Liebe Kira,
Es ist lange her, dass wir uns gesehen hatten. Doch wie ich sehe, bist du nun eine Kriegsherrin geworden. Das verwundert mich etwas, da du nie so eine hohe Position anstreben wolltest, wie du mir damals erzählt hast, als du noch klein warst.
Es kommt mir so vor, als wäre es erst gestern gewesen, als ich dich in Axlis Schloss unter dem Bett fand und du am ganzen Körper gezittert hattest. Du warst so hilflos und klein und nun sieh dich an. Weißt du noch, wie wir zusammen das erste Mal im Schlossgarten trainiert hatten? Du warst so nervös und unsicher, als ich dich mit nahm zum Trainingsplatz. Ich glaubte fast sogar, dass du etwas Angst vor mir hattest. Das werde ich nie vergessen, wie du mir fast eine runtergehauen hast mit deinem wilden Sandwirbel, den du am Anfang nicht wirklich kontrollieren konntest. Mir wäre fast die Luft weggeblieben vor Schreck, als dein Sandsturm auf mich zuraste. Ich rief dir zu diesen zu stoppen, doch du warst leider noch nicht in der Lage gewesen deine Innere Balance herzustellen. Doch dann hast du es schlussendlich von alleine geschafft diese Balance herzustellen und ich lag da und hab den Sand ausgehustet. Das war wie ein Bombeneinschlag für mich, obwohl deine Balance nicht im Gleichgewicht war, konntest du sie kontrollieren. Es war auch für mich ein Zeichen meine Kleine, dass du zu höherem bestimmt warst. Ich wusste schon von Beginn an, seit unserer ersten Trainingsstunde, dass in dir mehr schlummerte, als nur die Balance. Ich wusste von dem Tag an, dass in dir höchst wahrscheinlich das Licht begann sich zu nähren von deinem reinem Herzen. Weißt du noch wie wir eines Tages nur Handbewegungen geübt hatten? Ich weiß nicht ob du diese bereits wiedererkannt hast, doch dies waren alles Übungen, die mit dem Licht zu tun hatten.
Ich verstehe, wenn du wütend auf mich bist, und dich fragst, warum ich dir damals nie etwas erzählt hatte. Dass lag daran, dass ich nicht wollte, dass dein Vater dich wiederfinden würde. Weißt du meine Kleine, er hat dir oft Briefe geschrieben, und gedroht dich zu töten und vieles mehr. Ich wollte dir nicht diesen Schmerz antun und dir diese Briefe zeigen. Sie waren wirklich nicht für so ein junges Mädchen wie du es warst geeignet. Du hast Freude, Liebe und Freundschaft verdient, nicht Hass, Wut und Schmerz, die sich in dein Herz fressen und du dann Tränen vor Traurigkeit vergießt. Ich wollte für dich da sein, dir sagen, dass ich immer bei dir sein werde und dich auffangen werde, wenn du bei deinen Schritten stolperst. Du hast mir auch wieder Freude in mein Leben geschenkt seit ich meine Frau ein Jahr bevor du zu uns kamst verloren hatte. Allein dein Lächeln sorgte schon dafür, dass ich meine Traurigkeit vergaß. Denn du bist für mich wie eine kleine Tochter geworden und wirst es immer sein.
Dein Sebastian
Liebe Kira
Ich weiß nicht welche Briefe du schon gehabt hast, oder ob du meine Briefe überhaupt lesen möchtest die ich für dich verfasst habe. Ich hoffe zum einen sehr, dass du die Briefe alle lesen wirst, denn diese Briefe sollen eine Erinnerung sein an unsere gemeinsame Zeit hier in Eyrie und einen Weg für dich offenbaren alles zum Guten wenden zu können. Sorge bitte dafür, wenn du diesen Brief liest, dass du alleine bist und niemand mitliest.
Wenn du diesen Brief nun hast, werde ich höchst wahrscheinlich nicht mehr als Mensch dir zur Seite stehen können, doch du sollst wissen Kira, dass Menschen niemals einen verlassen werden. Auch wenn sie ihr Leben geben im Kampf oder sterben wegen Altersschwäche oder einer Krankheit, werden die Menschen, die uns je etwas bedeutet haben nie verlassen. Sie werden immer bei uns bleiben und in unserem Herzen weiterleben.
Was das Licht und Sinelius angeht Kira, gibt es einen Weg, ihn aufzuhalten, doch diesen kann ich nur dir anvertrauen. Du darfst es niemanden sagen, sogar nicht Rebekka oder Niklas. Sie würden dich dann sofort aufhalten, wenn du es ihnen erzählst, wenn nicht sogar verstoßen. In jedem Brief werde ich dir darüber mehr erzählen aber nur in Bruchstücken. Falls jemand anderes mitliest, wird es für die Person keinen Sinn ergeben, sei deshalb unbesorgt. Nur versprich mir, dass du das Licht strahlen lässt, und niemals aufgibst. Sinelius ist nämlich hinter Mika her. Zathras wurde von Nyresis aufgetragen ihn zu beschatten und größere Katastrophen zu verhindern, doch das kann er nicht alleine schaffen Kira. Die Göttin unterschätzt Sinelius sehr. Zathras schafft dies niemals alleine, ich habe mit allen Mitteln versucht es ihr klar zu machen, doch sie hörte nicht und bezeichnete mich als Verräter. Zathras braucht die Hilfe eines weiteren Engels. Nämlich deine Hilfe, Kira.
