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Kapitel 1

Geschichte war eigentlich ein schönes Fach, eines meiner liebsten. Doch bei dem Lehrer war es einfach nur schrecklich. Der schlief allein beim Reden fast ein. Dazu musste man sagen, dass es sich bei diesem Exemplar dort an der Tafel nicht um einen alten Tattergreis handelte, wie man eigentlich vermuten könnte, nein! 
Es war ein junger Referendar. Mittel-großer schlaksiger Kerl mit einer viel zu kleinen, runden Brille. Blonde zurecht gekämmte Haare. Im starken Kontrast dazu sein Bart, der ihn wie einen Penner wirken lies. Was auch ins Auge stach, war sein riesiger Adamsapfel. 
Der gute Herr schaffte es jedes noch so spannende Thema kaputt oder langweilig zu reden.

„Ich schlaf gleich ein“, flüsterte Lena links neben mir. Sie kritzelte schon die ganze Stunde auf dem Tisch herum. Ob ihr bewusst war, dass sie richtig Ärger bekam wenn das jemand bemerkte?
Ich sah ihr derweil interessiert zu. Weil ehrlich gesagt, alles war interessanter als der einschläfernden Stimme von Herrn Klee zu folgen. Glücklicherweise hatten wir nach dieser Stunde aus.  

Beim Verlassen des Klassenraums atmete ich erleichtert auf.

„Ich dachte schon die Stunde würde nie enden“, meckerte Lena, meine beste Freundin wie immer los.

„Du konntest dich wenigstens mit deiner Zeichnung beschäftigen“, erinnerte ich sie. 

„Ich weiß nicht was ihr habt, so schlimm ist er doch nicht“, kam jetzt Mia dazu. 

„Du hast die ganze Stunde unterm Tisch deinen Manga gelesen“, klinkte sich nun auch Siri ins Gespräch mit ein.

„Und fertig geschafft“, ergänzte Mia stolz. „Du hingegen hast die ganze Zeit über geschlafen“, tadelte sie.

„Einigen wir uns doch einfach darauf, das der Geschichtsunterricht bei Herrn Klee der langweiligste von allen ist“, plapperte Lena dazwischen.
Wir anderen nickten zustimmend. Gemeinsam liefen wir aus dem Schulgebäude. Ich verabschiedete mich von meinen Freundinnen und trat meinen Heimweg an.
Nach einem 15 Minütigen Fußmarsch kam ich zuhause an. Drinnen zog ich mir rasch bequeme Sachen an, schnappte mir meine Tasche und ging hinüber zu unseren Nachbarn. 


Mir wurde gleich nachdem ich geklingelt hatte die Tür aufgerissen. Gegenüber stand mir ein Engel, in Gestalt einer Frau. Eine herzliche Umarmung folgte.

„Emma da bist du ja endlich“, rief Blair erfreut. Sie trug heute ihre blonden Locken zu einem strengen Dutt gebunden. Ihre hellen blauen Augen blitzten fröhlich auf. „Fiona ist im Wohnzimmer. Du weißt ja wo alles ist. Wir sind um acht wieder da. Bis später“, flötete sie und schlenderte elegant zu ihrem Auto.

„Emi! Emi! Schnell komm es fängt schon an“, schrie es aus dem Haus.

„Welche Folge Fee?“, fragte ich als ich mich neben sie auf die schwarze Couch fallen lies.

„Ich glaube 45“, murmelte sie abwesend. Das kleine Mädchen saß mit einem Teller Pizza auf dem Sofa und verfolgte wie hypnotisiert, die Folge die über den Bildschirm flimmerte.

„Du weißt schon das deine Mutter dir eigentlich verboten hat so was anzusehen?“

„Ja und ich weiß das du mich nicht verpetzen wirst“, grinste die sieben jährige mich an.

„Aber auch nur weil ich One Piece genau so gerne mag wie du, als ich so alt war!“ Ich nahm mir ein Stück Pizza von ihrem Teller.

„Ich weiß Emma. Deswegen bist du ja die beste Babysitterin der Welt!“ Jetzt drehte sie sich zu mir und lächelte mich an. „Wer willst du gern sein? Ich will Nami sein! Die ist lustig, hübsch und haut immer die anderen!“

„Zorro!“

„Aber das ist doch ein Junge!.“ Fee sah mich mit großen Augen an.

„Schon, aber er ist auch richtig cool und stark.“ Damit schien sie sich zufrieden zu geben.


Nach der Folge machten wir zusammen Hausaufgaben.

„Weißt du was Emi. Heute hat Lea als erste ihren Füller-Führerschein bekommen. Frau Schnabel hat gesagt, wenn wir uns alle schön anstrengen und unsere Schönschrift üben, bekommen wir auch bald einen“, erzählte Fee fröhlich, während ich ihre Mathe Hausaufgaben kontrollierte.

„Ach echt? Und glaubst du, du bekommst ihn bald?“ fragte ich flüchtig.

„Na klar. Ich habe heute in der Schule schon viel geübt. Sogar die Fleißaufgaben“, strahlte sie stolz.

„Das freut mich das du dir so viel Mühe gibst Fee!“ Ich strich ihr durch die blonden kringel Löckchen. Sie sah aus wie ihre Mutter, nur in Mini Version. Das einzige was sie von ihr unterschied, waren die braunen Knopfaugen, von ihrem Vater Martin.

„Ich will schließlich mal so gut in der Schule werden wie du. Du bist mein Vorbild“, erklärte sie. Das rührte mich zutiefst.

„Oh dann musst du dich aber sehr anstrengen. Ohne Fleiß keinen Preis“, pflegte ich ihr bei. „Scheint alles richtig. Dafür kriegst du zur Belohnung ein Eis. Wollen wir ein wenig raus?“, fragte ich lächelnd. Schon war sie weg. Ihre Schuhe und ihre Jacke anziehen.

Obwohl es Oktober war, waren noch angenehme 18 Grad außen Temperatur. Deswegen hatten wohl auch die Eisdielen noch offen. Es war ein wunderschöner Herbsttag. Die Sonne schien und Blätter fielen von den Bäumen. Herrlich! Der Herbst war einfach meine Jahreszeit.
Fee und ich spazierten Hand in Hand durch den Park und gingen in die nahe gelegene Eisdiele. Durch Zufall war dort auch einer von Fees Klassenkameraden mit seiner Mutter. „Emi darf ich ein wenig mit Timo spielen?“

„Ja aber pass auf dein Eis auf. Wenn es runter fällt bekommst du kein neues.“ Nickend lief sie zu Timo.

„Schön zu sehen das es noch Geschwister gibt die sich verstehen und sich um einander kümmern. Wenn ich da an meinen großen denke. Er beschäftigt sich nie mit Timo, geschweige denn geht er mal mit ihm in den Park“, sagte eine leise Stimme. Eine sehr kleine rundliche Frau war neben mich getreten, die sich als Timos Mutter vorstellte. Sogar ich könnte der auf den Kopf spucken und das soll was heißen!

„Danke aber ich bin nicht Fionas Schwester. Ich bin nur der Babysitter.“ Enttäuscht sah sie mich an. 
Das passierte seltsamerweise ziemlich oft, wenn ich mit Fiona unterwegs war. Nicht das es mich störte, aber wir sahen uns nicht im geringsten ähnlich! Sie, ein blondes Lockenköpfchen und ich dagegen mit meinen ebenholz braunen Wellen Haaren. Sie helle braune, fast goldene, Knopfäuglein und ich feilchen blaue Augen. 

Im Prinzip waren wir schon so etwas wie Schwestern. Blair kannte meine Familie seit ich ein kleines Mädchen war. Sie war damals, ohne Geld und Zuhause nach Deutschland gekommen. Meine Mutter hatte eine Freundin zum Flughafen gebracht und sie dort aufgelesen, als sie gerade einen Mülleimer plündern wollte. Sie nahm sie mit zu uns Nachhause. Blair wohnte dann auf unserem Dachboden und passte immer auf mich und meine Schwester auf, wenn meine Eltern nicht da waren. Sie wurde unser Kindermädchen.
Irgendwann lernte sie dann Martin kennen, der neben uns eingezogen war. Sie verliebten sich und nach nicht allzu langer Zeit, kam dann Fiona. Blair zog rüber zu Martin und ich besuchte sie fast täglich nach der Schule. So kam es auch das ich mit 14 anfing auf Fiona aufzupassen. Das war mittlerweile drei Jahre her. Blair vertraute mir blind. Fiona und ich verstanden uns schon immer wunderbar. 
Häufig war ich bei den Schneiders, da Blair und Martin ihr eigenes Reisebüro und somit alle Hände voll zu tun hatten. Es lief außerordentlich gut, weshalb Blair der Meinung war, mich für meine 'Mühen' zu belohnen. In Form von: Sie steckte mir immer mal wieder heimlich einen 20€ Schein zu! Ich konnte sie leider nicht davon abbringen und sparte daher das Geld für Mädchenkram oder ähnliches. 

Ich hatte dort sogar mein eigenes Zimmer. Manchmal an den Wochenenden, wenn sie auf eine Party oder ähnliches eingeladen waren, übernachtete ich im Gästezimmer. Meine Eltern störte es nicht. War ja gleich nebenan. Und wenn was wäre, könnte ich immer schnell zu ihnen. Wir waren so was wie eine große Familie fand ich.

„Fee wir müssen gehen!“, schrie ich um 17:00 Uhr über die Wiese.

„Können wir nicht noch ein bisschen bleiben? Ich spiele gerade mit Timo Geheimagenten“, bettelte Fiona. Wie gut das ich das schon kannte. Sie machte ihre Augen groß und lies ihre Unterlippe zittern. Gekonnt schaute ich an ihr vorbei.

„Nein deine Eltern kommen bald. Du siehst Timo morgen in der Schule. Und wenn du willst kannst du ihn gerne mal anrufen, damit er nachmittags zum spielen kommt.“ Damit war sie einverstanden.
Zuhause machte ich ihr einen Teller Nudeln mit Körnchen. Sie liebte dieses Gericht genauso wie ich. Vom ihren Charakterzügen war sie eher dann eine kleine Ausgabe von mir, wenn ich es mal näher betrachtete. Vielleicht verstanden wir uns deshalb so super. Danach schaute sie bis kurz nach acht Super RTL und machte sich dann Bett fertig. Sie war es schon gewöhnt das ich sie ab und zu mal ins Bett brachte.

„Gute Nacht Fee träum was schönes.“ Ich gab ihr einen Kuss auf den Kopf und schloss dann die Tür hinter mir.
Unten im Wohnzimmer setzte ich mich in den Schaukelstuhl und las ein Buch von Erica Spindler. Irgendwann hörte ich wie jemand einen Schlüssel im Schloss drehte. „Emma es tut mir so leid. Es waren heute so viele Kunden da. Ich konnte Martin mit der ganzen Arbeit nicht alleine lassen. Bitte sei nicht böse.“

„Ach was das ist schon in Ordnung. Fiona und ich haben uns gut alleine beschäftigt“, versuchte ich die hysterische Blair zu beruhigen.

„Du bist immer so verstänisvoll Emma. Ich muss dich leider um noch etwas bitten. Kannst du morgen nochmal kurz rüber kommen. Nicht lange höchstens zwei Stunden. Bitte dafür nehme ich dich den Rest der Woche dann nicht mehr in Beschlag“, versprach mir Blair. Sie lief mit hinterher in den Flur wo ich meine Schuhe anzog.

„Naja ich habe mich für morgen schon mit Lena in der Stadt verabredet. Aber ich denke sie wird es verstehen wenn wir uns ein wenig später treffen.“

„Oh Emma ich will nicht das dein Privatleben unter Fiona leidet. Du bist ja in einem Alter wo man ganz andere Dinge im Kopf hat als kleine Kinder zu betreuen.“

„Nein! Meine Güte Blair, jetzt komm mal wieder runter. Ich passe wirklich unheimlich gerne auf Fiona auf. Sie ist wie eine kleine Schwester. Mein Privatleben leidet keinesfalls darunter. Ich bin ja auch nicht jeden Tag hier. Also ich mach das schon morgen. Ich sag Lena das wir uns dann eben erst um 16:00 Uhr treffen.“

„Emma du bist ein Schatz. Vielen Dank. Keine Sorge du wirst es nicht bereuen morgen hier zu sein“, sagte sie und grinste mich vielsagend an. Ich schaute verwirrt zurück und ging dann nachhause.

„Bin da wer noch?“, schrie ich durchs Haus als ich die Tür öffnete.

„Wohnzimmer“, brüllte mein Vater. Im Wohnzimmer schauten meine Eltern die neuste Folge von den Geissens. Alles normal. Ich ging zum Couchtisch, nahm das Cola Glas meines Vaters und trank einen kräftigen Schluck. Mir fiel erst jetzt auf das ich heute mal wieder viel zu wenig getrunken hatte.

„Hey du Vogel. Jetzt kannst du mir gleich was neues holen. Wenn du so weiter machst, schenkst du dir heute noch ein Tässchen unsympathisch ein.“ Mein Vater hatte da so seine eigene Ausdrucksweise.
Brav holte ich meinem Papa ein frisches Glas Cola und ging dann hoch ins Bad. Frisch geduscht stieg ich ins Bett und segelte kurz darauf ins Land der Träume.

Kapitel 2

Am nächsten Morgen musste ich mich ziemlich beeilen. Mein Wecker alias meine Mutter weckte mich viel zu spät. Hatte zur Folge, das ich mich gerade hintereinander mal an meinem Kakao, danach an meinen Toast verschluckte. „Langsam Emma du musst nicht so schlingen“, beschwichtigte meine Mama, während sie mir halbstark auf den Rücken klopfte. Daneben stand mein Vater der zu den zarten Klängen von ZZ Top, durch die Küche tänzelte. Das sah mehr aus als hätte er seltsame Krämpfe und zu gleich Zuckungen.

„Von wegen wer hat mich denn zu spät geweckt?“, fragte ich aufgebracht als ich wieder halbwegs Luft bekam.

„Keine Sorge ich nehme dich dann mit.“ Erleichtert konnte ich in normalen Tempo weiter essen. Eine halbe Stunde später saßen wir im Auto und waren wieder spät dran!

„Mama fahr los! Ich schreibe in der ersten Stunde einen Test in Geschichte!“, kreischte ich völlig im Stress.

„Schrei mich bitte nicht an Emma. Du kommst schon pünktlich“, sagte meine Mutter vollkommen ruhig. 
Fünf Minuten später stand sie vor meiner Schule und ich war natürlich nicht pünktlich. Aus dem Auto stürzend rief meine Mama mir hinterher, das ich doch meine Tasche bitte mitnehmen sollte.

„Danke“, murmelte ich gestresst und rannte ins innere des kleinen Gebäudes. Dafür das ich in München wohnte, war das Gymnasium auf das ich ging, ziemlich winzig.

Ich sollte mehr Sport machen! Völlig aus der Puste stand ich vor meinem Klassenraum und öffnete leise die Tür. Ich trat ein und sah zwar, dass meine Klassenkameraden schrieben, jedoch unser Lehrer wohl nicht mal bemerkt hatte, dass ich nicht anwesend war. Diese Schlaftablette! 
Still setzte ich mich auf meinen Platz und bearbeitete das Blatt, dass er trotz meines Fehlens auf meinen Platz gelegt hatte. Wahrscheinlich dachte er die Person sei nur auf dem Klo. Denn ich bemerkte an vielen leeren Plätzen, wo noch nie zuvor jemand gesessen hatte, lagen auch Arbeitsblätter. Anscheinend dachte er wirklich das unsere Klasse ursprünglich aus 35 Schülern bestand.  
 
Im Anschluss hatten wir Kunst bei Frau Schmidt. Wir durften eine Collage machen indem wir aus verschiedenen Zeitschriften Bilder ausschnitten. Die sollten wir auf ein Blatt kleben und darum irgendwas kreatives und buntes malen. Das sollte dann darstellen was wir uns wünschten und erträumten. Gelangweilt blätterte ich durch ein Sportmagazin für Männer. Auf dem Cover war Detlef D Soost abgebildet. 

Ja man merkte es gab hier viel geeignetes.

„Hey Mia ich find nichts und sieh mal“, ich deutete auf das Cover, „dein Traummann“, murmelte ich und grinste leicht.

„Hmm?“ Sie blickte von ihrer Zeichnung auf.

„Mia wir sollen uns mit dem Thema beschäftigen und nicht selber kreativ sein“, raunte ich ihr zu.

„Das ist doch öde! Wenn es auf so was Noten geben würde“, sie hielt ihr Blatt hoch, auf dem sie eben noch herum gekritzelt hatte, „dann würde ich nur Einsen bekommen! Und sehr witzig. Der Typ da ist hässlich.“

„Du kriegst doch auch so nur gute Noten in Kunst, im Gegensatz zu mir“, beschwerte ich mich.

„Dafür bist du Klassenbeste. Mit Ausnahme in Kunst und Musik.“ Das war wohl wahr. Ich schrieb tatsächlich nur gute Noten und tat nicht mal irgendwas dafür. Dafür war ich zeichnerisch untalentiert und als wäre das nicht genug, auch total unmusikalisch. Im Gegensatz zu Mia die, Flöte, Geige, Klavier und Gitarre spielte und ihre eigenen Figuren zu Papier brachte! Aber wer konnte schon alles?

„Ja ich frage mich wie du das immer machst! Du lernst null, vergisst ständig deine Hausaufgaben, aber darauf gehen die Lehrer schon gar nicht mehr ein. Du kriegst so oder so nur Einser und Zweier. Wie machst du das nur?“, mischte sich Siri rechts von mir ein. Hatte sie nicht Musik gehört?

„Ach das weiß sie doch selber nicht. Wahrscheinlich haben ihre Eltern ihr als Baby ein Aufnahmegerät oder ähnliches ins Gehirn gepflanzt und das zeichnet jetzt alles auf. Das kann sie dann immer nach belieben abspielen“, murmelte Lena, ohne von ihrem Bild aufzusehen. Ich hatte auch schon einige Male darüber nachgedacht was nicht mit mir stimmte. Letztlich kam ich zu dem Schluss das ich entweder ein fotografisches Gedächtnis oder ich einfach ein leichteres Verständnis für den Stoff hatte als die anderen. 
Ich wollte gerade etwas erwidern, da fuhr Frau Schmidt dazwischen: „Na hat die Damenreihe nun auch mal zu Ende getratscht?“ Wir nickten alle eifrig. Sie stampfte grimmig zurück hinter ihr Pult und feilte ihre Nägel weiter.

 
Die Pause verbrachten wir mit Alex, Henri und Bruno. Lena unterhielt sich hauptsächlich mit Henri. Ich hegte ja schon seit längerem den Gedanken, dass sie sich in ihn verguckt hatte. Auf verdrehte Art und Weise fand ich, passten sie sogar ganz gut zusammen. Später in der Stadt, musste ich sie auf jeden Fall mal darauf ansprechen.

„Lena ich kann heute erst um 16 Uhr. Ich muss davor noch auf Fiona aufpassen“, teilte ich ihr mit, um gleich alle Fragen auszuräumen.

„Schon wieder?“, fragte sie leicht beleidigt.

„Tut mir leid es ist ein Notfall. Anschließend bin ich vollkommen für dich da“, versuchte ich sie damit zu besänftigen. Sie gab sich damit zufrieden, wenn auch nur halbherzig und besprach weiter mit Henri was in der heutigen Chemie Abfrage dran kommen würde.

„Emma hast du endlich eine Einladung bekommen?“, fragte Alex aus heiterem Himmel.

„Nein“, grummelte ich, „Du etwa“, kam meine Gegenfrage.

„Nö aber ich bin ja auch nicht so versessen darauf wie du“, erklärte er trocken.

„Ich bin nicht versessen darauf. Ich würde nur auch gerne auf die Halloween Feier von Mike gehen. Jeder der in irgendeiner Weise cool ist geht dahin“, erzählte ich begeistert.

„Dann ist es doch kein Wunder das er uns nicht einlädt“, meinte Bruno schulterzuckend.

„Was soll das heißen?“, zischte ich.

