so was freches ist mir noch nie begegnet.“
Grinsend gab ich das Kompliment zurück. „Hab ich schon schlimmerer Leute als dich getroffen. Gute Nacht, “ gurrte ich das letzte. Schnaubend schritt sie mit ausholenden Beinen auf das Haupthaus zurück. „Kolion“, brüllte sie so laut das mein Duli sogar die empfindlichen Ohren anlegte. „Kolion!“ Ihre Stimme überschlug sich fast. Klappernd öffnete sich ein Fensterladen. Licht entflammte. Energisch donnerte diese Kommandantin los. „Wenn du morgen nicht zu Fuss marschieren willst, würde ich mich auf den Weg machen eure entlaufenen Pferde einzusammeln.“
Nun öffneten sich gleich mehrere Fenster da die aufgeweckten Neugierigen zuhörten. Fluchen ertönte hinter den Scheiben. Hielt es eindeutig für Klüger von der Bildfläche zu verschwinden. Vor den Hausgrundmauern liess ich meinen Duli schnuppern. Innert weniger Sekunden fand er die nächste breite Türe zu einem weiteren. Stall. Erlöst verschwand ich im Inneren. Statt Kühe lagerten hier nur Strohballen. Herausgerissene Boxen damit sich der Lagerraum vergrösserte. Nur zu meiner rechten Seite gab es drei robust gezimmerte Abteile für grössere Tiere. Eines davon besetzt durch einen weiteren Duli. Erfreut parkierte ich meinen als Nachbarn daneben. Endlich am richtigen Ort angelangt. Als ich das lederne Geschirr in der Abstellkammer versorgte, hörte ich Schritte aus dem hinteren Gang. Vergebens meine Furcht. Das waren keine Soldaten sondern nur Maximilian begleitet von Dongard. Als er mich entdeckte meinte Dongard misstrauisch, „Hast du so lange gebraucht? Unser Duli ist doch völlig erschöpft.“
„Oh, fand es vorher nötig in der Gegend, Angst und Schrecken zu verbreiten“, betonte ich übertrieben.
Worauf er mit dem Zeigfinger genauso spielerisch vor meiner Nase winkte. „Keine ungenehmigte Ausflüge in der Dunkelheit“, meinte er scherzhaft. Lachte zu Maximilian, „Wer hat schon Angst vor Safina!“
Nachdenklich, eindrücklich sah Maximilian zurück. „War da draussen nicht ein Zelt?“
Dongard überlegte kurz, „Das sind die vielen Pferde stationiert von den Sol...?“ Stutzte, lauschte. Die empfindlichen Ohren von den beiden verfolgten einen bestimmten Laut. Selbst für mich war bald leicht zu deuten was die beiden auffingen. Stiefel trampelten über den Boden. Anscheinend eine ganze Horde. Besorgt nahm Dongard wunder, „Was ist da draussen los? Warum verlassen alle Soldaten überstürzt ihre Unterkunft mitten in der Nacht?“ Maximilian schloss konzentriert die Augen. Öffnete sie, nach dem er den einsaugenden Luftzug überprüfte, begleitet von einem Schmunzeln. „Die Pferde sind weg.“
„Eh?“ Unbegreiflich sah Dongard ihn an. „Erstaunlich wie du das riechen kannst! Aber erklärt es auch wie ein ganzes Rudel Pferde in so kurzer Zeit verschwindet?“
Maximilians Blick wanderte fragend zu mir. Gelassen zuckte ich mit der Schulter. Gestand, „Habe ich nicht schon zugegeben dass ich die Gegend unsicher mache?“
Durchdringend bohrte Dongard, „Wie?“
„Habe Zelt mit Stall verwechselt. Im Grunde hat deine unpräzise Angabe das rätselhafte verschwinden ausgelöst.“
Empörung mimend sagte Dongard, „Was! Jetzt bin ich noch der Schuldige?“
Diesmal lachte Maximilian, „Wer hat eben unbedacht geäussert dass sich niemand vor Safina fürchtet!“
Die sanfte Zurechtweisung sass. Humor zeigend wandte sich Dongard ab. „Ihr zwei seid miteinander Verbündet. Kein Wunder das ihr es schafft euch aus jedem Schlammassel zu befreien. So meine Lieben, ich überlasse euch den Rest der Nacht. Ihr seid hier bis morgen absolut sicher.“ Dem Nachdruck verleihend legte er seine Hand auf Herz.
Dankbar neigte Maximilian sein Haupt. „Wir wissen es zu schätzen. Friede begleite Euch!“
Dongard schon halb verschwunden, im vorderen Strohlager, verbesserte ihn, „Hoffentlich nicht nur zu schätzen sondern nutzt die günstige Zeit. Friede mit Euch!“
Seine Schritte verklangen auf dem steinernen Plattenboden als er auf einer Holzleiter im oberen Stallteil verschwand.
Für einen stillen Moment standen Maximilian und ich einfach nur da, schauten uns vielsagend in die Augen. Genossen die Ruhe die nur das laute Kauen vom hungrigen Duli unterbrach, oder ein gelegentliches Scharren. Irgendwo piepste eine Maus. Erst als mein Freund sich umschaute nahm ich es wahr. Er nahm meine Hand, flüsterte „lass uns nach draussen gehen. Jetzt sieht uns keiner mehr.“ Er führte mich nach draussen. Vorbei an der Türe, wobei er sich das saubere Handtuch neben dem Ausgang schnappte. Mir dämmerten seine Absichten. Einige Meter im Hof draussen verriet ihm ein Tropfender Wasserhahn den Standort der Tiertränke. Schon auf dem Weg dorthin knöpfte er sich sein verschwitztes Hemd auf. Im schwachen Mondlicht sah ich seinen freien hellhäutigen Oberkörper.
Mit klopfendem Herzen schlüpfte ich aus meinem dünnen Hemd. Unsicher stand ich in meinem BH da. Abwartend, denn aus Spargründen baute man keinen Trog um die Tiere zu tränken sondern nur eine breite Rinne. Wie sollte man da sich Waschen? Für einen Moment zögerte selbst mein Freund. Lautlos trat er vor mich hin. „Willst du das nicht ausziehen?“ Damit meinte er meinen BH. Aufgeregt versuchte ich ungeschickt hinten die Bänder zu lösen. Worauf mich Maximilian an den Schultern, mit einer warmen Hand sachte umdrehte. Es löste geschickt die dünnen Schleifen. Gelockert streifte ich mir die elastischen Haltbänder über die Schultern. Legte mein BH zu der anderen Wäsche, als sich tastende Finger über meinen weichen Bauch legten. Maximilian stand hinter mir, zog mich näher bis ich entspannt an ihn lehnte. Seine feinen Hände wanderten nach oben. Umschlossen meinen Busen als sei er zerbrechlich. Für ihn war alles genauso neu wie für mich. Dennoch ich wollte mich umdrehen, ihn ansehen, meine prickelnden Fingerspitzen über seinen straffen Körper erkunden lassen. Das aufkommende Feuer in mir liess jede Unsicherheit verschwinden. Ich wollte alles an Maximilian Perfektion erkunden Doch er wusste das zu verhindern. „Zuerst waschen wir uns, sonst vergessen wir alles andere. Wir müssten trotzdem vorsichtig sein, “ flüsterte sein gequälter Atem in mein Ohr. Eine kühle Nase kitzelte mich an der Kieferlinie entlang. Seine Zähne knabberten sanft an meinem Hals nach unten. „Maxim“, bettelte ich schwach. Erneut behielt er einen klaren Kopf. Als er sich abwandte vermisste ich ihn schon, trotz der einen einzigen Meter Distanz. Das Handtuch durchnässte er zur Hälfte und reichte es mir. „Du zuerst.“
„Rieche ich so schlimm?“ Es kränkte mich ein wenig.
„Meine Liebe, nicht mehr als alle anderen. Darf ich dich erinnern das meine sensible Nase um vielfach ausgeprägter ist als die eines gewöhnlichen Menschen.“ Wenn ich Maximilian so ansah, vergass ich völlig dass er so spezielle Fähigkeiten besass. Für mich zählte nur der menschliche Teil in ihm. Frische Nachtluft kühlte meine feuchte Haut so beeile ich mich mit der Reinigung. Ungeduldig wartete ich auf Maxim. Bis auf seinen kräftigen Rücken erledigte er alles, dann stiess er auf ein Problem. Dachte wohl weil es bei meiner Beweglichkeit so leicht aussah kann er das kinderleicht nachmachen. Weit gefehlt. Schmunzelnd beobachtete ich seine ungeschickten Versuche. Als er wieder seinen Arm hinter sich streckte entführte ich das Tuch aus seinen Händen. Mit Freude wusch ich seine Rücken. Schickte meine neugierigen Finger gleich auf Erkundung los. Bewunderte seinen starken Muskeln, knetete seinen Nacken, seine breiten Schultern. Benetzte mit federleichten Küssen seine Wirbelsäule bis zum knackigen Po. Himmel sah er verführerisch aus. „Safina“, seufzte er endlich nachgebend. Zog mich nach vorne damit ich ihm ins Gesicht sah. Vergessen die letzte Zurückhaltung. Sehsuchtsvoll küssten wir uns. Der lang ersehnte ungestörte Moment schweisste uns näher. Alles andere unwichtig. Schwer atmend bannten sich unsere Blicke ineinander fest. Keine Worte nur ein Gedanke. Wir sammelten unsere Kleider zusammen und eilten in den warmen Stall.
Neben uns eine Wand aus Heuballen. Maxim klemmte seine Stiefelspitze zwischen die Lagen und stemmte sich hoch. Oben gab es nur einen schmalen Zwischenraum von knapp einem Meter der vom Dach trennte. „komm“, rief mich Maxim. Streckte mir seine Hand entgegen. Mit gemischten Gefühlen nahm ich sein Angebot an. Diese bedeutende Nacht würde vieles ändern. Unsere Beziehung verschweissen.
Oben angekommen breitete Maxim eine Decke aus welche uns vor den kitzelnden Heuhalmen schützten. Rückwärtig liess er sich darauf fallen. Zog mich gleich mit dazu. Endlich hatte ich ihn da wo ich öfters wollte. Allerdings störten mich seine Hosen. Achtlos polterten die Stiefel auf den Stallboden hinunter. Die letzten Kleider folgten.
Hemmungslos erkundeten wir und gegenseitig. Zärtlich, wissbegierig, scheu und leidenschaftlich zugleich. Dieser Moment gehörte uns alleine. Für uns beide das erste Mal.
Lästiges, heiseres Krähen eines jungen, ungeübten Hahnes weckte mich aus meinen süssen Träumen. Dafür bot mir der nächste Annblick einen unbezahlbaren Ersatz. Zufrieden schmiegte ich mich an Maximilians wärmenden Körper. Liebte es seine feine Haut soweit wie möglich mit der meinen zu berühren. Erschöpft rührte er sich kaum im Schlaf. Ausgestreckt schlief er auf dem Rücken. Ich halb über ihm. Gerade so das er unbeschwert atmete. Hinter mir raschelte etwas im Stroh. Vermutlich eine unvorsichtige Maus.
Es viel mir eh schwer einzuschlafen. Jede Faser meines Körpers fühlte sich Energie geladen. Von wegen Sex macht Müde. Vielleicht Körperlich, aber geistig war ich bereit es mit jedem aufzunehmen. Sogar mit dieser vorwitzigen Maus. Als ich mich umsah entdeckte ich jedoch stattdessen ein dickes, braunes Huhn. Dessen Kopf nervös herumzuckte nachdem es meine Aufmerksamkeit bemerkte. Allerdings blieb es auf seiner Stelle wie angeklebt hocken. Selbst als entschlossene Stiefel unten im Gang durch marschierten. „Safina“, rief mich Dongard leise, diskret. Hastig schlüpfte ich in das nächste Hemd. Eines von Maxims Trägerhemden das mir zu gross war. Verbarg gerade mal das nötigste. Ein jammerndes Winseln liess mich hastig über meinen Geliebten hinwegsteigen. Drückte mit einer Hand das Hemd über dem Busen fest als ich mich nach unten, über die Strohballen neigte. In Dongards Armen zappelten drei ungeduldige Welpen. Über seinen nach Hilfe suchenden Blick strahlte ich. Wie angewurzelt blieb Dongard gebannt stehen.
Um ihn aus der Starre zu lösen fragte ich, „Warst du schon draussen mit ihnen?“
„Ja“, kam es völlig automatisch.
„Dann gib sie mir!“ Legte mich flach hin um beide Hände frei zu bekommen. Es dauerte einen Moment bis Dongard begriff. Reichte sie mir hoch.
Nachdem der letzte Welpe bei mir oben ankam, gackerte schon das entsetzte Huhn, über die hektische zusätzliche Gesellschaft, protestierend. Augenblicklich stürmten die jungen Hunde auf das reizvolle Spielobjekt. Nachdenklich sah ich weiterhin zu meinem Kommandanten hinunter. „He, Dongard. Alles in Ordnung? Hast du überhaupt geschlafen, “ fragte ich besorgt.
Er reagierte abwesend. Löste sich ungern von meinem Anblick. „Ja, alles gut. Bin nur überrascht.“ Er deutete auf das Gesicht. „Ich hab dich noch nie so… glücklich gesehen. Das...hat mich etwas... verwirrt.“ Leise schmunzelte er vor sich hin. Ohne ein weiteres Mal einen Blick zu verlieren meinte er zur Türe gewandt, „Ich organisiere mal ein bisschen Milch für die Welpen und schau mal nach dem Frühstück.“
„Klingt gut! Danke!“ rief ich ihm nach. Packte schon den ersten Welpen am Kragen bevor er einen riskanten Abflug riskierte, hinter dem flatternden Vogel herzustürmen. Aufgeregt flüchtete das arme Huhn hinunter in den wesentlich ruhigeren Gang. Und ich hatte alle Hände zu tun die drei wagemutigen am Springen zu hindern. Lange balgten wir umher. Ein Wunder das Maximilian dabei so ruhig weiter schlief. Es kam mir auch so vor als ob die klugen Welpen bei ihrem Aufgeregten Spiel darauf achteten leise zu sein. Selten vernahm ich ein Bellen. Häufig dafür ein protestierendes Knurren. Es wurde gezerrt, sanft gebissen und viel angesprungen. Allmählich wurden sie auch müde. Vielleicht steckte Maximilians Beispiel an. Jedenfalls schon nach ein paar Minuten kuschelten sie sich an meinen Freund. Dabei war das eigentlich mein Platz. Einer schmiegte sich an das flauschige Fell der Ohren. Was für ein schönes Bild. Schade besass ich keinen Fotoapparat. Angetan von dem beruhigenden Augenblick lehnte ich mich entspannt zurück. Zuckte zusammen als meine Hände matschiges berührten. Sobald der ekelhafte Geruch in meine Nase stieg, hielt ich sie im äussersten Abstand vor meine Augen. Hühnerscheisse!
Bevor mein Freund erwachte, rutschte ich vorsichtig am Stroh nach unten. Leise, barfuss, schlich ich nach draussen. Zielte den willkommenen Brunnen an. Schruppte mir das widerliche Zeug hinunter. Danach erfrischte ich mir mit neuem, kühlem Wasser das verschlafene Gesicht. Dazu brauchte es etwas Überwindung, obwohl die morgendliche Temperatur bereits anstieg. Versteckt ruhte die Sonne hinter dem weit entfernten klaren Horizont. Noch herrschte der volle Mond mit seiner leuchtenden Ausdruckskraft. Jedoch schätzte anhand dem verblassendem Sternenhimmel das es kurz nach sechs Uhr war. Von der Küche drangen bereits Geräusche über den leeren Platz. So glaubte ich mich sicher, überhörte ich im plätschern des Wassers, die nähernden Stiefel. Extra leise schlichen sie in meinem Rücken heran. Erst als ich ein zweites, verschwommenes Spiegelbild im Wasser wahrnahm, zuckte ich hoch. Ziemlich heftig, denn das männliche Gesicht war mir vollkommen Fremd.
Schmales, bräunliches Gesicht. Wohl bemerkt die Hautfarbe geerbt, nicht von der Sonne getönt. Dunkle üppige Augenbrauen. Fast schwarze Augen welche wie Magnete auf mir hafteten. Unbehagen in mir verursachte. Verschränkte hastig die Arme vor meinem Busen, denn der weite Stoff überlies sonst seitlich wenig der Fantasie.
Unordentlich, ein Hemdzipfel hing über seinen breiten Gürtelrand hinaus. Überhaupt boten seine Kleider einen verknitterten Eindruck. Vernachlässigte, spröde Lederstiefel liessen sogar vermuten dass er sie über Nacht gar nicht auszog. Jedenfalls begleitete seine Erscheinung einen unangenehmen Geruch von säuerlichem Schweiss. Nach Dongards Vorbildlichem Erscheinen wertete ich ihn ziemlich tief unten ein. Da nützte sein charmantes Lächeln genauso wenig wie die tiefe fliessende Stimme. „Guten Morgen. Es lag nicht in meiner Absicht sie so zu verschrecken. Im Gegenteil, “ er warf einen Blick auf die verschwindenden Sterne. „Es verspricht einer der schönsten Sommertage zu werden.“
Uninteressiert kehre ich ihm den Rücken zu. Darauf spazierte er einfach auf die andere Brunnenseite. Diesmal musterte ich den aufdringlichen, schlanken Kerl schon genauer. Unverändert stand mein Urteil fest. Erst recht als er begann sein Hemd aufzuknöpfen.
Mit einem schwachen Nicken verabschiedete ich mich genau so fantasielos, „Einen schönen Tag noch.“ Bewegte mich mit derselben verschlafenen Ruhe zum Stall hinüber. Gerade mal zwei Schritte. Eben spazierte er gemütlich, dann auf einmal flitzte er so lebendig, das ich Mühe hatte zu verstehen. Verstellte er mir gerade den Weg? War er wirklich so unverschämt?
Träge sah ich ziemlich überrumpelt hoch. Dieser Kerl spinnt wohl. Es zuckte meine Nase. Mir war klar dass mein verfinsterndes Gesicht alles verriet. Es war mir egal.
„Kommandant Narbo“, stellte er sich vor. Versuchte er seinen Ruf zu retten, diesmal mit mehr Klasse. In einem eleganteren Anzug, vor allem sauber, dann hätte er eine geringe Chance gehabt, dass ich mich mit ihm unterhielt. Aber so...
„Sorry“, wollte auf der Seite vorbei. Standhaft baute er sich vor mir auf. Stemmte die Arme in die schmalen Hüften. Dabei lächelte er mich ständig charmant an. Für ihn bedeutete das ganze wohl ein harmloses Spiel. Ganz anders sah ich das. Schliesslich brauchte nur ein eifersüchtiger Maximilian zu erscheinen um ein Desaster auszulösen. Hoffentlich schlief er fest. In dem heiklen Moment sehnte ich mir nur Dongards Unterstützung herbei. Doch der liess sich mit dem Frühstück Zeit. Melfen spürten doch Gefahren in Voraus! Merkte er nicht dass ich ihn jetzt dringend benötigte?
Männer! Ziemlich verärgert herrschte ich Narbo an. „Geh mit aus dem Weg!“
Sein hinterstes gutes Gewissen meldete sich, als er tatsächlich überlegte nachzugeben. Siegen gehörte jedoch zu seinem männlichen Ego. Man durfte schliesslich nicht einfach nachgeben.
„Was bekomme ich dafür?“ Verlangte er unverschämt Wegzoll. Natürlich entlarvte ich seine Hintergedanken sofort. Es war sogar meine Schuld, da mein weites Trägerhemd und die Unterhosen, so eine Erpressung geradezu herausforderten.
Mit einer Hand rieb ich mir über die Stirn als könnte ich die Sorgen vertreiben. Immer das alte Lied. Selbst in der neuen Welt änderte sich kaum was. Alles drängte mich diesen Kerl von seinem überzeugten Podest zu stossen. Nur durfte ich nicht vergessen dass er eine königliche Anstellung besass. Absolutes tabu ihn anzugreifen oder in irgendeiner Weise zu bedrohen. Einzig Maxims Nähe mahnte mich vernünftig zu sein.
Schon nachgiebiger bettelte er, „Komm schon! Nur ein Kuss von einer schönen jungen Frau! Es ist doch verzeihlich wenn man bei so einem perfekten Anblick schwach wird?“ Flehende Augen die ihre Wirkung bewusst verstärkt einsetzten. Leider liebte ich Maximilians unvergessliche ehrliche Art. Treue Augen. Kopfschüttelnd wandte ich ihm einen steifen Rücken zu. Verschränkte meine Arme fester damit ich nicht unbeherrscht handelte.
Schwierig ihn vernünftig abzuweisen. Doch als ich spürte dass er meine feuchten Haare anfasste, schnellte mein Ellbogen automatisch nach hinten. Als geübter Kämpfer wich er aus ohne überhaupt seine Stiefel von der Stelle zu bewegen. „Mein liebes Kätzchen“, drohte er sanft. „willst du spielen?“
Beim nächsten betäubenden Laut zuckten wir gemeinsam zusammen. „Narbo“, brüllte eine feste Stimme über den Platz dass ich sogar einen Satz zurücksprang. Wie kann eine Frau eine dermassen durchdringende Stimme haben. Es nutzte indem Masse das Narlbo sogar schuldbewusst seine Schulten verkrampfte. Jedoch kannte er eine Gleichgestellte. „Sieh mal einer an, Kommandant Damarilis. Was hat dich hierher verschlagen? Sind hier feindliche Spione unterwegs?“
„Nur ein frecher Spion der in meinem eigenen Garten plündert“, gab ihm die Frau eisig zurück. Ich erkannte sie vom gestrigen späten Abend. Narlbo brauchte ein paar Sekunden um ihre Anschuldigung zu verdauen. Äusserst misstrauisch musterte er mich von der Seite als sei ich plötzlich angesteckt mit einer seltsamen Krankheit. Schüttelte ungläubig den Kopf. „ So was erkenne ich. Du erlaubst dir einen Scherz. Damar, “ drohte er spielerisch, „Ich habe sie zuerst gesehen also stell dich gefälligst hinten an!“
Gereizt marschierte Damar auf ihn los. Stemmte ihre kräftigen Arme in die Hüften. Sie war eine Handbreite grösser als er und dank ihrer eindrücklichen Körpersprache verstärkte sich ihre Überlegenheit. „Für dich heisst es immer noch Kommandant Damarilis. Und du lässt deine gierigen Finger von meiner Freundin!“ Böse funkelte sie ihn nach unten an. Der kleinere Narlbo wechselte nochmals einen kritischen Blick zwischen uns zwei. Wich einen Schritt zurück, verschränkte seine Arme. „Das glaube ich dir niemals. Beweis es mir und ich verschwinde ohne widerstand!“
Abschätzig reagierte Damar heftig. „Was willst du als Beweis. Auf keinen Fall lass ich dich zusehen während ich mit ihr im Bett bin.“
Schelmisch grinste Kommandant Narlbo mich an. „Nun wenn du schon mich nicht küssen willst so bist du bestimmt ganz versessen Deine Freundin zu erfreuen.“
Mir zog es im Magen empfindlich die Därme zusammen. Schluckte einmal leer. Damar stellte sich rasch vor mich als ob sie mich beschützte. In Wirklichkeit versteckte sie mein erbleichtes Gesicht. „Dann gibt du Ruhe?“ Holte sie sich eine Bestätigung von Narbo.
Sie schindete wertvolle Zeit. Narlbo nickte. Schadenfreudig kreuzte er die Arme vor seiner Brust.
Abwägend sah mich Damar über ihre Schultern an. In ihrem Mundwinkel, zuckte es, nur für mich erkennbar. Ungewöhnlich sanft ihre Stimme. Graublaue Augen sahen milde gestimmt über meine unsichere Gestalt. „Begraben wir die Unstimmigkeit von gestern Abend?“ Vor allem das heimliche aufblitzen in den seltenen Augen verstärkte meine Unwohlsein. Unfähig auf irgendeine Weise zu regieren, starrte ich sie unhöflich weiter an. Himmel, sie war ein feindlicher Kommandant, dazu ein weiblicher und wir sollten uns Küssen! Sichtbar entsetzt erschauderte mein Rücken. Darauf schmunzelte sie mich an. „Du hast doch keine Geheimnisse vor mir“, fragte sie überaus schonend, ohne die geringste Anklage. „Wegen gestern Abend.“ Ihre blauen Augen leuchteten geradezu. Sie freute sich diebisch meine Frechheit zurück zu zahlen. Wissend dass mir der einzige Ausweg blieb stillzuhalten, wollte ich keinen Ärger mit Höhergestellten. Wo war ich rein geraten?
Neben ihr kam ich mir so klein, zierlich vor. Sie winkte mich näher heran. Mit einem finsteren Ausdruck zwang ich meine Füsse näher zu ihr. Sie grinste übers ganze Gesicht. Zu Narbo meinte sie entschuldigend. „Mein scheues Schätzchen mag es gar nicht ihre Schwäche offen zu zeigen.“ Dann funkelte sie mich herausfordern an. „Komm schon! Vergiss den Idioten hinter uns!“ Narbo schnappte empört nach Luft.
Eine Hand Damars berührte mich im Nacken. Unter den offenen Haaren verborgen streichelte sie mir den Nacken. Steif wagte ich mich nicht zu rühren. Selbst als sie den Kopf senkte, mir ins Ohr flüsterte. „Entspann dich. Schliess deine Augen und denke einfach an deinen liebsten Freund.“ Sie sah mich an, eindringlich. „Schliess deine Augen“, bat sie mit ungewöhnlich weicher Stimme. Ganz anders als letzte Nacht. Sie war trotz allem ein Kommandant und wollte mir helfen. Ungern folgte ich ihrer Aufforderung. Dachte an Maximilian. Nur führ ihn tat ich es. Ihn zu schützen.
Ihre sanften Hände streichelten weiter. Hinzu warme Lippen die mir über den Hals streiften. Himmel, es war entsetzlich! Warum zog sie es so in die Länge. Denk an Maxim, denk an Maxim, hämmerte ich in meine Gedanken rein. Stellte mir sein Gesicht vor. Seine zärtlichen Hände, seinen verlangender Kuss. Automatisch öffnete ich die Lippen als ihre die meinen streiften. Maxim, dich wollte ich so küssen! Leidenschaftlich, Hingebungsvoll, zeitlos. Irgendwie vernahm ich Narbos angewiderte Stimme, „Weiber.“
Danach verstrich wieder ein flüchtiger Moment. Atemlos wich Damar überrascht zurück. Ich öffnete die Augen. Sie bedachte mich mit einem merkwürdigen Blick. Gefangen, angenehm überrascht. Mittlerweile hatte uns Narbo verlassen, aber ich bemerkte einen anderen bedrohlichen Schatten, der auf uns zuflog. Damar fing den erschrockenen Wink auf. Duckte, drehe sich, realisierte keine Waffe und blockte den Stürmer einzig mit eiserner Kraft ihrer Schultern. Stofffetzen flatterten, die weite Uniform eines Bewahrers. Es schleuderte ihn rückwärts zu Boden. Für einen Moment blieb er betäubt liegen. Vielleicht brauchte er auch Zeit um die Niederlage zu verdauen. Selbst im Vollbesitz seiner Kräfte wäre es Zweifelhaft oft Maximilian diese meisterhafte Verteidigung überwand. Verwirrt stammelte Damar, „Was soll das? Du bist doch auf meiner Seite! Bewahrer, bist du wahnsinnig?“
Erleichtert verfolgte ich Maxims Bewegung, welche in Gefangenschaft, kaum an Geschmeidigkeit einbüsste, als er aufstand in einer fliessenden Bewegung. Gespenstisch unter seiner dunklen Robe. Sein Gesicht unter der weiten Kapuze verborgen. Obwohl er sich einer Übermacht gegenüber fand, stemmte er fest seine Stiefel in den trockenen Boden. Rüstete sich für einen zweiten Angriff. Damar zweifelte an seinem Vorhaben. Drohendes tiefes Knurren warnte aus den dunklen Falten. Damars blaue Augen weiteten sich. Zum ersten Mal verspürte Furcht vor dem Ungewissen. Selbst mir flösse es tiefen Respekt ein, dennoch zwang ich meine zittrigen Knie, zwischen die beiden zu treten. Sanft sah ich in die dunklen Falten hinein. „Hör auf, “ bat ich sanft, „Hast du den nicht gesehen das...“ Mit einem Aufschrei landete ich auf der Seite. Achtlost schubste mich Maximilian persönlich aus dem Feld. Im Fallen ertönte ein kriegerisch, zorniger Schrei, begleitet von einer heftigen Kampfaktion. Über mich flog ein schwerer Schatten. Dumpf landete Maximilian unsanft auf dem Boden. Diesmal hatte er es sich verdient. Zum Entsetzten aller rutschte diesmal seine Kapuze nach hinten.
Damar keuchte als sie das ungewöhnliche Gesicht erblickte. Angst über das aufgedeckte Geheimnis lähmte mich. Mein unvernünftiger Freund selber brauchte nach dem harten Schlag einige Sekunden um den Kopf zu klären.
Der Kommandant besann sich seiner vorbildlichen Erziehung. Trat zu mir um aufzuhelfen. Wie elektrisiert sprang Maxim hoch. „Nimm deine Finger von ihr! Sie gehört zu mir;“ drohte er mit finsterer Miene. Damar dämmerte schnell was überhaupt los war. „Sie einer an. Da ist einer mächtig Eifersüchtig? Dabei habe ich doch glatt zwei Ausreisser gefunden. Heute ist mein perfekter Glückstag.“ Energisch wich sie Maxims Arme aus. Packte nach ihm. Blieb mitten in der Bewegung hängen. Wie bei einem Filmriss verharrte sie in einer Position. Genauso ging es Maxim der völlig überrascht keuchte dass ihm jede Kontrolle über den Körper versagte.
Erst nachdem ich Dongard erblickte, fing ich an zu begreifen. Konzentriert stand er da. Ausgestreckte Arme zielgerichtet auf die beiden Streithähne. Seine Hände zitterten. Anstrengung stand ihm verkrampften Gesicht geschrieben. „Safina“, keuchte er gepresst. „Nimm Maximilian an der Hand. Rasch! Es ist schwierig zwei Personen zu überwachen, besonders bei einer so aussergewöhnlichen, starken Persönlichkeit wie Damar. Du weist selbst was furchtlose Entschlossenheit anrichtet. Beeil dich!“
Ohne zögern packte ich meinen unvernünftigen Freund am Arm. Seine zornige Eifersucht weigerte sich aufzugeben. Also griff ich zu einem anderen Mittel. Schlüpfte unter seinem Arm hindurch, dass ich zwischen den beiden stand. Sicher wanderte meine Hand absichtlich in den weiten Ausschnitt seines Gewandes. Schmeichelnd strich ich ihm über die glatte Brust. Sein Atem stockte, Augen blinzelten. Entspannung lockerte seine starre Haltung. Wie ein zahmes Kind lies er sich wegführen.
Damar tobte, knirschte mit den Zähnen da sie ihren Mund nicht aufbrachte. Gelassener spazierte Dongard direkt vor sie. „Hör auf dich so zu quälen. Akzeptiere es einfach.“
„Du Verräter, “ zischte sie mit Mühe. „Ich hab dir Vertraut!“
Ruhig gab Dongard ihr zu verstehen. „Dann tu es auch weiterhin! Du weist ich mische mich nie in die Politik ein. Mich kümmert wenig was die oben für Machtwechsel planen. Aber egal welcher König regiert, ich diene bisher allen loyal und ich tue es auch weiterhin. Also bitte ich dich, schieb mal deinen Befehl auf die Seite. Sieh die beiden da genau an und sag mir was du siehst!“ Er deutete auf uns zwei. Besorgt suchte ich Maximilians Nähe. Beschützend legte er seine Arme um mich. Wenn Damars Willen Dongards Macht überstieg waren wir verloren. Ausser ein paar perlende Schweisstropfen auf der bleichen Stirn, verheimlichte Dongard seine Anstrengung gut.
Ohne zu überlegen schimpfte Damar viel kräftiger, „Verräter!“
„Kommandant Damarilis“, herrschte Dongard zurück. „Verlass dich auf Dein Urteil und nicht das von anderen! Was siehst Du?“
Verabscheuend musterte uns Damar widerwillig. Böse, mörderisch eisig ihre blau- grauen Augen. Nie verspüre ich vergleichbare Angst wie vor dieser ausbrechenden Kampfmaschine. Ungewollt zitterte mein Körper vor dieser ausströmenden Wut. Vergebens strich mir Gefährte tröstend über das feine Haar. „Safina, Safina“, wiederholte er bis ich in seine liebevollen, braune Augen sah. Darin neue Zuversicht tankte. Dankbar für seine Stärke, rückte ich näher.
Damars folgende Entscheidung liess noch alles offen. „Was willst du hören? Das ich gegen meine vereidigte Pflicht verstosse und die beiden laufen lasse. Die beiden sind alles andere als Harmlos!“
Dem stimmte Dongard ehrlich zu. „Endlich verlässt du dich auf deinen Verstand. Du hast richtig erkannt. Zwar habe ich Maximilian nie kämpfen sehen aber Safina hat meinem grossen Stellvertreter die Nase gebrochen.
Nun verrate mir mal, kannst du dir vorstellen dass die beiden, frisch verliebten, eine Gefahr für unser gerüstetes Königreich sind. Dabei beziehe ich selbst ein minimales Risiko in Betracht!“
Ein seltsam gluckendes Lachen kam aus Damars Kehle. Ihre finsteren Gesichtzüge, ihre Spannung, löste sich nur für einen kurzen Moment. „Falls die beiden einen persönlichen Rachefeldzug gegen den König planen, rechne ich ihnen die höchsten Punkte zu. Allerdings fürs gesamte Königreich sind sie absolut Machtlos.
Dongard! Lass mich endlich frei. Es ist absolut entwürdigend in so einer blöden Haltung zu stehen.“
Unbeeindruckt forderte Dongard. „Gib mir dein schönstes Versprechen, dann verhandeln wir vernünftig.“ Anscheinend kannte er Damarilis wirklich bis in alle Einzelheiten. Süss lächelte er auffordernd an. Sie presste widerspenstig die schmalen Lippen zusammen. Schliesslich nach einer langen Bedenkpause gab sie nach. „Okay. Mein lieber Dongard lass mich frei, “ sagte sie völlig normal um gleich den Ton zu verschärfen, „Damit ich wenigstens Dir an den Hals kann!“
Mir war völlig unwohl, doch Dongard gab sich zufrieden. Löste mit einer Handbewegung den Bann. Im selben Moment sank er erschöpft in die Knie. Damar stürzte vor.
Besorgt schrie ich, „Nein!“
Grob packte sie ihn an der Uniform. Zerrte ihn hoch, stellte ihn auf die Beine.
Sofort hielt ich mitten in der Bewegung inne. Sie half ihm auf ihre unsanfte Weise.
„Dongard“, grollte sie verstimmt. „Nimm dich gefälligst zusammen! Wie sieht das denn aus wenn du vor mir liegst. Schliesslich soll keiner den wahren Verdacht bestätigen dass ich tatsächlich mit den drei Verrätern zusammen bin. Schon gar nicht wenn ich später über meine Arbeit einen genauen Bericht abliefere mit Augenzeugen die das Gegenteil erzählen. Also!“
„Es geht schon“, hauchte unser Kommandant schwach. „War gestern ein heisser Tag und die heutige Nacht sehr lange. Jemand musst doch die Beiden bewachen wenn solche fähigen Bluthunde wie du auf der heissen Spur sind.“ Sein geschenktes Lächeln löste endlich die bekannte alte Damarilis hervor. „Du Spinner! Lasst uns alle in den Stall verschwinden.“
Mit einem müden Lächeln richtete sich Dongard würdevoll auf. Lehnte Damars Hilfe mit einem eisigen Blick ab. Ignorieren hielt sie ihn weiter an den Schultern fest wie einen alten Kameraden. „Früher“, erinnerte sie ihn ungehemmt. „Da hast du mich immer, nach den späten, ausgelassenen Festen sicher zur Kaserne zurück begleitet. Das waren noch Zeiten. Aber keiner schaffte es mich unter den Tisch zu kippen.“
Wie bei einem vertrauten Liebespaar legte Dongard seine Hand ihr um die Hüften. „Hm. Einmal warst du ziemlich voll. Dafür hat dich der Ausbilder am nächsten Tag schonungslos büssen lassen.“
Sie hob gelassen ihre Schulten. „Das war wirklich voll daneben. Aber mir platzte fast der Schädel. Es erforderte eine Handlung und es hat ihn für eine kurz Zeit wirkungsvoll abgestellt“.
Inzwischen klopfte ich Maximilian den Staub aus dem weiten Bewahrer Kostüm. Schliesslich sollte er vertrauenswürdig wirken. Leicht verstimmt umschloss er fest meine Hände. Deutete an wo ich hingehörte. Langsam folgten wir den anderen.
Dongards halb geschlossenen Augen verrieten Schalk. „Bist du nach der Nacht ein wenig auf den anderen Geschmack gekommen.“
Ihr Lächeln erstarb. „Was willst du damit andeuten? Du weist das ich keinerlei Erinnerung an diese scheussliche Nacht habe.“
Beruhigt tätschelte er mit der freien Hand über ihre auf seiner Schulter. „Scheusslich trifft nur auf die Nacht zu. Den Morgen hast du erfreulicher verbracht.“
Mehr als kritisch Misstrauisch verzog sich zweifelnd ihr Gesicht. „Welche Stunden meinst du? Von Mitternacht bis Frühstück!“
„Genau“, lächelte Dongard süss zurück. Verzog aber schmerzhaft das Gesicht als sie ihn ruckartig bremste und alles andere als Zärtlich ihren Arm höher um seinen Hals enger legte. „Dongard“, grollte sie wie ein aufziehendes Sommergewitter.
„Damar, “ gab er honigsüss zurück, „willst du dass ich wieder meine verborgene Gabe einschalte?“ Widerwillig liess sie ihm Luft zum atmen. Bitterböse ihr Blick, leise ihre geflüsterten Worte. Leider besassen Maxim und ich aussergewöhnliche gute Ohren so dass wir ihre Zweifel verstanden. „War ich wenigstens mit dir im Bett?“
Übertrieben gelassen meinte Dongard. „Vergiss diese unbedeutende Nacht. Du hast eh keine Erinnerung daran und alles war nur halb so wild wie du gerade erträumst.“
„Dongard“, forderte sie, ohne Spass. „Ich will es wissen!“ Tief versanken violette Augen ihn hellblauen. Fesselte sie mit einer gänzlich anderen Art seiner Magie.
„Ungefähr das gleiche was du beim Ausbilder ausprobiert hast. Ein verzweifelter Kuss und ein inniges Flehen einen ungewöhnlichen Wunsch zu erfüllen.“
Erleichtert sackten Damarilis Schultern nach unten. „Gut. Dann bleibst du mein bester Freund.“
Vor der Stalltüre grinste Dongard bereits wieder. Was uns alle mit einer bösen Vorahnung erfüllte. „Willst du auch deine Antwort von damals wissen?“
Zerrte, schubste Maxim und mich rasch in den Stall hinein und verbarrikadierte die Tür. Damar brauchte eine Weile um den neuen Schock zu verdauen. Hämmerte ihre Faust vergebens an die stabile Tür. „Na, warte. Wenn ich dich in die Finger kriege!“
Wissend lehnte sich Dongard an den Eingang. „Damar, Damar“, schrie er gegen den Lärm den sie verursachte. „Kommandant Damar!“ Damit brachte er sie halbwegs zur Vernunft. „Damar“, gab er ihr versöhnlich zu wissen. „Es bleibt mein Geheimnis. Du kannst mir vertrauen. Ich sichere mir so nur eine längst überfällige Einladung. Also wenn du mich jetzt nach Hause beleitest, dann verrate ich dir alles was du wissen willst. Jede Einzelheit Einverstanden?“ Erwartungsvoll drückte er seine Stirn an das raue Holz, horchte. Draussen war es beängstigend still.
Besorgt meinte ich leise, „Was wenn sie uns verrät?“ Maximilian quälten dieselben Zweifel. Legte unsere verschlungenen Fingern nahe an sein unruhiges Herz.
Dongard bot mir zu schweigen. Jemand schnaufte leise. Fassungslos öffnete er einen Spalt. Damar wischte sich hastig über die feuchten Augen. „Elendes Schwein“, sagte sie einigermassen erholt.
Unschuldig sah Dongard nach oben. „Wer weiss, vielleicht habe ich dich anständigerweise vorher das Eheversprechen abgenommen. Du hast ja überhaupt keine Erinnerung mehr an diese Nacht. Du warst in deinem Zustand zu allem fähig, auch zu einem Bündnis vor Zeugen.“
Mir bot sich der seltene Anblick eines geschockten Damar. Ihr klappte der Unterkiefer herunter. Dann raffte sie all ihren messerscharfen Verstand zusammen. „Einen Ausrutscher“, zischte sie. „denn hältst ausgerechnet du mir vor! Du willst das ich dich begleite?“ Ihre hellen Augen funkelten wie Gletscherwasser. Packte Dongard an der Uniform. Vertrauensvoll gab er sich ohne Verteidigung hin.
