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Prolog: Like a shock to my heart when I saw you tonight


Ich sitze gerade im Flugzeug und starre stumm aus dem Fenster. Der Sitz neben mir ist frei und darüber bin ich eigentlich auch ganz froh. Ich bin gerade mal ein paar Stunden unterwegs und trotzdem vermisse ich ihn jetzt schon. Ich weiß, wie kann man so einen Arsch von Freund überhaupt auf irgendeine Art und Weise vermissen? Na ja, ich kann es mir selber auch nicht erklären. Ach und um die ganze Situation erst mal ein wenig aufzuklären, mal ein kurzer Zeitsprung zurück.

Vor einer Woche kam unserer Kunstlehrerin an und berichtete unserem Kurs, dass wir eine Reise machen würden. Nach Kroatien. Hört sich natürlich alles wunderschön an, außer wenn man bedenkt, dass wir nach Hum fliegen. Ja genau, Hum! Die kleinste Stadt Europas! Wer will da schon hin?! Aber sie war der Meinung und ist es leider immer noch, dass man dort sehr zum Zeichnen inspiriert wird. Also sitze ich jetzt hier und seufze ununterbrochen auf.

"Was ist eigentlich mit dir los? Du kannst ja nichts anderes mehr machen, außer seufzen. Liebeskummer?", fragt Vio mich da plötzlich. Sie hat sich neben mich auf den Sitz fallen lassen und ich schrecke sofort auf. Dann sehe ich sie kurz schweigend an und schüttele den Kopf.

"Nein. Ja...ich weiß auch nicht. Ich vermisse ihn jetzt schon.", murmele ich dann und Vio sieht mich aus glänzenden Augen an.

"Ach Steve du bist so süß! Schade, dass du kein Hete bist. Mit dir wäre ich verdammt gerne zusammen." Ich bin knallrot angelaufen, was ich sehr wohl auch selber bemerke. So eine Anmerkung macht man doch als beste Freundin nicht, oder? Also ich würde so etwas nicht machen. Ok, ich bin aber auch ein Kerl und zu dem auch noch schwul.

"Was soll ich denn jetzt machen? Ich kann ihn ja aus dem Flieger nicht mal mehr anrufen!", heule ich Viola voll, die mich sofort in den Arm nimmt.

"Nimm es dir nicht so zu Herzen. Ich meine, du siehst ihn doch in einer Woche wieder.", erwidert sie und streicht mir durch mein Haar. Ich seufze erneut auf und muss leicht lächeln.

"Liebe Passagiere. Wir landen in Kürze. Wir bitten sie sich wieder an ihren Platz zu setzen, die Tische hochzuklappen und die Lehnen hochzufahren.Wir bedanken uns, dass sie uns ihr Vertrauen geschenkt haben und mit Air Port geflogen sind.Vielen Dank." Viola lässt von mir ab und setzt sich zurück. Ich seufze leise und starre weiterhin aus dem Fenster, als es auf einmal steil hinabgeht und ich glaube, ein knackendes Geräusch zu hören. Macht sich gut, wenn man eh schon Flugangst hat. Sofort bin ich kreidebleich und hebe den Blick vom Fenster. Es dauert alles kaum fünf Minuten, als wir tatsächlich gerade noch unbeschadet landen, jedenfalls sehe ich es so. War bestimmt wirklich knapp. Wieder eine Durchsage des Pilots.

"Liebe Damen und Herren, wir haben so eben Hum getroffen. Zudem haben wir gerade alle gemeinsam beschlossen, dass der Co-Pilot nicht weiter mit uns fliegen kann. Wir holen uns einen anderen aus der Schule, der schon besser landen kann. Vielen Dank für ihr Verständnis. Noch eine angenehme Reise."

Ich habe mich die ganze Zeit über unbewusst an den Sitz gekrallt. Jetzt suche ich nach einer Kette um meinem Hals. Erleichtert atme ich auf, als ich sie in der Hand halte und stehe dann mit wackeligen Beinen auf. Ich verlasse zusammen mit dem Rest meines Kurses das Flugzeug und sehe mich kurz auf dem Flughafen um. Nicht gerade groß. Aber was soll man von der kleinsten Stadt Europas auch schon erwarten? Überhaupt ein Wunder, dass es hier einen Flughafen gibt.

Unsere Lehrerin trommelt uns zusammen und erläutert uns kurz das weitere Geschehen. Als würden wir nicht selber wissen, dass wir jetzt erst einmal unser Gepäck holen und dann auf den Bus warten müssen. Ich halte mich ein wenig im Hintergrund. Klar habe ich meine Freunde gefunden, aber momentan will ich lieber alleine sein. Oder um es anders auszudrücken, am liebsten ja bei meinem Freund. Aber nein! Unsere doofe und ach so blöde Lehrerin kommt ja ausgerechnet jetzt mit einem Ausflug an! Dabei sind Vince und ich gerade mal ein halbes Jahr zusammen. Ja ich weiß, dass das lange ist. Na und?

Gekränkt gehe ich zu dem Gepäckband und warte auf meinen Koffer. Ich ziehe ihn von dem Band runter und zerre ihn hinter mir her. "Jetzt mach doch nicht immer ein Gesicht, wie sieben Tage Regenwetter, nur weil du mal ein paar Tage von deinem Liebsten getrennt bist.", fängt Vio auch sofort wieder an, als sie mich eingeholt hat. Ich grummel nur leise und zucke mit den Schultern.

"Du kannst ohne ihn doch sowieso viel mehr Spaß haben. Er ist immer noch so prüde und nervig wie früher."

"Du kennst ihn ja auch nicht richtig." Auch wenn sie ihn richtig kennen würde, das würde vermutlich nichts ändern. Die beiden sind doch schon seit Ewigkeiten verfeindet.

"Ich will ihn gar nicht näher kennen lernen. Ich bin froh, meinen Steve mal ganz für mich alleine zu haben. Ihr wohnt zusammen und seht euch sonst jeden Tag. Da wird eine Woche doch kein Problem sein."

Ich weiß ja, dass sie es unerträglich findet, dass Vince und ich ein P-P-Pa.... Aber trotzdem könnte sie mich auch mal ein wenig unterstützen und aufmuntern. Stattdessen versucht sie lieber, mich von Vince fernzuhalten.

"Vio!", ruft Alisha da gerade. Ihre große Schwester ist mit uns gekommen, auch wenn sie eigentlich

nicht zu unserem Kunstkurs dazugehört. Aber da sie unsere Lehrerin vom letzten Jahr kennt, hat sie um Erlaubnis gefragt. Vermutlich hätte auch jeder Penner von der Straße mitkommen können, so wie ich Frau Henecke kenne. Sie ist eine viel zu gute Seele. Vio lässt von mir ab und schon bin ich wieder alleine. Ich warte ein wenig abseits von der Gruppe mit auf den Bus und setze mich auf meinen Koffer. Dann krame ich mein Handy hervor und schalte es an. Der Bildschirm leuchtet auf und sofort werden mir zig Nachrichten von Vince angezeigt. Lächelnd öffne ich die erste und schalte durch. Mein Lächeln erstirbt allerdings, als ich den Inhalt der SMS lese. Der Kerl kann es aber auch einfach nicht lassen! Wenn er geil ist, soll er sich doch einen runter holen und sich nicht bei mir beschweren, dass ich weg bin. Als wäre ich nur sein Betthäschen. Der Kerl kann mir echt gestohlen bleiben! Knurrend will ich gerade wütend antworten, als ich weiter runterscrolle.

>Warum antwortest du nicht? Seid ihr immer noch nicht da? Ich mache mir Sorgen.

When we touch in the dark


"W-wer?", frage ich und setze mich sofort auf. Das ist mir nicht geheuer. Wer zum Teufel steht da in meinem Zimmer? "Keine Angst Steven. Ich bins.", meint die Person und ich schmunzele leicht. Das Licht geht auf einmal an und ich muss ein paar mal stark blinzeln, bis ich mich wieder an die Helligkeit gewöhnt habe.
"Chuck?!", frage ich perplex nach. "W-was machst du denn hier?", stottere ich und ziehe mir die Decke noch etwas höher. Ich hasse es, wenn mich 'fremde' Leute halbnackt im Bett sitzen sehen.
"Dich besuchen, was auch sonst?", fragt er und grinst mich frech an.
"Es ist mitten in der Nacht!", fauche ich ungehalten und will eigentlich nur schlafen.
"Ja eben. So sind wir wenigstens ungestört.", meint er nur schulterzuckend und kommt auf mein Bett zu. Ich bin mir nicht sicher, was ich genau davon halten soll. Ungestört? Hat er etwa etwas vor? So langsam kriege ich noch mehr Angst vor dem Kerl, als vorher schon.
"Woher weißt du, in welchem Zimmer ich schlafe?", frage ich misstrauisch nach.
"Ich arbeite hier, da ist es nicht gerade schwer, an das Gästebuch an der Rezeption zu kommen. Keine Sorge, ich tu dir schon nichts." Tja, hatte Vince so etwas nicht auch mal gesagt? Und kurz danach hat er mal wieder mit mir geschlafen. Ok, aber das ist eben Vince. Ich weiß dennoch nicht,
was ich dazu jetzt sagen soll. "Was willst du von mir?"
"Ein wenig plaudern, mehr nicht. Sag mal, bist du eigentlich vergeben?" Was soll denn diese Frage
jetzt schon wieder? Sofort bin ich rot angelaufen. Eigentlich geht es den Kerl doch gar nichts an. "Das hat dich nicht zu interessieren.", murmel ich also. Wieso eigentlich? Das wäre die perfekte Ausrede! Für was auch immer.
"Das heißt also, dass ich noch eine Chance habe? Schließlich hast du nicht zugesagt. Wie wäre es? Morgen? Treffen am Strand? Ich bringe dir gerne mal Surfen bei. Außerdem-"
In dem Moment erscheint erneut ein Schatten in der Tür. Dann erkenne ich leider Gottes, dass es nicht nur irgendein Schatten ist, sondern sein Schatten!
"Steve?!", fragt Vince und sieht entrüstet von Chuck zu mir. Ich öffne meinen Mund, um etwas zu sagen, doch Chuck kommt mir zuvor. "Chuck und du bist?", fragt er einfach und streckt Vince die
Hand entgegen. Dieser starrt mich allerdings nur wütend an.
"Erklärung! Sofort! Von mir aus können wir es aber auch gleich beenden!", knurrt er gefährlich und kommt nun ebenfalls auf mich zu. Habe ich schon mal erwähnt, dass man sich ziemlich schnell von Leuten bedrängt fühlen kann? Genau das Problem habe ich jetzt.
"Ach, das ist dein eifersüchtiger Freund? Dann weiß ich ja wenigstens schon mal, dass du schwul bist. Meine Chance scheint von Minute zu Minute zu steigen.", meint Chuck grinsend, was die Sache nicht gerade verbessert. Ich raufe mir die Haare und scheine völlig überflüssig zu sein. Schließlich bin ich der einzige, der bisher nichts zu der Situation beitragen konnte, dabei bin ich doch eigentlich das Problem?
"Vince hör zu. Das ist gerade ganz-"
"Anders als ich denke? Dann erkläre mir mal, wieso der Typ mitten in der Nacht an deinem Bett steht und irgendetwas von einer Chance labert!", keift er gleich drauf los und lässt sich einfach rittlings auf meinen Beinen nieder. "Du hast zehn Sekunden!", knurrt er dann und ich sehe ihn an, wie ein Hase, der direkt vor einer Schlange sitzt.
"Ich hab Chuck beim Abendessen kennen gelernt. Er arbeitet hier und ist gerade auf einen Besuch zu mir ins Zimmer. Ich kenne ihn doch kaum, was weiß ich, was er von mir-"
Plötzlich beugt Vince sich zu mir runter und presst mir demonstrativ seine Lippen auf den Mund. Tja und schon wurde der Hase gefressen. Ich kneife meine Augen zu und erwidere den viel zu stürmischen Kuss. Dann muss ich leise keuchen. Als ich meine Augen ein wenig öffne, sehe ich gerade noch, wie Chuck schlecht gelaunt das Zimmer verlässt. Dann lässt Vince auch schon von mir ab.
"Was sollte das?!", frage ich und wische mir mit dem Handrücken über den Mund. Vince sieht mich nur knurrend an. "Was das sollte?! Das könnte ich genauso gut auch dich fragen, mein Lieber! Du bist mein Freund, schon vergessen?! So lange war der Flug auch wieder nicht, oder hast du deine Gehirnzellen auf dem Sitz liegen lassen?" Ich sehe Vince kurz an und muss schlucken. Na super. Und schon ist er sauer. Dabei habe ich doch nun wirklich nichts gemacht! Ich seufze genervt auf, woraufhin sich Vince Gesichtsausdruck wieder stark verändert.
"Willst du mir etwas damit sagen?", fragt er knurrend und ich sehe ihn nur verständnislos an.
"Ich bin erstaunt, dass du überhaupt eifersüchtig sein kannst! Was zum Henker machst du hier
Vince?", frage ich sogleich nach.
"Ich bin dir hinterher geflogen, was sonst? Denkst du, ich lasse dich eine Woche lang mit irgendwelchen Spasten alleine auf einer Insel? Der Kerl gerade hätte dich jetzt locker flachlegen können! Denk doch mal ein bisschen mit! Du warst doch der ach so schlaue Kerl, der gleich eine Klasse übersprungen hat!", schimpft er und ich sehe trotzig weg. Der hat gut reden. Ich kenne mich mit dem Kram trotzdem noch nicht so aus. Und das, was in Büchern steht, ist nicht gerade hilfreich! ...Ja, ich habe Bücher darüber gelesen. Wie sollte ich mir das Wissen sonst in Kürze aneignen? Durch Vince ganz bestimmt nicht. Auch wenn mein erstes Mal weit zurück liegt, habe ich nicht besonders Lust darauf, mit ihm über so etwas zu sprechen! Und schon gar nicht ihn um irgendetwas zu beten. Das würde ich doch sowieso nicht schaffen.
Vince stützt sich auf und legt sich dann neben mich. "Hier sind zwei Betten. Warum gehst du nicht rüber, wenn du eh schon hier schläfst?", frage ich murmelnd und drehe ihm den Rücken zu. Der kann mich mal! Aber im nächsten Moment spüre ich seinen Arm und wie er ihn um mich legt. Vince zieht mich näher zu sich heran und drückt sich an mich.
"Hör auf zu schmollen wie ein Kleinkind!", murmelt er und gibt mir einen Kuss in den Nacken. Sofort bekomme ich eine angenehme Gänsehaut und wende mich ein wenig in seinem Griff, sodass
ich ihm ins Gesicht sehen kann.
"Willst du dich nicht wenigstens ausziehen?", frage ich dann nach und starre auf sein Shirt.
"Wie? Willst du es jetzt sofort treiben? Na da hat mich ja einer vermisst.", scherzt er und ich bin sofort wieder knallrot im Gesicht. Dann schüttele ich energisch den Kopf.
"Hör auf mit dem Scheiß. Ich meinte lediglich, dass du nicht mit deinen...na..man du weißt schon. Zu Hause schläfst du auch nur in Boxershorts.", merke ich dann einfach an. Wie soll man jemandem klar machen, dass er nur Hose und Shirt ausziehen soll, ohne dass es pervers rüber kommt? Gar nicht! Eben!
"Soll ich die Boxershorts nicht auch gleich mit ausziehen? Das erspart uns gleich ein wenig Zeit.", flüstert er und grinst lasziv.
"W-was heißt hier 'erspart uns gleich ein wenig Zeit'? Ich will schlafen!", murre ich ihm verlegen entgegen. Er seufzt nur und zieht sich langsam sein Shirt aus. Leider muss ich zugeben, dass er dabei mehr als erotisch aussieht. Auch als er sich die Hose auszieht und sie zu Boden fallen lässt, kann ich meinen Blick kaum von ihm abwenden. Als er sich wieder zu mir legt, rutsche ich sofort näher an ihn heran. "Schade das du nur schlafen willst. Und das ganz alleine, nicht mal mit mir.", säuselt er mir ins Ohr, aber ich gehe gar nicht erst darauf ein. Das würde sowieso nur darin enden, dass wir doch noch in der Kiste landen.
"Langweiliger Idiot.", murrt Vince mal wieder, aber ich weiß ja, dass er es nicht so meint, wie er es sagt. Außerdem habe ich mehr Gehirnzellen als er, also ist das für mich auch kein Problem, wenn er mich als Idioten schmipft. Mich würde nur interessieren, was er dann seiner Meinung nach ist.
"Ich bin froh, dass du hier bist Vince.", sage ich leise und gebe ihm einen kurzen Kuss auf den Hals. "Dann muss ich wohl auch froh sein, was?", fragt Vince und lächelt. "Ich hätte sicher keine Woche ohne dich ausgehalten. Eine Woche ohne Sex wäre die Hölle!"
"Du Schwein!"
"Danke. Ich weiß.", kichert er und ich schüttel den Kopf.
"Nacht.", murmel ich schon halb am Einschlafen.
"Gute Nacht mein kratzbürstiges Kätzchen." Er küsst mich noch einmal, ehe ich auch schon
eingeschlafen bin.

Als ich morgens aufwache, liege ich auf Vince Brust. Der Kerl scheint noch tief und fest zu schlafen und ich muss ihn ziemlich unsanft wecken, damit er überhaupt mal die Augen aufmacht. Also zupfe ich an seinem Haar und schüttel ihn ein wenig. "Vince! Vince wir müssen aufstehen!", murmel ich und gähne kurz. Aber er zieht mich nur zurück in seine Arme, nachdem ich mich aufgesetzt habe. "Vince!", murre ich und stemme mich wieder hoch. "Ach, was ist denn?", fragt Vince grummelnd nach.
"Wir müssen aufstehen. Es ist morgens. In einer halben Stunde gibt es Frühstück. Wir müssen duschen, anziehen und uns fertig machen." Vince sieht mich kurz an, dreht sich dann weg und schläft einfach weiter. Ich habe keine Lust, mich weiter um diesen Morgenmuffel zu kümmern, also setze ich mich ein wenig anders hin und gebe ihm dann einen kräftigen Tritt in den Rücken, so dass er von dem nicht allzu großem Bett herunterfällt.
"Tut mir leid. Aber anders kriegt man dich ja nicht wach.", sage ich schulterzuckend und stehe auf. Er sieht mehr als schlecht gelaunt zu mir auf, ehe er sich aufrappelt. "Steven, ich bringe dich eigenhändig um!", droht er mir, aber ich winke nur ab. "Ich gehe duschen. Sieh zu, dass du auch fertig wirst.", murre ich und verlasse das Zimmer. Ich muss erst mal über den Gang zum Bad laufen, wo ich leider mit trüber Stimmung feststellen muss, dass es Gruppenduschen sind und keine Kabinen. Ich sehe mich vorsichtig um, kann aber erleichtert aufatmen, als ich sehe, dass ich alleine hier bin. Ich ziehe mir meine Boxershorts aus und lege sie zusammen mit dem Handtuch auf eine kleine Ablage. Dann gehe ich mit meinem Duschzeug unter eine der Duschen und schalte sie ein. Ich zucke merklich zusammen, als das eiskalte Wasser auf mich herunter läuft und mir bleibt kurz die Luft weg. Ich stelle das Wasser schnell um und seufze dann zufrieden auf.
"Na, auch eine kalte Dusche am frühen Morgen?", höre ich plötzlich eine Stimme hinter mir und laufe knallrot an. Vince ist es nicht. "Ch-Chuck?", frage ich nach, ohne mich umzudrehen. Gott ist das peinlich. Er kommt auf mich zu und stellt sich hinter mich. Er stützt sich mit einer Hand neben meinem Kopf ab und legt mir die andere auf die Seite. Ich öffne den Mund, um etwas zu sagen, aber irgendwie kommt nicht wirklich etwas heraus.
"Schöner Hintern. Und wie sieht's vorne aus?", fragt er frech nach und ich glaube ich bin kurz davor zu sterben.
"Ch-Chuck! Lass mich los!", bitte ich ihn, aber er lässt seine Hand lieber nach vorne auf meinen Bauch wandern. "Chuck!", murre ich, was allerdings nicht wirklich etwas bringt.
"Wir sind unter uns. Wollen wir nicht ein wenig Spaß haben?", fragt er nach und mir scheint es, als wäre er sogar noch sehr viel näher, als er es eigentlich ist. Er beugt sich nach vorne und beißt mir leicht in den Nacken. Mich überkommt ein unangenehmer Schauer.
"Weißt du eigentlich, dass ein Kater bei der Paarung, dem Kätzchen in den Nacken beißt, damit es sich nicht wehren kann?", fragt er kichernd nach. Ich weite meine Augen und versuche mich umzudrehen, damit ich ihn wegstoßen kann. Aber sein Arm, der um mir liegt, hält mich fest.
"Chuck! Ich..ich habe schon...bin schon.." Ich weiß nicht genau, wie ich es sagen soll. Aber ich bin doch schon in einer Beziehung! Wo bleibt Vince überhaupt? Obwohl, der sollte wohl besser nicht hier her kommen. Sonst hätte ich nur noch mehr Probleme, als eh schon.
"Du hast schon was?", fragt Chuck nach. "Einen Freund?" Er lacht leicht. "Und? Das ist doch nicht schlimm? So ein Quickie zwischendurch wird doch wohl jedem mal erlaubt sein." Er grinst und seine Hand streicht immer wieder über meinen Bauch und ich muss leise aufkeuchen, je näher sie Richtung Körpermitte wandert.
"Steven!", höre ich da endlich Vince Stimme, wobei ich mir nicht sicher bin, ob ich mich jetzt freuen oder schämen soll.
"Lass deine Finger von meinem Freund!", keift Vince und zerrt Chuck von mir weg. „Du bist doch der Kerl von gestern!", knurrt er und umfasst hart Chucks Schultern. Dieser sieht ihn nur mehr oder minder überrascht an, ehe sein Blick wieder zu mir schwenkt.
„Der ist immer noch hier?“, fragt er dann und ich laufe augenblicklich wieder rot an, ehe ich leicht schmollend nicke. Chucks Blick wandert wieder runter auf Vince, der ihn noch immer wütend festhält.
„Was für ein Knirps.“, sagt er dann lediglich und ich sehe, wie Vince kurz die Gesichtszüge entgleiten.
„Halt deine verdammte Klappe und komm nie wieder in Stevens Nähe!“, knurrt er und funkelt Chuck ernst an. Dieser zuckt wieder nur leicht mit den Schultern.
„Ich verspreche nichts.“, sagt er, windet sich aus Vince' Griff, schnappt sein Handtuch, was er sich um die Hüften bindet und verlässt das Bad so schnell, wie er herein gekommen ist. Ich atme erleichtert auf und starre nun die Wand vor mir an. Meine Lippen sind aufeinander gepresst und ich weiß nicht wirklich, was ich jetzt sagen soll. Doch da höre ich auch schon, wie Vince Hand unsanft neben mir an die Wand knallt und er wütend auf mich hinunter sieht.
„Was sollte das gerade? Hattest du überhaupt vor, dich zu wehren? Ich dachte, wir sind zusammen?!“, fragt er knurrend und ich nicke schnell. Dann fahre ich mir unsicher über den Arm. Jetzt ist er sicher wieder sauer auf mich. Ich lasse meinen Kopf hängen und mache mich auf das Schlimmste gefasst. Allerdings passiert dann etwas, was ich nicht zu träumen gewagt hätte. Vince umarmt mich von hinten und zieht mich dicht zu sich. Er legt seinen Kopf auf meiner Schulter ab und atmete gegen meine nackte Haut. „Wehr dich bitte nächste Mal. Oder ruf nach mir.“, murmelt er undeutlich und küsst leicht meinen Nacken. Er scheint mich nicht mehr loslassen zu wollen, aber ich weiß auch nicht, was ich jetzt sagen soll. Also nicke ich nur leicht.
„Tut mir leid.“, sage ich mit fester Stimme und befreie mich aus seinem Griff. Er lässt zwar nicht los, lockert ihn aber etwas, sodass ich mich in seinem Arm drehen kann. Er drückt mich an seine Brust und ich schließe die Augen. So könnte ich ruhig länger stehen bleiben. Ich versuche es zu ignorieren, dass ich nackt bin. Er selber hat noch seine Boxershorts an, die durch das warme Wasser nun völlig durchnässt ist. Ich seufze leise auf und lächele etwas, als ich seine Hand in meinen Haaren spüre.
„Ich liebe dich. Nur dich.“, flüstere ich und sehe ihn im nächsten Moment unsicher an. Er hat gelacht. Wieso hat er gelacht? Hat er sich letztendlich doch nur einen Spaß aus mir gemacht? Wieso lacht er? Ich öffne meinen Mund, um etwas zu sagen. Allerdings beugt er sich im nächsten Moment hinunter und küsst mich, lässt seine Zunge in meinen Mund wandern und lässt mich aufkeuchen. Sofort schließe ich meine Augen und genieße den Moment. Doch dann schiebe ich ihn vorsichtig von mir. Ich sehe ihn noch immer unsicher an und zupfe leicht an einer seiner Haarsträhnen.
„Wieso hast du gelacht?“, frage ich nach, aber er schüttelt nur den Kopf. Ich fange an zu schmollen und wende ihm den Rücken zu.
„Hey.“, flüstert er und verteilt wieder Küsse in meinem Nacken. „Das war nicht böse gemeint. Ich fand dich nur gerade einfach zu süß, dass ich mich so sehr gefreut habe, dass du mein Freund bist.“, murmelt er und sofort bekomme ich rote Ohren. Ich versuche mich abzulenken und nehme mir mein Duschzeug, was allerdings im nächsten Moment zu Boden fällt. Vince hat seine Hand um meinen Bauch gelegt und krault mich nun unter meinem Bauchnabel. Das ist eindeutig viel zu dicht an einer ganz bestimmten Stelle! Ich bin nun im ganzen Gesicht knallrot angelaufen und würde am liebsten im Erdboden versinken.
„Vince!“, sage ich und muss schlucken. Meine Stimme klingt brüchig. „Stopp! Lass das!“, bitte ich ihn und räuspere mich. „Es kann jeden Augenblick jemand reinkommen! Dir kann es ja ruhig egal sein! Mir nicht!“, murre ich, aber Vince scheint das nicht zu interessieren. Wie üblich. Der sture Bock macht ja doch immer nur das, was er will. Ich keuche auf, als seine andere Hand langsam über meinen Oberschenkel wandert und er sich in meinem Nacken festbeißt. Seine warme und feuchte Zunge leckt über meine nasse Haut, während das Wasser noch auf uns herunterprasselt.
„Wieso soll ich aufhören, wenn es dir doch so sehr gefällt?“, fragt er nach und grinst. Er hat recht. Ich hab eine Latte und kann es nicht abstreiten. Aber ich will es nicht! Nicht hier! Hier ist es mir zu öffentlich und ich habe Angst, dass uns jemand erwischen könnte. Vince seufzte genervt auf. Dann lässt er von mir ab und dreht die Dusche auf kalt. „Wenn du nicht willst, macht es keinen Spaß.“, murmelt er und geht einen Schritt zur Seite, um das Wasser nicht auch abzubekommen. Bei dem Schock verschwindet meine Latte allerdings sofort wieder und ich kann erleichtert aufatmen. „M-mach die D-Dusche wieder warm!“, stottere ich und fange an zu frieren. Wie viel Minusgrade sind das?! Hölle!
„Machs doch selber!“, keift Vince mich ungehalten an und schnappt sich sein Handtuch. Er trocknet sich ab und bindet es sich um. Ich sehe ihm nur verdattert hinterher. Die Dusche geht aus. Eine gute Sache haben diese dämlichen Duschen in diesen Herbergen also doch. Ich zittere noch immer, suche schnell nach meinem Handtuch und muss entsetzt feststellen, dass es weg ist. Oh nein! Hat Vince es etwa mitgenommen?! Der lacht sich vermutlich gerade ins Fäustchen! Was soll ich denn jetzt machen? Unsicher öffne ich leicht die Tür und linse auf den Flur. Bisher sehe ich niemanden. Soll ich es einfach wagen und schnell ins Zimmer laufen? Aber wenn nun doch jemand vorbeiläuft? Aber was bleibt mir schon anderes übrig? Also atme ich tief durch und nehme meinen Mut zusammen. Ich stoße die Tür auf, verdecke mein bestes Stück so gut es geht mit meinen Händen und laufe knallrot im Gesicht über den Flur, während ich alles nass mache. Fast an meinem Zimmer angekommen, höre ich plötzlich Schritte.
„Steven?!“, höre ich die Stimme meiner Lehrerin und fahre zusammen. Scheiße! „Was denken Sie eigentlich, wo Sie hier sind?! Zuhause können Sie gerne so rumlaufen, aber hier nicht! Es gibt Sitten, die man einzuhalten hat! Und das hier machen Sie nachher auch noch weg!“ Sie deutet auf die kleinen Pfützen am Boden und ich traue mich gar nicht ihr ins Gesicht zu sehen. „D-das kann ich erklären!“, sage ich schnell, doch sie deutete nur streng auf meine Zimmertür. Ertappt gehe ich los und verschwinde hinter der Tür. Ich höre sie noch ein wenig rumfluchen, ehe ihre Schritte langsam leiser werden.
„Vince?!“, keife ich sofort los. Dieser sitzt nur grinsend auf meinem Bett und wedelt mit meinem Handtuch hin und her. „Vermisst du etwas?“ Ich knurre gefährlich auf und gehe auf ihn zu, ehe ich ihm das Handtuch entreiße. „Du Arschloch!“, schimpfe ich los und mache mich trocken. Dann ziehe ich mir meine Klamotten an, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. Diesmal bin ich wirklich sauer. Wie kann der Kerl mich nur so bloß stellen?!
„Ach komm schon. Sieh es doch nicht so eng. Was war das schon? Ein kleiner Spaß, nichts weiter.“, murmelt er, aber darauf gehe ich nicht ein. Ich gehe einfach nur aus dem Zimmer, ignoriere den nassen Boden und verschwinde in dem kleinen Essraum, wo wir uns alle treffen.
„Steve warte!“, ruft Vince mir hinterher und folgt mir auf Schritt und Tritt. „Verschwinde! Du darfst doch sowieso nicht hier sein!“, keife ich ihn an. „Wie konnte ich nur so jemanden wie dich vermissen?!“ Er bleibt stehen und sieht mich perplex an. „Du hast mich vermisst?“
Ich werde rot, sage aber nichts dazu, sondern setze mich an einen Tisch. Hoffentlich kommen die anderen auch bald. „Ich hab dich auch vermisst, Kätzchen.“, schnurrt Vince mir auf einmal ins Ohr und ich zucke zusammen. Ich habe gar nicht mitbekommen, dass er mir so nahe gekommen ist. Er nimmt mich in den Arm, wobei ich sofort versuche, mich zu wehren, aber das lässt er nicht zu. Er drückt mich an sich und haucht mir einen Kuss auf die Schläfe. „Tut mir leid. Das war doof. Passiert auch nie wieder, versprochen.“, murmelt er mir zu und ich kann gar nicht anders, als ihm zu verzeihen. Aber sauer bin ich trotzdem noch! „Ok.“, erwidere ich also nur halbherzig, lehne mich aber an ihn. Nun füllt sich der Raum langsam und einige sehen überrascht zu uns herüber. Allerdings scheinen ja eh alle schon darüber Bescheid zu wissen. Das einzige, was sie wohl überrascht, ist Vince Anwesenheit.
Meine Lehrerin betritt den Raum, wirft mir aber glücklicherweise keinen mahnenden Blick zu, sondern stellt uns sofort den Tagesplan vor. „Wir sind hier, um Landschaften zu malen. Also werden wir uns heute an den Strand begeben. Ihr müsst nur aufpassen, dass ihr nicht zu nahe an den abgesperrten Teil des Gewässers kommt. Dort leben einige giftige oder gefährliche Tiere.“, erklärt sie. Na super, hört sich für mich ja echt prickelnd an.
„Und da wir wohl nun eine Person mehr geworden sind, schlage ich vor, dass ihr immer Zweiergruppen bildet. Die Anzahl geht jetzt auch perfekt auf. Ihr habt den ganzen Tag Zeit. Bitte verlauft euch nicht und kommt nicht in Berührung mit Feuerquallen.“
Irgendwie hört es sich nicht gerade besser an, als vorher. Na ja, ich bin ja mal gespannt, was aus diesem Ausflug noch so alles wird.