„Das heißt schlichtweg das du zu unscheinbar für jemand wie ihn bist. Ein Streber eben. Wir", er zeigte auf Alex, sich und Bruno, „sind einfach uncool oder zumindest nich cool genug für Mikes Party“, erklärte Bruno sachlich. Hatte der heute wieder seinen gesprächigen Tag? Normalerweise antwortete er doch auch nur einsilbig. „Alles in allem sind wir die Zusammenschließung der Loser. Ich vermute zumindest das außenstehende so über uns denken könnten. Das ist ja nichts schlechtes. Ich muss nicht mit jedem befreundet sein. Die meisten Leute hier sind sowieso dämlich“, fuhr er fort. Da musste ich ihm leider recht geben. 

„Ich bin doch kein Streber“, empörte ich mich nachhaltig. Lena verdrehte die Augen.

„Stimmt du bist ein Glückspilz. Du machst nichts und hast trotz allem die besten Noten“, wandte Alex ein. Nicht schon wieder dieses Gespräch! War heute der auf “Emma rum-hack Tag“?

„Außerdem ich finde es ein wenig hart das du sagst wir wären die Loser der Schule.“ Beleidigt verschränkte ich die Arme vor der Brust.

„Nicht der Schule, aber in unserer Klasse gibt es halt bestimmte Gruppen und zu den 'coolen' gehören wir nicht. Ergo sind wir total unauffällig und Mike lädt solche Leute wie uns nicht auf seine Party ein“, erklärte Bruno seine brilliante Theorie weiter.

„Aber hey sei doch froh. Du bist hübsch und hast was im Köpfchen“, versuchte Alex mich aufzumuntern.

„Nur Mike sieht das nicht so“, jammerte ich.

„Emma vergiss doch diesen Schwachmaten! Es gibt viel bessere Typen da draußen“, regte Alex sich auf. Bevor ich noch etwas erwidern konnte, klingelte es zum Pausenende. Zusammen machten wir uns auf den Weg zum Chemieraum.

Immer noch ein wenig deprimiert, ging ich nach der Schule direkt zu den Schneiders. Blair riss mir sofort die Tür auf. Sie sah schrecklich aus, als hätte sie die ganze Nacht durch gemacht.

„Blair du siehst furchtbar aus. Was ist los? Bist du krank?“, forschte ich gleich besorgt nach.

„Alles bestens. Komm rein ich hab gekocht. Fiona wartet schon auf dich“, versuchte Blair vom Thema abzulenken.

„Emi schau es gibt Milchreis mit Apfelmus“, rief Fee mit vollem Mund, als ich durch die Küchentür trat.

„Wow lecker. Und Fee wie war die Schule?“, fragte ich interessiert.

„Super im Sportunterricht, haben wir “Steh Bock-Frei Bock“ gespielt. In Musik haben wir der Kuckuck und der Esel gelernt. Soll ich es dir mal vorsingen?“

„Wenn du willst“, erwiderte ich lächelnd. Wir saßen am Esstisch während Blair angespannt durchs Haus wuselte.

„Blair könntest du dich bitte mal hinsetzen? Du machst mich ganz kirre“, rief ich als Fiona mit ihrem Lied fertig war.

„Mama was ist denn los?“ Jetzt merkte schon die kleine, dass mit ihr etwas nicht stimmte.

„Tut mir leid ihr zwei“, antwortete Blair betreten und setzte sich zu uns. Wir unterhielten uns noch ein bisschen bis Blair wie von der Tarantel gestochen aufsprang und aus der Küche eilte. Sie zog im Flur einmal einen Sneaker und auf dem anderen Fuß ihren, mit der amerikanischen Flagge bedruckten, Chuck an. Blair musste echt neben der Spur sein, wenn sie sogar schon zwei verschiedene Schuhe anzog und mit Haaren wie von einer Vogelcheuche nach draußen wollte. Normalerweise achtete sie immer darauf das sie gepflegt und ordentlich das Haus verließ.

„Bis später ihr beiden. Habe euch lieb“, rief sie über die Schulter uns zu. Verwirrt sahen wir wie die Tür zu fiel und hörten das Auto davon brausen. 
Schulterzuckend liefen wir nach oben in Fionas Zimmer und ich spielte Barbie mit ihr.

 

„Ich bin Rapunzel und du bist der Prinz der sie rettet“, erklärte Fiona.
Ihr Zimer war im typischen Mädchenstil gehalten. Rosa Wände und selbst gemalte Diddlmäuse grinsten mich an. Ein Stockbett mit Hello Kitty Bettbezug stand neben der Tür. Ein kleiner Schreibtisch mit Lampe gegenüber und dahinter ein riesiges Fenster mit weißen Vorhängen. Daneben ein weißer Kleiderschrank und dann noch vereinzelt weiße Regale, wo Bücher, Cd's, Filme und Spiele darin lagen.

„Wir sind da“, schrie es plötzlich von unten. Langsam rappelte ich mich vom pinken Flauschteppich auf und begab mich ins untere Stockwerk. Fiona baute derweil ihr komplettes Barbie-Arsenal auf.

„Hey Blair, Fiona ist ob-.“ Mir stockte der Atem. Vor mir stand jemand, der keineswegs Blair sein konnte.
Ein großer breiter Typ in hellen Jeansshorts und grauen Muskelshirt.
Wie konnte er bei dem Wetter nur so herum laufen, war mein erster Gedanke. Wir hatten schließlich Oktober!
Schöne gebräunte durchtrainierte Waden. Seine genauso gebräunten Arme luden geradewegs zum träumen ein und an seinem Handgelenk trug er ein Lederarmband.
Mein Blick wanderte weiter zu seinem Hals um den er eine silberne, etwas längere, dünne Kette trug. Er stand seitlich zu mir. So konnte ich nur ein Teil seines Gesichtes sehen. Das reichte jedoch schon um sagen zu können, das er verboten gut aussah. Hohe Wangenknochen, fein definierter Kiefer. Den Mund konnte ich von der Seite nicht so gut sehen. Eine wunderbar gezogene Nase und eine wohlgeformte Stirn. Kurze, dreckblonde Haare die eine perfekte Länge hatten und in die man sich am liebsten reinlegen würde rundeten das Gesamtbild ab.
Plötzlich drehte sich der mysteriöse Kerl in meine Richtung. In dem Moment erklang eine Melodie in meinem Kopf, aber ich war viel zu abgelenkt um auf das Lied zu kommen.
Mir blieb der Mund offen stehen. Von vorne sah er gleich noch zehn mal besser aus. Jadegrüne Augen blickten mich an. Umrandet wurden sie von langen, dichten Wimpern auf die so manch eine Frau eifersüchtig werden könnte.
So eine intensives grün hatte ich in meinem ganzen Leben noch nie gesehen. Es schien als wären hell und dunkel in seinen Augen miteinander zu einer perfekten Mischung verschmolzen.
Ich war so verzaubert, dass ich es nicht schaffte meinen Blick von ihm abzuwenden. Wie konnte man nur so unglaublich schön aussehen? 

Er stellte ohne Frage jeden Jungen aus meiner Schule in den Schatten. Ach was, jeden Kerl den ich jemals gesehen hatte! Er sah aus, wie aus einem Mode Magazin entsprungen, obwohl die meisten Männer in diesen Heftchen, meiner Meinung nach, ziemlich unästhetisch aussahen. 
So wundervoll konnte doch einfach niemand sein. Ach ja stimmt, da gab es ja noch Blair.  
Auf einmal fiel mir eine unglaubliche Ähnlichkeit zwischen den beiden auf. Wer war dieser Typ nur? Bevor auch nur ein Ton über meine Lippen gelangen konnte, kam Blair aus der Küche spaziert.

„Oh hallo Emma. Habt ihr euch schon kennen gelernt?“ Geistesabwesend schüttelte ich mit dem Kopf und somit verschwand auch die Melodie.

„Dann übernehme ich das mal. Emma das ist mein Sohn Dean. Ihr dürftet ungefähr im gleichen Alter sein. Er ist von Amerika hierher geflogen. Sein Vater hatte einen Schlaganfall und befindet sich im Moment in einer Reha Klinik. Deswegen lebt er jetzt bei uns“, erklärte Blair erfreut. Sie sah allerdings eher verzweifelt aus. Dean schaute auch alles andere als glücklich drein. Ich glaubte mich zu erinnern, dass Blair mal von ihm gesprochen hatte, als ich noch klein war. Die Erinnerung war jedoch sehr schwammig.

„He-ey... My-y Na-ame i-is...“ .

„Wo ist mein Zimmer?“, fragte er genervt mit einem leichten Akzent an Blair gewandt. Das war ja ein unhöflicher Zeitgenosse. Als wäre ich Luft.

„Ähm ich habe Milchreis gekocht wenn du möchtest“, versuchte Blair die angespannte Situation zu lösen.

„Hab keinen Hunger. Also?“

„Zweiter Stock, wir haben extra den Dachboden für dich renovieren und neu einrichten lassen. Ich hoffe es gefällt dir“, blieb Blair krampfhaft freundlich.

„Wäre nicht nötig gewesen“, antwortete er ruhig und warf ihr einen feindseligen Blick zu. Er lies es sich nicht nehmen im vorbei gehen, mit seinem Finger meinen Mund zuzuklappen, der die ganze Zeit offen gestanden hatte, und spitzbübisch zu grinsen. Das sah unglaublich niedlich aus.

Traurig schlappte Blair zurück in die Küche und schenkte sich einen Kaffee ein. Ich folgte ihr. Verwundert setzte ich mich zu ihr an den Tisch.

„Blair was war das gerade?“ Endlich war meine Stimme wieder halbwegs zurück.

„Was meinst du?“

„Verkauf mich nicht für blöd. Das eben war nicht gerade die herzlichste Familienzusammenführung der Welt. Und überhaupt, wie kannst du den so mit dir reden lassen? Er ist immer noch dein Sohn“, antwortete ich empört, als wäre ich diejenige die er so angefahren hatte.

„Das ist mir bewusst. Aber ich verstehe ihn schon. Ich bin doch die, die sich jahrelang nicht bei ihm gemeldet hat. Dann kriege ich vor zwei Monaten eine E-Mail von meinem Ex, dass er sich nicht mehr um Dean kümmern kann. Er ist krank musst du wissen. Jetzt hatte er auch noch diesen schlimmen Schlaganfall. Deswegen ist Dean nun früher hier als erwartet. Das tut mir alles so schrecklich leid. Ich meine, ich weiß nichts über ihn. All die Jahre war ich zu feige ein Lebenszeichen von mir zu geben. Und jetzt ist er hier und verachtet mich. Fuck! Was bin ich nur für eine grausame Mutter?“ Blair brach vor mir in Tränen aus. Das letzte mal als ich sie weinen gesehen hatte, war ich so alt wie Fiona. Es war auch das erste Mal das Blair mir ein wenig etwas aus ihrer Vergangenheit, bevor sie nach Deutschland kam, erzählte.

„Nein Blair das bist du nicht. Du bist eine ganz wundervolle Mutter. Sieht man doch an Fee“, redete ich ihr gut zu und tätschelte ratlos ihre Hand. Man ich war echt eine Niete im trösten!

„EMIIII!“, kreischte es laut von oben. Das war Fiona! Ich wollte schon aufspringen, da kam sie bereits in die Küche gerannt. „Emi! Emi! Da oben ist ein fremder Mann. Der ist in unser Badezimmer gegangen“, schilderte sie völlig aufgewühlt.

„Ein fremder Mann?“, fragte ich verwirrt nach. Wer zum Teufel... Dean!

„Das ist dein neuer Bruder“, murmelte Blair unverblümt, das Gesicht in den Händen vergraben. Also das hättte man wirklich feinfühliger sagen können.

„Mein Bruder?“ Ungläubig starrte das kleine Mädchen seine Mutter an.

„Emma du kannst jetzt gehen. Mach dir noch einen schönen Tag. Ich hab dich schon viel zu lange in Beschlag genommen“, strahlte Blair nun wieder, als wäre nie etwas gewesen. Ich wollte protestieren, dass ich sie in so einer Situation bestimmt nicht mit dem da oben alleine lassen würde. Doch sie drückte mir meine Tasche in die Hand und schob mich hinaus. 

Grübelnd machte ich mich auf den Weg zu unserem Lieblingsstarbucks.

„Emma da bist du ja endlich. Du wirst solange du lebst es wohl niemals schaffen pünktlich zu sein oder?“, nörgelte Lena los, sobald sie mich erblickte.

„Tut mir leid, aber ich habe einen guten Grund. Komm wir setzen uns als erstes rein, dann erzähle ich dir alles.“ Vier Stunden und drei verschiedene Getränken sowie Gebäck später, verließen wir das Café und bummelten noch ein wenig durch die Stadt.

„Und er sieht wirklich so gut aus? Besser als David Tennant, Benedict Cumberbatch oder Ian Somerhalder?“, fragte Lena eben zum zehnten Mal. Genervt verdrehte ich die Augen.

„Ja verdammt, einfach unglaublich. Du weißt ja das ich David und Benedict nicht so toll finde, aber er hält locker mit Ian Somerhalder mit!“, bestätigte ich erneut, obwohl ich meinen eigenen Worten nicht so wirklich glaubte.

„Ob da drüben wohl alle so gut aussehen? Ich meine jetzt Leute in unserem Alter“, überlegte sie laut.

„Keine Ahnung du kannst ihn ja fragen.“ Lena zeigte mir einen Vogel. „Was ist eigentlich mit dir und Henri? Du magst ihn!“

„Ist das so offensichtlich?“ Ich nickte. „Ja eigentlich ist er gar nicht mein Typ. Ich meine... ich weiß nicht mal genau was mein Typ ist. Er ist groß und dünn. Seine Nase finde ich witzig und seine Brille niedlich. Sein Klamotten Stil... Naja was soll ich sagen? Aber wenn ich in seine blauen Augen schaue, muss ich jedes mal dämlich grinsen. Ich glaube ich habe mich ein wenig verliebt“, jammerte Lena. Das hatte sie definitiv. Lena sagte sonst nie so kitschige Sachen. Sie fand, das nur Leute aus Liebesfilmen solche peinlichen Dinge sagten und sie diese Filme deswegen schon nicht mochte! 

Während sie so erzählte, leuchtete ihr blaues Glücksauge und sie lächelte dümmlich vor sich hin. Die Augen von Lena unterschieden sich ein wenig. Sie waren blau und das linke schimmerte noch leicht gelblich um die Pupille. Ihre kurzen, hellbraunen Haare wehten ihr ins Gesicht, während sie verträumt in die untergehende Sonne blickte.

„Ach was du hast einfach einen eigenen Geschmack. Ich zumindest kenne kein Mädchen das mit einem The Walking Dead T-shirt oder einem Schallschraubenzieher von Doctor Who in die Schule kommen würde. Auch wenn das eine nichts zum anziehen ist. Also wirst du es ihm sagen?“

„Was? Nein!“

„Du willst ihn also weiter aus der Ferne an schmachten und so tun als wärt ihr bloß Freunde?“

„So siehts aus. Er mag mich bestimmt nicht. Ich bin nicht sein Typ.“

„Ich könnte ihn doch mal...“

„NEIN! Du mischt dich da nicht ein.“

„Aber-“

„Nein Emma. Bitte ich möchte das nicht. Das würde am Ende nur unsere Freundschaft ruinieren.“
Notiz an mich: Ich würde sie demnächst weiter nerven, bis sie mir erlaubte ihr unter die Arme zu greifen. 

Um 19 Uhr fuhr ich nachhause und stand um halb acht vor meiner Tür. „Hey bin wieder zuhause“, schrie ich und zog meine schwarze Lederjacke aus.

„Bin in der Küche“, kam es von meinem Vater. Er machte sich gerade sein Abendbrot. „Wie war dein Tag Emma?“, fragte er lächelnd.

„Ganz okay. Sag mal wusstest du das Blair einen Sohn hat?“

„Ich glaube sie hats mal erwähnt, wieso?“

„Der ist aus den Staaten hierher gekommen und wohnt jetzt bei ihr.“

„Das ist doch toll. Vielleicht stellt sie ihn uns demnächst mal vor.“
Ich ging nach oben in mein Zimmer, zog mich aus und brauste mich kurz ab. Danach schaute ich noch mit meinen Eltern ein wenig fernsehen uns ließ grübelnd den Tag ausklingen.

Kapitel 3

Wir hatten Mittwoch und meine Mutter damit später Dienst. Mein Vater hatte mich um sechs Uhr geweckt und war danach direkt zur Arbeit gefahren. So quälte ich mich aus meiner warmen Decke und ging runter.
Ich merkte sofort dass das heute ein beschissener Tag werden würde. Wir hatten kein Kakaopulver mehr. Der Toast war auch alle. Klasse! Meine Eltern sollten sich gefälligst ein Haushaltsbuch anschaffen.
Stattdessen aß ich dann Nesquik Knusperfrühstück. Das kam wenigstens im weitesten Sinne an einen Kakao ran. 

Plötzlich klingelte es an der Tür. Verflucht wer klingelt denn in dieser Herrgotts Früh? 
Im Schneckentempo schlurfte ich in den Flur.
Davor stand kein anderer als Dean. Und heute hatte er sich doch wirklich mal dazu durch gerungen lange Sachen anzuziehen. Zumindest trug er diesmal eine lange Jeans und darüber ein graues Oberteil und eine dunkle Lederjacke. Ich überlegte schon krampfhaft was ich ihn auf Englisch sagen sollte, bis mir einfiel das er ja Deutsch sprach!

„Guten Morgen! Ich soll mit dir zur Schule gehen“, kam es meiner Meinung nach, viel zu gut gelaunt von ihm. Er lies seinen Blick über mich gleiten und fing an zu grinsen.

„Hübscher Pyjama!“ Ich überlegte durchaus, ob ich die Tür einfach wieder zuschlagen sollte, doch da war er bereits an mir vorbei ins innere des Hauses geschlendert. Ja ein riesiges T-shirt mit Micky Maus vorne drauf und einer kurzen Hose, die fast komplett unter dem XXL-Shirt verschwand, waren eben nicht sehr sexy. 

Wir saßen nun in der Küche und starrten uns gegenseitig an. „Wolltest du vielleicht frühstücken?“ Er deutete auf die Schüssel, die auf dem Tisch stand. Ruhig schaute er mich an, während ich meine mittlerweile aufgeweichten Kellogs aß.

„Hast du nichts besseres zu tun?“, schnauzte ich ihn aufgebracht an.

„Nein.“ 
Nach dem Frühstück lief ich schnell hoch in mein Zimmer, zog mir einen weißen Wollpullover und eine schwarze Jeans an. Kämmte einmal kurz durch meine Haare und putzte Zähne. Schon stand ich wieder neben ihm.

„Wir können“, rief ich ein wenig zu enthusiastisch.

„Schade den Pyjama fand ich lustiger.“
Stillschweigend liefen wir, mit einem Meter Abstand zwischen uns, nebeneinander her. Eigentlich hörte er Musik und ich fühlte mich unwohl in seiner Gegenwart. Ich warf ihm einen verstohlenen Blick zu und bewunderte mal wieder seine Schönheit.

„Jetzt bist du es die mich anstarrt“, ertönte seine arrogante Stimme. Oh je da hatte ich wohl ein wenig zu lange gestarrt.

„Überhaupt nicht. Ich habe eben nur fest gestellt das du gar nicht so perfekt aussiehst wie ich auf den ersten Blick dachte." Als mir auffiel was ich gerade von mir gab war es bereits zu spät. Sein Grinsen bestätigte mir nur das ich es nicht mehr leugnen konnte. 

„Sicher", war sein einziger Kommentar und ich war kurz sprachlos von so viel Arroganz und Selbstüberzeugung. Um meine Unsicherheit zu überspielen versuchte ich ein Gespräch anzufangen: „Und du gehst jetzt auf dieselbe Schule wie ich?“ Das war schon mal ein Anfang.

„Offensichtlich“, war seine kurze, jedoch spöttische Antwort.

„Wie alt bist du denn?“ probierte ich es freundlich weiter.

„18.“ Wieder kam nichts weiter.

„Dann müsstest du in der zwölften sein, denk ich?“

„Wow du kannst sogar rechnen.“ Das war das erste mal, dass er mehr als ein Wort sagte. 

„Was soll das denn heißen? Du tust ja gerade so als wäre ich strohdumm“, empörte ich mich.

„Nein wie kommst du nur darauf ich meine wer so dumme Fragen stellt“, sagte er scheinheilg und schaute mich unschuldig an.

„Was bist du denn für ein aufgeblasener Idiot?“, keifte ich sauer.

