Diese Story ist derzeit inaktiv.
Gerade, als ich zu Shane zurückkehre und mich zu ihm auf die Bank fallen lasse, während ich meine Cola schlürfe, höre ich seine stimme zum ersten Mal. Er ist ein paar Meter von uns entfernt und zupft auf seiner Gitarre herum. „Hey, Shane! Kennst du den Typen?“, frage ich nun neugierig und wende meinen Kopf leicht zu meinem besten Freund herüber. Dieser schüttelt den Kopf und sagt: „Nee, Kleiner. Den sehe ich hier zum ersten Mal.“ Wir leben in einer Kleinstadt, in der sich so gut wie jeder vom Sehen her kennt. Aber Gitarren-Boy ist mir zum ersten Mal über den Weg gelaufen.
Als ich meine Cola Shane überreiche, fängt der Junge an zu singen.
„Loving you is killing me.
When you know it should be thrilling me~
Loving you is chocking me slowly
when I'm with you I still feel real lowly!“
Dafür, dass er nur ein paar Akkorde für den Song verwendet, ist seine Stimme um so schöner. „Komm Shane! Lass uns mal rüber gehen!“, sage ich erfreut. Shane schüttelt jedoch nur den Kopf und meint: „Ich stelle mich jetzt nicht wie diese Girlies dahin, nur um 'nem Fremden beim Gitarre spielen zu zuhören, Finny.“ Doch ich bin schon aufgestanden und losgelaufen. Ich reihe mich in den kleinen Kreis ein, der sich vor dem Gitarrenspieler gebildet hat. Ich war von Anfang an hin und weg von ihm, und wo ich ihn jetzt so aus der Nähe sehe, mit seinen strahlenden dunklen Augen und dem über sein rechtes Auge fallendem Haar, habe ich mich sofort verliebt.
Er sieht geradewegs in meine Richtung und lächelt. Mein Herz macht einen Freudensprung und es scheint mir, als würde der Junge nur noch für mich singen.
„I never knew you'd be so evil
How did you get to be so evil, yeah!
Now you telling me, that I'm bad to you
You don't know what your talking 'bout, boy!
Hear me when I say
You can't just do whatever you want, boy!“
Er spielt die letzten Akkorde und lässt die Gitarre ausklingen. Alle applaudieren und rufen laut nach einer Zugabe. Ich lächele und klatsche leicht Beifall. Als der Gitarren-Boy den Kopf schüttelt, löst sich der Kreis langsam, bis nur noch ich mit ihm im Gras sitze.
„Du...bist erstaunlich gut.“, bringe ich schief grinsend heraus. Er geht glücklicherweise darauf ein und meint: „Und du bist erstaunlich niedlich. Hey, mein Name ist Noel. Freut mich!“
Ich werde leicht rot, nicke und sage: „Finny, eigentlich Fin. Aber du kannst mich ruhig Finny nennen.“ Er greift nach meiner Hand und zwinkert mir zu. „Ein süßer Name.“
Ich setze mich neben ihn und starre auf seine Gitarre. „Wie lange spielst du schon, Noel?“
Er lächelt leicht und meint: „Seit knapp 10 Jahren. Ich spiele in na Band.“
Überwältigt von der Tatsache, dass ich mit einem schon bald berühmten Sänger und Gitarristen im Gras sitze, strahle ich vor mich hin. „Willst du der Sonne Konkurrenz machen?“, fragt Noel lachend und ich falle in das Lachen mit ein.
„Tut mir Leid.“, meine ich und streiche mir die Tränen aus den Augen. „Ich habe nur gerade an etwas Schönes gedacht.“ Ich schaue kurz zur Bank hinüber und winke Shane zu. Dieser steht mürrisch auf und bringt mir meine Cola zurück. „Hier! Ich gehe!“
Perplex schaue ich ihn an. „Was? Nein, warte doch mal! Was ist denn mit dir los?“ Shane schaut zu mir, dann zu Noel. Ich seufze, stehe auf und stelle mich ihm direkt gegenüber.
„Du bist ganz schön unhöflich, mein Lieber!“, stutze ich ihn zurecht. Dann deute ich auf Noel und meine: „Das ist Noel. Noel, das ist Shane. Er ist mein bester Freund.“
Noel springt auf und nimmt Shane in den Arm. „Freut mich sehr, Shane.“, flüstert er ihm ins Ohr. Dann lässt er von dem angewurzelten Shane los und setzt sich strahlend wieder.
„Kennen wir uns schon?“, knurrt dieser sofort und blickt genervt auf Noel herunter. „Nein, nicht das ich wüsste.“, sagt dieser grinsend und muss erneut einen bösen Blick einstecken. „Was gibt dir dann das Recht dazu, mich zu umarmen?“
Noel tut so, als würde er angestrengt überlegen. Dann meint er wie ein Engelchen: „Ich habe es mir erlaubt.“
Ich möchte eine weitere Diskussion vermeiden, also schnappe ich mir meine Cola aus Shanes Hand, während ich mich auf die Zehnspitzen stelle, um ihm zuflüstern zu können. „Bleib bitte noch. Mir zu liebe.“
Er seufzt auf und lässt sich ins Gras fallen. Ich grinse triumphierend und lasse mich ebenfalls zu Boden sinken. „Tretet ihr eigentlich auch auf, Noel?“
„Ja....übermorgen ist unser nächstes Konzert. Ich habe gerade nur ein wenig geübt...das war leider noch nicht so gut.“, murmelt er und ich schüttele den Kopf. „Nein! Das war wunderschön! Das geht doch schon gar nicht mehr besser!“ Ich habe mich ein wenig zu ihm gebeugt und lasse mich jetzt nach hinten ins Gras fallen. „Sorry, ich bin manchmal ein wenig voreilig.“ Noel lacht auf und fängt dann an, von berühmten Gitarristen zu schwärmen und von den besten Sängern der Welt. Währenddessen hat Shane sich näher zu mir gesetzt und seinen Kopf auf meinen Schoß fallen lassen. Es stört mich herzlich wenig, da es ja nicht das erste Mal ist, dass er so etwas tut. Ich streiche lächelnd durch seine Haare und höre gespannt Noels Erzählungen zu. Inzwischen hat er angefangen die Geschichte seiner Band preiszugeben. Ich finde es erstaunlich, dass man mit 21 Jahren schon so viel erleben kann.
„Wie lange seid ihr eigentlich schon zusammen?“, fragt Noel uns da plötzlich und beobachtet das Geschehen. Ich stutze. Irgendwie kommt es bei mir nicht so richtig an und ich realisiere erst, was Noel gefragt hat, als Shane sich aufrichtet und grummelt. Gerade, als er etwas sagen will, falle ich ihm ins Wort. „Gar nicht! Wir...wir sind nicht zusammen! Wir sind nur sehr gute Freunde und kennen uns schon ewig!“ Ich sehe hastig zu Noel, dann zu Shane. Dieser hat seinen Blick abgewendet und sich eine Zigarette angesteckt. Sein Markenzeichen. Noel lächelt verhalten und meint dann lachend: „Ist ja gut. Nicht so eilig, sonst versteht man ja nichts mehr.“
Ich sehe beschämt zur Seite und dann wieder zurück zu Shane. „Man! Du weißt doch, was ich davon halte!“, rufe ich genervt und nehme ihm seine Zigarette einfach aus dem Mund. Er sieht mich wütend an und will sie sich zurückholen, aber ich halte sie weg und lasse sie fallen. Er grummelt und schnappt nach seiner Packung, um sich schon wieder eine neue anzustecken. „Sag mal...heute geht’s dir mies oder?“, frage ich zischelnd und schnappe nach der Packung. Als ich einen bösen Blick von Shane zugeworfen bekomme, weiche ich erschrocken zurück. Er war bisher noch nie so sauer – jedenfalls nicht auf mich und darüber bin ich eigentlich auch froh. Aber jetzt ist er plötzlich wie ausgewechselt. Er steht auf und verzieht sich, ohne noch ein Wort zu sagen. „Warte!“, rufe ich noch hinterher, aber er ist schon verschwunden.
Noel grinst mich an und meint dann: „Schade. Ich mag ihn. Warum ist er denn jetzt gegangen? So schlimm war es doch gar nicht!“ Mit gespielter Traurigkeit in der Stimme schaut er besorgt drein. „Sag mal....ist er denn noch Single?“, fragt er mich dann einfach. Ich sehe ihn an und überlege kurz. „Theoretisch, ja. Wieso?“ „Nur theoretisch? Mh.... Lass mich raten! Er schleppt jeden Tag 'ne neue ab.“ Ich nicke leicht und sehe ihn noch immer fragend an.
„Interessant..“, murmelt er und grinst. „Hatte er auch schon mal etwas mit einem Jungen?“ Ich sehe ihn perplex an und schüttele energisch den Kopf. „Shane würde nie etwas mit einem Jungen anfangen!“ „Da bin ich mir nicht so sicher..“, murmelt Noel und ich sehe ihn verständnislos an. „Hast du das etwa noch nicht bemerkt?“, lacht er und staunt. „Der Typ fährt volle Kanne auf dich ab!“ Ich werde rot und reiße meinen Augen auf. Dann stehe ich schnell auf, klopfe mir ein wenig Gras von der Hose und sage hastig: „Ich muss jetzt gehen. Bis Übermorgen!“ Und schon bin ich verschwunden.