You blowing my mind


Wir haben uns bereit gemacht, endlich losfahren zu können. Vince hat meine Hand geschnappt und ich stehe verlegen in der Gegend herum. In der Öffentlichkeit und vor allem in meinem Kurs ist es dann doch etwas peinlich. Alle starren uns an, allerdings finden die Mädchen es wohl total süß und toll, dass wir es so offen zeigen. Oder er. Ich schäme mich nur dafür.
„Was ist denn, Kleiner?“, fragt Vince mich und sieht mich abwartend an. „Du bist so abwesend.“, schmunzelt er und hebt mein Gesicht an. „Ist alles in Ordnung mit dir? Oder geht es dir nicht gut?“ Wir sind uns plötzlich so nahe und ich laufe sofort rot an. Ich schiebe ihn leicht weg und schüttele den Kopf. „A-alles ok!“, versichere ich ihm dann und wende mich räuspernd ab. Vince hingegen murrt nur auf und verschränkt seine Arme vor der Brust. „Hey!“, grollt er mir entgegen und ich zucke kurz zusammen. „Was soll das? Findest du es so schlimm mit mir zusammen zu sein?! Dann kannst du ja auch einfach Schluss machen!“, schimpft er und geht ein paar Schritte weg, um sich demonstrativ neben irgendein Mädchen aus meinem Kurs zu stellen, die erst überrascht und verwirrt aufsieht, ihn dann aber anlächelt und sich kurz vorstellt. Mann, muss der Kerl immer alles so furchtbar ernst nehmen? Das geht mir auf die Nerven! Seit wann schmollt Vince eigentlich?
Seufzend fahre ich mir durch die Haare und schüttele mit dem Kopf. Was soll ich denn jetzt machen? Ich meinte es ja nicht so, aber das wird Vince sowieso nicht verstehen. So ein Idiot! Mann! Das nervt mich wirklich...
Meine Lehrerin klatscht in die Hände und räuspert sich. „Na los! Alle in den Bus.“, meint sie und ich setze mich langsam in Bewegung. Ich habe meine Hände in die Hosentaschen gesteckt und schiele ab und an zu Vince hinüber. Aber dieser scheint jetzt ein anregendes Gespräch mit meiner Mitschülerin zu haben. Schmollend schürze ich meine Lippen und setze mich auf einen der hinteren Plätze im Bus, wo ich meine Ruhe habe. Der Rest des Kurses sitzt eher weiter vorne. Schön! Wenn Vince es so will, bitte! Ich hole meinen I-Pod heraus, den ich heimlich in meine Tasche meines Pullovers gesteckt habe und stecke mir die Stöpsel ins Ohr. Ich bewege leicht meine Finger im Takt und sehe aus dem Fenster.
Die Fahrt dauert nicht lange und bald darauf finden wir uns auch schon im Freien wieder. Wieso sind wir überhaupt mit dem Bus gefahren? Die halbe Stunde hätten wir nun auch laufen können. Die Insel ist doch sowieso nur ein paar Quadratmeter groß. Seufzend steige ich aus und stelle mich etwas Abseits von der Gruppe, während unsere Lehrerin uns noch einmal ausführlich erklärt, worauf wir achten sollen, was wir zeichnen können und wovon wir uns fernhalten müssen. Ich höre nur mit einem Ohr zu. Eine Sache beschäftigt mich gerade viel mehr. Vince scheint nämlich seinen Spaß mit dem Mädchen zu haben. Sie unterhalten sich und lachen und sehen sich gemeinsam die Gegend an. Will er mich auf die Palme bringen, oder was?
Ich balle meine Hände zu Fäusten und atme tief durch. Einfach nur nicht darauf eingehen, Steven. Ignoriere es einfach! Komm schon, was ist schon dabei? Ist doch nur Vince! Der vögelt sich doch sowieso von einem Bett ins andere! Ich beiße mir auf die Lippe und gehe zu unserer Lehrerin, die uns unsere neuen Kunstblöcke austeilt. Ich nehme ihn entgegen und schultere meinen Rucksack. Dann mache ich mich auf den Weg und suche mir einen schönen Platz aus. Ich sehe einige Felsen und steuere direkt darauf zu. Von dort oben hat man sicherlich einen guten Ausblick. Ich schiebe meinen Block so gut es geht in meinen überfüllten Rucksack und klettere die Felsen rauf. Ich stelle den Rucksack oben ab und strecke mich kurz. Dann sehe ich mich um. „Wow.“, murmel ich. Das ist mal ein Ausblick! Man kann über das Meer schauen, über den Strand und sieht in der Ferne das Festland der anderen Insel. Ich lächel leicht. Wirklich ein schöner Ausblick, der mich sogar Vince vergessen lässt.
Ich setze mich hin und krame meine Bleistifte hervor. Dann lege ich mir den Block zurecht und schmunzele leicht. Und was will ich jetzt zeichnen?Am liebsten ja alles. Ich lasse meinen Blick noch einmal schweifen und sehe in einiger Entfernung Vince mit dem Mädchen herumstehen. Mein Blick verfinstert sich, als ich sehe, wie er ihr mit einer Hand über den Rücken streicht. Ich spüre die Wut erneut in mir hochkeimen, kann meinen Blick aber ebenso wenig abwenden. Es macht mich nicht nur wütend, sondern auch traurig und ich versuche mir einzureden, dass Vince das alles nur macht, um mich auf die Palme zu bringen. Nichts weiter. Er würde mit dem Mädchen nicht weitergehen. Würde er doch nicht, oder? Doch würde er, sicher. Wieso auch nicht? Er hat damals auch einfach mit jedem geschlafen, der ihm über den Weg gelaufen war. Mit jedem Mädchen. Bei den Jungs bin ich eine Ausnahme. Stimmt, ich bin ein Junge und Vince eigentlich nicht schwul. War doch klar, dass er sich irgendwann eine andere sucht. Ich spüre, wie mir die Tränen hochkommen und schluchze kurz. Scheiße! Nur nicht heulen.
Ich suche mir eine Packung Taschentücher heraus und wische mir über die Augen und über die Wangen. Ich schnäuze mich und verziehe schmollend und verletzt mein Gesicht. Dann schaue ich in die andere Richtung. Ich entschließe mich, dass andere Festland und den Himmel, wie auch das Meer zu zeichnen. Ich setze den Stift an und ziehe einig Striche. Es sieht einfach nur doof aus. Ich kann mich nicht konzentrieren. Ich schaue immer wieder zu Vince und Sandra hinüber.
Im nächsten Moment hebt sie die Hand und scheuert Vince eine genau auf die Wange. Sie stapft wütend weg und Vince sieht ihr grummelnd hinterher. Was habe ich denn jetzt verpasst? Vince scheint nun nicht mehr wirklich zu wissen, was er mit sich anfangen soll. Tja, Pech für ihn. Er sieht sich um und scheint etwas oder jemanden zu suchen. Vielleicht ein weiteres Mädchen, was er anmachen kann? Blöd nur, dass wir uns gerade alle aufgeteilt haben.
Ich sehe schnell wieder auf mein Blatt, als sein Blick in meine Richtung gleitet. Je näher er kommt, desto deutlicher höre ich seine Schritte. Was denn? Will er sich etwa bei mir entschuldigen? Scheinbar nicht, dann kaum steht er beinahe vor dem Felsen, schlägt er plötzlich eine andere Richtung ein und geht an dem Felsen vorbei. Langsam und unauffällig folge ich ihm mit meinen Blicken. Ach so, klar. Da steht ein anderes Mädchen aus meinem Kurs, was auch sonst? Verletzt verkrampft sich meine Hand um meinen Stift. Auf einmal macht es knack und ich halte zwei Teile des Stiftes in meiner Hand. Nicht wirklich jetzt, oder?
Ich murre auf und sehe zu Vince, der ein paar Meter entfernt steht. Dann schweift mein Blick wieder zu dem Bleistift. Ich hebe ihn an, ziele und werfe ihn Vince direkt an den Kopf. Das hat er nun davon! Ich grinse leicht, als er sich umsieht und mich entdeckt. Sein Ausdruck verdunkelt sich und er stapft angesäuert auf meinen Felsen zu. Mich beeindruckt das inzwischen nicht mehr. Ich bin es ja schon gewohnt, dass er oft mal austilgt. Schließlich sind wir seit einem halben Jahr zusammen. Und trotzdem streiten wir momentan die meiste Zeit. Einfach nur schrecklich. Das hat alles damit angefangen, dass Vince letztena eine Party gefeiert hat und ich ihn mit einem Mädchen erwischt habe. Sie haben zwar nicht miteinander geschlafen, aber herumgefummelt und das ist eindeutig schon Fremdgehen in meinen Augen! Er erklärte mir zwar am nächsten Morgen, dass er stockbesoffen war und es gar nicht realisiert hatte, aber es nagt immer noch ganz schön an meinen Nerven. Warum macht er mit anderen rum? Auch wenn er besoffen war, das ist für mich einfach kein Grund! Bin ich im nicht mehr gut genug? Es ist einfach verletzend, sehr verletzend.
Vince ist inzwischen bei meinem Felsen angekommen und macht mir mit einem Handzeichen deutlich, dass ich herunterkommen soll. Ich sehe ihn nur schmollend an und verschränke meine Arme vor der Brust. Dann strecke ich Vince die Zunge heraus.
„Komm doch rauf!“, meine ich nur mürrisch. Er knurrt und sieht mich sauer an. „Steven Fallon! Du kommst jetzt auf der Stelle da runter!“, keift er mir entgegen, aber ich bewege mich kein Stück. Warum sollte ich auch? Soll er doch seinen Arsch hier rauf bewegen! Vince lässt sich scheinbar nicht zweimal bitten. Er klettert den Felsen hoch und ich rappel mich schnell auf und mache mich auf alles gefasst, was kommen kann. Ich weiche ein wenig nach hinten, als er näher kommt. „Was sollte das?! Reicht doch schon, dass du scheinbar nicht mit mir zusammen sein willst!“, grollt er mir entgegen und packt mich am Kragen. Nicht das schon wieder. Wenn so etwas zu Hause passiert, landen wir danach immer Bett, das geht jetzt schlecht. Was wohl jetzt passiert? Ich beiße meine Zähne zusammen und halte seinen Blick stand. „Willst du dich vielleicht mal entschuldigen?“, fragt er mich angepisst. Moment mal! Wieso ist er jetzt so sauer? Und wieso sollte ich mich entschuldigen? Da hat der junge Herr wohl etwas missverstanden! Er ist derjenige, der sich hier von einem Bett ins andere vögeln will!
„Nein, will ich nicht! Du bist doch der notgeile Sack, der nicht eine Woche ohne Sex auskommt!“, keife ich ihm entgegen. Jetzt ist er erst recht wütend. Er hebt seine Hand und ich ahne schlimmes. Will er mich jetzt wirklich schlagen?! Das hat er schon lange nicht mehr gemacht. Was ist nur auf einmal mit ihm los? Was ist passiert, dass er wieder so einen Wandel durchgemacht hat?! Habe ich ihm etwas getan? Nein, eigentlich nicht. Ich nicht! Er hat mir etwas getan und zwar schon viel zu viel, wenn man es genau nimmt.
„Steve, du regst mich auf!“, murrt er und lässt seine Hand krampfhaft wieder sinken. Ich sehe ihn aus großen Augen an. Also hatte er wirklich vor, mich zu schlagen? Er lässt von mir ab und verschränkt seine Arme vor der Brust. Auf was wartet er jetzt? Was soll ich denn sagen? Ich verstehe ja nicht einmal, wieso er so aufgebracht ist. Gehen die Hormone mit ihm durch, oder was?
„Was ist los mit dir?“, frage ich also zögerlich, aber mit einigermaßen fester Stimme.
„Was los mit mir ist?! Das könnte ich dich genauso fragen!“, knurrt er mir entgegen und ich weiche seinem Blick aus. Ich habe doch gar nichts gemacht.
„Was habe ich denn getan?“, frage ich weiter nach. Vielleicht finde ich ja irgendwann doch mal meine Antwort? Vince knurrt leise auf. „Tze! Wenn du das nicht einmal weißt, dann habe ich gleich einen weiteren Grund, um sauer auf dich zu sein!“, erwidert er lediglich.
Toll, was soll ich denn jetzt mit dieser Erkenntnis anfangen? Herr Gott! Vince, sei nicht so ein Kind. Aber das kann ich ihm nicht sagen. Sonst schlägt er mich womöglich wirklich noch.
„Komm schon, Vince! Hilf mir wenigstens auf die Sprünge! Oder gehen wieder nur die Hormone mit dir durch?“ Jetzt habe ich auch langsam genug. Ich bin ein geduldiger Mensch und ich bleibe lange ruhig, aber Vince schafft es einfach ziemlich schnell, mich zu verärgern. Und ich bin gerade schon lange mehr als verärgert.
„Die Hormone? Aber sonst geht es dir gut, ja?! Du nervst, Steven! Wirklich!“, schimpft er mich an. Ich presse meine Lippen zusammen und versuche mir nicht anzumerken, wie sehr mich seine Worte verletzen. „Ach so, verstehe. Dann können wir uns gerne auch gleich trennen.“, meine ich mit ernster Miene. „Trennung auf Probe, weißt du?“, sage ich und wende mich etwas von ihm ab.
„Gut! Wie du willst!“, murrt Vince. Ich sehe nach unten auf das Meer. Ich stehe ganz schön nahe am Rand von dem Felsen. Ich schiele wieder zu Vince hinüber, der sich nun daran macht, wieder von dem Felsen zu klettern. Er sieht kurz noch einmal zu mir auf, ehe er seine Hände in die Hosentaschen schiebt und davon geht. Es schmerzt. Ich sehe seinen Rücken und merke, wie er sich immer weiter von mir entfernt. Genau das, wovor ich die ganze Zeit Angst hatte, ist nun eingetreten. Auch wenn es nur eine Trennung auf Probe ist. Ich spüre, wie mir die Tränen nun doch hochkommen. Aber ich will nicht immer wegen Vince heulen müssen! Was hatte Vio mal gesagt? Wenn er dich zum lachen bringt, dann liebst du ihn. Aber wenn er dich zum heulen bringt, dann bist du ihm unsterblich verfallen? Tja, so viel dazu. Jetzt sind wir getrennt und ich merke nun sehr deutlich, wie sehr ich eigentlich an meinem Ex-Freund-Freund hänge. Oder was auch immer er jetzt ist. Ich schluchze und fahre mir über die Augen. Sollte ich ihm hinterher gehen und ihn noch einmal zur Rede stellen? Aber das macht es nur schlimmer, was würde es schon ändern? Vince ist wirklich sauer und ich weiß nicht einmal wieso. Wieso sagt er es mir denn nicht? Ich kann mich doch nicht für etwas entschuldigen, bei dem ich nicht weiß, dass ich es getan habe!
Ich ringe mit mir, bleibe aber weiterhin an Ort und Stelle stehen. Meine Sicht ist durch die Tränen nun leicht verschwommen. Ich höre jemanden, der mich ruft, sehe aber gerade keinen. Wo ist hier denn jemand? Oder habe ich schon Einbildungen? Es ist eindeutig eine Männerstimme.
„Steve!“, ruft er erneut. Ich fahre herum, um mich umzusehen, als ich auch schon ausrutsche. Ich versuche mich irgendwo festzuhalten, aber da ist nichts. Ich merke, wie ich langsam falle und glaube schon zu sterben. Und jetzt konnte ich Vince nicht einmal mehr sagen, wie sehr ich ihn liebe. Wieso muss es so enden? Auf so einer dämlichen Insel, namens Hum?! Die kein Schwein kennt? Ob mich überhaupt jemand findet, wenn ich dann im Meer treibe? Ich weine immer noch. Die Stimme ruft mich, aber ich kann sie einfach niemanden zuordnen. Und ich will es auch nicht.
Ich höre ein lautes Platschen, als ich ins Wasser eintauche. Ich kneife meine Augen zu und spüre im nächsten Moment ein schmerzhaftes Ziehen an meiner Hüfte und über meinem Rücken. Ich spüre zwei Hände, die nach mir greifen. Wer ist das? Vince? Nein, sicherlich nicht. Der ist doch gerade weg. Ich bekomme keine Luft mehr und merke, wie ich wieder nach oben gezogen werde. Doch noch kurz bevor ich wieder an der Oberfläche bin, wird mir schwarz vor Augen und ich verliere meine Bewusstsein.

Als ich das nächste Mal aufwache, ist es dunkel um mich herum. Dunkel und still. Bin ich gestorben? Wo bin ich? Ich blinzel und reibe mir über die Augen. Ich will mich aufsetzen, aber alles schmerzt. Meine Hüfte brennt fürchterlich und der Schmerz zieht sich über mein linkes Bein und meine gesamte linke Seite. Stöhnend lasse ich mich zurück ins Kissen sinken. Ich sehe mich langsam um. Warum brennt es eigentlich alles so? Ich hebe mit meiner rechten Hand die Decke auf der linken Seite an und meine Augen werden groß. Alles ist rot und geschwollen. Was ist passiert? Scheinbar bin ich ja doch nicht im Himmel, sonst würde es mir sicherlich besser gehen. Bin ich in der Hölle gelandet? Aber so schlimme Sachen habe ich doch gar nicht angestellt? Na ja, dann würde ich wenigstens Vince irgendwann wiedertreffen.
Ich höre ein paar Schritte und sehe zu der Tür. Es ist nicht sehr hell im Raum und nur von dem Fenster kommt ein fahler leichter Lichtschein. Aber die Vorhänge sind zugezogen. Die Schritte entfernen sich wieder und ich schmolle. Können die vielleicht mal wieder zurückkommen?! Hier liegt ein Totkranker im Bett! Hallo? Wieder ein paar Schritte. Eigentlich will ich etwas sagen, aber meine Stimme ist verschwunden. Mein Hals kratzt und tut weh. Ich brauch erst mal etwas zu Trinken. Die Tür wird leise geöffnet und ich sehe sie erwartungsvoll an.
Als eine Person in den Raum tritt, kann ich durch das Licht, was sie von hinten anscheint, nicht erkennen, wer es ist. „Ah, du bist wach?“, fragt die Person nach. Ich nicke leicht. Das Licht wird angemacht und ich kneife meine Augen zu. Jetzt ist es viel zu hell! Da will ich doch lieber wieder das schwache Mondlicht zurück!
„Wie geht es dir, Steven?“, fragt mich der junge Mann. Als ich die Augen wieder aufmache, macht er gerade die Tür zu. Erst jetzt erkenne ich, dass es Chuck ist. Ich zucke leicht mit den Schultern und krächze etwas. Er reicht mir ein Glas Wasser, was ich sofort entgegen nehme. Ich trinke es mit großen Schlucken aus und stelle es dann wieder ab. „Danke.“, murmel ich dann.
„Den Umständen entsprechend.“, meine ich und starre auf die Decke. „Was ist passiert?“, will ich wissen. „Und wieso kann ich meine linke Seite nicht bewegen?“, frage ich weiter nach.
Chuck schmunzelt kurz und betrachtet mich einen Augenblick, ehe er sich einen Stuhl heranzieht und sich zu mir setzt. „Du kannst dich nicht erinnern?“, fragt er nach. „Du warst auf dem Felsen. Du hast geweint, warum weiß ich nicht. Ich hab dich gerufen, da bist du ausgerutscht und runter ins Wasser gefallen. Ich bin gleich hinterher gesprungen, um dich wieder rauszuholen. Allerdings wurdest du vorher noch von einer Feuerqualle gestochen. Normalerweise haben wir nur die ungefährlichen. Es ist nicht ganz klar, wie die gelbe Haarqualle hier her gekommen ist. Aber der Strandabschnitt ist nun gesperrt. Vermutlich vom Atlantik, oder so. Jedenfalls hast du jetzt Rötungen und Schwellungen. Sie brennen, aber das ist normal. Man kann sie ganz normal so behandeln, als wären es richtige Verbrennungen. Das geht bald wieder weg. Ich hatte mich schon gewundert, wieso du dein Bewusstsein verloren hattest, aber das lag dann wohl an dem Gift und den Schmerzen.“, erklärt Chuck mir und ich weiß nicht ganz, was ich sagen soll.
„Danke.“, sage ich dann leise. Was habe ich eigentlich erwartet, dass ich jetzt so ein schlechtes Gefühl habe? Als ob Vincent hergekommen wäre, um sich um mich zu kümmern. Ich schniefe schon wieder auf. „He, Steven! Hast du Schmerzen? Nicht weinen, soll ich einen Arzt holen?“, fragt Chuck nach, aber ich schüttele den Kopf. „B-bei so etwas kann ein Arzt auch nicht helfen!“, schluchze ich. Chuck sieht mich nur überrascht an. Scheinbar muss er erst einmal überlegen, bis er versteht, was ich damit meine.
„Ach so! Du hast Zoff mit deinem Freund?“, fragt er auch schon direkt nach. Ich weiche seinem Blick aus. Das geht ihn doch nichts an! Außerdem ist er doch schuld daran, oder nicht? Ich weiß es ja nicht! Jedenfalls soll Chuck mich in Ruhe lassen! „Das tut mir leid für dich. Aber das wird schon wieder, ich meine, ich hatte auch schon mal Liebeskummer. Das legt sich wieder. Ist ja nicht so, dass ihr euch getrennt habt.“, meint er und lacht.
Jetzt weine ich erst recht. Ich zittere leicht und halte mir eine Hand auf den Mund. Damit hat er den Nagel genau auf den Kopf getroffen. Er sieht mich perplex an und streckt seine Hand aus, um mir beruhigend über den Rücken zu streichen. „Ihr habt euch getrennt?! Scheiße, das tut mir leid. Hätte ich das gewusst, hätte ich das nicht gesagt. Sorry.“, meint er und überlegt kurz. „Mh, was können wir denn da jetzt machen? Willst du etwas Schokolade? Schokolade macht doch bekanntlich glücklich? Und das ist besser, als wenn du jetzt einen Kilo Eis auffutterst.“, meint er aufmunternd. Aber es wirkt nicht wirklich. Denkt er wirklich, dass mich so etwas aufheitert? Hallo? Mein Freund hat gerade mit mir Schluss gemacht!
„Ach ja. Ich habe deiner Lehrerin Bescheid gegeben, dass du über Nacht im Krankenhaus bleiben musst. Sie meinte, sie würde morgen dann vorbei kommen, nach dir sehen und dich abholen, wenn du wieder fit genug bist. So lange passe ich auf dich auf. Du hast ja auch ganz schön lange geschlafen.“ Chuck grinst mich an und nimmt seine Hand wieder von meinem Rücken. „Kannst du dich aufsetzen?“, fragt er nach. Ich schüttele den Kopf und habe mich langsam wieder etwas beruhigt. So viel, wie der Idiot labert wird man ja ganz schön gut abgelenkt von seinen Problemen. Vielleicht ist er ja doch netter, als ich anfangs dachte?
„Soll ich dir einen Mitternachtsimbiss besorgen?“, fragt er nach. Ich schüttele wieder mit dem Kopf. „Hast du starke Schmerzen?“, fragt er und greift nach meiner Decke, um sie einfach zurückzuschlagen. Ich werde rot. Ich liege hier nur mit meiner Boxershorts bekleidet und er starrt mich an. Aber gut, er hat mich in der Dusche heute früh ja auch schon nackt gesehen, was soll's. Dann kann mir das jetzt auch egal sein und da ich wieder Single bin, kann ich ja machen, was ich will! „Ui, das sieht aber wirklich ganz schön gemein aus.“, sagt er mit großen Augen. Er streicht leicht darüber und ich zucke zusammen.
„Spinnst du?! Das tut scheiße weh!“, keife ich ihn an und schlage seine Hand mit meiner gesunden Hand weg. „Ist ja gut. Sorry. Sei nicht so eine Pussy! Du bist doch ein Mann, oder?“ Er grinst mich an und ich werde leicht rot. Aber eher vor Wut. Nur ein wenig vor Scham. „Ich bin keine Pussy, klar!“, murre ich ihm entgegen und sehe schmollend weg. Ich würde ja am liebsten aufstehen und abhauen, aber das lässt sich leider nicht machen. Was ist eigentlich, wenn ich jetzt auf Toilette muss? Bei dem Gedanken werde ich erneut rot.
„Ulala~ An was denkst du denn schon wieder, Kleiner? Du bist ja ganz rot im Gesicht. Denkst du gerade an eine heiße Nacht mit mir? Wenn du möchtest, dann lässt sich das einrichten. Wir können es auch gerne hier im Krankenhaus treiben. Du musst dich auch nicht viel bewegen, bleib einfach liegen.“ Chuck leckt sich über die Lippen und mir entgleiten meine Gesichtszüge. Das ist doch nicht sein Ernst?! Eben war er noch nett und schon ist er wieder der gleiche Scheißkerl, wie vorher.
„Sag mal, aber sonst geht es dir gut, ja?! Ich liege hier totsterbenskrank im Bett und du willst mich bespringen?! Ich glaube du gehörst in die Anstalt und Vincent kannst du auch gleich mitnehmen! Verdammte Scheiße, lasst mich doch einfach in Ruhe, wenn ihr mich nur verarschen wollt! Das kann ich auch alleine!“, schreie ich ihn wütend an.
Chuck hebt beschwichtigend seine Hände. „Ist gut, reg dich ab. War ja nicht so gemeint. Aber, wenn du mal deine Sorgen vergessen möchtest und es dir anders überlegst, ich bin immer erreichbar.“ Er grinst frech und zwinkert mir zu. Ich schnaufe nur angesäuert auf. Dann sehe ich mich um. „Kannst du mir meine Tasche geben?“, frage ich nach. Chuck steht auf und bringt sie mir. Ich krame im Rucksack herum, ehe ich ihn wieder abstelle. Ich schalte mein Handy ein, was mit einer Hand einfach nur nervig ist. Mit zwei Händen ist das Teil einfacher zu bedienen. „Kann ich dir helfen?“, fragt Chuck wieder freundlich nach. Wie kann man nur so schnell seine Persönlichkeit wechseln? „Nein.“, murre ich und tippe weiter auf dem verfluchten Ding herum. Ich öffne meinen SMS-Ordner, aber wie erwartet ist er leer. Ich seufze leise. Als ob Vince mir schreiben würde. Vielleicht sollte ich ihm schreiben? Dass es mir gut geht und sie sich keine Sorgen machen müssen? Ich schaue auf die Uhr. Es ist drei Uhr morgens. Und Chuck ist die ganze Zeit wach geblieben? Ich schiele zu ihm herüber und merke erst jetzt, was er für Augenringe hat und wie fertig er aussieht. „Du kannst auch schlafen, wenn du müde bist.“, meine ich und gucke auf das freie Bett neben mir. Er steht auf und streckt sich. „Ach was.“, meint er, legt sich aber dennoch hin. Er legt sich auf den Rücken, wendet mir allerdings den Kopf zu, so dass er mich weiterhin im Blick hat. Wieso macht er das? Ich bin kein Kleinkind, was ständig beobachtet werden muss! Ich ignoriere seine Blicke einfach so gut es geht und öffne eine neue SMS. Und was soll ich jetzt schreiben? Vielleicht sollte ich doch lieber Vio schreiben? Aber ich möchte sie ja nicht wecken. Bei Vincent wäre es mir momentan egal. Vincent... komisch seinen vollständigen Namen zu sagen. Ich habe ihn eigentlich schon immer Vince genannt, oder? Jedenfalls kann ich mich nicht daran erinnern, ihn mal nicht so genannt zu haben, na ja, außer ich war sauer. Ich seufze leise und fange an zu tippen. Aber es hört sich alles doof an und ich scheitere schon am Anfang.
Was kann ich denn alles in diese SMS packen? Hey? Oder eher ein „Hallo“? Vielleicht einfach nur „Guten Morgen“? Nein, das wäre dämlich. Ich belasse es doch lieber bei einem „Hey“. So und jetzt? Wie soll es weitergehen? „Ich bin im Krankenhaus, aber mir geht es gut“? Als ob ihn das interessieren würde. „Sag unserer Lehrerin bitte Bescheid, dass es mir gut geht“? Oh man. Schwerer, als gedacht.
„Soll ich die SMS für dich tippen?“, fragt mich Chuck und ich sehe zu ihm. „Wieso?“, frage ich nach. „Weil du morgen noch wie doof dein Handy anstarrst, ohne etwas zu machen, wenn das so weitergeht.“, meint er grinsend. Ich verziehe meinen Mund. „Ist halt nicht so einfach!“, murre ich.
„Schreib doch einfach: Hey, ich liege im Krankenhaus, lebe aber. Chuck ist bei mir. Sag bitte unserer Lehrerin Bescheid.“, meint Chuck grinsend. Eigentlich gar keine schlechte Idee.
Ich tippe die SMS und schicke sie ab. Mal schauen, ob ich auch eine Antwort bekomme. Ich warte und warte, aber eine Weile kommt gar nichts. Vielleicht hat Vincent es auch einfach nicht gehört?
Mein Handy vibriert und leuchtet kurz auf. Aufgeregt gebe ich mein Passwort ein und starre die SMS an. Das verletzt mich jetzt. Ich wollte ihm nur Bescheid sagen, dass es mir gut geht und dann schreibt er so etwas? Na danke auch. Der kann mich doch mal gern haben!
„Chuck?“, frage ich leise. Er sieht auf. „Ja?“, fragt er grinsend nach.
„Kannst du mich umarmen?“, frage ich und beiße mir auf die Lippe, während mein Handy wieder ausgeht und ich es einfach auf die Matratze fallen lasse. Chuck setzt sich zu mir und streicht mir durch die Haare. Am liebsten würde ich die restliche Woche einfach nur im Krankenhaus verbringen. Oder ich ziehe einfach hier her. Auf jeden Fall weg von Vincent. Ich kralle mich an Chuck, als er mich in die Arme schließt und fange an zu weinen.

Wish I could freez You and Me

Nachdem ich Steven aus dem Krankenhaus zur Herberge zurückgebracht habe, bin ich wieder an den Strand zurück gekehrt. Ich suche gerade mein Surfbrett, als ich jemanden entdecke. Ich lecke mir über die Lippen und schmunzele. Den Kerl kenne ich gar nicht. Ob er neu hier ist? Oder nur zu Besuch? Er sieht auch nicht gerade so aus, als würde er sich zurecht finden. Ich lehne mich nach hinten an die Wand der Holzhütte und beobachte ihn. Der Junge sucht sich eine Zigarette aus seiner Tasche und zündet sie an. Seine Haare haben einen Blaustich, ansonsten sehen sie für mich beinahe weiß aus. Allerdings erkennt man an seinen Haarstoppeln, dass seine Naturhaarfarbe braun ist. Hätte ich ja auch gerne anders herausgefunden. Der Kerl hat mehrere Piercings und ein Tattoo. Von dem Tattoo an sich halte ich nicht viel. Was soll das bitte darstellen? Vielleicht erkenne ich es ja, wenn ich näher bei ihm stehe? Oder er nackt unter mir liegt. Ob der Kerl auch einen Ohrring hat? Oder Intimpiercings? Das wäre doch mal etwas interessantes. Und etwas neues.
Bei dem Gedanken muss ich grinsen und lecke mir flüchtig über die Lippen. Heiß sieht er jedenfalls aus in meinen Augen. Ich lehne noch immer lässig an der Hütte, als der Kerl aufsieht. Er sieht sich um und schaut einen Moment lang direkt in meine Richtung. Sein Blick ist so stechend und scharf, dass mir ein Schauer über den Rücken fährt. Der Blick macht mich eindeutig geil! Seine Augen sind eisblau und klar. Sie scheinen einem förmlich in die Seele zu schauen. Allerdings hält unser Blickkontakt nur wenige Sekunden, da wendet er sich auch schon wieder von mir ab. Hey! Ich bin ein heißer Kerl, du darfst mich gerne länger betrachten! Der junge Mann pustet den Rauch aus und geht ein paar Schritte über den Sand, ehe er seine Zigarette fallen lässt und sie austritt. Ob er jemanden sucht? Ich wüsste ja nur zu gerne, ob er in unserer Herberge wohnt. Oder hat er hier Bekannte? Haha, das war ein guter Witz. Wer hat hier schon Bekannte? Hier lebt doch fast niemand. Ich beobachte ihn noch eine Weile, bis ich keine Lust mehr habe und mein Surfbrett heraushole. Vielleicht kann ich ihn so ja beeindrucken? Bisher hat er ja kein Interesse gezeigt. Ich grinse und laufe mit meinem Brett über den Strand, genau an ihm vorbei, sodass er meine Rückseite betrachten kann. Aber als ich einen Blick über die Schulter werfe, hängt der Kerl nur an seinem Handy und beachtet mich kein Stück. Ich gehe grummelnd weiter und lasse mein Brett ins Wasser fallen. Ich strecke mich und dehne mich kurz, wobei ich ihn wieder heimlich angucke. Jetzt telefoniert der Kerl auch noch! Das gibt es doch gar nicht. Da präsentiere ich ihm hier meinen Hintern und er wagt nicht mal einen Blick? Vielleicht sollte ich ihm sein Handy wegnehmen und es „ausversehen“ ins Meer werfen. Dann hätte ich seine Aufmerksamkeit. Aber ich kann es ja erst einmal mit Surfen versuchen.
Also schmeiße ich mich auf mein Brett und paddel los. Nach einiger Zeit Treiben stehe ich vorsichtig auf, als endlich eine geeignete Welle kommt. Ich surfe schon seit ich denken kann. Daher bin ich auch nicht gerade schlecht, um es vorsichtig auszudrücken. Ich schiele zu dem Jungen herüber. Er hat mir den Rücken zugekehrt und unterhält sich mit dem Bootsverleih. Das darf doch wohl nicht wahr sein! Das verärgert mich nun aber doch. Ich strenge mich hier doch nicht umsonst an! Der Kerl soll jetzt gefälligst hier her gucken!
Ich sehe gerade, wie er sich zu mir umdreht und mich anstarrt, als ich mein Gleichgewicht verliere und im hohen Bogen im Wasser lande. Prustend komme ich wieder an die Oberfläche und schwimme zu meinem Brett, bevor es noch weiter davon treibt. Hoffentlich hat er das jetzt nicht gesehen. Ich wende ihm meinen Blick zu und erstarre. Der Kerl lacht. Er lacht! Lacht er mich etwa aus, oder was?! Verlegen und gleichzeitig verärgert krabbele ich auf mein Brett zurück und paddel wieder an Land. Mir ist gerade die Laune, wie auch die Lust zum Surfen vergangen. Ich kehre an den Strand zurück und werfe dem Mann einen düsteren Blick zu. Er kichert immer noch hinter vorgehaltener Hand und ihn scheint es alles andere als zu stören, dass ich ihn mit meinem Blick umbringen möchte. Wenn das mal klappen würde!
Ich bringe mein Brett zurück in die Hütte und krame mein Handtuch aus der Tasche, die ich davor auf die Bank gestellt habe. Ich trockne mich ab und werfe es auf meine Tasche zurück. Dann stapfe ich zu ihm. „Hast du einen Grund, weshalb du so lachst?“, frage ich ihn keifend. Ich fühle mich gekränkt in meinem Stolz.
„Dein Bauchklatscher sah Rekordverdächtig aus.“, meint er nur grinsend. Ich sehe ihn empört an und mir fehlen die Worte. So ehrlich hat mir noch nie jemand gesagt, dass er mich auslacht. Mir fällt erst jetzt auf, dass der Kerl gut einen halben Kopf größer ist als ich. „Aber sonst geht es dir gut?!“, keife ich aufgeregt. Er zuckt nur grinsend mit den Schultern.
„Ich bin übrigens Dejan. Und du bist?“, fragt er nach. Ach so? Man muss ihn also amüsieren, damit man an ihn rankommt? Na ja, vielleicht habe ich ja doch noch eine Chance? Ich erwidere das Grinsen und stemme meine Hände in die Hüften. „Chuck.“, erwidere ich.
„Mit der Pose siehst du aus wie eine Schwuchtel.“, prustet er los und ich komme gar nicht mehr aus meiner Starre heraus. Daraufhin fehlen mir nun wirklich die Worte.
Dejan fuchtelt mit einer Hand leicht vor meinem Gesicht herum. „Habe ich dich jetzt verschreckt, Kleiner?“, fragt er belustigt. „Tut mir Leid.“ Anhand seiner Betonung hört man deutlich, dass die Entschuldigung alles andere als ernst gemeint ist. Ich verschränke meine Arme vor der Brust und sehe ihn düster an. „Verarsche doch jemand anderen!“, schnauze ich ungehalten. Dejan schüttelt nur mit dem Kopf, wobei sein Grinsen aus dem Gesicht verschwunden ist. Jetzt sieht er wieder so cool aus. Verdammt nochmal, dieser Blick turnt mich an, ok?! Hör auf, mich so anzustarren.
„Mh..du bist ganz schön kindisch, wenn du mit so einem Späßchen nicht klarkommst.“, stellt Dejan richtig fest. Na und?! Dann bin ich eben noch etwas kindlicher. Ist doch meine Sache. Das geht ihn nichts an. Ich will ihn nur in meinem Bett sehen und fertig. Angepisst starre ich zu ihm auf. Ihn stört es nicht, wieso auch? Er weiß allerdings auch nicht, was ihn noch so erwartet.
„Du kennst dich hier doch bestimmt aus! Kannst du mir helfen? Ich suche etwas.“, meint er. Ach ne, wirklich? Das hätte ich jetzt nicht gedacht. Ich sehe ihn abwartend an, wobei ich noch immer beleidigt bin.
„Ich suche einen gewissen...Herrn Rabe.“, meint er lächelnd. Ich könnte jetzt sofort vor ihm auf die Knie fallen und ihn anflehen, mit mir ins Bett zu gehen. Oder ihm einen Blasen, wäre mir auch recht. Sein Lächeln ist einfach umwerfend!
„Klar, komm mit.“, meine ich dann jedoch resigniert. Vielleicht würde ich ja dann doch noch zum Zuge kommen? Ich gehe voran, den Strand entlang und Richtung Straße. Wir überqueren sie, gehen ein wenig durch den Wald und kommen an der anderen Seite wieder heraus. Ach wie schön, dass diese Stadt so klein ist. „Dort.“, meine ich und deute auf ein Ferienhaus. Schade, dass er nicht in unserer Herberge wohnt. Wir gehen zu dem Haus und werden auch sofort von dem älteren Mann empfangen.
„Ach hallo! Wie schön, mal wieder Gäste zu haben!“
„Guten Tag, Herr Rabe.“, meine ich lächelnd. „Chuck? Bist du das?“, fragt mich der Mann und ich nicke. „Ach Gott, wo habe ich denn wieder meine Brille? Ich freue mich, dass du wieder hier bist. Ja, ja, wir haben uns ja ewig nicht mehr gesehen! Wo ist sie denn jetzt nur?“
Ich muss grinsen und schüttele leicht mit dem Kopf. Tja, der alte Herr ist nun mal etwas wirr im Kopf. „Auf Ihrem Kopf, Herr Rabe.“, sage ich. Er fasst sich an die Stirn und setzt sich dann seine Brille wieder auf. „Ach Mensch, ich Tollpatsch.“, meint er und lacht. „Hallo, hallo, meine Lieben. Ach Chuck, bist du groß geworden! Und wie geht es dir? Ich habe gehört, du arbeitest jetzt bei deiner Tante. Wie geht es ihr? Ist sie immer noch so hip wie früher? Wie läuft das Geschäft?“, fragt er ganz aufgeregt. Ich komme gar nicht dazu, ihm überhaupt mal zu antworten, bei all den Fragen.
„Und wer ist der hübsche Kerl?“
„Dejan.“, sagt Dejan schlicht und ergreifend und sieht den verrückten Alten abwartend an.
„Hast du auch einen Nachnamen, junger Mann?“, fragt Herr Rabe lächelnd.
„Ja.“
Ich seufze genervt auf. „Dejan hat das Ferienhaus gemietet.“, erkläre ich. Herr Rabe ist sofort wieder Feuer und Flamme. „Verstehe, verstehe! Dann bist du also mein Gast! Komm nur, komm nur! Ich zeige dir, wo es langgeht. Und du Chuck? Was machst du hier?“, wendet er sich an mich, während wir losgehen.
„Das würde ich auch gerne wissen.“, meint Dejan und wirft einen Blick auf mich herunter. Was ist denn jetzt schon wieder? Er wollte doch, dass ich ihm den Weg zeige! Der sollte lieber dankbar sein und nicht hier herummeckern!
„Ich habe Dejan den Weg gezeigt.“, erkläre ich kurz.
„Ach wie schön! Schön, schön! Bleibst du auf einen Kaffee? Dann können wir uns noch unterhalten! Oh ja, lasst uns doch zu dritt ein wenig plaudern! Ach, hier entlang!“ Herr Rabe führt uns nach draußen in den Garten und zu dem kleinen Nebenhaus. „Hier. Das ist deines. Für eine Woche, oder?“ Dejan nickt.
„Dann fühle dich wie zu Hause. Viel Spaß! Ich komme dann in einer halben Stunde mit Kaffee und Kuchen vorbei!“ Und schon ist Herr Rabe schon wieder verschwunden. Dejan sieht ihm kurz nach ehe er sich der Tür widmet und eintritt. Ich folge ihm und schließe sie hinter mir wieder. Dejan sieht sich um und geht erst einmal in die Küche. Dann geht er in das kleine Wohnzimmer. Ich folge ihm auf Schritt und Tritt. Bis er sich plötzlich umdreht und mich genervt ansieht. Ui, ein Ausdruck, den ich noch gar nicht kenne!
„Was willst du noch hier?“, fragt er mich und schiebt mich etwas von sich, da ich ihm scheinbar doch ein wenig zu nahe bin. „Du hast Herrn Rabe doch gehört. Er kommt in einer halben Stunde wieder.“, meine ich nur und grinse.
„Kleiner, du nervst. Wenn du keine Freunde hast, ist das nicht mein Problem. Ich bin hier, um meine Ruhe zu haben.“, meint er und ich sehe wieder schmollend zu ihm auf. So viel kleiner bin ich doch auch nicht! Wie alt der Kerl wohl ist? Bestimmt nicht älter als ich, oder? Ich betrachte Dejan einmal von oben bis unten eingehend, wobei mein Blick an seinem Schritt für kurze Zeit haften bleibt. Der hat ja ganz schön was in der Hose, wie es aussieht.
Plötzlich werde ich an den Armen gepackt und einfach hochgehoben. Ich sehe Dejan entgeistert ins Gesicht und verstehe nicht, was der Kerl für ein Problem hat. Er stellt mich wieder andersherum ab, sodass ich ihm nun mit dem Rücken zum Gesicht gegenüber stehe. „Hey, was so-“ Weiter komme ich gar nicht, da gibt er mir auch schon einen Tritt in den Hintern und befördert mich somit durch den Flur. Ich stolpere nach vorne und halte mich schnell an der Wand fest, um nicht dagegen zu prallen.
„Aber sonst geht es dir gut?!“, keife ich ihn entrüstet an.
„Du nervst! Was verstehst du davon nicht? Geh mit deinen Freunden deine perversen Spielchen treiben.“, zischt Dejan mir entgegen. Sofort huscht mir wieder ein Schauer über den Rücken. Diese Augen! Sie lassen sich gar nicht beschreiben, so sehr fangen sie einen in ihren Bann. „Du bist doch auch nur zum Vögeln hier, oder?“ Oh, da hat er es aber schnell bemerkt. Gut erkannt, Großer. Ich grinse ihn an und zucke mit den Schultern.
„Ein bisschen bi schadet nie!“, flöte ich nur vor mir hin. Der Junge stemmt sich rechts und links von meinem Kopf an der Wand ab und starrt auf mich herunter. Ich sehe ihn schweigend an. Was passiert denn jetzt? Ist ihm plötzlich die Sicherung durchgebrannt, oder was?
„Verschwinde, sonst wirst du dieses kleine Abenteuer hier nicht überleben!“
Wow, der Typ kann ja richtig angsteinflößend sein. Fragt sich jetzt nur, wie ich gehen soll, wenn er mich so festnagelt. Ok, bei nageln denke ich natürlich sofort wieder an etwas anderes, aber hey! Ich bin ein Mann und hab auch Hormone zum loswerden. Von mir aus kann er mich auch gerne nehmen und nicht andersherum. Ich bin da schließlich nicht sehr wählerisch. Hauptsache ich bekomme meine Dosis Sex am Tag. „Gibt es hier sonst niemanden, der mit dir in die Kiste springt, sodass du gleich unschuldige Besucher umgarnen musst, oder was? Wobei du mich nicht einmal umgarnst, sondern mir einfach nur in den Schritt und auf den Arsch glotzt. Denkst du echt, dass ich das nicht merke?“, fragt er kopfschüttelnd nach. Ich zucke wieder mit den Schultern.
„Man muss doch alles mal ausprobieren, oder hast du etwas schon einmal mit einem Kerl geschlafen? Dann bin ich ja gar nicht mehr deine erste männliche nächtliche Affäre.“, schmolle ich. Und ich dachte, ich könnte ihn von männlicher Seite her entjungfern, schade aber auch.
„Das geht dich einen Scheiß an! Verschwinde einfach!“, knurrt er und geht ein paar Schritte zurück. Warum ist der Kerl so stur? Als ob er nicht auch scharf auf eine Runde Sex wäre! Nur langsam setze ich mich in Bewegung. Ich behalte Dejan dennoch im Auge, als er sich in Bewegung setzt und mich plötzlich nach vorne aus dem Haus schiebt, kann ich gar nicht so schnell reagieren, da finde ich mich auf dem Rasen des Gartens wieder. Dejan knallt die Tür hinter mir zu und ich sehe sie verwirrt an. Was war das denn? Was habe ich bitte gemacht? Gar nichts! Da waren meine anderen Affären ja leichter zu knacken. Und da war sogar ein verheirateter Mann dabei, also hallo?!
Wütend gehe ich auf die Tür zu und hämmere dagegen. Da hat der Kerl wirklich abgeschlossen!
„Dejan! Mach diese verfluchte Tür auf!“, schreie ich, aber der Kerl lässt sich nicht mehr blicken. Gut, wie er will! Dann werde ich jetzt scharfe Geschütze ausfahren. So etwas lasse ich mir nicht bieten! Das kratzt zu sehr an meinem Ego. Reicht schon, dass der Kerl mich vorhin noch ausgelacht hat! Ich gehe um das kleine Haus herum und halte Ausschau nach einer Möglichkeit, wieder hineinzukommen. Es gibt eine Hintertür, aber wie erwartet ist sie geschlossen. Ich schleiche zum Küchenfenster und drücke es auf. Tja, Pech gehabt! Ich kämpfe mich den Fenstersims rauf und krabbele durch das Fenster wieder hinein. Danach lehne ich das Fenster wieder an und schleiche mich aus der Küche. Ich höre ein Rumpeln über mir und stelle zufrieden fest, dass Dejan sich wohl gerade die obere Etage anguckt. Ich gehe gut gelaunt ins Wohnzimmer und pflanze mich auf das Sofa. Gemütlich schalte ich den Fernseher ein und warte ab. Hoffentlich kommt der Junge auch nochmal runter, bevor Herr Rabe wiederkommt. Wenn nicht, dann hätte ich wohl eher Pech gehabt. Allerdings höre ich kurz darauf auch schon die Schritte.
„Was zur Hölle?!“, fragt Dejan sofort und kommt auf mich zu. Er stellt sich vor mich und verschränkt seine Arme vor der Brust. „Habe ich dich nicht eben erst rausgeworfen?!“, fragt er zischend nach. Ich grinse wie ein Engelchen zu ihm auf. „Könnte sein~“, säusele ich. Wieder habe ich einen perfekten Blick auf seinen Schritt.
„Aber jetzt lass uns doch lieber Spaß haben, anstatt zu diskutieren.“ Ich ziehe an seinem Hosenbund und sehe zu Dejan auf, der entgeistert zurück starrt. Ich öffne seinen Gürtel und schon spüre ich seine Hände an meinen Handgelenken. „Ach komm schon, ist doch nichts dabei. Wenn du willst, dann kannst du ihn auch reinstecken.“
„Darum geht es mir gar nicht!“, zischt der Junge mir zu. Murrend lasse ich von ihm ab und lehne mich zurück. „Na gut, dann mach du es mir.“ Ich öffne ungeniert meine Hose und will meinen Penis gerade herausholen, als meine Schultern auf einmal gegen das Sofa gepresst werden. Ich erstarre, als ich plötzlich seine Lippen auf meinen spüre. Dann schließe ich meine Augen und erwidere den Kuss. Ich umschlinge seinen Hals und drückte ihn näher zu mir. Was hat jetzt plötzlich seine Meinung geändert? Dejan lässt wieder von mir ab und ich sehe ihn überrascht an.
„Mein Gott. Endlich bist du auch mal ruhig!“, murrt dieser und macht meine Hose wieder zu. Ich starre ihn nur an. Mir fehlen wirklich die Worte.
„Nochmal!“, quengel ich dann.
„Nein!“, meint Dejan genauso kalt wie vorher.
„Komm schon. Nur noch einmal. Bitte!“, flehe ich ihn an und umarme ihn schnell, bevor er wieder abhauen kann. „Lass mich los!“
Ich schüttele mit meinem Kopf und drücke mich an ihn. „Nochmal, nochmal!“
Ich sehe mit großen Augen zu ihm auf, aber er streicht mir nur durch meine braunen Haare. „Kleiner, du bist anstrengend.“
Ich grinse zu ihm auf und lasse ihn los. „Ich bin nicht anstrengend. Ich bin nur geistig nicht zu erreichen.“ Ich lache auf und er schüttelt schon wieder genervt mit dem Kopf. Dejan ist aber auch leicht zu reizen. „Hast du jetzt genug? Gehst du endlich?“
Er will mich also wirklich nur loswerden. Ich schürze meine Lippen und bleibe demonstrativ sitzen. „Sehe ich so aus?“ Ich kralle mich förmlich an das Sofa. „Ich bleibe.“, sage ich stur und sehe wieder auf den Fernseher, was gar nicht so leicht ist, da er mir direkt im Bild steht. Ich rücke etwas zur Seite und beobachte das Geschehen im Film. Dejan lässt sich kurzer Hand neben mich fallen. Er legt mir einen Arm um den Rücken und zieht mich zu sich. Ich sehe ihn misstrauisch an. Plötzlich hebt er mich an und wirft mich über seine Schultern. Wie schafft der Kerl das eigentlich? Ok, er hat ja auch Muskeln, aber so viele? Ich bin schließlich auch kein Strich in der Landschaft!
„Du solltest abnehmen.“, meint er plötzlich und ich ziehe leicht an seinen Haaren. „Hackt's bei dir? Lass mich runter! Außerdem bin ich nicht fett!“
„Das habe ich nie behauptet.“ Dejan trägt mich nun zur Terrasse und öffnete die Tür. Er geht nach draußen und sieht sich einmal kurz um. „Ist das nicht ein schönes Wetter?“, fragt er grinsend, während ich mich mit Händen und Füßen wehre, allerdings ignoriert er das nur. Dejan wirft einen Blick in den Himmel und wartet kurz, ehe er mich absetzt. Was ist denn nun los? „Viel Spaß noch.“, meint er und schließt die Tür hinter sich, ehe ich wieder hineinkomme. Er sieht mich grinsend an, deutet dann nach oben und ich folge seinem Blick. Was will er mir sagen? Ich sehe eine dicke dunkle Wolke und verziehe mein Gesicht. Das ist jetzt nicht sein Ernst?! Momentan wechselt das Wetter hier so schnell, dass es sicherlich nicht lange dauert bis-
Und schon bekomme ich die ersten Tropfen ab: „Dejan!“, keife ich, aber er sieht mich nur scheinheilig an: „Verdammt, lass mich rein!“, rufe ich, jedoch lacht er nur, wendet sich von mir ab und geht in die Küche, wo er vermutlich das Fenster schließt. Wie ein begossener Pudel stehe ich nun bei ihm im Garten und weiß nicht weiter. Trotzig lass ich mich einfach auf den Boden fallen und setze mich im Schneidersitz hin. Als würde er mich so wieder loswerden! Pah, dem geht es wohl zu gut! Es schüttet wie aus Kübeln, aber ich bewege mich kein Stück und starre nur weiter die Terrassentür an.
Nach einer Weile sehe ich einen Schatten im Wohnzimmer. Dejan tritt ans Fenster und staunt nicht schlecht, als er mich draußen sitzen sieht. Er murrt auf und zieht sich seine Kapuze über, ehe er heraustritt. „Komm rein!“, ruft er und geht auf mich zu. Ich zittere und bin kaum fähig mich zu bewegen. Ich muss niesen und bin einmal durch gefroren. „Du bist ein Arschloch!“, sage ich dann und niese erneut. Dejan macht ein abfälliges Geräusch, zieht mich dann aber hoch und stützt mich leicht. Er nimmt mich wieder mit hinein und lässt mich im Wohnzimmer stehen. „Warte hier.“, meint er und verschwindet im Bad, um mir ein Handtuch zu holen. „Zieh dich aus.“, meint er leichtfertig. Ich starre ihn ungläubig an. „B-Bitte w-w-was?“, frage ich schlotternd nach. Er brummt leise. „Du sollst deine Hose und dein Shirt ausziehen. Die sind doch klitschnass die Sachen. Du bist jetzt vermutlich eh schon erkältet, aber man muss es ja nicht auch noch herausfordern.“ Er kommt auf mich zu und zieht mir einfach mein Shirt über den Kopf. Leider klebt das Ding ganz schön, sodass es sich alles andere als gut anfühlt, als er mich davon befreit. Sofort fährt ein eiskalter Schauer meinen Rücken herunter. „K-kalt!“, sage ich und er legt mir das Handtuch um, was mich sofort umschließt. Ich klammere mich daran und schniefe.
Plötzlich macht Dejan sich an meiner Hose zu schaffen und ich sehe ihm mit undefinierbaren Blick dabei zu. „Ich würde das ja lieber unter anderen Umständen machen.“, nuschele ich und bin froh, dass mein Zähneklappern zurückgegangen ist. Meine Hose lernt kurz darauf das fliegen. Jetzt kann ich das Handtuch richtig um mich schließen und trockne mich ab. Währenddessen werfe ich einen Blick auf Dejan, der mir gerade seinen prächtigen Hintern präsentiert. Ich lecke mir unbewusst über die Lippen und male mir im Kopf aus, was ich damit alles machen könnte. Dejan hebt währenddessen nichtsahnend meine Klamotten auf und dreht sich dann zu mir um. „Du kannst duschen gehen. Wobei ich denke, eine kalte Dusche wäre für dich vermutlich besser, als eine warme.“, wie er mit einem Blick auf meinen Schritt feststellt. Ich grinse nur dümmlich vor mich hin. Tja, kann doch auch mal passieren. „So lange werfe ich deine Sachen in den Trockner.“, meint er und geht kurz ins Bad. Ich folge ihm wie ein Hund und betrachte ihn erneut von hinten. Das tut meinem Ständer zwar nicht gerade gut, aber mir schon und das ist doch die Hauptsache.
„Ich mache dir so lange eine heiße Schokolade. Wärme dich erst mal auf.“
Irgendwie ja schon süß, wie er sich so um mich kümmert. Dabei dachte ich, er könne mich nicht leiden und würde mich eher hassen? Vielleicht doch nicht? Vermutlich ist Dejan einfach nur eine gute Seele und hat sein Herz am rechten Fleck. Ich sehe ja jede kleine Hilfe schon als ein Wunder an. Tja, ich bin so eine Zuneigung nun mal nicht gewöhnt. Jedenfalls nicht solcher Art, wie ich sie mir immer gewünscht habe. Langsam ziehe ich mir meine Boxershorts von den Beinen und lege auch vorerst das Handtuch beiseite. Das kann ich mir dann nach der Dusche umbinden. Ob Dejan mir von ihm Klamotten leihen würde? Fragt sich nur, ob diese mir passen würden? Schließlich bin ich schon ein wenig kleiner als er. Aber das wird schon hinhauen. Jedenfalls besser, als nackt durch die Gegend zu laufen und zu frieren.
Ich steige unter die Dusche und mache das warme Wasser an. Ich denke nicht einmal daran, kalt zu duschen. Viel lieber genieße ich das warme Prasseln auf meiner Haut und seufze leise auf. So ist das wirklich angenehm. Allerdings wird meine Latte davon auch nicht kleiner. Ich zögere etwas, seufze dann aber. Was soll ich auch sonst machen? Ich kann ja nicht ewig darauf warten, dass sie wieder abklingt. Also umfasse ich mein Glied und fange an es zu massieren. Ich stütze mich an der Wand ab und keuche leise. Ich darf nur nicht zu laut werden. Ich bin doch eher weniger scharf darauf, dabei erwischt zu werden, wie ich mir einen runterhole, während ich an Dejan denke. Mit einer Hand halte ich mir den Mund zu und drehe mich um, sodass ich mich nach hinten an die Wand lehnen kann. Ich schließe meine Augen und stelle mir vor, wie nicht ich, sondern wie Dejan mich befriedigt. Schöner Gedanke, leider jedoch nicht die Wirklichkeit. Ich seufze, was in ein Stöhnen übergeht. Hoffentlich übertönt die Dusche es ein wenig. Ich verziehe angestrengt mein Gesicht und merke, dass ich meinem Höhepunkt näher komme. Als ich abspritze, presse ich mir schnell eine Hand auf den Mund, um meine Stimme abzudämpfen.
Keuchend stehe ich unter der Dusche, während sie mich sofort wieder sauber wäscht. Ich lege mir einen Arm über meine Augen und balle meine Hände zu Fäusten. Das ist mir noch nie passiert. Nennt man so etwas etwas „Liebe auf den ersten Blick“? Dabei wollte ich ihn doch nur zum vögeln haben? Und jetzt hole ich mir einen runter, während ich an Dejan denke. „Scheiße!“

You got it what i want

Chuck hatte mich noch zur Herberge gebracht und war dann wieder zum Strand gefahren. Jetzt stehe ich hier in meinem Zimmer und weiß nicht, was ich sagen soll. Vince liegt auf meinem Bett und hat die Augen geschlossen. Er hört mit meinem I-Pod Musik und sieht so friedlich aus. Aber ich muss mir immer wieder vor Augen führen, dass wir eine Trennung auf Probe haben. Also gehe ich nun schnurstracks auf ihn zu und schubs ihn von meinem Bett. Sofort macht er die Augen auf und verzieht sein Gesicht.
„Hast du noch alle Latten am Zaun?!“, fragt er mich sauer und wirft meinen I-Pod zurück auf die Matratze, als er aufsteht. Ich sehe ihn kurz an und murre leise. „Mein Zimmer, mein Bett, mein I-Pod!“, sage ich und nehme das Gerät an mich, um es auszuschalten. Vince sieht zu mir auf, zuckt dann aber mit den Schultern, ehe er geht. Vermutlich sucht er sich jetzt jemanden, bei dem er über Nacht bleiben kann. Oder doch lieber ein neues Betthäschen? Ich mache mir nichts daraus, oder tue wenigstens so. Unsicher bleibe ich also auf meinem Bett hocken und starre den I-Pod an. Eigentlich wollte ich ihn ausmachen, aber vorher werfe ich noch einen Blick auf das Display. Welches Lied er wohl gehört hat? Ich stocke, als ich den Titel lese. Zufall oder gewollt? Warum muss er ausgerechnet jetzt dieses Lied hören? Ich schüttele leicht mit dem Kopf und seufze auf. Das ist einfach alles zu viel für mich und außerdem merke ich gerade, wie meine Seite wieder anfängt wehzutun. Ich streiche leicht darüber und stehe auf, um mit den Schmerztabletten die Küche aufzusuchen. Ich suche mir ein Glas heraus und lasse Wasser einfließen, um die Tablette damit hinunterschlucken. Das Glas stelle ich danach in die Spüle, die Tabletten werfe ich vom Flur aus in mein Zimmer und schließe die Tür. Ich schlendere über den Flur und auf Vio's Zimmer zu. Zaghaft klopfe ich an und warte auf eine Antwort. Als keine kommt, versuche ich es erneut. Vio öffnet mir die Tür, wobei ich leicht rot werde. Sie trägt nur einen Rock und einen BH und ich wende meinen Blick ab. „Ah Steve! Komm rein.“, meint sie und zieht mich an meinem Arm herein. „Was ist denn? Wieso so verlegen? Du bist schwul, da hast du sogar die Erlaubnis zu gucken und nutzt es nicht einmal?“, fragt sie und lacht. Ich murre nur leicht. „Was ist passiert? Du siehst nicht gut aus.“
Ich setze mich auf einen Stuhl und begrüße eben Alisha, wie auch eine weitere Schülerin aus meinem Kurs. Dann seufze ich auf.
„Vince und ich haben uns getrennt.“, murmele ich bedrückt. Alisha, die gerade etwas trinken wollte, verschluckt sich und muss husten. Beide starren mich ungläubig an. „Ihr habt euch getrennt?! Wie kommt das denn? Ihr habt doch sonst immer alles überstanden. Ihr habt doch noch nie über eine Trennung nachgedacht? Was hat Vince schon wieder gemacht?“, fragt Vio mich sauer. „Den Kerl mache ich fertig, wenn ich ihn erwische!“
Schnell hebe ich beruhigend meine Hände und schüttele den Kopf. „Das ist nicht seine Schuld.“, sage ich schnell. „Also, ich weiß nicht. Wir sind beide schuld. Irgendwie war er sauer und ich habe alles nur schlimmer gemacht. Weiß nicht genau. Aber es ist auch nur eine Trennung auf Probe.“, versuche ich Vio zu beschwichtigen.
„Eine Trennung auf Probe?! Sagt mal, was ist denn in euren Gehirnen kaputt gegangen? Seid ihr beim Sex mit euren Köpfen aneinander gestoßen oder was?!“ Meine andere Mitschülerin hält sich aus dem Gespräch raus, hört allerdings interessiert zu. Vio zieht sich währenddessen endlich mal ein Top über. Vielleicht kann ich dann auch endlich mal wieder meinen Kopf heben. Ich spiele nervös mit meinen Fingern und knabbere auf meiner Unterlippe herum.
„Vielleicht ist es ja auch besser, wenn wir uns trennen.“, sage ich leise und fahre mir durch meine Haare. „Ich meine, wir streiten momentan nur und so. Vielleicht war es damals einfach nur dumm und naiv von uns, zu glauben, dass das schon alles klappen würde.“ Wer konnte uns damals auch versprechen, dass alles gut laufen würde? Jetzt sehen wir ja, dass unsere Beziehung scheinbar zum Scheitern verurteilt ist. „Das denkst du doch nicht wirklich, Steve.“, meint Vio sachte. Ich weiß darauf nichts zu erwidern. Vio nimmt mich in den Arm, allerdings macht trösten es jetzt nur noch schlimmer und ich merke, wie mir schon wieder die Tränen hochkommen. Ich schluchze leise auf und wische mir über die Augen.
„Hör auf zu weinen, dass hat dieser Arsch nicht verdient.“, flüstert mir Vio ins Ohr.
„Bleib einfach bei uns. Wir kümmern uns schon um dich, richtig Alisha?“, sagt sie aufmunternd. Sie streicht mir zärtlich über den Kopf und drückt mich fest an sich. Was mich eigentlich am meisten beschäftigt ist die Tatsache, dass es Vince kaum zu stören scheint. Wieso nicht? Hat er mich doch nicht richtig geliebt? Hat er alles nur vorgeheuchelt? So wie damals schon? Es war aber auch dumm von mir, ihm gleich nach dem Sex meine Liebe zu gestehen. Was habe ich schon erwartet? Zu viel, wie es scheint.
„Ihr seid beides Kindsköpfe.“, mischt Alisha sich nun das erste Mal in das Gespräch mit ein. „Ihr seid einfach noch zu jung und zu naiv. Jeder streitet mal in einer Beziehung, da muss man sich nicht gleich trennen!“, meint sie kopfschüttelnd. „Rede lieber nochmal mit ihm. Es bringt doch nichts hier zu sitzen und dir wegen ihm die Augen auszuheulen, wobei ihr weder getrennt, noch zusammen seid. Ihr müsst euch entscheiden, so ein Zwischending ist doch nichts für euch. Ihn lässt es sicherlich auch nicht kalt. Er sagt vielleicht nicht oft, dass er dich liebt, aber er hat seine eigenen Methoden, es dir zu zeigen. Das merkt man doch schon alleine daran, dass er dir hierhin hinterher geflogen ist. Außerdem kann sogar der ach so große Vincent eifersüchtig werden und das wäre er sicherlich nicht, wenn er dich nur für sein Bett ausnutzen würde.“
Ich verstehe ja, was Alisha meint, aber so ganz glauben kann ich es nicht. Ich bin momentan einfach zu verletzt und will nicht mehr so naiv sein wie früher. Ich will Vince nicht wieder hinterher rennen, so wie bei unseren anderen Streitereien, bei denen ich mich dann immer sofort wieder bei ihm entschuldigt habe, auch wenn er mal Schuld war. Das ist nicht richtig. Also schüttele ich mit dem Kopf.
„Hör auf es zu verneinen Steve! Ihr seid doch beide nur töricht. Seid ihr zu imbezill, um eine Beziehung zu führen?“ Ich verstehe gerade nur Bahnhof und sehe sie dementsprechend auch aus meinen tränennassen Augen an.
„Dumm.“, erklärt sie mir. Ich schmolle leicht. „Wir können eine Beziehung führen! Sonst wären wir nicht seit einem halben Jahr zusammen....gewesen!“, sage ich patzig. Sie seufzt. „Da liegt euer Problem. Ihr seid beide borniert und kommt daher in Streitsituationen nicht miteinander klar. Lernt beide ein wenig extravertierter zu sein.“ Mit ihren Fremdwörtern kommt sie bei mir nicht weit. Ich verstehe sie einfach nicht. Aber das ist nun mal Alisha's Sprachwahl und daran habe ich mich inzwischen schon gewohnt.
„Sie meint damit, dass ihr dickköpfig seid und ihr beide euch gegenüber etwas offener verhalten müsst, sonst klappt das nicht. Ihr müsst aufeinander zugehen und nicht nur du, sondern auch Vince muss mal seine Fehler einsehen und sich entschuldigen.“, übersetzt mir Vio schnell das, was Alisha mir gesagt hat. Tja, die beiden haben gut reden.
„Sagt das nicht mir, sondern Vince.“, murre ich. Nun schütteln sie fast synchron ihre Köpfe.
„Er ist dein Freund. Es ist deine Aufgabe, ihm deinen Standpunkt und deine Meinung klarzumachen und ihm zu sagen, wie er sich mal ab und an verhalten sollte.“ Die beiden sind mir zwar eine gute Stütze, aber keine große Hilfe an sich. Ich bin noch immer nicht weiter vorangekommen.
„Vielleicht sollte ich mal meinen Vater anrufen?“, schmunzele ich und wiege meinen Kopf hin und her. Ob er mir helfen könnte? Vermutlich nicht. Wir sind gerade schließlich ein paar hundert Kilometer von zu Hause entfernt.
„Mach das. Wir beide gehen jetzt erst mal eine heiße Schokolade für dich kochen. Telefonier so lange.“, sagt Vio mir und drückt mir noch einen Kuss auf die Stirn, ehe sie mit Alisha in die Küche verschwindet und ich mit dem Mädchen alleine im Zimmer sitze. Ich werfe ihr kurz einen Blick zu und sie sieht unsicher zurück und lächelt leicht. Ich erwidere das Lächeln ebenso schüchtern. Klar, sie ist in meinem Kurs, aber ich bin sonst nie alleine mit einem anderen Mädchen, als mit Vio und Alisha. Außerdem komme ich mit mehr oder weniger Fremden noch immer nicht so gut klar und weiß nicht, was ich zu ihnen sagen sollte.
„Ähm, also...“, fängt sie an und ich sehe von meinem Handydisplay auf. „Ich glaube nicht, dass es Vincent nichts ausmacht.“, versucht sie mich aufzumuntern. „Ich habe ihn vorhin gesehen. Er sah ziemlich fertig aus. I-Ich kann dir nicht sagen, ob er vielleicht geweint hat, aber glücklich oder zufrieden wirkte er nicht. Eher ganz schön alleine gelassen.“ Ich sehe sie überrascht an. Ach so? Also stört es ihn genauso sehr wie mich? Wieso haben wir es dann überhaupt erst getan? Wieso haben wir uns getrennt, zum Teufel?!
„Danke.“, murmele ich leise. „Kein Ding. Ich wünsche euch noch viel Glück.“ Sie lächelt mir zu, steht von ihrem Bett auf und verlässt das Zimmer. Ich sehe ihr nach, bis die Tür wieder ins Schloss gefallen ist. Seufzend öffne ich das Telefonbuch meines Handys und wähle die Nummer von meinem Vater aus. Zu Hause werde ich ihn sicherlich nicht erreichen, also muss ich auf seinem Handy anrufen. Hoffentlich störe ich gerade nicht. Bei dem Gedanken werde ich rot. Bloß nicht den Teufel an die Wand malen!
Ich höre das Freizeichen, bis es klick macht. Hat er aufgelegt? Dann höre ich die Stimme meines Vaters und atme erleichtert durch.
„Steve?“, fragt er sofort besorgt nach. „Hey Dad.“, sage ich und muss leicht lächeln.
„Steve, ist alles ok bei euch?“, fragt er. „Ist Vince gut angekommen? Er wollte unbedingt hinterher. Wir wollten ihn noch aufhalten. Wir haben uns gedacht, dass du vielleicht auch mal Ruhe brauchst.“ Ich höre im Hintergrund Roy's Stimme und wie er leicht lacht. Also sind sie doch zu Hause? Ich würde ja lieber alleine mit meinem Vater reden.
„Vince ist da, ja.“, meine ich eher weniger erfreut. „Hättet ihr ihn mal zu Hause angekettet.“, murre ich dann. Mein Vater lacht leicht. Tja, er weiß nun mal von der Sache noch nichts. „Hat er wieder Mist gebaut? Ich dachte, das bist du inzwischen gewohnt?“ Ich schüttele leicht meinen Kopf, was die beiden natürlich nicht sehen können. „Diesmal hat er es zu weit getrieben und ich auch.“, sage ich und muss schlucken. „Wir haben uns getrennt.“ Jetzt ist es raus. Am anderen Ende der Leitung herrscht eine Zeit lang Stille. „Paps?“, frage ich zögerlich nach.
„Soll ich dich abholen kommen?“, fragt mein Vater nach. Vermutlich hat er sich gerade erst mal mit Roy beraten. „Nein, geht schon.“, erwidere ich.
„Nichts geht. Wenn alles ok wäre und du damit klarkommen würdest, dann hättest du mich nicht angerufen. Ich kenne dich Steve. Bitte weine nicht mehr.“ Auch wenn er es sagt, ist es leider ziemlich schwer, es in die Tat umzusetzen. Ich schniefe kurz auf. „Tut mir leid.“, meine ich mit brüchiger Stimme. Jetzt höre ich auch Roy näher am Telefon. „Steven? Hey, ich bins. Ich werde Vincent nachher mal anrufen, falls es dir nichts ausmacht.“, meint Roy. Warum sollte es mich interessieren? Ich habe ja keine Beziehung mehr zu ihm, also kann er machen was er will und ich ebenso. „I-Ist mir egal.“, murmel ich. „Aber ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich will mich gar nicht trennen und er ist so kalt und abweisend zu mir. Ich weiß einfach nicht, wie ich mit ihm darüber reden soll. Sein Blick tut mir weh.“, heule ich den beiden die Ohren voll.
„Ach Steve...du weißt gar nicht, wie gerne ich dich jetzt in den Arm nehmen möchte.“, sagt mein Vater leise. „Was sollen wir jetzt machen? Ihr seid zu weit weg, wir können uns da diesmal nur telefonisch einmischen und ich weiß nicht, ob das eine so gute Idee ist. Vermutlich wird Vince sich dann erst recht weiter abwenden.“, erklärt mir mein Vater. Er hat ja recht. „Ich wollte nur kurz mit dir reden.“, meine ich zögernd. „Ihr müsst nichts tun. Ich verstehe es ja. Es ist vermutlich wirklich keine gute Lösung. Ich glaube, ich lege dann auf. Vio und Alisha kommen auch grade wieder.“, meine ich, als ich Schritte auf dem Flur höre. Ich verabschiede mich von meinen Vätern und lege das Handy wieder weg. Gerade als die Tür aufgeht, sehe ich wieder auf und staune nicht schlecht, als mir Vince gegenüber steht. „Oh, sorry, falsche Tür.“, meint er nur und sieht mich kurz durchdringend an. Oh nein, jetzt sieht er ja, wie verheult ich aussehe! Das wollte ich doch vermeiden! So ein Mist aber auch. Dennoch halte ich mit Mühen seinem Blick stand und wende meinen Kopf nicht ab.
„Wasch mal dein Gesicht. Du siehst scheiße aus.“, meint er lediglich, ehe er sich abwendet. „Ach ja, falls Frau  Henecke fragt, ich bin unterwegs.“ Damit verlässt er das Zimmer wieder und lässt mich hier sitzen. Unterwegs? Was meint er damit? Wo will er denn hin? Eigentlich hat es mich ja nicht zu interessieren, aber ich mache mir schon Sorgen. Nicht, dass er jetzt jemanden aufreißen will? Was ist, wenn ihm etwas passiert? Das würde ich nicht aushalten! Ich beiße mir auf meiner Lippe herum und raufe meine Haare. Was ist, wenn er nicht mehr wiederkommt? Oh Gott, was soll ich nur machen?! Dann stocke ich. Das geht mich ja eigentlich nichts an, oder? Ich versuche wieder auf andere Gedanken zu kommen und spiele nervös mit meinen Fingern herum. Nach einiger Zeit kommen Viola und Alisha wieder. Ich lächele ihnen zu und fahre mir nervös durch die Haare.
„Was ist los mit dir, Steve?“, fragt Vio mich sofort, als sie meine Aufregung bemerkt.
„Vince war gerade hier. Er meinte, ich soll unserer Lehrerin Bescheid geben, dass er raus geht. Was ist, wenn ihm nun etwas passiert?“ Vio winkt nur ab und setzt sich zu mir. Sie reicht mir die heiße Schokolade und ich sehe in das dunkle Gebräu, wobei ein wenig Sahne oben drauf schwimmt, mit einem Marshmallow drin. Vio scheint auf so einen süßen Kram zu stehen, vermutlich könnte sie sich auch nur von Kuchen, Törtchen, Keksen und Kakao ernähren.
„Vince ist ein starker Kerl. Dem passiert so schnell nichts. Außerdem hat er dich doch hier sitzen lassen, also mach dir doch um den keinen Kopf!“, meint Viola streng. Ich nicke zögernd. Wenn sie mal in einer Beziehung Stress hat, dann werde ich ihr auch mal so „hilfreiche“ Tipps an den Kopf werfen. „Willst du nicht doch hetero sein und es mit mir versuchen? Ich ertrage es gar nicht, dich so zu sehen.“
Ich sehe meine beste Freundin stutzend an, ehe ich lächel. „Hör auf mit den dummen Scherzen, danach ist mir gerade wirklich nicht zu Mute.“, murmel ich leise. „Das war kein Scherz!“, schimpft sie.
„Vio!“
„Aber-“ Alisha legt ihr eine Hand auf die Schulter und schüttelt kaum merklich den Kopf. Schmollend verstummt Vio. „Vio, du weißt, wie ich dazu stehe. Abgesehen davon, dass ich ja scheinbar schwul bin und Frauen mich nicht reizen, möchte ich nichts mit meiner besten Freundin anfangen. Unsere Freundschaft ist mir einfach zu wichtig, verstehst du?“ Sie nickt und seufzt theatralisch auf. „Ob ich jemals einen Freund finden werde?“
Bei der Aussage muss ich unweigerlich grinsen. Als ob sie noch nie einen hatte. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob sie noch Jungfrau ist. Aber so etwas fragt man ja auch nicht nach. Aber eigentlich schon ungerecht, schließlich weiß sie auch, dass ich mein erstes Mal schon lange mit Vince hinter mich gebracht habe. „Sag mal Vio...“, fange ich an, ohne sie anzusehen. „Mh?“, fragt sie lächelnd nach, nachdem ich sie aus ihren Gedanken gerissen habe.
„Du hattest doch sicherlich schon mal einen Freund, oder?“, meine ich dann. Sie mustert mich prüfend und nickt dann.
„Da war Julian, vor drei Jahren. Unsere Beziehung hat aber nur ein paar Monate gehalten. Irgendwie waren wir dann doch mehr die besten Freunde. Vor zwei Jahren musste er dann mit seinen Eltern wegziehen, jetzt haben wir eher einen telefonischen Kontakt. Ansonsten noch Marc. Mh...der war niedlich. War auch ein kleine Emo, so wie du.“ Sie lacht auf, während ich nur einen Schmollmund ziehe. „Marc hätte alles für mich getan. Der hätte seine Hand ins Feuer gehalten. Da habe ich auch Schluss gemacht. Es tat mir zwar selber sehr weh, aber er war für mich doch nur so etwas wie ein kleiner Bruder. Ich glaube er hat es mir ziemlich übel genommen. Ich habe ihn nach einiger Zeit aus den Augen verloren. Mit ihm war ich fünf Monate nach meiner ersten Trennung zusammen. Zwei Monate später hatte ich dann Jesse. Der war vielleicht ein Fuchs. Das war mehr so ein Bad Boy, ein wenig wie Vince, nur irgendwie doch anders. Er war, sagen wir mal freundlich, individuell. Und hat mich dann für eine andere sitzen lassen. Aber so etwas habe ich schon vorher geahnt. Mit ihm war ich bis vor acht Monaten zusammen. Kurz, bevor wir uns kannten.“ Sie überlegt. „Seitdem hatte ich niemanden mehr. Du hast mich zu sehr gefangen.“, säuselt sie dramatisch und fasst sich an ihr Herz, während sie sich nach hinten auf das Bett fallen lässt. „Vielleicht sollte ich mich der Wucht deiner Liebe hingeben und daran ersticken~“ Habe ich schon mal erwähnt, dass sie eine echt gute Schauspielerin ist? Ich lache auf. Plötzlich sitzt sie wieder kerzengerade auf dem Bett und zeigt mit einem Finger auf mich. „Da war es! Das Lachen, was ich an dir so liebe!“ Sie drückt mich und gibt mir einen Kuss auf die Wange. „Ich wünschte, ich hätte so einen kleinen Bruder wie dich. Du bist einfach zu süß!“
„Pass auf, meine heiße Schokolade.“, erwidere ich nur und grinse leicht. Jetzt weiß ich trotzdem nicht, ob sie noch Jungfrau ist. „Und, na ja, also...ähm..wie soll ich sagen..“, stottere ich und werde rot. „Also bist du...hast du schon mal..ich meine...mit einem deiner Freunde..äh-“ „Sex?“, fragt sie einfach nach. Ich laufe knallrot an und räuspere mich. „Gott, bist du aber süß! Ich könnte dich auf der Stelle fressen.“ Vio lacht und streicht sich durch ihr buntes Haar. Sie hat übrigens vor, sich ihre Haare neu zu färben. Irgendeine andere Farbe. Vermutlich so etwas wie grün-orange. Jedenfalls so, wie ich sie einschätze. „Klar habe ich. Ich bin keine Jungfrau mehr. Also mit Julian nicht. Und mit Marc erst recht nicht. Der hätte sich nicht einmal getraut, sich die Hose auszuziehen, geschweige denn, mich irgendwo anzufassen. Aber mit Jesse auf jeden Fall. Ich sagte ja, er war wie ein Fuchs. Hat sich immer herangeschlichen, wie an eine Beute und sich dann förmlich auf mich gestürzt. Aber er hat nur das gemacht, was ich wollte. Er hätte mich nicht richtig verletzt oder so etwas. Dass er sich neu verliebt hat, ist nun mal passiert. Aber dafür kann er ja nichts. Irgendwann passiert so was doch immer.“
Das hat mir meinen Mut jetzt wieder genommen. Was ist, wenn Vince sich auch neu verliebt? Oder wenn ich mich plötzlich in jemanden vergucke? Wobei es bei Vince bestimmt schneller gehen würde. Ich bin nun mal nicht sonderlich interessant. Ich seufze lautstark auf.
„Man Steven, echt jetzt! Da lenkt man dich ab und versucht dich aufzumuntern und bei einem falschen Wort bist du gleich wieder deprimiert.“, beschwert sich Viola. Aber was soll ich denn machen? „Nimmt dich das wirklich so mit?“, fragt Alisha besorgt. Ich nicke. Sie lächelt mir aufmunternd zu und streicht mir kurz durch die Haare. „Mach dir keine Sorgen, Vince fängt sich schon wieder.“, meint sie dann. Na ob das wirklich so stimmt? Ich bezweifle es eher.
„Ach, da fällt mir ein, dass Frau Henecke zu uns meinte, sie hätte für heute einen Filmabend organisiert. Anwesenheitspflicht. Wenn wir uns nicht selber darum kümmern, will sie uns den Spaß wohl diese Woche hineinprügeln. Sie will nicht, dass wir die ganze Zeit nur zeichnen und etwas für die Schule machen.“ Viola lacht leicht auf, ich versuche nur ein wenig zu grinsen, was mir eher misslingt. Sie zieht mich am Arm hoch und harkt sich bei mir ein. „Los, trink deine heiße Schokolade da weiter.“ Wir gehen aus dem Zimmer und Alisha folgt uns schweigend. Wir betreten einen Gemeinschaftsraum, der gemütlich eingerichtet ist. Eine Couch, zwei Sessel und viele Decken und Kissen auf dem Boden. Die Vorhänge sind geschlossen und der Fernseher ist an, jedoch wurde noch keine DVD eingelegt. Frau Henecke sieht lächelnd zu uns auf, während sie die DVDs sortiert. „Na, freut ihr euch schon?“, fragt sie nach und wir nicken.
„Los, lass uns doch auf den Boden krümeln! Wir kuscheln dann unter einer Decke zusammen und du wärmst dich noch zusätzlich mit der Schoki auf, ok?“ Vio drückt mich einfach auf eines der Kissen und mir bleibt gar nichts anderes übrig, als mich darauf niederzulassen. Sie setzt sich dicht neben mich und zieht Alisha zu sich. Dann deckt sie uns alle schön zu und kuschelt sich an mich. „Na los, jetzt lächel doch mal wieder.“, mault sie leicht. „Lass mal.“, murre ich nur und starre erneut in mein warmes Getränk. Ich nehme endlich einen Schluck und lecke mir über die Lippen. Wirklich lecker. „Davon musst du mir aber mal mehr machen.“, beharre ich. Sie nickt. Nach kurzer Zeit kommt der Rest des Kurses auch dazu. Vermutlich wird Vince dann wohl auch gleich kommen, oder nicht? Schließlich ist doch für alle Anwesenheitspflicht. Frau Henecke legt die erste DVD ein und scheucht zwei Mädchen von einem Sessel, um sich selber hinsetzen zu können. Wir kichern nur leise darüber. Das ist typisch für sie, immer den besten Platz ergattern. Der Film beginnt und unauffällig sehe ich mich um. Vince ist immer noch nicht da. Auch nachdem der Film schon seit gut zehn Minuten läuft, fehlt von ihm jede Spur. Was er wohl macht? Ich stelle meine Tasse auf dem Tisch vor uns ab und kuschele mich automatisch näher an die Decke. Viola legt mir einen Arm um und drückt mich wieder fest an sich. „Lass dich doch mal ablenken.“, murmelt sie mir zu.
„Ruhe da vorne.“, mahnt Frau Henecke und wir grinsen ein wenig. Dass unsere Lehrerin so vernarrt in Filme ist, wussten wir nicht.
Nach einiger Zeit machen wir eine kleine Filmpause. Ich stehe kurz auf, um mich zu strecken und gähne leicht. Ich habe Schlafmangel, wie ich gerade merke und das ist mehr oder minder Vince' Schuld. Ich werfe einen Blick zur Tür, die nun offen steht, da einige Mädels zu den Toiletten gegangen sind. Plötzlich kommt Vince herein. Frau Henecke geht sofort auf ihn zu und meckert ihn an. Erst da fällt mir ein, dass ich ihn ja entschuldigen sollte. Jetzt ist er bestimmt sauer. Aber was mache ich mir einen Kopf? Ich bin doch dafür nicht zuständig! Schließlich hat er sich doch von mir getrennt, also! „Einmal lasse ich es dir durchgehen, aber das ist nur eine Ausnahme, hörst du!“, droht Frau Henecke gerade. Vince wirft mir einen undefinierbaren Blick zu, welchen ich erwidere. Jedoch wende ich kurz danach unsicher meinen Blick ab. Ich konnte Vince noch nie lange in die Augen sehen. Und jetzt schmerzt es nur. Ich beiße mir auf die Lippe und drücke meine Fingernägel leicht in meine Hand, was ich gar nicht mitbekomme. Dann schlucke ich. Ich will nicht wieder weinen. Ich muss ständig weinen, wenn ich sehe, wie er mich ansieht. Das ist unerträglich! Plötzlich spüre ich Violas Hand an meiner und wie sie mich wieder nach unten zieht. Ich lasse mich nieder und sie verschränkt unsere Finger miteinander. „Und, wie findest du die Filme bisher, Süßer?“, fragt sie lächelnd. Ich bin etwas verwirrt, zucke aber mit den Schultern. „Ganz ok.“, nuschele ich. „Also ich fand ja den zweiten Film am besten. Mal schauen, was wir jetzt für einen gucken.“
Ich bemerke aus den Augenwinkeln heraus, wie Vince sich abwendet und soweit wie möglich von der Gruppe entfernt hinsetzt. Man muss ja auch nur anwesend sein, nicht zuschauen. Frau Henecke klatscht kurz in die Hände und schließt die Tür, nachdem die letzten Mädchen wieder hineingehuscht sind. „Wir schauen noch einen Film und dann geht es ab ins Bett. Gegessen habt ihr jetzt sicherlich genug.“
Klar, die ganzen Knabbereien und das Obst und Gemüse. Macht irgendwie schon satt. Dann auch noch die Getränke. Also ich kriege sicherlich nichts mehr runter, aber momentan bin ich auch kein Maßstab dafür. Der Film läuft weiter, aber ich sehe immer wieder zu Vince, der eher einsam und trostlos in der Nähe des Fensters sitzt und lieber in die Dunkelheit hinaus starrt, indem er den Vorhang einen Spalt breit zurückgeschoben hat. Am liebsten würde ich hingehen, ihn umarmen und küssen, damit es ihm wieder besser geht. Aber ich lasse es sein und versuche mich weiter auf den Film zu konzentrieren. Vielleicht ist es besser, Abstand zu nehmen.

Give it up, step it up

„So meine Lieben. Wir bleiben alle dicht zusammen, in Ordnung? Wir möchten die anderen ja nicht stören. Außerdem habt ihr nach der Führung noch genug Zeit, euch noch einmal umzusehen.“, erklärt uns Frau Henecke. Dass sie uns immer wie Kinder behandeln muss. Einfach schrecklich. Ich schüttele nur mit dem Kopf. Unmöglich unsere Lehrerin. Aber an sich ist sie ja eine ganz nette. „Also gut. Dann überlasse ich Ihnen das Wort, mein Herr.“ Ein junger Mann lächelt ihr kurz zu und nickt knapp. „Darf ich euch duzen? Ich finde es sympathischer und so viel älter als ihr bin ich ja auch nicht.“, sagt der Museumsführer und deutet uns, ihm zu folgen. Wir stimmen ihm zu und gehen los. „Wir beginnen bei der Landschaftsmalerei. Schließlich seid ihr ja ebenfalls dafür hier, richtig?“ Der junge Mann lächelt und bleibt vor einem Bild stehen. „Dieses Bild ist von einem hoffentlich bekannten Künstler. Leonardo da Vinci. „Die Arno-Landschaft“. Dieses Bild ist die erste reine Landschaftszeichnung von 1473. Da Vinci's Hintergründe waren jedoch eine Art Überblick über die Erscheinungsformen der Natur. Dazu gehören Erde, Luft, Wasser und Feuer. Zudem nutzte er die Nähe und Ferne, wie auch die Wärme und Kälte.“
Ich besehe mir das Gemälde und schmunzele leicht. Er hat recht, das kann gar keine Landschaft gewesen sein. Aber schön sieht es aus. „Ist es das Original?“, will ich neugierig wissen. Herr Adams lacht auf. „Nein, leider nicht. Wir haben Originale, aber nicht von Leonardo da Vinci. Dieser Künstler fehlt uns noch. Aber wir sind fleißig dabei, die Originale zu finden und zu ergattern.“ Ich nicke verständlich. Schade eigentlich.
„Wenn du genau hinsiehst, dann kannst du es auch erkennen.“
Was meint er denn damit? Ich sehe mir das Bild erneut an. Erst da fällt mir auf, dass seine Unterschrift fehlt.
„Das nächste Bild ist von einem Künstler namens Annibale Carracci. Ein Jahr nachdem er nach Rom gezogen war, malte er das Bild „Fischfang“. Das war Ende des 16. Jahrhunderts. Das Bild deutete auf den Barock hin. Könnt ihr euch vorstellen wieso?“
Wir betrachten das Gemälde, bis Viola sich plötzlich meldet. „Ja bitte, junge Dame?“
„Das Licht wirkt dramatisch und die Farben und die Bewegtheit der Figuren traten so im Barock auf.“ Herr Adams lächelt. „Richtig. Die Malweise von Carracci hatte einen großen Einfluss auf die römischen Maler. Die Landschaftsmalerei blieb bis ins frühe 17. Jahrhundert auf den Hintergrund beschränkt. Es kommt darauf an, mit welchem Auge man die Gemälde betrachtet. Dahingehend nimmt man Stellungen zu den Bildern auf. Eigentlich stellt die Landschaftsmalerei vor allem die besinnliche Haltung zur Natur und auch stimmungsvolle Aspekte dar. Schon im 4. und 5. Jahrhundert gab es Maler in China, die sich auf die Natur spezialisierten. Bis heute noch beschäftigen sich Künstler mit dem Aussehen und dem Charakter der Natur.“
Ich höre Herrn Adams nur mit halben Ohr zu. Das meiste darüber haben wir ja auch schon im Unterricht gelernt. Viel mehr interessiert mich, was Vince wohl gerade so treibt. Er steht ein wenig abseits, so wie immer und starrt mürrisch vor sich hin. Irgendwie sieht er nicht gut aus. So blass und ungesund. Leise seufze ich auf.
„Habe ich etwas falsch gesagt?“, fragt Herr Adams freundlich nach. „Oder langweile ich dich?“
„Mh?“ Ich sehe auf und werde leicht rot, ehe ich schnell den Kopf schüttel. „T-Tut mir leid, ich habe mich nur gerade an etwas erinnert.“, murmel ich und kratze mich am Kopf. „Machen Sie einfach weiter.“ Das ist unangenehm! Ich sollte mich mal zusammenreißen und mich auf die Kunst konzentrieren! Dass es Vince keinen Spaß macht ist doch klar. Was ist der Idiot mir auch hinterher geflogen? Ist schließlich nicht sein Kurs!
„Wie ihr also sehen könnt, gibt die Landschaftsmalerei keine besondere Handlung dar. Auch Claude Monet hat sich mit ihr beschäftigt. Im Impressionismus malte er das Bild „Impression, Soleil Levant“ von 1872. Übersetzt heißt es „Sonnenaufgang“.“ Wir bleiben noch eine kurze Zeit in der Landschaftsmalerei, ehe wir weiter gehen. Der japanische Farbholzschnitt ist unser nächstes Thema. Aber auch hier höre ich kaum noch zu. Ich kann meinen Blick nicht mehr von Vince abwenden. Ob er geweint hat? Ich habe ihn noch nie so richtig weinen gesehen, ich kann es nicht beurteilen.
Plötzlich dreht Vince sich zu mir um. Sein stechender Blick jagt mir einen Schauer über den Rücken. Ich muss schlucken und öffne meinen Mund, schließe ihn dann aber wieder. Er regt sich kein Stück und sieht direkt in meine Augen. Als würde er mir direkt in die Seele blicken. Zögerlich wende ich meinen Blick langsam wieder ab. Aus meinen Augenwinkeln heraus schiele ich jedoch weiterhin zu Vince. Er hat sich immer noch nicht bewegt. Was will er? Wenn er mir etwas zu sagen hat, soll er es doch machen. Aber dazu traut er sich scheinbar nicht.
„Steve?“ Ich sehe zu Alisha und lächele ihr leicht zu. „Lass dich von dem doch nicht unterkriegen. Er ist doch selber ein Schisshase. Pass lieber auf, Frau Henecke schreibt doch gerne Tests über solche Sachen.“ Sie zwinkert mir zu und ich nicke eifrig. Da hat sie recht. Leider macht unsere Lehrerin das fast jede dritte Stunde.
„Katsushika Hokusai lebte von 1760 bis 1849 in Japan. Er war ein Künstler, der stilistisch unabhängig war und eine Reihe von Holzschnitten herstellte. Das waren die „36 Ansichten des Berges Fuji“. Hokusai machte jedoch nicht nur dem Holzschnitt alle Ehre. Durch ihn wurde auch der Begriff „Manga“ sehr berühmt. Übersetzt bedeutet es übrigens so etwas wie zwangloses und ungezügeltes Bild. Seine Manga sind zwischen 1814 und 1815 veröffentlicht worden. Es sind allesamt Skizzen, die man in 15 Bänden erhalten konnte. Jedoch war es anders, als heute. Es sind keine Geschichten die erzählt werden, sondern nur einzelnen Momentaufnahmen aus der Edo-Zeit. Auf seinem Totenbett soll Hokusai nun angeblich gesagt haben: „Hätte der Himmel mir weitere fünf Jahre geschenkt, wäre ich ein großer Maler geworden.“ Da nur Leute aus den Niederlanden derzeit nach Japan durften, um zu handeln, brachten diese die Bilder erst mit nach Europa und machten sie berühmt. Auch Künstler wie van Gogh, Gauguin und viele weitere wurden durch Hokusai's Kunst beeinflusst.“
Das ein Künstler so viel Einfluss auf die Kunst und andere haben konnte, finde ich erstaunlich. Ob das heutzutage auch noch so ist? Aber dafür müssen sich erst einmal richtig gute Künstler finden lassen und ich glaube das stellt schon noch einige Probleme dar. Wie lange die Führung wohl noch geht? Natürlich liebe ich die Kunst und Künstler, wie auch Gemälde aller Art, aber irgendwie würde ich dennoch gerne schnell aus Vince' Blickfeld verschwinden. Ein wenig zögerlich trete ich näher an Viola und stelle mich hinter sie. „Was ist los?“, fragt sie lächelnd aber leise nach. Ich schiele nur kurz zu Vince. „Ich weiß nicht, er macht mir Angst.“, gebe ich zu. Viola dreht ihren Kopf zu Vince hinüber und wirft ihm einen angesäuerten Blick zu. Dieser betrachtet sie ebenso hasserfüllt und wendet sich ab. Er geht zu Frau Henecke und meldet sich kurzzeitig ab. Er verschwindet einfach aus der Ausstellung und darf sich scheinbar die Stadt angucken. Tja, er muss zum Glück nichts hierüber schreiben. Ich würde ihm gerne hinterher, ihn an der Hand festhalten und mich an ihn drücken. Ihn küssen und mit ihm zusammen die Stadt erkunden. Aber die Führung ist immer noch im vollen Gange. So gehen wir einfach weiter, bis die eineinhalb Stunden vorbei sind. Endlich verabschiedet der Museumsführer sich von uns mit einem Lächeln, nachdem auch alle Fragen beantwortet sind und geht seines Weges.
„Wenn ihr möchtet könnt ihr nun noch ein wenig hier herumlaufen.“, schlägt Frau Henecke vor. „Den Rest des Tages habt ihr frei. Ihr könnt euch in der Stadt umsehen und euch amüsieren. Aber denkt daran, dass ihr für die Woche nur begrenztes Geld mitbekommen habt. Am Ende der Woche werden wir uns übrigens alle Bilder, die ihr gemalt habt noch einmal genauer ansehen. Also seid bis dahin mit euren Sachen fertig. Ihr habt einen Zettel, wo alles draufsteht, was ihr anfertigen müsst. Teilt euch eure Zeit selbstständig ein.“ Sie lässt uns mit diesen Worten die freie Entscheidung, was wir nun als nächstes machen wollen.
„Steven?“, höre ich da jemanden nach mir rufen und sehe mich um. Ich lächele einem Mädchen aus meinem Kurs fragend zu. „Also..ich wollte nur fragen, ob du..na ja...ähm..“ Nanu? Was ist denn jetzt los? Ob es ihr nicht gut geht? „Alles ok bei dir?“, frage ich schnell besorgt nach und lege ihr eine Hand auf die Schulter. Sie ist rot im Gesicht und sieht zu Boden. Schnell nickt sie. „Also..wo-wollen wir uns zusammen die Stadt ansehen?“, fragt sie leise nach. „Ach so, sag das doch gleich. Klar, du kannst gerne mit uns kommen.“
„Uns?“
Ich nicke. „Viola, Alisha und ich.“ Und eigentlich Vince.
„Ach so, ok. Verstehe. Na dann..“ Irgendwie scheint mir, als wäre sie jetzt weniger gut gestimmt als vorher, oder bilde ich mir das ein? Ach bestimmt Einbildung. Ich muss ja von mir nicht gleich auf andere schließen.
Wir gehen los und sehen uns ein wenig in der kleinen Einkaufsstraße um. „Ist das hübsch hier!“, schwärmt Viola. „Guck mal Steve, was für süße Sachen hier hängen. Ketten, Armbänder und sogar richtig coole Ohrringe! Oh und Perücken. Das ist ja der Hammer!“ Viola scheint sich ja richtig darüber zu freuen. Ich grinse nur leicht und schüttele den Kopf. „Ah Steven!“, ruft sie plötzlich aufgeregt. Ich schrecke auf und sehe sie verwirrt an. „Was ist passiert?“, frage ich schnell besorgt nach.
„Guck mal da!“ Sie deutete auf einen Stand, aber ich verstehe nicht, was sie will. „Schau doch, die Ringe!“ Sie nimmt ein paar Ringe und hält sie mir unter die Nase. „Was soll damit sein? Sind doch normale Ringe?“ Schnell schüttelt sie den Kopf. Manchmal kann ich nicht nachvollziehen, wieso sie meine beste Freundin ist. Mädchen sind für mich einfach zu kompliziert. „Das sind Freundschaftsringe, du Idiot. Guck doch, da ist sogar etwas eingraviert.“ Ach so, jetzt verstehe ich. Sie will uns solche Ringe kaufen. Aber mir stehen doch gar keine Ringe. Außerdem will ich nur Ringe von einer Person und von der würde ich nie so etwas bekommen. Unbewusst fasse ich mir an meine Kette und muss schlucken. Warum trage ich dieses Teil eigentlich noch? Das heißt wohl, dass ich es noch immer nicht ganz aufgegeben habe.
„Freunde sind wie Sterne. Ach ist das süß! Nicht so ein Klischeespruch. Lass uns die kaufen, bitte.“, fleht Viola mich an und ich zucke deprimiert mit den Schultern. Sie zögert nicht lange und hält der Dame hinter dem Stand die Ringe hin. Diese lächelt und sagt uns den Preis. Diesmal scheine ich meine Brieftasche jedoch nicht zücken zu müssen. Viola bezahlt und schnappt nach meiner Hand. „So!“ Stolz betrachtet sie die Ringe. „Als wären wir verlobt.“, kichert sie dann. Mir ist nicht nach Lachen zumute. Und auch nicht nach guter Laune. Und Marlena besieht sich die Szene auch nur mit mürrischem Blick. Ich verstehe Mädchen wirklich nicht.
„Gehen wir weiter!“, sagt Marlena und fasst nun nach meiner anderen Hand, um mich hinter sich herzuziehen. Überrumpelt folge ich ihr. Alisha ist schon weitergegangen und hat sich ein wenig umgesehen. „Hier gibt es ein kleines Café, dort um die Ecke. Wie wäre es mit einem Eis?“
Wir stimmen zu, aber ich werde das unangenehme Gefühl nicht los, beobachtet zu werden. Ich drehe mich um und bleibe kurz stehen. Nichts. Niemand ist zu sehen. Das kommt mir jedoch gleich noch verdächtiger vor. Ich bin mir sicher, das uns jemand folgt. „Steven!“, werde ich schon wieder gerufen. Schon komisch, von jetzt auf gleich so „beliebt“ zu sein.
Wir betreten das kleine Café und nehmen unsere Plätze ein. Sofort werden uns Karten gebracht und wir suchen uns alle erst einmal etwas zum Trinken raus. Auf meinem ersten Date war ich mit Vince auch in einer Einkaufsstraße und einem Eiscafé. Sofort übermannt mich das unangenehme Gefühl, als würde mein Magen sich herumdrehen. „Irgendwie ist mir der Hunger gerade vergangen.“, murmele ich schuldbewusst. „Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt! Keine Widerrede! Das ist ja schrecklich mit dir, wenn du unter Liebeskummer leidest!“ Die haben gut Reden...
„Du hast Liebeskummer?“, fragt Marlena nach. Ich zucke ein wenig mit den Schultern. „Klar hat er das, merkt man doch. Der trauert gerade seinem Exfreund-Freund nach. Sie haben sich auf Probe getrennt. Einfach bescheuert. Das ist doch für beide nicht gut. Aber Vince und Steven nehmen sich nicht viel. Beide viel zu stur, um den ersten Schritt zu machen.“, plaudert Vio sofort aus dem Nähkästchen. „Vince?“, fragt Marlena nach.
„Ach ja, du bist ja noch relativ neu im Kurs. Du weißt das noch gar nicht. Steven und Vince sind eigentlich zusammen. Seit einem halben Jahr und jetzt sind sie der Meinung eine kleine Krise nicht überstehen zu können.“
„Du bist schwul?!“, fragt Marlena mich entrüstet. Schnell schüttele ich mit dem Kopf. „Vince ist eine Ausnahme. Oder war es.“ Ich schniefe kurz.
„Nicht weinen, Steve. Das hat er nicht verdient!“ Alisha streicht mir durch die Haare und zieht mich kurz in ihre Arme. „Hör doch auf dir wegen ihm die Augen auszuheulen. Der amüsiert sich doch gerade sicherlich irgendwo mit einem Mädchen und denkt gar nicht an dich.“
Der Meinung bin ich nicht. Ich habe die ganze Zeit das Gefühl, dass er genau hinter mir sitzt und mich beobachtet. Dass er gleich zu mir kommt und mir unwirsch irgendetwas an den Kopf wirft, ehe er sich zu mir setzt und mich umarmt. So wie immer. „I-Ich...Ich will...“ Ich schluchze auf und verstecke mein Gesicht in meinen Händen, als die Kellnerin kommt. Sie stellt die Gläser ab und verschwindet sofort wieder. „V-Vince..“, heule ich leise und werde von den Dreien besorgt gemustert. „Das wird wieder. Komm schon Steve, denk positiv. Du bist doch sonst immer unser Sonnenschein. Ihr habt schon so viel Scheiße überstanden, da wird  das doch auch kein Problem!“, versuchen sie mich weiterhin aufzumuntern. „Essen wir erst mal ein wenig Eis!“, beschließt Marlena und geht an die Theke, um dort unsere Bestellungen aufzugeben.
Nach einiger Zeit kommt sie verwundert wieder. „Wenn ich mich gerade nicht getäuscht habe, dann habe ich gerade Vince gesehen!“, meint sie. „Aber ich bin mir nicht sicher. Ich kenne ihn ja nicht so gut. Er saß eben da drüben.“ Sie deutet auf einen Platz, der nun leer ist. Kurz danach hört man die leise Glocke und die Tür fällt zu. Jemand hat das Café verlassen. Ob es wirklich Vince war? Ich entschuldige mich und gehe zu den Toiletten, um mir das Gesicht zu waschen. Dort angekommen werfe ich erst einmal einen Blick in den Spiegel. Schöner Mist, jetzt sind meine Augen wieder so rot und geschwollen. Schnell mache ich sie mit Wasser etwas nass und wische mir über mein Gesicht. Mein Blick schweift auf die Ablage und ich sehe auf das bunte Armband. Wie kommt das denn hier her? Ich kenne dieses Armband, aber das kann doch nicht sein? Das würde ja heißen, dass- Was wollte er hier? Ich verstehe es nicht. Wieso folgt er mir?
Ich nehme das Armband an mich und drücke es kurz an meine Brust, während ich einen kleinen Augenblick meine Augen schließe und tief durchatme. Schnell verlasse ich das Bad wieder und lasse das Armband in meiner Hosentasche verschwinden. Wir essen unser Eis und unterhalten uns noch ein wenig über dies und das.
„Lasst uns noch in die Bar gehen!“ Wir sehen Viola fragend an. „Na die, an der wir auf dem Hinweg vorbeigekommen sind. Erinnert ihr euch nicht? Da war doch diese eine Bar. Ich wette, der Rest des Kurses wird sich auch noch dort zusammenfinden.“, scherzt sie leicht. Aber wo sie recht hat, hat sie recht. Natürlich sind wir keine Säufer, aber einige lassen es sich manchmal doch zu gut gehen. Ich zucke nur belanglos mit den Schultern. Schließe ich mich einfach mal der Gruppe an. Da keiner etwas dagegen hat, machen wir uns also auf den Weg. Es ist sowieso schon etwas später. Um spätestens null Uhr sollen wir an der Herberge sein, jetzt ist es kurz vor acht. Also haben wir auch noch genügend Zeit.
Die Bar ist nicht besonders groß, aber auch nicht gerade klein. Eher so ein Mittelmaß, schätze ich. Jedoch kenne ich mich mit solchen Einrichtungen nicht wirklich aus und ohne Vince gehe ich auch sonst nicht in Discotheken, Bars oder andere Einrichtungen dieser Art. Aber Viola scheint sich dafür bestens auszukennen. Sie zieht uns sofort zu einem Tisch und drückt uns auf eine Bank. „Ich geh was bestellen.“ Eigentlich möchte ich sie aufhalten, da Vio sicher nichts gutes im Sinn hat, aber wiederum denke ich mir, dass es doch jetzt auch egal ist, ob ich mich betrinke oder nicht. Vince macht doch sicher nichts anderes, außer Saufen und Mädchen aufreißen. Ganz nach seinem Sinn also, werde ich mir jetzt auch mal ein wenig genehmigen.
Es dauert demnach auch nicht lange, bis die ersten zwei Biere getrunken sind. Und dafür, dass ich sonst nie etwas intus habe, ist das für mich schon eine Menge. Plötzlich kommt der Kellner mit einem Lächeln auf uns zu und stellt ein Glas vor mir ab.
„Ihr „Sex on the beach“, mein Herr.“, meint er lächelnd. Ich starre auf das Glas und dann wieder in die Augen des Mannes vor mir. „Das habe ich aber gar nicht bestellt.“, meine ich etwas verwirrt. Er lacht leicht auf und winkt ab. „Ich weiß, aber man richtete mir aus, es Ihnen zu bringen. Das geht alles auf die Rechnung des jungen Mannes, der bis eben noch dort drüben saß. Eigentlich hatte er es mir schon vor einer halben Stunde aufgetragen, aber ich konnte leider nicht schneller, tut mir leid.“, erklärt der Kellner. Ich sehe mich um.
„Wo hat er gesessen?“, frage ich nach und sehe auf den leeren Platz. Schon wieder. Ich bin auch bis eben das Gefühl nicht losgeworden, beobachtet worden zu sein. Vielleicht ist er aber auch nur zur Toilette? Ich bedanke mich und trinke ein paar Schlucke, während ich mich immer wieder umsehe. Aber Vince kommt nicht zurück. Ich murre leicht und stehe auf. „Wo geht’s denn hin, mein Schatz?“, lallt mir Viola entgegen. Tja, die ist schon ganz schön breit. Das wird Frau Henecke ganz und gar nicht gefallen. „Eben raus. Brauche frische Luft.“, murmel ich. Weit kann er doch eigentlich noch nicht sein, oder? Ich schnappe mir meine Jacke und verlasse die Bar. Draußen sehe ich mich um. Er kann überall lang gegangen sein. Ich gehe auf eine Frau zu, die irgendetwas in ihr Handy tippt. „'schuldige, aber ist hier ein Junge vorbeigekommen? Bisschen größer als ich, braune Haare, durchtrainiert? Vermutlich alleine.“, frage ich nach. Sie sieht auf und mustert mich streng. „Ja, könnte sein. Würde auf deine Beschreibung zutreffen, Kleiner. Aber alleine war er nicht.“ Ich stocke. Nicht alleine? Also ist er mit jemand anderem mitgegangen?! „Wer war bei ihm und wo sind sie lang?“, will ich eilig wissen.
„Unhöflich!“, motzt die Frau los. „Er war mit einem jungen Mädchen unterwegs. Vielleicht so alt wie du. Sie sind dort entlang.“ Ich bedanke mich und ignoriere das Kommentar über mein Verhalten. Schnell mache ich mich auf den Weg. Mit einem Mädchen? In meinem Alter? Ich ahne schlimmes. Wenn er das wirklich macht, dann bin ich mehr als sauer, traurig und enttäuscht. Das wäre dann einfach Verrat. Vince ist wirklich gerade dabei, mich einfach zu betrügen!
Ich frage noch einige weitere Leute und lasse mir von ihnen den Weg weisen, bis ich vor einem Hotel halt mache. Ich bin ein wenig außer Atme, da ich die meiste Zeit gejoggt oder gerannt bin.
„Vince..“, murmel ich leise und betrete das Hotel. Schnell eile ich an die Rezeption. „Hallo, hat hier ein Vincent Torn für eine Nacht eingecheckt?, frage ich nach. Die Dame an der Rezeption hebt gelangweilt den Kopf von ihrem Magazin. „Könnte sein.“, meint sie lediglich, ehe sie weiterliest. „Könnten sie es bitte nachgucken? Es ist wichtig!“
Genervt trommele ich mit meinen Fingern auf dem Tresen herum. Die Frau schielt kurz zu mir hoch, ehe ihre Finger flink über die Tastatur fliegen. „Ja, vor einigen Minuten. Für eine Nacht, zusammen mit einem Mädchen. Eigentlich sind sie ja noch ziemlich jung, aber ich habe es mal durchgehen lassen. Ist ja ihre Sache und wenn die Eltern nichts dagegen haben...“
„Welche Zimmernummer?“, frage ich hastig.
„Nummer 206. Aber ich würde ni-“ Ich lasse sie gar nicht ausreden, da bin ich schon weg. Ich drücke auf den Knopf des Fahrstuhls und warte. Da er nach einer Minute immer noch nicht da ist, nehme ich die Treppe. Ich sprinte sie hoch und nehme immer gleich zwei Stufen auf einmal. Als ich bei den Zweihunderternummern ankomme, bin ich erschöpft und schnappe nach Luft. Ich gehe durch den Flur, bis ich direkt vor der zweihundertsechs zum Stehen komme. Kurz verharre ich noch auf dem Flur, ehe ich nach der Klinke greife und die Tür ohne zu Klopfen aufreiße.

And I give you everything

Erstarrt stehe ich an der Tür. Ich blicke in das abgedunkelte Zimmer, in dem lediglich eine kleine Lampe über dem Bett brennt. Sie bringt nicht sehr viel Licht in den Raum, aber doch genug. Ich sehe, dass das Mädchen kaum noch bekleidet ist. Rock und Top liegen auf dem Boden. Sie ist gerade dabei, ihren BH aufzumachen. Vince, der mich erschrocken ansieht, scheint bis eben noch an seiner Hose herumgefummelt zu haben. Jetzt lässt er davon ab. Er erstarrt und sieht zu mir rüber. Mit jeder Sekunde die ich das Bild mehr betrachte, kommen mir immer schneller und mehr die Tränen hoch, bis sie sich langsam ihren Weg über meine Wangen bahnen. Ich habe die Hand noch immer auf der Türklinke liegen und wage es nicht, mich zu bewegen. Meine Beine fühlen sich an wie Wackelpudding, mein Magen ist mir in die Kniekehlen gerutscht und mein Herz zerspringt in tausend Splitter, immer und immer wieder. Als würde jemand es in weniger als einer Sekunde wieder kleben, um erneut mit einem Hammer draufzuschlagen. Vince fasst sich als erster wieder. Das Mädchen versteht die Situation nicht und sieht nur verwirrt von ihm zu mir.„Steve..“, meint Vince und sieht mich noch immer fassungslos an. Warum ist er sprachlos? Ich bin es, der gerade vor seinen Augen betrogen wurde. „Steve, ich kann das erklären! Es..“ „Ist nicht so, wie es aussieht?“, frage ich mit brüchiger Stimme und unter den Tränen nach. Schnell wische ich mir über die Wangen. „Ich weiß genau, wie es ist, Vincent!“, meine ich dann und gehe zögerlich einen Schritt zurück. „Nein, Steve! Es ist nicht...ich wollte nicht..“ Schnell steht er auf und schnappt nach seinem Shirt. Er schließt seine Hose und kommt auf mich zu, aber ich weiche nur zurück und sehe ihn mit aufgerissenen Augen an. Er zieht sich sein Shirt wieder über und lässt das Mädchen auf dem Bett zurück. Als Vince seine Hand nach mir ausstreckt, schlage ich sie weg. „Fass mich nicht an!“, schreie ich und gehe rückwärts hinaus in den Flur. „Du Schwein...Arschloch!“, schimpfe ich und schluchze auf. Ich versuche mir das Heulen zu unterdrücken, aber es klappt nicht. „Ich..“ Vince sieht mich bedrückt an. Er fährt sich über das Gesicht und bleibt an Ort und Stelle stehen. „Steven, es tut mir leid, wirklich.“, sagt er dann.„Nichts tut dir leid..“, flüstere ich. „Nichts...“

Vince schüttelt den Kopf. „Das stimmt nicht! Steven, ich lie-“ „Sei leise!“, schreie ich ihn an. Dann schlage ich ihm einfach direkt auf die Wange. Wütend und verletzt wende ich mich ab, um zu gehen. Ich laufe eilig den Flur entlang und blicke kurz zurück über meine Schulter. „Ich hasse dich!“ So schnell war ich noch nie aus einem Hotel verschwunden. Heulend renne ich durch die Straße und weiß gar nicht richtig, wo ich überhaupt bin. Ich bin wohl der einzige, der sich in so einer kleinen Stadt verlaufen kann. An irgendeiner Hauswand lasse ich mich auf den Boden nieder und lehne mich an. Ich ziehe meine Beine an mich und umschlinge sie mit den Armen. „Ich hasse dich...ich hasse dich..“, sage ich immer wieder leise, während ich anfange zu zittern. Durch das Unterdrücken der Tränen fängt mein Kopf an weh zu tun. Ich balle meine Hände zu Fäusten, sodass sich meine Nägel unangenehm in meine Haut bohren. So bleibe ich sitzen und weine. Die Passanten, die an mir vorbeilaufen ignorieren mich einfach. Niemand hat ein Herz dazu, mir zu helfen, zu fragen was los ist. Aber wieso auch? Ich bin ja nur irgendein fremder Junge, der weinend auf der Straße zusammengebrochen ist. Aber ich sollte lieber nicht in Selbstmitleid fallen, sonst bekomme ich noch Depressionen und mit denen hatte ich kurzzeitig schon einmal zu kämpfen, das will ich nicht wieder. Was soll ich jetzt machen? Wenn ich nicht im rechten Moment reingekommen wäre, hätte Vince jetzt mit diesem Mädchen geschlafen, oder er tut es jetzt gerade sogar noch? Nachgelaufen ist er mir ja schließlich nicht. Von wegen es tut ihm leid. Es wäre nicht so, wie es aussah. Natürlich ist es so! Wie sollte es sonst sein?! Sie war fast nackt und er gerade dabei, sich von der Hose zu befreien! Für mich ist das eindeutig! Und sie hatten eine Menge Spaß.

Ich schüttele meinen Kopf, um die Gedanken zu vertreiben, aber es klappt nicht. „Verdammte Scheiße!“, schreie ich, ehe ich wieder aufschluchze.

Plötzlich legt sich ein Schatten über mich. „Steven?“ Ich wage es kaum aufzusehen. „Steven, was ist denn mit dir passiert?“ Die Stimme kommt mir bekannt vor und als Chuck sich vor mich hockt, lasse ich mich einfach in seine Arme fallen und mache seine Schulter mit meinen Tränen nass. „Hey, beruhige dich. Was ist denn los?“, fragt Chuck nach, aber mir ist nicht nach reden zu Mute. Er zieht mich hoch und drückt mich fest an sich. „Gehen wir erst mal wieder zurück zur Herberge.“, murmelt er und zieht mich mit sich. Ich stolpere nach und schluchze immer noch leise. Das werde ich Vince einfach nicht verzeihen können. Wie konnte er mir das nur antun? Und wieso? Klar, wir haben eine Trennung auf Probe, aber deshalb muss er doch nicht mit dem nächstbesten ins Bett springen. „Ich hasse ihn.“, flüstere ich leise und schniefe. „Sag so etwas nicht. Ich weiß doch, wie sehr er dich liebt und du ihn. Ich kenne euch kaum, aber so wie ich ihn kennen gelernt habe, würde er dich für keinen Preis der Welt hergeben. Ich meine, auch wenn jetzt etwas vorgefallen ist, ihr euch getrennt habt und alles drunter und drüber läuft, er wird schon zu dir zurückkommen.“, versucht Chuck mich aufzumuntern. Aber es klappt nicht. Ich schenke seinen Worten einfach keinen Glauben. Wieso auch? Ich weiß es doch schließlich besser. Wir kommen bei der Herberge an und Chuck bringt mich rein und zerrt mich zu den Toiletten. „Wasch dir erst einmal das Gesicht.“ Er macht den Wasserhahn an und während ich das Wasser über mein Gesicht laufen lasse, holt er ein paar Tücher, die er mir hinhält. „Möchtest du in dein Zimmer? Oder woanders hin?“ „In mein Zimmer.“, murmel ich mit brüchiger Stimme. Er nickt. Wir gehen los und betreten den Raum. Langsam lasse ich mich auf das Bett gleiten. Er setzt sich neben mich und nimmt mich in den Arm. „Und jetzt erzähl mir erst einmal, was genau passiert ist.“ Ich schlucke, nicke aber langsam.„I-Ich...a-also wir..wir haben uns gestritten. A-Als ich in das Wasser gefallen bin. U-Und dann...wir sind getrennt...also auf Probe.“ Ich wische mir über die Augen und spüre Chucks Hand in meinem Haar. „U-Und dann sind wir uns aus dem Weg gegangen. H-Heute sind wir in ein Museum gegangen. I-In eine Galerie. E-Er hat mich...mich beobachtet und-“ Ich breche ab und merke, dass mir die Tränen dabei wieder hochkommen. „Alles ist gut. Atme tief durch. Ganz ruhig.“, rät mir Chuck. Ich versuche es und unterdrücke die Tränen. „Ich habe mich...die ganze Zeit so- so verfolgt gefühlt und.. E-Er ist dann mit einem Mädchen weg...aus der Bar.“ Chuck zögert leicht und seine Hand hält in der Bewegung inne.„Ich bin hinterher und...und sie haben..sie..“ Ich weine erneut. Chuck nimmt mich in den Arm, sodass ich mein Gesicht an seiner Halsbeuge verstecken kann. „I-Ich hasse ihn!“, wiederhole ich meine Worte schluchzend. Chuck schüttelt mit dem Kopf, während seine Hand beruhigend über meinen Rücken streicht.„Alles wird wieder. Sag noch nicht, dass du ihn hasst. Wie hat er denn reagiert? Ich meine, als du ihn erwischt hast.“ Ich zucke mit den Schultern. „E-Er wollte sagen, dass es nicht so ist und hat sich entschuldigt. Aber ich glaube ihm nicht.“

Chuck seufzt auf und lässt sich nach hinten fallen. Er kommt zum Liegen und ich sehe verheult zu ihm runter. Chuck streckt lächelnd die Arme aus. „Na komm her. Los. Ich tu dir schon nichts.“ Er zwinkert mir zu und zögerlich lege ich mich zu ihm. Er drückt mich und hält mich fest, als würde er mir ein wenig Halt geben wollen. „Meine Augen tun weh.“, nörgele ich rum. Chuck lacht leicht. „Na wenn du so meckern kannst, muss es dir ja jetzt schon besser gehen.“ Er streicht mir über die Wangen und damit die restlichen Tränen weg. „Sieh mich mal an.“ Er legt eine Hand unter mein Kinn und hebt meinen Kopf vorsichtig an. „Oh man, du siehst schrecklich aus.“ Chuck greift nach meiner Brille und zieht sie mir langsam ab. „N-Nicht!“, sage ich, aber er lächelt mir nur zu. „Ohne Brille bist du doch genauso niedlich, keine Sorge.“ Ich werde rot und weiche seinem Blick aus. Was soll das? Aber irgendwie tut seine Anwesenheit mir gut. Auf irgendeine Art und Weise jedenfalls. „Ich sehe ohne die Brille aber nicht so gut.“, murmele ich. „Außerdem fühle ich mich ohne Brille unsicher.“

„Brauchst du nicht.“ Seine Hand streicht über meine Wange und er kommt mit seinem Gesicht näher. Ich kann ihn nur verschwommen sehen und irgendwie ist es mir dadurch gleich noch unangenehmer. „Ch-Chuck, lass das.“, bitte ich ihn und schiebe ihn ein wenig von mir.

„Keine Sorge, ich bespringe dich schon nicht. Ich wollte dir nur einen Freundschaftskuss geben, um dich aufzuheitern, weißt du.“ Er lacht leicht. „Na gut, dann eben nicht. Aber die Brille behalte ich!“

„Chuck!“ Er grinst mich an und legt die Brille zur Seite. „Was dagegen, wenn ich heute hier bleibe?“, fragt er nach. Ich zucke mit den Schultern. „Ich kann es dir vermutlich eh nicht verbieten. Du machst doch sowieso was du willst.“ Er lacht auf. „Da hast du recht. Außerdem will ich nicht nach Hause.“, murrt er. „Ich habe auch so etwas wie Liebeskummer, weißt du.“ Ich sehe ihn perplex an. Der und Liebeskummer? Niemals. Warum wollte er mich dann küssen? Ok, er meinte es wäre nur ein Freundschaftskuss, aber trotzdem! „W-Was ist denn passiert?“, will ich neugierig wissen. Habe ich überhaupt das Recht zu fragen? Ich kenne ihn doch eigentlich so gut wie gar nicht. Mich gehen seine Angelegenheiten doch gar nichts an. „Ach, ist so was wie eine Urlaubsliebe, glaube ich. Er kommt nicht von hier. Außerdem kann er mich nicht leiden.“ Chuck lacht leicht und niest. Mir fällt jetzt erst auf, dass er sich erkältet anhört. „Bist du krank?“ Besorgt mustere ich ihn, kann aber nicht viel erkennen. Chuck winkt nur ab. „Ein bisschen. Ich liege vermutlich eh in ein bis zwei Tagen mit einer Grippe im Bett. Ich war ein wenig unvorsichtig. Habe mich raus in den Regen gesetzt.“ Er lacht leicht auf, ich gebe ihm einen Klapps auf den Hinterkopf. „Mehr als unvorsichtig.“, murre ich.„Ich bin müde..“, sage ich dann leise und rolle mich leicht zur Seite. Ich wende ihm meinen Rücken zu und schließe meine Augen. „Du wirst mir ja nichts tun, richtig?“, frage ich nach. „Nein, nichts, was du nicht willst.“ Ich spüre, wie Chuck sich hinter mich legt und einen Arm um mich legt. Ich kuschele mich leicht an ihn und ziehe an der Decke. Ich werfe sie uns über und seufze leise. „Schlaf und ruh' dich aus, dann geht es dir morgen schon wieder besser.“, höre ich Chuck noch flüstern, während ich schon langsam abdrifte.

 

Am nächsten Morgen blinzele ich leicht, als ich aufwache und verziehe das Gesicht. Ich habe nicht nur mordsmäßige Kopfschmerzen, meine Augen brennen auch wie die Hölle. Ich kann sie kaum öffnen. Sie tun so weh. Ich halte sie erst einmal geschlossen und taste nach dem Ding, was da neben mir liegt. Wer oder was ist das? Ich taste das Shirt hinauf und zwinge mich dazu, doch einen Blick zu wagen. Als ich Chuck sehe, schrecke ich kurz zusammen. Was macht er in meinem Bett? Ich streiche mir durch die Haare und denke nach. Da fällt mir wieder ein, dass ich ja gestern in der Bar ein wenig was getrunken habe und nicht mehr ganz auf der Höhe war. Und dann bin ich Vince hinterher und-. Chuck hat mich danach hierher gebracht. Stimmt.

Ich stütze mich murrend auf und halte mir meinen Kopf. Nicht nur vom Heulen, sondern auch noch vom Alkohol einen schlimmen Kater. Müde strecke ich mich und krabbele leise aus dem Bett, um Chuck nicht zu wecken. Er sieht so friedlich aus. Leider schlägt mein Plan fehl, als ich mit dem Fuß hängen bleibe und im hohen Bogen auf dem Boden lande. „Au!“, brumme ich und kämpfe mich wieder hoch. Mein armes Knie. Jetzt ist es aufgeschrammt. Ich sehe an mir herunter. Scheinbar habe ich gestern Abend nicht mehr die Kraft dazu gehabt, mich umzuziehen. Das werde ich dann gleich mal nachholen, die Sachen riechen immer noch nach Suff und Zigarettenrauch. Deswegen kann ich Bars auch nicht leiden! Abgesehen von dem meist schrecklichen Morgen danach, stinken die Klamotten auch noch total.

Ich krame ein paar Sachen aus meiner Tasche und will gerade das Zimmer verlassen, als ich ein Rascheln höre. „Morgen.“, murmelt Chuck mir kaputt entgegen. Er sieht wirklich nicht gesund aus, so blass. „Morgen.“, lächele ich leicht. „Wie geht es dir?“, frage ich besorgt nach. „Besser als dir, schätze ich.“ Chuck grinst ein wenig und schielt zu mir rüber. „Gehst du ins Bad?“, will er wissen. Ich nicke. „Aber alleine!“, betone ich deutlich und erinnere mich an das letzte Mal im Bad. Das soll sich jetzt nicht unbedingt noch einmal wiederholen.

Ich verschwinde aus dem Zimmer und gehe den Flur entlang. Wo Vince wohl die Nacht über geblieben ist? Ob er bei dem Mädchen war? Vermutlich schon. Wo auch sonst? Hier sicherlich nicht und begegnet bin ich ihm auch nicht. Eigentlich bin ich darüber ganz froh. Was sollte ich auch sagen? Hey Vince, voll Scheiße was du gestern abgezogen hast, aber ich lass mich gerne trotzdem von dir nehmen? Ja klar, als ob. Seufzend betrete ich das Bad und sehe mich um. Keiner da. Könnte auch daran liegen, dass ich fast der einzige Junge in dieser Herberge bin. Schnell ziehe ich mich aus und hänge mein Handtuch an die Seite. Ich stelle mich unter eine der Duschen und schließe meine Augen. Meine Stirn lehne ich an die kalten Fließen. Für mich ist das schon so etwas wie ein Weltuntergang. Vince war meine erste große Liebe und jetzt hat er mich einfach betrogen. Einfach so, vermutlich nicht mal mit Alkoholeinfluss. Er hat das Mädchen einfach im Bett überfallen. Und mit mir natürlich nicht gerechnet. Leise muss ich schniefen. Mein Gott, hört das irgendwann auch wieder auf?! Das Geheule geht mir auf die Nerven. Aber ich kann nichts dagegen tun. Was Vince wohl gerade denkt? Ob er auch so verletzt ist? Bestimmt nicht. Er ist ja schuld. Was macht er wohl gerade? Wo war er über die Nacht? So viele offene Fragen. Wie soll ich ihm je wieder unter die Augen treten? Mein Herz wird mir immer schwerer. Ich fühle mich, als würde es mich förmlich zerquetschen.

Schnell seife ich mich ein und wasche mich zu Ende. Dann schnappe ich mir mein Handtuch und trockne mich ab, während ich meinen nicht gerade positiven Gedanken nachhänge. Ich ziehe mich an und verlasse das Bad wieder, um meine Sachen ins Zimmer zurückzubringen und nach Chuck zu schauen. Gerade, als ich auf den Flur hinaustrete, trifft mich der Schlag. Die Tür von Violas Zimmer geht auf und Vince tritt heraus. Ich starre ihn an und mir bleibt der Mund offen stehen. Was macht er hier?! Und vor allem, was macht er bei Viola?! Ich schweige und zucke leicht zusammen, als er mich bemerkt. Auch Vince erstarrt und sieht zu mir herüber. Wir haben uns wohl wirklich nichts mehr zu sagen. Schnell beiße ich mir auf die Lippen und balle meine Hände wieder zu Fäusten.„Steve!“, meint Vince und ich zucke merklich zusammen. Ich gehe ein paar Schritte zurück, damit ich schnell in mein Zimmer flüchten kann, aber Vince kommt gar nicht auf mich zu.„Lass uns reden. Lass es uns bitte klären! Bitte! Ich weiß, dass du fürchterlich traurig sein musst und sonst was von mir denkst, aber ich will das jetzt hier auf der Stelle geklärt haben! Ich will Missverständnisse aus dem Weg räumen und-“ „Was für Missverständnisse Vince?! Verrate mir das mal! Du hast mich gestern vor meinen Augen mit einem Mädchen betrogen! Ich habe es gesehen! Und ich glaube dir auch nicht mehr! Du bist ein Lügner und hast mich die ganze Zeit nur ausgenutzt! Ich hasse di-“ Ich breche ab, als ich Vince' Gesichtsausdruck sehe und er wieder das Wort an sich reißt.

„Sag das nicht!“, meint er schnell und presst seine Lippen fest aufeinander. „Bitte. Das...es tut weh.“ Wer ist hier eigentlich gerade das schwarze Schaf? Oder der geprügelte Hund? Vince oder ich? Bisher war ich der Meinung, dass ich das Opfer in der Sache bin, aber wo ich Vince jetzt so sehe, gerate ich ins Zweifeln. So verletzt habe ich ihn wirklich noch nie gesehen.

„Können wir auf dein Zimmer gehen?“, fragt Vince nach. „Gib mir..fünf Minuten.“, schmunzelt er leicht. Ich zögere. Aber Chuck ist doch noch in meinem Zimmer. Wie das wohl aussehen mag, wenn Vince ihn jetzt in meinem Bett vorfindet? Aber hey, ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass nichts passiert ist. Also zucke ich leicht mit den Schultern. „Fünf Minuten.“, meine ich dann und gehe voraus. Vince folgt mir mit langsamen Schritten und hält ein paar Meter von mir Abstand. Langsam öffne ich die Tür und muss überrascht feststellen, dass Chuck gar nicht mehr im Raum ist. Scheinbar hat er seine Sachen schon gepackt und ist verschwunden. Gut für mich, aber ein wenig Sorgen mache ich mir schon.

Ich trete ein und schmeiße meine Sachen erst einmal in eine Ecke, ehe ich mich auf den Stuhl setze. Ich warte, bis Vince eingetreten ist und die Tür geschlossen hat. Er nimmt auf meinem Bett Platz und kratzt sich im Nacken. Dann herrscht erst einmal betretenes Schweigen.„Die fünf Minuten laufen!“, meine ich barsch und warte ab.

Vince sieht mich nicht an. Was soll ich davon jetzt wieder halten? Ich fühle mich, als hätten wir gerade eben die Rollen getauscht. Als wäre ich jetzt der Böse von uns beiden, der den anderen unterdrückt und etwas unrechtes getan hat. Aber das habe ich doch gar nicht! Oder doch?

„Unser Streit am Strand...“, beginnt Vince langsam. „Ich war wirklich sauer auf dich.“, meint er dann. Ach ne, soweit bin ich auch schon. Ich schweige weiterhin und verschränke meine Arme vor der Brust. „Du warst so abweisend zu mir. Es war dir peinlich mit mir zusammen Händchen zu halten und mich in der Öffentlichkeit zu küssen. Das hat mich gekränkt. Ich hatte ein angeschnittenes Ego und zudem hast du mich damit einfach verunsichert. Ich dachte, dass du mich gar nicht mehr richtig liebst. Als dann diese Trennung auf Probe kam, fühlte ich mich nur schlecht und schuldig. Aber ich wusste nicht, was ich machen sollte. Du wolltest meine Gefühle nicht verstehen und ich war zu stur, um es dir zu erklären. Ich war der Meinung, dass du es wissen müsstest, wenn du mich wirklich liebst. Von deinem Sturz habe ich erst am nächsten Tag erfahren, sonst wäre ich doch sofort ins Krankenhaus geeilt. Ich bin also erst später hin, aber da habe ich gesehen, wie Chuck dich abgeholt hat. Ich war...“ Er bricht ab. Nanu, schon fertig? Bisher hat es mich noch nicht sonderlich gerührt. Das sind doch alles Dinge, die eher nebensächlich sind. Ich will nur wissen, was es mit gestern auf sich hat!

„Ich war eifersüchtig. Ich dachte, dass ich dir nicht gut genug bin und du dich schon mal anderweitig umsiehst.“ Ich stutze. „Schön zu wissen, wie du von mir denkst. War es das? Dann kannst du ja gehen.“ Ich bin verwundert über meine eigenen Worte. Das ich so etwas kaltes mal aus meinem Mund höre. Vince sieht mich kurz an, ehe er leicht lächelt. „Du hasst mich wirklich, nicht wahr?“, fragt er dann nach. Er schüttelt leicht mit dem Kopf. „Ich war so dämlich. Und ich dachte wirklich, dass du mich liebst. Sorry, dass wir uns da so missverstanden haben.“

Oh nein, was mache ich hier eigentlich? „Ich wollte nur sagen, dass ich nicht mit dem Mädchen geschlafen habe. Es war wirklich dumm von mir, so etwas machen zu wollen. Danke, dass du mich davon abgehalten hast.“ Er wirft einen Blick auf sein Handy. „Die fünf Minuten sind gleich um.“, meint er dann. Er erhebt sich und sieht mich kurz an. Vince kommt auf mich zu und ich habe noch immer nichts gesagt. Im nächsten Moment spüre ich Vince' warme Hand in meinem Haar. „Danke für die schöne Zeit.“ Nein, stopp! Das hört sich an, als wäre jetzt endgültig Schluss! Was soll das jetzt heißen?! Er wollte es mit mir klären und jetzt verschwindet er einfach? Das muss ich doch irgendwie verhindern! Aber wie? Ich weiß einfach nicht, was ich sagen soll? Ok, ich könnte mich entschuldigen, aber die Worte wollen einfach nicht aus meinem Mund kommen. Ich öffne ihn, aber nichts passiert. Vince wendet sich ab und setzt an zu gehen. Ich sehe ihm nach. Nein, geh noch nicht! Bleib hier! Bitte, verlass mich nicht. Sonst ist es das für immer! Das vertrage ich nicht, Vince! Meine Gedanken kreisen und gerade als er nach der Klinke greift, reagiere ich. „Vince!“, sage ich und er hält inne. Er dreht sich zu mir und sieht mich fragend an. Ich stehe nur auf und bleibe in einiger Entfernung vor ihm stehen. Ich sehe ihn an, weiß immer noch nicht, was ich sagen soll. „Verzeihst du mir?“

All my life, all my love

Ich bin lieber schnell verschwunden, bevor Steven wieder zurück in sein Zimmer kommt. Ich möchte ihm ja keine Unannehmlichkeiten bereiten, außerdem habe ich ihn zusammen mit Vince auf dem Flur gesehen. Also habe ich mir meine Sachen geschnappt und bin abgehauen. Ich schlendere aus der Herberge und gehe Richtung Strand. Vielleicht treffe ich ja auch Dejan wieder? Gut gelaunt summe ich vor mir hin, während ich ein paar Mal niese. Ich lasse mich in einem Strandkorb nieder und beobachte die Gäste, die an mir vorbeilaufen. Dejan entdecke ich nicht.

Kurz darauf beschließe ich, einfach mal bei ihm vorbei zu sehen. Ich gehe also wieder los, bis ich bei dem kleinen Ferienhaus ankomme. Ich drücke ununterbrochen auf die Klingel, aber mir wird nicht geöffnet. Mürrisch trete ich leicht gegen die Tür. „Dejan?“, rufe ich, bekomme aber keine Antwort. Wieso ist der Kerl nicht zu Hause?! Genervt gehe ich um das Haus herum. Wäre ja gelacht, wenn ich nicht ein zweites Mal einbrechen könnte. Außerdem hat Dejan zu Hause zu sein, wenn ich ihn besuche! Ich sehe durch das Fenster, aber diesmal ist es geschlossen. Die Küche ist leer. Schmollend gehe ich in den Garten, aber auch die Terrassentür ist verschlossen. Das kleine Wohnzimmer ist ebenso einsam wie ich.

Ich kehre zurück zum Haupteingang und setze mich dort auf die kleine Veranda neben der Tür. Ich ziehe meine Beine an und lege meinen Kopf auf meinen Knien ab. Dann schließe ich meine Augen. Ich döse leicht vor mich hin, bis ich schließlich von der Müdigkeit übermannt werde und einschlafe. 

„-uck...Hey! Chuck! Wach auf..“ Ich spüre ein Rütteln an meiner Schulter und höre eine Stimme, die gedämpft an mein Ohr dringt. Die Hand auf meiner Schulter ist warm und der Atem an meinem Ohr lässt mich erschaudern. „De...jan..“, murmelte ich leise und blinzele ein wenig. Ich strecke mich und umfasse sofort den Körper vor mir. Ich kuschele mich an ihn und grinse leicht. „Und jetzt musst du mich ins Haus tragen.“

Dejan befreit sich unbarmherzig aus meinem Griff und steht auf. „Na los, komm.“, sagt er und wendet sich von mir ab. Ich schmolle leicht. Dennoch folge ich Dejan schnell nach drinnen, bevor er mir die Tür vor der Nase zuschlägt. „Setz' dich ins Wohnzimmer, ich bin gleich da.“ Ich nicke und sehe ihm kurz nach, als er ins Schlafzimmer geht. Dann setze ich mich auf die Couch und strecke meine Beine aus. So ist es auch viel entspannter.

„Brauchst du etwas?“, fragt Chuck mich im Vorbeigehen, nachdem er das Wohnzimmer betreten hat.

„Du würdest mir voll und ganz reichen.“ entgegne ich ihm frech und grinse ihn an. Chuck sieht zu mir, ignoriert meine Aussage und wendet sich ab. „Wasser, Cola, Bier?", fragt er erneut und ich schmolle leicht. „Wasser.", murre ich ihm entgegen.

„Kein Bier?", fragt er mich plötzlich verwundert. Was soll das denn jetzt heißen? „Denkst Du, ich bin ein Säufer, oder was?" Leicht aufgebracht sehe ich ihn an, aber er hebt sofort abwehrend die arme. „Sorry, hätte aber zu dir gepasst so ein Bier."

Ich seufze leise und lächele ein wenig. „Ich trinke selten mal und meistens nur, wenn ich einen Grund dazu finde." Er nickt und verschwindet wieder in der Küche. Als er mit einem Wasser zu mir zurückkommt, muss ich stark niesen. Dejan betrachtet mich eingehend, legt dann eine Hand auf meine Stirn und verzieht das Gesicht. „Du gehörst ins Bett.“, sagt er mahnend.

„In deines?“, frage ich scheinheilig nach.

„Chuck, ich meine es Ernst! Du hast hohes Fieber, Schnupfen und siehst auch dementsprechend scheiße aus. Du musst dich ausruhen, ok?“ Er nimmt mir die Flasche aus der Hand, zieht mich zu sich hoch und stützt mich. „Ich kann auch alleine laufen!“, murre ich ihm entgegen. Aber er hat ja recht, auch wenn ich es nicht gerne zugebe. Mir geht es nicht gut und ich fühle mich nicht unbedingt wohl auf meinen Beinen. Trotzdem will ich nicht dastehen, wie ein schwacher Bursche, der nichts verträgt. Ist doch nur eine kleine Grippe, wird schon nicht schlimmer werden! Dennoch lasse ich mich ins Schlafzimmer hieven und begebe mich auf das Bett zu. „Ausziehen!“, fährt Dejan mich an, aber ich verstehe nicht was er meint. Hat das Fieber mein Gehirn schon benebelt? Er will nicht wirklich, dass ich mich jetzt ausziehe, oder?

„Du hast schon ganz richtig gehört. Zieh dein Shirt und deine Hose aus, so lasse ich dich nicht in mein Bett. Wer weiß schon, wo du mit den Sachen überall warst. Mein Bett soll sauber bleiben. Ich will schließlich darin schlafen können!“ Ohne zu zögern greift er nach meinem Shirt und zieht es mir flink über den Kopf. Na hoppla, wo hat er denn das gelernt? Unfähig mich zubewegen, starre ich ihn an. „Bei der Hose muss ich auch nachhelfen? Mein Gott, rede ich Chinesisch oder was?“ Er öffnet meinen Knopf etwas umständlich und zieht mir den Reißverschluss herunter. Dann greift er an meine Seiten und zieht an der Hose. Darf ich behaupten, dass das irgendwie erregend ist? Schade, dass er nicht weiter macht. Kurz darauf landet meine Hose auf dem Boden und ich werde zu dem Bett bugsiert. „Mach doch noch ein wenig weiter~“, schnurre ich ihm entgegen.

„Sogar mit Fieber unsympathisch.“, erwidert Dejan kühl und deckt mich zu. Grummelnd weiche ich seinem Blick aus. Ich lass mich doch nicht für dumm verkaufen!

„Hier, nimm das in den Mund. Ich will deine genaue Temperatur messen.“ Schweigend sehe ich Dejan an und denke nicht einmal im Traum daran, meinen Mund zu öffnen. „Mach den Mund auf oder ich stecke es dir in den Arsch!“ Wow, na der hat ja eine interessante Wortwahl. Scheinbar doch nicht so erwachsen, wie er vorher getan hat. Langsam öffne ich den Mund und warte darauf, dass er das Teil hineinschiebt. Dann schließe ich ihn wieder und lasse mich nach hinten in die Kissen sinken. „Ich mache dir einen Tee und Wadenwickel. Dann sinkt das Fieber hoffentlich. Außerdem solltest du vielleicht ein fiebersenkendes Mittel nehmen. Ich schaue mal, was ich mitgenommen habe und was es hier so gibt.“, schlägt er vor und ich nicke träge. Als das Thermometer piept, nimmt er es heraus und sieht auf die anzeige. „39, 8° C. Das ist um Mengen zu hoch!“ Er zieht die Decke noch höher und packt mich richtig darin ein. Dann verschwindet er aus dem Zimmer. Irgendwie ist es schön, dass er sich um mich kümmert. Leider ist dabei nur nicht viel dahinter, das hat er mir ja nun schon oft genug gesagt. Leise seufze ich auf und drehe mich auf die Seite. Dann schließe ich die Augen. Zu dem Niesen und der Fiebrigkeit ist nun auch noch ein unangenehmer Kopfschmerz hinzugekommen. Ich höre, wie Dejan im Badezimmer die Schränke durchkramt und irgendetwas in der Küche veranstaltet. Die Geräusche werden leiser und ich schlafe das zweite Mal an diesem Tag ein.

Als ich aufwache ist es dunkel. Sehr dunkel. Ich kann meine Hand nicht vor Augen sehen und muss mich erst daran gewöhnen. Langsam bemerke ich die Umrisse einiger Gegenstände im Raum. Als ich mich leise aufrichte, raschelt die Decke etwas. Etwas fällt von meiner Stirn und ich zucke erschrocken zusammen. Ach so, ein nasses Tuch. Hat Dejan mir das gegeben? Ich sehe auf die Kommode und bemerke eine Tasse. Langsam hebe ich sie an und schnuppere daran. Tee? Schon kalt, schade. Trotzdem probiere ich einen Schluck. Sofort verziehe ich mein Gesicht und stelle die Tasse zurück. Kamillentee, wie ekelhaft. Ich hasse den Tee! Warum muss ich das trinken?!

Langsam drehe ich meinen Kopf und sehe mich im Zimmer um. Ich höre ein Geräusch neben mir und erschrecke mich erneut. Dann entdecke ich Dejan, der sich auf die andere Seite rollt und weiterschläft. Warum schläft Dejan neben mir im Bett? Irgendetwas habe ich verpasst! Außerdem habe ich nur noch meine Boxershorts an! Ich fasse mir an den Kopf, als ein stechender Schmerz sich durch meine Stirn zieht. Autsch, wieso habe ich so starke Kopfschmerzen? Habe ich einen Kater? Ich bin so warm. Ach ja, da war doch etwas. Ich bin ja krank. Scheinbar hat mein Fieber meine Erinnerung etwas abschwächen lassen. Aber wie das ganze Zeug hingekommenen ist, ist mir schleierhaft. Das muss doch alles Dejan besorgt haben? Ich werfe erneut einen Blick auf die Kommode und betrachte die Tabletten. Es fehlt eine. Hat er sie mir gegeben? Aber wie? Etwa Mund-zu-Mund?

Meine Wangen färben sich leicht rot und mein Blick schweift zurück auf Dejan. Ich muss leicht lächeln und lasse mich zurück in die Kissen sinken. Dann kuschele ich mich an ihn. Aber so stecke ich ihn sicherlich an. Ich rutsche wieder etwas zurück und drehe mich von ihm weg.

„Chuck?“, fragt Dejan leise. „Bist du wach?“, murmelt er müde und gähnt. „Soll ich dir etwas besorgen?“, fragt er und scheint schon wieder kurz vor dem Einschlafen zu sein. Das Besorgen hört sich in meinen Ohren verdammt pervers an. Was soll ich antworten? Einen Blowjob? Einen Orgasmus? Man kann ja so viele Dinge besorgen. Ok, meine Gedanken driften eindeutig in die falsche Richtung ab. Leicht klatsche ich mir auf die Wangen, als ich plötzlich einen starken Arm über meinem Bauch spüre. „Schlaf weiter. Du bist krank und brauchst viel Ruhe.“ Das sagt er doch nur, weil er selber zu müde ist, um sich um etwas zu kümmern.

„Klo.“, murmele ich leise und stütze mich erneut auf. Er sieht zu mir hoch. „Dann geh.“ Er lässt sein Gesicht wieder ins Kissen fallen und schläft ein. Ich schürze meine Lippen und stehe demonstrativ auf. Kurz wird mir schwindelig und ich muss mich am Bettgestell festhalten, um nicht umzukippen. Holla die Waldfee, sag ich da nur. Langsam setze ich mich in Bewegung bis hin zum Bad und mache mein Geschäft. Als ich am Waschbecken stehe und mir die Hände wasche, wird mir wieder unwohl. Ich sollte mich wohl mal beeilen. Also trockne ich meine Hände ab und schleiche mich über den Flur zurück Richtung Zimmer. Dort lasse ich mich wieder auf das Bett fallen und schließe meine Augen, ohne mich vorher zuzudecken. „Weck mich noch einmal und ich stopfe dir einen Socke in den Mund und kette dich ans Bett!“, knurrt Dejan mir entgegen.

„Du Sadist.“, sage ich und lache leicht. „Mir ist schwindelig. Ich glaube mein Kreislauf bricht bald zusammen. Hast du dafür auch was zum Schlucken?“

Dejan dreht sich mit seinem Gesicht zu mir und sieht mich kurz an. „Ich werde dich hier nicht mit Drogen vollpumpen, mein Süßer. Und jetzt schlaf' endlich, dann geht es dir morgen auch wieder besser. Hör auf zu meckern, das bringt dir nichts. Sei nicht so wehleidig.“ Er wird nach und nach leiser, bis er verstummt. Wie kann man so schnell einschlafen? Ich hingegen quäle mich noch die halbe Nacht herum und wälze mich hin und her, bis ich im Traumland verschwinde. Ob ich nochmal irgendetwas anderes bei Dejan mache, außer zu schlafen?