„Du!“ sie bohrte schmerzhaft ihren Zeigefinger in seine Brust. „Du wirfst sofort deinen Sprengstoff vom Karren. Das ist hinderlicher Ballast. Dann packt ihr alle eure Habseligkeiten. In fünf Minuten will ich auf dem Weg sein oder ich pflanze meine Stiefelabsätze in eure trägen Hintern! Je eher wir im Lager sind ums schneller verrätst du es mir oder? Das habe ich doch richtig verstanden?“
Erfreut und um seine Harmlosigkeit zu beweisen hob Dongard seine Hände. „Das ist mein Kommandant Damar“, sagte er stolz. „Kommt“, riet er uns zweien, hinter seinem Rücken. „Holt eure Decken, und restlichen Kleider“, meiner er mit einem schrägen Blick nach unten. „Wir reisen ab! Mit Damars freundlicher Unterstützung sind wir schneller im Lager ohne aufzufallen.“
Selbstgefällig plauderte Damar. „Ja, ja. Wieder einmal hängt alles an mir. Ist ja auch meine Schuld. Aber wie lange soll ich die Sache mit dem Alkohol noch büssen? Soll ich dir beim Abladen helfen, “ schrie sie Dongard nach. Der holte nur einen vergessenen Korb von der Treppe ab. „Was? Vergiss es! Wir haben keinen Sprengstoff, Aber du kannst helfen beim Anspannen.“
Finster beobachtete Kommandant Damar ihren einstigen Schulkollegen. „Ich habe dich anscheinend zu lange aus den Augen gelassen. Wird Zeit das dir jemand wieder beibringt einer Frau gegenüber ehrlich zu sein!“
In ihrer Verstimmung liess sie Dongard selber schwitzen. Der warf locker den Korb auf den Wagen. Schob ihn in Stellung für einen ungeduldigen Duli. „Soll ich schon mal erwähnen dass ich dich nackt gesehen hab“, schrie er ihr herüber.
Unbeeindruckt schnaubte Damar. „Das heisst gar nichts. Schliesslich haben wir öfters im Fluss gebadet.“
Heiter gab Dongard zurück. „Ach ja, da auch!“
„Auch“, murmelte Damar innerlich besorgt. Schliesslich hielt sie es auf ihrer Stelle nicht mehr aus. Unerträglich das ungewissen. Sie ging helfen. Je schneller desto besser.
Angenehme morgendliche Frische hüllte uns ein. Trügerisch, denn es gab eine heissen Sommertag. Längst schmolz der morgendliche Nebel. Feuchter Tau benetzte die Wiesen welches die ersten Sonnenstrahlen in ein glitzerndes Meer verwandelte, wie aus kostbaren Diamanten. Eine märchenhafte Idylle die ich gerne, in einer entspannten Situation, länger bewunderte.
Jedoch zählte unsere Sicherheit mehr als die Schönheit des Landes. Nachdem wir den zappeligen Duli endlich eingespannt hatten, angelte sich Dongard den vollen Korb hervor, den er vom Gasthaus bestellte. Überreichte jedem von uns ein mit getrocknetem Fleisch belegtes Sandwich. Dankbar nahm ich die vielseitige Köstlichkeit in Empfang. Biss grosszügig hinein. Erstaunlich zartes Fleisch. Erinnerte mich an früheren Lachs. Ausserdem selbst gemachte, salzige Butter, knackigen Salat und schmeckte kleine aromatische Tomaten heraus. Viel besser als unsere in der Vergangenheit. So natürlich dass selbst die Bioprodukte, die ich bisher kannte, dagegen künstlich schmeckten.
Dongard verfolgte meinen nachdenklich geniesserischen Blick. „Schmeckt es. Es ist auch was Einmaliges. Hauchdünn getrocknete Kunuschizunge.“ Wie ich bemerkte überreichte er den drei Welpen, welche das Fleisch im Korb längst rochen, ein paar Würste und zudem ein paar Knochenresten an denen viel Beschäftigung hängen blieb.
Bei der Erinnerung an die Monsterkuh, hustete ich trocken. Rasch die Hand auf den Mund bevor sich der Inhalt unschön nach draussen verflüchtigte. Bedächtig liess ich den letzten Bissen im Gaumen zergehen. Nickte zustimmend dass es sich tatsächlich um einen einzigartigen Leckerbissen handelte. Bedenkenlos verputzte ich den Rest. Sog mit den Lippen meine Fingerkuppen sauber. Kommandant Damarilis sass schon fest im Sattel ihres ungeduldigen Dulis. Fasziniert bedachte sie mich mit einem schrägen Blick. „Dachte schon du spuckst es wieder aus...?“ Ihr Ton war wesentlich schärfer als ihr verträumter Blick.
Allein wegen der Bemerkung bestrafte ich sie mit einem anhänglichen, sehnsüchtigen Blick auf ihr erst zur Hälfte verspeistes Frühstück. Verfolgte jede Bewegung was ihr allmählich den Hunger nahm und ein schlechtes Gewissen auslöste. Wer kann schon einem lieben, bettelnden Hundeblick widerstehen. Unbehaglich starrte sie auf den halben Rest. Schluckte leer. Streckte es zu mir hinunter mit einem ungläubigen Kopfschütteln. „Heute ist wirklich nicht mein bester Tag. Obwohl er eigentlich so schön angefangen hat. Hier, meine Süsse, mit dem heissen Kuss von heute morgen hast du dir das verdient.“
Dongard entrollte die langen Zügelriemen. Schnellte fassungslos herum. „Hab ich richtig gehört. IHR zwei habt euch geküsst?“ Überrascht sah er mich fragend an. Damar lenkte, die Ruhe selbst, ihren Duli heran. „Was meinst du warum ihr eifersüchtiger Freund mich so energisch ansprang? Zum Glück war Narbo zu diesem Zeitpunkt bereits um die Ecke verschwunden.“
Aufgebracht fasste Maximilian nach einem ihrer Zügel. Er wirkte wieder innerlich geladen und bereit sie jederzeit grob aus dem Sattel zu zerren. „Warum hast du sie weiterhin geküsst, wenn du wusstest das Narbo längst ausser Sichtweite war?“ Sein Gesicht versteckt er wieder unter der Kapuze. Falls jemand unseren Aufbruch vom Wirtshaus beobachtete.
Geblendet von seiner Eifersucht, beachtete Maxim kaum die stetige Verfärbung des Dulis, die in ein tieferes Rot wechselte. Er hielt sich für einen geschickten Jäger im Umgang mit Tieren. Vergass dass ihn das Labor um einige schnelle Reflexstufen zurück versetzte. Geschickt wich er dem beissenden Kopf aus. „Warum“, bohrte er weiter nach einer Antwort. Wie von einer Schlange gebissen schnellte das harte Bein des Duli vor. Genauso zuckte Maximilian zusammen als ihn die scharfen Hufe kräftig ans Schienbein traten. Zerfetzten den dicken Stoff der Bewahrerhose. Blut quoll unten bei den Schuhen hervor. Als erstes begann ich zu zittern, als zweites wurde mir zum ersten Mal richtig Übel. Achtlos fiel mein Brot aus den Händen und wagte kaum Maximilian blutende Wunde anzusehen. Seltsamer Weise bekam ich fast keine Luft mehr. Mein Brustkorb fühlte sich völlig eingeengt ein. Damar zügelte ihren gereizten, schuldigen Duli auf die Seite. Besorgt sah sie zu mir zurück. „Was ist denn jetzt los? Schon schwanger?“
Wenigstens bekam ich nach dieser Unverfrorenheit wieder Luft. Etwas in mir brach heraus. Ehe ich überlegte knallte ich meine flache Hand wuchtvoll auf das abgerundete Hinterteil des Dulis. Die Hinterhand sackte wie bei einem Rennpferd ein. Dann schnellten die Muskeln wie er wie ein überraschender Blitz los, dass es Damar fast aus dem Sattel schleuderte. Einzig ihre kräftigen Unterschenkel stürzten ihren Halt, förderten jedoch auch ihren starken Abgang. Innert wenigen Sekunden verschwand sie um die nächste Biegung. Schwer atmend sah ich entsetzt zu dem sitzenden Maximilian hinüber. Dongard kauerte bereits vor ihm nieder. Unsicher setzte ich mich zu ihnen. Dongard forderte mich auf das Verbandende kurz zu halten. Himmel, ungewollt zitterten meine Hände. Diesmal sah selbst Dongard besorgt drein. „Kannst du mir das Erklären?“
Mit einer tiefen Sorgefalte auf der Stirn stammelte ich. „Ich weiss wie weh es tut, und ich will ihm nicht noch mehr wehtun. Ich...“
Maximilian legte sich rückwärts auf den Rücken. Zu meiner Verblüffung lachte er los.
„Ach, Safina“, gluckste er. Diesmal runzelte sogar Dongard die Stirn.
Langsam, mühsam richtete Maxim sich hoch. Erst als er Dongard dunkle Augen sah, hielt er eine Erklärung für nötig. „Ich habe gesehen wie sie einem Tier, mit sicherer Hand den Kopf abschlägt. Ihre Wurfgeschosse treffen mit tödlicher Präzision ihre Ziele. Ohne zu zögern ein totes Tier ausnimmt. Aber... eine einfache, oberflächliche Wunde an mir bringt sie fast um den Verstand. Komm her.“ Ohne Rücksicht auf Dongard riss er mich in eine stürmische Umarmung. Drückte dermassen zu dass ich fast wieder keine Luft bekam. Hielt meinen Kopf fest zwischen seinen Händen. Traurig, besorgt sah ich in sein, unter den dunklen Falten, verborgenes Gesicht. „Safina“, hauchte er tief bewegt. „ich liebe dich.“ „Ich lieb dich auch aber das ist noch lange kein Grund über mich zu lachen wenn ich mit dir leide.“
„Vergiss es, mein Schatz... Auh!“ Schrie er unbeherrscht. Dongard sah ihn entschuldigend an. „Sei froh dass alles heil ist. Normalerweise bricht ein Knochen bei einem solchen direkten Treffer. Halt mal fest!“ Damit meinte er mich. Maxim war jedoch schneller, packte meine Hände und führte sie unter seine warme Robe. „Mir ist lieber wenn sie da sind.“ Streckte sich selber vor um den blutigen Verband am verrutschen zu hindern. Schmunzelnd schüttelte Dongard den Kopf. Betrachtete uns staunend. „Ihr seid ein seltsames Paar! Doch wenn man euch zusammen sieht weiss man genau dass ihr zusammen gehört. Besonders wenn man Safinas Reaktion von früher kennt. Keinen hat sie in ihre Nähe gelassen. Unangenehm schon wenn man versuchte sie nur am Kleid zu berühren. Öfter fragte ich mich ob sie überhaupt je einen Partner findet. Jetzt sehe ich euch zusammen und sie ist ein völlig anderer Mensch. Jedenfalls zu dir Maximilian. Jetzt begreife ich auch eure einmalige Beziehung. Ihr habt wirklich Glück und ich hoffe ihr werdet eines Tages gemeinsam einen ruhigen Platz finden. Aber bis es soweit ist…habt ihr noch fiel Arbeit vor Euch.“
Damit meinte er vor allem die neue Verantwortung auch über die drei Hunde. Rund um den Gasthof gab es viel zu entdecken. Eben jagten sie begeistert einer Katze nach, bis sich diese auf einen der Obstbäume rettete und wütend hinunter fauchte. Erneut stöhnte Maximilian auf. Atmete genauso schwer wie ich. Verarbeitete allerdings die bevorstehende Aufgabe leichter. Ohne Worte halfen wir uns gemeinsam auf die unsicheren Beine. Zufrieden stemmte sich auch Dongard in die Höhe. Trotz seinem jungen Aussehen entdeckte ich eine müde, gealterte Fassade. So begriff ich auch als er mir deutete auf den Kutscherbock zu steigen. Da er wusste dass ich seine Hilfe ablehnte, bot er mir sie gar nicht erst an. Für den knappen Meter brauchte ich nur ein gutes Auge und schnelle Füsse um mich kurz auf den Speichen abzustützen. Von ihm kam der gut gemeinte Rat. „Ich erkläre dir kurz wie das funktioniert...“ Schon riss ich ihm die Zügel aus den Händen und unterbrach. „Besteht ein Unterschied zu Pferden?“ Verdutzt meinte er, „Nein!“ „Gut dann erspar dir den Rest und Steigt hinten ein.“ Ich deutete noch kurz auf ein Pedal zu meinen Füssen. „Bremse, hat die eine separate Sperre oder ist die immer offen?“
„Bist du schon mal gefahren?“ „Ich besitze sogar einen Führerschein für zweier Gespanne.“
„Mhm“, kam es überwältigt. „Auf solchen Feldwegen..“
„Dongard“, kam es von mir ungeduldig.
„Schon gut. Es gibt bei diesem Model keine Sicherheitssperre. Dann mal los?“ Dennoch wartete ich bis er sicher im hintern Teil seinen Sitzplatz neben Maximilian und den aufgeregten Welpen fand. Nachdem er sich seitlich ausstreckte, merkte die Hunde rasch das er sich schlecht zum spielen eignete und sprangen erneut bei meinem Freund hoch. Der formte aus einem Blatt Papier eine Kugel und rollte sie auf dem wenigen übrigen Platz umher.
„Dann mal los“, murmelte ich mir selber zu. Klatschte einmal sachte die Lederriemen auf den Dulirücken. Stramm legte er sich ins Ledergeschirr. Zog hastig los.
In den nächsten Stunden achtete ich darauf dass der spärlich gepolsterte Wagen den grösseren Steinen auswich. Schliesslich wollte ich Dongard beweisen das ich etwas vom lenken verstand. Ausserdem schlief er in den ersten Morgenstunden. So mied ich ruckartige Bewegungen und besonders die ausgewaschenen, rissigen Regenrinnen auf den staubigen Feldwegen. Für einen Duli, mit den schlanken Beinen, unbedeutend ob er ein paar Zentimeter neben dem zentralen ausgetretenen Pfad lief. Seine scharfen, harten Hufe fanden auch in Schräglage halt. Dankend sah ich in den Himmel hoch. Diese Rasse besass ihre vortrefflichen Vorzüge. Unermüdlich legte er los auch wenn sein Fell von Schweiss, unter der gleissenden Mittagsonne, grau färbte. Maximilian hielt es auch ein paar Stunden liegend aus. Fand, erfand genügend Beschäftigung für die verspielten Hunde. Dann als sich diese endlich erschöpft neben Dongard nieder legten, kletterte mein Freund erleichtert nach vorne. Hielt für ein paar Sekunden meine Hände. Sofort bemerkte der feinfühlige Duli die Veränderung, der Wagen begann sachte zu schlingern. Schmunzelnd entzog mir Maxim seine vertrauliche Nähe. Lehnte sich zurück um sein verletztes Bein entlastend auf das vordere Spritzbrett zu stellen. Von Damar dem Übeltäter sahen wir erst am Mittag die erste Spur. Für ein erholsames Mittagschläfchen hielt ich unter einem schattigen Baum. In den nächsten zwei, drei Stunden bedeutete jeder Schritt für unser Zugtier eh die reinste Qual und nützliche Wasserquellen bedeuteten hier eine Rarität. Nachdem wir gemütlich unser weniges restliche Essen aufteilten, Dongard bereits sich wieder auf dem Wagen ausstreckte um den herumtollenden Hunden aus dem Weg zu gehen, da unterrichtete uns ein freundlicher Bauer das ein aufgeregter Kommandant mit einer schrillen Stimme nach uns suchte. Wir wunderten uns verbal warum sie so viel Zeit brauchte uns zu finden. Mit schelmischer Miene verriet der Bauer dass er die unhöfliche, fluchende Person auf einen beruhigenden Umweg schickte. Lachend dankten wir seine weise Entscheidung. Ihn beschäftigte jedoch ein anderes Verlangen. Winkte den hinkenden Bewahrer auf die Seite um ein paar besorgte Worte loszuwerden. Zwischendurch schwenkte Maximilians verhüllter Kopf sogar zu mir hinüber, wachsam. Was immer er vernahm, verunsicherte den Frieden. Dankbar schüttelte der Bauer seine rauen Hände zum Abschied. Bedächtig verharrte mein Freund auf der Stelle. Verdaute die anscheinend unerfreuliche Botschaft. Wie abgelenkt schlenderte er zu uns hinüber. Reglos schlief Dongard vor sich hin. Gleichmässig Atmete er in extremen lange Abständen. Sein flacher Bauch hob sich kaum. Als Maxim jedoch wieder neben dem Wagen stand, gab er ruhig zu verstehen. „Du weist schon das dir die höchste Verurteilung zusteht, indem du das Vertrauen der Leute missbrauchst.“
Völlig locker stützte Maxim seine Arme angewinkelt am Wagengeländer ab. „Wer sagt dass ich sie täusche? Kann ich, nur weil ich anders bin denn nicht auch helfen?“ Tiefe Betroffenheit war zu hören. Das ihm nahe liegende Auge, vom dösenden Dongard, öffnete sich. Anscheinend bekam der Kommandant gerade eine neue Weltansicht verpasst. „Vielleicht magst du Recht haben. Doch keiner deiner Botschaften wird oben verhandelt. Was wenn du keinen Ausweg findest? Mit welchem Recht handelst du dann? Mit deinem Gewissen, deiner Verantwortung?“
Vertrauensvoll sah ihn Maximilian offen an. „Wenn es sein muss! Einmal steckte ich einem anderen Bewahrer heimlich eine Notiz zu während er schlief. Ich bin mir dessen also wohl bewusst was alles ausserhalb meiner Macht steht.“ Wohlwollend nickte Dongard. „Gut gerettet. Dann hast du die Kluft wirklich verdient.“
In sich gekehrt wollte Maxim zu mir, entschied sich kurzerhand anders. Schwenkte abermals zum Kommandanten. „Woher weist du das ich diese Kleidung öfters benutzte? Hat Safina das erwähnt?“
Träge legte Dongard einen Arm als Stütze in den Nacken. Hielt er es für nötig Maximilian direkt anzusehen. „Nein. Es ist dein Gang. Die Art wie du dich Bewegst. Du hast dich selbst verraten. Eine Kleinigkeit verändert sich wenn du sozusagen den Dienst antrittst. In die Rolle perfekt hinein schlüpfst. Es ist deine gesamte Ausstrahlung. Das ist mir schon aufgefallen seit wir die Wirtschaft verlassen haben. Als du dem Bauern so selbstverständlich gefolgt bist, hat es mir bestätigt. Ist es was Wichtiges?“
Maximilian winkte mich heran. Selbst die Welpen spürten die unheilvolle Spannung. Aufmerksam umringten wir meinen informierten Freund.
Die Hände ineinander gefaltet berichtete Maxim von seltsamen Vorfällen in der Umgebung. Von den umliegenden Farmern hatte keiner direkt etwas gesehen. Aber die fleissigen Leute kannten ihre bearbeiteten Felder genau. Entdeckten die flüchtigen Reiterspuren abseits von der Strasse. Wer auch immer im verborgenen Reiste bemühte sich nicht aufzufallen. Es gab nur kleinere unwichtige Diebstähle. Erst nach einer aufwendigen Zählaktion bemerkte man dass von der riesigen Schafherde zehn Stück spurlos verschwanden. In den Wirthäusern im Osten wie im Norden gab es in letzter Zeit keine Unbekannten Gäste. Auf der sich ausfliesenden Hauptstrasse beklagte kein Reisender einen Überfall. Doch sie waren da, die heimlichen Reiter. Preschten in der Dunkelheit donnernd über die Wiesen Beängstigen das brave Bauernvolk.
Versonnen, in sich gekehrt rieb Maxim seine Hände übers Gesicht. Deutlich hinterliess der innere Kampf seine Spuren. Gespannt wartet Dongard geduldig. Schien es fast zu geniessen meinen Freund zu beobachten. Merkte dass ich dasselbe mit ihm tat. Er lächelte. Damit er Maxim beim denken nicht störte, flüsterte er mir vertraulich zu „ Bei einer Ausbildung zum Kommandant ist man verpflichtet ein Jahr als Bewahrer zu dienen. Dabei gilt es in dieser Zeit mindestens zehn schwierige Fälle zu lösen. Also einfach ein lockeres Jahr mit zuhören verbringen, bringt keine Punkte. Deswegen nimmt es mich so sehr Wunder was Maximilian vorhat, für was er sich entscheidet.“
„Traust du ihm denn eine annehmbare Entscheidung nicht zu?“
Dongard Augen weiteten sich empört. „Was denkst du wieder von mir! Selbstverständlich. Gerade weil ich ihn für Vernünftig halte bin ich auf sein Urteil gespannt.“ „Was würdest du denn an seiner Stelle tun?“ „Als Bewahrer würde ich euch zwei alleine ziehen lassen und den Fall untersuchen...“ Maximilians lebendige Augen sahen hoch. Seine Entscheidung gefallen. „Es ist was im Gange was nicht besonders eilt. Da die Diebstähle unauffällig sind, hält sich die Bande zurück. Die planen etwas Grösseres als harmlose Plünderei. Da muss ich nachts wirklich alleine auf der Lauer liegen um die unbemerkt zu Verfolgen.“ Klar an Dongard gerichtet, „Bringen wir Safina zuerst, in deinem Lager, in Sicherheit. Wenn bis dahin uns keiner verfolgt leihst du mir einen schnellen Duli damit ich die Sache verfolge? Bei Nacht, sehe und höre ich deutlich besser als gewöhnliche Menschen. Es wird leicht sein das Geheimnis zu aufzudecken. Aber zwischenzeitlich will ich Safina in deiner sicheren Obhut wissen. Kannst du mir das anbieten?“ Forsch sah er in Dongard dunkle Augen. Sich seiner Aufgabe bewusst nickte der zufrieden, bestätigend. Es brauchte keine Worte um das Versprechen zu versiegeln. Zwei Bewahrer verschworen sich miteinander. Wo blieb da meine Meinung. „Wie lange gedenkst du weg zu bleiben“, kam es ungewollt verstimmt. Schmeicheln hielt Maxim mein Kinn. „Zwei, drei Nächte. Dongard Lager scheint ja in der Nähe zu sein. Du bist nicht weit entfernt von mir. Ausserdem brauche ich nach dem Labor etwas Luft um mich wieder selbst zu finden. Meine Gedanken sind ganz durcheinander. Verwirrt, nach dem Gefängnis und deiner unbeschreiblichen Güte. Lass mir ein paar Tage Zeit um den alten Maximilian in mir wieder zu finden.“
Deutlich missbilligend sah ich zurück. „Den alten Maximilian? Den der mich ständig auf Distanz gehalten hat!“
Kehlig lachte mein Freund. „Den suche ich ganz bestimmt nicht mehr. Diese Zeiten sind vorbei. Ich will dich mehr als alles andere. Geniesse jeden Zentimeter Haut...“ Sein Gesicht rückte näher. Zwischen uns bestand einfach diese magnetische Anziehungskraft. Wir küssten uns innig, das selbst Dongard fasziniert an den Wagen lehnte, abwartete.
Hufschlag aus der Ferne schreckte uns hoch. Maxim und ich hielten den Blick gefangen. Ohne uns umzudrehen las ich in Augen meines Geliebten. „Damarilis ist zurück.“ Maxim grinste. „Erstaunlich, einfach genial. Du bist der lange vermisste Teil von mir. Gerade weil du mir so kostbar bist will ich dich beschützt wissen. Umso effizienter kann ich arbeiten und das spart weitere Zeit. Bedenke Safina, wenn ich diesen Bauern nicht helfe, wirft das viele Zweifel auf die nächsten Bewahrer die durchreisen. Ersten werden sie nach dem abgehauenen Feigling suchen der sich einfach verdrückte und einen zweiten Bewahrer sogar eventuell auf meine Spur anhaften. Daher muss ich helfen auf meine vorteilhafte Weise. Ausserdem bin ich mit meiner Ausrüstung, “ er tippte sich an die feine Schnauze, „Viel besser ausgerüstet für so mysteriöse Fälle.“
„Ja“, umarmte ihn ganz fest. „darum bin ich auch so stolz auf dich. Gerade weil du so aussergewöhnlich bist.“
Aufgebracht brüllte Damarilis in unsere gemütliche Zweisamkeit hinein. „Hab ich was verpasst? Es gibt momentan wichtigere Dinge! Ich dachte wir sind auf der Flucht und nicht auf einem zuckrigen Kaffeekränzchen. Dongard, was grinst zu so zufrieden vor dich hin. Wir verlieren unnötige Zeit...“
„Hör auf“, erhob Dongard seine eindrückliche Stimme, die ihrer Schärfe gleichkam. „Das sind wichtige Minuten in einer Beziehung! Ausserdem sieht dein Duli aus als kracht er jeden Moment zusammen. Also lass ihn im Schatten abkühlen oder wir hängen dich schon nach der ersten Kurve ab.“
Widerstrebend knisterte es zwischen den Beiden. Dongards unnachgiebige Härte siegte. Vielleicht benutzte er sogar seine Gabe. Jedenfalls stieg sie vernünftiger Weise ab. Als sie an ihm steif vorbeistelzte konnte ich mich nicht verkneifen. „Schon so früh von deinem Ausflug zurück?“
Diesmal wusste ich das Dongard seine Gabe einsetzen musste um ihren inneren geladenen Vulkan abzukühlen.
Erst gegen den späteren Nachmittag reisten wir weiter. Erreichten schon nach wenigen Stunden einen fast leeren Gasthof. Dongard wollte erneut pausieren, dafür in der Nacht die verlorene Zeit aufholen. Damit stiess er auf energischen Widerstand. Maxim und ich gingen ein Stück spazieren, liessen die beiden ebenwürdigen Kommandanten, ihre unterschiedliche Meinungen abseits austragen. Das ständige Geschrei dröhnte sonst in unseren beiden empfindlichen Ohren. Schlenderten gemütlich an einer jung angepflanzten Allee entlang. Still schwiegen die silbrigen geneigten Blätter. Trockenheit herrschte. Kein Luftzug kühlte. Über den abgeernteten Stoppelfeldern flimmerte die Luft. Schon nach einer Feldlänge fing mein Freund allmählich zu hinken an. Obwohl er es versuchte zu vertuschen, bemerkte ich seine übermässige Anstrengung. Verfolgte mit Sorge sein Bemühen die Schmerzen vor mir zu verstecken. Schweigend wendete ich Richtung Gasthof zurück. Auf dem Weg dachte ich über unsere Zukunft nach. „Wo werden wir wohnen? Im Sumpf? Oder hast du vor deine Rolle als Bewahrer weiter zu vertiefen.“
Mir kam es vor als wich er mit dem Blick aus. Zaghaft begann er. „Was möchtest du denn am liebsten?“
Tief einatmend liess ich ihn wissen. „Ein paar Tage Ruhe im Sumpf täte uns beiden gut. Aber auf Dauer befürchte ich dass es uns langweilig wird. Wir brauchen eine Beschäftigung. Jeder Mensch braucht eine Aufgabe oder ein Ziel. Also wenn du weiterhin den Bewahrer spielst, begleite ich dich gerne. Es bringt auch genügend Auslauf für die drei Welpen. Sie brauchen festen Boden unter den Tatzen um herum zu tollen. Zudem würde es mich freuen das neue Land hier besser kennen zu lernen. Ausserdem ist es von Vorteil für uns beide diese Gegend genauer zu erkunden. Werden wir wieder zur Flucht gezwungen, nützt uns diese Kenntnis.“
Seine Schultern lockerten sich. Sein Gesicht hellte sich auf. „Dies entspräche genau meinem Wunsch. Es gefällt mir mit den Leuten zu arbeiten. Ihre Probleme zu verstehen. Da fühle ich mich wie ein dazu gehörigen Teil der Gesellschaft. Fast wie ein normaler Mensch.
Du bist zwar in einer verbannten Zone aufgewachsen, aber ich vermute trotzdem dass mit der Zeit dir die Leute, im leeren Sumpfgebiet, fehlen. In Dongard Lager hast du dich auch verändert. Darauf gibt es nur leichte Hinweise, doch ich erkenne sie. Der Sumpf mag perfekt sein als ein vorüber gehendes Versteck, doch ich finde die Zeit als Gejagte sollte endlich ein Ende finden. Sobald sich die Lage beruhigt hat und wenn es halt ein Jahr dauert, dann ist Zeit für uns sich dem Leben zu stellen. Zu unserem beiden Vorteil.“
Darüber lachte ich leise. „Hoffentlich willst du nicht gerade in die Stadt ziehen?“ Heiter stimmte er zu:„Wir wären getarnte Schafe in einem Wolfrudel. Nein, so einen extremen Wandel überständen wir kaum.
Alles bedarf einer genauen Planung. Wir finden genug Zeit zum Nachdenken Zuhause, in unserem Sumpf.“
Meine Hand legte sich vertraut in seinen Rücken. „Darauf freue ich mich schon. Oh, Himmel wie wird die Hütte aussehen nach dem Sturm von drei Welpen? Wir müssen mehr Jagen als üblich.“
Bedenklich sah er mich von der Seite an. „Allerdings. Du willst alle drei behalten?“ „Auf jeden Fall. Ich hab es versprochen. Seltsam das er auf diesen Punkt beharrte. Es scheint so als ob die drei... auf irgendeine Weise miteinander verbunden sind. Hattest du nie das merkwürdige Gefühl dass sie einem fast Verstehen. Obwohl sie so wild sind gibt es Momente wo sie ungewöhnlich rasch folgen.“
Maxim stimmte mit einem Nicken zu. „Safina, obwohl ich keine Erfahrung im Umgang mit Hunde besitze ist mir gelegentlich schon aufgefallen das sie speziell reagieren. Fast menschlich. Vielleicht hat mein Freund eine neue, intelligentere Rasse uns untergeschoben.“ Mit einer heiteren Vorahnung sahen wir uns in die Augen. „komm lass uns nachsehen was die drei anstellen.“
Herausfordernd meinte ich überzeugt. „Bestimmt weniger als ich.“ Flitzte einen hastigen Satz zur Seite als mich Maximilian schnappen wollte. Gegen sein drohendes, „Na warte.“ rannte ich lachend übermütig davon.
Zurückbleibend stemmte er die Hände in die Hüften. „Mit euch werde ich schon fertig!“
Gänzlich anderer Art freute sich Dongard bei meinem Erscheinen. „Bei dieser Hitze rennst du noch? Gut wenn du überschüssige Energie hast, kannst du mir gleich beim Abladen helfen!“
Unsicher sah ich ihn an. War es ihm tatsächlich ernst? Seine unerbittlichen Gesichtszüge verlangten es! Mit einem widerwilligen Nasenrümpfen dankte ich es ihm. Worauf er sich ein inneres stummes Lachen gönnte. „komm schon. Dein Freund hat ein verletztes Bein und Damar hat noch einen anstrengenden Ritt vor sich. Wir wollen Morgen frühzeitig das Tal der Steine durchqueren also muss diese schwere Ware runter.“ Er wies mich an bei den Fässern mit anzufassen. Selbst die Säcke mit dem getrockneten Lebensmittel. Was mir zu denken gab. „Warum eigentlich? Ich meine willst du hier damit handeln oder es erst später abholen?“
Mit einem schon feuchten Tuch wischte er sich über die glänzende Stirn. Schleuderte es mir über die Fässer hinweg zu. Mir viel bisher kaum auf dass ich viel Schwitzte. Irgendwann gewöhnte man sich daran mit feuchter Kleidung herum zu spazieren. Bei diesem drückenden Wetter eine Selbstverständlichkeit. Erleichtert wischte ich mir übers Gesicht.
„Das zweite trifft zu. Erst will ich euch bei mir versorgt wissen. Ausserdem brauche ich nach dem ungewöhnlichen Stress unbedingt ein paar erholsame Tage. So viel gibt es zu überdenken. Du hast meine bisherig heile Welt komplett umgestülpt.“
Genauso direkt wie er schleuderte ich das Tuch zurück. „Tut mir leid dass ich so viel verändere. Auf jeden Fall Danke für deine Unterstützung.“
Lässig stützte er sich auf den Fässern ab. „Du schuldest mir dafür eine noch zwei Jahre Dienst.“
Aufgebracht schnappte ich nach Luft. „Du bestehst darauf?“ krächzte ich erschocken.
Seine überlegene Mine bewies es ohne mit Worte auszudrücken. Fasste nach dem nächsten Leinensack. Wartete bis ich half. Vermied bei dieser Hitze jede überflüssige Anstrengung. „Dongard“, stöhnte ich gequält.
„Am besten bleibst du einen Monat bei mir bis Maximilian seine Bewahrer Mission erfüllt hat. Nicht wahr?“ Damit fragte er meinen eintreffenden Freund um Zustimmung.
„Gute Idee“, sagte der knapp erschöpft. Legte sich abseits ins Gras unter einem Nussbaum.
„Dongard“, drohte ich mit neuer Energie. „Hast du nicht selber eine Ausbildung unvollendet? Wenn du glaubst das ich brav in diesem Lager hocke während Maximilian herum reist, dann irrst du dich gewaltig.“
Nach dem letzten Gepäckstück breitete der Kommandant seelenruhig einen dicken Teppich als Polster über die leere Ablagefläche aus. „Meine liebe Safina“, fing er wieder so vernünftig, ruhig an dass ich bereits gewarnt war. „Darf ich dich erinnern dass du sehr Beschäftigt sein wirst, während dieser Ausbildungszeit! Keinesfalls herum hocken. Denn bin ich immer noch dein Vorgesetzter Kommandant dem du dich ohne jeden Zwang, vor mehreren Zeugen, verpflichtest hast! Soll ich noch erwähnen, “ das kam jetzt verstärkt zuckersüss, „Dass ich dich als Strafarbeit, wenn Maximilian weg ist, bei noch so unerträglicher Hitze dich hierher schicken kann um diese Landung abzuholen. Nur falls du im Dienst mal vergessen solltest wem du Respekt schuldest. Merke dir auf der Heimreise besser den Weg, denn ich achte bei Missionen auf ein knappes Zeitfenster.“
Mit zusammengekniffenen Augen gab ich bissig zurück. „Das wagst du nicht?“
Er stemmte seine Ellbogen auf eines der Fässer ab, stützte seinen Kopf auf die Hände. „Wollen wir wetten?“
Aufgebend schüttelte ich den Kopf. „Warte nur bis ich mich erhole, dann räche ich mich schon auf meine Weise“, murrte ich im Wegtreten.
„Davor fürchte ich mich jetzt schon. Aber es ist eine Interessante Herausforderung an mich.
Also alle Mann antreten! Wir reisen weiter!“
Mit einem gespielten traurigen Gesicht sah ich Maxim an, der sich wieder auf die Beine bemühte.
In keiner Weise zeigte er Mitgefühl. So stemmte ich meine geballten Fäuste in die Hüften und fauchte ihn an, „Du stehst natürlich auf seiner Seite.“
Sein erschöpfter Blick wechsele sofort in Aufmerksamkeit. „Mein Liebling, Dongard hat sich die Bezeichnung Kommandant verdient. Bei der langjährigen Erfahrung ist es ratsam seine Entscheidungen zu achten oder zumindest gut zu überdenken.“ Vorsichtshalber räumte mein Freund Distanz ein. Kletterte brav hinten auf den geräumigen Wagen, neben Dongard hin. Ungeduldig federte Damar auf ihren gesattelten Duli hoch ohne die Steigbügel zu benutzen. „Worauf wartest du? Brauchst du eine extra Einladung?“ drängte sie mich voran.
„Lassen wir die Landung einfach so am Boden herumstehen?“
Auffordern klopfte Dongard auf die vordere Sitzbank. „Komm. Der Wirt räumt zu einer kühleren Stunde meine Sachen weg. Das verdirbt nicht. Mach dir darüber keine Sorgen.“
Beruhig setzte ich mich auf den Kutscherbock. Munter zog der Duli vorwärts. Ein paar Stunden reisten wir im erträglichen Schritttempo. Sobald sich die Sonne in einen orangenfarbigen Ball verfärbte beschleunigten wir mit lockerem Trab. Stunde um Stunde, ohne eine Pause. Erstaunlich mit welchem Tempo wir die Wegstrecke verschlangen. Immer grösser, weiter wurden die Felder. Verstreuter die Bauerhäuser. Seltener die kreuzenden Wege. Trockener die Landwirtschaft. Auf einmal rauschte zu unserer rechten Seite ein Fluss. Dazwischen trennte uns ein dichter Streifen aus Schilf und verwilderten Bäumen. „Diesen Fluss habe auf den Weg zur Stadt gar nicht bemerkte“, wunderte ich mich.
Dongard erklärte. „Zu Fuss haben wir auch den direkteren Weg genommen. Mit dem Wagen brauchen wir eine breitere Strasse. Wir erreichen unser Lager von der Rückwärtigen Lage. Den Fluss Ning werden wir ab jetzt öfters sehen, können aber leider nie nah an ihn heran. Hier gibt es überall Sumpfgürtel und später verschwindet er in den unterirdischen Bereich der Hügel. Zu unserem Vorteil fliess er immerhin einen Kilometer an unserem Lager vorbei und wir haben daher eine günstige Stelle geschaffen um ihn ungefährlich zu erreichen. Bei dem idealen Sommerwetter kann es vorkommen dass Derek das Nachmittagstraining an den Fluss verlegt. “
Unbehaglich sah ich nach hinten.
Dongard fing den Unbehaglichen Blick auf. „Was?“
„Hoffentlich verlangst du nicht von mir dass ich je in diesem reisenden Fluss schwimme. Ich kann nämlich nur schlecht schwimmen. Ausserdem mag ich es überhaupt nicht wenn meinen Füsse schleimiges Seegras oder Krebse berühren.“
Kopfschüttelnd meinte Dongard, „Was lernt ihr überhaupt in der alten Welt?“
„Wie man andere Leute täuschen kann, Kapital gewinnt und aus einem Geschäft den best möglichen Umsatz erzielt“, übertrieb ich kritisch. „Nein, wir besitzen auch für einige Leute gesunden Olympiaden, oder vernünftige Hobbys, nur sollte man genug Geld verdienen um sich so was zu leisten. Die schlimmste Freizeitbeschäftigung ist wohl das Fernsehen. Eine absolut zeitraubende Ablenkung. Früher hab ich problemlos bis zu acht Stunden vor diesem flimmernden Flachbildschirm verbracht. Weißt du überhaupt was ein Fernseher ist?“ Mir fiel erst jetzt auf dass ich dieses „fortschrittliche“ Gerät, sogar den PC, in keiner Weise vermisste.
Bestätigend nickte der Kommandant. „Aus dem früheren Geschichtsunterricht. Fernsehen und Radio gehörten bald nach den wilden Stürmen und Kriegen zur überflüssigen Technologie an. Seit man neue Gesetze einführte, hielt man es sogar für Notwenig den Fernseher zu verbieten wie einige andere elektronische Geräte. Wegen den ausfallenden Maschinen, die hoch oben im Himmel nutzlos herumflogen, war das meiste eh nutzlos geworden. Es soll heftige Reaktionen aus dem gespaltenen Volk gegeben haben. Einzig einige Funkeräte haben, dieser rationalisierende Zeit überdauert. Man kann sie heute noch in unseren Museen besichtigen. Nach allem was ich so vernommen habe dienten viele dieser Geräte zur Massenverblödung und raubten wertvolle Freizeit. Meinen Informationen zufolge wurden viele Botschaften für das einfache Volk verbreitet, zur Ablenkung. Damit die wahren mächtigen Leute, unbemerkt den Verlauf der Welt steuern konnte um ihren unsäglichen Reichtum weiter zu vermehren. Bin ich da gut unterrichtet?“
„So einiger massen. In meiner Zeit gestaltet sich das Programm mehr zur Unterstützung bei Problemen. Mich Interessierten mehr die unterhaltsamen Spielfilme die Lebensgeschichten nacherzählen.“ Dongard warf ein: „Ersetzen wir hier durch Theater und Unterhaltungstruppen. Bringt den begabten Leuten einen dauerhaften Job und schafft eine gelungene, gesunde Abwechslung fürs gesamte Volk, auch für die weniger Bevorzugten.
Du solltest mal der knisternden Atmosphäre eines Ententanzes beiwohnen. Absolut einmalig die geladene Luft, wenn du die Chance bekommst zwei talentierten Künstler zu beobachten. Weist du dass diese Vorstellung sogar einen bedeutenden Einfluss hat, auf die Vergrösserung der Stadt.“
Abeisend erinnerte ich mich an das meisterhafte Bühnenstück in der Stadt. Die tanzenden, eleganten Körper, die sinnlichen Bewegungen. Verstand was Dongard mit der einzigartigen Atmosphäre meinte. Verträumt wisperte ich, „Ja, ich erinnere mich.“
Unerwartet keuchte Dongard erschrocken. Auf meinen genaueren Blick hin, reagierte er wieder gelassen. Presste einzig seine Lippen aufeinander als wollte er verhindern was preiszugeben. Er verbarg eindeutig etwas?
Heitert wollte er wissen. „Erinnerst du dich lieber an die Vorstellung oder an die Nacht danach?“ Jetzt verstand ich was er andeutete mit der Vergrösserung der Stadt, zunehmende Geburtenrate. Vergebens versuchte ich mich zu beherrschen. Grinste schweigend vor mich hin. Selbst Maximilian lachte leise. Verriet die angenehme Erinnerung daran.
Abrupt stemmte der Dulie seine Hinterhufe in den Boden. Schlitterte auf harten, trockenen Untergrund. Verfärbte sich genauso schnell wie Damars Untersatz. Aus dem dichten, halb vermoderten Dickicht zu unserer Rechten huschten unverhofft zwei leicht gebeugte Schatten mitten auf die Strasse. Es dunkelte bereits, dennoch sah man auf die fünfzig Meter Distanz ihre ungepflegten Gesichter. Mit den halblangen ungekämmten dunklen Haare und dem Dreitagebart boten sie keinen vertrauenswürdigen Anblick. Ihre weite, offene Kleidung entsprach ganz der Regionalen Bequemlichkeit. Kurz geschnittene, fleckige Kniehosen, welche von der Sonne gebräunte Beine zeigten. Ziemlich kräftige, muskulöse Gestalten, deren Aufdringliche, drohende Haltung verriet dass uns keine rechtschaffenen Bauern den Weg verstellten.
Abwartend, gefasst nahm Damar als erste die düsteren Gestalten scharf ins Visier. Wie ein bedeutender Trumpf im Ärmel, versteckte sich Dongard lauernd hinter meinem Rücken. Einzig Maxims Hände verkrampften sich um die Wagenlehnen. Furchtlos stand er auf und Demonstrierte seine Missbilligung deutlich nach Aussen. Zum Glück versteckte seine weite Kapuze die fletschenden Kiefer im angespannten Gesicht. Drohend, beschützerisch stellte er sich neben mich. Wissend das seine Bewahrer Amtstracht die unehrlichen Gauner vor uns abschreckten sollte. Genau wie erwartet verunsicherte sie enorm die Anwesenheit eines verhüllten Bewahrers. Wagten sich dennoch zögerlich vor. Ein Aufgeben stand für sie nicht zur Debatte. Was mich ungutes vermuten lies. Sie besassen einen triftigen Grund, so offen aufzutreten. Wenige Meter neben Damar setzten diese beiden Halunken einen harmlosen, bittenden Gesichtsausdruck auf, der wenig überzeugte. Vielmehr den Verdacht schürte in einen lauernden Hinterhalt geraten zu sein.
Sie besassen eine gewisse Ähnlichkeit wie zwei Brüder. Vielleicht lag das am gleichen, zottigen Haarschnitt der Aussah als ob man mit ein Messer herumsäbelte statt mit einer Schere. Dann nach einigen Sekunden der stillen gegenseitigen Einschätzung fiel uns, vor allem Maximilian, besonders etwas auf. Ihre mit Schlamm verspritzen Schuhe erzählten dass sie den mühsamen Zugang zum Trinkwasser fanden und die markante Schweisswelle verriet eine andere furchtbare Vermutung. Garantiert bewegten sich diese Zwei nicht in normaler Gesellschaft herum. Selbst die Wirtshäuser pflegten ein gewisses Niveau und würden diesen stinkenden Landstreicher niemals in eine Stube Einlass gewähren. Selbst aus fünf Meter Entfernung war der stechende Gestank so abschreckend wie ein voller Schweinstall, den man dringend misten müsste. Einer der dünnere hoch gewachsene wagte sich, trotz dem nervös tänzelnden Duli, vor. Fast heiser, flüsternd bat er Damar um eine Kleinigkeit zu Essen. „Etwas Billiges zu Tauschen wäre mir auch recht.“ Lebhafte Augen streiften uns gierig.
Schützend drängte Damar ihren Duli quer vor uns in seinen Weg. Düster spie sie ihm entgegen. „Wir haben nichts. Aus Zeitmangel haben wir alles zurück gelassen. Siehst du den nicht dass unser Wagen leer ist? Also verschwinde in das Loch wo du herausgekrochen bist!“
Unbeeindruckt flüsterte der zweite dem ersten Gauner was ins Ohr. Worauf dieser in den nächsten Level hoch einschaltete. „Wieso zweifle ich an euren Worten? Wir sind hier so weit abseits. Mit leeren Händen wandert hier kein Reisender. Was führt ihr mit Euch von Wert wenn ihr nicht einmal ein Stück Brot oder Wasser habt?“
Drohend knurrte einer meiner Welpen. Maximilian packte ihn an einer fetten Kragenfalte und hob in beruhigend in seine Arme hoch. Worauf die andren nach derselben Behandlung bellten.
Ein schwacher Schimmer erhellte das schmutzige Gesicht. „Drei Hunde geben eine Menge Arbeit. Schenkt uns einen und wir sind schnell weg.“
Funkelnd drohend stand ich empört auf. Da diese hungrigen Halunken nicht mal Nahrung für sich jagen konnten, warum auch immer, wollten sie sicher den Hund essen. Dass ging ja gar nicht! Mit diesen zwei schwächlichen Irren wollte ich es sogar alleine aufnehmen. Vergebens zerrte Dongard warnend hinten an meinem Hemd. „Ihr zwei halbe Portionen, “ donnerte ich los, selbst von mir überrascht. „Wenn ihr einen Hund haben wollt müsst ihr ihn wie alle anderen erst einmal verdienen! Warum arbeitet ihr nicht? Ihr habt zwei gesunde Hände!“ Mein frontaler Angriff überraschte wohl alle. Genauso radikal nutzte ich die erste Einschüchterung. „Was wollt ihr wirklich? Was steckt hinter euren schmierigen Auftritt. Ihr plant etwas, das kann ich deutlich spüren.“ Besonders diplomatisch war ich noch nie in meinem Leben, vor allem dann nicht wenn ich eine Bedrohung, auf mich gerichtet witterte.
Hastig einatmend sahen sich die beiden Halt suchend an. Da stocherte ich also fündig in einer offenen Wunde. Beunruhigend das sie sich nach diesem offenen Geheimnis nicht einfach verabschiedeten und in die Wälder zurück verdrückten. Dichter trat Maximilian hinter mich. So dicht dass sich sein Köper fast meine Seite berührte. Lies ein vertrautes Kribbeln in meinem Körper ausbreiteten dass mich etwas beruhigte. Doch die leisen Worte steigerten in uns allen das Adrenalin, „Hinter uns versteckt sich noch jemand.“ Staunend sah ich meinen Gefährten an. In dem dichten Waldabschnitt entdeckte ich nur harmlose Büsche. Beeindruckt gestand Dongard. „Ich beneide dich um deine hervorragenden Ohren.“ Angestrengt suchte er bereits nach der verborgenen Gefahr. Maxims Mundwinkel zuckten. „Beneide mich um meiner Ohren wegen, aber um meine Nase kann ich weniger Empfehlen. Hab ihn erst bemerkt als er heimlich furzte.“
Sorry, aber darauf lachten ich und Damarilis erst einmal kurz. Bei Dongards scharfem Verstand klingelte bereits schrill der Alarm. „Dann ist er der Gefährlichste! Wenn einer in einer Bande sich pflegt, dass ihn von den anderen Unterscheidet, ist er meistens der berechnende Organisator.“ Kommandant Dongard wachsame Melfegabe erwachten. Eine feine Welle verstärkter Energie umgab ihn plötzlich.
Hinter uns knackte es im Unterholz. Entschlossene Stiefel marschierten rücksichtslos auf uns zu. Da hielt es einer für unnötig weiter versteckt zu bleiben. Gespannt gewahrten wir einen zweiten verhüllten Bewahrer. Allerdings trug er statt der gewöhnlichen Amtstracht eine ganz seltene Ausgabe in Schwarz. Mir war nicht einmal bekannt dass dieser Ausführung existierte. Selbst auf Dongard Gesicht zeigte sich deutlich Besorgnis über die unerwartete Überraschung.
Auf dem sicheren Weg stampfte der Fremde kräftig auf, damit der allfällige Walddreck von seinen Stiefeln abfiel. Selbstsicher, lange ausholende Schritte zielten uns furchtlos an. Wie eine unbesiegbare Maschine sich seiner Zerstörungskraft voll bewusst. Ausserdem besass er eine Geschmeidigkeit in der Bewegung die mich sogar verwunderte. Schon jetzt hielt ich ihn keinesfalls für einen gewöhnlichen Menschen sondern hielt ihn wie Maximilian für eine mit zusätzlichen Genen ausgerüstete Persönlichkeit.
Damar löste sich aus ihrer anfänglichen Starre. Warnte scharf, „Dongard, zeig ihm besser deine Melfische Seite. Brems ihn ab…“ Schon ab dem ersten Satz bereitet sich Dongard mental vor. Schloss konzentriert die Augen und murmelte ein paar Worte. Darauf machte der Unbekannte eine schlichte Handbewegung. Dongard taumelte, sackte willenlos auf dem Wagenboden zusammen als hätte man ihm den Lebensfaden durchgeschnitten. Jaulend sprangen die jungen Hunde, vor dem reglosen Körper, ängstlich auf die Seite. Drückten sich bei Maxim schützend um die Beine. Sobald unsere stärkste Verteidigung fiel, lüftete der andere Anführer unbekümmert seine Maskerade. Streifte seine Kapuze nach hinten. Beeindruckt sog ich tief Luft ein. Dunkle glatte Haare in einem auffällig hübschen, jungen Gesicht. Eine gerade unauffällige Nase, sinnlicher Mund und vor allem lebhafte, intelligente dunkle Augen. Er mochte fünfzehn, zwanzig oder sogar älter sein. Besass einen jugendlichen natürlichen Charme der so gar nicht zu einem Übeltäter passte den er gerade spielte. Als er den warmen, schützenden Mantel vorne öffnete, präsentierte er eine schlanke, kräftige Figur. Melf oder zumindest ein Halbmelf. Wahrscheinlicher ein verstossener Halbmelf. Denn es blieb eisig hinter der makellosen schönen Fassade. Im Gegensatz zu Dongard, vernachlässigte er keinesfalls seine überlegene Gabe. Nutzte sie weiterhin so unverschämt das Damar gänzlich bewegungslos im Sattel festklebte. Unfähig selbst mit den Augen zu zwinkern. Einzig ein leichtes Zittern ihrer Finger verriet den inneren Widerstand. Ihr sonst so lebhafter Duli suchte Schutz bei dem älteren Artgenossen vor unserem Wagen.
Zwei ausgebildete hohe Kommandanten mit einer einfachen Handbewegung matt gesetzt. Ob es so etwas wie einen Meisterbewahrer gab? Mit diesem schwarzen Unhang glich er wirklich einem verstossenen Jediritter der sich der falschen Macht bediente. Fehlte nur das Laserschwert. Bei jedem Schritt der er näher kam, fühlte ich mit kraftloser. Fast so als ob allein seine blosse Gegenwart, seine düstere, starke Aura jeden Widerstand in mir niederschmetterte. Zweifellos ging es meinem Freund genauso denn er liess den Feind, ohne die geringste Gegenwehr, ankommen.
Misstrauisch verfolgte der Halbmelf jede unserer Bewegungen. Fand kein Interesse daran mich oder Maximilian in die aufwendige, tiefere Starre zu verbannen. „Hallo“, grüsste er mit angenehmer, tiefer Stimme. Der junge Mann war eindeutig erwachsen. Wir verhüllten uns in Schweigen. Vielleicht schockte uns Dongard gänzliche Niederlage.
Frech warf er einen prüfenden Blick in den hinteren Teil des Wagens, dann auf meine vordere Seite. Klopfte den untern Teil des Wagens ab mit seiner Stiefelspitze ab. „Schade, ich rechnete wirklich mit einer Kleinigkeit zu Essen. Aber ihr seid erbärmlich armselig ausgestückt unterwegs. Was ist der Grund für diese überstürzte eile?“
Herr der Lage, sprang er elegant hoch und setzte sich neben mich, als sei es die natürlichste Sache der Welt. Bedrohlich knurrte diesmal Maximilian höchst persönlich. Klar, offen sahen fast schwarze Augen nach hinten. Beinahe freundlich. Lieferte keine Grund für eine übereilte Reaktion, unterstrichen aber deutlich seine unbekümmerte Überlegenheit.
In mir brodelte es. Verdammt, sein überwältigender Anblick. Verführerisch, kalt, gnadenlos in seinem Inneren wie der Teufel persönlich. Hohe, weich abgerundete Wangenknochen strahlten so eine täuschende Harmlosigkeit aus. Ein absolut symmetrisches Gesicht mit länglichen Augen die mich gleich an Dongard erinnerten. Sein schwarzes Haar trug er einst länger. Diesmal zeigte er es gekürzt. Es sah aus als ob er einfach, beim Haarband hinten, die Schere ansetzte und durchschnitt. Dadurch wurde die vordere Front länger als die hintere. Ein kleiner Schönheitsfehler in dem sonst einmaligen Gesicht das zu viele Frauenherzen höher schlagen lies.
Wissend um seine umwerfende, verheerende Wirkung lächelte er mich an. Worauf ich erst einmal, genervt weil er mich so leicht ertappte ihn zu bestaunen, mit den Augen rollte. Es fiel mir schwer, in meinem aufgewühlten Inneren, nach Worten zu suchen. Schliesslich schaffte ich es halbwegs vernünftig über die Zunge zu bringen, „Du bist ein Halbmelf. Wieso bist du anders als wie man es sonst erwartet, “ versuchte ich es mit ehrlicher Neugierde. Bei einem übermächtigen Feind ist es hilfreich ihn besser zu kennen bevor man den Gegenangriff startete.
Darauf lächelte er breiter was meinen Herzschlag beunruhigend beschleunigte. Verräterischer Körper dem diese herausragenden Gene gefielen.
„Das liegt zurück in meiner uninteressanten Vergangenheit. Verrate mir lieber was du hier in diesem seltsamen Haufen machst? Der hinter dir scheint mir nicht mal ein echter Bewahrer zu sein.“
Ich benötigte all meinen Willen nicht in diesen faszinierenden Augen zu versinken die mich wie Magnete positiv anzogen. Trocken fühlte sich mein Hals an. Verdammt, Maximilian, gib mir Kraft. Lass mich an deine sanften, warmen Augen erinnern. Winzige Bruchteile an Hinweisen dass ich unter einem unsichtbaren Bann stand, drangen wie Schneeflocke in mein Bewusstsein. Schmolzen angesichts diesem all umschiessenden Kraftfeld dahin wie auf einer heissen Herdplatte. Dennoch der Versuch, der winzige Widerstand reichte dass ich bei klarem Verstand blieb und meinem Willen folgte, der nicht einfach die Wahrheit hinausplappern wollte.
Listig bemerkte mein Gegenüber meine erbärmliche Abwehr. Unterliess es seine Macht zu verstärken. Gönnte mir die kärglichen Überreste. Wartete auf eine Erklärung. Aufatmend startete ich erneut. „Dasselbe gilt eigentlich auch für dich. Warum gibst du dich mit so einem unwürdigen Pack ab?“
„Weil sie mich Unterstützen. Sie haben mich aufgenommen als ich Hilfe brauchte und jetzt helfe ich ihnen, “ entgegnete er ohne zu Überlegen.
Aha! „Du gehörst also wirklich auch zu diesen...verlorenen Schafen.“
Worauf er meine Bezeichnung mit Humor auffasste. „Wenn du es so nennen willst. Doch nun zu deinem Geständnis?“ Gespannt verfolgte er jede Regung. Eine Lüge witterte er sofort. So feuerte ich gleich mit dem wirkungsvollsten Geschoss los. „Mein Lieber“, schmeichelte ich. Bediente mich Dongards unverschämter, überlegener Taktik. „Ich bin der Staatsfeind Nummer Eins. Hinter mir folgen einige unbestechliche Kommandanten. Ein ganzes Rudel an Soldaten und Flieger. Oder sollte dir entgangen sein mit welche Sorgsamkeit diese Gegend in letzter Zeit durchkämmt wird?“ Eine schwache Falte zeichnete sich auf seiner Stirn ab. Gut, ich nutze seine aufkeimenden Bedenken. „Je länger du uns aufhältst umso näher kommen diese königlichen Jäger. Bestimmt haben die nichts dagegen auch eine rebellischen Halbelf zu fangen. Ich werde nämlich bei meiner Gefangennahme, als erstes, dich als Komplizen beschreiben. Dich als den Kopf allen Übels beschuldigen. Würde dir das Gefallen?“ sagte ich äusserst liebenswürdig. Er behielt sein Lächeln bei, mit einem Anflug von Nachdenklichkeit. Zu meiner Freude benötigte er einen Moment zum Überlegen.
Dann zuckte es jedoch belustigt in seinem Mundwinkel. „Wirklich gut“, sagte er einen Blick nach vorne ausschweifend. „Die verstärkte Präsenz der Jäger gab mir schon zu denken. Der aufgescheuchte Grund dafür kann ich nicht sein. Dazu lebe ich zu unauffällig. Aber das mit dem Staatsfeind...“ genauer forschte er in meinem Inneren. Sein letztes Lächeln verschwand. Ungläubig schüttelte er den Kopf. „Es ist wahr? Es ist also wahr! Dabei scheinst du so harmlos. Wie dem auch sei.“ Mit neuem Tatendrang sprang er leichtfüssig auf den Boden zurück. Trat im sicheren Abstand an dem angespannten, aggressiven Dulie vorbei. „Kommandant, Absteigen!“ befahl er Damar. Gleich einer willenlosen Marionette gehorchte sie.
Mit tiefer Sorge versuchte ich ihm zu entlocken. „Was hast du vor?“
Eine lähmende Beruhigung strahlte seine mächtige, unsichtbare Kraft aus. Souverän bestimmt er weiterhin. „Bleib schön sitzen, das erleichtert unsre Arbeit. Ihr durchkreuzt ziemlich unangenehm meine Pläne. Bedauerlich das ihr das einfachste nicht besitzt. Mit ein paar Vorräten wären wir völlig zufrieden gewesen. Da ihr Zeugen meines Auftrittes seid muss ich euch alle verschwinden lassen. Nein!“ Herrschte er mich an still zu sein. „Vorweg, meine Kraft muss geheim bleiben. Zwar kann ich euch einfachen Leuten vielleicht noch vertrauen, aber niemals einem Kommandant. Bei denen ist eine Drohung wirkungslos. Ausserdem gehe ich kein Risiko ein, dass bei einer Festnahme deine Erpressung wahr wird. Staatsfeind trifft Staatsfeind, und der bessere Gewinnt. So ist das nun mal im Leben. Wenigsten dienen die Dulies mir als wertvolle Fleischlieferanten...?“ Fragend durchbohrte er mich. Lange, mit einem durchdringenden, staunenden, ansteigendem Widerwillen. „Setz dich gefälligst hin! Dann wird es schmerzlos enden…?“ Erbost trat er näher. Mit demselben tödlichen, messerscharfen Blick kreuzte ich seinen Willen. Offener Krieg. Deutlich versuchte er meinen Verstand zu Verwirren, zu Unterjochen. Genauso wie bei Dongard leerte ich vollkommen mein Denken. Versuchte zu Handeln ohne darüber einen Gedanken zu formen. Tobend jagte er in meiner inneren leeren Hülle umher und fand keinen Greifbaren, formbaren Halt. Ich fühlte mich total mies, schlecht von dieser bösartigen Macht ausgefüllt. Wagte sogar sie für kurze Zeit, diesen Feind, gedanklich einzuschliessen. Worauf dieser Melf sein Vertrauen in die Magie vergass und sich in Bewegung setzte um mich körperlich anzugreifen. Ein energischer Schritt genügte. Meine Hand schnellte vor. „Danke Damar“, holte ich lobend Unterstützung. Nutzte es als wirkungsvollen Bluff. Abgelenkt wirbelt der Melf vor der vermeidlichen neuen Bedrohung herum. Erlöste, befreite es mich vom grössten Bann. Genügte um dem empfindlichen Dulie die Zügel auf den Rücken zu peitschen. Kraftvoll legte er sich ins Geschirr. Ein vorgeheizter Vulkan explodierte. Machtlos schleuderte es die beiden unachtsamen Handlanger auf die Seite. Staub, Kieselsteine schleuderte es unter den Hufen auf. Hinterliessen eine undurchdringliche Wolke in die fortgeschrittene Dämmerung. Maximilian stolperte rückwärts über Dongard. Die Welpen versteckten sich schützend unter meinen sicheren Rücksitz, wo man sonst Truhen verstaute.
Nachdem Maximilian sich wieder auf die Beine zog, kletterte er zu mir auf den vorderen Sitz. Wollte mir helfen den Dulie zu lenken. „Alles unter Kontrolle“, schrie ich ihm über das donnernde Rumpeln des Wagens zu. Bleich faste er an den nächsten stabilen Halt, die seitlichen Eisenstütze, die verhinderte das einschlafende Kutscher vom Bock fielen. „Bist du sicher? Sieh mal?“ Er deutet nach vorne wo die ländliche Strasse in einer engen Kurve endete. Danach folgte eine zwanzig Meter lange Brücke aus Holz und gespannten Seilen. Fragend wandte ich mich an den einzigen ansprechbaren Partner. „Müssen wir unbedingt da rüber? Ist das der einzige Weg zum Lager?“
Die Antwort hatte ich schon befürchtet aber nicht gefürchtet. „Auf jeden Fall. Brücken sind sehr selten in diesem Landesteil.“ Maxim drückte sich tiefer in den Sitz. „Brems lieber ab“, schrie er besorgt.
„Maxim, vertraust du mir?“ Der Wegabschnitt verkürzte sich drastisch. Zu allem Unheil führte er leicht bergab was das Tempo verschärfte. „Maxim, vertrau mir“, forderte ich ihn auf. Streckte eine Hand nach ihm aus. Zittern fasste er nach dem Halt. „Gut, lehn dich hinaus.“ Drückte, zog an der Hand um ihm zu zeigen dass es mir durchaus Ernst war. „Lehn dich aus dem Wagen. Gegengewicht, “ schrie ich lauter, erklärend durch den Lärm der klappernden Räder.
Mit gespitzten Ohren zielte der Duli die Kurve an. Seine Hufe bohrte sich in den harten steinigen Grund. Horn splitterte ab. Er rutschte, fing sich, schleuderte sich erneut nach vorne. Eine Sekunde trat ich voll automatisch auf die Bremse um zu verhindernd das der schwere Wagen nicht an die ausgerutschte Hinterhand donnerte. Sollte der Duli bei der Geschwindigkeit fallen, würde das Eigengewicht des Wagen ihn sonst voll tödlich zusammen stauchen. Keuchend lehnte sich Maximilian so schwungvoll hinaus dass mir fast das Schultergelenk rauskugelte. Mein Zugtier erreichte den Wendepunkt sicher, zerrte mit gewaltiger Kraft den Wagen herum. Unter meiner abbremsenden Gewalt knallte er dennoch halb quer gerichtet voll in die hölzerne Seite der Brücke. Holz splitterte auf. Es krachte gehörig, dass ich sofort die Bremse vollständig löste. Für einen Moment ruckte das Gespann als es trotzdem irgendwo hängen zubleiben schien. Erneut flogen Holsplitter über unsere Köpfe. Ein harter Ruck, ein panikartiger Satz und in weiten Sprüngen hechtete der Duli vorwärts. Donnerte über die Dachlose Brücke. Heftig schaukelte der wackelige Untergrund. Ein Gefühl wie in einem schwebenden Lift. Geduldig zog ich sanft an den Zügeln. Je näher das Ende der Brücke kam, umso fester. „Maxim!“ Seine starke Hand packten die störrischen Lederriemen. Rasch setzte er sich neben mich, half mit sie zu kürzen. Wenige Meter vor dem Brückenende, der nächsten engen Kurve, trabte der Duli endlich kontrolliert, heftig schnaufend. Verlangte kämpferisch nach mehr Freiheit. Aber ich liess ihn diszipliniert um die nächste Kurve flitzen ohne dass der Wagen auch nur einen der Stützpfeiler streifte. Der folgende ansteigende Weg half den aufgebrachten Duli besser zu kontrollieren. Hier erlöste ich ihn kurz von dem festen Zügeldruck. Eine weitere Kurve führte in ein durchgehendes weites Tal. Hügel steigerten sich weit entfernt zu kleinen Bergmassiven. Nach einer Minute gelang es mir endlich anzuhalten. “Damar,“ zutiefst besorgt bemerkte ich ihr zurückbleiben. Warf Maxim die Zügel zu und rannte zu Fuss auf die Brücke zurück.
Die aufkommende nächtliche Dunkelheit verbesserte mein Anschleichen auf dem Rückweg. Ausserdem versteckten mich die seitlichen mannshohen Felsblöcke, die man früher aus dem Hauptweg sprengte. Weiter in der Ferne, über dem dunkelblauen Horizont kletterte bereits ein schmaler Mond am Sternenhimmel empor. Verwandelte die grossen Steine in silbrige und graue Abschnitte. Jederzeit bereit den Rückzug beschleunigt anzutreten, hastete ich entsprechend vorsichtig voran. Hinunter zu der Brücke, in die Nähe meines Feindes, fehlte mir dann doch der Mut. Meine bisherige Glückssträhne forderte ich besser nicht länger hinaus. Abwartend kauerte ich im Schatten eines Felsen. Maxim blieb sicher beim Wagen. Nachdem er einigermassen begriff dass es nur mir gelang die Gedankensperre zu überwinden, vertraute er meinem Geschick. Es dauerte auch nur kurze Zeit bis die Leute zu Fuss auftauchten. An der Front der Melf in seinem schwerelosen Schritt. Hinter ihm eine machtlose Damarilis. Zuletzt seine zwei Handlanger die sich mit einem störrischen Dulie bestraft. Deswegen dauerte es bis die Gruppe geschlossen die Brücke erreichte. Gemeinsam verharrten sie vor einem riesigen, herausgerissenen Loch in der Brückenwand. Genau in der geraden Schusslinie des Weges. Mir dämmerte das durch dieses klaffende Lücke ein ganzer Wagen passte. Ich gluckste fröhlich. Durfte ich annehmen, hoffen...
Ein unglücklicher Schrei einer Frau drang herüber. Gequält schrie Damar aus tiefster, traurigen Seele ihren Schmerz laut hinaus. „Nein.“ Sie brach, vor dem riesigen Loch, in die Knie. Entsetzt schlugen ihre Hände vor ihr verstörtes Gesicht. Sie glaubte wie die anderen dass der reisende Fluss praktisch unser Todesurteil bedeutete.
Ein spitziger Stein störte meine Kniescheibe. Genervt schubste ich ihn auf die Seite. Also ich wieder hochsah setzte mein Herzschlag bestürzt, für einen bangen Moment, aus. Ungeahnter Kräfte bedient, packte der Halbmelf die wesentlich grössere Damar, von hinten im Nacken. Schleuderte, innert Bruchteilen einer Sekunde, die wehrlose Kommandantin gnadenlos durch das leere Loch hinaus. Ein verzweifeltes Aufkreischen begleitete ihren Fall, als ihr Körper zirka sieben Meter unter der Brücke, im rauschenden Wasser verschwand. Für einen Moment wusste ich nicht was ich annehmen durfte. Überlebte jemand einen so unvorherbereiteten Sturz aus dieser Höhe? Selbst wenn, wie weit konnte Damar schwimmen? Die steilen Uferzonen waren ja praktisch unüberwindbar? Unschlüssig wartete die böse Gruppe auf der anderen Seite. Einmal spähte der Melf kontrollierend in meine Richtung. Diesmal nutzte ich meine Gabe mich Unsichtbar zu machen. Meine Aura förmlich zu löschen. Jedenfalls funktionierte dieser Trick öfters bei lästigen Sitzungen im Irrenhaus. Hier musste es gelingen, durfte es nicht bei einem Versuch bleiben. Zufrieden kehrte die Drei mir ihren Rücken zu. Verschwanden in Richtung Waldzone mit einem widerspenstigen Duli am langen Zügel.
Begleitet einem schelmischen Grinsen probierte ich einen anderen Trick. Früher unterhielt ich mich mit Tieren. Gedanklich, ohne Worte. Selbstverständlich bekam ich nie eine Antwort, aber manchmal hatte ich das Gefühl sie wussten dass ich eine Verbindung herstellte. Probierte etwas mitzuteilen und sie hörten mir gespannt zu. Fühlten den verbindenden Draht. Genau dieses persönliche Band schickte ich dem aufgeregten Duli hinüber. Wollte dass er sich beruhigte.
Tatsächlich ebnete sein Widerstand ab. Vielleicht war er nach dem langen Tag auch nur müde. Vielleicht alles nur ein glücklicher Zufall. Trotz der Gefahr hin dass der feinfühlige Halbmelf mich wahrnahm signalisierte ich Gedanklich einen lockenden Ruf. Ein Ziehen, ein Drängen.
Mit einem unerwarteten Ruck nach vorn befreite sich der Dulie von den kräftigen Händen. Bockte was ihm eine gewisse Freiheit bescherte. Drehte sich unschlüssig um die eigene Achse. Galoppierte zu meiner Erleichterung auf mich zu. Bebückt auf allen vieren kroch ich im langen Schatten, der Steinblöcke, rückwärts. Bevor ich Maxim erreichte sprengte das kraftvolle Tier bereits heran. Wieherte nervös, streckte siegessicher seinen Kopf stolz in die Höhe. Drohend schlugen seine Hinterbeine übermütig nach mir, aber sonst hielt er sich zurück. Es blieb bei der Warnung ihn nicht anzufassen. Danach trabte er sichtlich müde zu seinem Verwandten angespannten Artgenossen hinüber.
Geduldig überwachte Maximilian den liegenden bleichen Dongard. „Er atmet unregelmässig als ob er immer noch gegen etwas ankämpft. Einmal hab ich gehört dass man hysterischen Leuten ins Gesicht schlagen soll. Doch Dongard hat verborgene Kräfte, wenn die unkontrolliert zurück schlagen möchte ich ausser Reichweite sein.“
Still setzte ich mich hinten auf den Wagen. Unentschlossen kauerte ich neben Dongard hin und beobachtete ihn eine nachdenkliche Weile. Schliesslich bedauerte ich. „Schade haben wir kein Wasser dabei. Vielleicht...?“ Konnte das was bei Tieren funktioniert auch auf den Menschen übertragen werden? Melfen unter sich formten auch ihre Gedanken telepatisch. Ob es bei einem einfachen, normalen Mensch auch Wirkung zeigte?
Zuerst dehnte ich meine tiefen Atemzüge. Warf jeden Zeitdruck auf die Seite. „ich Probiere es“, sagte ich unnötig zu Maxim der bereits mit Stille auf meine Veränderung reagierte.
Ich begann einen Wunsch zu formen. Fokussierte ein Ziel, nämlich Dongard zu erreichen. Schon das würde mir genügen. Bei Tieren schickte ich meine unsichtbare Verbindung über die Augen oder Stirn ins Gehirn. Bei Dongard fiel es mir schwer überhaupt eine minimale Verbindung herzustellen. Wie eine Harte Schale blockierte seine Haut. Sein Schutzmechanismus funktionierte nach wie vor. Nur mit den Gedanken, ohne eine Berührung, ohne Zwang, mit einer zielstrebigen Bitte verlangte ich nach Gehör. Auf einmal erschauderte es mich. Wie eine kalte Hand die meine Gedanken berührte. Fremde eisige Hände begannen meinen Willen zu zerfetzen. Mürrisch folgte ich den sanften Weg beharrlich, egal ob die hintere Verbindung wieder abriss. Das Vorankommen zählte solange bis ich Dongards pochenden Herzschlag vernahm. Wie bei einem Jojo Spiel die Schwerkraft des Schwunges ausnutzend, passte ich mich seinem vorgegebenen Takt an und spielte mit kleinen Korrekturen weiter bis es gleichmässig schlug. Vertieft in meiner gedanklichen Arbeit ahnte ich gar nicht wie die Zeit verstrich. Alles konnte auch reines Wunschdenken sein. Ich wusste gar nicht ob es funktionierte bis mich Maximilian ablenkend um die Schultern umarmt. Aufblickend verrieten seine strahlenden Augen meinen Erfolg. Erleichtert schlug ich den endgültigen Rückwärtsgang ein. Unbemerkt wollte ich aus dem Hintereingang schlüpfen doch mir kam es vor als verfolgten mich jemand. Kein kalter Hauch sondern ein warmer Luftzug haftete sich begleitend an mir fest. Trotzdem versetzte es mir einen gehörigen Schrecken. Hastig flüchtete ich mich ganz zurück. Nun war ich es die heftig Atmete. Bei Maxim sicheren Anwesenheit beruhigte ich mich rasch. Dongard Augen blinzelten verstört. Stöhnend fasste er sich an die Stirn. Richtete sich mit Maxim Hilfe halb auf. „Was“, flüsterte er matt. Völlig durcheinander starrte er in die Ferne. Sammelte all seine Sinne. Schüttelte den Kopf frei. Blickte mich danach scharf an. „Mit dir will ich mich irgendwann, in Ruhe, ausgiebig unterhalten“, versprach er mir ganz im gewohnten alten Tonfall, der keinen Widerspruch duldete. „Und jetzt hätte jemand, die Güte mir zu erklären was vorgefallen ist?“
Knapp fasste Maxim alles Wichtige zusammen. Am Ende fehlte ihm jedoch ein Stück. Dongard wandte sich ahnungsvoll zu mir. „Was haben sie mit Damar gemacht?“
„Sie wurde in den Fluss gestossen“, viel es mir schwer zu berichten. „kann sie gut schwimmen?“ Vielleicht gab es Hoffnung.
„Sie ist die beste Schwimmerin die ich kenne. Aber da unten sind tiefe Stromschnellen, Felsbrocken die mit rasender Kraft umspült werden. Ein unglaublicher Sog der...“ Er wagte nicht weiter zu sprechen. Besinnend keuchte er, „Das Netz! Rauf mit euch auf den Wagen! Eilt!“
Hastig kletterten wir hoch. Automatisch nahm Dongard die Zügel in die Hand. Auf meinen bittenden Blick hin bestimmte er, „Es ist Dunkel und ich kenne eine Abkürzung über die Felder. Meine Augen sehen besser also haltet euch gut fest.“
Darauf suchte ich den nächsten besten Halt. Kroch möglichst weit zu den Welpen in den vorderen Teil des Wagens.
Gespenstisch donnerte das Gefährt durch die Dunkelheit. Selbst das wildeste Rennen bei meinem Lehrmeister war ein Dreck dagegen. Unvorbereitet schüttelte es einem zur Seite. Zerrte an den versteiften Glenken. Keine Lockerung beim Halten erlaubt. Knochen ächzten, Sehnen schmerzten. Ungewissheit ob der Wagen diese Holperpartie auch heil überstand. Hinsichtlich dieses Punkts kannte Dongard keine Zweifel. Maximilian hatte ihm auch flüchtig erwähnt dass unserer Wagen die Brücke nur streifte. Grob stiess mein versteifter Rücken unsanft an die Holzwand. Ein Rad holperte über einen grösseren Stein. Die gesamte Holzverkleidung klapperte. Bevor der Duli gänzlich scheute, bremste Dongard vernünftig ab. Schliesslich hob ich meine Stimme, dass Dongard mich überhaupt hörte. „Wärst du ohne uns nicht schneller?“ Um Damar noch retten zu können zählte jede kostbare Sekunde. „Wir haben noch eine einzige Chance“, sprach er mehr zu sich selber. Dann drang endlich mein Tipp zu ihm durch. Hart folgt der Duli dem haltenden Befehl. Sofort sprangen Maxim und ich vom Wagen hinunter. Wobei ich einen und er zwei Welpen auf den Armen trugen. Schuldbewusst sah Dongard zu uns hinunter. „Zwei Kilometer höchsten. Ihr müsst nur auf dem Grat der rechteckigen Felsenblöcke wandern. Einer der Wachtürme wird garantiert auf euch aufmerksam und weist Euch dann den genauen Weg ins Lager. Vielleicht hole ich euch vorher ein…“
Mein Freund unterbrach barsch. „Verschwinde!“ Sekundenlang wirkte Dongard echt schockiert über den scharfen Ton, doch dann nahm er sich die Worte zu Herzen. Aufwirbelnder Staub begleitete seinen Abgang.
Bis der Wagen ausser Sichtweite verschwand, standen wir tatenlos einfach nur da. Nach dem Stress taten uns allen ein paar Erholsame Minuten gut. Die Stille der Nacht salbte unsere aufgepeitschten Gemüter. Wobei ganz ruhig blieb es nicht lange. Da zirpten ein paar Grillen ihre Konzerte. Obwohl der Fluss fast einen Kilometer entfernt lag, vernahm man schwach das Quacken der Frösche. Allgemein beunruhigte mich eher das dumpfe Donnergrollen in der Ferne. Ein aufkommender flauer Wind verteilte eine angenehme Frische. Entführte die sommerliche Tageswärme aus unseren Kleidern.
Ich neckte meinen Freund. „Was hältst du von einem romantischen Spaziergang in der Nacht?“ „Besser als weitere blaue und grüne Flecken einzusammeln“, antwortete er begeistert. Seine Finger umschlossen fest die meinen. Wie eine verschmolzene Einheit spazierten wir in die Nacht hinaus. Unbekümmert dass die aufziehenden Wolken das restliche Licht der Sterne schluckten. Gedanken sammelten sich. Maxim fragte mit weicher Stimme. „Woran denkst du?“
„An gar nichts! Geniesse die angenehme Ruhe der Nacht.“
Er rückte näher dass sich unsere Körper berührten. „Zugegeben, es ist fast ein wenig zu Kühl nach dem heissen Tag, aber Ruhig? Hört du nicht den Ruf des Waldkauzes, das leise Klopfen des Buschkäfers dicht unter der Erdoberfläche, ein flüchtendes Rascheln einer Feldmaus im dürren Gras oder den hastigen Flügelschlag einer jagenden Fledermaus hoch über uns?“
Aufmerksam lauschte ich in die Dunkelheit hinaus. Ordnete all die bezeichnenden Geräusche den Tieren zu. „Trotzdem“, sagte ich leise um mich den verborgenen Nachtbewohnern anzupassen. „Es ist ruhig im Vergleich zu der einer Stadt. Erst recht von da wo ich herkomme. Mit den Motoren der Fahrzeuge. Egal wie spät in der Nacht, es ist nie Still. Klappern von Geschirr, Telefon, aufgebrachte Schreie ein zu laut eingestellter Fernseher, randalierende Betrunkene auf den Strassen. Bellen eines übererregten Hundes, nervöses Haustürklingeln, Rauschen von Wasserleitungen oder Stromnetze die sachte vor sich hin surren ohne das man es überhaupt noch realisiert. Völlig anders erscheint einem diese Welt. Fremd und geradezu erholsam.“
„Ich stimme dir zu obwohl ich das meiste überhaupt nicht kenne. Nur einmal übernachtete ich in einem Dorf, als Bewahrer. Nie wieder. Mir ist das zu unheimlich. Das Gefühl gedrängt zu sein, beobachtet zu werden. Zu viele, überflüssige Gedanken die entstehen. Was gibt es schöneres als eine Nacht unter klarem Himmel. Wo die Unendlichkeit, in den unerreichbaren Sternen so sichtbar liegt. Man kommt sich klein und unbedeutend vor und ist trotzdem ein Teil vom grossen Ganzen. Man gehört zu diesem einmaligen Platz auf der Erde dazu.“ murmelte er in Gedanken. Seine warmen Finger wanderten erkundend unter mein Hemd. In meinem Rücken drückte er mich heran bis ich die erregte Ausbuchtung in seiner Hose spürte. „Maximilian. Was ist mit deiner empfindlichen Nase? Heute habe ich furchtbar geschwitzt.“
„komm, umarme mich“, forderte er. „Es gibt wichtigeres. Ich brauche dich zum Leben. Du gehörst zu mir. Habe mich in all den letzten Jahren, in den einsamen Nächten so nach dir gesehnt. Dein lächeln gibt mir endlich wieder Lebensfreude und Zuversicht an eine glückliche Zukunft. Also tu auch einfach, was dich gerade glücklich macht!“
Mich verlangte danach ihn anzufassen, seinen Körper an mich zu pressen. Ohne Sexuellen Hintergedanken. Benötigte nur Bestätigung dass er tatsächlich zu mir gehörte. Glück, eine Liebe zu teilen die in einem ungeahnte Gefühle auslöste. Über uns funkelten unzählige Sterne. Einig Sternbilder waren mir sogar bekannt.
Stille, Schweigen. Verstehend teilten wir unsere Ängste. Umarmten uns als wäre es das erste und das letzte Mal. Zeitlos. Ungeduldiger drängten die Welpen nach Bewegung. Da zupften sie schon an meinem Hosenbein um mich endlich aufzufordern von Maximilian loszulassen.
Sachte küsste Maxim meinen Hals. Ignorierte das aufgebrachte Kläffen der kleinen Hunde. Stattdessen forderte das zärtliche Knabbern geradezu nach einer Verlängerung. Seine Finger streiften nach unten über die Hüfte. Kichernd schob ich ihn entschieden auf die Seite. „Ich enttäusche dich wirklich ungern aber wir sollten aufbrechen. Die Kleinen werden langsam grob und ausserdem verfolgt mich die Ungewissheit über Damars Verbleib. Ich mache mir echt Sorgen über ihr Schicksal“.
Unwillig stimmte er zu. „warte nur bis wir im Sumpf sind. Eine Woche sperre ich dich in die Hütte ein, “ knurrte er.
„Nur eine Woche!“ lachte ich übermütig. „Du hältst es bestimmt nicht länger als zwei Tage in der Hütte aus. Oder du wirst zu müde sein dich überhaupt zu bewegen.“ Rannte ihm um längen davon. Aufgeregt freuten sich Welpen über die schnelle Jagd.
