Cover



Die Straße war blitzblank. Kein Blatt mehr, keine Zigarettenkippen. Gökan stand mit den Kollegen auf dem Gehsteig. Die Kehrmaschinen weiter vorne.
„Viel Arbeit heute“, sagte er.
Die Kollegen nickten. Stefan lüftete sein Baseballkäppi.
„Harte Zeit, der Herbst.“
Ein Windstoß fuhr in die Bäume und blies neue Blätter herunter. Sie sammelten sich zu kleinen Wirbeln. Einige Blätter blieben in den Gullischlitzen stecken.
Gökan zog eine Schachtel Zigaretten aus der Jackentasche und hielt sie den anderen hin. Sie schüttelten die Köpfe. Er nahm eine Zigarette und zündete sie an. Die Männer lehnten an der Hauswand. Dorthin schienen die letzten Strahlen der Nachmittagssonne.
„Heute aber noch schön. Schlimmer, wenn Winter kommt.“
Gökan blies den Rauch aus.
„Dann nass und kalt. Wo meine Familie kommt, Kemer, ganzer Winter hat es 15, 20 Grad, nie kälter. Und Sonne ist immer da.“
„Wollen wir gar nicht hören“, sagte Stefan, „und wer geht heute Abend mit auf ein Bier?“
Die anderen nickten. Gökan nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette. Seine Halsmuskeln spannten sich.
„Kann ich leider nicht.“
Er blies den Rauch durch die Nase aus und wischte sich mit der Hand übers Gesicht. Die Knöchel waren dick, er konnte die Finger nicht gerade strecken. Gökan warf die Zigarette weg. Sie prallte an der Hauswand ab und qualmte auf dem Gehsteig weiter. Er ging zu seiner Kehrmaschine. Ins Depot und dann zum Bus. Er musste sich beeilen. Der Kindergarten machte um fünf zu.
Gökan eilte die Treppen zum Turnraum hinauf. Er hielt sich am Geländer fest und konnte so drei Stufen auf einmal nehmen. Büsra und Kübra und die anderen Kinder spielten mit den Bällen. Dribbeln, werfen, schießen. Katharina, die Erzieherin, klatschte drei Mal in die Hände. Die Kinder rannten ihrem Ball hinterher und hielten ihn mit beiden Händen fest. Außer Kübra. Sie ließ ihn fallen. Der Ball hüpfte davon. Sie stolperte hinterher. Die Kinder lachten, auch Kübra. Endlich hatte sie den Ball geschnappt.
Sie schrie: „Jippie“.
Gökan pfiff durch die Zähne. Büsra und Kübra sahen ihren Vater und rollten die Bälle sofort zur Seite. Sie riefen der Erzieherin zu:
„Tschüss Katharina. Tschüss Katharina.“
„Bis morgen Büsra, tschüss Kübra.“
Gökan nickte und ging die Treppe hinunter.
Die Mädchen überholten ihn, rannten zur Garderobe und zogen Jacke, Mütze und Schuhe an. Er stand daneben und trat von einem Fuß auf den anderen.
„Seid immer so langsam.“
Büsra versuchte sich zu beeilen und vertauschte den rechten und den linken Schuh. Gökan kniete sich hin und riss Büsra die Schuhe vom Fuß, ohne den Klettverschluss zu öffnen.
„Aua, Papa.“
„Zieh richtig an, jetzt.“
Gökan trieb Büsra und Kübra mit einer wischenden Handbewegung zur Tür.
„Warum nicht die Mama holt uns heute ab?“
„Muss in die Arbeit, putzen. Heute ich passe auf.“
Sie gingen hinaus.
Der Wind war stärker geworden. Blätter stoben durch die Luft. Gehweg und Straße waren voller Laub. Kübra und Büsra hüpften hoch und fingen Blätter. Kübra fiel hin, lachte und stand wieder auf.
„Los, weiter jetzt“, sagte Gökan.
Er zog den Reißverschluss seiner Jacke bis unters Kinn.

Impressum

Texte: Cover und Text von Sabina Salander
Tag der Veröffentlichung: 20.10.2011

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /