Nebel. Dämmerlicht. Schemenhafte amorphe Gestalten im Hintergrund. Ein Auto zwischen den Schwaden. Es liegt in einem Straßengraben.
Er hat seinen Namen vergessen, der Rüde. Denn schon lang trottet er durchs Geläuf, schon lang hat er sein Herrchen nicht mehr gesehen, schon lang ist es her, dass sein Herrchen abgeholt wurde. Und jetzt sieht er diesen Wagen. Er verharrt.
Nach einer Weile schleicht er sich vorsichtig an. Schaut sich ständig um; sein Kopf fängt an zu rotieren wie ein in Schwung gebrachter Kreisel - die Tür steht offen, niemand sitzt drin.
Das Wagenblech riecht kalt und muffig. Wie verbranntes Fleisch, um genauer zu sein. Halluzination?
Im Wagen wird der Geruch noch stärker, weitet sich aus bis zum Schier-Erdrücken.
"Klingklooong!"
Der Geruch hat sich geändert. Stattdessen scheint jetzt ein Bilderbuch an seiner Nase zu kleben: ein Mann, bekleidet mit grauer Hose, blauem Fleischerhemd und brauner Schiebermütze, er streift soeben an einem Hosenbein ein vor Blut triefendes grausam langes Messer ab - Na, war das nicht eine vor Wut sabbernde Knarre und das in doppelter Ausführung? Er hatte doch einen Hang zum Massenmörder. - und schaut sich dabei gehetzt um - aus dem Hintergrund: "Komm Erich!", und er fängt an, immer schneller werdend ins Nichts zu verschwinden. Doch ...
Direkt hinter ihm prangt an der Wand ein goldener Ährenkranz, der Hammer und Zirkel in sich einschließt. Das erbarmungsvolle Jaulen eines Wolfes antwortet. Eine Krähe singt ihr hölzernes Lied, eine Spinne hat den Wunsch erwogen, ihn als Halter für ihre Fliegenjagd zu benutzen.
Der Rüde aber gelangt an ein Ortseingangsschild, dass schon ein bisschen verwaschen ist, auf dem er nur noch "Ba t e " erkennt. Und wo in der Ferne ein gelblicher, viereckiger Kasten ins Licht rückt, auf dem ein abgehärmter spindeldürrer Mann seine von Blutergüssen übersäte Glatze in den Wind hält.
Der Rüde muss stocken. Es geht in seinem Kopf weiter: Sein Herrchen, das damals von drei Männern mit grauen Trench-Coats abgeholt wurde und auf Nimmer-Wiedersehen verschwand, hebt warnend den Zeigefinger. Sah der auf dem Kasten ...
"Wir sind das Volk! Wir sind das Volk! Wir sind das Volk!" schallt es da im Hintergrund, lange Lichterketten säumen das anschwellende Gemurmel. Im Vordergrund aber wieder Erich, diesmal auf einer Anklagebank.
"Ich liebe Euch doch alle. Wenn ich diesen Fehler gemacht haben sollte, bitte ich um ... verzeihige ich diesen Fehler."
Eine lange Kette von welkenden Herzen taumelt durch die Luft.
Tag der Veröffentlichung: 10.02.2020
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