Selbst Maximilian drohte spielerisch „Warte nur, wenn ich dich erwische!“
Besprechung
Praktisch wenn der Freund eine so ausgebildete Nase hat das sie diejenige eines Menschen weit übertrifft. Dongards Wagenspuren hinterliessen im trockene sandigen Grasboden eine tiefe Rinne, die wir nicht beachteten Wir hielten uns wie geplant, im rechten Winkel zu Dongard Verschwindendem Punkt. Meistens trottete Maximilian voraus. Schnuppernd folgte er zielsicher einer flauen Rauchspur die immer neue Hinweise lieferte. Während ich ausser würzigen Wiesenkräutern und herbem Unkraut nichts erschnüffelte. Der magere Mond und die verhüllten Sterne hinderten uns am zügigen Vorwärts kommen. Ungeschickt stolperte ich in der zunehmenden Dunkelheit gelegentlich über eine Steinglatze. Die Unebenheit dieses Landweges glich eher einem vernachlässigten Acker. Sogar die jungen Welpen ermüdeten schnell. Gegen Mitternacht verstärkte sich der bisher harmlose Luftzug zu einem lästigen Gegenwind der neben Staub auch Sand in unsere empfindlichen Augen blies. In den aufbauschenden Wolken zuckten weisse bis rosa Blitze. Stumme Vorboten eines schlimmen Unwetters. Wenigsten brauchten wir uns nicht nach denen zu richten. Die Nähe des Flusses war bei jedem aufleuchtenden Blitz zu erkennen, da die Wasseroberfläche verzerrt spiegelte. Tatsächlich rauschte auf unserer linken Seite des öfteren der unbezähmbare Ning. Dann auf einmal formte der Weg einen ungewöhnlichen Bogen der von dem Lebensspenden Wasser weg führte. Rechts um einen Hügel herum. Links davon stapelten sich die künstlich behauenen Felsblöcke auf. Das unter dem tarnenden Gips und Erdschicht darüber, reines Gold wartete, hielt ich sogar vor Maximilian geheim. Zwischen dem künstlichen Hindernis der aufgestellten Blöcke und dem abgerundeten Erdhügel, stand ein keuchender ausgepumpter Duli. Sein sonst stolzer, erhobener Kopf hängte schlaff nach unten. Seine Nüstern stürzte er sogar auf dem sandigen, weichen Untergrund ab. Gespreizt seine zitternden, überlasteten Beine. Demnach presste Dongard unerbittlich die letzte Kraft heraus und hatte es geschafft vor uns zu Hause zu sein. Als wir uns dem edlen Tier näherten, wackelte es harmlos mit den buschigen Ohren. Öffnete kaum seine geröteten Augen.
Zuerst befreiten wir das nass geschwitzte Tier von seinem hinderlichen Ledergeschirr. Mit nur einem einfachen Halsriemen lockten wir das arme Tier von dem lotterigen Wagen weg. Sobald es merkte dass es von jedem ziehenden Gewicht frei war, stelzte es unsicher vorwärts wie ein frisch geborenes Fohlen. Danach strebte es nur eine Richtung an, den heimischen Stall. Also folgten wir ihm. Trotz der verbrachten Zeit im Lager kam mir die Umgebung völlig fremd vor. So weit auswärts durfte ich mich ja nie bewegen. Geduldig passten wir uns dem wankenden Führer an. Sein Wissen führte uns über einen seltenen ausgetretenen Pfad zwischen immer höher geformten Felsbrocken. Mit einem Mal öffnete sich ein schmaler, Gang zwischen den eckigen Gebilden. So schmal dass gerade ein Pferd durchpasste. Fing hinter einem grossen Klotz versteckt an und krümmte sich dass nur eingeweihte Personen den Weg fanden. Dongards Hintereingang war perfekt getarnt. Mit letzter Kraft strebte der Duli seinen Futterplatz an. Überquerte einen geebneten Platz von der Grösse eines Hofes. Seine harten Zehen trippelten verräterisch über den felsigen, gewischten Untergrund. Bewundernd betrat ich den sauberen Platz. Es schien als sei er nur von diesen getarnten Goldblöcken umgeben, zumindest mit einem zweiten Ausgang versehen. Rötliches, flackerndes Licht von Fackeln an den aufgerauten Wänden. Beleuchtete einen Teil einer unübersichtlichen Ecke.
Kaum berührte mein Schuh den künstlich geformten Boden, versperrte mir ein hoher, massiver Schatten die Sicht. Unbemerkt aus einer Nische getreten. Lautlos, entschlossen, zur Gewalt bereit, versetzte er mir einen gehörigen Schock. „Derek“, fuhr ich ihn gleich an um meine aufgekommene Angst zu verbergen. „Musst du mich so erschrecken?“
Gelassen lies er mich wissen. „Wenn ich gewusst hätte dass du es bist, bekämst du einer weit abschreckenden Attacke geboten. So musst du dich halt mit dem wenigen begnügen.“
„Ja, ja, immer auf die Kleinen, “ warf ich ihm vor. Ohne Hintergedanken wollte ich an ihm vorbei. Meine Augen nahmen kaum eine Bewegung wahr, so rasant schoss seine kräftige Hand vor. Grob bremste seine, in mein Hemd gekrallten Finger. Als er plötzlich einen weiteren Schatten hinter mir feststellte. Warnend brüllte er über seinen Rücken hinweg, „Dongard, Besuch! Safina und...“ Derek schluckte hörbar. Heiserer kam, „Ein Bewahrer.“ Mit solcher Gesellschaft rechnete er wohl kaum zu dieser späten Stunde. Wie Derek demonstrierte Maximilian seine Kunst des lautlosen schleichen indem er meinen Rücken sicherte. Fordernd legte sich seine bleiche Hand über den von der Sonne gebräunten Arm. Unerbittlich. In den Fingern des Jägers, der einen Langbogen spannen konnte, steckte mehr Kraft als in einem gewöhnlichen Bewahrer. Vergebens forschte Derek mit seinen scharfen Augen in den dunklen Falten der tiefen Kapuze. Eine bekannte Stimme, aus dem Hintergrund, löste seine eingesetzte Starre. „lass die beiden durch!“
Zögern gab er mich frei. Raunte mir zu, „Geht langsam!“ Wachsame Augen klebten an dem seltsamen Bewahrer. Verfolgten seine weichen Gang. Misstrauen, sogar ein leichter, unbehaglicher Schauder vor Furcht beschlich Derek. Womit er schon seit vielen Jahren verschont blieb. Seit Beginn seiner Ausbildung vermisste er fast schon den Begriff Unterlegenheit. Niemand zweifelte seine Wort, seine Entscheidung an. Selbst sein oberster Kommandant setzte niemals die eigene Kraft ein um sich mit ihm im spielerischen Kampf zu messen. Er und Dongard verband ein spezielles Arbeitsverhältnis die ihm viel Freiraum im Handeln gestattete. Diesen unheimliche Bewahrer hätte er gerne ausführlich Befragt, bevor er Zutritt zum Lager erhielt. Im aufkommenden Wind, der kleine Sandrosen über den Platz fegte, erkannte man das unter dem schwingenden Bewahrermantel ungefähr die gleiche, bewegliche Gewichtsklasse steckte wie beim Halbmelf. Derek suchte nach einem verräterischen Beweis der Besonderheit. Lag es an dem leichtfüssigen Gang? Wie stand das auffällige Paar zueinander? Eine übermütige Safina mit einem bescheidenen, stillen Bewahrer zusammen? Neugierig folgte er den beiden dicht auf den Fersen.
Im beleuchteten Eingang zu einer verborgenen Scheune, dessen Tore nur ein Fussbreit offen stand, kniete ein besorgter Dongard am Boden. Vor ihm lag tatsächlich Kommandant Damar, ausgestreckt, unbeweglich. Blass ihre entspannten Gesichtszüge. Zugedeckt mit einer gewobenen, wärmenden Wolldecke.
Erfreut sie zu sehen, bekümmerte über ihren kritischen Zustand hauchte ich, „Damar. Sie ist doch am leben, “ zweifelte ich heftig angesichts der bleichen, ungesunden Gesichtfarbe.
Tieftraurig, die Lippen aufeinander gepresst, nickte Dongard. Es tat weh seinen Kummer zu sehen. „Gerade eben das zweite Mal dem Tod entrissen“, stammelte der sonst so selbstsichere Kommandant. Jemand trat hinter ihm aus der Scheune. Sobald der Schüler uns Besucher sichtete, zwängte er sich durch einen ungewöhnlich schmalen Spalt. Schlug hastig die Tür hinter sich zu. Was gab es spannendes zu verbergen? Wenn ich hier länger fest sass, rechnete ich mit einer Woche, um hinter das Geheimnis zu gelangen.
Feiner aufgewirbelter Sand blendet meine Augen. Innert Minuten verstärkte sich der Wind. Unregelmässige Böen fegten über die Felsblöcke hinweg. Mit kräftigerer Stimme sagte Dongard erleichtert, „Ich bin froh dass ihr hier seid. Kommt, ziehen wir uns in die warmen Höhle zurück bevor der Sturm richtig ausbricht.“ Bestätigend rollte von der Ferne ein Donnern herbei. Sofort brüllte Derek. „Löscht die Fackeln!“
Zwei weitere flüchtige Bekannte huschten aus dem verdunkelten Stall hinaus. Man sah kaum ein paar Meter vor den Augen. Unsicher tastete ich nach Maxims Hand. Unter dem langen Ärmel fand ich einen warmen, festen Händedruck.
Dongard alleine hob Damar auf als sei sie schwerelos. Hastete voraus. Hielt seinen Rücken stets gegen den tobenden Wind gerichtet, dass Damar beschützt in seinen sicheren Armen lag. Genauso fest zog mein Freund entschlossen mich hinter sich her. Hinaus in die wütende Elemente. Rauschende Gegenstände flitzten über unsere Köpfe hinweg. Vermutlich ganze ausgezehrte Büsche. Sicher eilten wir in dem geschützten engen Gang entlang, wie in einem finsteren Labyrinth. Auf einmal schwenkte Dongard herum. „Die beiden,“ sein kurzer Kommentar. Klar, wenn er mit damit, betitelte. Darauf drückte einer der jüngeren begleitenden Helfer Derek ein paar Tücher in die Hände. Worauf der sich mir zuwandte. Bevor ich richtig Begriff wickelte er mir ein Tuch um den Kopf, verdeckte mir die Augen. Riss mir in seiner Ungeschicktheit schon ein paar Haare aus. Jetzt umklammerte ich erst Recht Maxims Hand. Beruhigend erwiderte er den Druck. Seine Stimme flüsterte, „Lass!“ Anscheinend stiess er auf keinen weiteren Widerstand. Es bleib Schweigen in der Runde. Schwer rollte ein mahlendendes Gewicht auf die Seite. Unter meinen Füssen zitterte der leitende Boden schwach. „Kopf runter“, riet Dongard. Mit Freude drückte Derek, hinter mir, mich auf die Knie. Maximilian zerrte vorwärts. Blind folgte ich. Stille bis auf das Geräusch der Schritte. Tönte gleich wie damals als ich mit Starie in den unterirdischen Höhlen zum Waschen ging. Mir fehlte das Verständnis für diese Sonderbehandlung. Sagte gedämpft um die Ruhe dezent zu stören „Dongard, wozu diese aufwendige Massnahme wenn ich zwei Jahre bei dir in den Dienst treten soll?“
„Du kannst wieder aufrecht gehen“, wies er mich Persönlich darauf hin, „Derek hat sich einen kleinen Spass erlaubt. Nur der Eingang ist klein geraten, damit man ihn leichter tarnt.
Du fragst nach dem Warum, “ Dongard setzte eine ungewollte Pause ein, ächzte. Demnach forderte die grosse Damar seine gesamten Kräfte. „Safina, das liegt daran dass deine Stellung noch nicht anerkannt ist.“ Er legte an Schärfe zu. „Zum Beispiel vermisse ich das, Kommandant Dongard, als korrekte Bezeichnung! Erst wenn gewisse Regeln sitzen, weihen wir dich in diesen Bereich ein. Unser wertvollster Besitz zu beschützen ist das oberste Gebot in der Ausbildung. Dieser neuer Standart ist Einzigartig in unserem Königreich. Der Erfolg unserer jahrelangen Arbeit darf auf keinen Fall in falsche Hände geraten. So was wie eine geheime, überlegene Waffe in deiner Zeit. Wenn ich deine frühere Vergangenheit ansprechen darf. Verstehst du?“
„Vollkommen.“
Ein Geräusch halb murren, halb seufzen folgte. Das kam nicht von Damar. Also verbesserte ich mich. Säuselte übertrieben. „Vollkommen, Kommandant Dongard.“ Sachte folgte ein Tritt an mein Schienbein. Vermutlich hatte ich Damars schwerer Last zu verdanken, dass der unsichere Schuh so ungeschickt zustiess. Dongard beschwerte sich unheilvoll. „Wir reden später mal ein ernstes Wort darüber...“
Über unseren Köpfen donnerte es gedämpft. Eile nahm zu. Abzweigende Gänge. Wieder ein mahlendes Geräusch von einem schweren Stein. Kalter Luftzug hüllte uns ein. Rollende Geräusch einer Schiebetür und entgegengesetzt warme, würzige Luft. Man drehte mich herum. Ungeschickte Finger nestelten an meinem Augenverband. Strafend versetzte ich den unvorsichtigen Fingern einen Klaps und übernahm die Befreiung selbst.
Es klapperte neben mir. Spärliches Fackellicht beleuchtete gerade das nötigste. Ktug, der ungewöhnlich schlanke Koch, wandte sich eben mit einer Schüssel Dongard zu. „Kommandant, Ihr seid spät dran!“ Munter rührte er emsig an seiner Kräutersauce weiter. „Was...,“ Hinsichtlich der schlaffen Damar. „leichtes. Es wird ihr helfen!“ Drückte einem unserer Helfer die Schüssel in die Hand. Entledigte sich müde seiner Küchenuniform. Dongard rief ihn im vorbei eilen zurück. „Versammlung in der Stube, Vollzählig und nehmt das Schlafzeug mit! Es gibt eine heftiges Gewitter.“
Eben wollte ich Maxim in mein Zimmer führen, da bat Dongard höflich: „Maximilian warte, hilf Ktug bitte die schweren Tische an die Wand zu stellen.“
Unwillig gab ich Maximilians Hand frei. Dongard bemerkte meinen bösen Seitenblick. „Hey, Du hast ihn gleich wieder. Für die robusten Tische brauche ich einen fähigen Mann. Ausserdem wird jede Hand gebraucht. Also pack dein Schlafzeug und komm wieder. Beeile dich!“ Rief er mahnend nach. Gedrängt folgte ich der dringenden Aufforderung. Ohne Probleme fand ich mein altes Quartier. Drin in meinem kühlen Zimmer fragte ich mich was alles zum Bettzeug zählte. Wegen der offenen Türe erkannte ich Ascha die im Gang vorbei rannte. „Ascha“, rief ich unnötig laut. Sobald sie Licht in meinem Zimmer realisierte bremste ihre Neugierigkeit von selbst. „Hallo, Safina!“ Erfreut stürmte sie auf mich zu. Quetschte mich zwischen zwei Wolldecken und einem Kissen an sich. „Schön dass du wieder da bist. Nimm deine Schlafsache mit ins Wohnzimmer, wir übernachten da.“
Ihrem Beispiel folgend schnappte ich mir die Sachen. „Wozu dieser Aufwand? Gehört das zu einer neuen Übung?“
Ascha lachte über meine Unwissenheit. Ich nahm es ihr nicht übel. „Nein, draussen stürmt es gewaltig. Sobald ein Gewitter aufzieht übernachten wir aus Sicherheitsgründen in der Stube.“ Ihre Augen deuteten ängstlich an die Decke. „Unser Berg leitet die Blitzeinschläge manchmal bis nach unten. Das kann böse enden. Vor Kommandant Dongards Amtantritt soll hier jemand gestorben sein. Ist mehr als zehn Jahre her.“
Hastig eilte ich hinter ihr her. Nach dem Vorhang stoppte sie. Sämtliche Schüler warteten versammelt, am Rand der Wände verteilt. Im Mittelraum rollten Derek und Maxim derweil eine dicke, isolierte Matte aus. Um diesen selten ausgerollten, störrischen Teppich zu strecken brauchte es wirklich zwei kräftige Männer. Sobald der Anfang feststand stellten sich zwei Leute darauf um das ganze vorläufig zu stabilisieren. Dann verteilte sich die vollzählig eintreffende Mannschaft. Alle bereits umgezogen in ihrem Schlafanzügen, suchten sich ein freies Plätzchen wobei sie beliebten Nachbarn den Vorzog gaben. Angesichts Dongard der Damar auf einen der Tisch ablegte und ihr die kalten Arme massierten, meinte ich zu Ascha, „Jemand sollte seine Sachen holen.“ Selber hätte ich mich nie freiwillig in das Quartier von Dongard getraut. Gedankenvoll sahen mich Aschas hellblauen, runden Augen an. „Okay“, begrub mich unter ihren Sachen. „Reserviere einen Platz neben dir. Ich besorge mir die zusätzlichen Decken.
Kopfschüttelnd erweiterte ich meine Sicht. Fand eine grössere Lücke neben einer Agnome die mit einer Freundin eng zusammen kuschelte. „Darf ich“, fragte ich höflich. Nach einem kurzen Seitenblick meinte sie müde. „Na klar. Aber wenn du schnarchst gibt es ein paar Seitenhiebe!“ Damit hob sie zu Verdeutlichung ihren spitzen Ellbogen unter der Decke hoch. Gedankenlos gab ich zurück. „Viel zum Schlafen komme ich eh nicht heute Nacht.“ „Hast du Angst vor dem Gewitter?“ Ich deutete auf den verhüllten Bewahrer. Flüsterte leise. „Zu aufgeregt. Das ist mein Freund!“
Interessiert musterten die beiden jungen Frauen sofort meinen verhüllten Partner. Kritisch verfolgten sie seine Bewegung. Als er vor der Wärme die Ärmel zurück krempelte meinte Agnome misstrauisch. „Bei seiner Maskerade hat er doch was zu verbergen? Kennst du überhaupt sein Gesicht?“
„Oh ja, “ hauchte ich vielsagend. „mir ist egal was andere über ihn sagen. Mir gefällt er. Jedes seiner aussergewöhnlichen Details. Für mich ist er perfekt in seiner Art. Gerade für uns ist es ein bedeutender Vorteil.“
Obwohl Agnome so gut wie nichts verstand drehte sie sich zu ihrer Freundin. Hob kurz ihre Schultern und döste träge vor sich weiter. Locker breitete ich die Decken neben ihr aus. Zuerst die warme Unterlage von mir, daneben die von Maxim und schliesslich die von Ascha. Grösstenteils lagen, Dongard Schüler bereits bequem ausgestreckt unter ihren Decken. Ich staunte über das routinierte Tempo. Liegend von ihren Bettplätzen heraus verfolgten ein paar gespannt wie Dongard den unterkühlten Kreislauf von Damar bekämpfte. Jedenfalls zeigten sich erste Erfolge. Erstmals öffnete sie für kurze Zeit die Augen. Rang für ihren besorgten Kollegen ein paar matte Worte hervor. Sorgsam überprüfte Dongard ihre eingewickelte Decke.
Ihren kritischen Zustand verfolgend, zuckte ich zusammen als Ascha neben mir auf die Decke plumpste. Monat dem dämmerte wer neben ihm lag, packte eilig seine Sachen zusammen und wechselte kommentarlos den Platz. Sofort legte Ascha Dongard Decke auf den freien Platz „Praktisch“, freute sie sich riesig. Rückte näher zu mir. Warnend gab ich ihr zu wissen. „Bei mir schläft zusätzlich mein Freund.“
„Wow“, sagte sie begeistert während sie auf ihren Platz rutschte. „Du musst mir alles erzählen. Ein echter Bewahrer. Du hast vielleicht Glück. Bestimmt ist er hoch gebildet und sehr umgänglich. Was will denn Ktug?“ Tatsächlich zielt der Koch gerade zu mir. Überstieg achtvoll seine Kollegen. Vorsichtig mit einer dampfenden Schüssel. Würziger Suppendampf streifte meine Nase. „Hier“, überreichte er mit Freude, über mein dankbares Gesicht, das ausgelassene Nachtessen. „Dein Freund hilft mir noch in der Küche. Wir kommen gleich. Dongard hält zuerst eine erklärende Rede, wegen dem Bewahrer, dann ist Lichtlöschen.“ Nach dieser Meldung begab er sich rasch zurück in die Küche. Inzwischen gelang es Dongard Damarilis dermassen zu beleben das sie sich mit seiner Unterstützung halb aufrichtete. Ihre nackten, langen Beine baumelten über die Tischkante. Zu mehr Höchstleistung fehlte ihr die Kraft. Erschöpft legte sie ihren schweren Kopf an seiner breiten Schulter ab. Dongard nutzte die Nähe um sie fester in ihre Decke zu hüllen. Drehte sich zu seinen Schützlingen herum und hielt hilfreich Damars Arm fest, damit sie weiterhin an ihn lehnte. Zwischen den Beiden war eindeutig eine tiefer gehende Verbindung erkennbar. So liebevoll, all die kleinen streichelnden Gesten, die Dongard seiner ehemaligen Schulkameradin schenkten waren klare Indizien. Gerade kam Maximilian rein spaziert. Nach einer Handbewegung von Dongard eilte er an dessen Seite. Mit der freien Hand zog dieser den Bewahrer an seine Seite. Wer bisher einigermassen wach blieb, merkte kleine fragwürdige Aspekte. Kein Kommandant zog einen eigenständigen Bewahrer an seine Seite um eine Erklärung abzugeben. Autoritäre Bewahrer übernahmen alles selber.
„Darf ich um kurze Aufmerksamkeit bitten“, sagte Dongard schonend in der normalen Tonstärke. „Ich weiss es ist spät und ihr seid alle müde. Gerade diesen Umstand nutzte ich zu meinen Gunsten.“ Es roch nach einer Verschwörung. Viele horchten darum genauer hin. Unbekümmert verschlang ich mein Essen.
Dongard wies zuerst an die Zimmerdecke. „Das Gewitter zwingt uns bedauerlich zu der heutigen Unbequemlichkeit. Ausserdem hab ich keine Lust morgen weitere Patienten zu behandeln. Also machen wir das Beste draus. Wegen der unruhigen Nacht lass ich euch morgen länger ausschlafen.“ Darauf erntete er erfreute Ausrufe. Er winkte gleich ab. „zu einem ernsten Thema. Ihr wisst das es Leute gibt die alleine wegen ihrem Aussehen oder ihrer Abstammung verfolgt werden. Harmlose Menschen werden ignoriert weil sie sichtbar eine eigene Familientradition aufrechterhalten die anderen nicht kennen. Oder einen angeborenes Erbe tragen. Es ist Zeit unsere Ansichten zu erweitern. Uns mit Vorurteilen und Ängsten über unverstandenes Auseinander zu setzten. Aus diesem Grund habe ich einen guten Freund mitgenommen um euch direkt, mit einem völlig neuen Lehrstoff, zu konfrontieren.“ Unglückliches Murren löste die Neuigkeit eines zusätzlichen Unterrichtfaches hervor. Deutlich schärfer reagiert Dongard. „Ab morgen herrscht Alarmstufe drei! Derek.“ Der Aufgerufene streckte seinen Rücken, blieb aber sitzen. Erklärte die veränderten Umstände. „Häufiger Wechsel des Wachdienstes. Verschärftes Beobachten der Grenzen. Reitende Patrouille. Anlegen von Vorräten.“
Dongard nickte bestätigend. „ Ausgezeichnet. Das mit den Vorräten vergessen wir vorläufig. Den Rest benötigen wir weil mein Freund alleine wegen seines Aussehens keinen unbekümmerten Ausgang geniessen darf. Etwas was jedem uns für selbstverständlich erscheint wird ihm nicht gewährt. Also habe ich, und diese Schuld nehme ich auf mich, mir erlaubt ihn zu entführen.“
Mehr als nur einer schnappte deutlich nach Luft. Indirekt blieb Dongard durch aus bei der vollen Wahrheit. Unerschrocken fuhr der Kommandant weiter, „Aus diesem Grund will ich morgen eine gründliche Absicherung gegen ausserhalb liegende Aktivitäten. Damit unser wertvolle Besucher selbstverständliche Sicherheit geniest. Darf ich vorstellen, Bewahrer Maximilian, der bisher für den königlichen Innendienst zuständig war. Maximilian, “ bat Dongard versöhnlich. „Verzeih meinen Schülern wenn sie dich anstarren. Es ist für beide Seiten eine echte Überraschung. Aber sie müssen lernen das ihr ein Teil unseres Volkes sind wie zu Beginn die Melfen.“
Langsam, behutsam steifte Maximilian seinen Schleier, unter der weiten Kapuze, zur Seite. Zögerlich, weil ihn soviel Publikum verunsicherte, schob er auch die Kopfbedeckung ganz in seinen Nacken. Wer bisher nur halbwach mithörte, den riss es jetzt garantiert aus dem dämmrigen Zustand. Stolz sah ich meinen leicht verlegenen Freund an. Er traute dem friedlichen Willkommen so wenig, wie die jungen Leute seinem friedlichen Aussehen. Erschrockene Hände hoben sich auf die langen, fassungslosen Gesichter. Die intelligente Agnome dachte schon weiter. Bedachte mich mit einem bedauernden Blick. Heiter übersah ich ihr Missverständnis. Raunte ihr zu. „Er gehört mir, und ich geniesse jedes seiner überlegenen Talente.“ Winkte meinem Freund zu. Was mir einige verstörte Blicke einbrachte. Viele weigerten sich vorzustellen dass wir zusammen gehörten. Von einem Teil seiner Last befreit schlüpfte Maxim aus seinen Stiefel. Streifte sich die dunkle Bewahrertracht über den Kopf. Lege sie auf den Tisch nieder. Nur mit den bequemen Hosen, freiem Oberkörper kam er leichtfüssig auf mich zu. Jetzt wo man seine ausgeprägten Bauchmuskeln sah, die schlanken Hüften, breite Schultern, einen hellen haarlosen Oberkörper, die makellose trainierte Figur, fühlte ich sogar neben Bewunderung bereits Verlangen in dem Raum. Jede anfängliche Furcht verschwand und stattdessen siegte die Neugierde über den neuen Mitbewohner. Obwohl ich Maximilian voll vertraute, bei diesem herrlichen Anblick, rundeten sich manche weiblichen Augen. Trotz seinem ungewöhnlichen Kopf, bei dem einmaligen Körper wurde dies nebensächlich. Ohne die vielen bewundernden Blicke zu beachten legte sich Maximilian neben mich. Nahm mich beruhigend, Besitz ergreifend in den Arm. Flüsterte in meine Ohren. „hoffentlich löschen die bald das Licht.“
Dongard klatschte in die Hände. Worauf wenigstens die Mehrheit der Mannschaft ihm zuwandte. „Morgen nach dem Frühstück reden wir weiter darüber. Lass uns jetzt schlafen.“
Wieder starrte man sichtlich uns an. Erst als Dongard sich selber auszog schweiften die Augen unentschlossen zu ihm hinüber. Vorsorglich lies Dongard alle Fackel löschen. Bis auf eine einzige Kerze, welche er Dereks Obhut übergab. Dann erst liess er seine letzte Hülle fallen. Nackt, von schummrigen Schatten eingehüllt, griff er nach der torkelnden Damarilis. Packte sie und trug sie an seinen organisierten Schlafplatz. Bettet sie behutsam, unter seiner Decke, sie wärmend in eine Umarmung. Leise stöhnte sie vor Erleichterung, schmiegte sich vertrauensvoll an ihrem Beschützer. Dankbar wandte sich Dongard an Ascha. „Lieb von dir dass du an meine Decke gedacht hast.“ Ascha legte eine lange Pause ein ehe sie gestand. „Safina hat mich darauf hingewiesen.“ Worauf selbst Dongard überrascht über sie hinweg schaute. Einfach lies ich verlauten. „Du hilfst uns, wir helfen dir.“ In dem Moment löschte Derek selbst das letzte spärliche Licht.
Vorerst blieb es eine Weile still, bis auf das gelegentliche, zunehmende Donnergrollen. Dann begann vereinzelt das Geflüster unter den Mitbewohnern. Mich und Maxim kümmerte das wenig. Sobald Finsternis den Raum füllte, befreite sich mein Freund von dem letzten Kleidungsstück. Energisch zog er mich gleich zu sich heran. Eindeutig spürte ich seine Erregtheit. Ungeduldig drehte er mich herum. Küsste mich stürmisch. Streichelte meinen Busen, flüchtig über den Bauch, die Hüften. Fasste meine Pobacken halt suchend und drang ungestüm in mich hinein. Mir entfloh ein geniesserisches Keuchen. Peinlich berührt verharrten wir eine Weile. Schliesslich pustete jemand lachend los. Darauf fragte die weibliche Stimme, zu unserer grossen Erleichterung. „Derek du bist doch heute Abend frei? Rutsch mal ein bisschen näher!“ Deutlich vernahm man darauf eine wilde Knutscherei.
Worauf wenig später Dongard deutlich flüsterte. „Nein, diese Nacht gehöre ich ganz meiner Freundin.“ Demnach bekam er auch eine Aufforderung. Unmissverständlich verdeutlichte seinen Wunsch gleich allen. Sogar der eher Aussenstehende Monat fand in dieser heissen Nacht keinen Grund zum Klagen. Höchstens wegen Überbeanspruchung. Während es auf seiner Seite ziemlich laut zuging, bemühten Maxim und ich weiterhin leise zu sein. Genossen unser Liebesspiel auf unsere Weise. Irgendwann schlief ich erschöpft eine Weile. Mitten in der Nacht erwachte ich weil mich unergründliches beunruhigte. Fand aber keinen Grund, so lauschte ich in die Stille hinaus. Lange vernahm ich nur den gleichmässigen Herzschlag Maxims.
Es dauerte bis ich Damars Stimme erkannte. „kannst du nicht schlafen“, hauchte sie. Dongard murmelte träge. „du liegst halb auf mir, wie kann ich da schlafen.“
„Du hast mich schon das zweite Mal gerettet also hast du einen Wunsch bei mir frei. Tu was du willst.“
„Ich bin anständig“, verteidigte Dongard seine Ehre. „Also hör auf mich zu Belästigen. Du tust mir damit nur mehr weh.“
Lange blieb es still bis Damar erneut vorschlug. „Setz doch deine geheimen Kräfte ein. Damit kannst du mich täuschen. So komme ich auch zu meinem Vergnügen. “
Undeutlich brummte Dongard müde vor sich hin. Auf einmal hörte es sich eher an wie ein unterdrückter Protest. Eindeutig klarer flüsterte er, „hör damit auf oder du suchst morgen vergeben bei mir nach Schuldgefühle...ah!“ Mühsam unterdrückte er einen Aufschrei. Anscheinend bevorzugte Damar nicht nur sanfte Methoden.
„He Kleiner, “ flüsterte sie neckisch, „ du hast es selber gesagt das du heute Nacht mir gehörst. Also stelle dich nicht so an. Ich weiss dass du mich willst. Oder streitest du es ab?“ Was sie immer auch danach tat, es warf Dongard aus seinem Konzept. Jedenfalls entstand ein kurzes Handgemenge. Und es war Damar die überlegen leise säuselte. „ Wenn schon auf mein Weise! Gib dich MIR hin.“
„Du hast dich schnell erholt“, flüsterte er heiser. „Versprich mir dass du morgen nichts bedauerst, dann lasse ich mich vielleicht verführen“, ergriff er ihr Spiel.
„Einverstanden“, schnurrte sie. „lass mich nach deinen Schwachstellen suchen. Entspann dich und überlass mir die Führung!“
Danach begann das übliche. Was mich nicht weiter störte. Fragte mich nur weswegen weiterhin mein innerer Alarm mich warnte. Morgen passierte irgendetwas was mein Leben bedeutend veränderte. Nachdem ich diese Warnung klar realisierte schlief ich erlöst ein.
Fackellicht blendete meine Augen. Heute begann der Morgen nicht mit einem gnädigen Hornsignal, sondern startet mit einer grellen Attacke. Jemand zog die schweren Vorhänge vom Fenster auf die Seite. Sonnenlicht flutete den Raum. Matt wandte ich mich auf die andere Seite. Selbst Dongard donnerte protestierend. „Ich hab gesagt das wir heute Ausschlafen. Das ist ein Befehl!“
Ktug bereit erinnerte seinen Chef. „jawohl, wir haben länger geschlafen. Es ist zehn Uhr Morgens und wir haben Alarmstufe Drei. Wer übernimmt die nächste Wache? Wer geht auf Patrouille? Wer fischen?“ Ziemlich lauter krähte er in den Raum hinaus. „Will hier keiner Frühstück!“
Eine frauliche Stimme murrte entrüstet. „hastest du keine Freundin heute Nacht?“ Worauf einige scherzhaft lachten. Ktug fegte die Anklage weg. „Doch, gerade aus diesem Grund brauche ich ein stärkendes Frühstück. Also wer hat heute Küchedienst? Ich brauche euch!“
Ausgelaugt richtet sich Dongard auf. Überblickte den unordentlichen Haufen. Seine Schüler lagen wild zerstreut. Decken verknautscht. Zum Teil teilten sich zwei seiner Leute immer noch ein Decke. Ein bisschen erschrak der Kommandant selber. Gerade an diesem Morgen viel es ihm ausserordentlich schwer sich selber zu erheben. Es dauerte sogar bis er sich an Kommandant Damarilis erinnerte, besser an ihre spezielle Nacht. Verwundert sah er auf ihre kräftigen Rücken hinunter. Sie schien seinen Blick zu spüren. „Wenn du was bedauerst“, kam es müde von IHR. „Dann mache ich dich einen Kopf kürzer.“ Drohte sie ohne den Kopf vom Kissen zu heben. „mir hat es jedenfalls gefallen. Du warst wunderbar.“
Dongard viel es schwer ihre Begeisterung zu teilen. Er fühlte sich zwar befriedigt, ihm fehlte aber der seelische Frieden. Überhaupt was war in seinem Lager los. Er war hier der tonangebende Kommandant. Entschlossen stemmte er sich auf die müden Beine. „Aufstehen“, brüllte er los. „Wir sind spät dran. Anziehen! In fünf Minuten will ich Ordnung haben. Wenn hier nicht zeitig aufgeräumt ist lass ich das Mittagessen streichen!“
Selbst ich brauchte enorme Willenskraft um aufzustehen. Hielt meine Decke vor mich hin. Sammelte langsam meine Kleider zusammen. Überredete, mit einem Kuss, meinen Freund aufzustehen. Spazierten gemächlich hinaus. Während Dongard sich bemühte die letzten Faulenzer zu wecken. Vor dem Vorhang drehte ich mich herum. Konnte es mir nicht verkneifen. „Dongard, pass nur auf dass du nicht der letzte auf dem Platz bist.“ Bei all seinem Stress schien er vergessen zu haben sich zuerst anständig anzuziehen. Schnell flüchtete ich in mein Quartier, doch Dongards Worte holten mich bereits im Gang ein. „Safina dich will ich pünktlich draussen sehen! Euch alle! Ascha was ist mir dir los.“
Eingehüllt in die warme Decke träumte sie Löcher in die Luft. Erst als Dongard unübersehbar vor sie hinstand, zuckte sie ertappt zusammen. Erbarmungslos schnauzte der Kommandant sie an. „Was ist mir los? Brauchst du eine extra Einladung?“ Sie schüttelte ihre blonden Locken, sah ihn um Verzeihung heischend gross an. Alles was sie herausbrachte. „Er ist ja soooo süss.“
Darauf erlaubte sich Dongard seine Mine zu verziehen. „Wen hast du dir denn ausgesucht?“
Verzaubert an die süsse Erinnerung strahlte die glückliche übers ganze Gesicht. Flüsterte ganz mitgenommen. „Na, meinen Nachbarn.“
Verstört blinzelte Dongard. So weit er sich erinnerte lag nur er und.... Maximilian neben ihr. Drohend schwenkte er den Zeigefinger vor ihrer Nase. „Erwähne das keinem anderen Gegenüber, mit keiner andeutenden Silbe! Verstanden! Oder ich verurteile dich eine Woche Einzelhaft in den Bunker!“
Ein wenig Schmollend schaute Ascha unschuldig hoch. Drehte sich übermütig einmal im Kreis, hielt begeistert ihre Arme hoch. „Ach, Dongard, verdirb mir nicht diesen wunderbaren Morgen. Wenn du es so wünscht dann behalte ich es eben für mich. Bringst du mich in mein Quartier?“ Warf sich schmeichelnd ihm an den Hals. Dongard kniff sich ein Auge zu, glaubte sich verhört zu haben. Bebreite sich aus ihrem anhänglichen Griff. „Ascha, wenn du unbedingt was willst kannst du heute Abend zu mir kommen. Aber vorerst heisst es wieder antreten. Also setz deinen süssen Hintern in Bewegung.“ Mit einem liebevollen Klaps an die betreffende Stelle, schickte er sie los. Kichernd tänzelte sie davon.
Schüttelte ungläubig den Kopf. „was ist nur heute für ein Tag?“ Riss seine Hose an sich. Muffig rochen seine gestrigen Kleider doch er schlüpfte hastig hinein. „wir wollen sehen wer da der letzte ist“, murmelte er gereizt vor sich in. Strich die Falten glatt und marschierte, wenige Minuten später, erhobenen Hauptes wie ein König nach draussen.
Es warteten bereits die ersten zielstrebigen Anhänger. Nach einer gegenseitigen Musterung zog man noch hier und das was zu Recht. Geduldig wartete Dongard auf die letzten. Seine Wertung zählte erst beim vollzähligen Antritt. Wie erwartet trudelte Safina mit den letzten ein. Jedoch bildeten andere das vollkommene Schlusslicht. Es zuckte in seinem Mundwinkel als endlich alle in zwei gleichmässige Gruppen verteilt dastanden.
„Monat, Kastan, verteilt euch in die vorderen Wachposten. Sofort!“
Versorgte seinen Hände hinter den Rücken und begann mit der genauen Kontrolle. Wobei er heute schon mal bei kleineren Anstössen ein Auge zudrückte. Bemerkte aber das Monat statt nach draussen die Höhle anpeilte. „He“, bellte Dongard Stimme scharf über den trockenen Platz. „Was soll das. Der Turm ist da draussen in der anderen Richtung.“
Kaum beeindruckt erklärte Monat sein Begehren. „Ich hole mir nur was rasch aus der Küche, zum mitnehmen.“
Es dauerte eine ganze Sekunde bis der überrumpelte Dongard sich fasste. Schrie am äussersten Limit seiner gereizten Stimme. „Was soll das! Wir sind kein Ferienlager!“
Gemeinsam zuckten die umstehenden Reihen zusammen.
„Monat, dafür gibt es einen Tag Bunker! Himmel, “ kam es sogleich ruhiger zu seinen übrig verschreckten Schäfchen. „Wir haben zwar Besuch. Das könnte aber genauso gut ein königlicher Inspektor sein! Also kein Grund sich anders zu benehmen. Selbst wenn letzte Nacht anstrengend war. Nehmt euch gefälligst zusammen. Wir haben Alarm Drei, da geht keiner leichtfertig spazieren, nur weil Hunger ein paar Stunden zu warten hat. Wir sind ein diszipliniertes Lager um zu lernen und nicht fürs feuchtfröhliche Vergnügen da!
Meldet sich jemand freiwillig für Monats Posten?“
Cynth, eine schlankes junges Mädchen trat vor. Lange, hellblonde Haare zu einem dicken Zopf zusammengebunden. Obwohl ihre engste Freundin Agnome versuchte sie abzuhalten trat die zierliche Gestalt entschlossen vor.
„Ausgezeichnet“, lobte Dongard. „Dafür streiche ich dir mal eine Strafarbeit. Ab mit Dir! Agnome nimmt dir ein Beispiel an deiner vorbildlichen Freundin. Ich glaube..., “ er spielte den ernst Nachdenkenden. „Zur Sicherheit schicke ich dich auf die Rückseite. Bis zum Mittag. Nimm was zu trinken mit, es wird dort grausam heiss und der Posten hat erst gegen Abend Schatten, soweit ich mich erinnere. Wer hatte gestern Dienst?“
Jemand hob schüchtern die Hand. Bestätigte seine verblasste Erinnerung. Danach setzte Dongard seine Inspektion weiter fort. Bei mir wie gewohnt der typische Blick der besagte das er was fand. „Safina“, sagte ziemlich milde. „Deine Haare. Finde ich in derselben Woche die gleichen Mängel zweimal gibt es eine Strafarbeit. Denk daran.“ Weiter setzte er seinen gemächlichen Gang fort. Neben mir stand Maximilian. Der gab sich Mühe unseren strengen Sitten zu folgen. Seitlich musterte Dongard ihn flüchtig. Blieb aber an den schmutzigen Stiefel hängen. Faste sich übertrieben ans Herz und schloss einen Moment schmerzvoll die Augen. Als er gerade ansetzte zu sprechen fuhr ich ihn drohend von der Seite an. „Lass ihn ja in Ruhe!“ Erlebte die Seltenheit, das Dongard über den unerhörten, unerwarteten Angriff, zusammen zuckte. „Was“, stiess er gedämpft aus. „Safina? Hast du was zu melden?“ Sein ebenmässiges Gesicht verriet das, hinter seiner glatten Stirn, sich ein gewaltiger Sturm anbraute. Schwarze Augen stachen, trafen einem empfindlich ins Herz.