„Und was bist du für eine dämliche Zicke?“ Der Kerl trieb mich noch zur Weißglut! Vorallem provozierte er die Situation geradezu mit seinem arroganten Grinsen! 
Zum Glück kamen wir in dem Moment an der Schule an. Alle Mädchen, die sich irgendwo in Reichweite befanden glotzten uns an. 
Mein Gott ja das ist ein Kerl, der wahrscheinlich die Definition von gutaussehend war. Aber müsst ihr dann auch noch sein ohnehin viel zu großes Ego durch euer Starren streicheln?
Es war mir wirklich unangenehm. Ich warf ihm einen letzten bösen Blick nach und verkrümelte mich dann schleunigst. Der würde ganz sicher alleine klar kommen! 

Gedämpft nahm ich das Getuschel meiner Mitschüler wahr. Ich musste mich nicht umdrehen um zu sehen das Mister Großkotz gerade das Gebäude betreten hatte. Im ersten Stock lief ich schnurrstracks zu meinem Klassenzimmer und lies mich mit einem lauten Seufzer neben Lena fallen. Die schaute mich nur verwundert an.

„Frag nicht“, gab ich schnaubend von mir.

„Was ist passiert?“ Ich schilderte ihr meinen kompletten Morgen und an einigen Stellen, warf ich theatralisch meine Arme in die Luft. Lena begann irgendwann mittendrin schallend zu lachen und kriegte sich kaum noch ein. Jedes mal wenn sie sich halbwegs beruhigt hatte und mich ansah, musste sie wieder loslachen.

„Und du hast ihn ernsthaft alleine auf dem Pausenhof stehen lassen?“, gluckste sie.

„Was hätte ich denn machen sollen? Ihn lächelnd zu seinem Klassenraum begleiten und noch einen überaus tollen ersten Schultag wünschen sollen?“, fragte ich genervt.

„Redet ihr etwa über den Neuen?“ Siri betrat gerade den Raum.

„Ja!“, kam es von mir genervt und gleichzeitig kichernd von Lena.

„Oh mein Gott der schaut bombenmäßig aus. Boar da würde ich glatt darüber nachdenken, ob ich meinen Freund betrüge!“, rief Siri grinsend.

„Wenn man das überhaupt als Beziehung bezeichnen kann. Du hast ihn einmal gesehen und schreibst nur über Facebook mit ihm. Und der Neue sieht echt toll aus. Wie heißt er noch gleich? Dylen?“, wand Mia ein die, die ganze Zeit ruhig auf ihrem Platz gesessen und zugehört hatte.

„Zwei mal und sehen geht schlecht, wenn er in Japan lebt. Sein Name ist nicht Dylen sondern Dean“, verbesserte Siri.

 „Den musst du mir auf jeden fall mal vorstellen Emma“, flüsterte Lena mir während des Unterrichts zu.
Warum musste ich nur auf so eine Mini Schule gehen? Sogar während des Unterrichts wurde über "den Neuen" getuschelt.

Die Pause war nicht besser. Thema "Dean" hatte sich verbreitet wie ein Lauffeuer und nun stand er tatsächlich bei Mike und seinen Freunden und lachte mit ihnen. Das war doch unfair! Ich konnte ihn immer weniger leiden. Einige Mädchen tummelten sich um die Jungs und versuchten mit Dean ein Gespräch zu führen bzw. ihn überhaupt erst auf sich aufmerksam zu machen.  
Nicht allen ernstes, befanden sich Siri und Mia auch in dieser Menge. Diese Kameradenschweine! 
Den restlichen Schultag durften Lena und ich uns Siris Schwärmereien und Mias sachkundige Informationen über Dean anhören. 

„Verfass doch gleich seine Biografie!", war mein einziger Kommentar zu dem ganzen Wirbel der um ihn gemacht wurde. 


Ausgelaugt schleppte ich mich nach der Schule Nachhause. Ich war dabei die Tür aufzusperren, als mir jemand auf die Schulter tippte.

„Hey das habe ich heute morgen vergessen zu erwähnen. Ich muss die nächsten Tage nach der Schule zu dir. Mein Hausschlüssel ist noch nicht fertig“, erklärte mir Dean schmunzelnd. Mein Tag wurde besser und besser.

„Blair hat doch einen Ersatz Schlüssel?“

„Sie meinte sie hätte ihn verloren.“

„Und warum zu mir?“

„Ihr kennt euch schon lange und sie sagte deine Eltern hätten bestimmt nichts dagegen. Außerdem bist du meine Nachbarin“, antwortete er langsam genervt.

„Wieso gehst du nicht zu einem deiner neuen Freunde. Du hast doch seit heute so viele!“, erwiderte ich missmutig.

„Pass auf, mir wurde gesagt ich muss nach der Schule zu dir. Oder soll ich vielleicht deinen Eltern erzählen das du mich armen Jungen vor die Tür gesetzt hast, obwohl ich hier niemanden kenne.“ Er grinste mich so süffisant an, dass ich ihm am liebsten auf die Nase geboxt hätte.

„Komm rein“, gab ich schließlich nach. 
Sobald er drin war, schmiss er seine Tasche auf den Boden, ging ins Wohnzimmer und machte sich auf dem Sofa breit.

„Hey ich hab Hunger. Du könntest ein höflicher Gastgeber sein und mir was kochen!“, rief er in den Flur. Ohne ein Wort verschwand ich nach oben in mein Zimmer. Zur Abwechslung erschienen mir Hausaufgaben mal sinnvoll. 

Ich war gerade dabei meine Vokabeln abzuschreiben, als meine Tür aufgerissen wurde. Leicht zuckte ich zusammen. Jemand drehte ruckartig meinen Schreibtischstuhl herum.

„Wird das heute noch was mit dem Essen?“

„Du bist schon ein großer Junge. Ich denke das schaffst du auch gut selber“, antwortete ich diesmal gelassen.

„Es ist dein Haus und damit deine Aufgabe mich zu versorgen.“

„Ganz bestimmt werde ich nicht deinen Babysitter spielen, wie für Fiona!“
Sowie ich das ausgesprochen hatte, packte er mich am Arm und zog mich nach unten. Ich versuchte alles, wirklich alles! Sogar als ich mich auf den Boden setzte, schleifte er mich weiter wie einen Sack Kartoffeln. In der Küche angekommen lies er mich los.

„So hier hast du eine Schürze. Fang an!“ Grinsend blickte er mich vom Türrahmen aus an.

„Nein“, erwiderte ich trotzig. Das lies ich mir doch nicht einfach so gefallen.

„Ich werde dich hier nicht raus lassen, ehe wir etwas zu essen haben.“

„Dann werden wir hier wohl sehr lange stehen.“ 

Irgendwann begab ich mich dann doch seufzend an die Arbeit. Ich machte Spaghetti Bolognese. Eins der wenigen Gerichte die ich ohne die Küche abzufakeln hinbekam.
Dean setzte sich derweil an den Esstisch und sah mir interessiert zu. 
Ich deckte den Tisch ein und lud seinen Teller voll. Als ich neben ihm stand sah ich ihm kurz lächelnd in die Augen. Dann nahm ich den Teller hoch und lies den gesamten Inhalt auf seinen Kopf fallen.

„Bon apétit“, flüsterte ich ihm grinsend ins Ohr und verließ fluchtartig die Küche. Ich hörte ein lautes Fluchen, als ich die Treppen hoch rannte. Oben schloss ich mich in mein Zimmer ein und kämpfte mit meinem schlechten Gewissen überreagiert zu haben oder einfach zu empfindlich zu sein. 
Danach rief ich Lena an.

„Lena Dede“, meldete sie sich am anderen Ende.

„Hey Lena falls ich umgebracht werde musst du meine Zeugin sein!“, rief ich nervös ins Telefon.

„Warum was ist bei dir schon wieder los?“ In Kurzform erzählte ich ihr was vorgefallen war, bis ich die Dusche hörte. Mich hatte es schon gewundert das von unten keine Geräusche mehr kamen.

„Lena er ist in unserer Dusche. Ich geh schnell runter und hol mir etwas zu essen. Bis morgen!“

„Keine Angst dass er dich erwischt?“

„Wird er schon nicht und wenn wirst du das spätetens morgen feststellen.“ 

Leise schlich ich runter, um mir etwas von den Spaghetti zu holen. Ich vernahm ein Geräusch hinter mir. Langsam drehte ich mich um. 
In der Tür stand ein sauberer Dean mit nassen Haaren. Sein Grinsen verhieß schon mal nichts gutes. Aber das tat es ja bekanntlich nie.
Er hatte doch tatsächlich unsere Dusche benutzt. Man könnte davor doch wenigstens fragen.

„Hey es ist ziemlich unhöflich einfach die Dusche anderer Leute zu benutzen, ohne vorher zu fragen“, empörte ich mich sogleich.

„Es ist genauso unhöflich jemand einen Teller Spaghetti über den Kopf zu kippen Dummerchen“, erwiderte er und starrte mich belustigt an.

„Ich bin nicht dumm um das klarzustellen. Ich bin Schulbeste!“, verteidigte ich mich schwach. Ich war so unglaublich schlecht im Kontern. „Und außerdem hast du es verdient. Du bist bei mir zu Gast und benimmst dich wie die Königin von England.“

„Der Gast ist bekanntlich König oder. Außerdem ist Kochen Frauenarbeit. Ihr seid doch sonst zu nichts anderem, als dem Haushalt zu gebrauchen. Für den Rest seid ihr schließlich zu blöd. Du bist das perfekte Beispiel dafür.“ Mit offenem Mund starrte ich ihn mal wieder an. „Naja gut und noch damit wir uns vergnügen können. Aber das ist dann auch schon alles. Übrigens hast du die Soße versalzen“, ergänzte er fachmännisch als er zum Topf ging und mit dem Finger probierte.

„Nimm deine Griffel da raus." Ich schlug ihm auf die Finger. „Was hast du bitte für ein verschobenes Weltbild du sexistischer Arsch?“ Weiterhin grinsend stieß er sich vom Tresen ab und stellte sich vor mich. Ich funkelte ihn bitter böse an.

„Du könntest mir jetzt bei einer anderen Tätigkeit zur Hand gehen als Wiedergutmachung das du davor so kratzbürstig warst“, raunte er in mein Ohr. Seine Augen blitzten gefährlich. Gegen meinen Willen überkam mich eine Gänsehaut. Wenn das seine Masche war, war sie wirklich schlecht auch wenn er so unglaublich aussah. 
Erschrocken riss ich die Augen auf und entfernte mich ein paare Schritte von ihm.

„Du spinnst wohl!“, schrie ich ihn an. Sekunden lang starrten wir uns an, bis sein Lachen die Stille durchbrach.

„Du dachtest doch nicht wirklich das ich das ernst meine?“ Ich musste ziemlich dumm aus der Wäsche gucken. Fast dachte ich er würde jeden Moment ersticken und wollte ihm schon besorgt auf den Rücken klopfen. „Seriously? Fuck bist du naiv. Niemals wirklich niemals!" Langsam begriff ich und ärgerte mich im nächsten Moment, dass ich kurz besorgt um ihn war.
Das Bedürnis ihn zu schlagen kroch wieder in mir hoch. Doch stattdessen verzog ich mich stock sauer auf mein Zimmer und blieb dort den restlichen Tag.
Es hatte sich mal wieder bestätigt: Wenn der Tag ohne Kakao beginnt, geh lieber zurück ins Bett!

Kapitel 4

Der Donnerstag verlief reichlich unspektakulär. Dean und ich stritten um die Fernbedienung und warfen uns den ganzen Nachmittag Beleidigungen an den Kopf. Außerdem regte ich mich darüber auf, dass er doch tatsächlich auf die Halloween Party von Mike eingeladen wurde. Das war doch einfach unfair!
Meine Eltern vergötterten Dean natürlich auch. Er war so ein Schleimer! 
Freitag hatte ich dann die Nase voll und beschloss mich nach der Schule für ein paar Stunden in die Bibliothek zu hocken.
Es regnete bereits den ganzen Tag in Strömen. Meine Schadenfreude konnte ich kaum zügeln. Allein schon wenn ich mir einen klatschnassen Dean, der vergeblich vor meinem Haus wartete, vorstellte stahl sich ein hämisches Grinsen auf meine Lippen. 
Zum Glück hatte ich heute morgen noch mein Buch eingepackt. Damit könnte ich mich gut vier Stunden beschäftigen, ehe ich den Heimweg antrat.

Ich saß im hintersten Teil des Raumes, in einen Sitzsack gekuschelt. 
Ungefähr fünf Minuten nachdem ich das Buch aufgeschlagen hatte, hörte ich ein seltsames Geräusch.
Ich hatte mich wohl verhört. Nein da war es schon wieder! 
Es hörte sich an wie ein Keuchen. Langsam rappelte ich mich auf und bog in den Gang ein, aus dem ich das Geräusch vermutete. Leise pirschte ich mich weiter bis vorne wo die Tische, Stühle und sogar eine Couch standen. Auf besagter Couch saßen, oder vielmehr lagen zwei Menschen. Besser gesagt ein Junge und ein Mädchen. Sie auf ihm und es war nicht zu übersehen, was sie in Kürze vor hatten zu tun. 
Was sollte ich jetzt machen? So tun als hätte ich sie nie gesehen und mich wieder hinter setzen. Nein ich hatte absolut keine Lust alles mit zu hören was die da trieben. Es war sowieso unglaublich, das jemand auf die Idee kam es in dieser Schule zu treiben. Ich konnte mir echt weitaus schönere Orte als hier vorstellen! Unsere Schule war einfach so herunter gekommen, dass der Gedanke daran alleine schon abschreckend sein müsste! 

Ich schnappte mir mein Buch, meine Tasche und schlich auf Zehenspitzen zur Tür. Gerade als ich verschwinden wollte, schmiss der Kerl seinen Kopf in den Nacken und stöhnte: „Yeah Baby!“ Dabei riss er die Augen auf und konnte mich sehen! Weil das Sofa genau neben der Tür stand durch die ich mich, eigentlich unbemerkt, verkrümeln wollte. 
Nicht fähig etwas zu sagen starrte ich in die grünen Augen vor mir. Eher unter mir.

„Emma?“, kam es verblüfft von Dean. Das Mädchen hatte nun wohl auch bemerkt das etwas nicht stimmte und sah hoch.

„Oh mein Gott.“ Das war ich. Auf Dean saß doch tatsächlich unsere Schülersprecherin Aurelia.
Ach du liebes Lieschen! Ich dachte ihre Eltern wären streng gläubige Katholiken. So viel zu dem Thema: Kein Sex vor der Ehe! 
Zwei Augenpaare starrten mich erschrocken an. Ich starrte wiederrum fassungslos zurück. Zum einen, weil ich es Aurelia nie zugetraut hätte. Zum anderen, da ich dachte Dean wäre ein Frauenverachtender Mistkerl.
Gleich doppelt wurde ich heute überrascht. Ich konnte aber keineswegs sagen, das ich mich darüber freute dass hier erfahren zu haben. Vielleicht war es auch einfach so das er nur mich nicht ausstehen konnte, womit ich absolut kein Problem hätte.

Irgendwann schaffte ich es endlich, meine Augen abzuwenden und verließ ohne ein Wort die Bibliothek.

„Scheiße ich glaub ich geh besser.“ Aurelias Stimme zitterte ängstlich. Auch noch Fluchen. Ihre Eltern würden sich spätestens jetzt fragen was sie in der Erziehung falsch gemacht hatten.

„Warum? Nur weil sie dazwischen kam. Komm wir vergessens einfach und machen da weiter wo wir aufgehört haben“, hörte ich nun Dean.

„Nein! Das war ein ganz blöde Idee. Meine Eltern werden mich so was von umbringen. Tut mir leid Dean!“ Juhu ich bekam heute also doch noch meine Genugtuung. Zwar nicht das er im Regen auf mich warten durfte. Dafür hatte ich ihn, wenn auch unabsichtlich, seinen Sex zerstört. Mein hämisches Grinsen kehrte zurück. 
Ich hörte Schritte hinter mir. „Emma warte mal!“, rief Aurelia. Woher wusste sie meinen Namen? Stimmt Dean hatte ihn ja vorhin erwähnt als ich so tollpatschig in ihr Vorspiel geplatzt war. 

„Du kannst mich doch jetzt nicht so hier liegen lassen!“, brüllte Dean ihr noch hinterher. Ich wollte dem peinlichen Gespräch aus dem Weg gehen und rannte aus dem Gebäude.
Bitte lass Aurelia genau so unsportlich sein wie ich, wenn nicht noch unsportlicher.  
Ich war zwar faul, jedoch nicht langsam. Davon rennen konnte ich schon immer gut. Wieder hörte ich sie nach mir rufen, ehe ich die Haupttür auf stieß und über den Pausenhof flitzte.  
Nur weg von hier.  
Glücklicherweise war Aurelia noch langsamer als eine Schildkröte mit gebrochenen Bein.
Erleichtert ließ ich die Tür ins Schloss fallen und versuchte meine Atmung unter Kontorlle zu bekommen. Ich war wie ein Puma: Schnell, jedoch auf längerer Strecke ungeeignet! 


Mit meinen Flauschsocken und endlich wieder Kakao hockte ich mich vor den Fernseher und glotzte ein wenig Assi-Tv. Mitten in der Schrei-Orgie von Monika 26, die der Meinung war das Pascal 39, ihr ruhig mehr im Haushalt helfen könnte anstatt vor dem Pc zu hängen, klingelte es. Genervt stand ich auf und verfluchte in diesem Moment die Person da draußen. 
Sauer riss ich die Tür. Vor mir stand ein klatschnasser Dean und guckte ziemlich angepisst auf mich herunter.
War heute vielleicht Weihnachten oder mein Geburtstag oder beides zusammen? Diesen Tag musste ich mir im Kalender kennzeichnen. Das war Dean's persönlicher Freitag der 13. 

Wütend schob er mich ins Haus, während ich mich kringelte vor lachen.

„Hör verdammt nochmal auf zu lachen Miststück“, zischte er sauer.

„Ach wer schmeißt denn jetzt mit Ausdrücken um sich?“, fragte ich kichernd. Er sah aus, als würde er jeden Moment die Geduld verlieren.
Sollte er ruhig, mir konnte er diesen wundervollen Tag nicht mehr verderben. Seine grünen Augen glühten. Vielleicht bekam er Fieber wegen den nassen Klamotten?

„Du hast mir den Sex mit Aurelia verdorben.“ 

„Als ob das meine Schuld war. Du hättest es auch einfach an einem weniger öffentlichen Ort mit ihr treiben können“, belehrte ich ihn und hörte mich dabei an wie eine Mutter, die ihrem Kind erklärte dass es nicht in Ordnung war andere Kinder mit Sand zu bewerfen. „Ich bin allerdings beeindruckt das du dir ihren Namen gemerkt hast“, fügte ich mit dem selben süffisanten Grinsen hinzu das er sonst immer drauf hatte. Sein Gesichtsausdruck hätte gar nicht finsterer sein können. Mir hingegen machte das alles unglaublich Spaß.

„Kannst du dir eigentlich vorstellen wie scheiße unangenehm es ist mit einem Ständer nachhause zu laufen?“

„Also viel seh ich da nicht“, grinste ich. War wohl ein Fehler.

„Weißt du was? Ich hasse solche Mädchen wie dich. Solche die sich für etwas besseres halten und so tun als wären sie ganz lieb und brav. Insgeheim sind genau das die größten Schlampen die es gibt“, knurrte er in mein Ohr. Ich eine Schlampe? Also bitte!

„Du hast sie wohl nicht mehr alle“, entfuhr es mir. 
Er war meinem Gesicht gefährlich nah und ich konnte mal wieder nicht anders und musste ihn anstarren. Ein einziger Mensch konnte nicht so perfekt aussehen, das ging nicht! Irgendwas hässliches musste da doch sein. 
Ich bekam schon wieder eine Gänsehaut. Seine leuchtenden Augen bohrten sich in die meinen. Mir wurde davon ganz schwindelig. 
Schon seltsam das ich seinem Blick so lange stand hielt. Ich war generell jemand der anderen nicht lange, wenn es ging gar nicht, ich die Augen sah. Es gab mir so ein unbehagendes Gefühl. Zusätzlich konnte ich nicht sonderlich gut damit umgehen, wenn mir Menschen die ich nicht kannte beziehungsweise mochte zu dicht auf die Pelle rückten. 
Ein Klicken im Schloss. Mit einem großen Schritt entfernte er sich von mir und schon standen meine Eltern im Flur. Puh gerettet! Vielleicht war ich ja klaustrophobisch.