In meinem Kopf rattert es. Shane soll in mich verknallt sein? Wie kommt Noel darauf? Ich kralle meine Hände in meine Haare und bin kurz davor sie mir auszureißen. Als ich bei unserem Wohnheim ankomme, atme ich einmal tief durch. Innerlich hoffe ich, dass Shane mir jetzt nicht über den Weg läuft, was schwer werden dürfte, denn er wohnt direkt im Zimmer neben mir. Ich setze ein lächeln auf und gehe rein. „Hey, Finny! Alles okay bei dir? Shane kam vorhin ziemlich wütend wieder zurück...Habt ihr euch gestritten?“ Es ist Sophie, die besorgt auf mich zukommt und mich in den Arm nimmt. Ich schüttele den Kopf. „Nicht wirklich. Wir hatten eine Meinungsverschiedenheit könnte man sagen.“ Sophie tätschelt mir die Schulter und lächelt mich aufmunternd an. „Er ist in seinem Zimmer und mault. Er lässt niemanden rein. Vielleicht könnt ihr das ja klären?“ Ich nicke leicht und verschwinde im Flur. Vor Shane's Tür bleibe ich stehen. Ich schlucke und hebe meine Hand zum klopfen. „Sh-shane? Ich bin's. Kann ich reinkommen?“ Ich lausche, höre aber nichts, also drücke ich die Klinke runter. Die Tür ist verschlossen. Ich schüttele genervt den Kopf und gehe in mein Zimmer. Dort ist eine Verbindungstür zum Nebenzimmer. Anfangs hat es mich ziemlich gestört, aber inzwischen sind Shane und ich ja gute Freunde. Also mache ich kurzerhand die Verbindungstür auf und trete ein. Shane liegt auf seinem Bett zusammengerollt unter der Decke und mault. „Was willst du?“, fragt er mich unfreundlich. Ich gehe leise auf sein Bett zu und werfe mich auf ihn. Er schnappt nach Luft, kommt aber nicht unter der Decke hervor. „Los...steh auf! Hör auf zu schmollen!“ Ich kitzel ihn und er kann sich ein kichern nicht verkneifen. Dann lugt er hervor und blinzelt mich an. Ich lächle leicht und wuschel durch seine schwarzen Haare. „Was ist denn? Warum warst du plötzlich weg?“, frage ich besorgt und lege meinen Kopf schief. Er macht den Mund auf, um etwas zu sagen, schließt ihn dann aber wieder. „Ich mag Noel nicht!“, ist seine Rechtfertigung und ich ziehe eine Augenbraue in die Höhe. „Das war's? Mehr nicht?“ Innerlich bin ich erleichtert, dass Shane nicht etwas sagt wie 'Doch, ich mag dich mehr als du denkst!'. Er nickt und setzt sich auf. Ich rutsche von ihm runter und setze mich neben ihn aufs Bett. „Du bist mir vielleicht einer..“, murmle ich und grinse. Er streicht seine Haare wieder etwas glatt und steht auf. „Ich geh mal eben eine rauchen.“, sagt er knapp und verschwindet auf den Balkon. Ich schüttele den Kopf und gehe hinterher. „Ich werde dich noch zum Nichtraucher machen, dass verspreche ich dir! Auch wenn es mein ganzes Leben lang dauert. Obwohl, wenn du so weiter machst, stirbst du noch vor mir.“ Er murrt und ignoriert mich. Ich strecke ihm nur die Zunge raus und lache. Dann atme ich die frische Luft ein, bis sie von dem Rauch verpestet wird und huste. „Sorry...hast du was abbekommen?“, fragt Shane mich besorgt und sieht mich entschuldigend an. Ich winke ab. „Schon okay.“ Wir unterhalten uns noch ein wenig über dies und das und gehen dann zurück in sein Zimmer. „Darf ich bei dir pennen? Bei mir ist es so heiß...Du hast Glück, dein Zimmer im Sommer auf der Schattenseite zu haben.“
Shane lacht. „Tja...wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Ich konnte mir mein Zimmer aussuchen. Und ich habe scheinbar gut gewählt!“ Ich sehe ihn feindselig an, grinse dann aber und werfe mich auf sein Bett. „Das gehört jetzt mir! Du kannst auf der Matratze pennen!“ Shane zieht seine Augenbrauen hoch und schüttelt den Kopf. „Das kannst du dir gleich abschminken!“ Er wirft sich auf mich drauf, so das ich erst mal nach Luft schnappen muss. Dann fängt er an mich zu kitzeln und ich bekomme mich nicht mehr ein vor lachen. „Sh-shane...nicht!“, bringe ich mühsam hervor und versuche ihn mir vom Leib zu halten, während ich mich zusammen krümme und scharf einatme. Shane lässt von mir ab und lässt sich neben mich fallen. „Das war deine gerechte Strafe!“, sagt er grinsend und schließt die Augen. Ich sehe ihn schmollend an und frage: „Wofür? Ich habe doch gar nichts gemacht...“ Dann kuschel ich mich an meinen besten Freund, ohne weiter nachzudenken. „Äh....Du, Finny...Also, ich hätte auch gerne noch etwas Platz auf dem Bett...“ Shane schiebt mich vorsichtig weiter weg und ich sehe ihn trotzig an. „Bisher hat es dich doch auch nie gestört...“ „Na und? Jetzt aber! Außerdem habe ich zur Zeit eine Freundin, da muss ich aufpassen.“, murmelt er und dreht mir den Rücken zu. Ich seufze, schüttele den Kopf und drehe mich weg. Aber so richtig einschlafen kann ich nicht. Ich denke die ganze Zeit darüber nach, was Noel mir gesagt und wie Shane plötzlich reagiert hatte. In der ganzen Grübelei kriege ich gar nicht mit, wie mir die Lieder schwer werden und meine Atemzüge ruhiger. Nach endlosen Stunden bin ich dann eingeschlafen.
Am nächsten Morgen klingelt der Wecker und das nervige Piepen holt mich aus meinen Träumen. Ich blinzle leicht gegen das Licht und strecke mich, um den Wecker auszumachen, aber als ich mich zu der Kommode rüber beuge, liegt mir irgendetwas im Weg. Etwas, was plötzlich anfängt zu murren. Ich reibe meine Augen und schaue hinunter. Shane blinzelt mich müde an und fragt: „Was wird das, wenn es fertig ist?“ Ich werde ein wenig rot, schnappe schnell den Wecker und schalte ihn ab. „Sorry.... hab' nicht daran gedacht, dass du neben mir liegst und wollte das Teil ausmachen.“ Mit schiefem Grinsen sehe ich ihn an und er streckt sich. „Wofür geht man eigentlich in eine Schule oder Uni? Um morgens früh aufstehen zu müssen?“ 'Das fragt er mich?', denke ich. 'Ich habe doch die ganze Nacht kein Auge zu getan. Ich wette meine Augenringe sind so fett, als wäre ich kurz davor, vor Müdigkeit zu sterben.' Mein bester Freund steht auf, wuschelt mir durch die Haare und macht sich auf ins Bad.
In diesem Haus gibt es strenge Regeln, was die Bäder angeht. Wir haben auch bestimmte Zeiten zu denen wir Duschen können, sonst würde morgens alles in einem Kuddelmuddel untergehen. Ich lege meine Hand kurz auf meine Haare, immer noch etwas rot im Gesicht und sehe Shane hinterher.
Dann stehe auch ich auf und flüchte zurück in mein Zimmer. Auf dem Weg dorthin begegne ich Sophie, die mir in Unterwäsche entgegenkommt. Eigentlich kennen wir das alle schon von ihr, aber mir ist es trotzdem peinlich. „Morgen~“, sagt sie gut gelaunt und umarmt mich kurz. „M-morgen..“, murmele ich und versuche sie nicht anzusehen. „Hast du die Nacht wieder bei Shane verbracht?“, fragt sie mich spitzbübisch und ich weiß sofort worauf sie hinaus will. Ich schüttele wild den Kopf und sage: „Wir sind nicht zusammen! Merk dir das endlich!“ Sie lacht leicht und knufft mir in die Seite. „Warum dann so rot, Süßer?“ Ich stottere ein wenig herum, bis Tom vorbei kommt und mir mit seiner Handkante auf den Kopf schlägt. „Komm du bist ein Mann! Stell dich nicht so an!“ Ich sehe ihn böse an und streiche über die Stelle, an der er mir gerade eine verpasst hat. „Au..“, maule ich und stapfe weiter in mein Zimmer. „Warum wohne ich eigentlich mit so vielen Idioten unter einem Dach?“, frage ich, während ich meinen Kleiderschrank plündere und mir passende Sachen heraus suche.
Nach dem Frühstück warte ich vor der Tür, sage einigen Tschüss, die an mir vorbeilaufen und sich ebenfalls auf den Weg zur Arbeit oder Uni begeben. Dann tritt endlich Shane heraus. „Können wir?“, frage ich ihn gut gelaunt und grinse.
„Ist es für dich eigentlich selbstverständlich, dass ich dich immer fahre? Ich verlange endlich mal eine Gegenleistung!“ Er sieht mich ernst an und ich ziehe die Augenbrauen hoch. „Sag mal, was ist eigentlich mit dir los? Hast du deine Tage oder so? Was habe ich denn bitteschön gemacht?!“ „Gar nichts! Ich kann es einfach nicht ab, wenn du mich weiter so umgarnst!“ Mit offenem Mund starre ich ihn an, drehe mich weg und laufe los. „Du mich auch Arschloch!“ Mit gesenktem Blick verlasse ich das Gelände und bekomme gerade noch rechtzeitig den nächsten Bus zu fassen.
„Was für ein Ehekrach war das denn bitte?“, fragt Sophie, die hinter Shane getreten ist. „Nichts..nur eine Auseinandersetzung...“ Sophie lacht grimmig. „Nur eine 'Auseinandersetzung'? Ihr habt euch gerade aufs Derbste beschimpft! Das ist so gar nicht Finny's Art..Also was hast du gemacht?“
„Ich habe ihm meine Meinung gesagt! Was ist daran bitteschön falsch? Kann ich ja nichts dafür, dass er so ein Sensibelchen ist!“ Shane sah bedrückt weg. „Wann hast du eigentlich vor, Finny zu sagen, was du wirklich für ihn fühlst?“, fragt Sophie vorsichtig und tätschelt seine Schulter. „Du kannst es nicht ewig geheim halten.“ „I know, but i can't tell him, that i am in love with him..“, sagt Shane traurig. Er kommt aus den USA und so redet er oft auch in gemischter Sprache. „Hilf mir..“ Sophie lächelt. „Wenn du englisch sprichst, musst du ja wirklich verzweifelt sein. Komm mit, lass die Uni heute sausen. Ich erkläre dir, was du zu tun hast.“
Währenddessen gammele ich in meiner Schule herum. Mein Kunstkurs ist gerade dabei Aktmalerei durchzunehmen. Aber ich kann mich einfach nicht konzentrieren und schütte sogar einmal die Farbe um. Schnell entschuldige ich mich und wische alles wieder auf und rette, was noch zu retten ist. Dann seufze ich. „Was ist denn los?“, fragt mich Marie und beugt sich zu mir runter. „Nichts..ich hatte heute früh nur einen Streit, mehr nicht.“ Marie nimmt mich in den Arm und tätschelt meinen Kopf. „Mach dir keine Sorgen. Alles wird wieder gut. Sprich dich einfach mit ihm aus. Stell ihn zur Rede, belagere ihn.“ Ich lache leicht. „Genau das gefällt ihm nicht. Er meinte, ich solle aufhören ihn ständig zu 'umgarnen'.“ Da fällt mir plötzlich Noel und sein Konzert wieder ein. „Ach und...ich muss dich noch was fragen. Ich habe jemanden kennengelernt. Er heißt Noel und spielt in einer Band. Sie haben Morgen einen Auftritt. Kommst du mit?“ Ich lächele, während ich es ihr erzähle und werde leicht rot. Marie betrachtet mich mit einem skeptischen Blick. Sie blinzelt kurz und reibt sich über die Augen. „Ich glaube, ich träume! Finny, du bist verknallt?!“ Ich halte ihr schnell den Mund zu.. „Nicht so laut!“ Unsere Lehrerin sieht mahnend zu uns herüber und wir widmen uns wieder unseren Bildern. Es ist mir unangenehm, dass eine nackte Frau vor uns liegt und wir sie zeichnen sollen. Aber eigentlich macht es mir ja Spaß, schließlich ist Kunst das Einzige, was ich richtig gut beherrsche. Ich werde mir ja sonst nicht mal mehr über einfache Gefühle klar. Seufzend verbringe ich also den halben Tag in der Schule und muss mir von Marie anhören, wie süß ich doch sei. Nach diesen endlos langen Stunden gehe ich zum Tor und warte. Nach einigen Minuten fällt mir dann ein, dass Shane und ich ja Streit haben und er mich nicht abholen wird. Also laufe ich geknickt zur Bushaltestelle und warte in der knallenden Sonne.