Sammelte meine letzen Mut. In anbetracht meiner verbindenden Liebe hielt ich es für nötig den unschuldigen Maximilian vor diesem gnadenlosen Tyrann zu schützen. Meine Stimme hörte sich allerdings weniger Mutig an wie vorgenommen. „Lass ihn in Ruhe. Er ist gehört schliesslich noch gar nicht richtig zur Gemeinschaft. Ausserdem ist es sein erster Tag da..., “ unter Dongard intensiven Blick verstumme ich. Brachte kaum noch ein Flüstern zustande, „Bitte!“
„Safina“, seine Stimmlage knisterte wie ein geladenes Gewitter. Während er um Fassung ran und nach angemessenen Worten für mein ungeheuerliches Benehmen suchte, blieb es ein paar Sekunden still. Mein Vorhaben mich vor meinem Freund nicht zu blamieren war gescheitert. Aufgebend blockte mit einer Hand Dongards aufgestauten Kommentar ab. „Schon gut, Dongard du brauchst gar nichts weiter zu sagen.“ Schrie rüber zu Monat. „he, Monat warte auf mich, ich leiste dir Gesellschaft.“ Spazierte auf ihn zu. Dessen Kopf schnellte entrüstet herum, hob seine Stimme schrill an. „Auf keinen Fall! Kommandant Dongard ich bestehe auf Einzelhaft. Du hast nur mich zu Bunker verurteilt, nicht auf unmenschliche Folter.“
„Ruhe“, donnerte unser Boss erbost dazwischen. „Unglaublich. Heute scheint wohl jeder das zu machen was er will. Safina, hierher! In die Reihe, aber hurtig!“
Hastig hüpfte ich an meine alte Stelle. Mein Kopf stecke zwischen den steifen Schultern. „Du“, damit klagte Dongard mich an. „Für dein Benehmen und das Vergessen der Bezeichnung Kommandant, handelst du dir eine Woche Abwasch ein.“ Damit gab er sich zufrieden, wandte sich brüsk, dem abseits stehenden, Monat zu. „Was dich betrifft, solltest du nach längerer Erfahrung wissen was Teamgeist ist. Du wirst zusätzlich, ab morgen, Safina beim Abwasch helfen.
Maximilian, “ sanfter wechselte die Befehlsgewohnte Stimme. „Mir ist klar dass du nicht unter meinem Kommando stehst.“ Dongard lächelte sogar. „Solange es kein Versprechen gibt, entbindet dich das jeder Pflichten. Was ist, möchtest du hier eine Ausbildung anfangen oder hilfst du mir einfach, ein paar Tage aus, diesen wilden Haufen zu überwachen?“ Über das grosszügige Angebot wunderte sich mein Freund gehörig. „Kommandant Dongard, “ begann er sogar korrekt. „Für eine Ausbildung reicht mir kaum die Zeit. Du weißt ja, ich hab als Bewahrer noch eine Mission offen. Ausserdem befürchte ich würde ich mich hier bald eingezwängt fühlen. Obwohl ich das zwar bezweifle, solange Safina in der Nähe ist, wird mir das kaum stören. Dafür nehme ich gerne das kurzfristige Angebot an, alles genau kennen zulernen. Ich weiss, “ er deutete auf seine schmutzigen Stiefel, „Nach diesem eiligen Aufstehen habe ich dafür keine Zeit gefunden. Ausserdem sind das spezielle Wildlederschuhe. Die werden nie mehr ganz sauber. Ich hoffe du hast was Geeigneteres am Lager damit ich morgen mich nicht vor den anderen schämen muss.“ „Wirklich gut. Ausgezeichnet.“ meinte Dongard besänftigt, „nach dem Essen schauen wir mal im Depot nach.“ Zufrieden rieb sich der Kommandant die Hände. „lasst uns endlich Frühstücken. Derek!“ Eine ausgestreckte Handbewegung genügte und sein Stellvertreter verstand dass er Monat auf den letzten Metern begleitete. Nicht nur zur Überprüfung sondern auch um die Türe hinter ihm abzuschliessen.
Beim Rückzug in die Höhle legte Dongard vertraulich eine Hand auf Maxims Schulter, als seien sie alte Freunde. „Kann ich dich nach dem Essen Sprechen?“ „Selbstverständlich,“ wobei er mich entschuldigend anlächelte. Mitgenommen von der letzten, kurzen Nacht gähnte ich nur. „Ich frage mich nur ob ein paar ausgelassene Stunden im Bunker nicht angenehmer wären.“ blauer Himmel versprach wieder einen heissen Tag und ein paar kühle Stunden besonders um den Mittag, kamen meiner Vorstellung von Paradies bedeuten näher. Womit ich nicht rechnete dass mein Kommandant die einfachen Worte vollkommen ernst nahm. Winkte jemanden an seine Seite. „Wir haben diese lauten, stinkenden Knallkörper irgendwo im Lager. Wirf diesen beschlagnahmten Kinderkram in unregelmässigen Abständen, so ungefähr alle halbe Stunden, bei Monat einen hinein. Ich will das er wirklich eine abschreckende Strafe absitzt sonst versammelt sich morgen meine ganze Bande in dem kühlen, erholsamen Bunker.“ Dabei bedachte er mich mit einem überlegenen Lächeln. Darauf antwortete ich mit einer breiten, künstlich Freundlichkeit. „Zerstörst du immer andere Ideen?“ „Verstosse gegen meine Anordnungen, dann kenne ich kein erbarmen! Übrigens nach dem Essen kann dir Thana zeigen wo man Kräuter sammelt. So lernst du die Umgebung besser kennen.“
Vergebens wühlte ich in meinen Erinnerungen wer dieses Mädchen war. Dongard erspähte meine Verlegenheit so deutlich wie ein Adler eine leicht zu erbeutende Maus. Stiess mich sachte an den Arm. Deutete auf jemanden vorne. Zuerst dachte ich N`toki. Von hinten sahen sie ziemlich ähnlich aus. Von der schlanken Statur und den tief schwarzen Haaren. Thana etwas kürzere Haare vermittelten den Eindruck leicht verzaust zu sein, was einzig am ungeschickten Haarschnitt lag. Dieselbe kecke Stupsnase wie Ascha. Auf gleicher Höhe einen flüchtigen Blickwechsel, und ich war fasziniert. In dem knabenhaften mit Sommersprossen Gesicht, blitzen grüne Augen hervor.
Feinfühlig bemerkte sie meinen genaueren Augenschein. Bevor wir den gedeckten Tisch erreichten, schlängelte sie sich geschickt durch die drängelnden Leute, herüber. „Was ist?“ fragte sie in einem Tonfall, welcher der Überheblichkeit Dongard ähnelte. Ohne Scheu nahm ich mir Zeit sie direkt anzusehen. „ich wollte nur wissen wer du bist. Später soll ich mit dir Kräuter sammeln gehen, “ gestand ich offen. Sie musterte mich ziemlich zweifelnd. „Bist du geschickt im Klettern?“
Gerne gab ich zu. „Doppelt so talentiert wie Ascha.“ Darüber schmunzelten wir beide.
Wir verteilten uns um die Tafel. Natürlich sass Maximilian neben mir. Legte sobald ich mich auf die Bank niederliess, wie selbstverständlich die Hand auf den näheren Oberschenkel. Genauso vertraut strich ich ihm über die flauschigen Ohren. Bediente mich am Tisch und bemerkte eine eigenartige Stille. Normalerweise senkte man die Stimme beim Essen, aber so ruhig. Eine Stecknadel hätte ich auf den Boden fallen gehört. Sofern sie auf den Höhlenboden fiel. Denn die polsternde Matte lag immer noch ausgebreitet da. An diesem Morgen folgte alles einem anderen Zeitplan.
Diese unangenehme Stille. Die Meisterin des Redens platzte als erstes heraus. „Sie sind ganz flauschig.“
Mit einem lächeln in den Augen und einer gefurchten Stirn beugte ich mich vor um an Maxim vorbei nach Ascha zu sehen. Woher wusste sie das?
Arglos begegnete sie meinem Blick. Presste, ihre Lippen zusammen. Zu spät ihr Heil zu suchen gestand sie fast unhörbar. „in der Nacht habe ich mich getraut sie anzufassen.“ Was sie genau wieder tat, begeistert sagte. „Viel seidiger als meine Haare.“
Dongard unnötige schärfe liess sie erschrocken zusammenfahren. „Ascha, bist du heute wieder einmal doppelt neugierig.“
Maxim beschwichtige, „kein Problem. Bei so sanften Händen halte ich gerne hin.“ Obwohl viele beim Essen kurz zögerten, sich fassten, normal weiter assen, so bemerkte ich dass nun viele Blicke mich heimlich beobachteten. Erinnerte mich an N`toki Verhalten. Selbst Ascha dämmerte gerade was sie unbeabsichtigt herausforderte. „Oh“, Erschrocken legte sie eine Hand an ihre vollen Lippen. Diesmal streckte sie sich vor um mich anzusehen. „Safina, es tut mir leid. Ich wollte nicht andeuten...“
Ich nahm es gelassen, „Keine Sorge, ich vertraue Maximilian.“ Warf ihr einen wohlgesinnten Seitenblick zu und langte nach der nächsten Brotscheibe. Trotzdem blieb es weiterhin ruhiger als gewöhnlich. Da beschloss ich einfach die heikle Situation zu ignorieren. Auf einmal meldete sich N`toki. „Was? Hört auf mich anzugaffen!“ kam es erbost gegen die unerwünschten lautlose Beobachtung. Stumme Vergleiche, Vorwürfe.
Worauf es Dongard ein ausserordentlich mildes Lächeln entlockte. Himmel, er sah so unerwartet Jung aus. Kaum zwanzig und völlig unbeschwert. Erst seine honigsüsse Stimme die seinem Melfenerbe entstammte, „Ein guter, fairer Zug. Dafür streiche ich dir zumindest die halbe Woche Abwasch.“ Mit einem glücklichen Ausdruck ass er weiter, während die Hälfte seiner Mannschaft in einem merklich langsameren Tempo schaufelte. Selbst mich überraschte es das Dongard mal eine festgesetzte Strafe kürzte. Bei gutem Verhalten verschenkte er Pluspunkte oder erliess eine zukünftige Strafe. Niemals kürzte er eine verhängte Busse.
Darauf rutschte mir heraus. „Hoffentlich bleibt Kommandant Damarilis länger! Ihre Anwesenheit scheint dir zu gut zu tun.“ Seine gute Laune auf die erfüllende Nacht abschiebend.
Damar, an seiner Seite, quittierte es mit einem unterdrückten Lachen. Nach dem gestrigen Abendteuer vermittelte sie immer noch einen schwachen Eindruck. Allerdings gäbe sie es nie zu. Tapfer bewegte sie ihre ungelenkigen Arme. Ab meinen gewagten Worten verschluckten sich nur ein paar junge unbeherrschte Frauen. Dongard sagte kein Wort. Dafür redeten seine Augen deutlich- warte nur, das merke ich mir und gebe es bei passender Gelegenheit retour.
Von da an rechnete ich mit keinerlei Überraschung mehr. Keine die mich ins Mark treffen würde. Weit gefehlt.
Erneut schlug Aschas unverblümte Direktheit wie eine verheerende Bombe ein.
Harmlos, „Safina“, in ihrem unschuldigen, weichen Ton beginnend. „Du bist inzwischen mit unseren Sitten ein wenig Vertraut. Ich möchte gerne wissen ob es dir was ausmacht...“ Auf einmal zeigte sie bedenken. Zögerte. Unentschlossen drehte sie das Messer auf dem leeren Teller umher. Gespannt horchte ich auf. Sie winkte mich hinter Maximilians Rücken näher heran. Senkte ihre Stimme. „Hast du was dagegen wenn ich...“Sie deutete auf Maxims Rücken. „ich ihn mir in der Nacht für ein paar Stunden ausborgen will.“
Obwohl sie ziemlich leise sprach vernehmen scharfe Melfenohren so ziemlich alles. Unser vielgeschätzter, abgebrühter Kommandant hustete beinahe den getrunkenen Tee über den Tisch hinaus. Es dauerte ein paar Schrecksekunden bis er sich fasste. Schnappte nach Luft. Nur wenige vernahmen Aschas Worte, so wunderten sich viele über Dongards einmaligen Ausrutscher, blickten besorgt. Er rupfte förmlich die Serviette unterm Teller weg. Räusperte sich mit kratzendem Hals und fand endlich Wort. „Ascha,“ alles andere als liebeswürdig. „Wir haben einen vierten Wachposten. Bestimmt ist der Wächter müde und hungrig. Zeit ihn abzulösen.“ Ein durchdringender Blick sollte ihren Abgang beschleunigen. Allerdings winkte ich Dongard, mit der Hand, zu warten. Danach überdachte ich eine Weile ernsthaft Aschas Bedürfnis. Sah meine Freund genauer an. Unvermindert frühstückte er weiter. Nervöse Augen verrieten ihn. „Ich nehme an du hast es gehört“, raubte ich ihm seine letzte Gelassenheit. „Was meinst du eigentlich dazu?“ Bedrückt schaute er auf seinen Teller, dann entschlossen in meine Augen. Stand ehrlich zu dem was er meinte. „Es... nie habe damit gerechnet so offen ein Angebot zu bekommen.“ Liebevoll umarmte er mich, zog mich näher. Flüsterte nur für meine Ohren. „Safina, ich will dich nicht verlieren. Du bist der fehlende Teil von mir. Ich brauche DICH.“ Seine Hände zitterten leicht. Augen flehten um Vergebung. „Diese ungewohnte Situation, sie bringt mich völlig durcheinander. Versteh mich, es ist hier alles plötzlich anders als ich es gewohnt bin... am liebsten wäre ich jetzt im Sumpf mit dir wo alles einfach ist.“
Mein Freund, der jahrelang in Isolation lebte, war hoffnungslos überfordert. Gerade seine Geständige Art liess mich gütig verhandeln. Flüsterte lockend, dass der verborgne Teil des Eisberges ihn ihm begann zu schmelzen. „Du bist aber nicht abgeneigt?“ Deutete mit den Augen zu der erwartungsvollen Ascha hinüber. Unentschlossen blickte er auf meine Hände hinunter. Nahm sie zwischen seine warmen Finger. „Safina, nachdem was du mir beibringst, ist es das reinste Vergnügen. Allerdings ist deine Entscheidung ausschlaggebend. Ich will nichts tun was dir missfällt. Du bist es die ich Einzige die ich will.“ Er hielt meine Hände symbolisch über seine Stelle wo das Herz schlug. Allerdings auf die falsche, rechte Seite. Seine Unerfahrenheit stimmte mich Nachdenklich. Ich fasste einen Entschluss. Versammelte uns drei, Nahe. Drei Köpfe rückten verschwörerisch zusammen. „Ascha ich danke dir für deine Offenheit. Wegen unserer Freundschaft bitte ich um Geduld. Gib mir und Maximilian, sagen wir einen Monat, Zeit. Wir müssen unsere ständige Flucht vergessen, verarbeiten. Danach habe ich garantiert nichts dagegen ihn zu teilen. Aber wir brauchen ein bisschen Ruhe um unserer Persönlichkeit wieder zu finden. So viel hat sich verändert, während ihr nur immer im selben behüteten Lager verweilt...“
Begreifend nickte Ascha. „Ich verstehe. Einen Monat? Damit kann ich leben. Ich freue mich schon so darauf.“ Neckisch flirtete sie bereits mit den Augen ihrem auserwählten Wunschkandidaten zu.
Peinlich berührt rückte Maxim näher auf meine Seite. „Bist du dir sicher?“
„Solange ich deine persönliche Freundin bleibe, kann ICH damit leben.“
Hingerissen umarmte er mich stürmisch. Demnach traf ich voll sein neues Bedürfnis, neue Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht zu sammeln. Lachend nahm ich den stürmischen Überfall in Empfang. Selbstverständlich plagten mich innere kleine Zweifel ihn plötzlich mit anderen zu teilen. Anderseits profitierten wir beide davon wenn er mehr Erfahrung sammelte. Letzen Endes wusste er auch dann dass meine Gesellschaft am schönsten war. Hier schienen ja alle Beziehungen offener. Solange er mich in der Nacht zufrieden stellte sah ich keinen Grund ihn für mich allein zu reservieren.
Begeistert knabberte er meinen Hals entlang zum Ohr. Sein warmer Atem streifte mich. „Womit habe ich dich verdient? Deine Toleranz, deine Liebe.“ „Hey“, unterbrach ich seine Schmeichelei. „du gibst mir auch viel. Du beschützt mich. Ohne deine Hilfe wäre ich sehr wahrscheinlich verblutet. Du zeigst mir eine andere Welt, die kleinen Details die zählen. Am schönsten, wertvollsten ist das du meine Einsamkeit vertreibst.“
Von Normalität am Tisch keine Spur. Dongard stürzte seine Ellbogen auf den Tisch. Legte verträumt seinen Kopf in die Hände. „Wenn ihr beide euch das Versprechen gebt, reserviert mir unbedingt eine Platz als Hauptzeugen.“
Maxim sicherte ihm zu, „Wir werden daran denken.“
Nach dem ungewöhnlichen Essen gesellte ich mich unaufgefordert zu Thana. Aufgestellt sah sie mich mehrmals an. „Du bist absolut eine hervorragende Nummer“, sagte sie während wir den Gang entlang schlenderten. „Selbst in meiner Zeit als ich mein erstes Taschengeld im Wirtshaus aufbessert, nie habe ich jemand deinesgleichen beobachtet. Verliebte Paare, oder welche trockene Vernunftehen eingingen. Keine besass annähernd deinen vielseitigen Charakter. Jetzt wundert mich nicht mehr weshalb jemand, wie Dongard, ein Auge auf dich geworfen hat.“
„Soll das ein gespielter Scherz sein? Du beobachtest wohl ein bisschen übertrieben!“
„oh, nein. Ich nehme mir mein Umfeld sehr genau vor. Hat mir mal das Leben gerettet.
So, zieh dir bequeme Kleidung an. Und sichere, stabile Schuhe in denen du Halt findest. Wir sehen uns am hinteren Ausgang, beim kleinen Bach.“ Verabschieden rannte sie in ihr Quartier. Minutenlang beschäftigte mich ein Gedanke. War es wahr, das Dongard persönliches Interesse an mir hatte? In Richtung Beziehung und nicht nur beruflich als Ausbilder?
So ein erfundener Unsinn! Besonders da Dongard wusste wie unzertrennlich ich an Maximilian hing. Was tat mein Freund gerade? Erhaschte eben noch wie er und Dongard im Büro verschwanden. Schade dass es mir nicht vergönnt war den beiden zuzuhören. Es nahm mich wunder was die beiden zu besprachen. Vermutlich die vorstehend Mission von Maximilian.
Im düsteren Vorraum zündete Kommandant Dongard einen Kerzenstummel an. Überflog missbilligend den unordentlichen Schreibtisch von Monat. Unzählige wertvolle Papiere lagen verstreut auf der Platte. Erst die Vermutung dass er gestern Abend nach dem eiligen Befehl zur Versammlung, überstürzt seinen Arbeitsplatz verliess, besänftigte Dongard. Wissen von dem speziellen Inhalt der untersten Schublade, schob Dongard sie auf. In diesem Punkt war Monat verlässlich. Erleichtert das gewohntes an seinem Platz stand, nahm er die kleine dunkelgrüne Flasche an sich. Wenigstens etwas funktionierte nach dem alten, gewohnten System. Bat Maximilian in sein hinteres Büro. Hier brannten bereits vier Kerzen. Die obere Verspieglung der Wände verstärkte das Licht, ohne das eine doppelte Bewegung das Blickfeld störte. Während Maximilian leicht unsicher sich im Stuhl zurecht setzte, füllte Dongard zwei kleine Gläser ab. Servierte sie auf den Tisch. „Probier mal“, bot er Maxim an. „Eine Spezialmischung mit der wir den Tauschhandel florieren. Jedenfalls bringt das Experiment viel Umsatz obwohl kaum Alkohol vorhanden ist.“
Gespannt drehte Maximilian das Glas in den Händen. Aus reiner Gewohnheit schnupperte er zuerst daran. „Süsslich, riecht fein ohne in der Nase zu stechen.“ Probierte zurückhaltend einen schüchternen Schluck. Sobald das hellgelbe milchige Getränk seine Kehle erwärmte, stellte er erschrocken den Rest auf den Tisch. „Was?“ Fühlte wie eine warme Spur in den Magen hinunter wanderte. Ihn wohlig entspannte. Dongard wartete Geduldig auf das Urteil.
„Ist vorwiegend hergestellt mit Honig und angereichert mit einem unerklärlichen fruchtigen Geschmack“, stellte Maximilian begeistert fest.
„Sehr gut getroffen“, lobte Dongard. Genehmigte sich einen ausgiebigen Schluck, in Anbetracht dessen was ihm bevorstand. Dankend lehnte Maxim seine weitere Offerte ab. Obwohl er dieses entspannende Getränk durchaus schätzte. Es war ihm schlichtweg unheimlich, schliesslich kannte er nur gewöhnliches Wasser oder schätzte schon Milch als sehr edel im Geschmack ein. „Ist so was erlaubt“, fragte er schon fast in die Rolle als Bewahrer geschlüpft. Er nahm an dass der erfahrene Kommandant ihm ein paar Ratschläge auf den zukünftigen Weg mitgeben wollte. Deswegen diese persönliche Runde.
Dongard vollführte eine wage Bewegung. Setzte sich auf seinen gepolsterten Stuhl. „Im halben Sinne. Experimente mit Getränken die Alkohol beinhalten sind zwar, richtig erkannt, verboten. Diese Rarität tauschen wir Kurzzeitig, nur in der Herbstsaison, gegen kleine Bequemlichkeiten aus. Wir nutzen unseren königlichen Status nicht einfach aus, indem wir nur nehmen. Auf langjährige Frist würde dieses Lager in der ländlichen Umgebung, von der wir abhängig sind, auf Ablehnung stossen. Dies wiederum würde dem Verteidigungsminister auch nicht gefallen. Daher produzieren wir auch keinen hochprozentigen Alkohol der Abhängigkeit verursacht. Dafür sind unsere Lieferbestände auch zu unbedeutend. Doch es hilft unserem Lager zu einer festen Unabhängigkeit mit geringem Aufwand. Dadurch gewinnen wir mehr Zeit für den eigentlichen Lehrstoff. Andere Lager besorgen sich alle drei Monate, im grösseren Umfeld das nötigste. Bei uns verschafft diese Köstlichkeit einen Lieferservice. Wir besuchen den nächsten Wirt der bereits alles lagert, was wir bestellten.
Verneinung weil auch dein Verdacht auf der falschen Fährte liegt. Ich wollte mit dir nicht als Bewahrer verhandeln, sondern deine andere Zukunft ansehen.“
Beruhigt setzte sich Maximilian zurück in seinem Stuhl. Also blühte ihm kein Schulmeister Vortrag. Obwohl er gerne einen Rat annahm, in dieser fortschrittlichen Schule hier, fühlte er sich zunehmend eingeengt. Ausgelöst nicht nur von den robusten Höhlenwänden. „Dongard“, kam er ihm zuvor, „Willst du alle eingesammelten Schäfchen unter deine Fittiche stellen?“
Dongard vernahm den feinen abweisenden Ton. „Wenn sich dafür Platz findet, nehme ich jeden der sich eignet. Wobei ich vermute dass du anderen Interessen folgst. Nein, es geht indirekt um Safina. Nachdem was ich heute am Tisch sah, frage ich mich warum habt ihr ein Versprechen nicht schon längst getauscht!“
Deutlich bemerkte Dongard das er da in eine unbemerkte Wunde stocherte. Betroffen meinte Maximilian. „Darüber willst du reden? Es gab sich einfach keine günstige Gelegenheit.“
Hartnäckig nickte Dongard. „Safina hat meinen Dienstvertrag wörtlich, öffentlich angenommen. Sie unterliegt bis zur Vollendung dieser Ausbildung auch unter meiner Verantwortung. Also scheint es angebracht zu Diskutieren. Immerhin geht es um einen Zeitraum von beinahe zwei Jahre. Du wirst im schlimmsten Fall höchstens ein paar Wochen, bei deiner Mission, wegbleiben. Was passiert danach?
Nach dem heutigen Frühstück gibt es nur zwei Varianten. Kannst du dir Vorstellen eine Bildung als anerkannter Bewahrer zu beginnen? Ich beschaffe für Dich sogar ein schriftliches Dokument mit königlichem Siegel. Damit steht dir später ein selbstständiger Weg offen, Schüler auszubilden. Wenn ihr zwei nicht immer im Sumpf leben wollt, der ideale, einfache Ausweg. Bei deinen Vorkenntnissen lässt sich die Lehrzeit bestimmt auf auch auf zwei Jahre kürzen. Das bring ich hin, wenn du mitmachst.“
Bedrückt sankt Maximilian auf seinem Stuhl zusammen. Zwar klang das Dokument mit dem königlichen Siegel verlockend Es versprach eine sichere Freiheit. Er gab sich jedoch keiner Illusion hin. Echte Bewahrer mussten höheres Rechnen verstehen. Lesen und schreiben war Pflicht. Dann gab es da noch kompliziertes Fachwissen. Unmöglich bei seinem lückenhaften Wissen das ganze auf zwei Jahre hinab zusetzen. All diese Zeit ausgefüllt unter einem Lehrer verpflichtet zu stehen. Regeln befolgen, lernen, beschränkte Freizeit.
Er war gewohnt zu Jagen wenn er Hunger hatte. Seine Hütte zu verlassen wenn er Lust auf Unterhaltung bekam. Ohne Einschränkungen. Nie diente er unter einem Meister und bisher lebte er damit Recht zufrieden. Mit Safina erfüllte sich ein Lebenstraum. Nur vorher eingezwängt in einer Höhle leben. Umgeben von anderen Leuten. Eine laute Gesellschaft. Maximilian bevorzugte den ruhigen Sumpf. Hastig griff er nach dem Glas, schluckt den Rest gezwungener Massen. Erhoffte sich Erleichterung, doch es wurde ihm beinahe Übel.
„Was ist die zweite Lösung? Du hast zwei Wege erwähnt, “ setzte er auf neue Hoffnung. Allerdings verdüsterte sich Dongards Gesicht. Versprach keine einfache, angenehme Lösung. „ich spreche es ungern an. Nach deiner Mission kannst du Safina nur an ihren freien Tagen treffen. So sehr ich es als Chef möchte... Nein, gerade als leitender Chef ist es, in meiner Position, unmöglich dich zwei Jahre als Gast ein zu quartieren. Selbst wenn du uns im Lager helfen willst, es funktioniert nicht weil du ausserhalb der Regeln stehst. Es braucht eine feste, einheitliche Ordnung für das Schulprogramm. Alles andere lenkt ab. Genauso wie du Safina vom lernen abhältst, wenn du als Gast bleibst.
Du kannst weiterhin als einfacher, getarnter Bewahrer reisen und bist an den freien Tagen Safinas sehr willkommen.“ Nach dieser Meldung fiel Dongard ein Stein vom Herzen. Wissend das dieser letzte Vorschlag, die Beziehung zwischen Maximilian und Safina arg auf die Probe stellte.
Dementsprechend zuckte es unbehaglich auf Maxims Schnauze. Soviel verstand er selber. Ihn durchzuckte ein weiter Gedanke. Nur weg und zwar mit Safina. Sofort lichteten sich seine düsteren Voraussehungen.
„Nein“, löschte Kommandant Dongard gnadenlos seine aufkeimende Hoffnung.
Verstört blinzelte Maximilian. „Warum nicht? Lass Safina einfach gehen? Das einfachste...“
„Nein“, donnerte Dongard, das selbst der kräftige Maximilian unbehaglich in seinem Stuhl zurück sank.
„Vergiss sofort diese Gedanken. Ich bin nicht gewilligt Safina von ihrem Vertrag zu entbinden. Liebst du sie, wirst du es bestimmt auch nicht wollen dass ihre Talente ungenützt bleiben. Ausserdem ist es gerade ihre vielseitige Art, die geradezu verlangt diese Schule zu machen. Vergiss nicht woher sie kommt, und vergiss nicht weswegen sie kam! Ich vertraue Safina in jeder Beziehung, genauer ausgedrückt, sogar mein Leben an. Deswegen gibt es keine bessere Möglichkeit sich unserem Königreich anzupassen als gerade diese einführende Ausbildung.“ Bisher sprach er eindrücklich, nun versuchte er es bittend. „sie hat so viel verpasst in ihrem Leben, nimm ihr den sicheren Halt nicht weg. Die Gesellschaft, der Zusammenhalt, die Freundschaft zu den anderen gleichaltrigen Frauen. Wenn du an Safinas Wohl denkst, kannst du mir ehrlich zustimmen dass ihr genau diese Erfahrungen gut tun. Was sind das schon zwei Jahre? Du kannst sie jede Woche treffen. Weist du eigentlich wie viele Männer sich wünschten sich könnten so behütet ihre Frauen auf die Seite schieben.“
Darauf lächelte Maximilian gegen seine Willen. „So, nun soll ich auch noch froh sein das du mir das Anbietest, “ schüttelte er den Kopf. „Kommandant Dongard. Ich bin kein Dummkopf. Kenne Safina genau. Weiss ihre unbezahlbare Art zu schätzen. Angenommen, nur angenommen ich würde Safina entführen. Sie würde mir überall hin freiwillig folgen, sofort ohne geringste Zweifel das sie was versäumt. Aber...“ Traurigkeit schwang in Maximilians Stimme das Dongard seinen empörten Einspruch auf die Seite wischte.
Maxim viel es sichtlich schwer, „Aber ich weiss auch wer ich bin und woher ich stamme. Eigentlich bleibt mir nur das erste grosszügige Angebot wenn ich Safina ein normales Leben bieten will.
Stell dir nur mal vor, ich möchte mit ihr unbeschwert Tanzen gehen. Ein unachtsames Stolpern, die Kapuze verrutscht, meine Tarnung fliegt auf. Ein absolutes Desaster. Der Beginn der nächsten Verfolgung. Glaubst du wirklich ich denke nie darüber nach. Solche Gedanken beschäftigen mich fast jede Nacht! Sie tun mir weh wenn ich sehe wie ich Safina auf meine ausgestossene Art zu leben, herunter ziehe. Sie hat was Besseres verdient.“ Hunde sind unfähig zu weinen, aber ihn Maxims ausdrucksvollen Augen lag ein unbeschreibliches Leiden das Dongard ins Innerste traf. Einzig Maxims unbewusste abweisende Art hinderte ihn daran aufzustehen und ihn tröstend zu Umarmen. In Dongard kämpfte der gefühlsvolle Melf gegen den kühlen, vernünftigen Verstand des gewöhnlichen Menschen. Gerade die nächsten Worte von Maximilian erschreckten ihn.
„mein abseitiges Leben. Andere können ihr Gesicht operieren. Mir bleibt nur das ewige Verstecken. Selbst mit einem Papier auf dem das königliche Siegel klebt. Selbst wenn das rote Siegel deutlich heraussticht, die Leute werden zuerst nach mein Gesicht verurteilen. Ihre Angst vor dem neuen, unbekannten wird mich zwingen mein Leben zu retten. Dieses unnatürliche Gesicht bestimmt mein Leben. Es ist eine unabwendbare Schattenseite. Da hilft auch kein königliches Siegel. Das Dokument rettet mich höchstens vor dem Labor, vor den königlichen Kommandanten die mich gerne in der Arena sähen. Aber nicht vor dem gewöhnlichen Volk das sich seine Meinung innerhalb einer Sekunde bildet. Das Urteil wird lautet immer gleich, eine Missgeburt, ein Monster, eine entlaufene Kreatur für die es eine Belohnung gibt.“ Erregt stand Maximilian auf. „Was bringt mir also zwei erzwungene Jahre mit Stress. Ich kann nicht zwei Jahr eingesperrt in einer Höhle sitzen. Das halte ich nicht aus. Meinen wenigen Freiraum, meine wenigen Rechte, zu Bestimmen wann ich komme und gehe lasse ich MIR nicht nehmen! Diese kleine, kostbare Freiheit, bei der zwar ich ständig aufpassen muss sie nicht zu verlieren, lasse ich mir nicht wegnehmen. Bis hierher habe ich es geschafft. Ich habe nicht vergessen das ich den letzten Teil dir verdanke.“ Er fasste sich, „Dafür bin ich dir sehr Dankbar aber vergiss bitte nicht wenn DU über mein Leben bestimmen willst, woher ich komme, und was ich immer bleibe.“
Zittrig stand Maximilian vor dem Schreibtisch. Stützte sich mit einer Hand an der Platte ab. Dongard beeindruckt, versagte die Stimme. So fuhr Maximilian in seinem bittenden Tonfall fort. „Denk bitte daran das Safina mir alles bedeutet. So viel das ich mir manchmal wünsche sie nie getroffen zu haben. Sondern sie nur von weiten bewundern darf. Es nicht wert bin, sie überhaupt zu berühren. Schon gar nicht sie auf mein Niveau hinunter zu ziehen. Die Tatsache dass ich ihr das Leben rettete, kettete ein Glied ans andere. Es gibt kein zurück für mich. Sie würde es nie verstehen und ihr Schmerz, ihre zweifelnder Verstand würde mich wiederum umbringen. Es reicht schon dass ich jeden Tag sie ansehen und mir wünschte ich hätte ein menschliches Gesicht um ihr mehr zu bieten als andere Frauen haben. Denn Safina Grosszügigkeit verdiente es. Du hast mich ja selber auf ihre Talente angesprochen.
Da du auf die zwei Jahre bestehst, und ich liebe Safina genug um ihr das gewöhnliche Leben hier zu gönnen, werde ich sie einmal in der Woche besuchen. Ich hoffe nur das du diesen einen Tag nie wegen einer Strafe streichst.“ Betonte verstärkt. „Erinnere dich woher sie kommt, und weswegen? Vergiss aber auch nicht dass sie sich nur meinetwegen verändert hat.“
Dongard räusperte sich um seine Stimme wieder zu finden. „Du.. mir ist vollkommen Recht wenn du einwilligst. Selbstverständlich wird Safina jeden freien Tag erhalten. Mein Wort darauf. Je nach dem wie sie lernt kann ich sie vielleicht öfters entbehren.“ Verstimmt winkte Maximilian ab. „Mach mit keine leeren Hoffnungen. Ich will nur was mir gleichberechtigt zusteht.“
Dongard stand ebenfalls auf. „Glaub mir, “ er legte seine Hand auf sein Herz, sprach ganz behutsam „Bei jedem, selbst königlichen Freund, hätte ich genau dasselbe verlangt. Ich sehe, als übereifriger Lehrer, in dir nur eine Störung die eine meine Schülerinnen... was sage ich da... mehrere meiner jungen Damen den Kopf verdreht. Wirklich, Ascha ist vollkommen aus dem Häuschen. Und ich bin undiplomatisch genug zu gestehen dass mir das überhaupt nicht passt. Schon gar nicht wenn ich merkte dass mir keiner mehr richtig gehorcht. Du hast den Vorfall heute Morgen ja miterlebt. So eine Unordnung gab es seit Beginn der Lehre bei keinem Probealarm. Verzeihe mir also wenn ich unachtsam deine Gefühle verletzt habe. Es lag nie in meiner Absicht.“ Dongard neigte leicht seine Oberkörper vor. Weiterhin zittrig streckte ihm Maximilian besänftig die Hand entgegen. Erleichtert nahm sie Dongard fest in seine. Trat näher und sagte mit weiterhin gesenktem Kopf. „Es gibt etwas das du wissen solltest. Es liegt in Safinas Zukunft. Wie du weist hat ein selbst ein Halbmelf wie ich gelegentlich die Gabe zu sehen. Genau kann ich es nicht beschreiben. Es ist nur so ein Gefühl das mich verfolgt, dass diese Ausbildung für Safina wichtig ist. Was immer später einmal passiert sie wird es brauchen.“
„Dongard“, flüsterte Maximilian aufmerksam. „Du redest nur von einer Person, von ihr.“ Quetschte die Hand fester als wollte er eine wahre Antwort erfoltern.
Selbst überrumpelt sah Dongard hoch, starrte die nächste kahle Wand an, wühlte in seinem Inneren. „Safina, wird allein einen Weg gehen. Sie steht...“ Dongard wankte von einen blassen Bild innerlich getroffen. Safina auf einem mit blutenden, gereizten Duli. Inmitten von einer feindlichen Armee umzingelt. Unverletzt kämpfte sie verbissen bis ein scharfer Pfeil ihren Oberarm aufschlitzte. Da blendete ihn eine gewaltige Energiemenge.
Diesmal zitterte Dongard. War froh dass Maximilian ihn weiterhin an der Hand hielt. Besorgt winkte Maxim ab. „Ich will es nicht hören. Es reicht mit zu wissen das Safina manchmal sehr unvernünftig ist. Was immer sie anstellt, Hauptsache sie überlebt.“
Erlöst lachte Dongard stockend. „In dem Punkt sind wir uns eindeutig einig.“
Leichtfüssig kletterte Thana auf dem direkten Weg nach oben. Manchmal brauchte sie bedeutend mehr Zeit als ich um genau zu voraus zusehen wo sie ihren Schuh platzierte. Dafür nutzte ich diese wertvollen Sekunden zur Erholung meines rasselnden Atems. Missbilligend spähte sie zum unzähligsten Mal auf meine Turnschuhe herunter. Schüttelte entsetzt den Kopf. Sie mit ihren hoch geschlossenen Wanderschuhen glaubte sich überlegen. Doch in dem heutigen Zeitalter waren mir diese speziellen Schuhe zu schwer. Zwar hielten sie die Sicherheit hinkten aber weit hinter dem fortschrittlichen Standart meiner vergangener Zeit hinterher. Also bevorzugte ich meine leichten Schuhe. Haargenau passte ich auf, wo ich hintrat und wie ich mein Gewicht verlagerte um mit der fast glatten Sohle Halt zu finden. Hier gab es nur steile Hügel. Selten eine felsige Steinwand. Wenn dann nur aus weichem Sandstein. Ausserdem gab es öfters diese Nadelbäume wo man Notfalls sich einen der ausladenden Zweige angelte. Ihre Nadeln stachen harmlos, aber ihre Spitzen besassen eine klebrige Substanz, die wie ein Kaugummi an der Handfläche fest hing. Es dauerte ewig diese harzige Masse weg zurubbeln.
So balancierte ich zum Schrecken Thanas ein paar Mal schwankend, am trocken, spärlich mit Gras überwucherten Abhang. Fasste lieber mal einen dieser zähen Fasrigen Halme um mich dran problemlos hoch zu ziehen. Zu meiner Freude wartete sie weniger als eine Minute bis ich sie bereits einholte. Meine Kondition steigerte sich seit ich Dongards Lager kannte. Tapfer kämpfte ich gegen meine schwer arbeitenden Lungen an. Worüber sie mehrfach ihr jugendliches Gesicht verzog. Mein keuchender Atem machte ihr mehr Angst als die unvernünftigen Schuhe. Was mich freute, denn automatisch hielt sie wartend inne und ich brauchte kein Wort zu sagen.
„Das ist absolut verrückt“, regte sie sich unnötig auf
„Wieso“, schnaufte ich. „Mit meinen Schuhen kämst du nicht mal auf Hälfte dieses Hügels hoch.“
„Hügel“, schnaubte sie. „Für uns bedeuten diese Hügel, kleine Berge. Schliesslich sind sie fast fünfhundert Meter hoch.“
„Pah“, gab ich unbeeindruckt fest. „Fast fünfhundert Meter bedeutet für euch Berge, für uns, wo ich herkommen sind ein Kilometer Höhe ein richtiger Berg.“
Darauf sperrte sie entrüstet ihren Mund auf. Ahnte allerdings dass meine Zähigkeit im Klettern genauso gut im Reden nie aufgab, sparte sich weitere Worte. Allerdings nur ein paar Meter dann sagte sie ohne sich umzudrehen. „Wir sind stolz auf unsere BERGE. Mögen sie auch klein sein.“
Worauf ich entsetzt aufschrie. Besorgt wandte sie sich herum. Ich schaute traurig auf meinen Fuss hinunter. „Schau nur“, sagte ich unglücklich. „Ich habe gerade einen Wurmhügel plattgetreten. Hoffentlich schmilzt dadurch eurer Berg nicht um ein paar Millimeter.“
Ihre Zähne knirschten Hörbar. „Ha, ha, lach du nur. Ich bin dafür schneller oben als du lahme Schnecke.“
Oho! Rasch mass ich den fehlenden Abstand. Kaum fünfzig Meter bis zur einer Plattform. Ha! Bevor sie realisierte was genau passierte rannte ich zügig bergauf an ihr vorbei. „Das gibt es nicht“, protestierte sie laut, nahm das Wettrennen auf. „Halt, bleib stehen. Das lasse ich nicht zu.“
Ich sparte mir den Atem für Rennen. Auf kurze Distanz ihr weit überlegen ereichte ich den Hügelkamm, dahinter folgte eine kurze Wiese in deren sumpfigen Mulde sich trübes Regenwasser sammelte. Atem holend wartete ich bis sie mich einholte. Statt aufzugeben rannte sie an mir vorüber. „Schon müde“, spottete sie mich auf. Na, warte. Eine Minute reichte mir um mich einigermassen zu erholen. Ausholend sprintete ich los. Sie peilte die schmutzige Pfütze an. Das reichte mir. Weil ich mit der Luft am Anschlag kämpfte war ich vorsichtig. Mitten im ungestümen Rennen trampte ich in ein Loch. Haltlos versank mein Schuh im Boden. Reflexartig, ohne zu denken, stützte ich mich irgendwie, an einer Seitenwand drinnen, mit dem Schuh ab. Schaffte es gerade noch mich aufzufangen, den andern Fuss nach vorne abzusetzen. Keinen Schritt zu früh. Bereits entdeckte ich ein weiteres getarntes Loch, unter einer lockeren Grasnarbe. Bevor ich Thana warnte passierte ihr dasselbe. Fast dasselbe. Sie stolperte ungebremst ins Loch. Versank, bremste Ruckartig. Eigenes Körpergewicht schleuderte sie weiter über dem Rasen. Nach einem Meter lag sie auf allen vieren auf dem feuchten Boden.