„Oh hallo Dean schön dich zu sehen“, rief meine Mutter erfreut. „Emmalein du bist ja ganz rot. Ist mit dir alles in Ordnung?“, fragte sie besorgt.

„Nein mir ist nur eingefallen, das ich noch zu Lena muss. Du weißt ja wie gerne ich mich verspäte.“ Damit schnappte ich mir Jacke, Schuhe und Regenschirm und machte mich auf den Weg zu ihr. Sie wohnte nur zehn Minuten zu Fuß von mir weg.

„Emma was machst du denn hier?“, öffnete sie erstaunt die Tür.

„Oh Gott das wirst du mir nie glauben.“

„Komm rein.“ Drin begrüßte ich als erstes ihre vier Hunde, die freudig bellend auf mich zu gelaufen kamen.

 

„Man ist das ein Arsch. Du eine Schlampe das ich nicht lache!“, meinte Lena. Sie hatte ihr nachdenkliches Gesicht aufgesetzt während sie Gino kraulte.

„Er hasst mich offensichtlich“, gab ich kleinlaut zurück.

„Scheint so." Niedergeschlagen starrte ich auf Lenas Holzdielen.
Auf einmal fing mein Handy an zu klingeln.

„Ja Blair?“

„Emma gut das ich dich erreiche. Hast du in einer Stunde Zeit?“

„Warum?“, fragte ich überflüssigerweise.

„Naja ich hab ja gesagt das du für diese Woche frei hättest. Aber heute ist ein wichtiges Essen mit ein paar Geschäftspartnern. Ich habs vergessen und Dean will ich Fiona nicht anvertrauen. Du weißt schon...“

„Kein Problem ich bin in einer Stunde da.“

„Tausend Dank Emma. Du hast was gut bei mir.“

Lena starrte mich vorwurfsvoll an.

„Was denn?“

„Obwohl dich der Arsch vorhin beleidigt hat, begibst du dich jetzt direkt in die Höhle des Löwen. Bist du eigentlich beschissen?“, regte sie sich auf. Sie hatte so ihre eigene Ausdrucksweise.

„Es geht doch hier nicht um ihn, sondern um Fiona! Ich kann nicht nur weil er scheiße ist mich verstecken. Ich bin immer noch Fionas's Babysitter!“

„Du bist wirklich dämlich und naiv“, beschwerte sich Lena und schüttelte den Kopf. „Komm ich bring dich  nachhause. Cara muss sowieso noch Gassi.“ Sie packte mich am Arm und zog mich mit. 

Zuhause duschte ich und zog mir eine dunkle Leggins und ein langes, warmes Oberteil an. Dann lief ich auch schon rüber.

„Du schon wieder?“ Wortlos drängelte ich mich an einem grimmigen Dean vorbei und ging hoch zu Fiona.

„Fee“, vorsichtig öffnete ich die Tür. Sie saß auf dem Boden und puzzelte.

„Emi willst du mir helfen?“, quickte sie.

„Klar. Schau mal ich hab ein paar Filme mitgebracht für heute Abend.“ Freudig lächelte sie mich an.
Die Tür wurde aufgerissen und Blair kam rein. „Also wir gehen dann. Wir sind so gegen elf wieder da. Emma ich hab Gulasch für euch gemacht. Steht alles im Kühlschrank. Und Fiona um spätestens zehn schläfst du.“ Sie gab ihrer Tochter noch einen Kuss auf den Kopf und verschwand dann. 

Eine halbe Stunde später machte ich das Essen warm und wir setzten uns ins Wohnzimmer, um uns Shrek anzusehen.

„Du bist sicher das der Film lustig ist?“, fragte Fiona unsicher.

„Ja doch Fee. Ich hab die Filme geliebt als ich klein war“, versicherte ich ihr.

„Aber der sieht gruselig aus.“

„Schaus dir doch erst mal an, wenn es dir nicht gefällt können wir immer noch etwas anderes angucken“, schlug ich vor. Sie nickte und aß dann ihr Gulasch. 

In der Mitte des Films schellte es an der Tür. Ich wollte schon aufstehen, da kam Dean runter geschossen und machte auf.

„Hey Dean“, hörte ich eine schüchterne Stimme. Herein kam... Aurelia! Wer hätte das gedacht.
Er hatte es tatsächlich geschafft, sie nochmal herum zu kriegen und wollte jetzt hier zuhause weiter machen. Ich glaubs nicht! Immerhin hatte er eine kleine Schwester. Fiona drehte sich nun auch um und starrte Aurelia an. Die entdeckte uns natürlich sofort.

„Em-ma?“, stotterte sie entgeistert und lief knallrot an. Oh je hoffentlich sprach sie mich nicht auf den peinlichen Vorfall von vorhin an.
Was dann kam hätte ich nie erwartet. Dean sah mich schon warnend an. „Es tut mir so leid. Ich wusste nicht das ihr zusammen seid. Jetzt versteh ich auch warum du vorhin abgehauen bist und nicht mit mir reden wolltest. Bitte glaub mir, ich wollte mich wirklich nicht in eure Beziehung einmischen. Ich geh jetzt besser. Es tut mir wirklich schrecklich leid.“ Verblüfft schaute ich sie an. Ihr kamen fast die Tränen und dann stürzte sie schon nach draußen. 
Sobald sie weg war fing ich lauthals an zu lachen. Dean stand völlig verdattert da und sah ihr nach. Fiona konzentrierte sich wieder auf den Film und nahm nicht mal mehr wahr, wie Dean mich vom Sofa in den Flur zerrte.

„Man sei mal nicht so grob“, maulte ich ihn an.

„Du bringst mir nur Unglück. Schon wieder hast du mir meinen Spaß versaut!“, motzte er mich an.

„Was kann ich dafür das Aurelia so doof ist? Du bist doch selbst schuld. Außerdem finde ich es mehr als verantwortungslos von dir hier her irgendwelche Mädchen einzuladen. Du hast eine kleine Schwester! Anstatt durch die Gegend zu vögeln könntest du zur Abwechslung mal etwas Zeit mit ihr verbringen und sie besser kennen lernen!“, schrie ich ihn böse an und ging ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen zurück zu Fiona. 
So ein Ekelpacket. Wenn es nach ihm ging, war ich oder allgemein Frauen wohl am Unglück der Welt schuld.
Wie konnte Aurelia sich nur auf so jemand einlassen wollen? Wahrscheinlich war es genau so wie ich vorhin Dean an den Kopf geworfen hatte. Sie war einfach selten dämlich!

„Emma ich will den zweiten Film auch sehen.“ Fiona hielt die Verpackung wo Shrek 2 drauf stand hoch, als ich ins Wohnzimmer kam. Wir schoben die DvD ein.

 

„Hey darf ich mich zu euch setzen?“, kam es auf einmal von links. Überrascht schauten wir auf. Neben der Couch stand Dean und schaute uns betreten an. Fiona nickte strahlend und er setzte sich darauf neben mich. 
Den ganzen Film über, warf ich immer mal einen Blick zu ihm rüber und musste aufpassen, dass ich mich nicht wieder fest starrte.

„Ich bin die Prinzessin. Sie hat ja auch den selben Namen wie ich!“, rief Fiona immer wieder zwischen durch rein und kicherte jedes mal. 
Es kam zu der Tanz Szene zwischen Prinz Shrek alias Charming und Prinzessin Fiona.

„Fiona jetzt pass mal auf“, grinste Dean neben mir und zog mich hoch. „Wir tanzen miteinander. Du bist die Prinzessin und ich...“

„Du bist der eingebildete, schleimige Prinz“, vollendete ich seinen Satz und nickte verstehend. Dean ignorierte einfach meine Bemerkung

„Und ich bin das Keks Männchen!“ Fiona war ganz begeistert und starrte zwischen dem Fernseher und uns beiden hin und her. Das Wohnzimmer war zum Glück groß genug, so dass mich Dean elegant durch die Gegend wirbeln konnte. Das musste man ihm lassen: Er war richtig gut darin, während ich nur verkrampft in alle Richtungen geführt wurde.

„Weißt du auch wie der Tanz endet?“, fragte er grinsend. Ich verstand nicht was er meinte. Die Musik spielte die letzten Takte und im Film kam nun Fionas Retter alias echter Shrek herein geritten und lüftetete den ganzen Schwindel. 
Seine grünen Augen funkelten mich an. Oh weia!
Er drückte seine Lippen kurz sachte auf meine Wange. Fiona war völlig aus dem Häuschen und hüpfte auf dem Sofa auf und ab wie ein Flummi. Erleichtert atmete ich aus. Fast hatte ich gedacht, er wollte mich wirklich...

„Entschuldigung das ich so fies zu dir war“, flüsterte er mir ins Ohr. Das er Einsicht zeigen würde, hätte ich nicht erwartet. 
Er stellte mich wieder auf meine Füße. Fiona schwenkte immer noch den Kopf wild hin und her und wartete wohl, dass noch etwas spannendes passierte. 
Wie immer grinsend sah er mich an. Mit ganzer Kraft gab ich ihm einen Faustschlag gegen die Schulter und er rieb sich mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht über die Stelle wo meine Faust getroffen hatte. „Jetzt nehme ich die Entschuldigung an.“ Erst sah er mich überrascht an, doch dann schmunzelte er.
Ich sah das jetzt mal als Waffenstilstand an.
Langsam lies ich mich zurück aufs Sofa gleiten. Fiona applaudierte begeistert, obwohl wir uns nicht ganz ans Skript gehalten hatten. So lange es ihr gefallen hatte.

„Das war cool! Macht ihr das jetzt immer wenn wir einen Film schauen?“, quietschte sie.

„Wenn du willst das ich bald eine Panikattacke erleide“, brummte ich zurück. 

Nach dem Film brachte ich Fiona ins Bett. Sie meinte zwar sie sei noch kein bisschen müde, aber ihre Augen waren schon ganz klein gewesen. Im Wohnzimmer schaute ich auf die Uhr. 
Noch eine halbe Stunde. Ich schaltete den Fernseher nochmal ein und guckte Viva. 

 

„Hey Emma ich wollte dich mal was fragen.“

„Herr Gott! Könntest du dich bitte nicht ständig so an mich anschleichen?“, fragte ich aufgebracht.

„Also Mike schmeißt doch so eine Halloween Party“, überging er einfach was ich gesagt hatte.

„Ja zu der du eingeladen wurdest und ich nicht“, erwiderte ich grimmig.

„Genau und die eingeladenen Personen können so viele Leute mitbringen wie sie wollen. Und du willst da doch unbedingt hin. Wenn du möchtest nehme ich dich mit.“ War das so was wie ein Friedensangebot?

„Einfach so?“, fragte ich misstrauisch.

„Ja ich denke das es ziemlich lustig werden könnte, wenn du dich ein bisschen betrinkst. Dann bist du vielleicht auch nicht mehr so verklemmt.“ Ich war doch nicht verklemmt! Er wollte also nur testen ob ich mich komplett gehen lassen würde. 
Sauer schaute ich ihn an. „Na schön aber ich will das du Lena und Henri auch mitnimmst. Ich vertraue dir noch nicht.“ Innerlich klopfte ich mir gerade selber auf die Schulter. Lena sollte noch einmal sagen ich wäre naiv.
Er überlegte kurz.

„Gut ich kenne hier ja sowieso noch nicht so viele und die, die ich kenne sind alle schon eingeladen.“ Charmant! Mit einem Handschlag besiegelten wir das eben besprochene. 
Zusammen schauten wir noch Viva bis Blair und Martin kamen und ich endlich entlassen werden konnte.

Kapitel 5

Den ganzen Samstag verbrachte ich wie auf heißen Kohlen. Ich war so aufgeregt, da heute Abend schon die Halloween Party sein würde. Lena und Henri hatten auch eingewilligt. Zwar musste ich sie sehr lange nerven, aber sie kamen mit!

„Mama in deinem Horoskop steht, dass dir heute ein Abend in engen Familienkreis gut tun würde“, schmatzte ich mit vollem Mund.

„Was für ein Zufall das ausgerechnet heute deine Schwester vorbei kommt“, kam es von meiner Mutter die an ihrem Kaffee nippte.

„Von wegen Zufall. Die kommen doch so oder so jeden Samstag zum Pizza essen“, murmelte ich zurück.

„Hast du Sara geschrieben wegen dem Kostüm?“

„Ja habe ich“, antwortete ich genervt.

„Emmalein ich weiß doch wie vergesslich du bist“, beschwichtigte meine Mutter.

„Das stimmt doch überhaupt nicht!“ Das stimmte durch und durch. Ich war manchmal schusseliger beziehungsweise vergesslicher als ein Goldfisch. 
Mit einem wissenden Lächeln, widmete sich meine Mutter dem anderen Teil der Zeitung. 


Den restlichen Tag verbrachte ich mit warten, aus dem Fenster starren und irgendwann am Nachmittag fand ich meinen alten Gameboy. Die nächste Stunde war ich dann damit beschäftigt, Mario aus dem Jahr 1998 durch verschiedene Welten zu jagen und seine Gegner platt zu springen. 
Um halb fünf klingelte es an der Tür. Ich rannte zur Treppe und rutschte dann mit meinem Hintern das Geländer hinunter. Das hatte ich in den letzten Jahren so perfektioniert, dass ich komplett ohne Schaden zu nehmen stehend unten ankam.

„Sara! Carlos! Kommt rein! Hast du alles dabei?“, kreischte ich aufgekratzt.

„Alles hier in der Tüte. Oh Gott Emma deine erste Party! Ich freue mich so das du endlich mal raus kommst, ein wenig unter Leute. Vielleicht lernst du jemand interessantes kennen!“, quietschte meine große Schwester hysterisch und knuddelte mich halb zu Tode. Genervt verdrehte ich die Augen. Sie ließ mich gar nicht erst Carlos, ihren Freund, begrüßen, sondern packte mich an der Hand und rannte mit mir auf mein Zimmer.

„Zunächst schminken wir dich schön. Damit du aussiehst wie eine junge Frau und nicht mehr wie ein süßes Mädchen. Danach machen wir uns an deine Haare. Mal sehen ob wir die hochstecken oder glatt oder lockig machen. Zum Schluss kommt das Kostüm. Du wirst so toll aussehen! Eine perfekte Mischung aus gruselig und sexy“, schwärmte Sara. 
Erleichtert lächelte ich sie an. Zum Glück half sie mir. Ich kannte mich mit diesem ganzen Schmink Kram überhaupt nicht aus. Das war wohl auch der Grund warum ich mich für die Schule immer kaum schminkte. Meist nur Wimperntusche und ein wenig Rouge. An schlechten Tagen auch manchmal etwas zum Abdecken.

„Heute muss wohl Carlos alleine bei der Pizza helfen“, murmelte ich nachdenklich während Sara begann mein Gesicht einzucremen.

„Mama wird ihn schon nicht fressen“, zuckte sie mit den Schultern.

 

„Emma hör auf mit deinem Auge zu zucken, sonst verwackelt der Lidstrich“, meckerte Sara.

„Das ist eben ungewohnt. Außerdem bin ich am Auge empfindlich.“ Eine halbe Stunde und fünf Lidstrichversuche später, saß alles halbwegs ordentlich.

„So jetzt wagen wir uns an deine widerspenstige Mähne heran. Wer hat sie dir denn so schön geschnitten?“, flötete Sara.

„Die beste Friseurin der Welt. Ich würde niemand sonst an meine Haare lassen“, grinste ich.

„Vielen dank für die Blumen Ems. Also ich denke ich mache dir mit dem Glätteisen Locken und...“

„Klopf klopf. Ich dachte ich bring euch das Essen rauf. Lasst euch nicht stören.“ Mama stellte die Pizza auf meinen Schreibtisch. „Oh wow habe ich etwa eine neue Tochter? Wer ist denn die schöne Frau auf dem Stuhl dort?“, fragte meine Mutter lächelnd.

„Mama hör auf damit so peinliche Sachen zu sagen. Du bist ja bald schlimmer als Papa“, motzte ich mit rot werdenden Gesicht.

„Schaut gut aus unsere kleine Ratte, nicht wahr Mama?“, strahlte Sara stolz.

„Jetzt ist es amtlich. Ihr seid beide peinlich!“

„Sara wusstest du schon. Emma wurde eingeladen von einem Jungen. Er ist Blair's Sohn und ihr neuer Schwarm.“

„Mama!“, jammerte ich.

„Blair hat einen Sohn und er ist dein Schwarm?“, fragte Sara überrascht.

„Nein ist er nicht!“

„Ja ist er und was für ein toller Kerl das ist. Er ist gutaussehend, charmant, klug, höflich...“

„Den musst du mir unbedingt vorstellen Emma!“, quietschte Sara euphorisch.

„Nein muss ich nicht. Weil er nämlich gar nicht mein Schwarm ist, sondern mein Nachbar und der Halbbruder von Fee, mehr aber auch nicht!“, fuhr ich aufgebracht dazwischen. „Und ich mag sowieso jemand anders, zumindest glaube ich das“, nuschelte ich kleinlaut. Glücklicherweise hörten sie es nicht und meine Mutter verließ endlich den Raum. 

In Ruhe machte Sara mich fertig. Ein paar Blutflecken am Hals und zwei Wunden. Eine große an der Stirn und eine etwas kleinere auf der Backe. Nun sah ich auch schön gruselig aus.

„So jetzt essen wir schnell und dann kannst du auch schon in dein Kleid schlüpfen. Danach sprühen wir dir noch ein paar weiße Streifen in die Haare.“

„Findest du das Kleid vorne nicht ein wenig zu kurz?“ Kritisch betrachtete ich mich im großen Spiegel.

„Ach was! Dafür ist es doch hinten länger. Du kannst es dir schließlich leisten deine Oberschenkel zu zeigen Schwesterlein.“ Das komplett schwarze Kleid ging hinten bis zu meinen Kniekehlen und vorne bedeckte es gerade mal die Hälfte der Oberschenkel. Es lag Figur betonend an und der hintere Teil war eine Schleppe aus Tüll, während es vorne mit kleinen Federn verziert wurde. Am Dekolleté hingen zwei dünne Schnüre hinunter, die ich zu einer Schleife zusammen band.

„Ja vielleicht die Oberschenkel, aber findest du nicht das ich es vorne zu wenig ausfülle. Ich meine wir beide haben nun etwas unterschiedliche... du weißt schon Größen.“ Es war mir richtig unangenehm darüber mit meiner Schwester zu sprechen, doch dafür war sie ja da. Um mir zu sagen, dass meine Komplexe völlig unbegründet waren.

„Ist doch gar nicht schlimm das du einen kleineren Busen hast. Wir machen es hinten einfach ein wenig enger und schon fällt nichts mehr auf“, grinste Sara. Gesagt, getan.

„Ja stochere noch ein wenig in der Wunde!“ Lächelnd legte sie mir einen Arm um die Schulter und betrachtete das Spiegelbild von uns zweien.

„Meine kleine Schwester ist erwachsen. In so einer Situation müsste ich eigentlich etwas bewegendes und zugleich witziges sagen aber ich möchte den Moment nicht zerstören.“

„Zu spät.“ Ich streckte ihr die Zunge raus und sie knuffte mich liebevoll in die Seite.

„Komm du musst noch üben in den hohen Schuhen zu laufen.“ Genervt stöhnte ich auf. „Flache Schuhe kommen nicht in Frage! Dann sieht das Kleid nicht mehr so gut aus und du willst doch Eindruck schinden.“ Geschlagen gab ich mich meinem Schicksal hin. Ich übte mit Sara noch etwa eine halbe Stunde laufen in hohen Schuhen, bis es an der Tür schellte.

„Emma hier an der Tür steht ein weißer blutender Mann für dich“, rief mein Vater von unten. Diesmal konnte ich leider nicht das Geländer runter rutschen.

„Hey Schneewittchen!"

„Wow Dean ich hätte nicht gedacht das du dich verkleidest.“

„Es ist doch eine Halloween Party. Wäre es nicht schwachsinnig ohne Kostüm zu kommen?“ Seine grünen Augen funkelten mich schelmisch an.

„Ja ähm du schienst mir nur nicht so der Typ dafür“, versuchte ich mich zu erklären.

„Hallo ich bin Sara. Emmas Schwester.“ Plötzlich stand meine Schwester neben mir und schüttelte freundlich Deans Hand.