Im Wohnheim angekommen, verkrieche ich mich schnell in mein Zimmer, damit ich Shane nicht über den Weg laufe. Ich mache meine Hausaufgaben und werfe mich aufs Bett. Es kommt mir so vor, als wäre ich kurz davor zu sterben. Die Sonne lacht durch mein Fenster hindurch und schickt mir ihre gesamte Wärme. Da ich es nicht länger aushalte, schaue ich aus der Tür und verlasse leise mein Zimmer. Heimlich gehe ich in die Küche, nicht ohne zu gucken, ob Shane vielleicht da ist. Aber die einzige Person die ich sehe, ist Sophie. „Hey..“, murmele ich und sie lächelt mich an. „Shane ist heute außer Haus, falls du ihn suchst.“ Ich nicke leicht, gehe zum Eisfach und hole mir Eiswürfel heraus. Sie kühlen mich glücklicherweise relativ schnell ab und ich setze mich auf einen Stuhl. „Sag mal Sophie...weißt du, was Shane gegen mich hat? Er...meckert mich plötzlich ständig an. Ich mache doch gar nichts. Ich weiß nicht was ich sagen soll, egal was ich mache, er wird wütend!“ Ich schluchze auf und mir kommen die Tränen. Ich versuche sie mir mit meinem Handballen wegzuwischen, aber sie kommen einfach immer wieder. Sophie geht auf mich zu und nimmt mich in den Arm. „Alles wird gut Kleiner. Keine Sorge. Es ist gar nicht so schlimm, wie du denkst. Wirklich! Ich kann dir leider nicht sagen, was los ist, aber mach dir nicht so einen Kopf. Auch Shane hat ein schlechtes Gewissen. Wirklich..“ Ich schluchze erneut auf und schniefe. „Tut mir leid..ich heule noch dein Top voll.“ Dann lache ich kurz auf und sehe sie an. Sie küsst mir auf die Augen und streicht zärtlich über meinen Kopf. „Komm, ich lade dich auf ein Eis ein!“ Sie zieht mich vom Stuhl und schleppt mich nach draußen. Ich grinse und freue mich eine so gute Freundin zu haben. „Danke..“, sage ich leise und lege einen Arm um sie, ziehe sie zu mir und freue mich auf das kühle Eis.
„Ich freue mich riesig, dass du gekommen bist!“, rief mir Noel entgegen und rannte auf mich zu. Er fiel mir in die Arme und ich wurde leicht rot. „N-natürlich. So etwas lässt man sich doch nicht entgehen.“ Ich lache leicht und deute dann zu den anderen. „Noel, das sind Sophie, Marie und Tom . Leute, das ist Noel. Der Gitarrist und Liedsänger der Band.“, stelle ich sie einander vor und Noel fällt erst einmal jedem um den Hals. „Hätte nicht gedacht, dass du gleich deine ganze Bande mitnimmst.“ Er lacht und schaut sich um. „Aber wo ist denn unser Schnuckie? Shane?“ Ich schüttelte leicht betrübt den Kopf.
„Sie haben sich gestritten.“, meint Sophie frei heraus und legt eine Hand auf meine Schulter. Ich lächel entschuldigend und Noel seufzt. „Schade, dabei habe ich mich schon so darauf gefreut ihn wieder zu sehen.“ Er dreht sich um und schiebt uns Richtung Bühne, an kreischenden Mädchen vorbei, die seine Fans zu sein scheinen.
„Wie nervig..“, murmelt Tom und sieht zu der Gruppe Girlies hinüber. „Warum bist du eigentlich hier? Ich meine, so ein Konzert ist doch eigentlich nichts für dich, oder?“, fragt Sophie Tom neckend. „Dieser zuckt mit den Schultern. Marie ist hier, das reicht mir völlig.“ Marie knufft ihm in die Seite und lacht. „Du und deine schlechten Anmachen von der Seit!“ „Was heißt hier schlecht? Das ist besser, als so ein Spruch wie 'Ich bin Schriftsteller und schreibe an einem Telefonbuch, nur deine Nummer fehlt mir noch.'“, meint Tom und grinst. Genau in diesem Moment, hört man wie eine quietschende Stimme hinter ihm sagt: „Dann trage meine doch gleich mit ein!“ Tom dreht sich um und betrachtet das Mädchen vor ihm. „Sorry...aber das ist schon voll:“, sagt er mit einer wegwerfenden Handbewegung und geht an die Bar um sich etwas zu trinken zu holen. Das Mädchen sieht ihm hinterher und dackelt dann stolz zur Bar, um sich erneut an ihn ran zuschmeißen. Ich grinse und schüttel leicht den Kopf. „Tom kann manchmal ganz schön ruppig sein was Anmachen angeht. Und vor allem ist er extrem wählerisch. Na ja, aber er hat ja seine Freundin. Also mach die keine Sorgen Marie.“ Ich lache und Marie nickt wissend. „Aber er kann es einfach nicht lassen...“, seufzt sie. „Und trotzdem ist er ein guter Freund.“, werfe ich ein und wir gehen noch etwas weiter an die Bühne ran und Noel springt schnell darauf und läuft zu seinen Kollegen. Er deutet mit einem Finger auf uns und scheint aufgeregt etwas zu erzählen. Ich lege meinen Kopf schief und frage mich, was er wohl gerade über uns preisgibt.
Als ich mich noch einmal zur Bar drehe, um zu sehen, ob Tom es mit dieser quietschenden Schreckschraube aushält, fällt mein Blick auf die Eingangstür und ich verharre im nächsten Augenblick. Shane kommt mit einem Mädchen im Arm herein. Er lacht und sie kichert dämlich mit.
Es versetzt meinem Herz einen Stich, ihn so zu sehen, ohne mich dabei zu haben. Seit wir uns kennen, waren wir unzertrennlich und jetzt? Geschockt über die grausame Realität die langsam über mir zusammenbricht, bemerke ich gar nicht, wie Noel nun ans Mikrofon tritt und anfängt kurz seine Band vorzustellen.
„Finny. Hey, was hast du denn?“, fragt mich Sophie und folgt meinem Blick. Ihr Gesichtsausdruck wird düster und sie schüttelt genervt den Kopf. „Ach vergiss ihn doch. Wenn er es nicht mal schafft mit dir über diesen sinnlosen Streit zu reden, ist er es auch nicht wert, dass du ihm hinterher heulst!“
Genau in dem Moment wirft Shane uns einen Blick zu und sein Lachen verstummt. Er sieht mich kurz bedrückt an und dreht sich dann weg. Er zieht das – mir unbekannte - Mädchen hinter sich her auf die andere Seite des Saals. Ich lasse meinen Kopf hängen und wende mich wieder der Bühne. Noel ist nun dabei den ersten Song anzuspielen. Ich staune nicht schlecht. Die Band ist wirklich gut, sogar noch viel besser als das. Ich kann meine Augen gar nicht mehr von der Bühne lassen. Sophie grinst vor sich hin und wuschelt mir durch die Haare. „Siehst du, man kann auch ohne
Mr. Ich-werde-mich-nicht-entschuldigen Spaß haben.“ Ich lächel schwach und nicke ihr zu. Dann schweifen meine Augen wieder zu Noel. Dieser grinst mich an und ich werde rot. Dann grinse ich genauso zurück und er läuft wieder auf die andere Seite der Bühne. „In den bist du also verknallt?“, fragt mich Marie so leise, dass sogar ich meine Ohren spitzen muss, um sie zu verstehen. Nun ist mein Gesicht knallrot und ich stottere leicht. „Äh..na ja...also...ja schon.“ Sie knufft mir in die Seite und umarmt mich. „Ach du bist so süß Finny. Warum bist du nicht hetero?“ Ich erwidere die Umarmung und lache. „Na ja...weil Frauen mir zu anstrengend sind. Obwohl ich mit dir oder Sophie locker eine Beziehung eingehen würde.“ Ich zwinker ihr zu und sie drückt mich erneut freudig. „Ach du bist viel zu niedlich für die Welt. Du musst aufpassen, sonst schleppt dich in der Nacht noch jemand ab.“ Und als würde sie ihre Vermutung unterstützen wollen, tippt mir ein junger Mann auf die Schulter und grinst verschmitzt.
„Na Kleiner. Lust auf 'ne heiße Nacht?“ Ich verziehe mein Gesicht und schlage seine Hand weg. „Verzieh dich, ich bin nicht interessiert!“, motze ich ihn an. Aber der Mann scheint sich daran nicht zu stören und kommt mir näher, als mir lieb ist. Ich stolpere zurück und halte schützend meine Hand hoch. „Ich hab gesagt du sollst dich verpissen!“, schnauze ich nun und sehe ihn bitter an. „Ach komm schon Kleiner. Du musst dich doch nicht schämen.“ Wo ist Tom, wenn man ihn mal braucht? Marie und Sophie wissen beide nicht recht, was sie machen sollen. „Entschuldige mal! Würde es dir was ausmachen, unseren Freund nicht mehr zu belästigen?!“ Der Mann lächelt. „Keine Sorge. Ich lasse mich auch gerne auf einen Dreier ein.“ In dem Moment wird der Kerl unsanft an seinem Kragen zurück gezogen. Noel beobachtet die Szene von der Bühne aus, muss aber dennoch auf seiner Gitarre herum zupfen.
„Fass ihn nie wieder an!“, höre ich jemanden grollen und versuche einen Blick hinter den Mann zu erhaschen. Da steht Shane und sieht voller Wut zu dem Fremden auf. Dieser lacht schelmisch. „Ach kommt jetzt der große Beschützer ins Spiel? Was willst du, Knirps?“ Der Gesichtsausdruck des Mannes macht mir Angst. Er sieht wirklich gefährlich aus und ich beiße mir auf die Lippen. Aber Shane scheint das Ganze nicht zu stören. Er packt den Größeren am Hemd und funkelt ihn an. „Ich sagte: Du sollst deine dreckigen Griffel bei dir behalten!“
„Du solltest erst überlegen, bevor du handelst!“, mahnt ihn der Mann und holt mit seiner Faust aus. Dann schlägt er genau in die Mitte von Shanes Magen und dieser keucht kurz auf. Er lässt den Fremden los und sinkt zu Boden. Ich schreie kurz auf und auch ein paar um uns stehende Leute werden panisch. Noel hört mit dem Spielen auf und wollte gerade auf uns zu treten, als Shane sich wieder aufstellte. Mit schmerzverzerrtem Gesicht grollte er dem Fremden entgegen. „Du schüchterst mich nicht ein! Verpiss dich endlich, oder ich werde gewalttätig!“ Der Mann lacht nur düster auf. „So ein Schwächling wie du macht mir doch keine Angst!“ Shane fackelt allerdings nicht lange und schlägt ebenso zu. Genau in das Gesicht des Größeren. Dieser sieht ihn erschrocken an. Shane holt erneut aus und trifft genau dessen Magengrube. Der Kerl geht auf die Knie und muss husten. Dann sieht er verbittert zu Shane hoch. „Du kleiner Wicht, das wird dir noch Leid tun!“ Er kämpft sich wieder auf die Beine und taumelt davon. Ich sehe ihm perplex und überrascht hinterher und glaube nicht, dass er einfach so aufgegeben hat. „Geht's dir gut?“, fragt mich Shane und ich nicke leicht. Ich möchte ihn gerade danken, als Noel zu uns herantritt und mich besorgt anschaut.
„Hey Kleiner, was ist denn passiert? Sorry, dass ich nicht helfen konnte.“ Ich lächel Noel an und ziehe ihn in eine Umarmung. „Danke. Alles bestens. Shane war gerade noch rechtzeitig da.“ Noel wuschelt mir durch meine Haare und löst die Umarmung. Dann grinst er Shane an. „Hallo auch. Schön, dass du doch noch gekommen bist.“ Er begutachtet ihn von oben bis unten und sieht, wie seine Begleiterin auf ihn zu stolziert. „Schade du bist schon vergeben? Dabei hab ich schon gefallen an dir gefunden.“ Wir sehen Noel beide fragend an. Was meinte er damit genau? War er etwa in Shane -. Weiter kann ich den Gedanken nicht führen, da mein Noel frei heraus: „Ich glaube, ich habe mich volle Kanne in dich verknallt, Süßer.“ Ich sehe von Noel zu Shane und wieder zurück. Shane ist erstarrt und geht dann langsam einen Schritt zurück. Er schnappt sich den Arm seines Dates und zieht sie ohne ein Wort mit sich.
„Oh....warum geht er denn jetzt? Ich dachte er würde mich auslachen, oder nochmal nachfragen. Schade. Er hätte doch bleiben können.“, meint Noel, als hätte er gerade nur gesagt, sein Essen wäre angebrannt. Mein Herz zieht sich zusammen und ich lasse meinen Kopf hängen.
„Musst du nicht wieder auf die Bühne?“, frage ich krächzend. Er sieht von mir zu seinen Kollegen, die wartend ein Solo auf Gitarre und eines auf Schlagzeug spielen, um das Publikum hinzuhalten. „Stimmt, hab ich voll vergessen.“ Er stellt sich wieder auf und geht zurück auf die Bühne. Das Publikum ruft laut und applaudiert. Ich lächel leicht und Marie und Sophie nehmen mich beide gleichzeitig in den Arm. „Ach Maus....vergiss den Kerl und schmeiß dich an Shane ran.“ Ich lache kurz und meine dann: „An Shane? Meinen besten Freund? Ich glaube ihr habt zu viele Shonin-eis, oder wie die Teile heißen, gelesen.“ Die beiden fallen in mein Lachen mit ein und drücken mich noch einmal. „Shonen-ai mein Lieber. Wenn überhaupt. Meistens lesen wir ja nur Yaoi.“ Marie zwinkert mir zu und ich rolle mit meinen Augen. „Alles der selbe Mist. Sind doch nur perverse Fantasien.“ Sophie knufft mir in die Seite und schüttelt den Kopf. „Nein, nein! Das sind keine perversen Fantasien, sondern perverse Tatsachen!“, verbessert sie und wir fangen an zu lachen. Wenn die beiden einen aufmuntern wollen, schaffen sie es auch immer. Sie sind die besten Freunde, die man sich nur wünschen kann. Wäre ich nicht schwul, würde ich sogar überlegen, mit einer von beiden eine Beziehung anzufangen.
Mein Blick sucht erneut Shane auf und ich sehe genau in dem Moment, wie das Mädchen sich zu ihm beugt und ihm einen Kuss auf den Mund gibt. Er erwidert zwar nicht, schubst sie aber auch nicht weg. Wird mir denn heute nur noch das Herz gebrochen?, dachte ich missmutig.
Nach einiger Zeit war das Konzert dann vorbei und Noel und seine Band spielten noch ein zwei Zugaben. Dann verließen sie die Bühne. Wir warteten auf Noel, der nach zehn Minuten zu uns trat. Umringt von Fangirls kämpfte er sich irgendwie zu uns durch. Er hatte nun etwas neues an, was an ihm einfach hinreißend aussah und schon war ich erneut hin und weg. Sophie hielt mir die Augen zu und lachte. „Hör auf ihn so anzuglotzen, dass ist total auffällig.“ Ich grummel und nehme ihre Hände von meinen Augen. „Schönes Konzert. War echt super! Wie kann man nur so gut spielen und singen?“ Ich lächel Noel an und er wuschelt mir durch die Haare. „Übung Kleiner. Übung macht den Meister!“ Lachend sieht er sich um. Ich weiß, dass sein Blick Shane sucht, aber ich versuche die hoch kommende Eifersucht zu unterdrücken.
„Gehen wir noch einen Trinken?“, fragt Marie und ich sehe sie verdattert an. Sie weiß doch, dass ich so gar keinen Alkohol vertrage. Aber zu meinem Unglück willigt Noel ein und ich werde von meinen Freunden aus der Halle gezogen. Langsam dämmert es schon draußen und ich frage mich, wann wir wieder zurück nach Hause gehen würden. „Hier in der Nähe ist eine klasse Bar.“, sagt Noel und deutet die Straße hinunter. Wir folgen ihm und man sieht schon nach einigen Metern das hell erleuchtete Schild, was auf die Bar hinweist. Grinsend betritt Noel das Gebäude und wird so gleich stürmisch von einigen Mädchen empfangen, die nur darauf gewartet zu scheinen haben, dass er endlich vorbei kommt.
Ich seufze hörbar und meine Freunde drehen alle gleichzeitig ihren Kopf zu mir. „Ach...schon gut. Sorry.“, sage ich und lache leicht nervös. Dann gehen wir auf die Bar zu und setzten uns. „Vier mal 'Sex on the beach' bitte.“, bestellt Noel und ich sehe leicht verzweifelt zu Sophie. Sie klopft mir aufmunternd auf die Schulter und ich lasse meinen Kopf hängen. „N-noel. Ich...äh..möchte gar keinen 'Sex on the beach'.“, gebe ich zu und Noel grinst. „Wird dich schon nicht umhauen. Wirst sehen, schmeckt gut das Zeug.“ Ich möchte noch etwas sagen, aber da ist er schon wieder von Mädchen belagert. Schulterzuckend warte ich also auf das Getränk. Als wir unsere Gläser bekommen stoßen wir auf unser Wohl an. Vorsichtig nippe ich an dem Zeug und muss leider feststellen, dass es wirklich nicht schlecht schmeckt. Also trinke ich es dann doch aus und wir bestellen nach einiger Zeit nach.
Ich bin allerdings schon nach dem zweiten Glas angetrunken und bekomme gar nicht mit, dass Shane neben uns an die Bar getreten ist. Das Mädchen hängt immer noch wie blöd an seinem Arm. Sophie und Marie schauen sich an, dann stupsen sie an meine Schulter. „Finny. Shane ist da.“ Ich sehe auf und blinzel ihnen entgegen. „Wer?“, frage ich und da sehe ich meinen besten Freund. Als ich sein Date bemerke kocht in mir die Eifersucht über. Ich stehe auf und taumel zu ihm, so gut es besoffen eben geht. „Shane!“, nuschel ich und stelle mich vor ihm. Ich stütze ich an der Theke ab und sehe ihn an. „Wasch..mascht du hier? Wer is das?“
Shane sieht mich unsicher an. „Sag mal Finny. Bist du betrunken?“ Ich schüttel wild den Kopf, wovon mir schwindelig wird. Ich kippe etwas nach vorne und Shane fängt mich schnell auf. „Finny! Du weißt doch selber, dass du keinen Alk verträgst, wieso trinkst du dann?“
„Du bischt so ein Arsch!“, schimpfe ich und bin kurz davor zu heulen. „Warum maschst du dasch? Du bischt so ein betrüger!“ Jetz heule ich wirklich. Der Alkohol hat meine Sinne total benebelt und irgendwie bekomme ich nur am Rande mit, was gerade passiert. Shane jedoch ist leicht überfordert. „Was hab ich denn jetzt gemacht?“ Er sieht zu Marie und Sophie, aber die halten sich daraus und schauen ihn schulterzuckend an.
„Du hast mich verletzt!“, meine ich leise und weiß diesmal genau, was ich sage. „Und du hast meine Gefühle mit Füßen getreten, mir meinen Schwarm ausgespannt und mich einfach links liegen lassen!“ Ich schlage mit meiner Faust gegen seinen Brustkorb, allerdings bin ich zu schwach, als dass es wirklich weh tun würde.
„Finny..“, murmelt Shane und streicht mir beruhigend über den Kopf. „Hör auf!“, schreie ich ihn an. Ich will nicht, dass er wieder so nett zu mir ist. Ich schluchze auf und meine Stimme überschlägt sich. „L-lass mich ei-einfach in Ruhe!“ Ich möchte mich aus seinem griff befreien und taumel rückwärts. Mir wird schlecht und schon spüre ich erneut Shanes kräftige Arme, die versuchen mich zu stützen. „I-ich glaub ich muss...“
Ich merke nur noch, wie Shane mich hochhebt und auf den Weg zur Toilette ist, dann schlafe ich einfach unter dem Alkoholrausch ein.
Als ich wider aufwache liege ich in Shanes Armen. Ich sehe ihn verdattert an, was er zum Glück nicht mitbekommt. Wie auch? Der Kerl pennt wie ein Walross! Schnell fahre ich hoch. Zu schnell für meinen Kopf. „Ah Fuck!“, schimpfe ich leise und halte meine Stirn. So einen krassen Kater hatte ich noch nie. Von dem Filmriss kaum zu schweigen. Ich stehe langsam auf und torkel durchs Zimmer. Wo bin ich hier eigentlich? Ist das Shanes Zimmer? Sieht irgendwie nicht so aus. Ach so...es ist meines. Na ja, kann ja mal passieren, dass man so etwas vergisst, oder?
