Canned hunting – Gatterjagd
ich wurde am 13. März 2004 geboren, meine Mama hab ich nie gesehen. In einem kleinen Käfig, in dem ich mich kaum bewegen konnte, war ich eingepfercht, wie viele andere auch. Direkt neben mir war eines meine Geschwister. Doch es starb bald aus Einsamkeit – in einem immerhellen Gebäude voller anderer Löwen. Den ganzen Tag miaute es und es stank fürchterlich mir gegenüber war ein Junglöwe, langsam bekam er seine Mähne. Oft dachte ich er würde weinen, denn er sah immer so traurig aus und wimmerte oft. Ab und zu kamen Zweibeiner, die uns ein wenig zu fressen gaben oder größere, ältere Löwen weg brachten.
Eines Tages wurde auch der traurige Löwe weggebracht. Völlig steif von meinem Gitterverschlag wurde ich in den freigewordenen Käfig gejagt. In meine altes Zuhause kam ein kleines Fellknäuel. Bald bewegte sich das Fellknäuel nicht mehr und es wurde achtlos in den Müll geworfen.
Eines Tages hörte ich ein lautes Brülle, wie es nur vom König der Tiere kommen konnte. Es totenstill nirgends miaute es, alle lauschten. Ein gewaltiger Löwe, er musste viel älter sein als ich, lief den Gang, der normal nur von den Zweibeiner benutzt wurde, entlang. Er brüllte: „Die Zweibeiner sind schreckliche Kreaturen!“ Plötzlich stand eine dieser Kreaturen auch im Gang, in den Händen hielt es ein seltsames Gerät. Man hörte ein lautes Knallen und der Löwe fiel um, etwas Rotes spritzte und allen war klar: ein König war gefallen. Erschrocken starrte ich den leblosen Koloss an, der vor meinem Käfig lag. Der Zweibeiner ging, wie wenn nichts geschehen wäre. Bald wurde der leblose Körper weggebracht. Alltäglich Dinge nahmen wieder alle Zeit in Anspruch ältere Löwen wurden weggebracht, Fellknäuele in die kleinen Käfige gesetzt, Futter wurde gebracht und oftmals standen Zweibeiner vor den Käfigen und diskutierten über „Jagdqualitäten“ oder „Preiskategorien“. Die Zeit verging und ich wuchs zu einer jungen Löwin heran.
Am 23. Dezember 2007 sollte ich meinen Käfig verlassen und durch den Gang der Zweibeiner ins Freie gejagt werden.
Zum ersten Mal in meinem Leben verließ ich das triste Gebäude. Ich wurde in die Freiheit entlassen – oder eher ein riesiges, abgezäuntes Gebiet – aber es kam mir wie die Freiheit vor. Als Erstes rannte ich so schnell ich konnte. Es tat gut meine müden, kaum genutzten Pranken gegen den Boden zu pressen um mich abzustoßen. Es fühlte sich so herrlich an wie der Wind um meine Ohren pfiff. Endlich sah ich etwas anderes wie trostlose Gitterstäbe und bemitleidenswerte Löwenbabys. Ich sah Elefanten, Zebras, Giraffen, Nashörner, andere Löwen, Gebüsche, Bäume, den Himmel und die Sonne. Es roch ganz anders aber es stank nicht. So muss das Paradies sein!, dachte ich. Als ich müde wurde gesellte ich mich zu anderen Löwen, keinen störte meine Anwesenheit.
„Hallo, kleines Löwenkind.“, sagte ein großer Löwen.
„Hallo.“, erwiderte ich und meinte das Tier schon einmal gesehen zu haben.
„Bist du frisch raus gelassen worden?“, fragte er.
„Ja.“
„Aha. Ich bin schon eine Weile hier aber du erinnerst mich an Jemanden.“
Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen dieser imposante Löwe was der Junglöwe von dem ich dachte, dass er weinen täte.
„Ich kenne dich! Du bist doch der weinende Junglöwe, der im Käfig mir gegenüber saß.“, stieß ich hervor.
„Ja, genau. Die Kleine bist du?! Du hast dich echt verändert. Aber warum denkst du, dass ich weinen täte?“
„Weil du so traurig aussahst und so oft gewimmert hast.“, sagte ich und wendete mich gen Himmel.
Erstaunt sah ich, dass der Himmel sich verfinsterte.
„Es ist normal, dass der Himmel hell und dunkel wird. Das Helle heißt Tag, das Dunkle Nacht.“, erklärte der ehemals weinende Löwe, etwas weinerliches hatte er nicht mehr an sich.
„Du brauchst übrigens noch einen Namen.“, sprach er weiter.
„Einen Namen? Was ist das?“
„Damit wirst du gerufen. Es kann ja nicht jeder Löwe mit „Löwe“ gerufen werden.“
„Klingt einleuchtend. Wie ist dein Name?“
„Ich heiße Muca.“
„Und wie soll ich mich nennen?“
„Hmmm...“, Muca schaute mir in die Augen,“wie findest du Kimba?“
„Kimba? Gefällt mir.“
„Gut. Komm mit Kimba ich zeige dir etwas, dass du unbedingt beachten musst.“, sagte Muca und lief los. Ich folgte ihm, obwohl ich gar keine Lust mehr hatte zu laufen. Bei jedem Schritt den Muca machte wehte sein Mähne in der Luft durch die Bewegungen.
„Wo gehen wir hin?“, wollte ich wissen.
„Es ist so, du musst dich jetzt vor den Zweibeinern in Acht nehmen. Sie wollen dich töten.“, erwiderte Muca.