„Wir müssen dann auch los“, ging ich dazwischen. Eiligst schob ich Dean aus der Tür, bevor Sara ihn noch in eine Unterhaltung verwickeln konnte. Carlos schmiss mir noch meine Lederjacke hinterher mit den Worten: „Es ist kalt draußen du Pfeife.“ 


Nach 15 minütigen Fußmarsch kamen wir bei Mike's Haus an.

„Ich schreib mal Lena und Henri das wir da sind und hier auf sie warten. Dean ich...“ Suchend schaute ich mich um. Dean lehnte lässig an der Wand, während er mit einer dunkelhaarigen Frau flirtete.  
Den konnte ich fürs erste vergessen.
Solange ich wartete, schaute ich mich ein wenig um. 
Ungefähr die Hälfte der Leute hier waren verkleidet, aber die meisten sahen ziemlich langweilig und nicht wirklich gruselig aus. Wahrscheinlich war das auch der Grund, weswegen mich einige schräg anstarrten. Ich fühlte mich mit einem mal sehr unwohl in meiner Haut.
Es waren aber auch wirklich viele Leute hier. Allein im Eingangsbereich tummelten sich bereits mehr als zwanzig Menschen. Wie es da erst in den Wohnräumen aussehen würde. Sogar von hier aus konnte ich gut die Musik hören, die aus dem Wohnzimmer nach außen dröhnte.

„Emma endlich haben wir dich gefunden!“, schrie mir jemand von hinten ins Ohr.

„Lena ich bin so froh euch zu sehen. Ich fühle mich komplett fehl am Platz“, jammerte ich direkt los. „Henri wie siehst du denn aus?" Er hatte sich als Vampir verkleidet. Nur leider sah er aus wie ein schlechter Graf Dracula aus einem alten Schwarzweiß Streifen. Mit einem dunklen Cape, zurück gegelten Haaren und einem Kinderplastikgebiss.
Lena hingegen hatte sich als weiblicher Joker kostümiert. Mit einer grüner Lockenperücke, großen aufgemalten Grinsen und dick, schwarz umrandeten Augen konnte sie einem richtig Angst einjagen. „Lena dein Kostüm ist wirklich genial.“

„Ich weiß. Henri ist vor Schreck fast die Treppe vor unserer Haustür runter gefallen“, amüsierte sie sich bei dem Gedanken daran.

„Du stehst nichtsahnend vor der Tür und auf einmal taucht so eine Fratze vor dir auf!“, versuchte sich Henri zu rechtfertigen.

„Wo ist eigentlich der Kerl dem wir all das zu verdanken haben?“, fragte Lena miesepetrig.

„Der hat mich gleich nachdem wir hier angekommen sind allein gelassen.“

„Können wir dann nicht einfach wieder gehen?“ Griesgrämig sah sie sich um.

„Nein ich will wenigstens einmal mit Mike sprechen.“ Gleichzeitig, als hätten sie sich abgesprochen, rollten Lena und Henri mit den Augen. „Und ich nicht umsonst die Schminktotour meiner Schwester ertragen! Kommt wir mischen uns ein bisschen unter das Partyvolk." Genervt ließen sich die beiden von mir Richtung Wohnzimmer schieben. 
Dabei beklagte sich Lena noch über die schreckliche Musik, bis wir kurz darauf in der Menschenmenge verschwanden.

Kapitel 6

„Die Musik ist grausam und hier ist es stickig. Wer hat denn diese Playlist erstellt? Meine Füße tun weh. Kann man sich denn hier nirgends hinsetzen?“, maulte Lena in einer Tour. 
Wir standen mitten im Wohnzimmer und damit im Kern der Feier. Zwischen lauter verschwitzten Teenagerkörpern und lauter Musik.

„Was hast du denn gegen die Black eyed Peas?“, fragte ich lachend.

„Was ich dagegen habe? Also bitte...“

„Soll ich vielleicht etwas zu trinken holen?“, unterbrach Henri sie vorsichtig. Zustimmend nickte ich und schon war er verschwunden.

„Emma können wir nicht endlich gehen?“

„Lena wir sind gerade mal eine halbe Stunde hier!“

„Ich hab aber keine Lust mehr. Vom Gesetz her darf ich sowieso nur bis zehn Uhr raus.“ Genervt lies sie ihren Blick durchs Wohnzimmer schweifen.

„Hier ich habe was zu trinken!“, schrie Henri gegen die laute Musik an. Er hatte zwei Pappbecher und für sich eine Flasche Bier mitgebracht. Skeptisch starrten wir auf seine Flasche, dann auf unsere Getränke.

„Was ist das in dem Becher?“

„Ich glaube Bowle. Probier doch mal.“ Zweifelnd sahen wir uns an. Ich kippte den Inhalt in einem Zug hinunter. Falls es eklig schmeckte, war der Becher dann wenigstens schon mal leer.

Unsicher nippte Lena an ihrem Getränk und schüttelte sich kurz darauf.

„Alkohol und ich werden niemals Freunde“, brachte sie mit zusammen gebissenen Zähnen heraus.

„Emma?“ Ich drehte mich zu der Stimme um.

„Mia? Siri? Was macht ihr zwei denn hier?“ Erschrocken sah ich sie an.

„Siri wurde zur Party eingeladen und hat mich mitgenommen, weil sie nicht alleine gehen wollte. Die Songs gefallen mir nicht.“ Was hatten die heute nur alle gegen die Musik? „Und was macht...ihr drei hier?“ Verwirrt betrachtete sie Lena und Henri.

„Ihr Nachbar hat uns mitgenommen.“ Vorwurfsvoll guckte Lena zu mir.

„Moment mal dein Nachbar? Dieser verdammt gut aussehende Kerl der neu an unserer Schule ist?“ Siri wartete gespannt auf meine Antwort. Seufzend nickte ich und schon war sie Feuer und Flamme.

„Denk dran du hast einen Freund“, ermahnte sie Mia.

„Gucken ist ja nicht verboten!“

„Mia seid wann hat Halloween etwas mit Cosplay zu tun?“ Sie trug eine Maiduniform und auf dem Kopf eine dazu gehörige Haube.

„Es ist vielleicht nicht gruselig, aber immer noch einfallsreicher, wie sich als sexy Engel oder böse Polizistin mit Strapse zu verkleiden. Und auf ein langweiliges Kostüm wie Hexe oder Teufel hatte ich keine Lust. Das ist wenigstens etwas ausgefallenes und das Kleid ist auch nicht so billig kurz wie es bei den meisten weiblichen Gästen der Fall ist.“ Prompt fühlte ich mich wieder unwohl in meinem Aufzug.

„Und Siri ist dein perfekter Gegenpart, indem sie sich als Butler verkleidet hat?“, fragte ich nach. Mia sah mich schräg von der Seite an. „Sie ist Sebastian aus Black Butler. Das gibt’s als Manga und als Anime“, erklärte sie mir langsam und deutlich.

„So wirst du Dean aber bestimmt nicht abschleppen“, kommentierte Lena.

„Lena!“, zischte ich ihr zu, „musst du immer gleich so unsensibel sein?“ Schulterzuckend wandte sie sich ab.

„Also ich verkrümel mich mal und halte ein wenig Ausschau nach Mike oder vielleicht Dean.“ Es wurde gerade einer von Henris Lieblingssongs angespielt und ich wollte wirklich nicht dabei sein, wenn er mitten im Wohnzimmer anfing den Roboter oder etwas derartiges zu tanzen.

„Lena komm lass uns tanzen!“, hörte ich ihn hinter mir brüllen und konnte ganz genau Lenas giftige Blicke in meinem Rücken spüren. Selber schuld! Außerdem wenn musste sie ihn schon mit all seinen Macken lieben. 

Das Haus war viel größer als ich gedacht hätte. Anscheinend verdienten Mikes Eltern nicht schlecht, wenn sie es sich erlauben konnten das ihr Sohn das komplette Haus verwüstete.
Ich hatte während meiner Suche auch ein paar bekannte Gesichter aus der Schule gesehen. Bei manchen wünschte ich mir allerdings, sie hätten mich nicht erkannt. Vor allem bei den Jungs war es mir gehörig peinlich, da mich die meisten ein wenig zu sehr an gafften.
In diesen Momenten verfluchte ich dass das Kleid so kurz war und ich mich hatte überreden lassen es doch anzuziehen. 

Nach einer Stunde der Suchens und herum Fragens, gab ich schließlich auf.
Mit hängenden Schultern und mieser Laune, begab ich mich zurück zu Lena und Henri. Ich fand die beiden irgendwann in der riesigen tanzenden Menge. 
Seelenruhig setzte ich mich auf einen der Barhocker und beobachtete das Geschehen leicht verschwommen. 
Ich sollte mal wieder zum Optiker und nachfragen ob meine Brille noch stark genug war und ich sie weiterhin nur im Unterricht und zum Fernsehen benötigte, überlegte ich. 

Grinsend sah ich Lena und Henri eine Weile beim herum hampeln zu. Obwohl eher Henri hin und her schlenkerte. Lena stand fast durchgehend auf einem Fleck und bewegte sich höchstens, wenn ihr irgendwer Fremdes zu nahe kam. Ein langsames Lied spielte an und ich konnte nicht mehr an mir halten. Die zwei stellten sich aber auch zu dämlich an. 
Henri wusste gar nicht wohin mit seinen Händen. Mal lagen sie auf Lenas Schultern, dann an ihrer Hüfte. Zum Schluss klammerte er sich einfach nervös an seinem Cape fest. Lena schaffte wenigstens ein bisschen Körperkontakt, indem sie ihre Hände auf seine Schultern legte und nur noch ungefähr ein halber Meter Platz zwischen ihnen war. Die beiden brauchten insgesamt betrachtet, den meisten Platz auf der Tanzfläche. 

Ich schüttelte mich vor lachen weswegen mich ein Großteil der Leute, die mit mir an der Bar saßen, schief ansahen. 
Vorsichtig wischte ich mir die Lachtränen aus den Augen, um nichts zu verschmieren, nachdem ich mich halbwegs beruhigt hatte. Wahrscheinlich war ich nur wegen des Alkohol plötzlich so gut gelaunt.
Mittlerweile nippte ich an meinem zweiten Caipirinha. Das war einfach der beste Cocktail der Welt!
Ich hatte zwar noch nicht allzu viele verschiedene probiert, aber er war bis jetzt meine Nummer Eins.

„Lady in Schwarz, darf ich um diesen Tanz bitten?“ Mein Kopf fuhr herum.

„Dean wo kommst du denn so plötzlich her?“ Lachend ergriff ich seine Hand und rutschte vom Hocker herunter. Er führte mich mitten in die tanzende Menge. Wir schafften es zum Glück uns richtig hinzustellen. 
Ich wusste nicht ob es an den zwei Caipis und dem Zeug, das Henri mir vorhin gegeben hatte, lag oder einfach daran dass ich frustriert war Mike heute noch kein einziges Mal zu Gesicht bekommen zu haben, dass ich jetzt hier mit Dean tanzen wollte.

„Also wo ist nu deine Tusse von vorhin“, fragte ich schon leicht lallend.

„Musste heim zu ihrem Freund“, nuschelte er mehr zu sich. Wenn ich betrunken war, war ich nicht gerade feinfühlig stellte ich fest, als ich lauthals anfing ihn auszulachen.

„Und was ist mit deinem Mike?“, fragte er scheinheilig. Schadenfroh grinste er mich an. So ein Fiesling! 
Das Lachen war mir vergangen. Und wie das so war mit Betrunkenen, reagierte ich viel heftiger als im nüchternen Zustand. Das Lied war fast vorbei und so schubste ich Dean grob von mir. 

„Arschloch“, grummelte ich und verchwand hoch erhobenen Hauptes von der Tanzfläche.


Nach zwei weiteren Cocktails hatte ich schon neue Freunde gefunden die sich mit mir amüsierten. Wir saßen zu sechst um einen kleinen Tisch auf der Terasse und spielten irgendein Spiel, bei dem man immer wieder einen kurzen trinken musste. Ich verstand sowieso nicht wie es funktionierte und trank deswegen jede Runde einen mit.
Das war gerade das dritte mal in meinem Leben das ich Alkohol trank und dann gleich in solchen Mengen.
Deswegen war es auch nicht verwunderlich, dass ich nach einer halben Stunde in dieser illustren Gesellschaft, so dicht war dass ich kaum noch gerade laufen konnte. 
Irgendwann wurde ich von dem wahrscheinlich einzig derzeit halbwegs klardenkenden weggeschickt, da ich schon genug getrunken hätte.


Beleidigt setzte ich meinen Weg fort und torkelte wieder zurück in das viel zu stickige Wohnzimmer. Die Musik drang gedämpft an mein Ohr und ich hatte längst jegliches Zeitgefühl verloren.
Ich lief oder eher schwankte weiter bis ich nicht mehr wusste wo ich mich genau befand. Vor mir machte ich verschwommen zwei Personen aus.

„Mike nicht ich bin noch nicht bereit dazu“, vernahm ich eine schüchterne Stimme.

„Ach komm schon. Ich will dich so sehr. Du lässt mich jetzt schon so lange warten.“

„Mike bitte das ist nicht der richtige Ort und auch nicht der richtige Zeitpunkt“, hörte ich wieder die leise Stimme. Ich musste mich anstrengen sie zu verstehen. Der viele Alkohol vernebelte alle meine Sinne. „Mike! Mike lass mich los. Ich will das nicht! Bitte“, flehte das Mädchen. „Hör auf!“, rief sie panisch. In meinem Kopf ratterte es gewaltig. 
Ich musste die Augen zusammen kneifen um ein halbwegs scharfes Bild zu erkennen.
Schnell schlüpfte ich aus meinen Schuhen und warf sie mit aller Kraft in Richtung, wo ich die zwei menschlichen Umrisse vermutete. In der Hoffnung das einer treffen würde.
Zu dem Zeitpunkt dachte ich nicht daran, das ich jemand ernsthaft hätte verletzen können.

„Aua“, ertönte es laut und deutlich. Der Kerl den ich jetzt einigermaßen erkennen konnte, stellte sich als der heraus, weshalb ich erst hier her gekommen war. Geschockt starrte ich ihm ins Gesicht, was inzwischen nicht mehr doppelt war. Verwirrt schaute er zurück. Das Mädchen atmete erleichtert auf, da er sich nun mir zu gewandt hatte. Er schwankte auf mich zu. Der war wohl auch nicht mehr ganz nüchtern.

Mit einem Mal verschwand das kribblige Gefühl das ich hatte wenn ich ihn sah. Meine Freunde hatten Recht, Mike war wirklich ein Mistkerl und ein Schwein. Trotz meines betrunkenen Zustands freute ich mich darüber es so zu erfahren und nicht wie das arme Mädchen, dass er vor kurzem noch gegen die Wand gedrückt hatte. Ich fühlte mich irgendwie befreit, auch wenn Mike nur eine kleine Schwärmerei war. Um es Verliebt hätte nennen zu können, hätte ich ihn erst mal kennen lernen müssen. Ja es fühlte sich echt gut an. Es war vielleicht doch besser zu warten bis ich erwachsen war um mich zu verlieben. Die meisten Männer werden ja angeblich nach der Pupertät wieder halbwegs klar im Kopf.

 

„Hey du! Hauen wir ab!“, schrie ich zu dem Mädchen, das wohl immer noch nicht glauben konnte, dass ihr jemand zur Hilfe gekommen war. Ein bisschen ärgerte es mich trotzdem das Mike ein notgeiles Schwein war.
Sie hob meine Schuhe auf und rannte an Mike vorbei. Ich zog besagte hastig an und sie stützte mich auf einer Seite, weil ich sonst wahrscheinlich wirklich umgekippt wäre. 
Draußen bedankte sie sich gefühlte hundert mal, bis sie dann durch die Tür verschwand. Stolz lehnte ich ans Geländer und klopfte mir innerlich selber auf die Schulter.

 

„Emma!“ Leicht zuckte ich zusammen. Ich wusste wem die Stimme gehörte und sie klang alles andere als friedlich. 
Mit eingezogenen Kopf drehte ich mich um. Vor mir standen eine wütende Lena, ein verheulter Henri und ein grinsender Dean.

„Emma wo warst du die ganze Zeit? Wir haben uns Sorgen gemacht! Weißt du eigentlich wie spät es ist? Meine Eltern werden mich töten! Und was fällt dir eigentlich ein mich mit der Heulsuse und dem Arsch alleine zu lassen?“, wetterte Lena ohne Punkt und Komma los. Derweil schrumpfte ich unter ihren Gezeter, Zentimeter um Zentimeter.
Lena beantwortete unterdessen alle ihre Fragen selber: „Ich kann dir sagen wo du warst. Du warst dich sinnlos betrinken. Ich kann deine Fahne bis hier her riechen! Wir haben übrigens fast halb zwei. Mia und Siri sind vor über zwei Stunden abgehauen. Wenn die Polizei uns erwischt sind wir dran!“ Hilflos blickte ich mich nach einem Loch um, in das ich mich die nächste Zeit, verkriechen könnte.

„Also jetzt mach mal halblang Lena. Das war ein langer Abend und wir sollten besser alle nachhause gehen und ein wenig schlafen. Morgen kannst du Emma immer noch weiter zusammen scheißen. Good Night guys!“ Wow das war ja was ganz neues. Dean spielte den vernünftigen Erwachsenen.

„Pass gut auf. Wenn sie betrunken ist, benimmt sie sich schlimmer wie eine fünfjährige und ist furchtbar anstrengend“, warf sie noch über die Schulter, ehe sie sich Henri schnappte und mit ihm aus der Tür verschwand.

„Komm Emma wir gehen auch.“ Dean war neben mich getreten und sah mich fürsorglich an. Gähnend lehnte ich mich an ihn. Das war ein langer Tag und die Müdigkeit überrollte mich plötzlich mit einer Wucht, das ich direkt hätte umfallen könnte. „Hey nicht schlafen! Emma?“ Er schnippte mit den Fingern vor meinen halb geschlossen Augen herum. 
Ich nahm nur noch war, wie er geräuschvoll seufzte. Danach packte er mich und trug mich Huckepack aus dem Haus.

Kapitel 7


Am nächsten Morgen wachte ich mit Kopfschmerzen auf, wie ich hoffte, sie nie mehr wieder in meinem Leben haben zu müssen. Dabei hatte ich noch einige Party-Jahre vor mir, was mich nicht zu dem Glauben veranlasste dass, das mein letzter Kater sein würde. 
Ich machte mir gar nicht erst die Mühe aufzustehen. Vorsichtig kroch ich aus meinem Bett. Von da aus gings auf allen Vieren weiter ins Badezimmer. 
Verdammt war der Boden kalt. 
Bibbernd zog ich mich am Waschbecken hoch und wünschte mir im selben Moment, ich wäre einfach auf den Fließen sitzen geblieben. Horrorfilm Maskenbildner wären neidisch geworden bei meinem Anblick. Mir fiel ein Pflaster auf, das quer über meine Nase geklebt worden war. Verwundert zog ich es ab und bemerkte eine kleine Aufschürfung. Wo kam die denn her? 
Ich beschloss mir erst mal eine Kopfschmerz Tablette zu holen. Der Schmerz war so penetrant, dass ich gar nicht in der Lage war mich ab zu schminken, geschweige denn zu duschen. 
Langsam schlurfte ich die Treppen hinunter und mit jeder weiteren Stufe, verfluchte ich den gestrigen Abend ein Stück mehr. Das meiste hatte ich sowieso vergessen.

Nachdem ich nicht wusste wo ich die Tabletten finden würde, schlappte ich zu meiner Mutter. Sie saß im Wohnzimmer auf der Couch und schaute Dirty Dancing zum gefühlt tausendsten mal in ihrem Leben. Als sie mich bemerkte stellte sie sofort den Lautstärkeregler auf stumm, wofür ich ihr mehr wie dankbar war. Doch meine Mama wäre nicht meine Mama, wenn sie mich einfach so mitleidig in die Arme nahm und mir über den Rücken streichelte.

„EMMA WIE WAR DIE PARTY? HATTEST DU GESTERN SPAß?“, schrie sie mir schadenfroh entgegen. Stöhnend hielt ich mir den Kopf. Am liebsten hätte ich mir sofort die Ohren abgerissen. „Komm mit in die Küche. Da gebe ich dir etwas, das gegen den Kater hilft“, rief sie über die Schulter und verschwand durch die Tür. Meine Ohren klingelten weiter.