Ich kenne die Antwort und schäme mich schon fast dafür. Vorsichtig schaffe ich es irgendwie noch lebend zum Bad, bis ich mich auskotze. Über der Schüssel hängend höre ich, dass Shane aufsteht. Mist! Der muss mich jetzt nicht unbedingt so sehen! Schnell will ich aufstehen und so tun, als wäre nichts gewesen, da kommt mir der Rest der Galle wieder hoch und ich falle erneut zu Boden. Shane steht im Türrahmen und schaut mich an, anstatt mir zu helfen. Das macht die Sache natürlich gleich besser.
„Wenn du...da nur stehst...kannst du auch gehen!“, würde ich mit meinem Mageninhalt hervor.
Er schüttelt den Kopf, was ich nur aus den Augenwinkeln mitbekomme und kommt auf mich zu. Er hält mir die Haare aus dem Gesicht und streicht beruhigend über meinen Rücken. Aber er sagt nichts. Er sieht mich nur stumm an, hilft mir beim sauber machen und beobachtet danach, wie ich mein Gesicht wasche und mich einigermaßen auf Vordermann bringe.
„Hast du nichts zu sagen?“, fragt er mich und ich sehe ihn verständnislos an. „Sollte ich?“
Ich stapfe an ihm vorbei aus dem Badezimmer und krame in meiner Schublade nach Tabletten. Wie ich diese teile hasse. Ich kann sie einfach nicht schlucken, was weiß ich, wo das Problem liegt, Unbeholfen starre ich das runde weiße etwas auf meiner Hand an und sehe dann knapp zu Shane. „Ich finde, du hast mir eher etwas zu sagen.“, gebe ich zu und spiele auf unseren Streit an.
Dann hole ich mir erneut einen Becher aus dem Bad und komme mit Wasser zurück. Und nun? Dieses Ding schlucken. Na klasse.
Ich lasse mich auf meinem Bett nieder und sehe betrübt auf den Boden. Ich will nicht, ich will nicht, ich will nicht! Ich will mich nicht mehr mit Shane streiten, ich will nicht, dass Noel auf ihn steht und ich will nicht dieses Zeug schlucken, nur weil ich Liebeskummer hatte! Mir kommen die Tränen in die Augen, ohne dass ich es möchte und ich schluchze auf. Scheiße! Nicht so lange Shane noch im Zimmer ist! Ich wische mir schnell über die Augen, fühle dann, wie eine Hand sich um meinen Rücken legt und mich an eine Wärmequelle drückt. Shane legt seinen Kopf auf meinen ab und versteckt seine Nase in meinen Haaren. „Sorry.“, sagt er leise und ich stocke.
Dann laufen mir die Tränen, die ich zurückgehalten habe einfach über die Wange und ich fange an richtig los zu heulen. Es bewirkt eigentlich nur, dass ich noch mehr Kopfschmerzen bekomme und so fühle ich mich danach auch nicht gerade besser. Aber wenigstens hat Shane mich in den Arm genommen und sich entschuldigt und jetzt kann ich mich auch endlich mal entschuldigen.
Ich schluchze ihn mit Entschuldigungen voll und bekomme mich gar nicht mehr ein.
„Ssh...ist doch alles gut. Finny, hör auf zu weinen. Ich hab dich doch immer noch lieb.“, sagt er, aber ich kann nicht anders. Ich weine weiter und zitter am ganzen Körper. Nach einiger Zeit schiebt er mich von sich und küsst von meiner Wange die Tränen weg. „Sieh mich an. Finny. Ich könnte dich niemals verlassen. Wir bleiben immer Freunde und ich will dich nicht verletzten.“ Ich nicke leicht und sage mit stotternder Stimme: „I-ich d-dich auch n-nicht, a-aber du warst s-so...und
N-noel...d-das..tut mir so..leid.“ Ich schüttel meinen Kopf und wische mir übers Gesicht. Dann lächel ich ironisch. „Ich bin ein Arsch.“ Ich lache leicht und sehe dann zur Seite. „Na wenigstens weiß ich jetzt, dass ich mir Noel aus dem Kopf schlagen kann. Ist doch schon mal auf irgendeiner Art und Weise positiv, oder?“ Shane sieht mich nur Stirn runzelnd an.
Dann seufzt er auf. „Hör auf über Noel zu reden, wenn ich dabei bin. Ich kann diesen Typen nicht ab.“ „Dann hat er ja richtig schlechte Karten.“, sage ich kichernd und voller Vorfreude. Ja ich verwünsche es Noel, dass er mit Shane glücklich wird. Ich will das nicht mehr. Ich will glücklich sein und wünsche mir, dass Shane es auch wird. Aber Noel kann bleiben, wo der Pfeffer wächst. Jedenfalls versuche ich mir das einzureden.
„Ist jetzt alles wieder gut?“, reißt mich Shane da aus meinen Gedanken. Ich sehe ihn an und bin mir nicht wirklich sicher. Eigentlich ja nicht, oder? Ich meine...Noel ist in Shane verliebt, ich in Noel und Shane? Shane hatte doch gestern noch dieses Mädchen im Arm.
„Wer war das Mädchen gestern Abend?“, frage ich ihn knirschend.
„Gestern? Ach du meinst Ami? Sie ist eine alte Freundin von mir. Ich habe sie durch Zufall gestern nach Jahren mal wieder gesehen.“ Er zuckt mit den Schultern und lächelt. „Niemand besonderes also.“
Ich seufze. Niemand besonderes? Wenn sie eine alte Freundin ist und trotzdem so unwichtig, was bin ich dann? „Shane?“, frage ich leise und sehe ihn dabei nicht an. Shane schielt zu mir rüber. „Mh?“, fragt er und trinkt einen Schluck Wasser, was neben dem Bett steht.
„W-was...bin ich? Also..was bin ich für dich? Bin ich auch nicht so etwas besonderes, wie deine kleine Freundin?“ Ich beiße mir auf die Lippen. Diese Frage ist ja wohl mehr als dämlich gestellt worden. Aber ich habe ja auch nicht weiter über die Frage nachgedacht. Ok...merk dir Finny! Als erstes denken, dann reden!
„Was? Nein. Du bist besonders. Du bist mehr als das. Du bist einzigartig.“ Er lächelt und ich sehe ihn verdutzt an. „Was?“
„Na ja...du bist mein bester Freund. Wir kennen uns schon ewig. Also bist du etwas besonderes. Und na ja..ich denke, weil ich dich mag.“
Ich mache meinen Mund auf, um etwas zu sagen, aber es kommt kein Ton heraus. Shane lächelt. Dann lies er sich nach hinten ins Bett fallen und kuschelte sich in die Kissen. „Und jetzt...muss ich noch etwas schlafen. War 'ne anstrengende Nacht.“ Er schließt die Augen und ich sehe ihn verdutzt an. „Was? Aber..“ Shane hört mir schon gar nicht mehr zu. Er murmelt nur noch etwas vor sich hin. „Ich..liebe dich..“ Ich spitze die Ohren. „Was? Wen liebst du?“ Ist Shane doch noch wach?
„Finny..“, murmelt er und ich halte den Atem an. Mir ist das Gehirn von jetzt auf gleich ausgefallen. Während ich ihn noch anstarre, ist er schon längst in einen Tiefschlaf gefallen.
Ich stehe mechanisch auf und ziehe mich um. Dann verlasse ich so schnell wie möglich das Zimmer und gehe runter und auf den Ausgang zu. Als Sophie an mir vorbei läuft sieht sie mich erst skeptisch, dann besorgt an. „Geht's dir wieder gut? Was ist los?“ Ich schüttel den Kopf, doch als ich was sagen möchte, bekomme ich keinen einzigen Ton mehr heraus. Ich ziehe den Kopf ein und laufe an ihr vorbei. Sobald ich aus dem Gebäude raus bin, atme ich einmal tief aus. Das kann nicht wahr sein. Das darf nicht wahr sein. Aber es ist es...ich freue mich.
Als ich wieder unser Haus betrete bin ich überglücklich. Ich pfeife vor mich hin und strahle was das Zeug hält. „Sag mal, was ist denn mit dir passiert?“, fragt Sophie und sieht mich schmunzelnd an.
„Ach, nichts nichts. Ist nichts besonderes. Ich bin heute nur einfach gut drauf.“ Ich möchte ihr nicht sagen, was ich gehört habe, kann ja sein, dass es gar nicht stimmt und ich es nur geträumt habe.
Nein, ich habe es natürlich nicht geträumt und das weiß ich auch, aber ich habe einfach Angst, dass Shane gar nicht mich gemeint hat. Und das würde mir einfach das Herz brechen, daher will ich lieber weiter daran glauben.
Sophie zuckt mit den Schultern und sieht mich nachdenklich an. „Hast du dich wieder mit Shane vertragen?“, fragt sie spitzbübisch und ich werde sofort rot. „Äh..ja, ja wir haben uns...vertragen.“
Sie grinst breit und ich wende meinen Blick ab. „Was grinst du so? Ist doch gut, wenn wir uns vertragen. Was ist daran witzig?“
„Ach..nichts. Finny ich freue mich nur für dich.“, sagt Sophie und streicht mir durch meine Haare. Dann läuft sie weiter den Gang entlang. „Bis später.“, ruft sie mir über die Schulter zu und ist plötzlich verschwunden. Was war das denn? Wieso ist sie jetzt einfach weg? Ich verstehe Sophie nicht. Sie ist immer so geheimnisvoll. Und meistens kommt etwas blödes bei ihren Ideen raus.
Seufzend gehe ich weiter. Aber als ich in meinem Zimmer ankomme, ist Shane verschwunden. Man sieht nur noch die aufgewühlte Decke und seinen Abdruck im Kissen.
Ich lasse mich auf dem Bett nieder und betrachte es. Hier hat Shane geschlafen? In meinem Bett? Mir wird heiß, als ich daran denke und schnell springe ich wieder auf und setzte mich an meinen Schreibtisch. Ok Finny. Du musst einen kühlen Kopf bewahren. Am besten du reißt jetzt erst einmal das Fenster auf und lenkst dich ab, indem du ein Buch liest oder Hausaufgaben machst. Denke nur nicht an Shane. An alles andere, aber nicht daran.
Ich mache das, was ich mir selbst sage, stehe auf, öffne das Fenster, nehme ein Buch und setzte mich auf das Fensterbrett. Ich atme ein paar mal tief ein und schlage das Buch auf. Aber auf die Story kann ich mich nicht wirklich konzentrieren. Meine Gedanken schweifen immer wieder zu Shane ab. Was ist nur los mit mir? Liebe ich nicht eigentlich Noel?