„Was? Warum wollen sie mich töten?“, ich konnte Muca das nicht glauben.
„Weil es ihnen Spaß macht. Schau hier, siehst du das Fleisch dahinten?“, Muca blieb endlich stehen. Wenige Meter vor uns lag ein großes Stück Fleisch.
„Ja, was ist damit?“
„Du darfst es nicht fressen. Dann kommen die Zweibeiner und erschießen dich von einem Auto aus. Das Fleisch ist giftig, wenn du es frisst kannst du nicht mehr rennen.“, erklärte Muca.
„Das ist ja schrecklich! Warum tun die Zweibeiner so etwas?“, stieß ich hervor.
„Ja, es ist schrecklich. Die Zweibeiner, die nicht von hier sind, geben den Zweibeinern von hier sehr viel wertvolles Papier, sie nennen es Geld, um uns zu erschießen und ein Foto davon zu bekommen um in ihrer Heimat damit prahlen zu können.“
„Warum tun die das?“
„Weil sie uns auf erlaubte Weise nicht so einfach bekommen.“, erwiderte Muca.
„Was ist die erlaubte Weise?“
„Wenn sie uns nicht mit Fleisch anlocken und uns keine seltsamen Mittel dadurch einflößen und uns von keinem Auto aus erschießen.“
„Aber ein Foto dürfen sie immer noch machen?“
„Ja.“
„ Und ich dachte, das wäre so was wie ein Paradies.“, gab ich enttäuscht zu.
„Das glaubten wir alle anfangs. Komm lass uns zu den Anderen zurückgehen.“
Wir trotteten zurück. In der Ferne sah man die Lichter der Zuchtanlagen, die im Dunkeln ganz unscheinbar aussahen. Das war meine erste Nacht unter freiem Himmel.
Als die Sonne wieder aufging fühlte ich mich total gut, die warmen Sonnenstrahlen die meinen Körper beschienen und wärmten genoss ich und räkelte mich. Am späten Vormittag ging ich mit Muca zu einer Wasserstelle . Wir tranken. Als Muca seinen Kopf wieder hob sah er eine riesige Staubwolke, die einem Truck folgte, auf uns zu kommen.
„Kimba, los wir müssen hier weg, die Zweibeiner kommen!“, knurrte Muca.
Ich hob den Kopf und sah auch den Truck näher kommen. Wir drehten uns um und begannen zu rennen so schnell es ging. Es half nichts das riesige, beschmutzte Auto kam immer näher. Auf der Ladefläche saßen einige Zweibeiner alle hatten sie ein Gerät in der Hand, das in meinem früheren Leben einem Löwen vor meinen Augen getötet hatte. Die Zweibeiner auf der Ladefläche legten die Geräte, die man Gewehr nennt, an und zielten auf Muca. Plötzlich knallte es und Mucas Vorderbeine knickten unter einem schmerzerfüllten Brüllen weg, er knallte auf den Boden und bewegte sich nicht mehr. Erschrocken sah ich wie ein paar von den Zweibeinern auf dem Wagen begannen zu jubeln. Sie sprangen ab und einer positionierte sich voller Stolz an Mucas leblosen Körper, ein anderer nahm ein gerät, richtete es auf den anderen, drückte einen Knopf und es blitze. Danach luden sie Mucas Körper auf die Ladefläche, sprangen auf und fuhren davon. Ich stand da wie angewurzelt und starrte ihnen nach. Lange stand ich so da und versuchte zu begreifen. Irgendwann bin ich dann doch gegangen als ich einige Löwen von der größeren Gruppe des letzten Tages traf sagte ich ihnen was geschehen war. Gemeinsam gingen wir zu den anderen Zurück. Alle waren bedrückt. In dieser Nacht konnte ich nicht schlafen. Irgendwann bin ich mitten in der Nacht los gezogen und dachte die ganze Zeit an Muca, ein Tier, dass ich kaum kannte. Ich seufzte und roch plötzlich einen betörenden Duft – es war Fleisch. Da fiel mir auf, dass ich hungrig war wie lange schon nicht mehr. Ich ging der Fährte nach und sah mitten auf dem Weg ein großes, saftiges Stück Fleisch liegen. Nirgends in der Umgebung war Jemand, also ging ich davon aus, dass niemand kam und stürzte auf das gelegen kommende Essen zu. Tief schlug ich meine scharfen Zähne ich das Fleisch und riss ein Stück heraus. Als ich mir den Bauch voll geschlagen hatte, streckte ich mich und wollte mich schlafen legen. Komisch, dachte ich, grad eben warst du doch noch vollkommen wach was ist den los?
Plötzlich wurde es hell, Scheinwerfer strahlten in der Dunkelheit. Vor dem Licht bewegten sich zweibeinige Silhouetten. Ich wollte weg rennen doch es ging nicht, meine Beine waren zu schwer. Da kamen mir Mucas Worte in den Sinn, wie er mich vor dem Fleisch gewarnt hatte. Ich brüllte in der Hoffnung das würde die Zweibeiner abschrecken. Doch ich irrte mich, unbehelligt gingen sie auf mich zu, legten ihre Gewehre an, zielten und drückten ab...
Das war am 26. Dezember 2007. Genau wie Muca bin ich einem Touristen aus Amerika oder Europa zum Opfer gefallen und bin nun in einem Wohnzimmer auf einem Bild über mir präsentiert der stolze Jäger sein Gewehr. Wo bleibt der Respekt Tieren gegenüber? Es scheint als ob Menschen vergessen haben, dass sie auch Tiere sind..
Tag der Veröffentlichung: 22.03.2010
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