Auf dem Tresen hatte sie mir ein Glas Wasser, zwei Tabletten und einen Kakao hingestellt, während sie anfing sich einen Tee zu kochen. Ugeduldig wartete ich bis sich die kleinen weißen Pillen im Wasser aufgelöst hatten und schüttete alles in einem Zug hinunter. „Und jetzt gehst du duschen. Du stinkst wie eine ganze Schnappsbrennerei und besser siehst du auch nicht aus. Danach kannst du dich zu mir setzen und wir schauen zusammen Dirty Dancing zu Ende.“ Meine Mutter war nicht die einzige die diesen Film mochte.
Schleunigst verkrümelte ich mich ins Badezimmer. Auf dem Weg lief mir leider mein Vater über den Weg, der vor Schreck fast seine Zigarette hatte fallen lassen. 
Eine Stunde später sah ich wieder aus wie ich. Zusammen mit Mama schaute ich die letzte halbe Stunde Dirty Dancing. 
Beim Schlusslied grölten wir beide aus vollem Hals mit, wobei mir auffiel das sich meine Stimme ein wenig angeschlagen anhörte. Noch ein negativer Aspekt, den der gestrige Abend mit sich brachte. Ich sollte vielleicht mal eine Liste schreiben. Viel würde es wahrscheinlich nicht bringen, da ich mich nach wie vor nur lückenhaft an die Party erinnerte.


Nach dem Film klingelte es an der Tür. Meine Schwester stand davor. Grinsend hockte sie sich zu uns ins Wohnzimmer, auf die zweite rote Couch und sah mich erwartungsvoll an.

„Was ist?“, fragte ich nach einer Weile pampig.

„Wie war dein Abend? Ich will jedes kleinste Detail wissen.“ Freudig funkelte sie mich an und ich seufzte schwer.

„Sara du brauchst gar nicht auf eine Antwort hoffen. So viel wie die gestern intus hatte, würde es mich nicht wundern wenn sie nicht mal mehr wüsste, was sie an hatte.“ Empört und zu gleich erschrocken guckte ich meine Mutter an.

„Was? Woher weißt du das?“

„Gestern so gegen zwei hat es an der Tür geklingelt. Ich saß noch im Wohnzimmer und hab gelesen. Zu deinem Glück. Dean stand vor der Tür. Du saßt auf seinem Rücken und hast gelacht ohne Ende. Dann hast du angefangen “Grund zum Feiern“ von Otto Waalkes zu grölen. Er hat dich hoch ins Bett gebracht und gewartet bis du endlich eingeschlafen bist. Danach hat er sich noch höflich von mir verabschiedet und ist heim gegangen. Sei froh das du keine Alkoholvergiftung hattest Fräulein!“ Meine Schwester hatte die Erzählung meiner Mutter mit ganz vielen „Oh wie süß“ und verträumten Blicken kommentiert. Ich wäre jetzt wahrscheinlich rot geworden, wäre mir nicht so schlecht.

„Emma alles in Ordnung? Du bist leicht grün um die Nase und schwitzt.“ Besorgt strich sie mir über die Wange. Plötzlich sprang ich auf und rannte wie von der Tarantel gestochen in die Gästetoilette. 

Damit hatte wohl auch der letzte Tropfen Restalkohol meinen Körper verlassen. Wenn auch auf sehr unschöne Weise. 
Meine Mutter verdonnerte mir danach Bettruhe für den restlichen Tag. Mich störte es nicht sonderlich. Ich fühlte mich sowieso komplett ausgelaugt und ich musste später nur noch zweimal zur Kloschüssel stürzen. 
Den Rest des Zeit verbrachte ich mit fernsehen und viel Wasser trinken. Wobei letzteres auch die Anordnung von der Herrin des Hauses war. 
Abends brachte sie mir Buchstabensuppe hoch und las mir zu meiner Überraschung tatsächlich etwas vor. Das hatte sie früher als ich klein war auch immer gemacht, weil ich zu faul war selber zu lesen. 
Danach ging ich noch schnell Zähne putzen und legte mich dann in einem frischen Schlafanzug ins Bett. Dort überlegte ich was ich morgen machen könnte und beschloss Lena zu besuchen. Irgendwer musste mich ja über den Verlauf der Feier aufklären und meine Lücken füllen. 
Mit einem zufriedenen Lächeln schlief ich schlussendlich ein.

Kapitel 8

Am nächsten Tag machte ich mich gleich nach dem Frühstück auf zu Lena.

„Scheiße siehst du fertig aus!“, begrüßte sie mich charmant wie eh und je. 
Wir verzogen uns direkt in ihr Zimmer und ließen uns mit zwei Gläsern Cola aufs Sofa unter ihrem Hochbett fallen.

„Schieß los, was hab ich vorgestern Abend verpasst?“

„Also“, sagte sie gedehnt, „nachdem du wieder verschwunden bist haben wir uns zusammen mit Mia und Siri auf der Couch breit gemacht. Dean hat sich dann auch irgendwann dazu gesetzt. Allerdings war er mit einem rothaarigen Lockenkopf mehr als beschäftigt. Das wiederum hat Siri gestört, die sich anscheinend wirklich Chancen bei ihm ausgerechnet hat. Sie ist dann mehr oder weniger auf das Mädchen los gegangen.“ Verwundert sah ich sie an.

„Hatte sie ihre fünf Minuten?“

„Eher ihre fünf Minuten mit Alkohol vermischt. Auf jeden Fall hat Siri sie dann ein wenig verprügelt. Die Tusse ist dann heulend weggerannt.“ Ich musste leicht schmunzeln. Dean hatte aber auch ein Pech mit den Frauen. Vielleicht war ich ja tatsächlich an seinem ganzen Unglück, dass er mit der Damenwelt hatte, schuld. „Siri hat sich weiter total peinlich an Dean ran gemacht. Und Mia hat wegen ihren Kostüm die ganze Zeit komische Angebote von irgendwelchen Kerlen bekommen. Irgendwann haben wir Siri ein Taxi gerufen. Danach musste ich mich gezwungener Maßen mit Dean unterhalten weil Mia plötzlich verschwunden war. Er hat mich die ganze Zeit nach meiner Meinung zu irgendwelchen Tussen gefragt.“ Lena verdrehte seufzend die Augen. Ich stattdessen lachte laut los. „Du glaubst gar nicht wie oberflächlich und wählerisch dieser Kerl ist“, regte sie sich weiter auf. „Danach ist nicht mehr viel passiert. Ach doch irgend so ein Idiot hat Henris Kostüm beleidigt. Darauf ist Henri in Tränen ausgebrochen und ich musste ihn trösten! Oh ich sag dir, das war so nervig. In dem Moment hätte ich dir am liebsten ein runter gehauen“, erzählte sie weiter. 
Das Lachen blieb mir im Halse stecken, als Lena mir in den Arm zwickte.

„Aua war das nötig?“

„Für den gestrigen Abend hätte ich noch einiges mehr frei du beschissene Kuh. Aber ich belasse es erst mal dabei.“ Sie lachte. „Irgendwann war ich schon so weit, dass ich darüber nachdachte mich auch einfach sinnlos zu betrinken. Stattdessen hab ich angefangen die ganzen Salzstangen und Chips die überall in kleinen Gläsern verteilt standen aufzuessen.“ Typisch Lena, war mein gedanklicher Kommentar. „Und noch was. Dean sieht wirklich gut aus.“ Grinsend schauten wir uns an. 
Im Anschluss erzählte ich Lena alles was ich noch von der Party wusste. Das war allerdings so wenig, dass Lena mir wegen des vielen Alkohol, den ich getrunken haben musste, einen Klaps auf den Hinterkopf gab.
Schweigend saßen wir da und hingen beiden unseren Gedanken nach.

„Übrigens kurz bevor wir dich suchen gegangen sind, hat Mia mit Mike getanzt...“

„Moment mal was?“

„Mike kam irgendwann. Mia hat ihn gesehen und war irgendwie hin und weg.“

„Oh nein warum dieses Ekel!“

„Auf einmal? Standest du nicht vor kurzem noch auf den?“ Verwirrt sah sie mich an.

„Ich stand nicht auf ihn. Ich fand ihn nur ein wenig toll. Aber das ist gar nicht der Grund“, druckste ich herum.

„Emma!“

„Ist ja schon gut.“ Ich holte einmal tief Luft und erzählte dann das, was noch passiert war und ich davor mit Absicht ausgelassen hatte.

 

„Oh!“

„Ist das wirklich alles was du dazu zu sagen hast? Vielleicht hat dieser Typ anstatt dem Mädchen unsere Freundin verführt“, stellte ich mir direkt die schlimmsten Bilder vor.

„Mach dir mal keine Sorgen. Mia ist vernünftig und hatte auch nicht so viel getrunken wie du.“

„Wie bitte? Sie hat getrunken! Ist sie komplett übergeschnappt? Oh Gott er hat ihr bestimmt was getan...“

„Emma jetzt beruhig dich. Es ist alles in Ordnung. Wir drei treffen uns am Mittwoch sowieso. Also setz dich hin atme durch und danach gehen wir runter und spielen Playstation.“

„Ist schon lustig. Normalerweise bin ich die, die immer alles schön redet und du die die sich die ganze Zeit Sorgen macht und schwarz sieht.“ 
Nach unserem ausführlichen Gespräch gingen wir runter ins Wohnzimmer und spielten “Sega All-star racing“. Ein paar Runden und viele Beleidigungen später, machte ich mich wieder auf die Socken, da es Zuhause bald Essen geben würde.

Ich bog gerade in unsere Straße ein und grübelte angestrengt darüber, wie es Mia wohl ging und was ihr vielleicht passiert sein könnte, als ich sah das bei Blair jemand im Vorgarten stand. Bei genaueren Betrachtens erkannte ich Dean und wieder ein neues Mädchen. 
Jetzt hatte ich die Wahl zwischen einem Auto und einem Busch. Schon hockte ich hinter der Rostlaube des alten Herr Strobels. Der Busch wäre für mich nie in Frage gekommen. Auch wenn es November und verdammt kalt war, konnten dort Spinnen oder anderweitig eklige Insekten drin hausen. Mir war zwar klar, dass es bei den Temperaturverhältnissen längst keine Insekten mehr gab, aber ich war lieber zu paranoid als nähere Bekannschaft mit einer Spinne zu machen. 

Ich dachte ein paar Monate zurück. Damals hatte ich mich eines Abends mal nicht aus dem Badezimmer getraut, weil dort ein großer Käfer erst die Tür hoch gekrabbelt und dann an der Wand über der Tür sitzen geblieben war. Ich war mir sicher, dass er sich sofort fallen lassen würde wenn ich versucht hätte hindurch zu gehen. Meine Eltern schliefen zu der Zeit schon, weshalb ich auch nicht um Hilfe rufen konnte. 
Nach langem studieren des Käfers und vielen giftigen Blicken schaffte ich es scließlich meinen ganzen Mut zusammen zu kratzen und aus dem Bad zu flüchten. 

Vorsichtig hob ich den Kopf, um durch die ungeputzte Scheibe des alten Wagens zu spähen. Die beiden standen eng umschlungen da und probierten gerade das Gesicht des jeweils anderen. 
Schön die beiden hatten sich und wer wärmte mich bei dieser Eiseskälte? 
Bibbernd saß ich in der Hocke weiter hinter dem Auto und kam mir vor wie ein elender Spanner. Ich konnte jetzt auch schlecht aus meinem Versteck kommen und vorbei laufen. Obwohl sie mich wahrscheinlich sowieso nicht bemerkt hätten. Wenn sie jedoch genau in dem Moment voneinander ablassen würden, wäre das einfach nur schrecklich peinlich.
Zum einen da sie dann wohl wüssten, das ich die ganze Zeit hier saß und geguckt hatte. Zum anderen wollte ich beweisen, dass ich nicht wieder Deans Date vergraulte und an seinem Pech mit den Frauen schuld war!
Wie schaffte ich es nur mich immer in so dämliche Situationen hinein zu manövrieren? 
Mein Handy vibrierte in meiner Hosentasche. Eine Nachricht von Mama, las ich auf dem Display.

„Na toll es gibt Essen und ich sitze praktisch vor meinem Haus und kann nicht rein“, murmelte ich zitternd. Ich sah erneut hinüber.

„Dean wenn wir so weiter machen, glaube ich nicht das wir es rechtzeitig ins Kino schaffen“, flüsterte das Mädchen.

„Du hast recht. Wollen wir nicht lieber auf mein Zimmer? Ich habe sowieso keine Lust mehr ins Kino zu gehen.“

„Mir ist es scheißegal ob ihr ins Kino oder in dein Zimmer geht, nur verschwindet bitte endlich!“ Genervt strich ich mir eine Strähne aus dem Gesicht. Perplex riss ich die Augen auf. 
Ich war mir nicht sicher ob ich das gerade wirklich gesagt hatte, oder ob mir meine Gedanken einfach ungewöhnlich laut vorkamen.

„Wer ist da?“, kreischte Deans Mädel hysterisch. Mit der Handfläche schlug ich mir hörbar gegen die Stirn. 
Warum musste immer zum falschen Zeitpunkt, etwas unüberlegtes aus meinem Mund kommen. In diesem Fall, warum musste ich es überhaupt laut in den Nachthimmel raus schreien. 
Schritte kamen näher und ich überlegte fieberhaft was im Moment das klügste wäre. Ich sprang auf, stülpte mir die Kapuze über den Kopf und sprintete davon. Mein Vorteil war, dass es schon relativ dunkel war und Dean garantiert bloß eine schwarze Silhouette davon laufen sehen würde.

„Halt stehen geblieben Spanner!“, brüllte er hinter mir. Ich wusste es doch! 
Meine Beine in die Hand nehmend, rannte ich wie noch nie zuvor in meinem Leben. 
In Gedanken fasste ich den Entschluss, wenn sich die Gelegenheit bot hinter irgendeinem Baum oder etwas anderem in Deckung zu gehen.

„Lass mich bloß in Ruhe!“, schrie ich einige Oktaven höher über meine Schulter, wonach ich mich Mias und Alex Meinung dann anhörte wie unsere durchgeknallte Deutschlehrerin. Das hatte zur Folge dass ich Seitenstechen bekam.
Erneut ärgerte ich mich darüber so unsportlich zu sein. Dementsprechend schlecht war meine Kondition. 
Krampfhaft versuchte ich mein Tempo und ebenso Dean auf Abstand zu halten. 
Der naheliegende Wald, in dem ich häufiger mit Lena spazieren ging, war meine Rettung. Dean hatte ich nach kurzer Zeit endlich abgeschüttelt.

 
Mir war ohnehin schleierhaft weshalb er mir so lange hinterher gehetzt war. Wahrscheinlich um bei seiner neuen Tusse Eindruck zu schinden. Dabei wäre das gar nicht nötig gewesen. Sie hätte sicher auch so mit ihm geschlafen. 
Man musste einfach zugeben dass dieser Kerl wunderschön war. 
Irgendwie war es seltsam Dean so zu bezeichnen. Solche Adjektive waren in meinen Augen eher für die Aussehens Beschreibung von Frauen passend. 
Bei ihm jedoch, fand ich, gab es gar kein richtiges Wort das ihn richtig beschrieben hätte. 
Ich nahm mir vor bei Gelegenheit eine treffende Bezeichnung für Deans Aussehen zu finden. Zur Not würde ich Lena um Rat fragen. Sie wusste ja mittlerweile wie er aussah.

 
Keuchend verweilte ich noch etwa zehn Minuten neben dem Baum, der mich brav von einem Zusammenbruch abhielt.
Total kaputt und mit Beinen wie Wackelpudding schleppte ich meinen verschwitzten Körper nachhause. 
Meine Mutter steckte ihren Kopf aus der Küche, als sie die Tür hörte. Strahlend kam sie auf mich zu geschlendert und trällerte gut gelaunt: „Hallo Mausibär soll ich dir dein Essen schon mal aufwärmen?“ Grimmig sah ich sie an. 
Wie kam es eigentlich das es Mama stets schaffte, die Augenblicke ab zupassen in der ihre ekelhafte gute Laune meine unterirdisch schlechte erdrücken konnte? Mein Vater bekam es immer hin, wenn ich schlechte Laune hatte. Doch meine Mama hatte ein Talent dazu, immer genau dann zu kommen, wenn ich gerade einen richtigen Tiefpunkt erreichte. Vielleicht hatte sie einfach ein Gespür dafür, wann sie mir mal ausnahmsweise etwas rein drücken konnte.

 

„Ich geh erst mal duschen!“ Damit rauschte ich an ihr vorbei nach oben. Meine Kleidung roch unangenehm und meine Haare klebten an meiner Stirn. Schnurstracks stieg ich unter die Dusche. Ich spürte wie sich meine nicht vorhandenen Muskeln entspannten und mir langsam warm wurde. Eine halbe Stunde stand ich einfach unter dem Strahl ohne mich zu bewegen. 
Irgendwann musste ich leider auch raus. Während ich mir warme Kleidung anzog, rubbelte ich mein Haare trocken. 
Unten stand mein Essen bereits auf dem Tisch. Mein Vater saß neben mir und drehte seine Zigaretten, derweil schaltete meine Mutter die aufgenommene Folge “Schwiegertochter gesucht“ an. 
Das war doch ein Montagabend wie er im Buche stand. Wir drei saßen zusammen und amüsierten uns darüber das es noch schrecklichere Familien gab als unsere. 
Um 22 Uhr bekam ich eine Sms von Blair, ob ich morgen gegen elf auf Fiona aufpassen könnte. Kurz überlegte ich und da ich Ferien hatte antwortete ich mit Ja. 
Anschließend ging ich schlafen. Der Tag hatte mich echt geschafft.

Kapitel 9

Der nächste Morgen war fast noch schmerzhafter, als der vor zwei Tagen mit dem grausamen Kater. Mein Beine fühlten sich an wie Blei, sodass ich die Treppe einfach auf meinem Po hinunter rutschte. Das hatte ich das letzte mal mit elf Jahren gemacht. 
Meine Mutter schlief noch und so musste ich mir mein Frühstück selber machen. Lustlos kaute ich auf meinem Toast herum. 
Ich wünschte ich hätte gestern nicht zugesagt und könnte den Tag im Bett verbringen. 
Ein Blick auf die Uhr verriet mir, das ich mich langsam fertig machen sollte. Vor der Treppe blieb ich unschlüssig stehen und überlegte wie ich am besten nach oben käme. In Zeitlupe erklomm ich Stufe für Stufe und musste tapfer die Zähne zusammen beißen, um mich nicht einfach rückwärts die Treppe runter fallen zu lassen. 
Nach einer gefühlten Ewigkeit kam ich oben an wo mir meine Mutter entgegen schlurfte. Sie nickte kurz und lief in die Richtung aus der ich gerade gekommen war. Mein Vater war der einzige Frühaufsteher in der Familie. Gut er musste auch zur Arbeit. 
Schwerfällig schlüpfte ich in eine bequeme Leggins und einen flauschigen lila Kapuzenpullover. Meine absolute Lieblingsfarbe. 
Im Bad putzte ich Zähne und kämmte meine Haare. Sie waren vom an der Luft trocknen, ganz wellig geworden, stellte ich mit einem Blick in den Spiegel fest. Ich gab meiner Mutter einen Kuss auf die Wange verschwand dann rüber. 

Pünktlich, was bei mir wirklich selten vorkam, stand ich bei meinem Nachbarn vor der Tür. In meiner Tasche eine beachtliche Anzahl an Kinderfilmen. Ich war immer noch so kaputt, dass ich vorhatte Fiona den ganzen Tag vor die Glotze zu setzen. Eine großes, schwarzhaariges Mädchen mit nichts mehr als einem längeren T-shirt an, stand im Rahmen und blickte mich an. 
Na also es ging doch, dachte ich grinsend.

„Kann ich dir helfen?“, fragte sie unfreundlich. Mein Grinsen verschwand und ich lief ohne ein Wort an ihr vorbei. Dean hatte echt ein Händchen für bescheuerte Weiber. Die eine war psychisch labil, die hier eine unhöfliche arrogante Ziege.

„Hallo bist du noch ganz dicht!“, schrie sie mir hinter her.