Da fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Ich liebe Noel nicht. Nein. Ich schwärme nur für ihn. Eine blöde, nicht druchdachte Kinderschwärmerei. Aber bin ich nicht irgendwo auch verliebt? Es fühlt sich doch immer so schön an, in seiner Nähe. Und ich habe immer so ein Kribbeln im Bauch. Heißt das nicht eigentlich...dass ich verliebt bin?
Was mache ich mir überhaupt einen Kopf? Die Antwort ist doch leicht herauszufinden. Noel hat Shane seine Liebe gestanden. Was halte ich davon? Es macht mich unglücklich. Aber das Shane nichts von ihm will, macht mich wiederum glücklich. Es freut mich, dass Noel nicht das Glück findet, was mir zustehen würde. Ich bin so ein egoistisches Kerlchen. Ich verwünsche Noel wirklich alles Gute. Dann kann ich ja auch gleich einen Voodoozauber verwenden.
Ich seufze auf. Meine Gedanken schweifen schon wieder viel zu weit ab. Aber wenigstens weiß ich jetzt, dass ich Noel scheinbar nicht liebe. Oder doch? Ich bin im Moment viel zu verwirrt, um irgendetwas zu wissen.
Kurzer Hand beschließe ich also, Marie aufzusuchen. Sie wird vermutlich gerade zu Hause sein. Ich denke jedenfalls nicht, dass sie noch in der Schule hockt. Obwohl, sie muss ja heute Nachhilfe geben. „Am besten ich rufe sie an.“, sage ich laut zu mir selbst, um diese Stille zu verdrängen, die mich nur wieder zum Nachdenken bringt. Ich schnappe also mein Handy und wähle ihre Nummer.
„Marie? Ja hey, ich bins. Hast du kurz Zeit? Ich wollte mal mit dir reden...“ Ich höre ihr kurz zu und meine dann: „Na ja..ich bin etwas verwirrt und wollte dich um deine Meinung bitten.“ Sofort ist Marie bereit für das kleine Date. „Ok, dann bis gleich.“, murmel ich und lege auf. Eine knappe halbe Stunde später sitze ich im Park auf einer Bank. Ich sehe Marie schon vom Weiten auf mich zukommen. Sie wedelt aufgeregt mit den Armen und nimmt mich erstmal in eine feste Umarmung.
„Also, was ist los? Erzähl. Alles und alles ausführlich.“, bittet sie mich und ich nicke leicht.
„Also gestern, da...waren wir ja auf einer Party. Ich habe mich betrunken, nachdem Noel Shane aus heiterem Himmel seine Liebe gestanden hat. Aber das weißt du ja eigentlich alles. Jedenfalls hat Shane mich nach Hause gebracht. Als ich dann heute früh aufgewacht bin, musste ich ich erst mal schön viel auf der Toilette übergeben. Als Shane dann nach mir gesehen hat, haben wir über alles gesprochen und uns wieder vertragen. Dann ist Shane wieder eingeschlafen und dann sagte er: Ich liebe dich...Finny.“, bringe ich schnell hervor. Ich setzte kaum einen Punkt beim reden. Ich will es einfach schnell hinter mir haben. Nur beim letzten Satz muss ich kurz stocken. Es fällt mir selber schwer, dass zu glauben und es zu sagen.
Marie starrt mich erst ungläubig an, dann strahlt sie. „Aber das ist doch schön! Wo liegt dann jetzt dein Problem?“ Ich überlege kurz, wie ich es ihr sagen soll. Ich weiß es ja selber nicht so genau, dass ist das Problem. „Na ja..ich meinte doch, ich wäre in Noel verliebt. Aber das gerät jetzt langsam ins Schwanken. Ich glaube, ich habe nur für ihn geschwärmt, aber sicher bin ich mir da nicht. Und was ich für Shane empfinde, weiß ich so wie so nicht. Also gar nicht. Deshalb...vielleicht weißt du es, wenn ich dir beschreibe, wie ich mich in deren Gegenwart verhalte.“
Marie nickt ganz aufgekratzt und knuddelt mich noch einmal durch. „Dann erzähl mal. Ich bin ganz Ohr. Heute habe ich sogar mal zwei Ohren für dich.“, sagt sie und zwinkert mir zu.
Habe ich eigentlich schon mal erwähnt, wie froh ich bin, sie als Freundin zu haben? Ich glaube schon, aber man kann es nicht oft genug loswerden.
„Also bei Noel, wird mir ganz komisch. Ich habe so ein Kribbeln im Bauch und ich freue mich ihn zu sehen. Und na ja..bei Shane. Ich kenne ihn a schon so lange. Also, es ist momentan schon anders, als sonst. Aber das muss ja nichts heißen. Ich habe mich über das Geständnis gefreut. Mir wird..warm, wenn ich ihn sehe und ich bin überglücklich, dass wir uns wieder vertragen haben.“, gebe ich unsicher zu und Maries Lächeln wird immer breiter.
„Also für mich hört es sich so an, als wärst du sowohl in Shane verknallt, als auch dass du für Noel schwärmst. Da musst du dich wohl für einen von Beiden entscheiden.“ Ich schlucke. Entscheiden? Das klingt so hart. Als würde ich einen von beiden einfach fallen lassen. Aber das will ich auch nicht. „Meinst du, Noel und ich können auch einfach so Freunde bleiben?“, frage ich sie und sie nickt. „Ich weiß, dass klingt jetzt vielleicht hart Finny, aber du musst zugeben, dass Noel ja nicht auf dich steht. Er sieht dich ja eh nur als guten Freund und nicht als Affäre, Schwarm, Verehrer oder sonstiges. Und schon gar nicht als Freund. Also wird das kein Problem sein.“, meint sie nachdenklich. Ich seufze. Wo sie recht hat, hat sie recht. Noel beachtet mich ja so gesehen kaum, wenn Shane in der Nähe ist.
„Also meinst du, ich sollte mich lieber an Shane versuchen und Noel links liegen lassen?“, frage ich unsicher. Sie nickt und sagt erfreut: „Dann haben wir endlich erreicht, was wir wollten.“
„Wir? Erreicht? Was wolltet ihr?“, frage ich und sehe sie misstrauisch an.
„Na Marie und ich. Wir hatten vor euch beide, also Shane und dich, zu verkuppeln!“, gibt sie lachend zu. Ich haue sie in die Seite und meine maulig: „Aber sonst? Das könnt ihr doch nicht hinter unserem Rücken planen!“
„Na gut, dann planen wir es nächste mal vor eurem Rücken. Aber trotzdem so, dass ihr nichts davon hört.“ Sie lacht weiter und irgendwann falle ich in ihr Lachen mit ein. Schon bin ich wieder gut drauf. Ich wusste, dass Marie mir helfen kann. Sie ist schließlich immer für mich da und eine echt gute Stütze für Probleme.
„Komm. Ich lade dich auf ein Eis ein.“, meint sie und zieht mich von der Bank. Ich nicke und folge ihr. Schnell hacke ich mich bei ihr unter und wir laufen summend durch den Park. Auf einmal werde ich von einem kleinen Hund angesprungen. Ich quietsche erschrocken auf und falle zu Boden. „Wer bist du denn?“, frage ich und muss kichern. Auch Marie beugt sich hinunter und krault den kleinen Welpen. „Du bist ja süß.“, sagt sie erfreut und hebt ihn hoch, von mir runter.
„Ah..tut mir Leid. Er ist mir ausgebüchst. Ist alles in Ordnung bei ihnen?“ Ich sehe auf und bemerke einen Jungen, der panisch auf uns zu läuft. Ich lächel und stehe wieder auf. „Alles klar. Ist das dein Hund?“, frage ich ihn freundlich und er nickt. Er scheint ein Jahr jünger als ich zu sein, vermutlich siezt er mich deshalb auch. „Du kannst 'du' zu mir sagen. Ich bin Finny, freut mich.“, sage ich kontaktfreudig und strecke meine Hand aus. Er ergreift sie und mein grinsend: „Rick. Freut mich.“
Dann geht er auf Marie zu und nimmt ihr den kleinen Hund wieder ab. „Ich bin Marie. Der kleine ist ja wirklich süß!“, sagt sie und strahlt über beide Wangen. „Ja...Milo ist wirklich niedlich. Ich habe ihn auch erst vor wenigen Tagen gekauft. Er ist gerade mal drei Monate alt.“, präsentiert Rick stolz seinen Hund.
Ich lächel ihn an und sage: „Wir wollten gerade ein Eis essen gehen, möchtet ihr uns begleiten?“
Rick strahlt uns entgegen und nickt. „Ich bin neu hier, müsst ihr wissen. Und daher habe ich noch nicht so viele Freunde.“ Ich verstehe wie er sich fühlt. Als ich in die Wohngemeinschaft gezogen bin, waren auch alle so eng befreundet, dass ich mich komplett fehl am Platz gefühlt habe. Aber dank Shane, war das Gefühl ja schnell wieder verschwunden.
So gehen wir drei nun erst einmal ein Eis essen und lernen uns besser kennen. Es freut mich, dass Rick so offen ist. Und ich frage mich, wie der Junge noch keine Freunde hier haben kann. Er ist doch genauso kontaktfreudig wie ich.
„Ich muss dir mal Noel vorstellen. Er ist echt ein klasse Typ. Und meinen besten Freund Shane. Mit dem verstehst du dich sicher auch total gut.“
„Würde mich nicht wundern, er ist ja vom Verhalten her so wie du Finny.“, wirft Marie da lachen ein. Ich zucke mit den Schultern und strecke ihr die Zunge heraus.
„Also ist sein Verhalten wohl perfekt.“; sage ich eingebildet, lache aber auch. Rick grinst breit und Milo bellt erfreut.
„Ssht..nicht so laut kleiner. Sonst fühlen die anderen Gäste in dem Café sich doch gestört.“, flüstert Rick leise seinem Hund zu. Milo sieht ihn schwanzwedelnd und mit schief gelegtem Kopf an, als würde er nicht verstehen, was Rick meint. Aber er bleibt leise, also muss er es ja doch kapiert haben. Als Belohnung holte Rick ein kleines Leckerli aus seiner Tasche und gab es Milo. „Bist ein braver Hund.“, meinte er und zwinkerte. Dann wandte er sich wieder an uns.
„Gerne. Ich würde mich freuen, noch ein paar Kontakte knöpfen zu können.“ Wir nicken. Ich sehe kurz auf meine Uhr und meine dann: „Oh Mist! Ich muss los. Ich muss ja noch ein Bild fertig machen! Habe ich total vergessen. Marie kommst du mit? Du kannst mir doch bestimmt helfen.“ Ich sehe sie flehend an und sie grinst. „Klar. Und was bekomme ich dafür als Gegenleistung?“ Das ist sie. Meine beste Freundin. Immer zur Stelle, wenn sie dafür etwas bekommt. Nein, natürlich macht sie auch vieles ohne Gegenleistung. Aber manchmal ist sie wirklich so frech, etwas zu erwarten.