Geweckt werde ich von einem Klappern von Geschirr und einer Stimme, die nahe an mein Ohr dringt. Leise murmele ich etwas vor mich hin. Dann schlage ich meine Augen auf. Ich sehe, wie Dejan mit einem Tablett ungeduldig vor mir steht. „Na los, wach auf. Setz' dich hin, hier ist Frühstück.“ Warum hetzt der eigentlich immer so? Ich bin noch nicht einmal richtig wach und soll jetzt schon essen? „Los iss, danach nimmst du deine Medikamente und dann bleibst du im Bett und ruhst dich aus.“

Ich schmolle leicht und nehme das Tablett entgegen. „Schon wieder im Bett bleiben? Aber das ist so langweilig, mir reicht schon ein Tag lang Nichtstun.“, sage ich und beiße leicht von dem Brot ab. Ich knabbere an dem Rand herum, da ich nicht wirklich großen Hunger habe. „Iss richtig, das kann man ja nicht mit ansehen! Oder muss ich es dir auch noch vorkauen?“ Warum ist er eigentlich so grob? Habe ich ihm etwas getan? Ich meine, meine Anmachen waren ja jetzt wirklich nicht schlimm, oder? Jedenfalls nicht schlimmer als sonst auch und bisher hat sonst noch keiner so regiert.

Ich beiße zu Dejans Zufriedenheit richtig von dem Brot ab und kaue langsam. Ich spüre, wie sein Blick auf mir liegt und er mich ruhig dabei beobachtet. Ist es so interessant, wie ich esse? Warum starrt er mich so an? Das ist mir unangenehm. Ich schlucke und trinke schnell einen Schluck Orangensaft, ohne aufzublicken. Mein Blick bleibt starr auf dem Tablett gerichtet.

„Du hast da etwas.“, murmelt Dejan und wischt mir leicht mit seinem Finger über meinen Mundwinkel. Von jetzt auf gleich bin ich knallrot. Oh Gott, hör doch mal auf damit! Ich steh auf dich, wenn du mich berührst, dann macht mich das an!

„Chuck? Alles ok bei dir?“ Scheinbar bemerkt er, dass ich mich unwohl fühle. „Du bist so rot, ist dein Fieber gestiegen? Ist dir warm? Ich mache mal kurz das Fenster auf, pass auf, dass du richtig unter der Decke bist.“ Ich nicke kurz und beiße mir auf die Lippe. Jetzt habe ich auch noch eine Latte. Seit wann bin ich nur so komisch drauf? Das ist das erste Mal, dass ich so extrem auf jemanden reagiere. Wohl auch das erste Mal, dass ich verliebt bin. Und jetzt? Ich kann ihn ja schlecht um Abhilfe bitten. Oh man, ich bin echt ein armer Drops.

„Ist es jetzt besser?“, fragt Dejan fürsorglich und wartet auf eine Antwort, die er jedoch nicht von mir bekommt. Stattdessen stelle ich ihm eine plausible Frage. „Wieso machst du das alles für mich? Ich meine, du kannst mich doch nicht einmal leiden. Im ersten Moment bist du total kalt und jetzt kümmerst du dich um mich? Hast du so eine beschützerische Ader, die bei Kranken einsetzt? So etwas soll es ja auch geben. Nein ehrlich, wieso machst du das? Ich meine, ich mag dich schon irgendwie, aber das beruht ja nicht auf Gegenseitigkeit.“

Dejan starrt mich stumm an. „Ich mach das Fenster dann mal wieder zu.“, meint er dann und wendet sich ab. Ist er gerade ernsthaft meiner Frage ausgewichen?! „Dejan!“, murre ich und schlage die Decke zurück, um aufzustehen.

„Bleib liegen! Ich habe keine Lust dich wieder auf das Bett zu hieven, wenn du umgekippt bist. Los, leg dich hin!“, murrt er und sieht mich ernst an. Langsam sinke ich zurück. „Antworte mir bitte.“ Mir fällt ein, dass ich ja eine Latte habe und schnell werfe ich die Decke wieder über meine Beine.

„Habe ich je gesagt, dass ich dich nicht leiden kann, Chuck?“, fragt er dann nach. „Außerdem scheinst du da unten ein kleines Problem zu haben.“, murrt Dejan. Ich werde rot und nicke nur treudoof. „Ich habe nie behauptet, dich nicht zu mögen, das war deine Interpretation aus meinem Verhalten heraus. Aber wenn ich ehrlich bin, bin ich immer so. Ich fasse nun mal nicht so schnell Vertrauen zu irgendwelchen Fremden, die mich auf der Straße anmachen, außerdem kann ich auf so etwas auch wirklich verzichten. An sich bist du ja ganz niedlich und ich finde dich an sich auch nicht abstoßend, aber ich will keinen One-Night-Stand haben. Tut mir leid.“ Jetzt verstehe ich, was er meint. Aber ich sehe ihn doch nicht einmal als einen One-Night-Stand! Das hat er wohl missverstanden. Vielleicht sollte ich ihm mal einige Sachen erklären.

„Ich mag dich wirklich Dejan. Ich habe so noch nie gefühlt, ich mag sonst nicht so viele Leute auf so eine Art und Weise. Ich reagiere ziemlich schnell auf dich und mein Körper auch. Also...“ Ich breche ab und räuspere mich. „Mein Herz klopft auch schneller, als sonst. Nu rwenn ich dich sehe. Ich bin schlecht darin, so etwas zu erklären, tut mir leid. Aber eines kann ich definitiv sagen! Ich fühle mich in deiner Anwesenheit wirklich wohl! Wohler als bei anderen und es macht mich traurig, wenn ich daran denken, dass du bald wieder fährst. Ich will das nicht, willst du nicht hierbleiben? Oder ich komme mit dir!“

„Das ist Blödsinn!“, murrt Dejan. Ich sehe ihn gekränkt an. Wieso Blödsinn? Was davon? Alles?

„Bleib hier Chuck! Es lohnt sich doch nicht, mit mir zu kommen, wenn es nichts bringt! Oder habe ich gesagt, dass ich dich so gern habe, dass ich mit dir zusammen wohnen möchte? Zwei Wochen reichen, danke.“ Ich schlucke. Ach, verstehe. Also er mag mich für zwei Wochen und danach will er nichts mehr mit mir zu tun haben. „Ich glaube, ich sollte gehen.“, murmele ich und will aufstehen. Dejan kommt zu mir rüber und drückt mich zurück auf die Matratze. „Bleib hier. Du bist krank und kippst um, wenn du nur ein paar Schritte gehst! Willst du jetzt ernsthaft nach hause laufen oder mit Bus fahren? Das schaffst du doch gar nicht! Mein Gott, bist du dumm, oder wie?!“, keift er mich an. Ich weiche seinem Blick wieder aus. „Du hast mich verletzt, ich will nicht hier bleiben.“, meine ich ehrlich.

Dejan sieht mich kurz geschockt an, dann zieht er seine Augenbrauen zusammen und macht ein abwertendes Geräusch. „Ja ne, ist klar. Ich und dich verletzt. Wieso das? Und wie? Was habe ich gesagt, was du noch nicht wusstest?“, fragt er nach.

„Dejan ich mag dich und du hast mich eiskalt abserviert!“, erkläre ich ihm überflüssigerweise.

„Ich habe lediglich gesagt, dass es sich nicht lohnt, mit mir zu kommen! Mehr nicht! Und das ist nun mal die Wahrheit! Soll ich dich anlügen und dir sagen, dass du immer zu mir kommen kannst? So ist das aber nicht Chuck, tut mir leid!“, meint er aufbrausend. Was ist nur sein Problem?! Wieso ist er so fies zu mir? Oder wirklich nur ehrlich? Ich kann mir das nicht so vorstellen, nein! Warum?

„Dejan, ich mag dich.“, wiederhole ich nun zum tausendsten Mal. „Das tut mir leid für dich.“, meint dieser. Das zerschneidet förmlich mein Herz. „Aua.“, meine ich und grinse ein wenig. „Wieso lächelst du jetzt? Wenn es dir schlecht geht, dann zeig es doch einfach mal! Sei doch mal ehrlich zu dir selbst! Ich hasse Menschen, die einem immer nur etwas vorlügen oder alle anderen und sich selber täuschen!“

Das denkt er von mir? Ok, irgendwie hat er ja schon recht. Ich täusche ziemlich viel vor. Fängt schon mit meine Anmachen an. Das ist doch auch alles nur eine Maske. Aber ich mag es nicht, meine Hüllen fallen zu lassen. Meine Klamotten schon, aber nicht mein Inneres. „Wenn ich ehrlich zu dir werde, magst du mich dann?“, frage ich zögerlich nach. „Ich beantworte dir alle Fragen, ehrlich! Versuch es!“, meine ich.

Dejan betrachtet mich kurz. „Magst du mich?“

„Ja.“

„Du lügst.“, meint Dejan. „Du kannst mich gar nicht mögen. Ich bin ein unerträglicher Mensch. Man, Chuck, du bist anstrengend!“ Ich fahre mir durch die Haare und grinse leicht.

„So bin ich leider wirklich. Aber ich weiß ja, dass ich oft mit meinem Charakter anecke. Trotzdem werden meine Gefühle für dich sich nicht sonderlich stark ändern.“ Damit muss Dejan jetzt halt leben! Wenigstens ist meine Latte bei dieser Diskussion verschwunden. Eine positive Sache hat's also doch.

Wir schweigen uns beide an, bis Dejan sich auf dem Bett neben mir niederlässt. „Manchmal kannst du echt niedlich sein. Wenn du rot wirst zum Beispiel. Oder wenn du lachst und auch mal ehrlich deine Gefühle zeigst. Immer, wenn du ein wenig deine Hüllen fallen lässt. In den Momenten mag ich dich, Kleiner. Wenn du das beibehalten würdest, dann könnten wir sogar echt gute Freunde werden. Aber so...“

Das macht mir Hoffnungen! Also habe ich doch noch eine Chance! „Darf ich bei dir bleiben?“, frage ich nach.

„Für heute auf jeden Fall! Ich lass dich nicht aus dem Bett, so lange du noch krank bist. Und für die anderen Tage... Ich bin zwei Wochen hier, vielleicht hast du ja noch genug Kraft, um die Chance zu nutzen und mich rumzubekommen.“ Er grinst mir entgegen und ich strahle schon förmlich zurück. „Danke!“, meinte ich dann erfreut und drücke mich kurz an ihn. „Hey, steck' mich nicht an! Los leg dich wieder hin! Wir gucken jetzt ein wenig Fernsehen, dann kannst du dich nebenher ausruhen.“ Er schiebt mich zur Seite und kramt nach der Fernbedienung in der Schublade der Kommode. „Stück ein Rück!“, meint er grinsend und setzt sich hinter mich. Was soll das denn werden? Plötzlich zieht er mich an sich und kuschelt ein wenig mit mir. Meine Wangen werden leicht rosig, aber ich sage dazu nichts. Er macht den Fernseher an und zappt ein wenig hin und her, bis wir uns auf einen Sender einigen.

„Ich mag dich Dejan.“, meine ich lächelnd.

„Sei ruhig und schau Fernsehen!“

I'll give you my fortune and fame

Ich sehe Vince an und schweige. Irgendwie begreife ich das noch nicht richtig. Er will sich bei mir entschuldigen und ich soll ihm verzeihen? Unsicher sehe ich zu ihm auf. "Wieso?", frage ich dann nach. Ich bin doch derjenige, der sich entschuldigen sollte! Ich habe mich falsch verhalten, nicht er. "Es tut mir leid, wie ich reagiert habe! Ich wollte mich niemals von dir trennen Steven! Wirklich nicht. Es tut mir leid. Ich habe total überreagiert. Ich hätte dir erklären sollen, was los war und dich nicht einfach für etwas verantwortlich machen, von dem du nicht einmal weißt, worum es geht. Ich war wirklich kindisch, dabei bin ich der Ältere von uns beiden." "Ey! Ich bin kaum jünger!", schmolle ich kurz."Darum geht es jetzt nicht.", meint Vince ernst. "Nimmst du meine Entschuldigung an? Ich meine...vielleicht sollte ich erst mal erklären, was los war. Ich war...bin sehr...eifersüchtig. Es fällt mir verdammt schwer, das zuzugeben. Ich habe dich so vermisst, dass ich dir hinterher geflogen bin. Na ja und als ich dann gesehen habe, wie gut du mit den Mädchen klar kommst und auch ohne mich zurecht kommst und dann war da noch dieser Chuck! Das war alles zu viel für mich und ich bin echt sauer geworden. Ich teile nun mal nicht gerne und sehe dich als meines an, so ist es." Ich bin erstaunt, wie ehrlich Vince sein kann, aber so wirklich gefallen will mir seine Erklärung nicht. "Ich bin aber nicht dein Eigen, Vince. Ich bin dein fester Freund, aber du musst meine anderen Freunde akzeptieren.", beginne ich. Er sieht leicht bedrückt zu mir. So habe ich Vince wirklich noch nie gesehen. Es scheint ihm näher zu gehen, als ich erwartet habe.

„Aber ich verstehe deine Gefühle.“ Ich lächele mild und seufze leise auf. „Ich bin auch neidisch darauf, dass Malik dich schon so lange kennt und ihr euch so gut versteht. Und dass du mit Vio so streiten kannst, obwohl ihr euch dennoch gern habt.“ „Wir hassen uns!“, meckert Vince, aber ich weiß doch, dass das nicht stimmt. Dann würden sie sich absichtlich aus dem Weg gehen und sich nicht immer wieder anfeinden. Sie hassen sich sicherlich nicht!„Ich liebe dich Vince und das wird sich so schnell nicht ändern. Mach dir keine Sorgen. Aber ich will es auch mal von dir hören. Du sagst mir fast nie, was du von mir hältst. Natürlich weiß ich, dass du es nicht gerne sagst. Aber wie soll ich mir dann sicher sein, dass es immer noch so ist, wie ich denke?“ Ich habe da immer so meine Sorgen und das gebe ich auch zu. So wie Vince sich manchmal verhält, kann ich kaum glauben, dass er mich lieben soll. „Steven..“, meint Vince überrascht. „Aber sonst geht es dir gut?! Was glaubst du denn, wieso ich so viel Zeit mit dir verbringe? Ich würde doch nicht mit so einem nerdigen Knirps abhängen, wenn ich ihn nicht mögen würde.“ Er rollt genervt mit den Augen und verschränkt seine Arme vor der Brust. „Aber du hast ja recht.“, seufzt er dann. „Ach man, du bist ein Idiot, Steven!“, meckert er weiter. „Du verlangst immer so viel und ich komme damit nicht zurecht. Zum Einen willst du, dass ich dir zeige, wie sehr ich dich liebe, aber im Bett bist du immer so scheu. Auf unseren Dates zickst du ständig rum und ich darf alles ausbaden.“ So habe ich das noch gar nicht gesehen. Jetzt wo er es sagt, hat er irgendwie schon recht. Ich meckere wirklich oft, wenn er etwas macht, was ich nicht will. Habe ich mich überhaupt schon mal nach Vince gerichtet? Also wirklich nach ihm?„So bin ich nun mal!“, verteidige ich mich. „Ich zicke halt schnell und bin etwas schüchtern, na und? Das ist doch kein Grund!“ „Für mich schon, Steven! Ich könnte jetzt auch sagen, ich bin so und gestehe niemandem meine Liebe! Aber ich mache es nicht, verstehst du?! Ich rede mich wenigstens nicht heraus, im Gegensatz zu dir! Außerdem sagt man das doch nicht ständig, sondern in bestimmten Momenten, wenn man das Gefühl hat, es sagen zu müssen!“

Ich zucke leicht zurück und presse die Lippen zusammen. Und ich dachte, wir würden uns wieder vertragen. Stattdessen meckert er mich jetzt an. Na sind ja tolle Aussichten auf unsere Beziehung. „Aber du hast es mir bisher vielleicht drei Mal gesagt und wir sind seit einem halben Jahr zusammen! Na klar werde ich da unsicher!“ Ich muss schlucken und schniefe kurz. Warum schreit er mich jetzt die ganze Zeit so an, er soll damit aufhören! Auch mit seinem bösen Blick, dass ist verletzend!

„Steven, weinst du?“, fragt Vince nach, aber ich wende mein Gesicht ab und reibe mir schnell über die Augen. „Nein!“, murre ich trotzig. Ich spüre, wie Vince mir zögerlich seine Arme umlegt und mich zu ihm zieht. Ich drücke mich an ihn und verstecke meine Gesicht in seinem Shirt. Ich atme seinen Geruch ein, den ich die letzten Tage so vermisst habe. „W-Wir trennen uns nie wieder, ok?“, frage ich leise und kralle mich in den weichen Stoff. Er nickt und gibt mit einen Kuss in mein Haar. „Hey Steven.“, meint er leise und hebt meinen Kopf an, so dass ich ihn ansehen muss. „Ich liebe dich.“ Er gibt mir einen Kuss und ich atme erleichtert aus. Ich erwidere den Druck gegen meine Lippen und seufze leise. Lächelnd öffne ich meinen Mund ein wenig weiter, sodass er seine Zunge sofort hineinschieben kann. Der Kerl kriegt aber auch gar nicht genug!

Ich löse mich langsam von ihm. „So und jetzt lade mich zu einem Eis ein! Wegen dir bin ich von dem Felsen gefallen und wurde von Feuerquallen fast umgebracht!“ Na ja, das stimmt zwar nicht so ganz, aber das muss er ja nicht wissen. „Du bist ganz schön frech mein Lieber! Pass lieber auf, was du sagst, sonst kriegst du doch noch Ärger.“, meint Vince schmunzelnd. Ich grinse nur und winke ab. „Ach was, ich weiß doch, dass du mich dafür viel zu gern hast.“, schnurre ich ihm entgegen und greife nach seiner Hand. Ich verschränke unsere Finger miteinander und lächele leicht. „Los, komm mit.“ Ich zerre ihn hinter mir her, aus dem Zimmer heraus und laufe mit ihm den Flur entlang.

„Vincent, Steven!“, hören wir da die Stimme von Frau Henecke. Warum kommt sie uns denn jetzt schon wieder in die Quere?! „Ja?“, frage ich freundlich lächelnd, aber genervt nach. „Wir machen heute eine Burgbesichtigung. Ich möchte, dass ihr den anderen Bescheid gebt und euch bis dreizehn Uhr vorbereitet und euch draußen vor der Tür versammelt.“ Sie wirft uns die Sätze an den Kopf und verschwindet wieder, ohne dass wir antworten können. „Was soll das jetzt?!“, murrt Vince und drückt etwas zu doll meine Hand.

„Aua! Vince, pass mal ein bisschen auf!“, meckere ich ihm entgegen. Er sieht auf unsere Hände hinab und lockert den Griff wieder etwas. „Ich habe keinen Bock auf so einen Mist! Was sollen wir denn da?!“, brummt er mir entgegen. Ich zucke mit den Schultern und ziehe ihn mit zu Violas Zimmer. Wir sagen den Mädchen Bescheid und bitten sie, den anderen ebenfalls Bescheid zu geben. Dann ziehen wir uns in trauter Zweisamkeit wieder zurück auf den Hof nach draußen. Ich kuschele mich neben Vince auf eine Bank und küsse ihn. Allerdings bleiben wir nicht lange alleine.Die anderen kommen heraus und sehen zu uns rüber. Sie fangen an leise zu kichern und murmeln etwas vor sich hin. Immer diese Mädchen. Ich verstehe das nicht, was ist an zwei knutschenden Jungs denn bitteschön so toll? Wir finden es doch auch nicht sexy, wenn zwei Mädchen sich küssen? Ich werfe einen kurzen Seitenblick auf Vince. Na ja, ich zumindest nicht.

„Steve~!“, ruft Vio mir zu und rennt auf uns zu. Ich seufze leise, Vince brummt. „Schick sie weg.“, murmelt er mir zu, aber ich schüttele energisch den Kopf. „Wir sind beschäftigt!“, meckert Vince sie an. Sie würdigt ihn keines Blickes, sondern sieht mich strahlend an. „Weißt du, was man über die Burg sagt?! Da soll es spuken! Da soll mal ein Mädchen erhängt worden sein, was nun dort in den Gängen herumgeistert, um ihren Mörder zu finden! Ist das nicht der Hammer?!“

Ich werde bleich und starre von ihr zu Vince. Dieser zieht mich nur noch enger an sich. Ich werde leicht rot, wobei ich mich trotzdem nicht sonderlich sicher fühle. Oh Gott, ein Geist?! Da will ich ganz bestimmt nicht hin! „Hör auf ihm solche Flausen in den Kopf zu setzen! Es gibt keine Geister und es gab sie auch nie! Außerdem wurde da sicherlich keiner erhängt! Das ist doch Blödsinn! Steve, hör doch auf so einen Quatsch nicht! Du glaubst da doch nicht wirklich dran, oder?!“ Das sagt der so einfach. Ich zucke leicht mit den Schultern und knabbere auf meinen Lippen herum. „A-Also..ich weiß nicht...vielleicht gibt es ja wirklich..solche...äh Geister.“ Ich sehe kurz zu ihm auf und erstarre. Er sieht mich nur stutzend an, dann kurz sauer und dann schnippst er mir einfach gegen die Stirn. Ich verziehe mein Gesicht und halte mir meinen Kopf. „Aua!“, sage ich und kneife die Augen zu. „Das tut weh! Hör auf damit!“„Du bist doch blöd, wenn du an so etwas glaubst! Wie kommst du darauf? Hast du zu viel Fernsehen geguckt, oder was?!“, schnauzt er mich an. Aber ich weiß ja, dass er es eigentlich nicht so böse meint, wie es rüber kommt. „Manno, hör auf mich anzumeckern.“, schmolle ich.„Ach ja, Frau Henecke wartet dort drüben übrigens auf uns.“, meint Vio plötzlich und geht grinsend vor. Ich sehe ihr nach und werde noch einmal kurz von Vince geküsst. Ich schließe die Augen und seufze zufrieden. Das gefällt mir wirklich gut. Dennoch löse ich mich von ihm und stehe lächelnd auf. „Na los, lass uns gehen, sonst kriegen wir noch Ärger.“, meine ich und zerre ihn hinter mir her zu der Gruppe. Er folgt mir murrend und wir schließen zu den anderen auf. Die Burg liegt außerhalb unserer kleinen Stadt. Wir fahren mit dem Bus hin, raus aus der alten Gegend, die selber noch wie eine Burg aussieht. Na ja, kein Wunder, steht ja auch schon seit dem 11. Jahrhundert so. Wir brauchen knapp eineinhalb Stunden, bis wir ankommen. Es ist schön, mal wieder einen „normalen“ Ort zu sehen.

In Senj steigen wir allesamt aus dem Bus aus und sehen uns kurz um. Scheinbar bin ich nicht der einzige, der froh ist, mal richtig aus Hum herauszukommen. „So, wir werden heute die Festung Nehaj besuchen. Wir werden die einzigen Besucher sein, ich habe einen Extratermin gemacht. Ihr könnt euch also auch gerne etwas lauter unterhalten, aber stört die Angestellten nicht. Wenn ihr irgendwelche Fragen habt, fragt mich oder jemanden, der dort arbeitet. Natürlich werdet ihr wie immer auch eine Aufgabe bekommen. Ihr werdet dort alle ein Klemmbrett mit einem Din-A4-Blatt erhalten, wie auch einen Druckbleistift. Sucht euch eine schöne Ecke der Festung aus und skizziert sie ab. Achtet auf den Lichteinfall und kleine Besonderheiten. Ihr könnt auch gerne ins Detail gehen, aber denkt daran, dass ihr nur eine begrenzte Zeitspanne habt.“

Das war doch so was von klar. Mal ein Tag ohne zu zeichnen wird es auf unserer Fahrt natürlich nicht geben. Ich seufze leise, als wir uns auf den Weg machen. Die Festung ist beachtlich. Sieht von außen zwar viel kleiner aus, aber kaum haben wir einen Schritt hinein getan, wirkt sie plötzlich so riesig. Ich besehe mir ein Schild und lese den kurzen Text darauf. Das Wahrzeichen der Stadt Senj, die Festung „Nehaj“, wurde 1558 unter der Leitung des Kapitäns und Generals der kroatischen Militärmark Ivan Lenkovic und des Kapitäns Herbart Auersperg VIII. erbaut. Das Baumaterial lieferten zerstörte Kirchen, Klöster und Wohnhäuser, die sich außerhalb der Stadtmauern befanden.“

Ich ziehe an Vincents Ärmel und deute auf ein paar Zahlen. „Irgendwie kommt sie mir größer vor. Aber hier steht, sie ist nur 18 Meter hoch und 23 Meter breit. Dafür sind die Wände aber ganz schön dick.“ Vince wirft einen Blick über meine Schulter und grinst. „Klar, dann kann man in den Räumen machen, was man will, ohne das andere es hören.“, haucht er mir ins Ohr und sofort werde ich rot. „Ich glaube nicht, dass sie es dafür erbaut haben!“, murre ich ihn an und weiche ein wenig von ihm weg. Er murrt auf und zieht mich wieder zurück in seinen Arm. „Hör auf zu Zicken, du Ziege.“ Ich will gerade etwas erwidern, als Frau Henceke in die Hände klatscht. „Na dann, auf geht’s. Viel Spaß bei der Besichtigung. Wir treffen uns in spätestens zwei Stunden wieder hier.“ Die meisten laufen los, Vince und ich bleiben zurück. Ich versuche mich aus seinem Griff zu befreien, was leichter gesagt ist, als getan. Der Kerl ist aber auch hartnäckig! „Jetzt lass endlich los!“, meckere ich ihn an. Ich reiße mich förmlich von ihm weg und stapfe hochnäsig den Hof entlang. Was könnte man hier wohl alles schönes zeichnen? Vielleicht eine Kanone? Oder die Kochnische. Mal schauen, was sich so finden lässt. „Am besten du zeichnest mich~“, schnurrt Vince. Ich erschrecke, weil ich nicht gemerkt habe, dass er mir gefolgt ist. „Ich vor einer Kanone, das wäre doch was tolles. Musst du dann nur zu Hause mal zu Ende zeichnen.“, schlägt er vor. „Lass mich in Ruhe, ich denke nach!“, meckere ich und sehe schmollend zu ihm auf.Vince denkt jedoch nicht einmal im Traum daran, wobei ich sicherlich gar nicht wissen will, was er so träumt. Er drückt mir seine Lippen auf und presst mich in eine Ecke unter einer Treppe. „V-Vince!“, schimpfe ich, aber er ignoriert es. „Wir waren viel zu lange getrennt.“, murmelt er und schiebt eine Hand unter mein Shirt. „Vince, nicht hier! Wir sind hier auf einer Festung!“

„Macht die Sache doch gleich interessanter.“, nuschelt er, während er sich meinen Hals entlang küsst. Seine Hand wandert schamlos meinen Oberschenkel entlang und greift fest in meinen Schritt. Ich muss aufkeuchen und beiße mir auf die Lippen. „V-ince...Hör..stopp!“ Ich versuche ihn von mir zu schieben, spüre stattdessen nur seine Lippen auf meinem Ohr und wie er mir leise etwas ins Ohr haucht. Sofort bin ich knallrot angelaufen. „Das ist doch kein Grund!“, bringe ich hervor. „Vince ich will nicht! Warte, hör auf! H-Heute..Abend.“ Irgendwie muss ich ihn ja eine Zeit lang ruhig stellen. „Heute Abend?“, fragt Vince mich leise und hält inne. „Ist gut. Wenn du dann nicht willst, dann zwinge ich dich.“ Er lässt von mir ab und geht gut gelaunt weiter und die Treppe hoch. „Komm, oben sollen die Offiziere gewohnt haben. Das will ich mir ansehen!“

Ich stehe noch etwas überfordert in der Ecke, ehe ich mich wieder rege. Dieser Kerl ist so was von fällig! So kann der mit mir doch nicht umgehen! Er regt mich aber auch immer wieder auf! Mein Gott, Vince wird sich sicherlich nie ändern! Aber seine Freunde sucht man sich nun mal selber aus, vor allem den festen Freund. Also folge ich ihm gezwungener Maßen die Treppe rauf.

 

Zwei Stunden später findet sich die Gruppe wieder unten bei dem Burgtor zusammen. Wir haben alle unsere Skizzen einwandfrei fertig bekommen und einiges der Burg gesehen. Besonders groß war die Festung allerdings auch nicht. Wie üblich bekommen wir nun noch ein wenig Zeit, uns die Stadt anzusehen und ein wenig Einkaufen zu gehen. „Nicht schon wieder Einkaufen.“, meckert Vince. „Ich habe eh kaum noch Geld, ging alles für den Flug drauf.“ Klar, als ob er den alleine gezahlt hätte. Da hatte Roy ihm sicherlich etwas dazugegeben. Oder Dad. Ich lächele leicht und streiche an seinem Handrücken entlang, ehe ich ihm einen Kuss darauf gebe. „Dann lade ich dich halt mal ein.“, murmele ich. „Du willst mich einladen? Oha, dass ich das noch erleben darf. Und ich dachte immer, ich wäre der einzige, der zum armen Schlucker wird.“ Eingeschnappt sehe ich weg. „Ich muss ja nicht!“, erwidere ich kühl und gehe los. Wir wissen ja beide, dass wir es nicht wirklich ernst nehmen.

„Dann möchte ich einen Glühwein und eine Brezel.“, sagt Vince lachend, während er mir folgt und mir durch die Haare wuschelt. So etwas darf aber auch wirklich nur er. Ich mag das nicht.

„Glühwein?! Spinnst du? Wir haben doch nicht Winter, oder Weihnachten!“, meine ich entsetzt. Wie kommt er denn jetzt darauf? Den kann man doch nirgendwo kaufen? Jedenfalls nicht fertigen. Vince lacht auf und streichelt mir weiter durch die Haare. Er sieht auf mich herunter und haucht mir einen Kuss auf die Stirn. „Keine Sorge, das war doch nur ein Scherz. Mal schauen, was wir so für mich finden.“ Er verschränkt unsere Finger miteinander und zerrt mich hinterher. Sonst war es immer andersherum. Aber scheinbar genießt er es, dass er auch mal eingeladen wird. Ich grinse leicht. Gefällt mir irgendwie, dass ihn das so packt. Ich folge ihm gut gelaunt und sehe mich um.„Wieso haben wir hier keine Herberge gemietet.“, murre ich dann. Hier sieht es sehr viel lebendiger aus. Und auch schöner. Außerdem leben hier wenigstens Menschen. Klar, auf Hum auch, ganze zwanzig Leute ungefähr. Und vielleicht vier oder fünf, die ein Ferienhaus haben. Wow, was für eine Menge, wirklich!

„Ach mecker nicht. Ich bin da, das reicht doch. Sei froh, dass ich dich nicht alleine gelassen habe.“, meint Vince. Warum ist er plötzlich so gut drauf? Ich sehe ihn verdattert an. Also irgendetwas läuft hier gerade mordsmäßig falsch. Dennoch schweige ich. Lieber sollte ich den Moment genießen, als ihn zu zerstören. Also hänge ich mich lächelnd an seinen Arm und sehe mich weiter um. „Lass uns nachher noch ein Eis essen!“, meine ich, als ich ein Eiscafé entdecke. Das Eis sieht so toll aus! Da läuft mir sofort das Wasser im Mund zusammen. „Wie bei unserem ersten Date? Ich hoffe aber, dass ich da kein Wasser ins Gesicht bekomme.“, meint Vince schmunzelnd, grinst aber leicht. Ich werde kurz rot und murre auf. Muss er mich daran erinnern? „War doch deine Schuld.“

„Mhm, jetzt redest du aber auch nicht offener über den Sex, nicht wahr?“ Schon alleine bei dem Wort steigt mir das Blut in den Kopf. Ich weiß, das ist total dämlich und ich bin ja auch schon lange keine Jungfrau mehr, aber es ist mir einfach unangenehm!

„Du bist süß.“, schnurrt Vince mir zu und klaut sich einen Kuss, ehe er auf einen Laden deutet. „Lass uns dort hingehen. Dann können wir dir eine neue Brille kaufen!“ Ich sehe schmollend zu dem Laden. „gefällt dir meine Brille nicht?“, frage ich nach und rücke sie zurecht. Also ich mag sie so, wie sie ist! Vince winkt ab. „Doch schon, aber die ist doch schon uralt.“ Dennoch schüttele ich mit dem Kopf. „Na gut, dann eben in den Laden! Ich muss Malik sowieso ein Geschenk mitbringen, sonst köpft er mich. Da lasse ich ihn einfach alleine in der Schule sitzen und bringe ihm nichts mit. Nein, dass kann ich nicht bringen. Ich schenke ihm am besten einfach ein paar neue Kopfhörer!“ Ich rolle leicht mit den Augen, grinse aber. „Wenn du mal zu mir so nett wärst.“, meine ich und lache leicht, während wir uns auf den Weg zum Laden machen.„Ich bin nett zu dir, nur auf andere Art und Weise.“

„Auf gemeinere?“, frage ich grinsend.„Nein, auf liebevolle Art.“

I'd even give you my name

Ich strecke mich und kuschele mich näher an Vince. Ich ziehe die Decke etwas höher, als ich erschaudere. Nackt ist es doch ein wenig kalt, so direkt nach dem Aufwachen. Ich gähne leise, halte meine Augen aber weiterhin geschlossen. Heute schwänze ich, egal was kommt. Ich kann mich eh kaum schmerzlos bewegen. Außerdem kuschele ich doch viel lieber mit meinem Freund. „Morgen Maus. Gut geschlafen? Lust auf Morgensex?“, höre ich Vince gut gelaunt fragen. Ich verziehe das Gesicht und hole aus, um ihn gegen sein Schienbein zu treten.

„Au! Steve, nicht so böse!“, meckert er sofort. Ich lächele ihn an und gebe ihm unschuldig einen Kuss. „Guten Morgen, Schatz.“ Ich stehe auf und verziehe sofort das Gesicht, ehe ich zurück auf die Matratze sinke. Mein armer, armer Hintern, wirklich! Autsch! „Alles ok, Steven?“, fragt Vince besorgt nach und streicht leicht über meinen Rücken. Der soll mal nicht so scheinheilig tun! „Du bist schuld.“, murre ich, während ich mich zurück auf das Laken lege und die Decke über meinen Kopf ziehe. Wenigstens ist es mir nicht mehr so unangenehm wie anfangs noch. Aber eigentlich denke ich schon gerne an unser erstes Mal zurück und an unser erstes Date. Das Kennenlernen war vielleicht nicht die beste Zeit, aber jeder fängt irgendwann mal klein an.