„Wow du kannst auch grüßen?“, erwiderte ich schnippisch. Ich konnte es einfach nicht leiden wenn jemand nicht Hallo sagte. In dem Moment kam Blair die Treppen runter.

„Emma da bist du ja. Und so pünktlich.“ Überrascht sah sie mich an und schloss mich in ihre Arme.

Als sie mich los lies, entdeckte sie auch endlich die doofe Kuh hinter mir. Ihr Blick verfinsterte sich.

„Wenn sie sich schon hier unten herum treiben, dann ziehen sie sich gefälligst etwas ordentliches an! Ich habe schließlich eine siebenjährige Tochter.“ Blair strafte sie mit strengem Blick, während ich schadenfroh in mich hinein grinste. So schnell konnte ich gar nicht gucken, da war sie schon an uns vorbei gehuscht. Lächelnd schaute Blair zu mir.

„Wo ist Fiona?“, erkundigte ich mich als wir in die Küche gingen.

„Die ist oben und malt. Also ähm wegen ihrer Geburtstagsfeier am Wochenende. Dean kommt mit als Aufsichtsperson.“

„Was wieso?“, rief ich entsetzt.

„Je mehr desto besser. Und jetzt musst du nicht alleine mit den kleinen herum toben. Ist doch schön“, versuchte Blair mich mit gequälten Lächeln zu überzeugen.

 

„Emi schau doch mal! Ich habe ein Bild von dir und Dean gemalt“, rief Fiona als sie in die Küche gestürmt kam. Stolz hielt sie ein Blatt Papier hoch, auf dem zwei Strichmännchen seltsame Verrenkungen voll führten. Das eine war etwas größer mit kurzen gelben Haaren, daneben das zweite mit langen braunen Haaren.

„Ah ja und was machen wir da?“ Verwirrt beäugte ich es genauer, konnte mir aber keinen Reim darauf bilden.

„Na ihr tanzt. Weißt du nicht mehr letzte Woche-?“ Ich hielt ihr den Mund zu. Blair sollte davon nichts erfahren.

„Fiona hat mir schon davon erzählt“, rief Blair dazwischen und grinste mich wissend an. Ich wäre am liebsten im Erdboden versunken. Das in dem Moment auch noch Dean ohne Oberteil in die Küche spaziert kam, machte die peinliche Situation nicht besser.

„Guten Morgen.“ Krampfhaft starrte ich auf meine Hände. Kurz darauf kam Deans Übernachtungsgast herein spaziert. Diesmal vollständig angezogen, gab sie Dean einen flüchtigen Kuss und verschwand anschließend ohne ein Wort zu sagen. Wie konnte man nur so unhöflich sein?

„Ich habe es vorhin dem Mädchen gesagt und ich sage es dir ebenfalls nochmal. Ihr sollt hier nicht so freizügig herum laufen. Fiona muss nicht alles mit bekommen“, erklärte Blair ruhig. Missbilligend schaute Dean seine Mutter an.

„Was soll ich nicht mitbekommen?", fragte Fiona neugierig.

„Als ob sie sofort ihre Unschuld verliert wenn ich ohne Oberteil rum laufe. Außerdem ist sie doch meine kleine Schwester, ihr wäre es wahrscheinlich auch scheiß egal wenn ich nackt durchs Haus tanze.“ Mir reichte es. Ich schnappte mir Fiona und verzog mich mit ihr ins Wohnzimmer.

„Emi warum bist du denn so rot?“

„Ach mir ist nur warm“, log ich. Der Gedanke an einen tanzen und dazu nackten Dean war einfach zu viel! 
Schleunigst verfrachtete ich Fiona auf die Couch und schaltete den Fernseher an.

„Was schauen wir denn an?“, neugierig sah Fiona zu mir.

„Alvin und die Weltenbummler.“ Ich legte die erst besten DvD ein die ich in die Hände bekam und schmiss mich danach auf die Couch

 
Mitten im Film schlief ich ein und wachte erst auf, wie Fiona mir ins Ohr brüllte: „Emi ich habe Hunger! Ich will was zu essen!“ Erschrocken fuhr ich zusammen. Als ich realisierte was los war, rappelte ich mich stöhnend vom Sofa auf und wankte aus dem Zimmer. Fiona rannte mir nach und setzte sich an den Küchentisch.

„Was willst du denn?“ Verschlafen schaute ich mich um.

„Kellogs!“, quietschte sie. Blinzelnd sah ich auf die Uhr am Backofen.

„Um zwei? Willst du nicht lieber was warmes? Einen Käsetoast oder etwas aus dem Gefrierfach?“

„Nein.“ Bockig verschränkte sie die Arme vor der Brust. Seufzend stellte ich ihr eine Schüssel mit Milch und Kellogs vor die Nase.

„Mach sie rein“, befahl Fiona. Dieses Mädchen war wie eine zusätzliche Schwester, aber manchmal würde ich ihr echt gerne eine auf den Hintern geben wenn sie sich mal wieder aufführte wie die Prinzessin auf der Erbse. 
Brav schüttete ich ihr erst die Kellogs, dann die Milch in die Schüssel und gab ihr einen Löffel.

„So richtig eure Majestät?“ Nickend aß sie und ich ließ mich im Wohnzimmer auf die Couch plumpsen. Ich war total erledigt und das konnte schlecht nur vom Muskelkater kommen.

 

„Hey Emma!“, rief es schon wieder neben mir. Konnte ich nicht mal für fünf Minuten meine Ruhe haben? Müde schlug ich meine Augen auf. Dean hatte sich neben mir breit gemacht. Meine Füße lagen auf seinem Schoß, während er konzentriert den Fernseher betrachtete. „Du wirst nicht fürs Schlafen bezahlt.“ Grinsend schaute er zu mir.

„Idiot!“, murmelte ich dösend.

„Zicke“, kam es zurück. Wütend öffnete ich nochmal meine Augen und warf ein Sofakissen in seine Richtung. Die einzige Reaktion die ich damit erzielte, war dreckiges Lachen seinerseits. 
Mir fiel auf, dass seine Stimme, wenn er lachte gar nicht mehr so tief klang. 
Ich vergaß völlig meine Wut. Viel zu beschäftigt war ich damit seinem sympathischen Lachen zu lauschen.

„Tut deine Nase noch weh?“, fragte er nachdem er sich halbwegs beruhigt hatte.

„Was meinst du?“

„Weißt du nicht mehr was auf dem Heimweg von der Party passiert ist?“ Beschämt blickte ich auf den Fernseher. Jetzt fing Dean noch mehr an zu lachen.

„Ich habe dich Huckepack Nachhause getragen. Auf dem Weg bist du aufgewacht und hast dann die ganze Zeit gerufen das ich der schönste Mann der Welt bin.“ Es müsste mittlerweile aus meinen Ohren rauchen. Ich verspürte eine unschöne Mischung aus Wut, Scham und Fassungslosigkeit. „Dann wolltest du dich plötzlich ausziehen.“ Ich hatte das Gefühl jeden Moment in Ohnmacht zu fallen. „Ich konnte es dir zum Glück ausreden. Naja und du meintest dann das du einen Handstand kannst und bist ziemlich unelegant auf die Nase gefallen.“ Deswegen also das Pflaster. 
Bevor ich noch schreiend aus dem Raum rennen würde, da Dean wohl noch nicht fertig zu sein schien, entschuldigte ich mich mit einem gemurmelten: „Tut mir leid für die Umstände“, und verließ fluchtartig das Wohnzimmer. 
Ich wollte gar nicht wissen was noch alles passiert war. Wahrscheinlich könnte ich ihm dann gar nicht mehr unter die Augen treten. Obwohl es jetzt auch schon peinlich genug war.

 
Den restlichen Tag verbrachte ich mit Fiona auf ihrem Zimmer. Glücklicherweise war ihre Zicken Phase nach dem Essen wieder vorbei gewesen. 
Ich spielte mit ihr den ganzen Nachmittag Puppen. Gegen 18 Uhr kamen Blair und Martin. Kurz verabschiedete ich mich und lief dann hastig Nachhause, um nicht noch ausversehen Dean zu begegnen.

Kapitel 10

„Warum müssen wir da nochmal mit?“ Lena sah mich gequält an, was ich mit einem Grinsen quittierte.

„Weil wir Mia versprochen haben dabei zu sein wenn sie die Spange raus bekommt. Außerdem wollen wir uns doch vergewissern das ihr nichts passiert ist. Und ich kann nichts dafür wenn du mal wieder die halbe Nacht wach warst um deine dämlichen Serien weiter zu schauen oder Fanfictions zu lesen!“ Grummelnd schlenderte Lena den Weg weiter, der von der Straßenbahn zu Mias Haus führte. Kopfschüttelnd folgte ich ihr. 
Angekommen öffnete Mias kleiner Bruder die Tür und verkrümelte sich danach sofort wieder ins angrenzende Wohnzimmer.

„Mia komm runter!“, brüllte Lena nach oben.

„Ich spüre richtig deine gute Laune“, murmelte ich zu ihr. 
Zwanzig Minuten später saßen wir im Bus Richtung Stadt. Mia wirkte schon die ganze Zeit so verträumt. Ich beschloss sie wenn wir Essen waren auf die Party anzusprechen. Lena schien das alles nicht so recht zu interessieren. Sie sah unbeteiligt aus dem Fenster und hörte nebenbei Musik.

 
Beim Kieferorthopäden warteten wir im Wartezimmer. Ich las ein Kinderbuch, Mia tippte ununterbrochen auf ihrem Handy herum und Lena starrte griesgrämig ein schreiendes Kind an.

„Ich habe Hunger“, flüsterte sie mir zu, „können wir nicht was essen bis Mia fertig ist?“

„Nein. Wir haben doch gestern schon ausgemacht das wir später zusammen Essen gehen in unserem Stammlokal!“, zischte ich zurück.

„Zusammen, zusammen, zusammen! Wir müssen doch nicht die ganze Zeit aufeinander hocken wie ein altes Ehepaar, wenn ihr später sowieso bei mir übernachtet!“

„Psst Lena nicht so laut. Das ist ein Wartezimmer!“, mischte sich Mia ein.

„Ach das ist mir doch scheiß egal!“ Wow ihre Laune könnte wirklich nicht besser sein. 
Ich versteckte mich derweil hinter dem Buch. Vielleicht bemerkten die Leute dann nicht das ich zu den beiden gehörte.

„Man Lena du musst nicht immer so schreien. Du benimmst dich total peinlich. Und dein ständiges Genörgel nervt!“ Mia war mittlerweile auch nicht mehr ruhig. 
Ich wollte mich bereits dazwischen werfen, da trat die Empfangsdame in die Tür: „Mia Nowak bitte.“ Aufatmend ließ ich mich zurück in den Stuhl sinken. 
Die Situation war entschärft und ich lenkte Lena die nächste Zeit mit einem Gespräch über Henri ab. Doch irgendwann legte sie den Kopf in die Hände und döste ein wenig, während ich mir ein neues Bilderbuch schnappte.

 

„Bin fertig“, ertönte es zwei Stunden später neben uns.

„Los zeig mal“, rief Lena jetzt mit sehr viel besserer Laune. Mia lächelte uns schüchtern an.

„Macht schon einen Unterschied aber was ist das für ein Band um deine Vorderzähne?“, meinte ich nach einer Zeit des Betrachtens.

„Das ist dafür das die Zähne vorne nicht auseinander gehen und eine Lücke entsteht.“

„Dann hopp hopp auf zum Hauptbahnhof. Ich habe Hunger.“ Vorwurfsvoll sah Mia Lena an. „Und auf dem Weg holen wir noch schnell Asia Nudeln für unsere vegetarische Mia.“
Ich legte den beiden jeweils einen Arm um die Schulter und grinste sie fröhlich an. Der kleine Streit von vorhin war vergessen. 
Zusammen fuhren wir in die Innenstadt und holten für Mia eine vegetarische Box und ein paar Frühlingsrollen beim Chinesen. Danach machten wir uns auf den Weg zum Hauptbahnhof in unser Stamm Burger King.

„Hey Zeddin!“ Winkend liefen wir auf die Kasse zu. Zeddin hob ihren Blick von den Tasten und begann im gleichen Moment zu strahlen.

„Leute ihr ward ja schon ewig nicht mehr hier“, quietschte sie glücklich. „Los kommt macht mal platz hier! Die drei dürfen zu erst.“ Zeddin wedelte mit den Armen die Leute ein wenig zurück. Obwohl es heute mal wieder rappel voll war, lies uns Zeddin trotzdem an der langen Schlange vorbei und sofort bestellen.

„So wie immer?“ Wir drei nickten. „Also dann für Lena zwei Whopper, mittlere Pommes und eine große Cola light. Emma bekommt zwei Cheesburger und ein Oreoeis und für Mia einfach wieder Pommes“, ratterte sie runter während sie alles eingab und schenkte uns einen flüchtigen Blick um sicher zu gehen, das keiner von uns Einwände dagegen hatte. Hinter uns beschwerten sich bereits einige Kunden, als sie bemerkten das wir drei niemand besonderes waren und trotzdem zuerst dran kamen.

„Klappe da hinten, wenn sie Stammkunde hier werden können wir gerne über eine Sonderbehandling sprechen!“, brüllte Zeddin über den Tresen einer kleinen rundlichen Frau mit roten Wirrwarr Locken entgegen. Mich wunderte es das sie noch nicht gefeuert wurde. Die goldene Regel “Der Kunde ist König“ hatte sie wohl noch nie gehört. Aber deswegen mochten wir Zeddin schließlich auch so gerne.

„Ich bin so froh das ich meine Pause heute erst später nehmen wollte. Vielleicht hatte ich im Gefühl das ihr kommt.“ Ihre warmen braunen Augen strahlten uns fröhlich an. Sie bediente uns nahm noch zwei weitere Kunden entgegen und verließ dann die Kasse, als gerade die Frau mit den Locken dran gewesen wäre. „Ein Kollege kommt gleich“, rief sie lachend der keifenden Dame zu.
Lena war gerade dabei die Gurken von ihrem Whopper zu pflücken, als Zeddin mit einem Kaffee sich an unseren Tisch gesellte.

„Warum bestellst du ihn nicht gleich ohne Gurken wenn du sie sowieso nie isst?“, fragte ich kauend.

„Weil es dann viel länger dauern würde und ich habe Hunger“, erklärte Lena.

„Du hast doch immer Hunger“, lachte Zeddin, „Und was gibt’s neues?“ Gleichzeitig schnellten Lenas und mein Kopf in Mias Richtung.

„Was schaut ihr jetzt mich so an?“ Ich hielt es nicht mehr aus.

„Mia erzähl uns endlich was auf der Party zwischen dir und Mike passiert ist“, brach es aus mir raus. Sofort wurde sie leicht rot um die Nase. Der Schreck stand ihr ins Gesicht geschrieben.

„Ertappt würde ich sagen“, kam es von Zeddin die sich ein paar Pommes von uns klaute.

„Also eigentlich würde ich da nicht so gerne drüber reden“, gab sie verlegen zu. Ich war kurz davor sie am Kragen zu packen und durch zu schütteln. Auch Lena kaute nervös auf ihrem Strohhalm herum.

„Mia wenn du es nicht augenblicklich ausspuckst...!“ Ich ließ den Satz in der Luft hängen. Ein paar Leute sahen uns an.

„Emma nicht so laut.“ Wütend sprang ich von meinem Stuhl auf.

„Wenn ich mich aufrege kann ich nicht leise bleiben!“, schrie ich sie aufgebracht an. Ich machte mir furchtbar Sorgen und sie wollte nicht mit uns reden. Dafür hatte ich absolut kein Verständnis.

„Okay ich erzähls euch, aber hör bitte auf zu schreien.“ Einsichtig und jetzt etwas ruhiger setzte ich mich wieder auf meinen Stuhl und packte meinen Cheesburger aus. Sie holte einmal tief Luft und sah uns dann an. „Ich habe mit Mike geschlafen.“ Was darauf folgte war wirklich filmreif. 
Lena spuckte ihre Cola quer über den Tisch. Ich verschluckte mich an meinem Cheesburger und dachte ich würde mich jeden Moment übergeben müssen. Lena klopfte mir hilfsbereit auf den Rücken, während sie ein paar Servietten auf den Tisch verteilte. Zeddin sah Mia einfach nur geschockt an. 
Es gab wohl kaum noch jemand, der zu diesem Zeitpunkt nicht auf uns aufmerksam geworden war. Spätestens als Lena brüllte: „Du hast mit Mike geschlafen!“, starrten uns alle an. Auf den Schock biss Lena erst mal in ihren Whopper um ihn kurz darauf wieder auszuspucken. „Ihh ich hab völlig vergessen die restlichen Gurken raus zu tun“, sagte sie mit angeekelten Gesichtsausdruck.
Mia war knallrot im Gesicht geworden und mir wurde ein zweites Mal schlecht.

„Was ist das für ein Kaffee?“, fragte ich trocken.

„Schwarz“, antwortete Zeddin.

„Super!“ Ich schnappte mir ihre Tasse und trank einen großen Schluck daraus, den ich angeekelt hinunter würgte. „So jetzt gehts. Erzähl uns alles“, sagte ich nachdem mein Mund leer war. Nervös spielte Mia mit einer ihrer Straßenköter-blonden Haarsträhnen herum. Lena aß schon wieder und schien die Ruhe selbst zu sein.

„Also naja das war so Mike hat mich plötzlich zum Tanzen aufgefordert...“

„Du kannst doch gar nicht tanzen“, plapperte Lena dazwischen.

„Ich habs irgendwie hingekriegt und vielleicht lag es zu dem Zeitpunkt am Alkohol aber er hat mich danach einfach geküsst. Ich war in dem Moment so überrumpelt und wusste gar nicht was hier passiert. Irgendwann hab ich dann mitgemacht und es war einfach Wow.“ Beschämt schloss Mia kurz ihre blauen Augen lächelte aber. Ich musste mich stark zusammen reißen mich nicht nochmal zu verschlucken. „Und dann hat eins zum anderen geführt. Plötzlich waren wir in seinem Zimmer und...“

„Schon gut“, Lena hob ihre Hand, „ich glaube wir können uns ganz gut ausmalen was dann passiert ist und ich würde hier gerne noch essen.“

„Oh gott nein das wollte ich euch gar nicht erzählen. Ich habe da ein Problem.“ Jetzt sahen wir sie abermals neugierig an.

„Schieß los“, kam es nach einer Weile der Stille von Zeddin.

„Ich naja... ich glaube... es besteht die Möglichkeit...“

„Los jetzt!“, keifte Lena nun wieder ungeduldiger.

„Ich habe mich in Mike verliebt.“

Kapitel 11

Wir starrten sie einfach nur an. Lena war die erste die sich wieder fing.

„Geil! Nicht nur das du mit dem Scheißkerl schläfst der dir das Herz raus reißen und in tausend Teile zerbröseln wird. Nein dann hast du jetzt auch noch Gefühle für ihn damit er genau dies tun kann!“, rief Lena aufgebracht. Fassungslos schüttelte ich den Kopf, weil mir einfach nichts darauf einfiel. 

Auf dem Heimweg war es ungewöhnlich still. Normalerweise redeten und lachten wir die ganze Zeit. Doch jetzt lag eine bedrückende Stimmung in der Luft und keiner traute sich nur einen Ton von sich zu geben. 
Mia hatte ihre Schlafsachen bereits dabei und meine holten wir auf dem Weg zu Lena ab.
Lenas Mutter überraschte uns mit Pizza, mit der wir uns direkt ins Wohnzimmer verzogen. 
Stumm saßen wir verteilt auf zwei Sofas und dem Sessel im Zimmer und nagten an unseren Essen herum. Im Hintergrund lief “Sally Bollywood“ im Fernsehen.

„Okay“, ergriff ich nach einer gefühlten Ewigkeit das Wort, „können wir bitte wieder miteinander reden? Wir wollten heute einen lustigen Tag zu dritt verbringen und jetzt schweigen wir uns an. Das ist doch scheiße. Mia ich finde es dämlich das du mit Mike geschlafen hast aber wir sind Freundinnen und deswegen werde ich für dich da sein.“ Fest sah ich sie an und blickte dann erwartungsvoll zu Lena. Leicht verdutzt sah sie mich langsam von unten nach oben an, mit einem Pizzastück im Mund.
Ergeben seufzte sie und sagte: „Schon gut wir sind beide für dich da und hören dir zu wenn du uns etwas erzählen willst. Okay ich werde dir halbwegs zuhören und Emma wird mit ihren Gedanken wieder in anderen Welten unterwegs sein.“ Ich streckte Lena die Zunge raus, Mia lachte und ab da wussten wir, dass alles wieder gut war. 