„Einen Kuss auf die Wange und einen tritt weniger in den Hintern.“, sage ich kichernd und sie sieht mich schmollend an.
„Wie wäre es, wenn ich mal ein Bild von dir geschenkt bekomme?“ Ein Bild? Was für ein Bild denn? Meint sie ein selbst gezeichnetes oder was? Na ja, auch egal. Ich willige ein und wir stehen auf.
„Dann treffen wir uns morgen oder so einfach um die gleiche Zeit im Park wieder, ok?“, frage ich Rick und er nickt. „Bin so wie so immer mit Milo hier.“ Wir verabschieden uns schnell und machen uns auf den Weg nach Hause. „Was musst du denn noch beenden?“, fragt mich Marie verwundert.
„Ich muss noch das Aktmodell beenden. Habe zwar die Konturen und das gröbste fertig, aber mir fehlen noch die Feinheiten.“
„Und wie soll ich dir bitte helfen?“, fragt mich Marie und sieht mich verständnislos an. „Na ja, wenn ich nicht mehr weiß, wie die Schatten gefallen sind, zum Beispiel, könntest du dich ja genau so posieren wie sie. Nur halt mit Klamotten an.“
Marie grinst. „Ich kann mich auch für dich ausziehen.“ Sie lacht, aber ich sehe beschämt zur Seite.
„H-hör auf, so etwas zu sagen. Das ist mir total unangenehm.“
„Aber wieso? Vor dem Modell hast du dich auch kaum geschämt?“ Ich sehe sie an und meine dann schulterzuckend: „Ja, aber das Modell kannte ich auch nicht persönlich. Und vermutlich sehe ich die Frau auch nie wieder.“
„Finny, du bist so süß, wenn du schüchtern bist.“, sagt Marie da plötzlich und umarmt mich. Ich muss stehen bleiben und erwidere die Umarmung. „Ja du auch.“, sage ich und grinse. „Aber nicht nur, wenn du schüchtern bist. Du bist immer total süß. Und frech. Ja, das bist du vor allem.“
Sie grinst fröhlich vor sich hin. „Ja, aber sonst wäre ich ja nicht mehr ich, richtig?“
Ich stimme ihr zu und wir laufen weiter. Nach kurzer Zeit sind wir angekommen und verkriechen uns schnell in mein Zimmer. Zwischendurch kommt Sophie kurz vorbei, um uns etwas zu trinken und essen zu bringen und um Marie zu begrüßen.
„Ach Finny. Ich sollte dir von Shane noch ausrichten, dass er heute lange außer Haus sein wird. Du sollst dir keine Sorgen machen und ihn nicht suchen.“
Als Sophie das sagt, wird mir komisch im Magen. Ist es nicht eindeutig, dass er scheinbar nicht möchte, dass ich bei ihm bin? Verheimlicht er mir etwas? Oder hat er das heute früh vielleicht gar nicht einfach so im Schlaf gesagt? Ich danke ihr für die Info und zeichne weiter an meinem Bild. Aber ich bin nicht mehr wirklich konzentriert.
„Finny? Ist alles in Ordnung? Was ist denn los? Du brauchst doch keine Angst haben. Bestimmt ist es Shane nur peinlich was er gesagt hat und er hat sich daran erinnert.“, versucht Marie mich aufzumuntern, aber ich schüttel den Kopf.
„Nein. Er verheimlicht mir etwas, oder möchte mir ausweichen. Dabei haben wir uns doch erst wieder vertragen.“, murmel ich leise und sehe bedrückt drein. Marie nimmt mich kurz in den Arm.
„Mach dir doch nicht immer so viele Gedanken. Bestimmt hat er einen guten Grund, dass er heute fern bleibt. Und ich wette, der hat nichts mit dir zu tun!“
Ich wünschte, ich könnte auch mal so positiv denken, wie die anderen. Aber meine Gedanken fallen immer wieder in das negative ab. Ich seufze herzzerreißend auf und bringe ein schiefes Lächeln zu Stande. „Danke Marie.“, sage ich und gebe ihr flüchtig einen Kuss auf die Wange. Sie grinst und meint: „Schau mal da. Da musst du noch Schatten setzten.“
Ich schaue zurück auf mein Bild, schmunzle kurz und meine dann: „Bist du sicher? Meinst du nicht, dass dort das Licht hingefallen ist?“ Marie schüttelt den Kopf. Dann positioniert sie sich so, wie die Frau auf dem Bild.
„Schau. Hier ist Schatten.“ Sie deutet auf die Schattenstelle und ich muss feststellen, dass sie recht hatte. „Ach man. Ich muss mich wieder besser konzentrieren.“, murmel ich und fange an, den Schatten zu setzten.
„Nicht da! Da!“, meint Marie da plötzlich und ich bemerke, dass ich ein Feld zu weit hochgesprungen bin. „Ich bin echt ein Tropf.“, sage ich lachend und radiere den Schatten so gut es geht wieder weg. Da zerreißt mir das Bild und ich starre erst mal ein paar Sekunden auf das Blatt.
Marie verzieht ihr Gesicht und beißt sich auf die Lippen. „oh.“, bringt sie hervor und ich nehme das Blatt aus meinem Block, lege es neben mich und fange an, das komplette Bild erneut zu zeichnen.
Marie hält lieber ihren Mund. Ist vielleicht auch besser so. Ich bin momentan so genervt von mir selbst und meinen Gefühlen, dass ich am liebsten irgendwo gegen schlagen würde.
Ich seufze erneut. Zum Glück bekomme ich das Bild in einer knappen Stunden wieder in Ordnung. Nun beginne ich erneut die Schatten zu setzten, aber diesmal richtig. Marie hat sich währenddessen auf mein Bett gefletzt und den Fernseher angemacht. Jetzt zappt sie durch die Kanäle und schaut sich merkwürdige Serien an.
„Fertig!“, berichte ich mit stolz und zeige ihr vorsichtig mein vollendetes Bild. Sie klatscht kurz in die Hände und meint erfreut: „Das ist wunderschön geworden! Sogar noch besser, als das vorige. Vielleicht war es gar nicht so schlimm, dass du es zerrissen hast.“ Sie zwinkert mir zu und ich lächel schwach. „Na ja. Wie man es sieht, würde ich sagen. Liegt ja im Auge des Betrachters.“
Und da Marie bisher alle meine Bilder mag, denke ich, ich sollte noch eine weitere Meinung mit ein nehmen. Am besten ich frage Shane.
Da fällt mir ein, dass der Kerl ja vor mir flüchtet und nichts mit mir zu tun haben will. Wütend lege ich meinen Stift jetzt erst mal zurück in meine Tasche und packe das Bild weg, nicht dass es unter meinem Frust doch noch zerstört wird.
„Ich gehe ein bisschen raus.“, sage ich zu Marie und sie winkt ab. „Ich werde mal ein wenig mit Sophie reden. Also sehen wir uns nachher bestimmt noch mal.“
Ich verlasse das Zimmer und gehe wieder nach draußen. Immer wenn ich Probleme habe, gehe ich ein wenig spazieren, um meinen Kopf frei zu bekommen. Ich kicke einen Stein ein paar mal hin und her und wechsele dann zu einer Dose über, die ich mit einem gekonnten tritt in den Mülleimer befördere. Woher ich das kann? Ganz einfach. Ich war früher wirklich mal in einem Fußballverein, auch wenn man mir das vermutlich nicht glauben würde.
Nach einiger Zeit herumlaufen bleibe ich kurz stehen und strecke mich. Ich suche mir ein schönes Plätzchen im Schatten und setzte mich auf die Wiese. Ich schließe meine Augen und lausche den Geräuschen um mich herum. Ich höre den Wind leise durch die Blätter streichen, ein paar Vögel zwitschern und Kinder in einiger Entfernung spielen. Außerdem höre ich eine Gitarre, die mir sehr wohl bekannt vorkommt. Ich öffne meine Augen wieder und schleiche leise an Noel heran. Ich verstecke mich hinter einem Gebüsch. Ich schiele zu Noel herüber und beobachte ihn beim spielen.
Ist da nicht noch jemand? Als ich mich etwas anders positioniere und erneut hinschaue erkenne ich Shane. Was macht der denn hier? Ich dachte er kann Noel auf den Tod nicht ausstehen? Ich beobachte die beiden einige Zeit. Sie scheinen ganz normal zu reden, sich nicht anzuschreien oder an zu motzen. Sie sitzen da, spielen Gitarre, singen und reden. Irgendwie tut mir das Herz schon wieder weh, bei diesem Anblick.
Als Shane und Noel aufstehen und sich ein Getränk holen, folge ich ihnen unbemerkt. Ich bin gut im verstecken, was auch ein wenig mit meiner Größe zu tun hat. Aber was kann ich dafür, dass ich kaum noch wachse? Eigentlich ja gar nichts.
Zurück zum eigentlichen Geschehen. Jetzt sitze ich hier und stalke meinen besten Freund und meinen ehemaligen Schwarm, wie sie sich lachend unterhalten. Als Noel sich vorbeugt, um Shane einen Kuss auf die Wange zu drücken, denke ich, dass Shane ihn wegschiebt, aber er lässt es zu und unternimmt nichts. Ich versuche mir zu erklären, was da gerade abläuft, aber ich komme immer nur auf eine unangenehme Lösung.
Sie laufen weiter und Noel ergreift Shanes Hand und schmiegt sich an ihn. Ich schlucke schwer und stehe auf. Leise folge ich ihnen, beobachte sie bei ihrer Flirterei und bin kurz vor dem Würgen. Ok, ich übertreibe leicht, aber es ist trotzdem nicht schön mit an zu sehen.
Nach einiger Zeit bleiben sie erneut stehen und Shane macht sich eine Kippe an. Noel hindert ihn nicht daran, sondern zieht ebenfalls kurz daran. Ich sehe sie abwertend an und plötzlich dreht sich Shane um.
Mit weit aufgerissenen Augen starre ich ihn an. Ich spüre, wie meine Beine anfangen zu zittern und ich langsam ein paar Schritte rückwärts mache. Shane fällt die Zigarette zu Boden und er ruft erschrocken: „Finny! W-was machst du denn-“ Weiter kommt er nicht. Meine Beine haben sich mechanisch alleine in Gang gesetzt und fangen an zu rennen. Ich drehe mich um und renne einfach. Ohne auf meine Umgebung zu achten rempel ich einige Leute an, entschuldige mich knapp und renne weiter. Mir steigen erneut die Tränen in die Augen. Wie kann Shane mir das an tun? Warum macht er so etwas? Ich verstehe ihn nicht. Was habe ich ihm denn getan, dass er mir immer wieder weh tun muss?
Und auch Noel verwünsche ich dafür, was er getan hat. Wenn die beiden zusammen sind, dann soll Shane es mir sagen und Noel mir sofort einen Korb geben. Aber sie sollen mich nicht anlügen! Das verletzt mich doch nur noch mehr!