„Mh, brauchst du eine Tablette? Wasser? Essen? Oder nur etwas Ruhe? Soll ich dich verwöhnen?~“ Dass Vince mal so nett ist, kommt nur daher, dass er wieder irgendwelche perversen Hintergedanken hegt. So wie gestern Abend und wo sind wir dann letztendlich gelandet? Im Bett beim Sex, welch ein Wunder. Aber welcher Trottel lässt sich denn immer wieder auf ihn ein? Klar, ich natürlich. Seufzend schiebe ich die Decke wieder etwas weg und schiele zu ihm. „Am besten alles auf einmal.“ Ich lächele leicht und deute auf meine Tasche. „Vordere Tasche, beim Reißverschluss. Da sind Tabletten. Im Bad steht glaube ich noch ein Becher.“, murmele ich und sehe Vince dabei zu, wie er sich mühsam aus dem Bett kämpft, um sich um mich zu kümmern. Mal schauen, was er später alles dafür verlangt. „Was machen wir heute?“, ruft er mir aus dem Bad zu. Was soll die Frage? Das würde ich ihm jetzt am liebsten augenrollend an den Kopf werfen, lasse es aber bleiben. „Im Bett liegen.“, gebe ich stattdessen zurück. Vince überreicht mir den Becher und die Tablette und schmunzelt leicht. „Wie langweilig. Dann bleibst du im Bett und ich gehe feiern, wie wäre das?“

Ich verziehe mein Gesicht, schlucke aber vorerst die Tablette. „Und mit Feiern meinst du, dass du dich besäufst und mit anderen Mädchen herummachst?“, stelle ich angesäuert fest. Einmal hat mir das schon gereicht, ein zweites Mal würde ich Vince das sicher nicht mehr verzeihen. Der kann sich ja gar nicht vorstellen, wie schmerzhaft das ist! Vince kratzt sich am Kopf und schweigt. Ist vielleicht auch besser so. „Wolltest du uns nicht Frühstück holen und Frau Henecke Bescheid geben, dass es mir nicht so gut geht?“ Vince nickt und macht sich auf den Weg. Gerade als er die Tür öffnen will, spaziert Viola ohne Anzuklopfen ins Zimmer und steuert auf mein Bett zu. „Morgen, Schatz!“, sagt sie fröhlich. Dann wirft sie kurz einen Blick auf Vince. „Vincent.“ Vince rollt mit den Augen und murrt genervt auf. So schnell ist er bisher noch nicht aus meinem Zimmer verschwunden. „Wie geht’s dir? Ihr habt ja gestern Abend gar keinen Halt mehr gemacht. Denk daran, dass ihr nicht die einzigen in der Herberge seid und die Wände nicht dick genug sind, um alles abzudämmen.“ Sie lächelt mich unschuldig an, ich laufe rot an und weiche ihrem Blick verlegen aus. „H-Hat man wirklich..also..gehört..“, frage ich kleinlaut. Viola lacht jedoch nur auf und schlägt mir leicht auf die Schulter. „Nein, hat man nicht. Aber ich bin vorbei gelaufen, als ich aufs Klo wollte. Außerdem kümmert Vince sich gerade um dich und das macht er nur, wenn es dir nicht gut geht, du krank bist oder er glücklich und zufrieden ist. Und das ist er doch nur, wenn er seinen Sex bekommen hat, richtig?“ Sie zwinkert mir kurz zu. Muss Viola eigentlich immer Detektiv spielen und alle so genau beobachten? „Wir feiern heute Abend eine Feier. Am Strand. Weil wir doch schon Morgen wieder fahren. Eine Abschlussfeier sozusagen. Ihr kommt doch auch, oder? Dann musst du dich halt mal aus dem Bett quälen. Ist bestimmt besser, als Vince blöde Sprüche ertragen zu müssen!“ Eine Abschlussfeier? Weil es hier so toll war, oder was? Das wäre doch Ironie pur. Aber stimmt, jetzt wo Viola es sagt.Wir sind ja jetzt schon eine knappe Woche hier. Irgendwie habe ich das über die ganzen Probleme und Streitereien gar nicht richtig mitbekommen. Also muss ich mich ja auch noch von Chuck verabschieden! Schade irgendwie, ich mag ihn. Klar, er ist aufsässig, er ist eingebildet und macht einen schamlos an, aber vielleicht erinnert er mich dadurch einfach so sehr an Vince, dass ich ihn schon wieder gern haben muss? Ich zucke leicht mit den Schultern.„Denke schon.“, meine ich dann. „Du denkst nicht, du weißt! Außerdem kannst du dir deine Birne auch einfach mit Alkohol vollhauen, dann wirst du deine Sorgen und Schmerzen sicherlich vergessen.“ Mit diesen Worten steht sie auf. Vio ist aber auch immer unterwegs. Wie kann man nur so aktiv sein und das sogar schon morgens? Ich bin ja auch oft ziemlich früh wach, aber so extrem gut drauf bin ich dann doch nicht. Eher müde und so mittelmäßig gut gelaunt vielleicht.

„Dann lass ich euch mal eure Zweisamkeit genießen.“ Viola lacht auf und zwinkert mir zu. Was sie immer gleich wieder denken muss!? Schrecklich. „Bis nachher. Vielleicht sehen wir uns ja auch beim Mittagessen? Außer du verankerst dich wirklich den ganzen Tag hinter dieser Tür.“, scherzt sie und verschwindet. Ich komme bei ihr irgendwie kaum zum Reden.

Aber das bin ich ja schon gewohnt. Seufzend lehne ich mich zurück und krame mein Handy hervor. Ich schalte es ein und starre es an. Dann öffne ich mein SMS-Postfach und lese die SMS, die Vince mir geschickt hat, als ich im Flieger saß. Irgendwie schon süß. Und trotzdem war ich vor ein paar Tagen, als ich die SMS gelesen habe echt sauer auf ihn. Versteh das mal einer. Grinsend gehe ich noch ein paar Tage weiter zurück. Ach ja, das war ja im Unterricht. Wir wurden auseinander gesetzt und Vince hat einfach angefangen, mir unterm Tisch SMS zu schreiben. Leider wurde mir aber auch kurz danach das Handy weggenommen. Zum Glück habe ich ein Passwort drin, man wäre das peinlich, wenn einer der Lehrer diese SMS gelesen hätte. Da steht ja nicht gerade jugendfreies Zeug drin. Warum hebe ich das nur auf? Vielleicht weil sie von Vince kommen? So etwas kann ich nicht einfach löschen.

Ich sehe mich um und finde Vince Handy unter dem Kopfkissen liegen. Zögernd betrachte ich es. Darf ich es mir einfach nehmen, wenn er nicht anwesend ist? Ich sehe kurz zur Tür und knabbere auf meiner Unterlippe. Ach, was sollte schon passieren?! Ich schnappe mir sein Handy und mache es an. Ich kenne sein Passwort, was auch nicht so schwer zu erraten ist. Bei dem Perversling.

Ich schaue mir sein Handy an und öffne den Bilderordner. Jetzt bin ich ja mal gespannt. Ob Vince Fotos macht? Irgendwie ist er gar nicht der Typ dafür. Ich warte, bis die Fotos geladen sind und schalte durch. Was ist das denn? Das bin doch ich auf dem Bild?! Wann hat er denn das gemacht? Und wieso? Ich sehe doch nur gelangweilt aus dem Fenster? Habe ich eigentlich schon immer auf meinen Stiften herumgekaut? Ich werde kurz rot und mache weiter. Toll, wieder ich. Irgendwie schon komisch, wenn man sich auf Bildern wiederfindet, die man gar nicht kennt. Und dann auch noch schlafend! Vince dieser Spanner! Ich muss grinsen. Irgendwie aber auch süß, dass er nur heimlich Fotos macht. Anstatt mich einfach zu Fragen. Ich öffne die Kamerafunktion und drehe das Handy um. Grinsend sehe ich in die Kamera und mache ein Foto von mir. Ich speichere es ab und schreibe einen kurzen Kommentar darunter. >Frag nächste Mal einfach, wenn du ein Foto haben willst.< Mal schauen, wann er das bemerkt.Ich schließe den Ordner wieder und starre gelangweilt auf das Handy. Soll ich es wagen? Aber das ist doch Einbruch in die Privatsphäre, oder nicht? Zögerlich öffne ich den SMS-Ordner. Ob er meine SMS alle speichert oder löscht? Das würde mich schon sehr interessieren. Langsam gehe ich die SMS durch. Die meisten sind von mir, ein paar sind von Malik. Bei einer SMS bleibe ich stehen. Ich starre den Namen an und versuche mich zu erinnern, wer das ist. Wer ist Fiona? Welche Fiona? Warum hat Vince Kontakt mit jemanden, den ich gar nicht kenne? Die SMS ist erst ein paar Tage her. Das war doch bei unserem Streit? Ich öffne die SMS und lese den Inhalt. Warum kennt diese Fiona ihn so gut? Warum weiß sie so viel von ihm? Was soll dieses heitere und nette Getue? Irgendwo muss es doch auch die Ausgangs-SMS gehen. Was hat Vince ihr geschrieben? Und wieso? Ich scrolle hoch. Das Gespräch ist mehr als nur lang! Unsicher fahre ich durch meine Haare. Ich suche die älteste SMS von Fiona. Es dauert Minuten, bis ich sie gefunden habe. Die Suchfunktion ist wirklich praktisch, wenn man verstanden hat, wie sie funktioniert. Die SMS ist knapp zwei Jahre alt. Zwei Jahre?! Ich kenne Vince erst seit einem halben Jahr. Er hätte mir doch von ihr erzählen können! Wer ist diese Fiona?! Ich lese ein paar ältere SMS und langsam dämmert es mir. Seine Ex? Aber wieso hat er heimlichen Kontakt zu seiner Ex? Wie soll ich ihn denn darauf ansprechen? „Was machst du denn da? Ist das mein Handy?“, höre ich Vince fragen, als er lächelnd ins Zimmer kommt. Etwas schnürrt mir kurzzeitig die Kehle zu und schnell schließe ich die SMS. Ich öffne den Spieleordner und wähle irgendeines aus. „Spiele nur.“, murmele ich und starre angespannt auf das Handy. Vince setzt sich mit dem Tablett auf dem Schoß neben mich und zieht mich in seinen Arm. „Was spielst du denn?“, fragt er lächelnd. „Weiß nicht, kenne das Spiel nicht.“ Er lacht leicht und beobachtet mich dabei. Hoffentlich kann er nicht verfolgen, was ich alles gesehen habe? Was ist, wenn er jetzt die SMS öffnet? Kann er sehen, welche man als letztes angeschaut hat? „Hier, du wolltest doch was zu Essen?“ Er hält mir ein halbes Brötchen hin, aber ich schaue nicht auf. „Heute Abend ist eine Abschiedsfeier. Gehen wir hin?“, frage ich stattdessen nach. Wenn er nicht gerade mit seiner Ex schreiben muss! Vince schmunzelt kurz. „Klar, wieso nicht? Steve, was ist los? Warum so schweigsam? Sauer wegen gestern Abend?“ Deshalb soll ich sauer sein?! Ernsthaft? Deshalb?

„Wer ist Fiona?“, frage ich direkt heraus, ohne ihn anzusehen. Vince schweigt und nimmt mir das Handy aus der Hand. Ich balle meine Hände leicht zu Fäusten und streiche mit meinen Daumen über die Fingerknochen. „Hast du die SMS gelesen?“, fragt er nach. Ich zucke leicht mit den Schultern. „Denkst du, ich habe dir mein Passwort anvertraut, damit du das Vertrauen brechen kannst?“, fragt Vince barsch und öffnet den SMS-Ordner wieder. „Warum schaust du dir zwei Jahre alte SMS an? Das geht dich doch gar nichts an! Das war, bevor wir uns kannten! Da kann dir egal sein, was ich gemacht habe!“, meckert er und sucht die letzte SMS von Fiona. „Warum schreibst du dann jetzt noch mit ihr?“, will ich wissen und beiße mir auf die Lippe. „Warum nicht? Du schreibst doch auch permanent mit Viola und Alisha? Finde mal den Unterschied!“ „Sie ist deine Ex!“ Erst jetzt hebe ich meinen Blick und sehe ihn an. „Ist sie doch, oder?“, frage ich etwas kleinlauter nach. Warum habe ich nur nachgeschaut? Ich will das doch gar nicht wissen! „Ja ist sie, na und? Sie war mal mit mir zusammen, die Betonung liegt aber auf „war“! Danach haben wir uns auseinander gelebt und haben beschlossen uns auf freundschaftlichem Wege zu trennen. Wir haben immer noch Kontakt, ist das verboten? Sie ist umgezogen, ich kann sie kaum noch treffen, da schreibt man sich halt öfter mal!“ Sie treffen sich sogar? Ich muss schlucken. Wann? Wieso habe ich das nie mitbekommen? Hat Vince das immer klangheimlich gemacht, wenn ich irgendwo anders war? „Wieso hast du es mir nicht erzählt?“, will ich wissen.„Weil du nicht gefragt hast. Außerdem habe ich mir schon gedacht, wie du reagieren würdest. Was bringt es denn, uns darüber zu streiten? Ich meine, ich habe mit Fiona Sex gehabt, ich hatte Dates mit ihr, ich war mit ihr zusammen, das kann man nicht ändern. Ist doch alles Vergangenheit.“ Darum geht es mir auch gar nicht. Ist ja alles schön und gut, aber eigentlich hat man keinen Kontakt mehr, wenn man sich voneinander trennt. Außerdem bedrückt mich der Gedanke, dass sie besser mit Vince klarkam, als ich. Sie konnten sich sogar freundschaftlich trennen. Vince und ich habe uns schon einmal im Streit auf Probe getrennt. Was ist, wenn wir irgendwann nicht mehr zusammen sind? Werden wir Freunde bleiben können? Der Gedanke macht mir Angst, dass es vielleicht irgendwann ganz vorbei ist. Für immer.„Das Foto musst du noch löschen.“, meine ich dann. „Welches Foto?“, fragt Vince verwirrt. „Du hast mich im Bad heimlich fotografiert. Hinter dem Duschvorhang.“ So ein Spanner! Das ist doch wirklich pervers. Ob er mir das jemals gesagt hätte? Sicherlich nicht. Vince grinst vor sich hin, ehe er auflacht.

„Hast du die Bilder gesehen? Na ja, ich hätte dich auch gefragt, aber du würdest mir das niemals erlauben.“ „Hat ja auch seinen Grund!“, meine ich leicht entrüstet. „Jetzt lösche dieses Bild!“, murre ich. Aber Vince schüttelt nur den Kopf. „Nö~“, meint er gut gelaunt und öffnet den Fotoordner. „Na nu...das habe ich aber nicht gemacht!“, stellt er fest, als er das neue Bild sieht. Ich sehe schmollend zu ihm auf. „Ach so, ich darf Fotos machen, wenn ich vorher frage, ja?“, meint er breit grinsend. Was heckt er denn jetzt wieder aus? „Darf ich ein Foto machen?“, fragt er nach. Ich sehe ihn hochnäsig an. „Nei-“ Ich kann gar nicht zu Ende reden, da blitzt das Licht auf und Vince hat einfach ein dämliches Foto gemacht. „Ich hab nein gesagt!“, meckere ich ihn an und versuche ihm das Handy aus der Hand zu reißen. „Du meintest nur, ich muss fragen, nicht auf die Antwort warten.“

Genervt grummele ich auf und beuge mich weiter zu ihm rüber. Er legt mir einen Arm um und drückt mich an sich. „Na, willst du kuscheln, Schäfchen?“ Er grinst mich frech an und küsst mich kurz auf die Nasenspitze. Genervt gebe ich auf und lasse ihm das doofe Foto. Die andere sind ja auch viel schlimmer. Wenn ich sein Handy wieder in die Hand bekomme, dann werde ich die doofen Fotos alle löschen!

 

„Steven, machst du dich auch fertig?“ Ich sehe von meinem Buch auf und gähne leicht. Wenn man den ganzen Tag fast gar nichts macht, außer im Bett liegen und es sich gut gehen lassen, dann wird man eindeutig schneller müde, als gewöhnlich. „Wie spät ist es denn?“, frage ich nach und sehe auf meine Uhr. Ich strecke mich und krabbele aus dem Bett. „Ich gehe schnell duschen. Dann mache ich mich fertig.“, meine ich lächelnd und hauche Vince einen Kuss auf. „Mach diesmal keine Fotos!“, meckere ich noch schnell und verschwinde mit meinen Sachen aus dem Zimmer. Hoffentlich besteht die Party nicht wirklich nur aus Saufen und Tanzen. Aber was soll man anderes erwarten, bei einer Gruppe von Jugendlichen? Seufzend steige ich unter die Dusche und seife mich schnell ein. Es dauert nur ein paar Minuten, bis die Dusche wieder ausgeht und ich frierend nach meinem Handtuch greife. Ich trockne mich ab und ziehe meine Boxershorts über. Dann wuschele ich mir durch die Haare, damit sie wenigstens nicht den gesamten Flur volltropfen. Das Handtuch lege ich mir um die Schultern und gehe zurück zum Zimmer. „Steve~“, schnurrt Vince mir entgegen und legt seine Arme von hinten um mich, als ich mich gerade nach meiner Tasche bücken möchte. „Mh?“, frage ich nur desinteressiert und krame mir ein Shirt heraus. „Warum hast du es so eilig? Wir haben doch noch eine Stunde~“, schnurrt er mir ins Ohr und knabbert leicht daran. „Vince lass das!“, murre ich und stoße mit meinem Ellenbogen in seine Rippe. Er zieht kurz scharf die Luft ein und lässt von mir ab. „Du bist so verdammt prüde!“ Ich zucke nur mit den Schultern und mache mich fertig. Nach einer knappen Stunde gehen wir los und runter an den Strand. Also, dass die Feier groß werden würde, wusste ich ja schon, aber dass sie so groß wird, finde ich doch ein wenig überraschend. Ich denke mal, dass nicht nur Frau Henecke und der Herbergenbesitzer, sondern vor allem auch Chuck und ein paar andere Jugendliche mitgemischt haben. Ich sehe mich am Strand um und halte Ausschau nach Chuck. Wo ist er denn jetzt? Vince greift nach meiner Hand und verschränkt schweigend unsere Finger miteinander. Was hat er denn? Ich sehe zu ihm auf, aber er sieht nur stur gerade aus. Als ich Chuck entdecke, lächele ich leicht. „Ich geh mal eben hallo sagen.“, meine ich und will mich losmachen, als Vince mich mit einem Ruck zu sich zurückzieht. „Nichts wirst du!“, murrt er und legt mir die Arme um. Nicht jetzt so eine dumme Eifersuchtsleier. So war er doch sonst nie! Oder macht er das, weil Chuck mich befummelt hatte? Aber das hatte er doch gar nicht so ernst gemeint!

„Steven!“, ruft Chuck mir zu und winkt. Er kommt auf uns zu und ich lächele ihn an. „Na, wie geht’s?“, fragt er freundlich. „Ganz gut so weit.“ Ich sehe kurz zu Vince auf und sehe ihn mahnend an. Kann er mich jetzt mal loslassen?! „Hey Vincent. Na, alles fit im Schritt?“ Schön, dass wenigstens einer der beiden mal versucht, ein wenig Kontakt aufzubauen. Nur hat Vince darauf scheinbar keine Lust. Er lässt mich los, murrt kurz auf und geht dann zur Bar, um sich einen Drink zu holen. „Ist er schlecht gelaunt?“ Chuck und ich sehen ihm kurz nach. Ich zucke leicht mit den Schultern und schmunzele leicht. „Seid er dich gesehen hat, ja.“ Ich lache kurz auf und sehe dann wieder zu Chuck auf. „Du fährst also morgen wieder?“, fragt er. Ist er jetzt etwa wirklich ein wenig betrübt? Ich nicke zögerlich. „Ja, leider. Aber wir können uns ja mal in den Ferien treffen, oder so?“, schlage ich vor. „Ja, ich komm dich mal besuchen! Will ja auch wissen, wie du so wohnst.“ Ich lache kurz. „Ob das so eine gute Idee ist? Ich wohne mit Vince zusammen. Trotzdem würde ich mich freuen.“ Chuck wuschelt mir durch die Haare, ehe er kurz seinen Kopf ein wenig dreht und über seine Schulter hinweg guckt. „Ich hab ja deine Handynummer. Und wenn etwas ist, dann kannst du auch immer bei mir anrufen, ok? Ich muss jetzt erst mal wieder zu Dejan zurück.“ Chuck wendet sich ab und verschwindet. Wer ist Dejan? Ich kenne ihn gar nicht. Aber er scheint eher ein auffälliger Typ zu sein, bei seiner Frisur. Na ja, kann mir auch egal sein. Ich gehe zur Bar und sehe mich nach Vince um. Dann bestelle ich mir ebenfalls ein Getränk, wobei ich nicht ganz sicher bin, ob das alkoholfrei ist, oder nicht. Ich lasse meinen Blick umher schweifen und entdecke Viola. Wenn Vio da ist, ist Vince nicht fern. Grinsend gehe ich auf sie zu. „Ach, wen sehe ich denn da? Bist ja doch noch gekommen. Dachte schon, du bleibst in deinem Zimmer. Wo hast du Vince gelassen?“, fragt sie und kippt ihren Drink hinunter, als wäre es Wasser. Wie kann man so etwas nur so schnell austrinken? „Weiß nicht, eben ist er zur Bar gegangen, dann war er plötzlich weg.“ Ich sehe mich um. Auf der Tanzfläche ist er auch nicht. „Egal, dann bleib bei mir. Lass uns tanzen, der kommt schon zurück!“, meint sie lachend und zerrt mich auf die Tanzfläche. Ich lasse mich hinterherzerren, auch wenn ich eher weniger begeistert davon bin.

Die Zeit vergeht, aber ich kann Vince einfach nicht finden. Hat der Kerl sich wieder mit einem Mädchen irgendwo verkrochen? Wehe ihm! „Steve!“, höre ich ihn plötzlich nach mir rufen. Na ganz nüchtern ist der aber auch nicht mehr. Aber wen wundert es auch? War sowieso klar, dass er sich besäuft, sobald er die Chance dazu hat. Ich gehe zu ihm und lächele leicht.„Komm mit, ich muss dir was zeigen!“, meint er und zerrt an meiner Hand. „Vince, warte doch mal! Nicht so schnell, wir haben doch noch Zeit! Wo willst du hin?“ Ich stolpere ihm über den Sand hinterher, bis wir einen Bootssteg erreichen. „Was willst du hier?“, frage ich skeptisch nach. „Sei leise und komm her.“, meint er und zieht mich näher zu sich. „Los, steig auf das Boot.“

„Vince, wir können uns nicht einfach so ein Boot nehmen!“ Vince zuckt mit den Schultern. „Wieso, da steht doch groß dran: Zum Verleih!“ Ja klar, aber doch nicht einfach so. Vielleicht sollten wir den Besitzer fragen, aber der scheint nicht mehr da zu sein. Klar, es ist ja auch mitten in der Nacht! Auf solche Ideen kommt aber auch nur Vince! Ich steige widerwillig in das Boot und sehe mich missmutig um. Was ist, wenn wir erwischt werden? Aber da ist es eh schon zu spät, Vince hat das Boot losgebunden und wir treiben auf den See hinaus.

Boy you take me higher, than i've ever been before

„Vince, sag mir bitte, dass du weißt, wo wir sind!“, meckere ich gerade und sehe mich um. Es ist stockfinster, wie soll man hier noch etwas erkennen? Der Strand ist aus unserer Sicht verschwunden. Wie sollen wir jetzt je wieder zurück finden? „Klar, wir sind immer noch auf dem See.“, stellt Vince trocken fest. Ja super, du Oberschlaumeier. Das weiß ich auch! Aber ich will wissen, wo genau! Mein Gott, was ist, wenn uns etwas angreift, ein Tier oder ein Unterwassermonster?! Ja, die gibt es! Bis jemand beweisen kann, dass es so etwas nicht geben kann, bleibe ich bei der Meinung! „Vince, ich will zurück an den Strand!“, keife ich ungehalten. Vince hängt nur lässig auf seinem Platz im Boot und sieht kurz auf den Motor. Wie alt ist das Boot eigentlich? Was ist, wenn es mitten auf dem Weg plötzlich den Geist aufgibt und wir dann einsam auf dem Meer treiben? Ich kriege Panik, wirkliche Panik! Vince ist sowieso schon fast stockbesoffen, dem ist jetzt auch alles egal. Mit dem kann ich doch kaum noch reden! „Vince, wende das Boot und lass uns zurückfahren!“, fordere ich ihn auf, aber er winkt nur ab. „Bleib doch mal ruhig, was soll schon großartig passieren? Hier gibt es nichts, was uns aufressen könnte und das Boot ist doch noch voll im Takt.“ Ich könnte mir die Haare ausreißen. Ich will hier einfach nur weg und zurück zu meinen Freunden an der Bar!

„Schau lieber mal nach oben und guck dir die Sterne an. So einen Himmel wirst du so schnell nicht wiedersehen.“ Schön, dass Vince immer in solchen Momenten auf seine Weise romantisch wird. Macht er das mit Absicht?! Ich werfe sicherlich keinen Blick zum Himmel, lieber schaue ich weiterhin über den See und suche Land.

„V-Vince..“, murmele ich dann und sehe hinter ihn. „Was ist denn jetzt schon wieder?“, fragt er mich genervt. „D-D-D..“ Ich starre mit großen Augen auf den See hinaus und traue meinen Augen nicht. „Was D-?“, fragt Vince und sieht mich verständnislos an. Ich hebe langsam meinen Arm und deute hinter ihn. „Da..“ Fassungslos bleibe ich sitzen. Langsam dreht Vince sich um und rollt kurz mit den Augen. „Was soll da jetzt schon wieder sei-“ Er bricht ab und erstarrt. Dann sieht er ebenfalls in die Richtung, in die ich deute. „Das gibt es doch gar nicht.“, murmelte er.

„Vince! Wir müssen hier weg!“, kreische ich aufgeregt, aber Vince deutet mir nur leise zu sein. Er starrt das Vieh an, was immer näher auf unser Boot zukommt und bleibt ruhig sitzen. „Vince, dafür haben wir jetzt keine Zeit! Das kannst du dir auch im Internet anschauen oder im Fernsehen! Los jetzt!“, keife ich hysterisch. Er wendet sich zu mir um und sieht mich böse an. „Sei leise, sonst machst du es nur wütend.“ Wo er recht hat, hat er recht. In der Anwesenheit eines Hais, sollte man immer Ruhe bewahren, richtig? Das habe ich mal gelesen. Aber das Ding kommt immer näher auf uns zu und das ziemlich schnell. Die Flosse schimmert leicht im Licht der vereinzelten Sterne.

„Vince, ich will heute noch nicht sterben.“, heule ich ihn voll. Wie kann er dabei nur so ruhig bleiben? Das Vieh kommt immer näher! Panisch schaue ich mich um und deute dann auf eine Insel. „Los, fahr dahin! Mach schon!“, meine ich und Vince lenkt das Boot in die Richtung. Er beschleunigt das Tempo ein wenig, aber der Hai kommt näher und näher. „Vince!“, rufe ich nun panisch. „Was soll ich denn machen?! Das Boot kann nicht schneller fahren!“, keift er mich an. Plötzlich höre ich ein Rattern. „Was war das?“, frage ich entsetzt nach. Die Insel kommt immer näher, aber das Tier auch.

„Was war was?“„Das Rattern eben!“, meine ich nervös. Vince sieht auf den Tank und schmunzelt. „Der Tank ist leer.“ Ich sehe ihn entsetzt an.

„Das ist doch wohl ein schlechter Scherz?!“, frage ich und kreise gleich völlig aus.

„Ich weiß nicht, ob es noch bis zur Insel reicht.“ Er zieht wieder an der Schnur, aber das bringt auch nichts. Wir werden langsamer und gleiten langsam nur noch dahin. Ich sehe, dass die Insel nur noch ein paar Meter weiter weg ist. „Dann lass uns hin schwimmen.“, schlägt Vince vor. „Bist du lebensmüde?! Dann sterben wir doch erst recht!“, keife ich. „Du kannst auch gerne im Boot sitzen bleiben.“, schlägt er vor und zieht sein Shirt und seine Hose aus. Er sieht mich abwartend an und ich mache es ihm gleich. Kurz danach springen wir ins Wasser und schwimmen Richtung Land. Ich traue mich gar nicht zurückzuschauen. Ich spüre langsam den Sand unter meinen Füßen und laufe an den Strand. Vince folgt mir langsam. Der hat ja echt die Ruhe weg! „Los mach hinne, sonst frisst er dich noch auf!“, meine ich und zerre ihn an den Strand.„Das glaube ich eher nicht.“, meint Vince. Ich sehe ihn verständnislos und verwirrt an. Mir sitzt der Schreck noch immer in den Gliedern und als würde das nicht reichen, schwimmt das Ding immer noch weiter auf den Strand zu. Wie weit kommen die eigentlich an Land? „Schau doch mal genauer hin, Steve.“, meint Vince und deutet auf die Flosse. „Ist das ein Hai?“, fragt er nach und sieht mich abwartend an. „Natürlich ist das ein Hai! Was soll es sonst sein?!“, keife ich. „Nein, jetzt schau hin.“ Er dreht mein Gesicht wieder Richtung Wasser und ich kneife die Augen ein wenig zusammen, um besser sehen zu können. Das Tier schwimmt immer schneller auf uns zu, bis es plötzlich hochspringt und ich es erkenne. „Ein Delfin?“, frage ich entsetzt nach.„Freu' dich doch, sonst wären wir sicherlich schon tot.“, meint Vince und winkt ab.

„Seit wann weißt du es?“, will ich wissen. Er grübelt kurz. „Seitdem du gesagt hast, dass ein Hai uns verfolgt. Denk doch mal nach Steve. Was sollte ein Hai in diesem kleinen Gewässer wollen?“ Der hat sie doch nicht mehr alle! Warum sagt er mir das denn nicht?! Meine Güte!

Ich sehe mich um. „Wo sind wir?“, frage ich nach, aber er zuckt nur mit den Schultern. „Woher soll ich das wissen?“ Ich glaube ich bringe Vince noch um, wenn wir noch länger auf dieser Insel alleine sind. „Komm, sehen wir uns mal um.“, schlägt er vor und greift nach meiner Hand. Klar, die Insel ist auch so groß, dass man sich glatt verlaufen kann...

„Du kannst mich auch loslassen, ich kann alleine laufen.“, murre ich. Vince seufzt hörbar genervt auf. „Bist du jetzt sauer? Komm schon, das ist doch nicht so schlimm. Wir kommen hier schon wieder runter. Vielleicht finden wir hier ja jemanden.“ Er lächelt mir aufmunternd zu. Will er mir Mut einreden, oder was? Irgendwie schon süß, jedenfalls für seinen Charakter. Ich verstehe ihn einfach nicht. Manchmal frage ich mich, was in seinem hübschen Köpfchen wirklich vorgeht und was er mir alles verschweigt. Muss er immer den Starken spielen? Vor mir jedenfalls schon, wie mir scheint.

Ich sehe mich um, kann aber niemanden entdecken. „Hier ist doch nichts.“, murre ich.

„Doch ein Leuchtturm. Dort vorne.“, meint Vince und deutet auf den Turm.

„Meinst du, dass dort jemand ist?“, frage ich aufgeregt und zerre ihn hinter mir her. Vince zuckt mit den Schultern. „Vielleicht, aber ich mache mir lieber keine großen Hoffnungen.“, stellt er fest. Wir gehen zu der Treppe, die hoch zum Leuchtturm führt und sehen uns um. „Hallo?“, rufe ich, aber niemand antwortet. Wir klopfen gegen die Tür, aber niemand macht auf. Vince versucht sie zwar zu öffnen, jedoch scheint sie abgeschlossen zu sein. „Mh, keiner hier.“ Ich sehe betreten zu dem Leuchtturm hinauf. Wieso ist er dann an?! Dummes Teil!

„Und jetzt?“, will ich wissen.

„Weiter umsehen.“, meint Vince. „Hier muss es doch irgendetwas anderes geben, als nur Felsen, Strand und einen Leuchtturm.“ Guter Witz, hast du dir die Insel mal angeschaut Vince? Die ist doch höchstens einen halben Kilometer groß! Das wird nie etwas werden. „Guck doch nicht so.“, bittet Vince mich. „Wenn du lächelst bist du viel hübscher.“

Nüchtern zu schüchtern, besoffen zu offen, ich kann es nur immer wieder wiederholen. „Für Schmeicheleien und Komplimente haben wir jetzt keine Zeit!“, meine ich. „Ich will hier weg, irgendwie und wenn ich schwimmen muss!“, meckere ich herum. Als ich ein Knistern höre, fahre ich herum. Ich sehe ein pelziges Gesicht vor mir und große schwarze Kulleraugen, die zu mir aufsehen.

„Iah!“

Ich erschrecke so sehr, das mir kurz ein leiser Schrei entfährt und ich mich an Vince drücke. „Erst Angst vor einem Delfin und jetzt vor einem Esel?“ Er lacht und krault mich leicht im Nacken. Ich schmolle und sehe zu dem Esel. „Warum zur Hölle ist ein Esel auf einer einsamen Insel?!“, will ich wissen. „Wir sind hier in einem Naturreservat. Hier sind viele Tiere und Pflanzen. Aber ich glaube der Esel gehört nicht hier her. Oder doch?“ Er zuckt leicht mit den Schultern. „Ne, der ist gerade hier her geschwommen!“, keife ich ungehalten. Mir geht das alles auf die Nerven. Ich will wieder zurück zur Herberge und nur ins Bett, nichts anderes, Herr Gott! Warum hilft uns denn keiner?! „Das ist doch bestimmt ein Mutant! Das hier ist eine abgeschiedene Insel und der Leuchtturm ist nur als Leuchtturm getarnt und ist eigentlich eine geheime Wissenschaftlerstation. Und die einheimischen Tiere die hier leben sollen, sind irgendwelche Monster, die Menschen auffressen!“, reime ich mir irgendetwas zusammen. „Wenigstens hast du deinen Humor nicht verloren, Schatz.“, kichert Vince. Mein Gott, dieser Alkohol hat bei ihm jetzt auch die letzten Gehirnzellen weggeschwemmt!

„Ok, lass uns einfach das beste aus der Situation machen.“, schlägt Vince vor. „Und wie stellst du dir das bitte vor, auf einer 300 Meter großen Insel mit einem unbesetzten Leuchtturm und einem Esel, der hier nicht hingehören sollte?! Und mit weiß ich was für Tieren?!“ Merkt man, dass ich sauer bin? Ich weiß nur noch nicht genau, ob auf Vince oder auf mich. Schließlich habe ich mich dazu überreden lassen, hierhin mitzukommen. Dümmer kann man ja wirklich nicht sein! Ich seufze und atme ein paar Mal tief durch. „Ich will nicht streiten, das bringt jetzt auch nichts.“, sage ich wieder bei Sinnen zu Vince und kuschele mich an ihn. „Tut mir leid.“, murmele ich.„Ist doch ok, ich verstehe dich ja. Das war auch ganz anders vorgesehen. Eigentlich wollte ich nur ein paar Meter mit dir auf den See fahren und mit dir kuscheln und die Sterne anschauen. Ich dachte, dass ich dir damit eine Freude machen könnte. Aber das ging dann jetzt wohl ziemlich nach hinten los.“ Er kratzt sich hilflos am Kopf und sieht mich entschuldigend an. „Wir können uns ja mal mit dem Esel beschäftigen, vielleicht weiß der ja etwas.“ Er zwinkert mir zu und schon ist ihm verziehen. Eigentlich ja ganz niedlich, was er vorhatte, auch wenn es jetzt ziemlich nach hinten losgegangen ist. Egal, so ist Vince nun mal. Er kann einfach nicht weiter denken, als bis dahin, wo es sich schön anhört. Danach geht es bei Vince immer den Berg runter. Zum Beispiel hat er nicht geschaut, wie viel Tank noch vorhanden ist. Aber wenn wir nicht so weit rausgefahren wären, dann hätten wir sicher auch genug gehabt!