Nachdem Lena zwei Chipstüten aus der Küche geholt hatte spielte sie Skyrim und Mia erzählte nebenbei ein paar Einzelheiten von der Nacht mit Mike. Lena gab zwar, als es ein wenig intimer wurde, ab und zu ein paar würgende Geräusche von sich, hörte aber meist sofort auf wenn ich ihr leicht in die Seite trat.

„Und er hat so wunderschöne braune Augen. Sie erinnern mich an schmelzende Schokolade an einem heißen Sommertag.“ Mein Handy vibrierte neben mir. 
Eine Whatsapp-Nachricht von Lena Dede:
Wenn ich irgendwann mal anfangen sollte so zu reden, bitte erschieß mich!  
Ich sah von meinem Handy auf grinste sie an.  
Um 23Uhr legten wir die erste Staffel Vampire Diaries ein obwohl wir schon jede Folge in und auswendig kannten. Es war irgendwie zur Tradition geworden. Immer wenn wir bei Lena übernachteten schauten wir die ganze Nacht Vampire Diaries und regten uns parallel darüber auf, wie bescheuert Twilight im Gegensatz dazu war. Lena konnte eigentlich bei beiden wunderbar an die Decke gehen.

„Warum können wir nicht die zweite Staffel schauen? Da kommt wenigstens Klaus vor!“, schwärmte Lena. Mia und ich verdrehten synchron die Augen.

„Weil wir das letzte Mal nicht mit der ersten fertig geworden sind“, erklärte Mia und stopfte sich eine handvoll Chips in den Mund.

 

„Man Stefan ist so hässlich!“, riefen wir im Chor sobald er das erste mal auf der Bildfläche erschien.

„Obwohl ich ihn nicht so schlimm finde wie Tyler.“ Lena schüttelte sich vor Ekel.

„Oder Jacob“, schmatzte ich mit vollem Mund.

„Aber von Twilight sind generell alle bescheuert. Jacob und Edward sehen nicht nur kacke aus sondern sind es auch und Bella hat immer ihren Mund offen und sieht den ganzen Film durchweg deprimiert aus“, argumentierte Mia.

„Die ganze Saga hindurch ist sie deprimiert und Edward würde ich am liebsten schlagen obwohl ich ihn gar nicht so schlecht aussehend finde“, regte sich Lena auf. „Jacob ist finde ich gar nicht so übel. Er ist einfach nur grotten hässlich aber wenn es drauf ankommt würde ich mich immer für Team Carlisle entscheiden. Und bei Vampire Diaries natürlich für Klaus“, grinste sie, „Und Emma erst runter schlucken dann reden du kleines Schwein!"

„Als ich mir mit 13 das erste mal die Filme angesehen habe war ich total begeistert und Jacob fand ich damals auch ziemlich hübsch.“, überlegte ich laut und schüttelte angeekelt den Kopf. 

„Du littst damals unter ziemlich schlimmer Geschmacksverirrung aber wahrscheinlich nur wegen deinem Muskelfetisch“, grinste Mia und ich schmollte ein wenig vor mich hin.

„Aber bei Robert Pattinson war es ja sowieso nur Photoshop“, meinte Lena.

„Hey wie wärs schauen wir uns doch Twilight an“, schlug Mia lachend vor. Ich zeigte ihr direkt einen Vogel und Lena meinte: „Gut aber wenn ihr das macht verlasse ich den Raum!“
Mein Vorschlag Karaoke zu spielen um 3Uhr nachts wurde einstimmig abgelehnt.  
Wir aßen beide Chipstüten leer, tranken vier Flaschen Spezi und schliefen schließlich in unbequemen Positionen auf Couch und Sessel ein.
Alles in allem ein ganz normaler Mädels-Abend.

Kapitel 12

 

Die nächsten Tage verliefen relativ unspektakulär. 
Samstagmorgen stand ich früh auf und machte mich im Anschluss für Fionas Kindergeburtstag fertig. Ein ganzer Tag im Indoorspieltplatz mit Blair, Martin, Dean, Fiona und sieben weiteren Quälgeistern. Um zehn fuhren Blair und ich los, damit wir schon mal ein wenig Vorbereitungen treffen konnten bevor die anderen kamen.
Allein der Gedanke daran, den ganzen Tag mit Dean aufeinander hocken zu müssen, löste in mir das Bedürfnis aus, schreiend wegzurennen. Noch immer zerbrach ich mir den Kopf über das, was er mir von der Party erzählt hatte. Jedes mal wurde ich rot wenn ich daran dachte und wünschte mir sehnlichst es gäbe eine Löschtaste in meinem Gehirn. Am besten in meinem und in Deans! 
Ich dachte so viel nach das ich bereits Kopfschmerzen bekam.

„Emma mach dir keinen Kopf. Der Tag wird bestimmt super lustig!“

„Oh ja bestimmt. Ich darf mich einen ganzen Tag mit Dean um acht kleine Kinder kümmern“, nuschelte ich in meinen imaginären Bart.

„Ich dachte du magst Kinder“, warf Blair neben mir ein.

„Nein ich mag Fiona! Generell finde ich Kinder in dem Alter extremst anstrengent“, erklärte ich missmutig.

Die restliche Fahrt schwiegen wir. Blair hatte es wohl aufgegeben mir den Tag schön zu reden.


Mit Essen und Trinken bewaffnet betraten wir den Indoorspielplatz. Blair klärte alles ab und ich bekam einen Stempel auf mein Handgelenk.
Erst mal zog ich meine Schuhe aus und suchte dann zwei Tische auf den ich alles abladen konnte. Dabei rutschte ich einmal fast aus, weil der Holzboden unnormal glatt war. 
Ich holte aus dem Korb Pappteller und Becher und verteilte sie auf dem ersten Tisch. Für die Mädchen welche mit Disney Prinzessinen, für die Jungs mit Lightning McQueen.
Danach dekorierte ich ihn mit ein paar Luftschlangen und lustig gefalteten Servietten. 
Zum Schluss half mir Blair noch das Essen auszupacken und hinzustellen. Die Körbe und was wir im Moment nicht brauchten legten wir auf den zweiten Tisch. Nach und nach trafen einige Kinder ein und gegen elf kamen dann Fiona, Dean und Martin.

„Emi! Mama!“, brüllte sie so laut das man es bestimmt in der ganzen Halle hören konnte.

„Hey meine Süße alles gute zum Geburtstag“, gratulierte ihr Blair und nahm sie in den Arm.

„Und alles brav vorbereitet du super Akrobatin?“, flüsterte eine Stimme in mein Ohr. Ich wusste das Dean auf den Vorfall beim Nachhauseweg von der Party anspielte. War klar das er weiterhin darauf herum hacken musste.

Nicht antwortend ging ich auf Fiona zu hob sie hoch und gratulierte ihr lächelnd.

„Emi gehen wir spielen?“, fragte Fiona aufgekratzt.

„Willst du nicht erst auf deine restlichen Gäste warten?“, mischte sich Blair ein.

„Nein ich will jetzt schon spielen. Ich komm dann wenn meine Freunde da sind. Komm Emi!“ Sie zerrte mich an meinem Ärmel Richtung Hüpfburg.

„Ja los Emi!“, rief Dean hinter mir mit einer hohen Piepsstimme. Widerwillig kam ich mit und sprang mit Fiona ein paar Runden auf der Hüpfburg. 
Zehn Minuten später kam ich röchelnd aus dem verdammten Gummiteil gekrochen und wurde zum Glück von zwei Freundinnen von Fiona abgelöst.

„Jetzt schon aus der Puste?“, fragte Dean belustigt der sich gerade einen Kuchenspieß in den Mund schob.

„Mach du das erst mal mit. Das ist anstrengender als es aussieht, vor allem wenn du Fiona auch noch helfen sollst auf die Spitze der Hüpfburg zu klettern.“

„Na gut.“ Gelassen spazierte er an mir vorbei, geradewegs auf die Hüpfburg zu. Missmutig schaute ich ihnen eine Weile zu und fing dann aus Frust an die Kuchenspieße zu plündern. 
Während Dean also die Kinder bespaßte widmete ich mich der aufregenden Aufgabe die Geschenke auf einen Haufen zu stapeln damit Fiona sie später auspacken konnte. Danach legte ich die Sachen fürs Kinder schminken raus. Die ersten kamen außer Atem an den Tisch um etwas zu trinken. 
Fiona kam mit hochrotem Kopf zu mir und setzte sich neben mich. Sie verschluckte sich fast beim trinken.

„Ganz ruhig. Dir nimmt keiner was weg“, sagte Blair hinter ihr mahnend. „Jetzt wo alle da sind wie wärs da mit den Geschenken?“ Fionas Augen leuchteten vor Freude bei jeder neuen ausgepackten Sache. Es gab von allen etwas und Fiona sagte bei jedem Geschenk brav danke. Das letzte war ein einfacher Briefumschlag. Neugierig betrachtete Fiona ihn und holte dann eine Geburtstagskarte raus auf der ein Teddy mit einem bunten Partyhut und einem Geschenk in der Hand abgebildet war.

„Alles gute zum Geburtstag kleine Schwester. Mein Geschenk ist ein ganzer Tag an dem wir machen können was du willst“, las Fiona laut vor. Dean hatte sogar drauf geachtet in Druckschrift zu schreiben. Ich musste mir ein Augenrollen verkneifen und fast wäre mir ein gehustetes Schleimer raus gerutscht. „Danke Dean!“, rief Fiona glücklich.


Danach aßen alle zusammen Pommes, Churrywurst und zum Nachtisch Kuchen. Dean grinste mich immer wieder an und ich hätte ihn am liebsten unter dem Tisch getreten. Die Kinder machten sich nach dem Essen wieder direkt auf den Weg alles in der Halle auszuprobieren.

„Ich komm gleich nach“, versicherte ich Fiona. Die lief nickend mit Timo davon. „So was ist dein Problem?“, fragte ich Dean als Fiona außer Hörweite war.

„Problem?“ Wieder grinste er und tat so als wüsste er nicht was ich meinte. „Keine Ahnung was du meinst.“

„Jetzt tu nicht so. Du siehst mich die ganze Zeit so komisch an.“

„Ach so das meinst du“, er machte eine Pause und lächelte mich auf einmal ganz komisch an. Automatisch versteifte ich mich. Der heckte was aus. „Ich genieße nur den Anblick.“ Verblüfft sah ich ihn an und merkte wie die Röte in meine Wangen kroch. Diesen Blick den er aufgesetzt hatte kannte ich nicht, was mich misstrauisch hätte machen sollen. Der Ausdruck in seinen Augen war fast sanft. Verlegen strich ich mir eine Haarstähne aus dem Gesicht. Ich wollte gerade etwas sagen da brach er in lautes Gelächter aus.

„Dein Gesicht ist bald so rot wie das Ketchup an deinem Kinn“, lachte er und musste sich am Tisch abstützen. Nur langsam sickerten seine Worte zu mir durch. Entrüstet griff ich nach einer Serviette und wischte mir übers Kinn, bevor ich aufstand und einen beleidigten Abgang machen wollte. Ja ich wollte, stattdessen rutschte ich erneut auf dem glatten Holzboden aus und schaffte es diesmal nicht mehr mein Gleichgewicht zu halten. Ich landete mit einem lauten Knall auf meinen vier Buchstaben und hätte vor Schmerzen laut aufheulen können. 
Anstatt mir zu helfen lachte Dean noch lauter, wenn das überhaupt möglich war. Blair war gerade auf dem Klo und Martin irgendwo mit Fee und ein paar anderen Kindern unterwegs. So war wenigstens nur Dean Zeuge meines immer peinlicher werdenden Auftritts. 
Ich biss die Zähne zusammen und war bemüht nicht sofort zu flennen wie ein Baby. In Zeitlupe rappelte ich mich auf und hielt mir stöhnend den Steiß. Warum musste mir ausgerechnet in Deans Gegenwart immer so was passieren?

„Gott Emma“, schnappte Dean nach Luft und hielt sich die Seite. Ich überlegte was jetzt wohl am klügsten wäre. Versuchen im Boden zu versinken behielt ich mal im Hinterkopf. „Du bringst mich noch um“, keuchte er neben mir und legte einen Arm um meine Schulter. Danke für deine unglaubliche Fürsorge!

„Ja mir geht’s super! Ich hab zwar das Gefühl mir den Steiß gebrochen zu haben aber das wird schon. Danke der Nachfrage“, schnauzte ich ihn an.

„Stell dich nicht so an. Der ist im schlimmsten Fall geprellt“, sagte er als er wieder normal Luft bekam. „Wenn du willst kann ich mal nachsehen.“ Anzüglich grinste er auf mich hinunter. Ich schubste ihn endlich von mir weg und zeigte ihm mit verkniffener Miene den Mittelfinger bevor ich davon humpelte. 
Ich ging zum großen Klettergerüst an dem man von verschiedenen Eingängen über unterschiedliche Hindernisse immer höher klettern konnte bis oben wo vier gelbe Rutschen neben einander waren. Fiona und ihre Freunde spielten Fangen im und um das Ding.

„Hey Emi spielst du mit? Bist du auch ein Fänger?“ Fünf Paar große Mädchen Augen sahen mich flehend an.

„Ich schau euch ein bisschen zu. Vielleicht spiele ich später mit.“ Ich wollte gerade nichts mehr als einen ruhigen Ort wo ich mich hinsetzen konnte und Dean mich nicht belästigte.

„Na gut.“ Sie zerstreuten sich kreischend als Martin um die Ecke gelaufen kam und versuchte eine von ihnen zu fangen. Dabei brummte er tief und tat so als wäre er ein großes Monster.

 
Mittlerweile konnte ich wieder einigermaßen normal laufen ohne das es so aussah als hätte ich mir in die Hose gemacht. Ich sah mir den Spinnenturm an und beschloss da mal hoch zu klettern. Es sah auch nicht so aus als würde sich da gerade irgendwer drin befinden. Ich könnte mich in Ruhe dort oben entspannen und Lena schreiben. Bei der Hälfte stöhnte ich bereits genervt und überlegte ob ich mir nicht besser einen anderen Ort suchen sollte. 
Tapfer kämpfte ich mich durch die zähen Schnüre weiter nach oben. In der Spitze war gerade mal genug Platz das ich geduckt sitzen konnte. Ich legte mich kurzerhand hin versuchte eine bequeme Position zu finden. Dann holte ich mir mein Handy das ich mir ins Oberteil gestopft hatte hervor und schrieb Lena. Nach den ersten Wörtern löschte ich alles wieder, ging auf den Gruppenchat von Mia, Siri, Lena und mir und drückte auf den Aufnahmeknopf.

„Hey Leute ich habs geschafft mich unauffällig abzuseilen. Ich hocke hier gerade im Spinnenturm.“ Ich redete mir den Frust von der Seele und mitten in meinen Erzählungen spürte ich was an meinem Hintern. Im ersten Moment dachte ich sie hätten mich gefunden, doch dann tauchte plötzlich neben meinen Beinen Deans Kopf auf. Ein spitzer Schrei entfuhr mir und ich ließ mein Handy fallen. Dean zwängte seine breiten Schultern durch eine größere Lücke und saß noch zusammen gekrümmter da als ich.

„Du hast mich zu Tode erschreckt!“, pampte ich ihn an.

„Und du hast mein Trommelfell zerstört!“, schoss er zurück.

„Dann hättest du mich nicht so erschrecken sollen!“ Beleidigt verschränkte ich die Arme vor der Brust.

„Wer soll hier denn rauf kommen das du so eine Angst hast?“ Genervt verdrehte Dean die Augen.

„Was weiß ich! Eine Monster Spinne vielleicht.“ Gut man konnte sagen das ich nicht wirklich erwachsen argumentierte aber das war mir in diesem Fall egal. „Was willst du überhaupt hier? Das ist mein Versteck vor Fiona, ihren kleinen Freunden vor allem aber vor dir!“ Anklagend zeigte ich mit dem Finger auf ihn.

„Warum willst du dich vor mir verstecken?“, fragte er verdutzt. Der Kerl hatte vielleicht Nerven.

„Ganz einfach weil es nämlich anders herum ist! Ich versau dir nicht deine Dates mit irgendwelchen Tussen sondern du bist Schuld das mir in deiner Gegenwart die ganze Zeit peinliche Dinge passieren.“ Dean lachte mich wie immer aus.

„Macht dich meine Gegenwart so nervös das dir diese ganzen Missgeschicke passieren?“ War ja klar das so was kommen musste.

„Das glaubst auch nur du. Du bist so ein eingebildeter Kotzbrocken“, brachte ich es auf den Punkt.

„Tatsächlich? Ich meine wir sitzen hier auf engstem Raum zusammen gequetscht...“ Er ließ den Satz in der Luft hängen. Ich hatte es die gesamte Zeit über erfolgreich ignoriert, aber jetzt wo mir bewusst wurde wie nah wir beieinander saßen wurde ich doch ein wenig nervös. „Außerdem hast du gesagt ich sei der schönste Mann der Welt“, grinste er mich dreckig an und rutschte näher zu mir rüber.

„Das zählt nicht. Ich war betrunken!“, erwiderte ich und rutschte weiter zur Wand hinter mir.

„Kennst du denn nicht das Sprichwort? Betrunkene und Kinder sagen immer die Wahrheit“, ich fühlte mich in die Enge getrieben, wortwörtlich. Dean war direkt vor mir und sah mich mit seinen intensiven grünen Augen an, die mir sogar im Halbdunkeln entgegen strahlten. „Du stehst auf mich.“ Empört schnappte ich nach Luft.

„Ganz bestimmt nicht“, wehrte ich sofort ab.

„Aber du findest mich heiß.“ Ja!

„Nein!“, kam es etwas zu schnell von mir. Ich konnte genau sehen wie Deans Grinsen noch einen Ticken zunahm, so nah war er mir mittlerweile. Er hatte mich erwischt.

„Soll ich dir verraten was noch passiert ist als ich dich in dein Zimmer gebracht habe?“ Das wollte ich auf gar keinen Fall. Dieses Funkeln in Deans Augen bestätigte mir nur das ich es nicht wollte. Langsam näherte er sich meinem Gesicht. Er sah mir dabei ununterbrochen in die Augen und ich schaffte es einfach nicht meinen Blick zu lösen. Seine Hand berührte meine Wange. Sanft strich er mit dem Daumen über meine Haut. Ich war nicht in der Lage mich zu bewegen. Wie hypnotisiert betrachtete ich sein schönes Gesicht das meinem immer näher kam. Einen kurzen Moment sah Dean dabei auf meine Lippen und murmelte dann, was mir eine Gänsehaut bescherte: „I could show you.“ 
Panik ergriff Besitz von meinem Körper und ich erlangte die Kontrolle über meinen Körper wieder. Bevor Dean das letzte Stück noch überbrücken könnte, riss ich meinen Blick los und quetschte meine Beine durch eine Lücke vor mir. Ich verschwand dann gänzlich durch das Loch. 
So schnell ich konnte grub ich mich durch die Schichten an Seilen nach unten zum Ausgang vor.

„Fuck!“, hörte ich Dean über mir rufen. Auch er machte sich auf den Weg nach unten was mich nur dazu veranlasste einen Zahn zuzulegen. Ich purzelte aus dem Eingang und davor wartete die ganze Truppe. Acht Kinder starrten mich an und kurz darauf tauchte Dean hinter mir auf.

„Ich sagte doch ich bekomme sie aus dem Turm raus“, lachte besagter hinter mir und fügte hinzu, „jetzt können wir ja endlich fangen weiter spielen.“ Die Kids jubelten begeistert und rannten sofort los um uns zu entkommen. Fassungslos starrte ich Dean hinterher der sich daran machte sie einzufangen.
Er hatte mich schon wieder verarscht!

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 23.03.2014

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich widme dieses Buch ein paar sehr guten Freunden, die mich hierzu inspiriert haben! Zu aller erst danke ich thebellimelli, die mir geholfen hat bei meinem männlichen Charakter Dean. Ohne dich hätte ich ihn nie so hinbekommen ;D Dann bedanke ich mich noch bei White Wolf, Zonda und Dudi die mich unterstützt haben. Ihr seid super

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