Ziemlich positiv gab ich ihr zu wissen. „Glück gehabt. Nochmals zwei Meter und du hättest ein unfreiwilliges Schlammbad genommen...“ Meine Freude verflog als ich ihr verkniffenes Gesicht sah. Sie biss sich auf die Zähne. Blieb in ihrer gekrümmten Position. Aufpassend wohin ich trat setzte ich mich an ihre Seite. „Geht es? Komm ich helfe Dir.“ Wenigstens nahm sie meine Hand an. Stützte sich schwer darauf, weil sie ihr linkes Bein achtsam schonte. Setzte sich aufrecht hin. „Diese verdammten Würmer“, wetterte sie.
„Würmer?“ Bei genauerem hinsehen entdeckte ich öfters solche getarnten Graslöcher. In das aufgetretene Bodenloch, von Thana, rutschte spielend eine Schuhschachtel hinunter. Mich nahm es Wunder. „Wie gross sind diese Würmer?“
Sie sah mich seltsam an. So in der Art- von welchem Planeten stammst du?
„Das sind Prasane. Du weist schon diese gezüchtete Art die man auf die kleineren Parasiten ansetzte um sie zu tilgen.“
Unwissend schüttelte ich den Kopf, hob kurz die Schultern. „In meinem Teil vom Reich kennen wir diese Plage nicht.“
„Also das sind borstenartige Würmer die bis zu Zwei Meter lang werden. Man züchtete sie um eine kleinere Unterart ihrerseits zu vernichten. Diese kleinen Prasinen dienen dazu, im oberen Ackerbereich, die Erde umzuwühlen. Erleichterten bis heute die mühsame Art des Pflügens. Diese fressgierigen Monster erledigen die Arbeit während einer Nacht. Wühlen die obere Erdschicht herum und hinterlassen mit ihren Ausscheidungen wertvollen Dünger. Leider vermehren sie sich genauso schnell wie sie fressen und scheissen. Seit sie gelernt haben tiefer ins Erdreich hinein zu graben, entwischen sie öfters den Farmern und so hat man angefangen Prasane einzusetzen. Diese verwandte Art frisst mit Vorliebe die kleinere Konkurrenz und sie vermehren sich, sehr selten. Nachteil dieser ausgebildeten, empfindlichen Viecher ist, dass sie sich die längste Zeit in den tieferen Erdschichten aufhalten. Höchstens zu Jagt kommen sie an sie Oberfläche. Einmal ausgesetzt sind sie kaum wieder einzufangen. Sie spüren die geringste Erdvibration. Mach eine Schritt und sie wissen, drei bis Fünf Meter unter der Erde, das du da oben auf sie lauerst. Aus diesem überlegenen Grund werden sie selbst allmählich zur Plage. Selbst mit Gift ausgelegte Köder versagen. Diese ausgesprochenen heiklen Gourmets, knabbern nichts an was schädlich schmeckt.“
Mal kurz Nachgedacht meinte ich. „Wie ist es mit ausräuchern! Bei den Tunnelschächten sollte das möglich sein.“
„Keine Chance. Diese verbogenen Tunnels enden in einer Sackgasse. Ohne Luftzug dringt da nichts durch. Selbst kleine Jagdhunde haben bei der senkrechten Art von Tunnelbauten keine Chance. Es ist zwecklos. Wir hoffen nur dass ein böser Virus diese Viecher endlich erwischt. Ein natürlicher Virus. Denn mit den voreiligen Experimenten werden die Leute aus dem Labor, aus schlechten Erfahrung lernen.“
Sie tastet vorsichtig ihr Schienbein hinunter. Tupfende Fingerspitzen verrieten mehr als ihre schmerzvollen Seufzer. Abschätzend warf ich einen Blick zurück auf den gekommenen Weg. „Da bringen wir selbst einen trittsicheren Duli nie rauf.“
„nein“, hauchte sie verstimmt. „Lass mal etwas Zeit verstreichen. Siehst du die gelben Sumpfblumen das drüben. Sammle jede zweite Blüte ein. So kehren wir wenigsten nicht mit leeren Händen zurück.“ Riet sie mir. Schleuderte mir die leinenen Tragtasche entgegen. Gerne nahm ich ihren Vorschlag an. Zog mir aber vorher die aus Kunststoff hergestellten Turnschuhe aus. Barfuss wanderte ich durch die feuchte, weiche Zone. „Warum nur jede Zweite, “ rief ich zurück.
„Damit sich nächsten Jahr der Bestand nicht verringert.“
Das leuchtete ein. Rasch pflückte ich die runden Blütenköpfe. Wobei ich dennoch fast eine Stunde brauchte. Mittlerweile kühlte Thana ihre geprellte Stelle im seichten Wasser ab. Hinkend hüpfte sie ins trockene. „Die Mittagsonne wärmt viel zu schnell.“
„Sag das nicht. Mittag ist erst in ein paar Stunden und es ist jetzt schon so heiss.“ Aus diesem Grund beeilte ich mich. Denn der Abstieg erschwerte sich mit ihrer Verletzung.
Dreimal so lange benötigen wir für den Berghang hinunter. Ich einen Schritt vor, wartend bis sich abstützend auf meiner Schulter nachkam. Unten am Talboden schwitzte ich aus allen Poren. „So geht das nicht. DU wartest hier. Für den Rest holte ich uns was zum Reiten und wenn ich einen Duli entführen muss, “ sagte ich bereits im davon laufen.“ Was einen Spaziergang von einer halben Stunde bedeutete, kürzte ich auf Hälfte. Mühevoll schwang ich meine trägen Beine vorwärts. Diese unerträgliche Hitze. Dankte jedem einzelnen Baum der ein bisschen Schatten spendete.
Traf dementsprechend ein ausgestorbenes Lager an. Entweder verkrochen sich die Leute in inneren der kühlen Höhle oder beschäftigten sich im Schatten der grossen Blöcke mit Handwerklichkeiten. Von mir nahm niemand Notiz. Auf dem sandigen Hauptplatz herrschte Einöde, bis auf den gesattelten Duli in der vordersten Box. Ungeduldig scharrte er mit seinen harten Zehen Löcher in den weichen, eingestreuten Boden. Gesattelt mit Zaumzeug! Das war Bestimmung wie in einer Vorsehung. Bevor ich auf das unruhige Tier losging, zielte ich den Wassertrog an. Nach dem gezwungenen Rennen war eine Abkühlung zwingend nötig. Streckte meine warmen Arme ganz in den Trog und tauchte mein Kopf gleich mit. Angelte mir ein bereit feuchtes Tuch. Egal Hauptsache meine nassen Haare tropften mir nicht den Rücken hinunter. Denn im Sattel wollte ich trocken sitzen. Entsprechend ihrem üblen Ruf näherte ich mich dem weissen Duli sehr vorsichtig. Er verriet äusserste Wachsamkeit über die Veränderung seiner Pause.
Ohne gross Nachzudenken begann ich die verknoteten Zügel aufzulösen. Mahnte mich streng ja keine Furcht zu zeigen. Jede Unsicherheit oder Zögern senkte das Vertrauen, von diesem Duli, in seinen Reiter. Weit blähte er die Nüstern.
Abwartend verharrte ich reglos auf der Stelle. Neugierig senkte er seinen Kopf, schnupperte genauer. Besonders an meinen geschätzten Haaren. Glotzte mich verwirrt an. Bevor dieses sensiblen Tier zu viel Überlegte, packte ich den Sattel und kletterte hoch. Danach ging alles sehr schnell. Dieser Duli flog sensationell über den Boden. Mir befiel sogar Angst als die Landschaft so verschwommen an meinen Augen vorüber raste. Gleichmässig hämmerten seine Hufe. Ich brauchte nur zu lenken und mich am Sattel fest zu halten.
Auf einmal rief eine helle Stimme empört. „he!“
Thana lag schon weit hinter mir. Es dauerte bis ich diese aufgewärmte Rennmaschine bremste. Zappelnd wendete er völlig aufgedreht. Stampfte übermütig mit den schlanken Beinen weiter als gäbe es jede Menge giftige Schlangen auszulöschen. Himmel, ich brauchte jede Kraft in den Armen ihn im Schritt zu halten.
Thanas winkende Hand fiel nach unten als wir erneut vor ihr bremsten.
Bekommenheit in den aufgerissenen Augen. „Wie hast du erreicht Dongard von deinen Reitkünsten zu überzeugen? Oder hast du den Duli wirklich entführt!“
„na, ja, “ sagte ich ohne die straffen Zügel aus den Augen zu lassen. „dieser Duli stand einfach gelangweilt in der Box. So einen Zufall ist ein Geschenk vom Himmel. Da frage ich nicht nach dem Grund. Also steig schon auf. Halt dich irgendwo an mir feeeeest:“ Das tat sie auch wörtlich. Was uns fast beide aus dem Sattel zerrte. Haarscharf hingen wir in der Kippe. Im entscheidenden Moment sprang dieser Duli auf die richtige Seite was Thana geschickt hinter mich beförderte. Scherzend, angeberisch meine ich. „Gut erzogen.“
Weniger Begeistert kam. „Kein Wunder wenn du Dongards persönlichen Duli klaust. Lass ihn uns schnell zurückbringen, und beten das der Kommandant ihn zwischenzeitlich nicht vermisst.“
„Bist du sicher? Für mich sehen diese Dulis alle gleich aus.“
Sie drückte mich fest um die Taille. „Paya solltest du dir merken. Dongard hängt an ihm wie einen geliebten Bruder. Gib endlich Feuer unter deinem Hintern oder Dongard wird uns beide persönlich rösten!“
Das brauchte sie nur einmal zu sagen. Lockerte die Zügel ein paar Zentimeter, schon preschte Paya los. Sobald er merkte dass es zurück zum Lager ging zickte er allerdings los. Bockte störrisch weil er einfach noch nicht zurück wollte. Dabei schien das doppelte Gewicht keinerlei Einfluss auf seinen übermütigen Bewegungsdrang zu haben. Sein Rücken war kräftig, seine Flanken empfindlich, vermutlich deshalb gehorchte er, denn Thana trieb ihn mit den Absätzen unerbittlich weiter. Dementsprechend nervig, nass geschwitzt trabte der trotzige Duli auf seine verhasste Box zu. Bevor wir die einengenden Wände erreichten, sprang Thana hinunter, wobei sie meinen Arm zur Sicherheit festhielt. Aufgebracht wirbelte der Duli seine Hinterhand herum, schleuderte sie mit einem groben Stups zur Seite. Rückwärts manövrierte ich diesen störrischen Paya gezwungener Massen. Vollbrachte selbst einen erstaunlichen Sprung auf den Boden. Flitzte an ihm vorbei und schlug mit den langen Zügeln gleich entschlossen auf die drohenden Beine, welche bewusst nach mir zielten. Erschrocken wich er darauf zurück. Das verschaffte mir genug Sekunden um ihn anzubinden. Von einer schweren Last befreit, griff ich Thana unter die Arme. „lass uns verschwinden bevor er sich erholt“, riet ich. Übereifrig nickte sie. Wie zwei enge Freundinnen spazierten wir langsam über den Platz. Dank meiner Stütze viel kaum auf das sie hinkte, aber ihr Gewicht lastete schwer auf meinen Schultern. Verspätet viel mir ein, „ich hätte dich gleich beim Eingang abladen sollen.“
„Besser nicht“, sagte sie gepresst. „So entgehen wir der direkten Gefahr das Dongard was merkt...“
Die ausgesprochene Bedrohung verlies gerade energisch den Höhleneingang. Von weitem entdeckte man die gereizte Spannung in seinem Körper. Thana zischte. „Benehmen wir uns normal. Komm, wir versuchen in die Küche abzuhauen.“
Verengte Augen gewahrten die neuerdings überraschende Ankunft des verlorenen Lieblings. Selbstverständlich fixierten uns misstrauische, violette Augen.
Diesmal kam mir kam ein glänzender Einfall. „He, Dongard, “ rief ich unnötig. Er hatte uns längstens verurteilt im Visier. „Thana hat mir gesagt das ist dein Reittier.“ Thanas Arm der bisher lässig auf meiner Schulter lag, winkelte sich bedrohlich um meinen Hals. Sie flüsterte gepresst zwischen den lächelnden Zähnen hindurch. „Bist du wahnsinnig.“
Weiterhin gut gelaunt, sogar mit leichtem Vorwurf in der Stimme fuhr ich weiter. „Ein schönes Tier, Dongard. Eine wirklich wertvolle Züchtung! Du solltest ihn besser anbinden sonst rennt er wieder hinter dem Lager herum...“ Mit fehlte die Luft. Thana erdrückte mich förmlich. Gespannt warteten wir auf Dongard entscheidende Reaktion. Dieser traute wohl mehr Thanas Ehrlichkeit. „ist das wahr?“
Ungeschickt verbarg sie ihre Verlegenheit. „Hinten, wirklich erst hinten habe ich ihn gesehen... und Safina hielt seine Zügel fest. Hat mir geholfen aufzusteigen. Denn ich bin in so ein blödes Loch der Prasane getrampt und mein Bein tut mir seither scheusslich weh.“
Inzwischen drehte uns Dongard unhöflich den Rücken zu. „Wartet hier“, bat er kurz. Eilte auf seinen geliebten Schützling zu. Zitternd meinte Thana. „Hoffen wir das Beste. Ich will auf keinen Fall in den Bunker. Dafür habe ich zuviel Platzangst. Alles, alles nur bitte das nicht.“ Stumm betend blickte sie in den Himmel hoch.
„keine Sorge, der ist eh schon mit Monat besetzt.“ Gegen meine optimistische Zuversicht fasste ich nach ihrer Hand. Diesmal brauchte ich Unterstützung. Flüsterte, „Ausserdem ist es meine Schuld. Das nehme ich auf mich, falls er uns die tragische Geschichte nicht abkauft.“
„Das tut er bereits keineswegs“, raunte sie angespannt. „Safina es gibt übrigen mindestens vier Bunkerzellen, hab ich die anderen erzählen hören.“
Gründlich untersuchte der Kommandant sein Reittier. Zu unserem Erstaunen hielt es brav still als er ihm über die Vorderbeine strich. Mit einem Ruck stand er auf. Warf einen Blick zurück. Brav wie Schäfchen lächelten wir zwei wie auf Kommando harmlos. Vermutlich bewirkte es genau das Gegenteil. Undurchdringbar lies Dongard uns nur wissen. „Heute sollte ich meine Tour im Gelände starten. Aber Paya schwitzt jetzt schon so dass ich gezwungen bin es auf morgen zu verschieben. Eines nimmt mich Wunder? Ihr seid beide auf ihm geritten?“
Unwohl bestätigten wir mit einem schüchternen Nicken. Rasch beeilte ich zu erwähnen. „War meine Idee. Und es war sozusagen ein Notfall wegen ihrem Bein.“ Legte Betonung in die letzten Worte damit er sich lieber mal darum kümmerte. Mit einem zucken im Mundwinkel, das wohl seine wahre Meinung verriet, was du nicht alles einsetzt um dich zu retten, sah er mich vieldeutig an. Winkte Thana zu sich hin. „Komm her.“
Unwohl löste sich Thana aus ihrer sicheren Klammerung. Humpelte zögern auf ihn zu. Was ihm endlich ein Mitfühlendes Gefühl auslöste. Bückte sich nieder. Hob vorsichtig ihr Hosenbein hoch. Darunter schimmerte es bereits in violetten, grünlichen Farben. Ohne sie weiter zu untersuchen, richtete er sich auf und hob sie kurzerhand in seine Arme. „Bringen wir dich erst einmal ins Quartier. Safina, dich will ich ungefähr einer halben Stunde im Büro sehen. Bis später.“
Wow. Damit kamen wir also ziemlich schadlos davon. Wobei ich mich ernsthaft fragte, worüber er gerade mit mir diskutieren wollte. Über seine Schulter rief mir Thana zu. „Geh in die Küche. Ktug weiss wie man die Blüten verarbeitet.“
Nachdenklich folgte ich ihrem Wunsch. Willkommen hiess ich die Kühle der Höhle. Entsprechend gemütlich schlenderte ich auf die Küche zu um vorher jede Sekunde zu geniessen. Drinnen in dem schweren Aromatischen Raum warf ich nachlässig den Stoffbeutel auf den halbleeren Küchentisch. Ktug rümpfte schon mal fleissig die Nase. „Was soll die schmutzige Tasche auf meinem Schneidetisch?“
„Thana riet mir die Kräuter dir zu bringen.“
„Kräuter“, kam es skeptisch aber mit steigendem Interesse. Mit einer hochgezogenen Braue spähte er in den offenen Spalt der Tasche. Eine gelbe Blüte klebte an seinem Finger. „Ahh“, rief er entzückt aus. Riss die Tasche vorsichtig an sich wie ein Schatz. „Ausgezeichnet. Endlich kann ich meinen Vorrat auffüllen.“ Spähte nach rechts und links, als gäbe es was zu verstecken. „Raus“, kommandierte er verwandelt. „Diese delikate Sauce ist nach einem alten Familienrezept hergestellt. Keine Zuschauer!“
Bevor er auf die Idee kam ein Messer zu ergreifen, flüchtete ich in mein Zimmer. Dunkelheit hüllte mich ein. Kühlte meine Glieder. Im Dunkeln selbst vernahm ich ein Rascheln. „Maximilian“, flüsterte ich erfreut.
„Komm her“, bat er in einem traurigen Ton.
Alles andere vergessen, eilte ich auf ihn zu. Selbst im Dunkeln fand ich ihn auf Anhieb. Einfach einem Gefühl folgend. Betrübt sass er auf der Bettkante. Ohne Worte nahm ich ihn einfach in den Arm. Spendete ihm Halt, verstand seine innere Zerrissenheit. Je länger wir zu einer Gemeinsamkeit verschmolzen, begriff ich seine wälzende Verwandlung. Ihn ihm startete ein neues, komplett verändertes Leben. In einer für ihn schier unbegreifliche drehende Zeit. Denn im langsam dahin vegetierenden Sumpf übernahm die gestreckte Zeit ein anderes Mass. Heute wie Morgen blieben praktisch gleich. Erst Monate veränderten das Klima, doch stetig hielt sich der zähe, vertraute Moorrast.
Auf eine Weise war Maximilian praktisch entwurzelt auf diesem festen Gelände wo jeder Tag, bereits Stunden reichten um ihn mit neuem zu Konfrontieren. Für jemand der bisher so zurückgezogen lebte, blieb er erstaunlich ruhig. Sogar beängstigend ruhig. In der Klinik reagierte ich auf zuviel Störung zum Teil sehr aggressiv. Jedenfalls gegenüber schwächere Mitbewohner. Bei den geschulten Pflegern wusste ich von vorhinein das ich nur meine Energie verschwendete.
Maximilians Stille beschäftigte mich. Besonders jetzt wo es so viel zu sagen, auszutauschen gab.
Wie einen letzten Rettungsring klammerte er sich an mich. Gerade jetzt quälte mich sein unausgesprochener Schmerz. „Maxim, Maxim“, hauchte ich in die Dunkelheit. „Wir müssen in deine Hütte zurück, oder wir werden beide lange darunter leiden. Es gibt so viele Dinge die wir voneinander verbindend lernen müssen. Ich versuchte mal Dongard zu überreden.“ Zupfte liebevoll an seinen flauschigen Ohren.
„Vergebliche Mühe. Auf eine Art verstehe ich seine unerträglichen Argumente. Vertraue seiner langjährigen Erfahrung. So sehr seine Entscheidung schmerzt, ich respektiere sie. Schliesslich dienen sie dem Schutz des Lagers. Auch deinem Schutz.“
„und was ist mit dir?“ Entfuhr es mir aufgebracht. „Wir gehören zusammen!“
Sanft versuchte er mir beizubringen. „Aber ich stelle mich nicht unter seine Führung. Seit ich Frei bin, sorge ich selbst für mein Leben. Höre auf mein Inneres Gewissen. Ich kann mich hier nicht in diese Mauern zwängen. Das...“
„Das verstehe ich“, küsste ihn damit er diese alte Geschichte nicht wieder aufrollte. „So, überlasse mir den Rest. Ich gebe nicht so schnell nach. Nach deiner Mission will ich eine gewisse Zeit im Sumpf reservieren. Ansonsten herrscht Krieg! Nach meiner bekannten Kostprobe wird er mich bestimmt kein weiteres Mal herausfordern.“
„Safina“, versuchte es Maxim mit Sanftmut. „Dongard ist Kommandant. Wir müssen seine Meinung respektieren. Genauso wie wir uns auf ihn verlassen wenn er uns beschützt. Sein eingesetztes Wort bedeutet Macht. Stell dir nur vor wo wir jetzt wären ohne seine Hilfe?
Schwach, nach dem entkommen der Jäger, hättest du es kaum geschafft alleine in dieser heisser Einöde zu überleben. Es gibt zu wenig Tiere in diesem trockenen Gebiet. Dongard hat dich geheilt, sogar in sein Lager aufgenommen obwohl es seine Pflicht war dich an die Jäger auszuliefern. Du bist in die Höhle des vorgewarnten Löwen gestolpert und er bietet dir eine Hand zum Aufstehen. Hast du schon vergessen dass gerade in diesem Lager geübt wird sein Land zu verteidigen. Verdächtige Leute wie dich aufzuspüren. Verräter , potenzielle Gefahren an den oberen Gerichtshof auszuliefern. Gerade wegen Dongards scharfem Verstand, seinem unangezweifelten Urteilsvermögen stehst du tief in seiner Schuld. Du wirst diese Ausbildung so schnell wie möglich durchziehen. Je nach Erfolg finden wir früher wieder zusammen. Das entspricht auch meinen Wünschen. Gemeinsam zu leben ohne das wir jemandem verpflichtet sind. Vollkommen frei. Bitte denk daran wenn du bei Kommandant Dongard bist. Halte seine Regeln ein.“
Nachdenklich sass ich auf seinem Knie. Legte meinen Kopf an seinen. Das gab eine neue Ansicht. „bis jetzt war mir nie bewusst wie umfangreich dieser Stützpunkt handelt. Bin ja erst in der ersten Woche und es dauert zwei Jahre. Zwei unendliche Jahre und ich kann habe nur einen Tag in der Woche frei für dich!“ Schwermütig dachte ich an die Zeit die vor uns lag. Maximilian tröstete, „Sie es von der guten Seite. Du kommst direkt aus der Anstalt. Diese zwei Jahre geben dir genügen Zeit alles zu verstehen. Danach merkt kein Mensch mehr dass du aus einem anderen Land stammst. Deine Sprache wird perfektioniert. Alles geht dir wie selbstverständlich von der Hand. Was würden wir schon gross erreichen wärst du die nächste Zeit mit mir zusammen? Vermutlich liegen wir die meiste Zeit im Bett.“ Darüber schmunzelten wir gemeinsam.
„Sehr wahrscheinlich. Dann versuche ich eben gnädig mit Dongard zu Verfahren.“
„Kommandant Dongard;“ belehrte er mich.
„Oh, Mann! Fängst du auch schon damit an, “ nervte es ich mich allmählich.
„du solltest ihn Respektieren.“ Meinte es Maxim nur gut.
„Das tue ich. Aber seine korrekte, steife Art geht mir manchmal gehörig auf den Keks. Also ich sollte meinen Termin, mit ihm, einhalten. Bis gleich. Schon gut ich nehme mich ja zusammen.“ Verteidigte ich mich rasch gegen seinen schiefen Blick. Trat zur Türe schlüpfte in den Gang hinaus.
Maximilians leise Worte begleiteten mich. „Armer Kommandant.“
Draussen im kühlen Gang verfolgte mich sein letzter Kommentar. Was gab ihm den Grund Dongard so in Schutz zu nehmen? Wusste er mehr als ich über den rätselvollen Kommandanten? Unwahrscheinlich. Bisher verbrachte ich mit Dongard mehr Zeit in den letzten Tagen als er. Was übersah ich da was Maximilian veranlasste sich so für ihn einzusetzen?
So in mich versunken spazierte ich automatisch aufs Büro los. Erst als die hölzerne Türe meine Sicht versperrte hielt ich inne. Dongards Anwesenheit spürte man sogar bis nach draussen. Sachte legte ich meine feuchte Handfläche auf das Holz. Entschloss mich anders. Mich meiner guten Manieren besinnend klopfte ich an. Wartete mit klopfendem Herz auf sein gedämpftes „Komm herein!“ Wahnsinn wie sehr mich dieser Kommandant Gedanklich beschäftigte.
Zögerlich betrat ich Dongards Reich. Wie erwartet sass er in seinem Stuhl hinter dem Schreibtisch. Sah von seinem Notizzettel hoch.
Gespannt schob ich die Tür hinter mir zu und wartete. Zum zweiten Mal in diesem entscheidenden Raum. Das erste Mal endete in einem Kampf. Wie ging ich wohl diesmal durch die Tür?
Offen beobachtete er mich eine Weile. Da ich nicht von selber auf ihn zutrat deutete er auf den Stuhl vor sich. Beklommen folgte ich dem Hinweis. Setzte mich. Hier war irgendwie alles anders. Alleine mit ihm ohne seine anderen Schüler.
Seine treffenden Worte schreckten mich auf. „Du fühlst dich unwohl. Ein schlechtes Gewissen?“ Setzte sich bequem im Stuhl zurück. Legte die Fingerspitzen beider Hände aneinander und studierte mein Gesicht.
„pah, so ein Unsinn.“
„Dann verrate mir mal deine vertieften Gedanken von vorhin“, wollte er scharfsinnig wissen.
Herausgefordert erwiderte ich seinen forschen Blick. Sein hübsches Gesicht mit den dunklen, anziehenden Augen. Mich plagte der Gedanke was hinter seiner glatten Stirn ablief. „Ich fragte mich was du mit Maximilian angestellt hast? Er verkriecht sich in meinem dunklen Quartier. Verteidigt dich aber sobald ich ihn darauf anspreche, was zwischen euch vorgefallen ist. Beeinflusst du ihn auf eine Weise mit deinen speziellen Melf Fähigkeiten!“ legte ich meine schlimmsten Befürchtungen offen. Dongards Augen verengten sich. „Denkst du wirklich so übel von mir? Wir Melfen dürfen keinen Bann auferlegen oder Flüche aussprechen es sei denn unser persönliches Leben ist bedroht. Selbst dann wünschen wir oftmals gutes damit kein befleckter Bumerang auf uns zurück schlägt. In dieser Hinsicht stellst du völlig überflüssige Spekulation an. Dein Freund und ich hatten verschiedene Ansichten über die Zukunft. Aber wir haben uns am Schluss geeinigt. Also, was beschäftigt dich noch?“
Geduldig sah er mich prüfend an. Nun wirkte ich leicht verstört. „Ich dachte ich bin hier weil du mit mir reden wolltest“, stellte ich gleich klar.
„Das ist wahr. Es gibt für den Anfang viele Dinge die mich beschäftigen, genauso wie ich dir ansehen das da unausgesprochene Fragen sind. Heraus damit!“
Völlig überfahren bleib mein Hirn wie leer gefegt. Gedanken verfolgten mich nur über Maximilian. Was wollte Dongard genau? Persönliche Sachen hatte ich nicht vor ihm zu offenbaren.
„Safina, dann fang ich an“, tat er den ersten Schritt. „Beim Überfall gestern.. Kompliment wie einfach du den fremden Melf abgeschüttelt hast. Du hast eine seltene Gabe die dich von gewöhnlichen Menschen unterscheidet. Aus diesem Grund will ich dass du deine Ausbildung bei mir vollendest. Ich hoffe du hast nichts dagegen einzuwenden?“
„Ansonsten wird es ein mühseliges Jahr für dich“, vollendete ich seinen Verdacht. „Mir gefällt Maximilians kurze Besucherzeit nicht. Warum verschiebst du meinen Kurs nicht an den nächsten Anfang?“
Gefährlich funkelten seine Augen. „Dass du dich um einen anderen Ausweg bemühst habe ich erwartet. Von allen Lagern sind wir das beständigste, wegen unserer Unabhängigkeit und weil ich mich nicht in die Politik einmische. Doch eine Garantie findest du nirgends. Wir gehen unruhigen Zeiten entgegen. Unser derzeitiger König sitzt auf einem festen Thron aber das Unkraut um ihn beginnt um ihn zu wuchern. Es gibt ein paar Leute die unscheinbar in seine Nähe gelangten. Nicht bedrohlich, aber sie sind da wie lästige Läuse im Pelz. In zwei Jahren kann eine Entmachtung eine Komplette Umstrukturierung mein Lager treffen. Was dann eintrifft.“ Er hob kurz die Schultern. „Darum ziehe ich es vor dich in ruhigen Zeiten auszubilden. Das jetzige Programm passt hervorragend zu deinen Eigenschaften... warum lachst du?“
Er spielte den erfahrenen Lehrmeister der alles bestens durchdachte. „Was ist wenn ich deine Fähigkeiten anzweifle? Wie war das Gestern? Eine schlichte Handbewegung und du liegst am Boden, “ freute ich mich ihn zu konfrontieren.
„Das ist unverschämt!“ Nahm entschlossen den Kampf auf. „Bei diesem unbekannten Melf handelt es sich um einen reinblütigen Melfen. Deren Macht übersteigt die meine nun mal um das doppelte. Dagegen bin ich selbst bei einer höheren Ausbildung machtlos.“
„Aha“, zweifelte ich stark. „Als ich ihn fragte ob er ein Halbmelf sei, hat er nicht widersprochen. Wenn du mich fragst, wäre ein echter Melf garantiert beleidigt gewesen und hätte das dementiert. Daher glaube ich kaum an deine Version. Wenn wir schon dabei sind, dieser Melf in der königlichen Stadt, hat er nicht auch darauf bestanden das du diese höhere Ausbildung endlich vollziehst? Ist es nicht langsam offensichtlich dass du ein ernstzunehmendes Problem hast? Womit begründest du deine Verzögerung?“ Dabei sah ich unschuldig, fraulich an. Vorüber gehend formten seine feinen Finger eine geballte Faust.
„Das hast du dir wieder gemerkt!“ Störte es ihn sichtlich. „Erst einmal ist zu betonen dass diese spezielle Schule nur für Echtmelfen gewidmet ist. Da ich bedeutende Vorfahren besitze und das dementsprechende Talent, öffnet mir ausnahmsweise diesen Weg. Weil ich aber wie Maximilian weiss was ich bin, nämlich nur ein Halbmelf, suche ich gewissermassen Abstand. Ich bin, mit meinem Job hier, absolut glücklich und riskiere keine Auszeit. Auf keinen Fall strebe ich nach einer weiteren Beförderung.“ Fügte widerwillig hinzu, „ich will nicht in die Stadt ziehen!“
Diesmal wartete ich bis sich seine gebauschten Wogen glätteten. Wenn ich Dongard ansah bemerkte ich die verblüffende Ähnlichkeit zu... „Seht ihr von der ersten Melfengeneration alle fast gleich aus?“
„Selbstverständlich nicht. Wir sind gänzlich verschieden. Alleine von Knochenaufbau, Grösse und Augenfarbe gibt es entscheidende Differenzen. Wie kommst du ausgerechnet darauf?“
„Weil der gestrige Melf dir sehr gleicht. Gibt es kein schwarzes, ausgestossenes Schaf in deiner Familie?“
Diesmal wanderten Dongard Augen suchend über den Schreibtisch. Ziemlich sicher suchte er nach etwas geeignetem um es mir anzuwerfen. Fand zum Glück ausser wertvollem Papier nichts. „Nein“, verteidigte er seine Familienehre energisch. „Auch wenn das sehr gut erklären würde warum dieser entgleiste Melf mich so einfach matt setzte. Tatsache, ausser mir gibt es keine weiteren Halbmelfen in der Familie.“ „und weniger Echte“, wagte ich nur mit gesenkten Augen auf die Finger zu fragen. Verblüfft versagte selbst Dongard die Stimme für einen Moment.
„Du bist ziemlich direkt! Nein ich weiss hundert Prozent dass ich keine Halbbrüder habe.“
Ich dachte dabei an was anderes. „Darf ich direkter werden“, probierte ich es zuerst behutsam vorwarnend. Wenn man bedachte wie gerne viele Frauen von Dongard schwärmten und eine Nacht mit ihm verbringen wollten... gab es weitaus eine andere unerwartete Möglichkeit.
Dongard blinzelte. Beugte sich wappnend vor. Spielte den unerschütterlichen obwohl er was ahnte. Forderte, „frag schon!“
„Kinder. Eigene Kinder.“ Sagte ich hastig, weil es mir peinlich war.
Dongard fasste sich an der eigenen Nase. Lachte gluckend los. „verzeihe mir. Das ist...
Okay, “ versuchte ernst zu werden, lachte aber weiterhin über die Augen. „Dafür liebe ich dich. Darum will ich dich auch dass du unter mir lernst. Deine unverblümte Art bringt mich einfach zum lachen. Deine Unwissenheit über Melfen kann ich verstehen da du von einem anderen... anderen Zeit kommst. Also Kinder zu zeugen ist besonders für uns Melfen eine wichtige Angelegenheit. Das vollziehen wir nur wenn wir die wahrhaftige Liebe gefunden haben. Mit einer Vereinigung besiegeln wir den Bund. Bei mir sind Kinder unmöglich weil ich vorsichtshalber darauf bestehe das die Frauen, allesamt im Lager, geimpft sind. Eine unerwünschte Schwangerschaft, welche eine Unterbrechung der Lehrzeit nachzieht, gab es noch nie in meinem Regiment. “
Mein unbegreifliches Gesicht zwang ihn zu einer genaueren Erklärung.
„Du weist ja wie es in manchen Nächten bei uns hergeht. Aus diesem Grund wird jedes weibliche Mitglied bei Antritt meiner Schule geimpft. Jedes halbes Jahr wird das Ritual erneuert. Also ist vollkommen ausgeschlossen das ich oder andere an, diesem Ort hier, Nachkommen zeugten. Besonders da N`toki täglich unter meiner Aufsicht steht. Es hätte niemand was verbergen können.“
„Keine Ausnahmen mit dem Impfen“, dabei sprach ich nämlich besonders meine vermissende Prozedur an.
„Du!“ Natürlich witterte er meine Anklage. Er reichte aus das er den Arm nach mir ausstreckte schon wich ich im Stuhl zurück. „siehst du! Eindeutig sichtbar das dies bei dir nie nötig ist, war. Jedenfalls bevor ich dich und Maximilian zusammen sah. Und jetzt... hast du überhaupt darüber nachgedacht das du mit ihm nie Kinder haben wirst?“
„Warum über eine Feststehende Tatsache Nachdenken? Mir reicht es vollkommen Maximilian an meiner Seite zu wissen. Das ist das wichtigste für mich. Dein bedauernder Ausdruck ist bei mir verschwendet. Willst du Kinder?“ Nachdenklich nahm ich ihn genauer unter die Lupe. Dabei dachte ich laut. „Wie alt bist du eigentlich?“
Erneut zuckten seine Schultern verräterisch. Er unterdrückte wieder sein Lachen. „Safina deine Stimme klang eben so, als ob ich mich damit beeilen sollte. Im Vergleich zu den einfachen Menschen steht mir als Halbmelf, mehrere Jahrzehnte, länger zur Verfügung. Ich bin Fünfundvierzig Jahre alt.“ Absichtlich legte er eine Pause ein um meine Verblüffung zu geniessen. „Bis ich ungefähr hundert Jahre bin, kann ich mir leisten über Kinder nachzudenken. Schliesslich kann ich erwarten dass ich problemlos Hundertundfünfzig Jahre alt werde. Da liegt so ungefähr der Durchschnitt für Halbelfen.
Safina bekommst du deinen Kiefer wieder nach oben?“ Seine Überlegenheit war berechtigt! Zwar schloss ich überwältigt den Mund, fand aber keine Worte. Dongard und über vierzig! Das brachte ich nicht auf die Reihe. Vom Aussehen her schätzte ich ihn kaum auf fünfundzwanzig. Sein entschlossenes Handeln, seine erfahrenen Augen und reden liessen mich höchstens auf die Fünfunddreissig schätzen. Fünfundvierzig überstieg mein Fassungsvermögen. In herablassenden Ton fragte er übertrieben süss. „Wie alt bist du?“ Fehlte nur das er es mit- mein liebes Kind- ergänzte.
Geschlagen brummte ich, „Zwanzig. Kann bis Vierzig über Kinder nachdenken und werde im Durchschnitt Neunzig Jahre alt.“
„schön“, kam es mit samtener Stimme. „Das werde ich mir merken, falls ich einmal ein Kind von dir will.“
Ungewollt sackte mein Kiffer erneut empört nach unten. Diesmal lachte er ungehemmt. Beschuldigte mich neckisch, „Du hast damit angefangen.“ Erst nach einer Minute fasste er sich wieder. Holte sich ein exakt gefaltetes Taschentuch aus der Schublade um sich die tränenfeuchten Augen abzuwischen. „Das ist mir schon lange nicht mehr passiert. Mal im ernst. Zuerst suche ich mir eine Frau die sich gleich Verhält wie Du zu Maximilian. Eine treue, warmherzige Gefährtin die mich auch zum Lachen bringt. Erst danach Plane ich Kinder ein. Deine enge Loyalität zu deinem Freund schätze ich sehr. Du bist vollkommen verändert. Anschmiegsam, liebevoll und die Schreckhaftigkeit verschwindet in seiner Nähe.“ Verträumt sah mich Kommandant Dongard bei dieser schmeichelhaften Aufzählung an. Gleichzeitig zeigte er mir seine Barmherzige, sentimentale Seite. Allerdings zerstörte er die aufkommende Bewunderung kaum raunte er scherzhaft, verschwörerisch mir zu. „Solltest du je daran denken Maximilian zu verlassen... Kommst du zu mir?“ flirtete verführerisch die letzten Worte.
Entrüstet verzog ich mein Gesicht schief. Rückte mit dem Stuhl Sicherheitshalber einen halben Meter zurück.
Er rief sofort. „komm wieder zurück. Du hast ja keine Ahnung wie angenehm eine Verbindung zu einem aufmerksamen Melf sein kann.“ Dabei fasste er mich gründlicher ins Auge, als ob ihm tatsächlich eine Verbindung vorschwebte. Gleichzeitig schüttelten wir miteinander, unabgesprochen den Kopf. Diesmal reizte es mich selber zum lachen. „zum Glück ist mein Freund bei dieser Besprechung nicht dabei. Sonst brächtest du ihn kaum mehr von meiner Seite weg.“
„wir wissen beide dass diese Sache eben ein harmloses Spiel war. Aber dennoch geniesse ich diese unbescherten Albernheiten. So gelacht habe ich schon lange nicht mehr. Safina,“ er sprang vom Stuhl hoch dass ich wieder zusammenzuckte. Ehe ich mich versah stand er vor mir. „Steh auf“, forderte er mich heraus. Unsicher stellte ich mich auf die Beine. Bevor mein Gehirn reagierte umarmte er mich herzlich. Küsste mich auf die Stirn. Gestand heiter. „Jetzt verstehe ich Maximilian vollkommen wenn er dich einen unbezahlten Schatz nennt.“ Bevor ich misstrauisch wurde räumte er freiwillig Abstand ein. Lehnte sich rückwärts an den Bürotisch.
„So und jetzt zum Schluss möchte ich ganz gerne erfahren wie du ohne Hilfe auf Payas Rücken gelangt bist?“
Mein Humor verflüchtigte sich schlagartig. Aufpassend begegnete ich weiterhin seinem freundlichen Ausdruck. „Es ist alles gesagt“, weigerte ich mich zu sprechen. Ohne Anzeichen böse zu werden, stürzte er die Arme Seitlich am Schreibtisch ab. „wirklich“, zweifelte er berechtig. „Nehmen wir mal an, dass ich keinerlei nachfolgende Strafen auferlege. Verändert sich dann deinen Version ein bisschen?“
Genauso vorsichtig wagte ich mich vor, „schon möglich.“ Spielte die Gleichgültige. Ernst verschränkte er die Arme vor der Brust. Musterte mich gründlich. Lockerte sich wieder. „Du hast mein Wort das ein Geständnis, in diese Sache zumindest, keine Strafe mit sich zieht. Reicht dir diese Klarheit? Mich nimmt einfach Wunder wie es Möglich war Payas Barriere zu überlisten. Normaler Weise lässt er keinen ausser mir auf seinen Rücken. Verrate mit bitte das Geheimnis.“
Mal gut überlegen. Ausser Paya zu entführen, was tat ich da... „Hast du dich heute am Trog vorne gewaschen?“
Darauf reagierte Dongard mit einem kurzen Schnuppern. „nach was rieche ich denn?“ Fragte er empfindlich mit leicht gekränktem Stolz.
„nach gar nichts“, beschwichtigte ich. „Darum geht es eben. Als ich verschwitzt das Lager erreichte habe ich mich vorher gewaschen. Da lag ein schon benutztes Tuch neben dem Trog. Damit habe ich mich abgetrocknet. Es gibt gewisse Tiere die haben einen Ausgeprägten Geruchsinn. Angenommen das Tuch roch nach dir, kann es schon möglich sein das ich Paya täuschte.“
„na klar“, dämmerte es Dongard. „Dann hast du ihn also bewusst entwendet!“
„Sagen wir so. Hättest du ihn sicherer Angebunden wäre es mir nicht möglich gewesen ihn so leicht zu entführen. Hat ihn auch keiner Bewacht! Das nennst du einen Alarm Drei. Wo man unbemerkt in dein Lager Spaziert, sich abkühlt und neben bei ein kostbares Tier als Geschenk erhält? Wo sind da deine Sicherheitsvorkehrungen?“
Ungern gab er mir Recht. „Diesmal lass ich deine vernünftige Ausrede durchgehen. Nächstes Mal, wenn es ich wieder juckt Paya auch nur anzufassen, werde ich dich mit bleibender Erinnerung bestrafen. Vergiss das bitte nicht. Paya ist mein zukünftiger Zuchthengst, also verschone ihn mit deinen Streichen. Ich glaube nun haben wir einige Missverständnisse aufgeklärt.