Das ist falsch! Falsch, falsch, falsch! Shane hat das falsche getan! Diese Versuchung, die er gestartet ist, war komplett falsch! Und das weiß er, denn ich höre, wie er mir hinterher rennt und meinen Namen ruft.
„Lass mich in Ruhe!“, schreie ich ihn an. „Du bist so ein Arsch! Wie kannst du mir das antun?! Erst sagst du mir, dass du mich liebst, und jetzt? Wenn du mit Noel zusammen bist, dann krieche doch zu ihm zurück! Lass mich in Ruhe! Spann jemand anderem seine Schwärme aus!“
Das hat scheinbar gesessen. Shane wird langsamer, bis er letztendlich ganz stoppt. Er sieht mir mit traurigen Augen hinter her, aber ich sehe es nicht. Ich laufe blind weiter und ignoriere seine Rufe.
„Denk doch mal nach, was du mir angetan hast! Du hast dich doch in Noel verknallt! Du bist doch auch nicht besser als ich! Hör auf mich zu benutzen, verdammt nochmal!“
Geht das überhaupt? Sich nach weniger als sechs Stunden erneut zu streiten? Und dann auch noch über das gleiche Thema wie vorher? Immer diese bescheuerte Liebe! Die brauch doch keiner!
Ich weiß nicht, wo ich hin soll. Was soll ich jetzt machen Mit Marie und Sophie reden? Nein, ich wollte sie nicht schon wieder mit hinein ziehen. Das wäre auch nicht gut. Die beiden haben ja schon kein eigenes Leben mehr, bei Shanes und meinen Streitereien.
Ich betrete das Haus und sperre mich sofort in mein Zimmer ein. „Finny?“, höre ich da Sophies Stimme hinter meiner Tür. „Finny, ist alles in Ordnung? Was ist passiert?“
Ich schweige. Ich möchte jetzt nicht reden. Ich will einfach nur weg hier. Ich hole meinen Rucksack hervor und packe einige Sachen hinein. Ich werde Morgen im Park bestimmt Rick sehen. Dann kann ich ihn gleich fragen, ob ich eine kurze Zeit bei ihm übernachten kann. Ich muss ja nicht den ganzen Tag bei ihm hocken. Aber wenigstens wüsste dann keiner, wo ich bin.
„Shane? Was ist passiert?“, höre ich Sophie fragen, als Shane gerade das Haus betritt.
„Lass mich in Ruhe! Ich will nicht drüber reden!“, motzt er sie an. Das finde ich nicht in Ordnung. Er soll seinen Frust nicht an unseren Freunden auslassen, aber ich sage dennoch nichts.
Ich liege nur still auf meinem Bett und weine. Ich schluchze leise auf und drücke mich ins Kissen, damit es niemand hört.
„Finny..“, murmelt Sophie mitfühlend. „Wenn du reden magst, komm einfach zu mir ins Zimmer, Ok?“ Sie verschwindet leise und ich bin wieder alleine. Mit verheulten Augen, die schon anfangen zu brennen und mit Kopfschmerzen, die mich fast umbringen und meinem Kater locker gewachsen sind und ihn so mit verdoppeln schlafe ich ein. Ich schlafe unruhig, träume von Shane und Noel, wie sie sich über mich lustig machen und mir aus dem Weg gehen. Wie sie mich hintergehen und meine Freundschaft ausnutzen.
Als ich am nächsten Morgen aufwache, ist es noch sehr früh. Es ist gerade mal halb sechs, somit ist auch noch keiner wach. Ich bin froh darüber, denn so kann ich in ruhe duschen gehen, ohne dass mich jemand bemerkt. Ich lasse das warme Wasser auf meiner Haut prickeln und genieße die Stille, die es in diesem Haus kaum gibt. Danach trockne ich mich schnell ab und verschwinde wieder im Zimmer. Als ich mich umgezogen habe, gehe ich in die Küche.
Ich stelle den Kaffeekocher an und schließe die Tür, damit die anderen nicht wach werden. Darauf kann ich gut verzichten. Ich habe es nicht nötig erneut Mitleid zu empfangen, was mich nur weiter runter zieht. Und auf Shane habe ich erst recht keine Lust.
Als mein Kaffee fertig ist, mache ich mir schnell ein Brötchen. Ich stopfe es in mich hinein und würge es hinunter. Eigentlich habe ich ja gar keinen Hunger, aber ich habe gelernt, dass es wichtig ist, dass man morgens immer etwas isst, also mache ich es auch.
In meinem Zimmer ziehe ich den Rucksack von gestern hervor. Ich schaue hinein und gucke, ob noch etwas fehlt an Sachen. Meine Zahnbürste und die Zahnpasta hole ich noch schnell aus dem Bad. Wechselklamotten und Unterwäsche habe ich dabei. Genauso wie Geld und Fahrkarte, die ich selten benutze diesen Monat.
Zufrieden verlasse ich mein Zimmer, schließe ab und packe den Schlüssel ein. Wenn Rick mich nicht bei sich wohnen lässt, schlafe ich halt irgendwo unter einer Brücke. Im Spiegel im Flur style ich noch einmal kurz meine Haare. Als alles perfekt ist, verlasse ich leise das Haus.
Im Park ist es zu dieser Zeit noch relativ kühl und leer. Also lasse ich mich auf die Bank vor dem Café nieder, bei dem Marie und ich Rick gestern kennengelernt haben.
Ich hole meinen I-Pod hervor und drehe die Musik voll auf. Ich entspanne mich und schließe die Augen. Müde bin ich zwar nicht mehr, aber kaputt schon etwas. Mir geht es so dreckig. Meine Augen und mein Kopf schmerzen noch immer und mein Herz macht sich auch bemerkbar, indem es vorgibt, von tausenden von Messer durchstochen worden zu sein. Mein Magen hat sich heute früh nach dem Frühstück erst einmal umgedreht und ich würde am liebsten in den nächstbesten Busch kotzen. Aber ich reiße mich zusammen und lasse es über mich ergehen.
Nach einiger Zeit ist die Sonne schon hoch am Himmel zu sehen. Sie scheint mir direkt ins Gesicht und ich spüre ihre Hitze auf mir liegen. Es ist ein angenehmes Gefühl, so früh am morgen. Denke ich jedenfalls, doch als ich auf die Uhr schaue, ist es bereits zwölf. Bin ich doch noch einmal eingeschlafen? Scheint so, denn die Leute betrachten mich, als wäre ich ein besoffener Penner.
Ich muss bei dem Gedanken grinsen. Dann entschließe ich mich wieder aufzustehen und mich zu strecken. Rick müsste eigentlich gleich vorbei kommen. Und als könnte er meine Gedanken lesen, läuft er gerade um die Ecke.
Ich winke ihm fröhlich zu und sein Hund Milo springt mich wieder an. Er scheint mich wieder
erkannt zu haben und das freut mich riesig. „Morgen~“, ruft Rick, der seinem kleinen Hund erst einmal hinter her laufen muss. „Guten Morgen.“, sage ich freundlich und wuschel Rick kurz durch die Haare. Er sieht mich schmollend an und streicht sie wieder glatt. Ich muss lachen, als ich das sehe und er fällt in mein Lachen mit ein.
„Hier.“, sage ich und gebe ihm Milo zurück. Er dankt mir und meckert erst einmal mit dem kleinen. „Hör auf Leute immer einfach so anzuspringen, das macht man doch nicht. Die erschrecken sich doch.“ Er sieht Milo erst böse an, lächelt dann aber. „Obwohl ich denke, dass es Finny eher weniger ausmacht.“ Ich nicke und wir laufen noch ein wenig weiter.
„Gehst du oft am Tag mit Milo spazieren?“, frage ich ihn, da ich mich noch nicht traue, das eigentliche Thema anzusprechen. „Ja, mit dem kleinen muss ich öfter mal raus. So ganz stubenrein ist der auch noch nicht.“ Rick grinst mich an und ich merke, dass er wirklich noch jünger ist als ich. Auch wenn es sich komisch anhört, da ich mich manchmal auch wie ein kleines Kind benehme.
„Wie alt bist du eigentlich?“, frage ich also und Rick sieht nochmal, was Milo gerade wieder macht. Der kleine hat ein Maulwurfshügel entdeckt und umkreist ihn schnuppernd und schwanzwedelnd.
„Ich bin 16 Jahre alt. Und du?“ Ich sehe ihn erstaunt an. „16? Ich bin schon 18. Dann bin ich ja im Gegensatz zu dir steinalt.“ Ich muss lachen und betrachte Rick schmunzelnd.
„Ich hätte dich auf 17 geschätzt.“, gebe ich zu. Er zuckt mit den Schultern. „Ich werde immer älter geschätzt, als ich bin. Aber ich werde ja in einem knappen viertel Jahr 17. Dann könnt ihr mich alle richtig schätzen.“ Er lacht und ich kicher ein bisschen.
„Und du bist schon 18? Hätte ich auch nicht gedacht. Ich dachte du bist auch so sechzehn, siebzehn.“ Ich sehe ihn gespielt beleidigt an. „Soll dass eine Andeutung auf irgendetwas sein?“
Er schüttelt wild den Kopf und entschuldigt sich.
„Ach ist doch kein Ding.“, sage ich grinsend. Als Milo wieder zu uns zurück rennt und einen toten Vogel vor Ricks Füßen ablegt, der ihn nur angeekelt betrachtet, gebe ich mir dann einen Ruck und frage: „Sag mal Rick. Würde es dich stören...also, würde es dir was ausmachen...ähm. Dürfte ich vielleicht...ein paar Tage..bei dir übernachten?“ Unsicher und leicht verlegen kratze ich mir am Hinterkopf. Rick sieht mich verwundert an. „Wieso dass denn?“, fragt er unsicher und ich lächel schief. „Ich habe mich mit Shane verkracht. Mein bester Freund. Weißt du doch. Und ich weiß nicht, wo ich sonst hin soll.“
Rick überlegt kurz, sieht zu Milo, sieht wieder zu mir und seufzt dann. „Klar, wenn du sonst niemanden hast, der dich aufnehmen kann. Aber wehe, du hast irgendwelche Hintergedanken und nutzt es aus, dass wir uns gestern kennengelernt haben!“
Holla, der Junge musste ja schlechte Erfahrung gemacht haben. „Danke.“, sage ich leise und wir gehen langsam Richtung Ausgang des Parks. Dass die anderen sich womöglich um mich sorgen werden, ist mir momentan echt egal. Ich muss auch mal an mich denken und so ziehe ich für wenige Tage bei Rick ein.
Texte: S. Wendler
Bildmaterialien: Google
Lektorat: Sandra
Tag der Veröffentlichung: 12.07.2012
Alle Rechte vorbehalten