„Hast du dein Handy dabei?“, fragt Vince mich. „Unsere Sachen liegen im Boot, das weißt du schon?“, frage ich nach. Er nickt. „Man könnte sie aber herholen. Ist ja jetzt nicht so weit.“ Ich seufze und schüttele den Kopf. „Ich war nicht der Meinung, dass ich es heute Abend brauchen würde.“ Vince nickte. Tja, ihm ging es scheinbar vorhin nicht anders. Wir haben unsere Sachen einfach auf dem Bett liegen gelassen. Ob sie uns hier finden würden? Wenn man wenigstens in den Leuchtturm kommen würde! Dann könnte man ihn vielleicht umstellen, sodass die anderen merken würden, dass etwas nicht stimmt? Oder wo wir sind? Oder wenigstens andere Bootsfahrer, die vorbeikämen. Aber wer würde mitten in der Nacht an einer einsamen Insel vorbeifahren? Niemand! Das ist das Problem. „Wir kommen hier nie wieder weg.“, murmele ich leise und hocke mich hin. Ich fahre mir durch die Haare und murre genervt auf. Ich spüre etwas in meinen Haaren und will es wegschieben, der festen Überzeugung, dass es Vince ist. Aber er ist es nicht, das ist irgendetwas pelziges. Sehr haarig und... Ich sehe erschrocken auf und bemerke, wie der Esel sich zu mir runter gebeugt hat. Mit großen Augen starre ich ihn an. Was will der von mir?! „Ich glaube er mag dich!“ Vince fängt an zu lachen und hält dem Esel seine Hand hin, ehe er ihn streichelt. „Irgendwie ist er doch süß. Wollen wir ihn nicht mitnehmen?“ „Vince!“, keife ich und stehe auf. „Lass die Finger von ihm!“, meine ich und ziehe seine Hand weg. „Eifersüchtig? Willst du ihn für dich alleine haben?“ Er grinst mich an und fängt wieder an zu lachen. „Nein, aber wer weiß schon, was der alles für Krankheiten mit sich herumträgt! Oder wem er gehört?! Vielleicht ist das auch gar kein Esel, sondern irgendetwas anderes, was uns gleich zerfleischen wird!“ Vince sieht zu dem Esel, der gerade dabei ist in Ruhe etwas Gras zu futtern. „Ja, ganz bestimmt. Der fällt uns gleich tollwütig an, Kleiner.“ Vince schüttelt den Kopf und scheint mich nicht ernst zu nehmen. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie viele tollwütige Tiere es schon gab!“, murre ich, aber er winkt nur ab. Er scheint keine Lust zu haben, mit mir über irgendetwas zu diskutieren. „Komm, gehen wir an den Strand und machen ein Feuer.“ Ich schlage ihm leicht gegen den Hinterkopf und sehe ihn kopfschüttelnd an. „Hier leben geschützte Tiere und Pflanzen! Willst du die Insel abfackeln?! Du kannst hier nicht einfach ein offenes Feuer entzünden! Ich weiß nicht einmal, ob man hier einfach hingehen kann! Und dann auch noch ohne einen Experten! Ich drehe hier noch durch! Mach doch mal was!“, fahre ich Vince an. „Du drehst noch durch? Ich glaube eher, dass ich das bald nicht mehr aushalte mit deinem nervigen Gequassel! Du hast doch auch keine Idee, was wir machen können! Ich schlage wenigstens noch etwas vor und behalte die Ruhe. Aber du musst dich ja kindisch verhalten und wieder einen auf oberschlau machen! Und zudem meckerst du mich pausenlos an, egal was ich mache oder sage. Man kann dir wirklich gar nichts recht machen! Weißt du was, ich mache dir am besten keine Freude mehr, dann wäre das auch gleich geklärt! Dann kann ja nichts ach so schlimmes mehr passieren.“

Jetzt scheint er die Schnauze voll zu haben. Ist ja schön, ich nämlich auch! „Ach mach doch was du willst!“, keife ich und wende mich ab. Ich gehe an dem Esel vorbei und schiebe seinen Kopf von mir weg, als er an mir schnuppern will. „Lass mich in Ruhe du Untier!“, keife ich und verschwinde die Treppen hinunter. Sind ja nur knappe 80 Meter, die wir hier hoch sind. Ich kehre an den Strand zurück und setze mich genervt in den Sand. Toll und was jetzt? Ich hasse es! Ich hasse diesen Abend und den ganzen Tag! Erst das mit den Fotos, dann die SMS. Seine Ex, ach ja, da war ja noch was. Geklärt haben wir das Thema nämlich immer noch nicht. Aber wenn ich ihn wieder darauf anspreche, dann weicht er mir einfach aus. Ich hasse es! Ich hasse ihn, ich hasse diesen Ausflug! Ich hasse alles und will nur noch nach Hause!

Betrübt nehme ich mir einen Stock und fange an irgendetwas auf den Sand zu malen. So weit ist es jetzt also schon gekommen, dass ich hier sitze wie ein Häufchen Elend und irgendetwas in den Sand schreibe. Nur das Herz will mir nicht wirklich gelingen. Spinne ich eigentlich?! Schnell zertrampel ich das „Bild“ und verwische es noch zusätzlich. Ist doch dämlich jetzt hier Liebeskummer zu schieben. Das wird schon wieder. Ich sehe über den See, zeichne die Landschaft in den Sand, wobei es mir eher weniger gut gelingt. Aber versuch das mal im Sand. Ohne Kreide ist so etwas völlig unmöglich. Ohne Farben oder ähnliches kann man nun mal keine richtige Landschaft darstellen.

„Steven?“, höre ich Vince rufen und sehe auf. Wo ist er, ich kann ihn nicht sehen. Es ist einfach zu dunkel. Erst, als Vince näher kommt kann ich seine Umrisse erkennen. „Hey, sorry wegen eben. War dumm von mir. Also alles, die Idee und was danach passiert ist. Meine Schuld.“, nuschelt er und setzt sich neben mich in den Sand. „Schöne Aussicht.“ Ich nicke leicht. Was soll ich dazu noch sagen? Durch seinen sofortigen Themenwechsel entnehme ich, dass er gar nicht darüber reden will. Oder er möchte darüber reden, wenn er wieder nüchtern ist.„Wie viel hast du getrunken?“, frage ich nach. Vince sieht mich lächelnd an und zuckt mit den Schultern. „Mehr als du.“, stellt er fest. Ach was, wirklich? „Keine Ahnung, ein paar Gläser von ein paar Drinks. Weiß auch nicht, was da alles drin war.“ Vince besäuft sich und weiß nicht einmal mit was, na super.

„Was beschäftigt dich gerade?“, fragt Vince nach. Oh, will er jetzt Psychologe spielen?„Dass wir hier nie wieder wegkommen und elendig verhungern werden?“, frage ich nach.

„Ach was, hier ist ein Leuchtturm! Irgendwann muss ja auch mal ein Wärter kommen. Und um den Esel wird sich doch sicherlich auch gekümmert. Wir kommen hier schon wieder weg. Und sonst?“ Worauf will er hinaus? Was will er denn wissen? „Daran, dass wir uns ständig streiten und dann hoffe ich, dass wir es trotzdem immer wieder schaffen uns zu vertragen.“

Vince seufzt leise und streichelt mir über den Rücken. „Hey Kleiner.“, murmelt er mir ins Ohr. Er hat sich zu mir rüber gebeugt und lächelt mich jetzt an. „Ich werde dich nie wieder verlassen, ich verspreche es dir. Versprichst du es mir auch?“, fragt er nach. Ob er das auch sagen würde, wenn er nüchtern wäre? „Meinst du das ernst? Ich meine, du hast Alkohol im Blut und-“ Er drückt mir seine Lippen auf den Mund, sodass ich abbrechen muss und den Satz nicht zu Ende aussprechen kann. „Todernst.“, haucht er gegen meine Lippen und sieht mir in die Augen. Er lügt wirklich nicht.

„O-Ok. Versprochen.“, sage ich zögerlich. So etwas kann man doch eigentlich gar nicht versprechen, oder? Irgendwann gibt es doch immer ein Ende, das kann man nicht vermeiden. Aber ich will nicht schon wieder einen Streit anfangen. „Vince, ich hab dich lieb.“, murmele ich leise und strecke meine Arme aus. Er zieht mich näher zu sich heran und umarmt mich. „Ich dich auch.“ Und schon ist alles wieder gut. Haben wir eigentlich bisher irgendwann mal einen Streit so richtig besprochen, um uns zu vertragen? Vorhin das mit seiner Ex nicht, jetzt hat Vince sich zwar entschuldigt, aber wirklich geklärt haben wir es damit nicht. Ich glaube, dazu sind wir einfach nicht fähig, oder? Aber solange wir uns immer vertragen, kann mir das ja auch egal sein.„Also lass uns die Zeit jetzt nutzen, die wir hier zu zweit verbringen können. Alleine... ohne, dass uns jemand stört~“, haucht er mir ins Ohr und ich werde rot.

„Du denkst doch schon wieder nur an S-Se-Se..!“, meine ich verärgert. „Sex, mein Schatz. Nur ein wenig. Komm schon~“, murmelt er und drückt mich runter in den Sand. Es ist irgendwie unangenehm, wenn der Sand einem so am Körper klebt. Ich bin vom Wasser schließlich immer noch ein wenig nass. So schnell trocknet es nicht, auch wenn es hier nicht unbedingt kalt ist. Vince legt sich auf mich und drückt mir seine Lippen auf. Er schiebt seine Zunge nach vorne, leckt über meine Lippen und schließt grinsend seine Augen.

Besteht unsere Beziehung noch aus etwas anderem, außer Sex und Streitereien?

We'll fly (Zensiert)

Das adult Kapitel folgt als ein extra Buch.

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„V-Vince! Wir sind hier an einem Strand! Auch wenn das eine „einsame Insel“ ist, was ist, wenn jemand vorbeifährt mit dem Schiff? Oder wenn sie uns schon suchen?! Vince, hör auf damit!“, meine ich entsetzt und schiebe ihn von mir. Er sieht mich genervt an und schnappt nach meinen Händen, um sie festzuhalten. „Dann bieten wir ihnen eben eine gute Show, was spricht denn dagegen?“, fragt er schulterzuckend. Er beugt sich wieder runter und kommt meinem Gesicht so näher. Er leckt über meine Lippen und beißt leicht in meine Unterlippe. Ich werde rot und versuche mich ihm zu entziehen. Ist leider nur nicht so einfach, da unter mir der Boden ist und über mir er. Da er mich festhält kann ich ihn nicht einmal mehr wegschubsen.

„Lass das!“, keife ich ihn an. Ich habe jetzt keine Lust darauf, meine Güte! Ich hasse es, wenn er nur Sex will! „Hör doch mal auf, dich zu wehren. Du wehrst dich immer, dabei willst du es letztendlich doch. Und wenn du keine Lust hast, dann kitzel ich sie eben aus dir heraus.“, murmelt er, leckt über mein Kinn und küsst sich meinen Hals hinunter. „Du schmeckst nach Meerwasser.“, stellt er betrübt fest.

„Tut mir leid, dass ich mich vorher nicht duschen konnte!“, feixe ich, während ich immer noch wild mit den Beinen strampele. Ich will ihn nicht treten, er soll mich nur in Ruhe lassen, mehr nicht.

„Ach was, ist doch nicht schlimm.“, murmelt Vince und fährt mit seinen Lippen über meinen Hals und zu meiner Brust herunter. „Vince, hör doch mal auf damit! Ich habe keine Lust! Stopp jetzt! Aus!“ Ich versuche nun doch nach ihm zu treten, aber es klappt nicht. Ich treffe ihn zwar gegen seinen Oberschenkel, aber er ignoriert es einfach. Man, kann er sich nicht aufregen und abzischen? „Warum willst du schon wieder Sex?! Wir hatten erst!“ Vince seufzt und ignoriert meine Klage.

„Hör auf! Du bist doof! Du bist ein richtiger Egoist! Ich hasse das! Warum ignorierst du mich einfach?! Dich kümmert es doch einen Dreck, wie es mir geht! Du hast mir nicht einmal von deiner Ex erzählst und jetzt willst du wieder nur mit mir schlafen! Man, du bist doch echt das Letzte! Nie machst du das, was ich will und befummelst mich immer! Das ist doch keine Liebe, das ist-“ Ich sehe in Vince Augen und breche ab. Was ist denn jetzt? Er hat ja aufgehört. Das macht er doch sonst nicht? Oder habe ich gerade etwas schlimmes gesagt? „Das ist was?“, fragt er nach und ich merke, dass er sich beherrschen muss. „Das..ist..“ Ich weiß gar nicht mehr, was ich gerade sagen wollte.

„Was hat Fiona damit zu tun?! Du kennst sie doch gar nicht! Halt sie daraus und hör auf so eifersüchtig auf sie zu sein! Ich war halt mal mit ihr zusammen, das ist meine Vergangenheit, Steven! Die geht dich nichts an, ok?!“ Ich atme zischend an und presse meine Lippen fest zusammen. „Und stell dir vor, ich hatte mit ihr Sex! Sogar mein erstes Mal, cool nicht wahr? Du bist nämlich nicht der Erste, mit dem ich schlafe! Ich gehöre nicht nur dir, hast du so etwas ähnliches nicht auch mal gesagt? Ich habe auch Freunde, Steven! Und mir ist es egal, was du von ihnen hältst! Ich halte zu ihnen und falle ihnen sicherlich nicht in den Rücken! Und Fiona hat mit unserer Beziehung und unseren Streitereien doch wirklich nichts zu tun! Also hör auf, so abfällig über sie zu reden!“

Warum beschützt er sie? Warum verteidigt er sie jetzt? Als hätte er noch Gefühle für sie, oder nicht? Von wegen nur Freunde! Aber ich werde jetzt sicherlich nicht heulen! „Warst du in eurer Beziehung auch so idiotisch drauf? So gemein und egoistisch?!“, frage ich und sehe ihn abwartend an. „Ich verhalte mich in jeder Beziehung anders, Steven. Bei ihr war ich auch anders, aber sie ist auch ein Mädchen. Außerdem ist das zwei Jahre her! Ich war fast sechzehn! Jetzt bin ich achtzehn, was erwartest du denn von mir? Dass ich so bleibe, wie ich war? Jeder verändert sich irgendwann, Steven. Und du solltest dich auch noch etwas ändern und reifer werden. Du wirst bald siebzehn und verhältst dich immer noch so kindisch, wie vorher! Außerdem bin ich ja wohl nicht der egoistische hier! Dafür musst du dir erst mal an die eigene Nase fassen! Ich mache mir Sorgen um dich, kümmere mich um dich, mache das was du willst, halte mich zurück und stelle meine Wünsche hinten an! Ist dir das eigentlich mal aufgefallen?! Und da darf ich dich nicht einmal mehr ein wenig befummeln und dich küssen?! Ich glaube bei dir hackts! Ich habe auf so einen Scheiß echt keinen Bock! Ich habe das alles nur für dich gemacht! Diesen doofen Flug, der übrigens alles andere als schön war, dann das hier, was halt nach hinten losgegangen ist, na und?! Passiert auch mal! Unsere Dates, die Sachen, die ich dir gekauft habe! Was glaubst du denn, warum ich das machen?! Um dich ins Bett zu bekommen, oder was?! Wenn ich nur eine Sexfreundschaft haben wollen würde, dann würde ich mich doch anders verhalten und hätte eine Beziehung abgelehnt!“, schreit er mich an und meine Augen werden groß. Jetzt wo er es sagt...

Irgendwie ist mir das bisher nicht richtig aufgefallen. Immer wenn ich etwa haben will, kauft er es mir und wenn ich meine Ruhe haben will, dann lässt er niemanden zu mir. Oder er kümmert sich um mich, wenn es mir nicht gut geht. Ich sehe Vince stumm an und weiß gar nicht, was ich sagen soll. Mich entschuldigen? Aber ich habe ja nicht böses getan, irgendwie war es ja zum Teil trotzdem die Wahrheit.

„Ich..“ Mir fehlen einfach die Worte. „Ach, plötzlich so kleinlaut, ja? Hast du jetzt mal kapiert, was ich alles mache für dich? Und jetzt überlege mal, was du bisher so für mich getan hast!“

Die Frage ist leicht zu beantworten: Nichts! Ich weiche Vince' Blick aus und knabbere auf meiner Unterlippe herum. Was jetzt? Ich sollte mich wirklich mehr nach ihm richten. „Tut mir leid, das war dumm von mir. Ich habe das irgendwie nie richtig realisiert, glaube ich. Sorry. Ich werde versuchen, dir auch mal eine Freude zu machen.“, murmele ich. Was heißt hier versuchen? Ich werde es machen, ganz einfach! Vince seufzt wieder auf. „Du weißt gar nicht, wie glücklich du mich jeden Tag machst. Das reicht mir.“ Er nimmt mich in den Arm und drückt mich an sich. Der Sand an meinem Rücken kratzt unangenehm, aber ich sage nichts. Ich erwidere die Umarmung nur und schließe meine Augen.

Vince drückt mich zurück in den Sand und sieht mich kurz zögernd an. „Darf ich jetzt?“, fragt er nach. „Darf ich dich küssen?“

„Seit wann fragst du denn?“, murmele ich nur, nehme sein Gesicht in beide Hände und ziehe ihn weiter zu mir. Ich küsse ihn und schließe genießerisch meine Augen. Es ist ja nicht so, dass ich es hassen würde, aber ich mag es nicht, wenn er mich überfällt. Vince streicht mir durch die Haare und fährt langsam mit seiner Hand weiter hinunter, in meinen Nacken und krault mich leicht. Seine Hand fährt weiter über meinen Rücken und macht keinen Halt. Ich keuche leise gegen seine Lippen, als ich seine Hand an meinem Hintern spüre. Er hebt mich leicht hoch und zieht mich auf seinen Schoß. Ich lasse es zu. Wir lösen den Kuss wieder und er lächelt leicht zu mir auf. „Weißt du eigentlich, dass du echt hübsch bist?“, fragt er mich. Irgendwie ist das komisch, wenn er so nett zu mir ist. Als hätte er etwas verbrochen und möchte sich nun entschuldigen, wobei er nicht weiß wie. Trotzdem gefällt mir das Kompliment. „Danke. Du auch.“, kichere ich leise. Vince erwidert mein Lächeln und kuschelt sich an mich. „Ich war auf Entzug.“, murrt er plötzlich.

„Entzug? Was für ein Entzug?“ Ich verstehe nicht, was er meint? Er raucht doch gar nicht und Drogen nimmt er auch nicht. Er trinkt zwar ab und an Alkohol, aber er ist auch kein Alkoholiker. Was also meint er mit „Entzug“?

„Ich verzehre mich nach dir und musste seit Tagen Abstand nehmen, weißt du, wie anstrengend das war?!“ Ich werde augenblicklich rot. Muss er so peinliche Sachen sagen?!

„A-Aber wir hatten doch..erst..also..gestern Nacht!“, sage ich entsetzt. „Und ich will schon wieder.“, murmelt er, ehe er in meinen Hals beißt. Nicht schon wieder! Das gibt es doch gar nicht. Natürlich will ich mit ihm schlafen, aber nicht hier und nicht so. Wir haben doch nicht einmal irgendetwas dabei. Kondome oder so. Das wäre doch mehr als schmerzhaft für mich!

„Ich will dich, Steven Fallon.“, schnurrt er. Oh man, wenn er meinen Nachnamen sagt, dann meint er es ernst. Wirklich ernst! Also ich meine nicht nur ernst, sondern richtig richtig ernst! Unsicher beiße ich mir auf die Lippe. „W-Wir haben doch..gar nichts hier.“, murmele ich leise. „Ich hab keine Krankheiten, hab mich erst testen lassen.“ Hatte er so etwas etwa geplant?! Oder er wollte einfach wissen, ob er gesund ist, falls mal so ein Moment eintritt?

„Wann genau?“, will ich wissen. Ein Test von vor drei Monaten würde doch nichts bringen, oder? „Vor zwei Wochen.“ Ich staune nicht schlecht. Warum weiß ich das nicht? Wann hat er das denn gemacht? Moment, ich will das doch gar nicht so genau wissen! „Da warst du mit Viola unterwegs.“ Ach, kein Wunder. Was Vince wohl noch so macht, wenn ich unterwegs bin? Nein, das werde ich nicht fragen, die meisten Sachen kann ich mir denken und vieles davon wäre nicht mal Jugendfrei!

„Darf ich dich...“, murmelt er leise. Meine Gesichtsfarbe wird langsam dunkelrot, das kann doch gar nicht gesund sein. Ansonsten macht Vince immer das, was er will und jetzt fragt er plötzlich? So hatte ich das gar nicht gemeint vorhin. Also schon irgendwie, aber ich merke, dass es mir so noch weitaus unangenehmer ist. „Äh..“ Na toll Steven, das hast du dir eingebrockt, also musst du die Suppe jetzt auch auslöffeln. „Vince, ich..“ Sein Atem streift meine nackte Brust. Da fragt er, ob er darf und hat eh schon angefangen! „Also..“ Komm schon Steven, jetzt sag was! Man, Vince kann einem manchmal echt leid tun, wenn ich mich selber mal so beobachte. „I-Ich weiß nicht..was ich..sagen soll.“, murmele ich leise. Vince löst sich netterweise von meiner Brust und sieht mir direkt in die Augen. „Einfach nur „ja“ oder „nein“, mehr nicht.“ Wie soll ich denn jetzt verneinen? Ich möchte ihm doch nicht weh tun, habe ich doch schon genug bisher. Erneut knabbere ich unsicher auf meinen Lippen. Vince streicht mit seinem Finger leicht darüber und ich öffne automatisch ein wenig den Mund. Er kommt näher, aber küsst mich nicht richtig. Er wartet meine Antwort ab. Ich muss schlucken.

„Ja.“ Dass ich das über die Lippen gebracht habe, schon erstaunlich. „Ja, du darfst.“ Ich lege ihm meine Arme um den Nacken und überbrücke die letzten paar Millimeter. Habe ich schon mal gesagt, wie perfekt unsere Lippen aufeinander passen? Vince fährt mit seinen Händen fahrig über meinen Rücken und ich verspanne mich leicht. Einfach so am Strand? Ok, es ist Nacht und es wird sicherlich niemand mehr vorbeikommen, aber sicher sein können wir uns darüber doch auch nicht!

„Entspann dich, oder hast du Angst? Ist doch nicht unser erstes Mal?“, fragt Vince leise gegen meine Lippen, nachdem er den Kuss wieder gelöst hat. Schnell schüttele ich den Kopf. „E-Es ist nur komisch..so im Freien und so..“, gebe ich zu.

„Jetzt bist du wieder so wie damals.“ Er lächelt mich an. Was meint er denn nun schon wieder? „Weißt du noch, das Gewitter? Als wir uns gerade erst kennen gelernt haben. Da warst du auch so niedlich. Das ging mit der Zeit verloren.“ Oh, wirklich? Habe ich mich so geändert? Habe ich gar nicht mitbekommen. Vince hat sich nicht geändert, also bin ich es doch eigentlich, der Schuld daran hat, wenn wir uns streiten oder so etwas. Wenn ich mich geändert habe, dann natürlich auch unsere Beziehung. „Ich mochte den schüchternen Steven. Und der, der immer Angst hatte, dass ich über ihn herfalle und der mich von sich fernhalten wollte, weil es ihm unangenehm war, in der Öffentlichkeit mit mir zu küssen oder ähnliches.“

Ist das jetzt etwas schlechtes? Habe ich mich für ihn zum Schlechteren verändert? „Aber ich bin doch noch ich?“, frage ich zögerlich. „Ich liebe dich immer noch und ich mag es genauso wie früher, wenn wir uns küssen. Ich bin nur etwas mutiger geworden.“, erkläre ich hastig. Vince lächelt. „Ich weiß, ich habe nicht gesagt, dass es mir nicht gefällt. Ich wollte nur gesagt haben, dass ich dich auch schon früher geliebt habe.“ Aber das weiß ich doch? Ich verstehe sein Problem nicht? Denkt er, ich wüsste das nicht? Dass ich deshalb so unsicher bin? Aber dann würde ich doch so etwas hier nicht mit ihm machen. Und überhaupt nicht so viel, wie jetzt.

„Vince? Ich weiß, dass du mich liebst. Ich liebe dich auch, ok? Mach dir keine Sorgen.“ Ich lehne meine Stirn an seine und seufze leise. „Außerdem bist du gerade echt komisch. Ist was passiert? Oder geht es dir nicht gut? Hast du doch zu viel Alkohol getrunken?“ Ich lache leicht, Vince grinst nur. „Hast recht, lass uns endlich anfangen.“ Er streckt mir die Zunge heraus und leckt dann sogleich über meine Brust. Er beißt in meine Brustwarzen und ich keuche auf. „Das magst du, oder?“, fragt er leise nach. „Wenn ich sie mit dem Mund umspiele. Mehr, als mit den Fingern.“ Ich sehe zur Seite und beiße mir auf die Zunge. „L-Lass ..das..“, keuche ich. „Wieso? Darf ich so etwas nicht sagen?“, fragt er nach. „Es entspricht doch nur der Wahrheit.“ Er leckt über meine Brustwarzen und saugt leicht daran. Es ist erregend und ich schließe genießerisch die Augen. Sein Hand fährt weiter nach vorne, streicht über meine Bauch und bleibt dort einen Moment liegen. Sie rutscht langsam weiter nach unten, zieht an meiner Boxershorts und ich muss leise stöhnen. [...] 

Müde öffne ich meine Augen und sehe mich um. „Morgen Schatz, auch schon wach?“, stellt Vince amüsant fest. Ich stütze mich auf und lehne mich an ihn, ehe ich leicht nicke. Bin ich wohl wieder eingeschlafen. Ich muss niesen und zittere leicht. „Wo sind die Sachen?“, frage ich erschöpft nach. „Unsere Boxershorts? Weg.“, meint Vince nachdenklich. „Ich glaube Esel hat sie geklaut.“ Schön, dass ihn das so amüsiert.

„Wie bitte, was?!“, frage ich entsetzt nach. „Mir ist kalt, ich will jetzt irgendwelche Klamotten haben!“ Erneut muss ich niesen und schniefe. Toll und jetzt habe ich mir auch noch eine Grippe eingefangen. Vince umarmt mich und drückt mich wärmend an sich. „Er hat sie die Klippe runterfallen lassen.“ Die Geschichte wird ja immer besser!

„Und wieso hast du ihn nicht aufgehalten?!“, will ich gereizt wissen und niese. Kann meine Nase mal aufhören, mich zu mobben?! „Ich habs erst zu spät gesehen. Außerdem wollte ich dich hier nicht alleine lassen.“ Er schmollt leicht und küsst meine Stirn. „Du musst ins Bett, Kleiner. Du bist ganz warm. Ich glaube du hast Fieber.“ Oh, was für ein schlaues Köpfchen. Mir geht es auch nicht gerade bestens! Ich huste und schließe meine Augen wieder. Wir bleiben eine Weile so sitzen, bis Vince sich leicht regt und sich streckt. „Da kommt jemand.“, sagt er und starrt auf den See. Ich sehe sofort auf. „Was?“ Jetzt kann ich das Boot auch sehen, was auf uns zu schwimmt und Viola, die vorne steht und uns etwas zuruft und winkt. Ich könnte heulen vor Glück! Endlich! Ich will hier weg und ins Bett und schlafen! Erfreut lächele ich und hebe leicht die Hand.

Als das Boot hält, springt Viola ins Wasser und läuft auf uns zu. Sie scheint es nicht zu stören, dass sie bis zu den Knien nass ist. „Oh, was für ein Anblick! Könnte man glatt ein Aktbild draus machen.“ Sie lacht auf und ich drücke mich verlegen an Vince, in der Hoffnung, dass man nichts sehen kann. Ich habe meine Beine etwas angewinkelt und versuche mein bestes Stück so zu verdecken. Alles nur Vince' Schuld!

Ich nehme dankend das Handtuch entgegen und kuschele mich darin ein. Es wärmt leider nur ein wenig, aber besser als gar nichts. Viola hilft uns auf und bringt uns lachend zum Schiff. „Steve, du siehst so gar nicht gut aus. Du solltest erst mal warm duschen. Und Vince sollte noch etwas schlafen, bevor wir abreisen.“ Sie hilft uns auf das Boot und wir fahren zurück zur Insel. Na das war mal eine abenteuerliche Abschlussfeier!

Epilog: The sky is the limit

 

Wir kommen in der Herberge an und ich friere mir den Arsch ab. Mein Niesen wird nicht weniger, aber dafür überkommen mich immer kurzzeitig Schwindelgefühle. So ein Abenteuer werde ich nie wieder mitmachen! Wie schrecklich war das?! Noch immer in mein Handtuch gekuschelt gehe ich in die Herberge und ignoriere die Blicke der kichernden Mädchen. Stattdessen gehe ich direkt auf die Duschen zu. Ich höre, dass Vince mir schnellen Schrittes folgt und ebenfalls die Duschen betritt, noch bevor die Tür wieder zugefallen ist. Ich nehme das Handtuch von meinen Schultern und hänge es auf. Dann gehe ich zitternd unter eine der Duschen. Ich drehe das Wasser warm auf und stelle mich sofort darunter. Ich schließe die Augen und seufze leise. Ich könnte den ganzen Tag unter dieser Dusche verbringen.

Ich sehe Vince' Arme und wie sie sich langsam um meinen Bauch legen. „Wie geht es dir?“, fragt er mich leise. Ich glaube Vince ist auch mehr müde als lebendig. „Geht so.“, murre ich und niese. „Ich bin krank. Und jetzt rate mal, wer Schuld daran ist!“, murre ich. „Dein Immunabwehrsystem?“, fragt er und lacht leicht. „Sorry, kommt nicht mehr vor...“ Ja klar, als ob. Das sagt er doch immer und dann macht er wieder irgendeinen Müll. Vince lehnt sich an mich und schließt die Augen. Ich drehe meinen Kopf leicht zu ihm und verziehe mein Gesicht. „Penn' jetzt nicht ein.“, murre ich leise. Dann würde er mir definitiv zu schwer werden. Ich halte ihn fest und streiche leicht über seinen Rücken. Als die Dusche ausgeht, habe ich Mühe, sie wieder anzubekommen. Ich schaffe es kaum, ihn nur mit einer Hand festzuhalten und lehne mich an die Wand. „Vince! Du bist schwer.“, keuche ich und spüre seinen nackten Körper an meinem. Ok, das ist schlecht, wirklich schlecht!

Ich keuche leise auf und beiße mir schnell auf die Lippe. Schläft der Kerl wirklich? Er atmet ganz ruhig und hat die Augen geschlossen. Er bewegt sich kein Stück. Toll und mich macht das auch noch an?! Ich versuche Vince leicht von mir zu schieben, merke aber, dass er dabei nur zur Seite kippt und halte ihn schnell fest. „V-Vince?“, frage ich leise. Klar, so kann ich ihn sicherlich nicht wecken. Aber ich will ihn schlafen lassen, er sieht so niedlich dabei aus. Und er hat den Schlaf auch voll verdient. Er hat seit zwei Tagen nicht mehr richtig geschlafen!

Langsam zieht es in meiner Lendengegend. Ich muss an etwas anderes denken! Vielleicht an den Streit, am Strand? Aber dann werde ich ja wieder sauer. Aber wenigstens bekomme ich dann keinen Ständer! Irgendwie gleitet mein Gedanke eher zu unserer Versöhnung und damit auch zu unserem Sex. Oh man, was ist heute nur los mit mir? Ich bin doch nicht mehr normal! „Vince!“, sage ich jetzt etwas lauter, aber ihn scheint es nicht zu stören. Klar, wer unter einer Dusche einschläft, würde auch von lautem Gebrüll nicht wach werden. Als Vince sich etwas bewegt und seinen Kopf zu mir dreht, spüre ich seinen Atem an meiner nassen Haut. Ich lehne mich zurück und schließe die Augen. Angestrengt versuche ich, an etwas anderes zu denken, an eine Blumenwiese, oder Welpen. Ja, Welpen sind eine gute Idee! Wie wäre es mit Fifi? Nein, der stört uns immer. Außerdem ist der ja kein Welpe mehr. Jevan leider auch nicht. Der ist inzwischen groß geworden.

Ich keuche leise auf. Na toll, jetzt regt sich da unten doch etwas. Aber wieso? Nur weil Vince so nahe bei mir steht und mich da leicht berührt? Weil sein Atem mich streift und ich immer wieder an unseren Sex denken muss? Ja, das werden wohl die Gründe dafür sein. Und nun? Jetzt habe ich eine Latte und Vince schläft, super! Ich beiße mir auf die Lippe und streiche durch Vince' Haar. „V-Vince, wach auf..“, murmele ich und atme hörbar aus. „Vince, ich kann..nicht..“ Wie soll ich ihn denn so noch festhalten? Meine Beine fühlen sich an wie Wackelpudding! Vielleicht schaffe ich es ja, ihn langsam auf den Boden zu setzen? Ich versuche es zumindest, während ich mich ebenso nicht mehr auf den Beinen halten kann. Zum Glück schaffe ich es, ohne irgendwelchen dramatischen Folgen und ohne Platzwunden an den Köpfen. Ich lehne Vince einfach an die Wand und lasse ihn so weiterschlafen. Er rutscht leicht zur Seite und gegen mich, aber das ist mir jetzt auch egal. Inzwischen tut es nämlich weh und beginnt Druck zu machen. Kann ich mir jetzt hier einfach einen runterholen? Oh Gott, wie peinlich! Was ist, wenn Vince nebenher aufwacht? Dann fällt er nur wieder über mich her oder er macht sich über mich lustig und will mir zusehen!

Mir fällt ein, dass ich ihm auch einmal dabei zugesehen habe. Das war noch früher, bevor wir nicht zusammen waren. In seinem Zimmer und ich konnte mich kein Stück wegbewegen. Ich wollte damals nur im Erdboden versinken und nie wieder auftauchen! Und jetzt ist es fast genau anders herum?

Ich streiche leicht mit meiner Hand über meinen Bauch nach unten und presse meine Lippen zusammen. Nicht, dass ich jetzt anfange hier laut herumzustöhnen und jemand die Duschen betritt. Wobei das dann auch egal wäre. Ob die mich nun hören oder sehen, macht keinen großen Unterschied.

Als ich mein Glied berühre keuche ich unterdrückt auf. Oh Gott, tut das gut. Ich lege meinen Kopf in den Nacken und lecke mir über die trockenen Lippen. Es ist ehrlich gesagt das erste Mal, dass ich mir wegen Vince einen runterhole. Ich glaube ich hab mir vorher noch nie einen runter geholt. Oh man, ist das erbärmlich! Da hat man schon mal einen Freund und trotzdem muss man zu solchen Mitteln greifen. Obwohl ich gar nicht wissen will, wie oft Vince das schon gemacht hat.

Stöhnend fahre ich mit meiner Hand auf und ab und streiche ab und an über meine Spitze, so wie Vince es sonst immer macht. Nebenher denke ich daran, wie er gestern über mich hergefallen ist.

Ich fühle mich alles andere als gut dabei, aber was soll ich denn machen? Ich reagiere nun mal auch so, wie ein Mann manchmal reagiert, wenn er nackt zusammen mit seinem Partner duscht! Ich stöhne auf und beiße mir in den Finger. Wehe, Vince wacht jetzt auf! Oder jemand läuft gerade an den Duschen vorbei. Überfordert mit der Situation schiele ich kurz zu Vince. Wie soll ich mir das Stöhnen denn so sehr unterdrücken und es gleichzeitig so genießen, dass ich kommen kann? Unmöglich aus meiner Sicht heraus! Und schrecklich anstrengend. „Vince..“, murmele ich leise und lehne meinen Kopf an die Wand. Er ist so niedlich, wenn er schläft. Oh mein Gott, habe ich das gerade wirklich gedacht?! Vince und niedlich? Wenn er schläft?! Nie und nimmer! Mir scheint es wohl echt nicht gut zu gehen mit meinem Fieber und Schnupfen. Ja, das ist sicher nur ein Fieberwahn! Ich werfe Vince einen Blick zu und meine Bewegung wird schneller. Kurz darauf spritze ich glücklicherweise ab, wobei ich an mich halten muss, um nicht zu laut zu werden. Erleichtert bleibe ich sitzen und lasse mich vom Wasser der Dusche säubern. Habe ich ja nochmal Glück gehabt, dass ich dabei nicht erwischt wurde. Waren inzwischen ja auch nun wirklich genug Unannehmlichkeiten in dieser Herberge. Ich stehe auf, halte Vince aber fest, damit er nicht auf die Fliesen aufschlägt und schüttele nun seine Schulter. „Vince, wach auf! Du kannst nicht unter der Dusche schlafen!“, meine ich und er murrt leise. Er lehnt sich wieder nach hinten gegen die Wand, sodass ich ihn loslassen kann. „Vincent Torn, steh auf!“, murre ich und streiche ihm durchs Haar. „Bin so müde..“, murmelt er und hält meine Hand fest. Er küsst sie leicht, aber ich zucke nur mit den Schultern. „Musst du halt auf dem Weg nach Hause schlafen.“, schlage ich ihm vor und greife unter seine Arme, um ihn hochzuziehen. Der Typ ist schwerer, als er aussieht!

Mühsam lässt Vince sich aufhelfen und sieht mich müde an. Er legt mir die Arme um und lehnt sich wieder an mich. Ich stolpere leicht zurück und schiebe ihn von mir. „Du bist zu schwer, ich kann dich nicht festhalten!“, erkläre ich ihm und schiebe ihn wieder unter das Wasser. Dann greife ich nach dem Duschzeug und reibe ihn damit ein. „Alles muss man selber machen.“, meckere ich und wasche uns wieder ab.

Nachdem wir uns angezogen haben geht es endlich ab zum Bus. Wir packen unsere Sachen zusammen und diesmal darf Vince auch mit uns mitfliegen. Es wird ein anstrengender Flug, wenn es so weiter geht, habe ich das Gefühl und bin daher mehr als zufrieden, als wir auf unserem Flughafen landen. Ich verlasse das Flugzeug und gehe in der Halle auf meinen Vater zu, um ihn zu umarmen. Vince trottet nur müde hinterher. „Hey.“, murmelt er und sieht total fertig aus.

„Na los Jungs, lasst uns nach Hause gehen. Ihr müsst unbedingt erzählen, was alles passiert ist!“

Impressum

Texte: S. Wendler
Bildmaterialien: Google
Lektorat: S. Wendler
Tag der Veröffentlichung: 14.02.2013

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