Sind alle Zweifel ausgeräumt, hinsichtlich deiner Lehre?“
Ehrlich gestand ich. „Glücklich bin ich nicht darüber. Ich möchte gerne mit Maximilian vorher eine Zeitlang zusammen sein, “ bettelte ich mit sanften Rehaugen.
„uh“, Dongard fasste sich spielerisch ans Herz. „Das tut weh. Dann hole ich dich mal rasch in die brutale Realität. Fall mir einfach ins Wort bei einer anderen Meinung.
Ihr seid beide Flüchtlinge?“ Brav stimmte ich ihm zu.
„Eure Verfolgung bleibt weiter bestehen wenn ihr euch da draussen zeigt.“ Wieder wartete er auf meine Bestätigung.
„Dann meine liebe Safina, denke daran das wir in unserer Welt Seher haben die dich überall finden. Kehrst du in deinen Sumpf zurück mit dem Wissen, mit dem was du jetzt Darstellst, haben sie dich vor Jahresende. Beauftragt man diese Seher zwei Flüchtlinge zu finden welche den Frieden des Reiches gefährden, dann hast du keine Chance.“ Er hielt mein entmutigendes Kinn hoch. Sah mir traurig in die Augen. „Das ist eine brutale Tatsache.“ „Welche Chance habe ich dann bei Dir? Dich hat ein Melf ohne widerstand zu Boden geschickt?“
„Bei mir“, hauchte er zuversichtlich. „Hast du die Möglichkeit mit diesem Reich zu verschmelzen. Diese Seher finden immer was sie suchen. Lernst du hier dich wie alle anderen anzupassen finden sie keinen potentiellen Feind. Sie wittern nämlich die Angst, Furcht, Verzagtheit eines Gejagten. Alles führt zu einem unwiderruflichen Fehler den sie aufspüren. Bist du dagegen ein Teil von uns. Bist du ein Fisch unter Fischen. Dann sehen sie nur den vorbei ziehenden Schwarm der im gemeinsamen takt schwimmt. Das einzelne verliert an Bedeutung.“
Ich nahm Dongards Hand von meinem Kinn weg. „Ich verstehe“, sagte ich mich dem Schicksal fügend. „meine Sicherheit ist gewährleistet, aber Maxims?“
Tröstend meinte Dongard. „Er schlüpft in die Rolle eines Bewahrers. Bisher hat es ganz gut geklappt. Alleine fällt er weniger auf, die meisten Bewahrer sind Junggesellen oder Witwer. Auf jeden Fall, wegen ihrem anstrengen Reisen, bevorzugte Einzelgänger. Zwei Jahre verstreichen. Die Wogen glätten sich. Man wird euch längst vergessen haben. Ihr besitzt dann etwas was euch keiner mehr nehmen kann. Erfolg, Selbstvertrauen, Sicherheit und vor allen euch selbst.“
„Uns selbst“, flüsterte ich hoffnungsvoll. „vielleicht hat Maximilian Recht. Deine Entscheidungen mögen für uns bitter sein aber sie gewährleisten unsere Sicherheit. Danke.“ Dabei blickte ich flüchtig zu seinen warmen Augen hoch. Blieb ungewollt in ihnen versunken. Sie zogen mich förmlich hinein. Bittend, sehnsuchtsvoll, als existierte eine alte, vertraute Verbindung zwischen uns.
Es durchzuckte mich ein Gedanke. Dongard, wer bist du? Mir welchem Recht siehst du mich so an?
„Geh“, sagte er nur milde, „Ich glaub Maximilian wartet. Meldet man mir zwei, drei Tage keine besonderen Vorfälle da draussen. Überlasse ich euch einige kostbaren Tage. Geniesse sie. Sei glücklich!“ Beschäftigt senkte er den Blick. Sammelte ein paar Blätter auf dem Schreibtisch zusammen. Ausweichend.
Während ich kaum meinem Glück traute. Was war mit Dongard los? Er mit seiner spürbar inneren Einsamkeit tat mir leid.
„Safina, verschwinde!“ ermahnte er neckisch.
Fröhlich gab ich zurück. „Du solltest nicht so viel hier eingeschlossen arbeiten. Das ausbleibende Sonnenlicht hält zwar das Gesicht Jung. Aber hier drin, “ ich deutete auf sein Herz. „Da fehlt es dir meistens an Wärme. Jedenfalls bist du selten so gütig wie gerade jetzt eben. Danke!“ Flitzte hinaus bevor er etwas erwiderte. Meine direkte Art verblüffte ihn erneut.
Alleine, starrte er lange tatenlos auf das leere Blatt vor sich. „Was mir fehlt, Safina, ist eine andere Art Sonne. Am liebsten so eine unerschöpfliches Energiequelle wie du es bist, “ flüsterte er abwesend.
Am nächsten Tag.
Hastig rannte Ascha,in Panik versetzt los. Vergas dabei vernünftig die Strecke, bis zum schützten Lager, einzuteilen. Gedankenverloren stiess sie mehrmals schmerzhaft, mit den dünnen Lederschuhen, an einen Stein an. Sie verdrängte den Schmerz in ihrem grossen Zeh, denn da draussen lag etwas Grösseres auf dem Boden. In weiter Entfernung, kaum sichtbar. Ihre Augen reichten nicht aus um es zu erkennen, aber dieser dunkle Fleck zog immer mehr graue Assvögel an. Erst der krächzende Schrei eines dieser hässlichen Riesenvogels, machte sie darauf Aufmerksam das etwas dreihundert Meter von ihrem Posten entfernt ein sterbender Körper da lag, wo er überhaupt nicht hingehörte. Vor lauter Angst wagte sie gar nicht erst nachzusehen um was es sich dabei handelte. Zu unheimlich die dürren Bäume und das wuchernde Gestrüpp. Vieles versteckte sich da gut und ausserdem war ihr niemals möglich unbemerkt bis zu dem gestorbenen Kadaver zu gelangen, falls er überhaupt Tod war. Ein wundes Tier das verletzt war konnte sehr gefährlich werden. Ihr war lieber wenn N`toki oder Dongard die potenzielle Gefahrenquelle untersuchte. Schliesslich wusste sie dass sie manchmal ungeschickt war. Da draussen, mit einem eventuellen Jäger der nichts zu verlieren hatte, war sie im Kampf hoffnungslos unterlegen.
Es war bereits Nachmittag. Dieses unbekannte Objekt hatte ausgerechnet ihre knappe Mittagszeit ausgenutzt um dort unangenehm aufzufallen. Bitter biss sich Ascha nervös auf die Unterlippe. Alarm Drei war sowieso besorgniserregend. Jedenfalls nun in der Realität. Kein unbeschwerter Probealarm bei dem man sich schon mal einen Patzer leisten durfte. Da draussen lag ein fleischlicher Körper und es machte ihr Angst. Überall glaubte sie Feinde lauern. Viel zu spät bemerkte sie den ungewöhnlichen Vorfall. Die Zeit hätte gereicht sie mehrmals zu überfallen.
In ihrer Eile stiess sie sich erneut ihre Fussspitze an einer Steinstufe an. Schrie auf und rannte, mit Tränen von Schmerz und Atemnot von der Panik, weiter.
Keuchend stolperte sie kurze Zeit später, in ihrer bisherigen absoluten Rekordzeit, in die kühle Höhle. Spürte erst hier richtig das erhitzte Gesicht. „Dongard“, japste sie vergebens. Zu weit der Abstand zu seinem Büro. Sie nahm sich zusammen. Stützte sich an den rauen Wänden ab. Stiess mit neuem Anlauf weiter in die kühlen Zimmer vor. Bevor sie die Bürotür erreichte, öffnete sich diese von selbst. Dongards innere Unruhe drängte Nachzusehen ob alles in Ordnung sei. So überraschte ihn kaum als eine ausgepumpte Ascha, in seinen Vorraum stolperte. „Dongard“, hauchte sie atemlos, weinerlich. Am Ende ihrer Weisheit und doch unendlich erleichtert in Sicherheit zu sein. Ihre Zittrigen Knie gaben nach. Kurzerhand griff Dongard ihr unter die Arme. Dirigierte sie auf nächste Möbelstück zu. Hob sie auf, dass sie verstört sich auf dem Schreibtisch sitzend wieder fand. Nahm ihr abgerundetes, weiches Kinn in die Hand und sah sie tiefgründig an. „Schön langsam in Ruhe. Hole mal tief Luft und erzähle in wenigen Worten das Wichtigste zusammengefasst. Was hast du gesehen?“
„Das“, sie schnaufte, „hab ich eben nicht erkennen können. Aasgeier kreisen dicht über dem Boden. Das machte mir Angst...“ Betrübt sah sie ihn um Verzeihung an.
„Keine Sorge. Vermutlich ein verwundetes Kaninchen oder ein alterschwacher Parasan dem die Flucht misslang. Anscheinend dringt diese Plage bis zu uns. Ich werde nachsehen. Ruhe dich solange im Quartier aus.“
Ascha zitterte förmlich vor Furcht. Also fügte Dongard hinzu. „Geh besser in die Küche, dort hast du Gesellschaft und es ist warm. So erkältest du dich nicht.“
Mit seiner stetigen Ruhe brach er auf. Liess seinen Jacke zuhause sollte Aschas entdeckter Fund unerwartet doch bedeutend genug sein, ihn rennen zu lassen. Was er kaum befürchtete. Bei den Ställen traf er seinen Stellvertreter, der auch gerade eine Auszeit im Schatten nahm. Bei der Sommerlichen Hitze verzieh er ihm die längeren Pausen. Um Dulis zu longieren brauchte man schliesslich volle Konzentration. Daher winkte er ihn zu sich. „kannst du mir beim suchen helfen. Ascha hat ein paar dieser Aasgeier gesehen. Könnte ein grösseres Tier sein dass, sollte es noch leben, vielleicht unseren Speiseplan willkommen auffrischt.“
„Täusch dich da ja nicht. Nachdem was ich heute Morgen von ihr gehört habe, scheint Ascha mutiger als angenommen. Oder schlichtweg dreist.“
„Das ist ein anderes Thema“, wehrte Dongard ab. „also wie wäre es mit einer kleiner Prüfung?“
Verwunderte ruckte Dereks Kopf herum. „Wie meinst du das.“
Der Kommandant schmunzelte. „Wer als erster den Fundort sichert, dem steht ein freier Tag zu, während dem letzten der ausgefallene Dienst zusteht.“
„Du übernimmst meinen Dienst, falls ich gewinne“, wunderte dich Derek. Worauf Dongard versicherte. „Bei deinem Ausbildungsgrad hast du eine faire Chance, jedenfalls wenn ich meine Melfische auf der Seite lassen. Übernimmst nord oder Ost?“
Kurz überlegend, „Wenn du mir schon die Wahl gibst, den nördlichen Teil, “ rannte lachend los. Wenig Begeistert sah Dongard Seinem verschwindenden Stellvertreter nach. Ihm stand ein keiner Umweg zu. Weniger Anstrengend, aber ein bedeutend weiterer Weg die gerundete Hügelkette zu umgehen. Derek hatte gut gewählt. Wertvolle Zeit lief ihm davon, er startete.
Bevor er mit seinen scharfen Augen den Kadaver sah, nahm seine feine Nase den verstärkten frischen Schweissgeruch wahr. Ein Geruch den er bereits kannte. Zufrieden lobte Dongard, im Stillen, seinen eifrigen Stellvertreter. Teilte mit den Händen behutsam das wirre, dürre Gestrüpp. Bahnte sich möglich lautlos einen Weg zum Opfer hin. Der Tod traf irgendwann in den frühen Morgenstunden ein. In dem abgelegenen Teil brauchte es Zeit bis die seltenen Aasvögel so eine Beute entdeckten. Um Dongard karge Steinhalde gab es nur wenige, kleine Säugetiere die diesen extremen Lebensraum schätzten. Gerade wegen diesem abgelegenem, dünn besiedeltem Landstrich bevorzugte es Dongard hier ungestört seine Tierzucht zu vervollkommnen. Genau aus diesem Grund bekam er, nach erfolgreichen Ergebnissen, den geheimnisvollen Nachbarn der sein Sperrgebiet genau markierte. Aufmerksame Melfenaugen realisierten ein kürzeres, dunkles Haar an einer ausgetrockneten Blütenknospe. Ein menschliches Haar das nicht von Derek stammte. Genauer betrachtete Dongard sein Umfeld. Hier wucherten in der feuchteren Jahreszeit ungehemmt Büsche bis zu anderthalb Meter hoch. Vereinzelt ein paar zähe, anspruchslose Palmen, die sich immer mehr ausbreiteten. Ausser ein paar gelbe, ungeniessbare Früchte, spendeten sie am meisten Schatten. Ein vernünftiger Mensch wäre dem Bach gefolgt. So spärlich die Wasserquelle floss, sie versprach Leben, besonders für das begleitende Tier. Und ohne ein Reit- oder Packtier wagte sich niemand auf so eine weite Reise in dieses trockene Tal. Mit wachsender Sorge schritt Dongard aus.
Angespannt kauerte Derek neben dem Kopf des toten Pferdes. Hektisch flogen kleine Fliegen in die trüben Augen, offenen, ausgetrocknetem Maul und staubigen Nüstern hinein. Ein ständiges Summen so dass er das leise Rascheln hinter sich überhörte. Jedoch schreckte ihn, die Energiewelle des eingetroffenen Halbmelfen, aus den verworrenen Gedankenpfaden hoch. Wie selbstverständlich gewahrte er Dongard hinter sich. Beide überraschte der Anblick des ungewöhnlich, kleinen Pferdes. Stabiles, einfaches Ledergeschirr verriet dass ein Reiter dazu gehörte. Beide Steigbügel sichtbar, das hiess jemand rettete sein Bein bevor das Tier unter ihm zusammen brach. Das kleine robuste Tier war also nicht alleine unterwegs gewesen.
Derek der um die Sparsamkeit seines Kommandanten wusste, streifte das kostbare Ledergeschirr über den kleinen, groben Kopf des Pferdes. Stand auf. Seine Finger rieben über das gebrauchte, gut erhaltene Zaumzeug. Dongard schwieg bedeutungsvoll. Sein schrecklicher Verdacht verschlimmerte sie weitaus, bei dieser seltenen, bekannten Pferderasse. Er schwitzte obwohl ihm sonst der Sommer kaum was ausmachte.
Derek wagte sie Stille zu unterbrechen. Ein bedeutsames , gefürchtetes Wort, „Muro.“
Bedrückt senkte Dongard den Kopf als würde er inbrünstig beten. Als er Derek wieder ansah, presste er seine Lippen schmal zusammen. „Es ist geschehen. Wir können es nicht mehr ändern. Ab jetzt heisst es geschickt handeln und Schadensbegrenzung gering halten.“ Sagte er mehr zu sich selbst.
Derek bezeugte dass er auf seiner Seite stand. „Vor allem schnell müssen wir sein wenn wir unseren eigenen Ruf retten wollen.“ Er deutete aufs hintere Lager.
Bereits schaltete Dongard weiter. „Safina, Maximilian. Ich werde sie suchen. Du informierst unauffällig meine wichtigsten Leute wie bei einem stillen Alarm. Wenn dieser verrückte Murokrieger unser Lager antrifft will ich es einen normalen, unauffälligen Zustand vorfinden. Genauso wie damals bei Beginn von Safinas Ankunft. Falls du meine Sorgenkinder vor mir antriffst, schicke sie zu den Dulis. Sie sollen zwei nehmen, mit Proviant. Lass keinen meiner Schüler in ihre Nähe. Es soll später glaubwürdig wirken wenn wir angeben das zwei Reittiere gestohlen wurden. Kann nämlich sein das dieser Muro uns bereits heimlich beobachtet. Warum sonst hat er sich bisher nicht öffentlich bei uns vorgestellt?“
„Jedenfalls hat er die beiden Turteltauben noch nicht entdeckt sonst hätte das bestimmt einer gemerkt. Safina kann sich bemerkenswert wehren und Maximilian scheint mir auch alles andere als harmlos. Deine Gabe?“
Ungern gab Dongard zu. „Bekannte Leute kann ich leicht auffinden. Für schwierige Sachen fehlt mir der Ausbildung über...Safina?“ entsetzt keuchte Dongard auf. Besorgt wartete Derek gespannt.
„Sie...,“ Dongard fasste sich an die Stirn. „Einen Moment lang spürte ich ihren verzweifelten Ruf. Sie ist, sie sind...“ er deutete Fassungslos mit der Hand weiter nach Norden. „Auf der rechten Seite vom Sperrgebiet. Ich verstehe das nicht. Die Spur des Muros führt in unser Lager. Unmöglich so schnell...“
„Was wenn er zufällig weiter denkt!“ Bedachte Derek. „mit seinem unverschämten Glück hat er es bisher geschafft. Es gibt ein wichtiges Ziel zu bedenken. Die Maschine, die aus einem unbekannten Land hergestellt wurde, mit einer unbekannten Technik ausgerüstet. Diese Maschine steht auf dem heiligen Berg von Mischlin und es führen praktisch nur zwei Wege dorthin. Recht oder links um das Sperrgebiet... Dongard was hast du vor?“ Rief er dem davon eilenden nach.
„Mit einem unseren Drachen, bin ich schneller;“ rief dieser zurück. Beeindruckt verfolgten Dereks Augen die leichtfüssige Geschwindigkeit. Selten bekam er diese übermenschliche Seite zu Gesicht. Nacheilen hatte keinen Sinn. Ihm blieb nur zu Hoffen das Dongard das schlimmste verhinderte. Obwohl ihm seine gebrochene Nase gelegentlich wehtat, wünschte er das Safina auf jeden Fall am Leben blieb. In ihm bohrten keinerlei Rachegefühle, aber in einem unbeobachteten Moment hätte er ihr trotzdem gerne, den üblen Überfall, zurück bezahlt. Natürlich auf mildere Weise!
Unbeschwert spazierten ich und Maxim, kurz vor dem Mittag, zwischen den schattigen Tannen umher. Nach dem morgendlichen Erkundungsgang fand ich diesen Platz angenehmer zu verweilen. Wärmer als die kalte Höhle und doch blieb man verschont von der mörderischen Hitze. Ausserdem brauchte mein Freund die weite, offene Natur. Gemütlich wanderten wir einen steilen höheren Hügel hinauf. Nahmen es gelassen, dass der Weg uns weiter als geplant von Lager entfernte. Grosszügigerweise gönnte uns Dongard ein paar letzte gemeinsame Tage. Drei Tage die uns allein gehörten. Sogar die jungen Hunde blieben im Lager zurück.
Bereits nach wenigen Stunden schnitzte Maximilian geschickt einen Langbogen mit dem er künftig die Mahlzeiten erbeutet. Wir lebten genügsam und gänzlich unabhängig vom Lager. Vor uns das Ziel, der felsige Hügelkamm, mit einer weiten Aussicht über die Umgebung. Geschwächt folgte mir ein müder Maximilian. Öfters legte ich eine Pause ein. Tat so als ob mein Atmen Erholung bedurfte. Dabei beobachtete ich besorgt Maximilians schlechte Kondition. Die Woche im Labor reichte dass ich ihn kaum wider erkannte. „Wie ist das möglich in so kurzer Zeit“, dachte ich laut.
Er wischte sich mit dem Arm über die nasse Stirn. Wusste sogleich was ich ansprach. „Die haben mir ein übles Mittel gespritzt dass die Muskeln versagen lässt. Dies und sie betäuben einem tagelang, dass man von sich aus, keine unerwünschte Bewegungen ausführen kann. Das Labor ist geheim. Die gehen kein Risiko ein dass einer Vandalisiert oder etwas von der kostbaren Einrichtung zerstört. Obwohl es sehr praktisch ist die, separate Abteilung im offiziellen königlichen Labor zu verstecken.
Diese studierten Leute wissen von ihrer schwächlichen Unterlegenheit. Tagsüber beschäftigen sie einem dermassen dass man in der Nacht dankbar ist, für die paar wenigen Stunden erholsamen Schlaf. Bei mir hat der abgeschlossene Raum bewirkt dass mich ständig Gedanken verfolgten. Frühere Erinnerungen holten mich ein. Hinzu eine unerträgliche Platzangst. Jetzt wo ich die weite Welt kenne, deren Freiheit, die unermessliche Distanz, “ er blickte zur Sonne hoch. „Unerträglich der Gedanke eingesperrt und gefesselt zu sein. Nie mehr hoch die Sterne zu sehen. Nie mehr den Duft des würzigen Grases zu schmecken. Selbst der modrige, eintönige Geruch des Sumpfes, ich vermisste alles. Ohne Deine Unterstützung wäre es mir nie gelungen mich zu befreien. Niemanden daran gelegen mir ein würdiges Leben zu schaffen...“
„Wegen mir bist du aber auch in diesem Schlammassel gelandet“, gab ich schuldig zu bekennen. „Ich habe die schrecklichen Ereignisse ausgelöst. Ohne meine Aufdringlichkeit hättest du nie die gehütete Sicherheit des Sumpfes so weit verlassen.“
Mein elastisches Hosenband zog mich rückwärts. Kein Wunder da Maxims Hand mich daran zurückhielt. Nachgeben, trat ich neben ihn. Er sah mich tiefgehend in die Augen. Es tat mir unbeschreiblich weh dass er ausgerechnet wegen mir erneut so viel Leid erlitt. Mit feuchten, gesenkten Augen meinte ich. „Es tut mir leid. Ich habe zu sehr gedrängt...“
Maximilian nahm liebevoll mein Gesicht zwischen seine Hände. Zwang mich ihn anzusehen. „Meine Liebe“, begann er, „gerade deine unbeschwerte, offene Ehrlichkeit war der reinste Balsam für mein Herz. Du versteckst dich nicht. Kein zurückhalten. Auf deine natürliche Weise hast du unsere Beziehung gefördert oder wäre es dir lieber gewesen ein Jahr zu warten...“ heiter lachte er über meine entsetzten Augen.
„Safina, dich trifft keinerlei Schuld. Früher oder später stellte mich mein einsames Leben vor die Wahl, mich der Vergangenheit zu stellen. Glaub ja nicht dass ich vorhatte mein ganzes Leben allein im Sumpf zu verbringen. Irgendwann wollte ich die Stadt Wiedersehen. Ein paar Leute kennen lernen. Neues handwerkliches ausprobieren. Gerade meine selbständige Freiheit verlangte Unbekanntes zu entdecken. Drängte danach die ewige schleichende Langeweile aus meinem eingeschlafenen Herz zu verbannen. Meine ausgeprägten Sinne auszulasten. Ich wartete nur auf einen günstigen Zeitpunkt um aus meinem festgefahrenen neuen Käfig auszubrechen. Du warst mein ersehnter Traum, mein Wunsch den ich mir längst herbeisehnte.
Zugegeben, eine entschärftere Version hatte ich mir eher erträumt. Aber wie du weist ist meine Zeit begrenzt. Eine Tatsache die ich selber gern vergesse, verdränge. Dir bleiben garantiert fünfzig unbeschwerte Jahre bis dein Körper nachgibt. Bei mir fängt es vermutlich in fünf Jahren an. Meine Hundegene in mir sind nicht ganz ausgereift erforscht. Du hast nie gefragt wir alt ich bin. Mit zehn Jahren war ich bereits so ausgewachsen wie ein normaler Mensch mit zwanzig Jahren. Niemand würde es wagen meine Lebensdauer in Jahren zu schätzen. Man hat mich geschaffen um produktiv zu arbeiten und es ist nebensächlich ob ich nach zwanzig Jahren oder später sterbe. Genauso genommen wage ich sogar die Analyse, dass es ihnen durchaus Recht ist wenn nach den durchschnittlichen fünfzehn Lebensjahren bereits Schluss ist. Es ist so einfach den kurzlebigen Tiermenschen die Rechte weg zu nehmen. Im günstigen Fall können sie so Gerichtsverfahren dermassen in die Länge ziehen, dass wir vorher, eines natürlichen Todes, sterben.“ Er wischte mit einem Finger zart meine Tränen von den Wangen weg. „Safina. Das ist eine traurige aber unumstössliche Wahrheit. Es liegt nicht in unserer Macht sie zu verändern. Aber mit dem Wissen um diesen widerlichen Umstand, dass mit eine kürzere Lebenserwartung bleibt, können wir wenigstens die kostbare Zeit voll geniessen. Du hast keine Zeit verschwendet. Wie so viele Sache ahntest du gewisse Dinge im Voraus. Handelst instinktiv. Ich beneide dich fast um diese Gabe. Ich spüre zwar auch eine gewisse Veränderung des Schicksal voraus. Erst gestern Nacht erhielt ich so eine unangenehme Warnung. Heute hat Morgen hat mich Dongard bittere Zukunftsaussicht heftig nieder geschmettert.“ „Ändern kann ich meine Prognosen auch nicht“, warf ich enttäuscht ein.
„nein, aber du findest die gut damit zurecht. Du akzeptierst die Wahrheit, lebst mit den besten Voraussetzungen weiter. Mir stösst Dongards gefasstes Urteil jetzt noch sauer auf. Dich nur einmal in der Woche zu treffen, das tut mir jetzt schon weh...“
Die schattigen Tannen verschwanden auf den letzten Meter nach oben. Nahrhafte Erde blies der Wind öfters von dem kahlen Felsgestein weg. Nur in den verborgenen Nischen wucherte sparsames Unkraut. Oft hielt ich an. Wartete bis Maximilian aufholte. Streifte ihn mit meinen Fingern streichelnd über seinen Oberarm. Früher waren sie so kräftig. Heute besass er kaum die Hälfte seiner einstigen Kraft. Abwarten hielt mein Freund geniessend inne. Liebte diese kleinen Streicheleinheiten. Beschwichtigte mich, „Keine Sorge, in einem Monat bin ich wieder in Topform.“
In erster Linie wollte ich dass er sich gründlich, von dem anstrengenden Aufstieg, erholte. Anderseits... Willig verstellte ich ihm den Weg. Schwer atmend hielt er inne. Seinen schwachen Moment ausnutzend glitt ich mit meinen Händen unter sein Trägerhemd. Mir war es vollkommen egal wie sehr er schwitzte. Ich genoss es diesen schlanken Körper zu erkunden. „Maxim, ein Wort von dir und ich folgte dir bis ans Ende dieser Welt. Dongard wird keine Zeit haben uns soweit zu verfolgen, “ flüsterte ich als ob ich befürchtete der Tyrann stünde überwachend in der Nähe.
Maximilian schüttelte abweisend den Kopf. „Dafür tun es andere und kein Kommandant Dongard ist in der Nähe um dich zu beschützen. Für eine Weile, ein oder zwei Jahre ist es sehr gut so dass du dich hier verstecken kannst. Solange brauchen die königlichen Späher um von deiner Harmlosigkeit überzeugt zu sein. Danach vergessen sie dich bestimmt. Ohne die hohe Prämie auf deinen Kopf wird unser Reiserisiko schon mal halbiert. Ganz... Safina, “ hielt er inne. Warnend sah er mich an. „Was machen deine Hände da hinten. Wir sind hier auf einem Hügel weit herum sichtbar, “ kam es sichtlich beunruhigt.
Ungestört verfolgte ich die schönen Rundungen seines knackigen Hintern. „Wir sind beide angezogen“, redete ich mich heraus. „was stört dich da? Du magst es doch.“
„Ja“, flüsterte er heiser. Zog mich näher bis kein Zwischenraum uns trennte. Es begann eine wilde Knutscherei die uns alles weiteren Pläne vergessen liess. Bis Maxim unverhofft hoch schreckte. In seine sanften Augen trat der Ausdruck von blankem Entsetzen. Heftig, blähten sich seine Naseflügel als er den flauen Wind prüfte. Suchend blickte er hinter mir zwischen die grossen, klobigen Steine umher. Diese groben, von Wind geschliffenen Steine erreichten kaum die Höhe meiner Knie. Dennoch kam es von ihm überzeugt, „Da ist jemand. Alter Schweiss, “ er schnüffelte aufgeregt in den schwachen Luftzug. Entschuldigend blickte ich an mir hinunter. Schnupperte an mir selber. Entschieden trat Maxim neben mich um besser den Hintergrund zu überblicken. „Ein beissender Schweissgeruch. Du riechst, selbst nach zwei Tagen ohne Waschen, nie so markant. Der stinkt wie eine Woche ohne Waschen, auf so was bin ich allergisch! Mich wundert nur das ich ihn nicht sehe, er müsste Nahe sein, bedenklich nahe!“
Gespannt folgte ich seinem Blick nach unten in die lichten Tannewälder. Kaum zwei- dreihundert Meter trennten uns vor dem letzten Baum. Danach liess ich meine Gedanken schweifen. Dunkle Augen blinzelten. Erschrocken zuckte ich zusammen, ging halb in die Knie, sprang rückwärts. Einzig Maxim verdutztes Warten bremste meine überstürzte Flucht. „Da“, ich deutete zwanzig Meter vor einen grossen Felsbrocken. Ausgestreckt lag da eine getarnte pelzige Person. Jedenfalls versteckte das gräuliche Pelzchilet meisterhaft den Jäger. Wobei er keinesfalls gemütlich ausgestreckt dalag, sondern auf dem Bauch liegend uns genau beobachtete. Gefasst stiess mich sofort Maxim empfindlich in die Seite „Lass uns ohne eile verschwin...“ Erschrocken keuchte auf als der fremde, unerwünschte Besucher aufstand. Feiner Kieselstaub regnete es aus seinem kurzhaarigen Pelz. Trotz der Hitze quälte er sich in so eine Tarnung. Schwarzhaarig, seine buschige Mähne hinten zu einem Zopf gezähmt. Dunkle Augen, breite Nase, kantige Gesichtszüge. Tiefes Braun der Haut, ein Geburtsumstand, nicht von der Sonne gefärbt. Mit eiserner Ruhe umklammerte er seinen geschnitzten Wanderstab. Ein seltsamer gekrümmter Stock. Während er dastand, aus seinem Lederbeutel was grabschte, zog mich Maxim am Ellbogen energisch vorwärts. „Muro“, zischte er mir zu.
Mir leuchtet nicht ein warum ein gefürchteter Jäger so harmlos erschien. Rückblickend entdeckte ich jedoch was er mit der langen Sehnen in seinen Händen plante. Hastig beschleunigte ich meinen Schritt, ich rannte los. „Lauf;“ brüllte ich nur. Die Rollen getauscht riss ich Maximilian, an der Hand gepackt, vorwärts. Blindlings folgte er ohne den wissenden Grund. Das war kein harmloser Wanderstock sondern ein ruhender Langbogen mit dem man tödliche Pfeile abschoss.
Zurück in Lager konnten wir nicht sonst schnitt uns der Muro bequem den Weg ab. Stattdessen versuchten wir nach vorne unser Glück. Einfach nach unten rennen war sehr gefährlich in dem unebenen Steingefälle. Besser sicherer nach vorn.
„Maxim“, keuchte ich besorgt. „Wie weit reicht die Länge ihrer Pfeile.“
In dem Moment schubst mich Maxim grob auf die Seite. Gerade rechtzeitig. Es zischte ein langes, gerades Geschoss an die Richtung, die wir vorher benutzen. „Zu weit“, bekam ich besorgt zu hören.
Geschickt übersprang ich die grösseren Steine, schlitterte über glatte Schieferplatten. Schräg den Hang hinunter lockerte wir mit unserem Eigengewicht so das lose Geröll. Dabei war es schwierig nicht selber in die fliessenden Steinlawinen zu geraten. Unmöglich nach oben auszuweichen. Freiwillig überlies ich meinem Freund die Führung. Verlor er das Gleichgewicht, riss ich ihn manchmal unsanft aber wirkungsvoll zurück. Unzertrennlich unsere Hände. Das mit dem Richtungswechsel wurde unnötig. Der erfahrene Jäger hinter uns verschwendete keine kostbaren Pfeile. Leichtfüssig hetzte er uns nach. Geduldig, ohne übereile Hast, während wir mit Angst kämpften. Nicht Angst um unser eigenes Leben sondern das des unersetzbaren Partners. Deutliche Anzeichen von Schwäche bei Maxim. Stolpert öfters, Atemnot. Statt einer Lösung verschlimmerte sich Umgebung. Als versperrten uns sämtliche Steinblöcke den Weg. Versteckten uns zwar für einen Bruchteil vor unserem anhänglichen Feind. Ohne Maxim liebte ich das ideale Gelände zu meinen Vorteil. Seine körperliche Schwäche wirkte sich Nachteilig für vielen Hindernisse aus. Getrocknete Äste versperrten weg. Entschlossen zerrte mich mein Freund nach oben. Zwischen zwei Felsensteine hindurch. Wir standen auf einer ebenen Plattform. Umringt von mannshohen Steinen. Eingeschlossen. Kaum zehn Meter Durchmesser diese ungünstige Falle. Maxim schaltete kurzerhand. „Komm!“ Rannte weiter zu nächsten Wand. Stellte sich mit dem Rücken daran. Formte mit den Händen eine Trittleiter. „Hoch mit dir“, spornte er zur Eile. Flugs schnellte ich in die Höhe. Hielt mich bereits mit den Händen an der nächsten Kante fest. Gerade als ich mit dem Schuh hochstemmte vernahm ich das unheimliche Sausen eines schnellen Geschosses. Deutlich den stumpfen Aufprall. Wie bei einem Autounfall, wenn’s Kracht. Die Schrecksekunde, das Wissen nur als Zuhörer, wenn es Knackt das da Schaden entstanden ist. In meinem Herzen stockte es wissend. Maxim erstarrte auf der Stelle. Geschockt und ungläubig. Mein Blick nach unten und ich verlor den Halt. Ein langes Pfeilende ragte direkt aus seinem Oberkörper. Tödlich exakt an der Stelle seines Herzen. Eine falsche Bewegung... Weiter wagte ich nicht zu denken.
Unkontrollierbar zitterten meine Finger. Brauchte selber Zeit um zu begreifen. Hilflos rutschte ich an der Steinwand hinunter auf den Boden zurück. Was wenn wir uns einfach ergaben? Alles war besser als unwiderruflich in den nächsten entscheidenden Sekunden Tod zu sein.
Grob packte mich Maximilian. Zerrte mich herum. „Du sollst fliehen!“ Herrschte er mich gepresst durch die Zähne an. Sah mich befehlend an. Stellte sein Knie vor. Versuchte mich halb in die Höhe zu stemmen. Ein Zweiter Aufprall lies seinen Körper erzittern. Aufschreiend gaben seine Hände nach. Finger lösten sich von meinem Arm.
Gegen seinen Willen gab sein Körper nach. Langsam sackte er zu Boden. „Flieh“, sagte er mit letztem Kampfesmut. Deutete auf seine Schulter. Wie konnte ich ihn als Stütze ausnutzen um mein Leben in Sicherheit zu bringen? Ihn zurücklassen kam mir nie in den Sinn?
Zu allem bereit wandte ich mich dem Murokrieger zu. „können wir nicht verhandeln?“
Sein breites Gesicht blieb unergründlich wie das eines abgestumpften Killers. Düster seine Stimme mit dem Fremdländischen Dialekt „Tod bringt ihr mit genauso viel ein wie lebendig. Mit dem klaren Vorteil dass ihr mir keine Schwierigkeiten macht. Ich mag es gerne einfach. Einfach und unkompliziert. Rühr dich nicht von der Stelle und es wird garantiert schmerzlos.“ Griff bereits nach dem nächsten Pfeil aus seinem rückwärtigen Köcher. Allerdings stutzte er über Maximilian. Mit gefurchter Stirn betrachtete er Maximilian. Zögerte.
Schwer verwundet legte sich mein Freund aufgebend, ausgestreckt auf die Seite. Gepresstes Luftholen verriet seine unerträgliche Lage. „Safina, Geh! Bitte!“
Mit den Nerven am Ende kam es mir weinerlich. „Ich lass dich nicht zurück.“ Vergeblich versuchte ich Maxim aufzurichten. Er wehrte sich von meinen stützenden Händen.
„Maxim. Lass dir Helfen oder ich gerate in Panik, “ gereizt fuhr ich ihn an.
„Safina“, schrie er ungewollt scharf zurück. „Dafür reicht die Zeit nicht. Bring dich endlich in Sicherhei...“ mit letzter Kraft nahm er meine Unterstützung an. Stemmte seinen Oberkörper nach oben. Leider entsprach es nicht meinem Willen, dass er dabei beabsichtigte mich zu beschützten. Sich mitten in die Schusslinie warf. Ein dritter Pfeil steckte in seinem Rücken.
„Frau“, fauchte er mich heiser an. „Wie soll ich meinen Frieden finden wenn du auch stirbst. Du bist Flink du hast...“ erschöpft rang er nach Atem. Unfähig aufzustehen, stützte ich seinen Rücken. Sein unerträglicher Schmerz war mein lähmender Schmerz. Kein weiteres Mal trennte ich mich von ihm. „Maxim“, raunte ich ihm zu. „wie soll ich Frieden finden, alleine, ohne dich?
Lieber teile ich Dein Schicksal.“
Matt schüttelte Maxim den Kopf. „ Unsinn! Was soll ich sein... Traurig... Glücklich? Ich fühle mich so unendlich müde.“ Senkte seine Augen, stützte den Kopf an meinen. Ich fühlte mich nur hilflos. Fliehen wollte ich nicht ohne ihn. Angreifen unseren Feind, der mit gespannter Sehne nur darauf wartete dass ich aus der Deckung trat um einen sauberen Schuss anzusetzen, grenzte an dieselbe Dummheit. Jede kostbare Sekunde, in der noch Leben in Maximilian steckte, wollte ich mit ihm teilen. Während ich im stillen Einverständnis mich in seiner erstarrten Umarmung versteckte, fanden wenigstens unsere Hände zueinander. Verzweifelt umschloss ich seine Finger. Blut floss über unsere innige Verbindung. Ich hörte Maxim rasselnde Lungen. Hörte das Zischen eines Gegenstandes, der mit enormer Geschwindigkeit, die Luft verdrängte. Es klang nach brechen menschlicher Knochen. Ich zuckte zusammen. Spürte eine sachte Bewegung Maxims. Träge wandte er mir, lächelnd, das verkrampfte Gesicht zu. „Safina,“ ganz matt. „Unterstützung.“
Verwundert sah ich über seine breiten Schultern hinweg. Ein grosser, schwarzer Drache landete vor unserer verhängnisvoller Einbahnstrasse. Wobei dieses Lastwagengrosse Ungetüm praktisch lautlos auf einem der erhöhten Steinbrocken landete, ohne dass dieser umkippte. Ein kräftiges Schwanzruder pendelte, wie ein Peitschenende, über dem leblos niedergestreckten Murokrieger. Staubiger Luftstrom wirbelte über unsere Köpfe hinweg. Feine leichte Steine spickten, als scharfe Geschosse, an die obersten Felsspitzen. Kullerten splitternd zu Boden. Ich umarme Maxim fester. Wissend das bei seiner gravierenden Verletzung uns nur wenig Zeit übrig blieb.
Als die erhobenen Drachenflügel ihre Segel einzogen sprang jemand geschickt von dem Rücken, direkt auf die abgerundeten Felsenblöcke. Leichtfüssig überwand er die drei Höhenmeter. Landete mit einem eleganten, federnden Sprung neben dem Murokrieger. Eine Hand senkte sich rasch, prüfend an dessen Hals. Suchte ein Lebenszeichen aufzuspüren. Erleichtert drehte er, mit dem schwarzen Stiefel, den leblosen Körper herum mit dem Gesicht achtlos zu Boden.
Kommandant Dongard Gesicht nahm fast einen starren Ausdruck an. Leise, deutlich sprach er ein zungenbrecherisches Wort in einer fremden Sprache. Ausgelöst durchschnitt ein unsichtbarer Energiestrahl erfüllte unangenehm die Luft. Spürbar bis zu uns flimmerte kurz die Umgebung. Ein unheimliches Zucken ging durch den Murokörper. Danach herrschte Ruhe. Unglücklich richtete Dongard seine Aufmerksamkeit zu uns.
Vielleicht aus Erleichterung über den eingetroffenen Sieg, liess Maxim seinen Kopf sinken. Schloss die Augen.
Achtsam, leise trat Dongard auf uns zu. Sein eisiger Ausdruck verwandelte sich in tiefe Traurigkeit. Blieb vor uns stehen. Streckte die Hand nach mir aus. Kopfschüttelnd wies ich ihn ab. „nein, er lebt noch.“ Schwach vernahm ich Maxims Atemzüge. Auf keinen Fall wollte ich ihn jetzt noch loslassen.
Dongard kauerte nieder. Mitfühlend sah er mich an.
Flehend sah ich ihn an. „Ihr Melfen besitzt doch Heilkräfte“, wagte ich kaum zu hoffen.
Dongard nickte. „Ja, aber bei diesem Ausmass besteht selbst bei einem erfahrenen Heiler kaum Hoffnung. Nicht so nahe beim Herz. Es grenzt an ein Wunder das er überhaupt noch lebt. Aber wenn es dich beruhigt, die beste Heilerin die ich kenne ist bereits auf dem Weg hierher. Sie wird in ein paar Minuten hier sein.“
Von ganz unten flüsterte eine Stimme heiser. „Dongard.“
Überrascht vergrösserten sich Dongards Pupillen. „Maximilian?“ Dass noch so viel Leben ihn im steckte, hatte er nicht erwartet.
„Ich sterbe. Lass Safina nicht zusehen. Bring sie an einen sicheren Ort.“
Dongard meinte aufmunternd. „So schnell stirbst du nicht. Dorin hat schon manche Wunder vollbracht. Wenn du weiterhin durchhältst ist es sogar sehr...“ „Bitte“, seufzte Maxim ohne seinen Kopf von Boden zu heben.
Aufgebend senkte Dongard seinen Kopf. „ich verstehen. Deine Hand in meiner Hand. Ich respektiere und folge deinem Wunsch!“
Erleichtert klang Maxims Stimme. „Danke. Deine Hand nehme ich gerne an. Pass auf Safina auf. Ich lege ihre Hände in deine Hände.“
Das bereitwillige Angebot verursachte Dongard ungewollt Schmerzen. Er wollte es nicht auf diese Weise erhalten.
Unverstehen sah ich zwischen den beiden hin und her. „Was bedeutet das? Mit den Händen?“
Sachte zog Dongard meine Hand in seine. Berührte sie als sei sie zerbrechlich wie aus kostbarstem Porzellan. „Es ist symbolisch gemeint. Deine Hand, dein Leben. Übertragene Verantwortung. Komm.“ Entschlossen wollte mich Dongard hochziehen.
„nein, nein“, wehrte ich mich entschieden. „Auf keinen Fall, verlasse ich Maxim. Nicht schon wieder!“
„Bitte“, bat Dongard mit gedämpfter unnachgiebiger Stimme. „mit Gewalt oder ohne. Ich habe es Maximilian versprochen.“
„ich bleib bei ihm. Daran änderst du gar nichts!“
Geduldig fasste er mein Handgelenk fester, ohne daran zu ziehen. „Safina, hier nützt nur die Anwesenheit eines Fachmannes. Sie ist schon lange unterwegs. Zum Glück hab ich sie wegen Damar herbestellt. Also darf ich bitten... Schau, das ist die beste Melfenärztin die ich kenne.“
Während ich abgelenkte den Himmel absuchte, zog mich Dongard auf die Beine. Hielt mich von hinten, um die Schultern, fest.
Verwundert folgte ich dem schlanken, kreisenden, violetten Drachen. Geschickt landete er in respektvollem Abstand, zu Dongard riesige Begleitung. Obwohl ich nie je einen lebendigen Drachen zu Gesicht bekam war eindeutig dass hier mindestens zwei verschiedene Rassen existierten. Der Kleine Violette war im Vergleich, wie ein lebhafter Spatz zu einem eher trägen Adler. Ich sah eine hübsche, reifere Frau aus dem polierten Ledersattel gleiten. Jede ihrer Schritte so leichtfüssig als ob sie schwebte. Auffällig auch ihre anliegende Lederkleidung die ihre weibliche Figur betonte ohne frivol zu wirken. Was immer sie trug, es war massgeschneidert und von bester Qualität. Entsprechend selbstsicher steuerte die schwarzhaarige Schönheit gleich Dongard an ohne jedes Reisegepäck. Da staunte ich nur „Wie hat ein Arzt so schnell uns gefunden.“
Dongard lächelte mich an. „Sie kann meine Gedanken auffangen. Seit gestern war sie bereits auf dem Weg zu uns. Damar ist meist Unvernünftig und Dorin ist geschickt darin andere zu Überzeugen.“ Erfreut wandte er sich der eleganten Besucherin zu, wobei er mich nur mit einer Hand losliess. Die andere deutete schwer an, mich ja nicht wegzubewegen. Dabei wollte ich so gerne Maxim in den Armen haben. Halt und Trost spenden.
Eine sympathische, weiche Stimme fuhr Dongard ziemlich unfreundlich an. „Du bist nicht gerade ein feinfühliger Mensch!“ Diese unverblümte Anklage liess mich die eindeutig reinrassige Melfin genauer betrachten. Ausser mir, hörte ich nie jemand so kritisch mit Dongard sprechen. Eine hübsche Frau mit einem natürlichen überzeugenden Eindruck. Schwarze lange, glatte Haare die sie am Hinterkopf zu einem Knäuel hochsteckte. Vor den leicht zugespitzten Ohren kringelte sich eine kurze Locke. Es gab ihr den weichen Anstrich in dem sonst fast strengen Gesicht.
Mit einem Anzeichen von Unterwerfung, senkte Dongard seinen Blick vor ihr und deutete nach hinten. „kannst du ihm helfen?“ Diese zurück kuschende Seite an Dongard war mir vollkommen neu. Er fing meinen fragenden Blick auf. Während Dorin bereits auf Maxim zuhastete raunte er aus Erfahrung, „Besser man tut was sie sagt.“ Seine Finger umklammerten eisern meinen Oberarm. „Komm!“ Bestimmend zerrte er mich vorwärts. Unwillig gab ich dem schmerzenden Griff nach. Halb abgewendet, klebten meine Augen bei meinem Freund. Verfolgte gespannt wie die erfahrene Melfin ihn ruhig abtastete ohne ihm weh zu tun. Behutsam rollte sie ihn in eine bequeme Seitenlage. Mit einem scharfen Taschenmesser schnitt die seine Hemd auf.
Übelkeit stieg in mir hoch als ich die festen Pfeile aus dem verletzten Fleisch ragen sah. Schwach zitterten meine Beine. Dongard nutzte den günstigen Moment mich näher an den Drachen zu befördern. Obwohl es vollkommen weh tat meinen Freund so leidend da liegen zu sehen schubst mich der Kommandant erbarmungslos, weiter weg. Jeder Bluttropfen versetzte mir einen inneren Stich, ich konnte mich nicht abwenden. Im Gegenteil, das knüpfende Band zwischen uns riss mich einfach zu ihm hin. Schliesslich packte mich Dongard ungeduldig um die Taille. Drehte mich herum. Protestieren hämmerte ich meine Schuhkante an sein Schienbein. Schmerzvoll schrie er auf. packte mich erneut bevor ich aus seinem gelockerten Griff schlüpfte. Kraftvoll setzte ich bewusst mein ganzes Gewicht dagegen ein. „Safina“, donnerte er, „Ich habe es Maxim versprochen und bringe dich von hier weg. Egal wie du dich wehrst...“ Allerdings brauchte er beide Hände mich zu halten. Schliesslich versuchte er es sogar mit seiner Magie. Bevor er sich voll Konzentrierte gab ich seinem ziehenden Zug nach. Die plötzliche eingeleitete Änderung verwirrte sein Gleichgewicht. Während er stolperte, befreite ich mich fast. Rief verzweifelt zurück. „Wird er überleben.“
Aufgeschreckt sah Dorin zu mir hinüber. So in der Art- ach ihr seid auch noch da. Lächelte milde. „Keine Sorge, ich habe schon schlimmeres gesehen. Bestimmt wird er überleben. Es ist nur eine Frage der ...“ Sie fing einen stummen Wink von Maximilian auf. Beugte sich vor um sein gehauchtes Flüstern besser zu verstehen. Sie furchte bekümmerte einen Moment die Stirn. Demnach teilte sie nicht Maxims Einsicht. Nickte. Rief mir zu. „Ich bin zuversichtlich dass er in einem Monat geheilt ist. Allerdings wimmelt es in der ganzen Umgebung von Königlichen Spähern. Dongard warum bringst du Safina nicht in Sicherheit?“
„Das versuche ich ja schon lange“, gab er zerknirscht zurück. Wagte es kaum laut auszusprechen.
„Dongard“, kam es in einem mütterlich tadelnden Ton. „Von woher hast du diese ungeduldige Seite gelernt?“
Der verteidigte sich entsprechend. „Na hör mal. Jetzt ist wirklich der falsche Zeitpunkt darüber zu diskutieren und das...“
„Bin ganz deiner Meinung“, warf die Melfin ein. „Warum ist sie dann immer noch hier?“
Aufgebend streckte der Kommandant seine Hände nach oben. Bevor ich meine Freiheit genoss, lähmte mich ein kräftiges, unsichtbares Band. Wie angewurzelt blieben meine Beine stehen. Geistig am Ende sah ich in sein überhebliches Gesicht. Er sagte kalt. „Es gibt nur einen Weg. Ab in den Sattel!“
Erinnerungen an meine Flugangst stiegen hoch. Das hinderte meine Füsse auch daran in die befohlene Richtung zu gehen.
„Dongard“, rief ihm Dorin eindrücklich, verstimmt zu. „Bring sie schleunigst nach Mischlin und sei ein bisschen NETT!“ Wesentlich höflicher betonte sie meinen Namen. „Safina, bitte geh mit Dongard. Wenn die Späher euch sehen, aber nicht erkennen, werden sie euch dennoch folgen. Dadurch kann ich Maximilian viel besser beschützen. Einen Transport möchte ich in seinem kritischen Zustand nicht riskieren. Verstehst du das?“
Beschämt senkte ich meinen Kopf. „Das leuchtet mir ein.“
Inzwischen sprang Dongard geschmeidig, neben mir, in den Drachensattel hoch. Setzte sich in dem verlängerte Sattel nach vorne. Klopfte einladend an meinen vorher bestimmten, hinteren Platz. Unsicher betrachtete ich den schwerfälligen Drachen. Ganz anders als der kleine, braune von der Stadt. Das hier war ein träges, schweres Model. Zum ersten Mal sah ich einen dieser sanften Drachen, in seiner ganzen Pracht. Die kleinen schwarzen Schüppchen schienen das Sonnenlicht gänzlich aufzusaugen. Auf jeden Fall strahlte dieses Tier eine enorme Hitze aus die eine menschliche Körperwärme weit überstieg. Normaler Weise denkt man bei an gefährliche Tiere. Mit scharfen Krallen, langen Reisszähnen und Rückenplatten bestückt. Weit davon entfernt dieses Exemplar. Spitzige Segelohren die man je nach Stimmung aufklappte. Neugierig betrachtet mich dieses langhalsige Tier. Dunkelbraune Augen deren Pupillen senkrecht geschnitten verliefen, begutachteten mich intelligent. Der halboffene Kiefer mit den flachen Zähnen eines Vegetariers ausgerüstet, schien beinahe zu lächeln. Dongard drängelte, „Was soll das? Willst du ihn vorher zum Essen einladen, weil du sonst befürchtest dass du sonst dran bist? Steig auf! Gib mir deine Hand.“
Meine Hand hob sich. Aber um das weiche Maul des Drachens zu streicheln. Liess ihn ausgiebig daran schnuppern. „Ich möchte nur gerne wissen wem ich mein Leben anvertraue“, sagte ich mehr zu mir selbst. Stellte fest dass es auch Drachen lieben wenn man sie hinter den Ohren krault. Sanfte Augen folgten mir als ich den Sattel ansteuerte. Warme Hände umschlossen fest die meinen. Ungestüm zerrte mich Dongard hoch als wiegte ich nur die Hälfte. Schwungvoll landete ich halb auf dem gepolsterten Leder. Während ich mein Bein über den Sattel zog, hielt mich Dongard ständig an einem Arm fest. Zog mich schließlich weiter nach vorn. Direkt hinten an seinen Körper als ob man auf einem Motorrad sässe. Ihn so nah zu spüren gefielt mir überhaupt nicht. Bemühte mich leicht rückwärts zubeugen. Sofort bremste mich eine kräftige Hand am Pullover. Ohne sich umzudrehen zog er mich nahtlos an seinen Körper. „Heb deine Beine hoch“, gab er Anweisung. „höher, so dass sie hinter meinen Knien sind. Wichtig, vor allem beim Starten, halte dich gut an mir fest. Da hinten hast du keine absolute Sicherung. Bedauerlich war keine Zeit die richtige Ausrüstung zusammen zu tragen.“
„Es geht schon“, murrte ich verstimmt über meine gezwungene Lage. Getraute mich kaum ihn fest zu umarmen. In seiner Nähe fühlte ich mich so unsicher.
„Safina, bist du immer so schwächlich“, spottete er schonungslos. Worauf ich sofort meine Handgelenke fester, vor seinem Bauch, umschloss und mit aller Kraft in meinen Arme zusammen drückte. Belohnt nahm ich seinen schmerzhaften Aufschrei in Empfang. „Dongard, du bist wohl nie zufrieden. Gibst du wohl nie auf?“
Mit zusammengebissenen Zähnen wandte er seinen Kopf. Mehr Bewegungsfreiheit gestattete ich ihm erst nach Ablauf einiger Sekunden. Eindrücklich, finstere Augen vergrößerten den Abstand, lies ihm wieder Raum zum Atmen. „Ich bin Ausbilder der obersten Klasse und verlange absolute Präzision. Deswegen musst du nicht gleich so übertreiben!“ Setzte er sich mit Worten zu Wehr. Der Hieb ging ohne Treffer ins Leere. Dafür legte ich eine Beschwerde oben drauf. „Deine übertriebene Korrektheit ist hier völlig unangebracht. Oder jedenfalls deine Scherze. Du bist im Besitz von Heilkräften und kannst sie nicht mal bei meinem verletzten Freund einsetzten. Wer ist hier alles andere als Perfekt?“ Warf ich ihm gleich in die empfindlichen Ohren. Traf ihn ins innerste Mark. Seine Zähne knirschten. Wissend dass hier der falsche Zeitpunkt für eine ernste Auseinandersetzung war, herrschte er mich bloß an. „Ruhe! Fliegen ist eine gefährliche Angelegenheit. Ich muss mich Konzentrieren oder ich gestatte dir beim nächsten See eine kühle Schwimmeinlage.“
Auf diese Drohung, die ich ihm zutraute, verhielt ich mich vorzugsweise passiv. Traurig zog es meine Augen zu meinem todkranken Freund. Hilflos lag er da. Fast hatte ich das Gefühl er wollte mich zum Abschied nicht mehr ansehen. Oder schwanden seine Kräfte dermaßen? Wie sollte er dabei überleben? Eine unerträgliche Angst breitete sich in mir aus.
Eine Hand legte sich warnend über meine Oberschenkel. Lange Zügel erhielten mehr Bewegungsfreiheit. „Festhalten“, mahnte Dongard besorgt. „Das wird ein ruckartiger Start, den wir haben hier keine ebene Piste. Drück dein Kinn fest nach unten. Anfänger bekommen sonst meist einen schmerzhaften Schlag ins Genick, wenn man bei den ruckartigen Bewegungen zu locker bleibt.“
Schwungvoll flatterten die mächtigen Flügelsegel zu meinen beiden Seiten. Staub, feine Kieselsteine wirbelten unter dem enormen Soge auf. Warmer Luftzug streifte meine Wangen. Der lange Drachenhals streckte sich gezielt in die Höhe. Ein weiterer stärkerer Flügelschlag. Ein kleiner abstoßender Hüpfer, senkrecht startete das gewaltige Monster geschickt nach oben. Schwer behinderte ihn die zusätzliche Last auf seinem Rücken. Mit einem unwilligen Grollen drückte er seinen Rücken nach oben. Sattelleder knirschte. Ein weiterer abstoßender Hüpfer auf einem der größeren Felsen und ab ging es. Aufgewärmter Wind der über die Felsen glitt reichte um den Kreislauf geschmeidiger werden zu lassen. Sobald er eine gewisse Geschwindigkeit erreichte, begann er leicht zu steigen. Kühler Wind streifte durch meine Haare. Unter mir bewegte sich die Erde so schnell das mir leicht schwindlig wurde. Getraute mich gar nicht mehr nach unten zu sehen. Stützte meine Kopf an Dongards Rücken an und schloss lieber meine Augen.
„Safina,“ Dongards Stimme ungewöhnlich milde, „keine Angst. Wir stürzen nicht ab. Lockere deine Klammerung ein wenig, wir haben eine gute Stunde Flug vor uns. Sage mir einfach genug voraus falls dir schlecht werden sollte!“
Tatsächlich schaukelte es ungewohnt. Bei jedem kraftvollen Flügelschlag senkte und hob sich der sehnige Körper, ausgleichend, bis zu einem Meter. Eine enorme Leistung. Dabei wurde mir nicht übel. Aber ich war froh dass mein Gesicht am Rücken von Dongard lag. Irgendwie tröstete dieser schwache Halt. Jeder Flügelschlag trennte mich weitere Meter von meinem Freund. Es tat weh, die leere in meinem Inneren. Ihn so nahe und unerreichbar zu wissen.
Dongard schien meine inneren Qualen zu spüren. Legte seine warmen Hände über meine. „keine Angst. Wir schaffen das schon.“ Versicherte er zuversichtlich. Es bedeutete eine Menge. Alleine schon wie er das Wir betonte. Ich war mir nicht einmal sicher ob er Maximilian mit rechnete. Jedenfalls klang es nicht so als meinte er nur den schaukelnden Flug.
Nach einer Stunde erreichten wir nicht Mischlin, den heiligen Ort, sondern einen kleinen See wo wir erstmals rasteten. Dongard hielt es angesichts der drei Fliegerreiter, die nach einem Überflug, uns verfolgten, für Ratsam einen kleinen Umweg einzulegen. Eine halbe Stunde Flug standen uns noch bevor, bis ich die heilige Steinstätte erblickte. Meterhoch ragten sie in die Höhe. Abendsonne, tauchte sie in einen milchigen Dunst. Verstärkte ihre geheimnisvolle Art. Sie erinnerten mich an Stonenge. Nur das hier der Kreis, der vier Steine unbeschädigt in den Himmel ragte. Dahinter in gewissen Abstand acht weitere, kleinere Objekte. Erst bei klarer, kürzerer Distanz erkannte man die Steintische. Wobei die tonnenschwere Platte bis zu zwei Meter über dem Boden ragte. Verglichen mit den senkrechten vier Hauptblöcken, an die vier bis fünf Meter eine Kleinigkeit. Wie schaffte man nur die schweren Brocken hier nach oben? Wahrhaftig ein magischer Ort. Hier war die Zeitmaschine absolut sicher vor neugierigen Zuschauern.
Abrupt landete der erschöpfte Drache ziemlich unsanft. Unser zusätzliches Gewicht drückte ihn nach dem Sinkflug erneut halb in die Knie. Abfedernd drückte er im letzten Moment die Beine wieder hoch. Heftig schnaufend senkte er den langen Hals. Streckte seine Flügelspitzen entlastend auf den Boden. Ein starker bitterer Geruch stieg von dem schwitzenden Körper aus. Lauwarmer Abendwind quälte den erhitzen Drachen weiter. Dafür bot sich in der ferne, dem beginnenden Abendrot ein wunderbarer Anblick.
Ohne zu einem richtigen Gedanken fähig starrte ich das unwillkommene Gebilde aus Glas vor uns an. Nahm kaum wahr das Dongard mir aus dem Sattel half. Orange Sonnenstrahlen spiegelten sich in der durchsichtigen Konstruktion. Betrachtend stellte sich Dongard neben mich. Stumm schauten wir uns die Kapsel an. Neue Zeit und alte Zeit trafen sich hier an einem speziellen Platz. Mich wunderte nur eines. „Wie hat man sie unversehrt hierher geschafft? Wäre es nicht klüger gewesen sie zu vernichten?“
Weicher Sandboden trennte mich wenige Meter vor meinem Ziel. Ein flüchtiger Windhauch genügte um alle Spuren zu verwischen. Die Zeitmaschine lag nicht im Mittelpunkt dieser Steine. Der zentrale Platz gehörte niemandem. Dafür stand die unheimliche Technik leicht verstaubt und verwaschen nach dem letzten Regen, neben einem der kleinen Steine. Wie ein seltsames Paar. Dongards Hand schob mich im Rücken unerbittlich vorwärts. Er wusste näheres.
„Einer unser Transporter, “ er deutete nach hinten zu dem stillen Drachen, „Hat sie hierher gebracht. Nachdem du unser Lager aufgespürt hast, hielt ich es für notwenig dir einen letzten, kontrollierten Fluchtweg offen zu lassen. Oder besser gesagt einen Trumpf im Ärmel zu verstecken. Bei einer unerwünschten Flucht hätte dich ein versteckter Wachposten hier problemlos abfangen. Bei dem weitsichtigen Hügel ist es leicht jemand aus der Ferne zu erkennen. Mit absoluter Gewissheit wärst du gekommen, denn ich hab eine hinweisende Karte, oben im Gebirge hinterlassen, dass dich letzten Endes, hierher führt. Diesen abgelegenen Ort besuchen nur Bewahrer und einige Melfen die hier ihre Gebete darbringen. Keiner wagt hier was zu entfernen. Selbst die Königlichen Boten haben tiefen Respekt vor diesem heiligen Platz. Also ideal um etwas, aus der Zukunft, aufzubewahren. Hier wundert sich niemand über ungewöhnlichen Sachen. Wunder geschehen hier und Gebete werden erhört. Dieser fremde Gegenstand gehört einfach zu den steinernen alten Monumenten. Ist ja selber ein einmaliges Kunstwerk. So reines Glas siehst du selten. Es scheint auch sehr widerstandskräftig zu sein. Jedenfalls hat es mehr als eine Landung ausgehalten.“ Bewundernd strich seine linke Hand über die glatten Scheiben. Ich bückte mich kurz, schob einen Riegel aus Plastik beiseite und die Türscheibe öffnete sich automatisch, unter dem Druck einer Feder. Erschrocken zog er seine Hand zurück. Verblüfft blieb er ruhig stehen.
Schweigend, abwartend verfolgte er mein handeln. Ich wusste es war mir möglich ins innere des Glaskasten zu gehen. Aber... Würzige Sommerluft betörte meine Nase. Dieselbe gesunde Luft atmete auch mein Freund ein. Wir teilten hier diese Luft. Ging ich da rein… Erschaudernd erinnerte ich mich an die beißenden Abgasen von Autos. Die sichtbaren Chemtrails am Himmel, welche das eigene Volk heimlich vergiftete. Die künstlichen Aromastoffe in fast jedem Essen.
Verzweifelnd wollte ich eher einen Schritt zurücksetzen. Eine entschlossene Hand hinderte mich im Rücken. Er stellte sich sogar hinter mich. „Safina“, lockte er leise. „Im Moment ist hier der Zeitpunkt sehr ungünstig für dich. Gehe nach Haus, programmiere ein Jahr später ein und nicht alles wird besser sein, aber eine gesunde Zukunft wartet dann auf dich, und Maximilian. Für uns wird das Jahr hier seine volle Zeit kosten, bei dir nur höchstens ein paar erklärende Stunden oder Tage.“
„Womit soll ich vernünftig Begründung dass sie mir eine neue Reisebewilligung zuteilen. Die wichtigen Leute da drüben haben andere Maßstäbe als eine ungewöhnliche Beziehung zu unterstützen. Was wenn sie mich einfach wieder einsperren?“ Skepsis an meinen Erfolg stiegen hoch. Dann war ich von dieser Welt getrennt, für immer.
„Safina“, Dongard benutzte seinen singenden Tonfall um mich zu beruhigen. „Ich weiß dass du pünktlich bist. Soweit kann ich mit meiner Gabe sehen und…“ „Bist du sicher? Nächstes Jahr bin ich wieder da, kannst du mir das wirklich bestätigen?“ Unterbrach ich ihn hoffnungsvoll.
„Ja“, gestand er zuversichtlich, mit fester Stimme. „Wobei ich mir längst eine Erklärung für deine Leute überlege habe. Ich habe da ein erwartetes Geschenk für dich.“
Neugierig wandte ich mich herum. Aus seiner Jackentasche holte er einen Steinbrocken hervor. Im spärlichen Sonnenlicht funkelte er matt. Verwundert entfuhr es mir. “Gold! Das kannst du nicht machen! Wenn sie ihren Verdacht bestätigend wissen, lassen die nie mehr locker. Vielleicht schicken sie auch jemand anderen hinüber…“
Diesmal hielt es Dongard für Angebracht, mit seiner Hand an meine Lippen, mich zu bremsen. Stoppte meinen besorgten Protest. „ Hör auf so negativ zu Denken. Ersten, du wirst nur erzählen dass du diesen kostbaren Fund in den Bergen gefunden hast. Einem sehr komplizierten, abgelegenen Ort in Sibiro.
Zweitens, versuche sie zu überzeugen dass du wertvolle Informationen besitzt, über mehrere Lieferungen, die nächstes Jahr, an ein geheimeres, grösseres Depot stattfinden. Somit wärst du perfekt geeignet, den Hauptort aufzudecken. Über den du momentan leider noch im Unklaren bist. Inzwischen kennst dich im Gebirge besten aus, also werden sie dich bestimmt noch einmal schicken. Du schaffst das! Klever genug bist du, das habe ich selber im Lager beobachtet. so und jetzt erfülle Deine Mission. Wie sehen uns ja früh genug wieder.“
Mit zittrigen Händen nahm ich den halben Kilo Goldklumpen in Empfang. Zwängte ihn in meine ausbeulende Hosentasche. Gemischte Gefühle stiegen hoch als ich die kalten Wände der Maschine berührte. Weigerte mich den letzten Schritt einzugehen. Die innere Überwindung streikte. Diese lieb gewonnene Welt loszulassen tat einfach weh, als würde man aus der Heimat vertrieben. Egal wie sehr man mich hier jagte, verfolgte. Hier pulsierte das Leben für mich am schönsten. Verstand es die Veränderungen aufzunehmen. Es drängte mich danach so vieles zu entdecken. Es lag im greifbaren, möglichen. Zuhause bräuchte ich ein Vermögen um die Welt zu entdecken. Zudem wurde man mit soviel Technik bombardiert, mit überflüssiger Werbung und so vielen verfälschten Tatsachen im Fernsehen verwirrt.
Hier genügte ein freundliches Wort und eine hilfsbereite Hand. Mein aufgewachter Verstand schrie danach zu bleiben. Mein Herz schlug am heftigsten, denn hier lag mein Freund wenige Kilometer entfernt, fast greifbar nahe. Nachher würden mich sogar mehr als Hundert Jahre trennen. Ein seltsames Gefühl warnte mich. Hinter mir rauschten schwere Flügel. Gespannt sah ich zurück. Ein anderer milchiger, beiger Drache setzte zur Landung an. Schützend stellte sich Dongard vor mich, als die Staubwolke bereits vorbei fegte. Ziemlich nahe landete der kleine Drache, den ein geschickter Derek steuerte, „Ihr habt was vergessen“, ermahnte er uns mit tadelnder Stimme. „Oder willst du, Kommandant Dongard, Dein Lager mit drei lebhaften Hunden teilen? Wir haben genug zu tun mit unseren ungebildeten Anfänger, da bleibt für Hundeerziehung keine Zeit. Schmunzelnd rutschte er aus seinem hohen Sattel zu Boden. Seine Stiefel verursachten bei seinem Gewicht eine weitere Staubwolke. Sein alter Drache keuchte, hustete. Selbst Dereks verrutschte Uniform verriet seinen übereilten Aufbruch. Unbekümmert schnallte einen geflochtenen, großen Weidekorb vom Sattel los. Unter dem zu geknüpften Deckel, protestierten wimmernde Welpen über die eingesperrte Enge. In sicherem Abstand streckte er mir den Korb entgegen. Wobei er sich mit einer Hand über den Nasenrücken strich. Anscheinend traute er mir nicht mehr ganz über den Weg. Dankend nahm ich den schweren Korb entgegen. Besser ich öffnete ihn erst nach der dem letzten Reiseabschnitt. Es dauerte ja nur wenige Sekunden. Verlegen stand ich da.
Derek wies auf die Kabine. „Überlege gar nicht erst. Rein mit dir! Du darfst uns erst nächstes Jahr wieder plagen. Bis dahin brauchen wir Erholung und bauen einige Vorsichtmaßnahmen in unser Lager ein. Warte nur, wenn du wieder kommst, freue mich schon darauf dich jeden Morgen…“ „Derek“, warnte Dongard, mit einem versteckten Schmunzeln. „Sie wird einer deiner Schüler sein, also versuche es lieber mit Freundlichkeit. Sonst wirst du zum nächsten Opfer auserkoren.
Safina, ich vertraue dir.“ Auffordernd streckte er seine Hand zum Abschied aus. Automatisch wich ich einen Schritt zurück. „Ich teste lieber vorher ob deine Vorhersagen stimmen, bevor ich dasselbe sage.“ Höflich drückte ich seine dargebotene Hand. Ein fester Händedruck von beiden Parteien. Ohne mich umzudrehen, um nichts weiter zu bedauern, stieg in meine Kabine. Behielt die beiden jedoch in den äusseren Augenwinkeln, überwacht. Lächelte nachdem ich die Kabine schloss. „Wehe ihr zwei verbündete Euch gegen mich, bis ich wieder komme. Ich werde auch mit euch beiden fertig, “ drohte ich scherzhaft. Für einen Augenblick waren wir wie eine grosse Familie. Traurig hob ich die Hand zum Abschied, senkte sie und drückte gleich auf den roten Knopf.
Dampf füllte die Kabine. Schoß aus allen unteren und oberen Abdichtungen. Atemnot, Schwindel überfiel mich, doch ich hielt mich auf den wackeligen Beinen. Ob es diesmal klappte? Es knackte unheimlich über meinem Kopf. Dunkelheit. Wie lange stand ich schon hier? Meine Uhr hatte ich ja in der neuen Welt abgelegt. Jetzt besaß ich keine Ahnung über die Zeit. Orientierte mich einfach nach der Erinnerung der ersten Reise, da dauerte es auch nur wenige Sekunden. Bestimmt war eine halbe Minute vorbei. Bei der Veränderung des Luftdrucks verstummten die unruhigen Hunde. Jetzt begann ihr zappeln erneut. Vorsichtig knüpfte ich den Deckel frei. Hob ihn eine handbreite an. Streichelte meine ungeduldigen Gefährten. Beruhigte damit uns alle. Jedenfalls stand ich nicht alleine da. Stellte den Korb hinter mich und schob äußerst gespannt die Türe zur Seite. Völlige Dunkelheit. Probeweise tappte ich mit der Fußspitze nach draußen wo der Boden sein sollte. Der war da. Behutsam setzte ich den ganzen Schuh ab. Höchst verdächtig knirschte es unter meinen gepolsterten Sohlen, so als ob man über Glasscherben trat. Unsicher testete ich hüpfend den ungewöhnlichen Halt. Der Boden hielt. Wo ungefähr war damals die Tür gewesen? Wage erinnerte ich mich an den ungefähren Winkel. Verlies mich mehr auf meinen Instinkt. Mit ausgestreckten Händen tappte ich durch die Dunkelheit. Hinter mir kratzten weiche Pfoten, in der offenen Kabine, herum. Nervös jaulte einer der Welpen. Sie getrauten sich nicht nach draussen. Der verzerrte Schrei hallte in dem größeren Raum. Es war ein riesiges Zimmer oder gar eine Halle? Blieb nur... Das war doch eine kalte, metallene Türklinke. Sie gab unter meinem Händedruck nach. Mattes Licht hieß mich in dem folgenden, langen Korridor willkommen. Automatisch tippte ich auf den Lichtschalter. Er klappte zwar herum, aber vergeblich wartete ich auf eine verbesserte Sicht. Menschenleer der Gang. Mindestens in dem Kontrollhäuschen zur Rechten müsste jemand den Gang überwachen. Ein stiller Schrei hallte stumm in mir hoch. In welcher Zeit war ich nun gelandet? Hoffentlich nicht in einem wo sie gerade Krieg führten oder sogar später. Gab es verseuchte atomare Gebiete. Angst steigerte sich in meinem inneren. Bekannte Zellen, zu meiner Linken standen alle offen, leer. Fast leer. Mir stach die verbotene Flasche gleich ins Auge, eine Kerze sowie die Zündhölzer. Innert einer Minute besaß ich Licht. Mit der Mittelalterlichen Lampe spazierte ich so schnell es ging, ohne dabei die flackernde Kerze auszulöschen, zur Kabine zurück. Sobald meine Hunde mich klar sahen stürmten sie herbei. Tapsten dabei vorsichtig um die grünen Scherben. Einige Alkoholflaschen lagen umgekippt herum. Es roch leicht säuerlich nach gegorenem, säuerlichem Getränk. Sogar einige bekannte Markendosen teilten das Schicksal der verlorenen, verlassenen Flaschen. Überhaupt sah es unordentlich in diesem einstigen vorbildlichen Labor aus. Huschte da nicht etwas Dunkles über den staubigen Boden. Versteckte sich unter zerrissenen Lumpen. Aufmerksam stürzte ein Welpe neugierig auf das wunderliche Ding. Sobald er eine Pfote auf den schmutzigen Stoff setzte, Quietsche es empört. Aufgeschreckt jagte die Ratte zu einem sicheren Versteckt untern den nächsten Schrank. Kein elektrisches Licht, kein Strom. Mir tat das Herz auf einmal weh. Dongard sah voraus das ich zurückkehrte, an diese letzte Hoffnung klammerte ich mich um nicht wieder den Verstand zu verlieren. Die Frage war nur wie alt war ich dann mittlerweile? Wenn ich erst als Greisin einen Weg zurück fand, nützte mir das herzlich wenig. Dann würde höchstens noch Dongard leben. Verdammt, was war schief gelaufen seit ich weg war. Ging die Firma Pleite? Einer der wahrscheinlichsten Gründe. Diesen enormen Schaden, oder gar komplizierte Reparaturen durchzuführen brauchte eine Menge Geld. Da reichte ein halbes Kilo Gold kaum bis zur Hälfte. Kein Mechaniker arbeite hier nur fürs Essen. Ausserdem galt es ein Geheimnis um die Maschine zu bewahren. Das komplizierte die Erklärungen enorm, die Entstanden sobald sich die neugierigen Behörden, für die Auferstehung dieser Firma wunderten. Zum ersten Mal wünschte ich mir Dongard als Ratgeber an meine Seite. Fragte mich was er wohl an meiner Stelle als erstes in Angriff nahm. Eine Pfote kratzte an meinem Hosenbein. Automatisch bückte ich mich nach unten. Kraulte den unwissenden Welpen an seinen flauschigen Hängeohren. „Tja, jetzt hängt alles an uns. Lass uns mal nach draußen gehen, nachsehen wie viel sich wohl geändert hat?“
Lustlos traben die drei Gefährten hinter mir her. Kahle, leere Gänge reizten kaum zum spielen. Sie trübten eher unser Gemüt. Mir kam es so vor als ob die ehemaligen Insassen ihre traurigen Geister zurück liessen. Einige Türen fand ich sogar verschlossen vor. Andere Gitterstäbe hielt man weit offen. Bei einem hatte man das Schloss gewaltsam weggesprengt. Dahinter lag der ehemalige Sanitätsraum. Vermutlich suchte jemand nach dagelassenen Medikamenten. Unsere Tabletten von früher würden manchen Suchthaufen begeistern, die bunte Träumerei vor der Realität bevorzugten.
Meine Schritte hallten in die Stille, gefolgt von den leisen Pfoten. Manchmal schnaufte einer der jungen Hunde.
Endlich fand ich die große Treppe welche nach unten in den großen Empfangssaal führte. Zum ersten Mal erblickte ich die Natur draußen. Es war Dämmerlicht. Nieselregen klatschte an die Panzerglasscheiben mit welcher man den Eingang sicherte. Trotzdem gab es bereits mehrere gesprungene Löcher. Jemand hielt es für Interessant die Stabilität zu testen. Es verwunderte mich auch kaum als ich bei einem seitlichen Fenster eine Bretterwand vorfand. Ich steuerte dieses Kontrollzimmer an. Hier wurde man früher am Empfang registriert. Schmucklos die Türe. Hinten hing ein Kalender an der Wand. Lieferte den ersten Hinweis dass es nur ein Jahr später, nach meiner Abreise, passierte. Dieser urplötzliche Ruin wurde in nur einem Jahr eingefahren? Zum Glück war ich nicht der Verantwortliche Chef. Nur ab heute würde ich wohl diesen Posten übernehmen. Ein leichter Windstoß ließ die Bretterwand draußen an die Wand klappern. Die gewöhnlichen Scheiben waren hier längst eingeschlagen und in eine Ecke grob gewischt. Daher überraschte es mich kaum als ich sogar die Bretter spielerisch mit der Hand anhob. Hier drangen also die randalierenden Jugendlichen herein. Oder waren es ein paar verwahrloste Obdachlose. Jedenfalls benutzten die heimlichen Bewohner diese trostlose Unterkunft selten. Nichts als weißen Beton und Gitter fand man hier. Selbst die Betten in den Zellen waren hart. Daran erinnerte ich mich ungern. Der Einkleideraum, schoss es mir durch die Gedanken. In einem der alten Schränke fand ich zuhindert sogar ein paar weiße Kittel in Übergrößen. Um mich zu wärmen zog ich gleich drei an. Das schützte vor dem unfreundlichen Regen draußen. Erst hob ich die Bretter an und spähte ob es draußen keine Scherben gab. „Wollt ihr lieber hier bleiben oder sehen was es draußen gibt?“
Zur Antwort rückten die verunsicherten Hunde dicht an mein Bein. “Dann suchen wir mal ein trockenes, geheiztes Plätzchen draußen in der Stadt.“ Einen nach dem anderen hob ich nach draußen. Die letzte, leichte Hündin hielt ich im Arm. Sie zitterte. Sah mich mit ihren großen Augen an. „Ich habe Hunger“, flüsterte sie fast unhörbar in der hier unbekannten Sprache. Ich verstand sie. Wie selbstverständlich, wie normal das Hunde sprechen können, fragte ich in die Runde. „Sonst noch einen Wunsch?“
Keck kam es von der Seite. „Eine flauschige Decke für die Nacht und einen großen Ball zum spielen.“
Mein Blick wanderte zur letzten Kandidatin. Ihre braunen Augen musterten mich kritisch ernst. „Safina, bist du ab jetzt unsere Mama?“ Das schien ihr Anliegen zu sein. Einen Moment brauchte ich dennoch um die Sache zu verdauen. Jetzt verstand ich das Versprechen diese Welpen niemals zu verschenken. Begriff die riesige Bedeutung der neuen Verantwortung. Nachdenklich nickte ich. „Wenn du das wünschst, dann bin ich es gerne.“
Unschlüssig sah sie mich schief an. „Bist du es oder bist du es nicht?“
Ich lehnte an die graue Wand. Der Rüde suchte Schutz unter meinem weiten Kittel. Sie dagegen verharrte an ihrer nassen Stelle. Bedeutungslos der Regen. Nachdenklich erklärte ich. „Eine Mutter zu sein kann man nicht erzwingen. Ich versuche mein Bestes. Als erstes finde ich brauchen wir was Anständiges zu Essen. Verrückt da ich ein kleines Vermögen in der Tasche besitze aber kein nötiges Kleingeld. Wir müssen in die Stadt um einiges zu erledigen. Vielleicht schaffen wir es auch mit betteln. Ihr müsst einen diesen herzerweichenden Blicke aufsetzen.“ Dabei amte ich Maximilian nach, wenn er was von mir wollte. „Grosse Augen. Aber ihr dürft kein Wort reden. Bellen wie normale Hunde, aber kein Wort in der Menschensprache.“ Zur Unterstützung drohte ich mit dem Zeigfinger. Der junge Welpe drehte mir den Rücken zu. „Pah, das kennen wir. Die gleichen Regeln wie im Labor. Gib es hier auch andere Hunde.“
Mit Hoffnung lächelte ich zurück. „Ich erzähle euch alles auf dem Weg in die Stadt. Wenn ihr was wissen wollt und andere Leute sind in der Nähe, flüstert es mir einfach ins Ohr. Habt ihr Namen?“
Zu meinen Füssen murrte einer. „Ja, ziemlich doofe. Wer will schon wie ein Medikament heißen?“
Da wartete eine Menge Arbeit auf mich. Gewaltige, richtige Arbeit die sogar mit Händen unterstützt werden wollte. Nun war ich in meiner alten Welt. Ein neuer Anfang um mir einen Platz im Paradies zurück zu erobern. Dank den Hunden fühlte ich eine ungeahnte Energie hochsteigen. Tränen der Erleichterung flossen mir über die Wangen. Im Regen sah es niemand.
Die ersten mehrstöckigen Hochhäuser waren kaum hundert Meter entfernt. Die Stadt mit ihren Lichtern so nahe. In der Ferne das aufgeregte heulen einer Sirene. Diesmal überfiel mich kein kalter Schauder. Es galt nicht mir. Meine Verfolger waren weit weg. Jahre entfernt. Eigentlich könnte alles nur ein schöner Traum sein. Das Geschnatter der aufgeweckten Welpen die bereits über neue Namen stritten, verschaffte mir Innere Wärme. Der verbindende Beweis. Ein unbezahlbares Erbe hatte ich mitgenommen.
Ein Teil der mich immer an Maximilian erinnerte. Mich ermunterte für das neue Jahr. Alles einzusetzen um Dongards Prophezeiung zu erfüllen.
Für alle die es bisher schafften... ja es gibt bereits eine Fortsetzung. Ist ca. ein halbes Jahr in Korrektur^^. Wem die Geschichte kein Herzchen wert ist, bitte Kommentar hinterlassen damit ich mich in der Fortsetzung verbessern kann. Danke und Gruss.
Texte: Alle Rechte liegen bei der Autorin.
Bildmaterialien: alle Rechte liegen bei der Autorin
Tag der Veröffentlichung: 22.11.2011
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