Ich mach dir keine Vorwürfe, wenn du ablehnst. Doch ich spüre mehr Kraft in dir als du selber dir je vorstellen kannst und die Göttin will dies nicht wahrhaben. Nyresis weiß nämlich Bescheid über deine Kraft und gab mir die Schuld das ich dir das Licht gezeigt habe als ihr Krieger. Sie will nicht einen weiteren Engel im Spiel haben, Kira. Jeder der bei ihr ist, merkt wie sie langsam ihren Verstand verliert und Dinge tut, die niemand von ihr jemals gedacht hatte. Deswegen bitte ich dich um Hilfe und bitte dich, dies geheim zu halten. Jeder glaubt an die Göttin, niemand weiß, was in ihr vorgeht Kira. Du bist die erste die erfährt, was in ihrem Reich vor sich geht und ich hoffe sehr, dass du mir helfen wirst und wir gemeinsam das Lichtkind zu seiner Bestimmung führen können.
Dein Sebastian
Liebe Kira,
Seit ich begonnen habe diese Briefe dir zu schreiben, merke ich, dass ich dich immer mehr vermisse. Ich habe gespürt, dass ich nicht mehr so wie früher dich beschützen kann, doch ich bin mir sicher, dass dies nicht mehr von Nöten ist, da du eine ausgezeichnete Kriegerin geworden bist.
Ich habe vor Stolz gestrahlt, als der Kaiser dich in die Gilde des Silbersternes aufnahm und dies laut bei der Feier verkündet hatte. Weißt du das noch? Wie die Sonne auf das Gras hinab schien und die vielen Bewohner ganz Eyries anwesend waren und zusammen gefeiert hatten mit den neu ernannten Kriegern? Das waren noch Zeiten, ich vergesse nie wie du dich in deine neue Robe mit den Engelsflügeln, die mit Diamanten bestickt waren verliebt hattest. Du warst so fröhlich und glücklich und bist sofort zu mir gekommen, um es mir zu zeigen und als die großen Glocken des Turmes zu schlagen begannen, konntest du dich kaum bremsen vor Nervosität. Immer wieder hast du mich gefragt, ob du wirklich schon bereit warst für das Ende deiner Ausbildung und deinen neuen Weg als Kriegerin der Silberstern Gilde, und ich, der dies ebenso nicht wahrhaben wollte, dass somit unsere gemeinsame Zeit etwas weniger geworden ist hab nur still genickt. Ich wollte dir nicht an diesem schönen Tag sagen, dass ich Angst habe dich zu verlieren, dass ich fürchtete, dass ich dich nicht mehr eines Tages beschützen kann. Doch ich konnte es nicht Kira. Du hast früher immer im Garten allein gesessen, als du noch meine Schülerin warst und leise geweint, weil du dachtest, du bist zu schwach, doch Kira, dass bist du nicht. Mag schon sein, dass du manchmal etwas länger gebraucht hast, bis du die wahre Schönheit der Balance verstanden hast, doch Kira ich sag dir eines: Egal wer dich für Schwach hält, beweise immer das Gegenteil, denn du bist nicht schwach. Du bist auf deine Art stark Kira, und das macht dich besonders. Du schenkst den Leuten nämlich deine Freundschaft und das ist die wahre Stärke in dir. Vergiss, dass bitte niemals, auch wenn ein Fluss manchmal sanft ist können die Strömungen gefährlich werden. Denke nie daran das du schwach bist, nur, weil deine Angriffe nicht so stark sein werden wie die eines Zerstörers. Dein Mut, deine Treue und dein Herz sind deine wahre Stärke Kira und lassen dich niemals im Stich.
Ich habe dich lieb, wirklich sehr lieb meine Kleine. Die Hoffnung stirbt zuletzt Kira, wenn das Licht erlischt. Daher gib nie auf und kämpfe weiter, solange das Licht strahlt.
Dein Sebastian
Liebe Kira,
Tag zu Tag wirst du stärker, meine Kleine. Doch seitdem du ein Engel geworden bist habe ich gesehen, wie du mit deiner neuen Verantwortung zu kämpfen hast. Ich sehe, wie du jedes Mal unsicher bist, wenn es um die Beschwörung deines Lichtes geht, wie du Angst hast Fehler zu machen, doch Kira, aus Fehlern lernt man und wenn man es nicht versucht, kann man nie sehen ob man erfolgreich ist oder nicht.
Weißt du noch, wie ich dich damals erwischt habe in der Arena, wo du Nick, Lars, Jenna und Donna ein Turnier veranstalten wolltet? Ich habe gedacht ich sehe nicht richtig, als ich dich auf einer Sandwolke schweben sah. Du hast zu der Zeit alles gegeben Kira, du wolltest dich beweisen, du wolltest zeigen, dass du auch etwas kannst, trotz einer einzigen Trainingseinheit. Diesen Mut Kira, sollst du niemals aufgeben, der er gibt dir Kraft und stärkt dein Selbstvertrauen und somit auch dein Licht.
Was das Lichtkind angeht, gibt die Göttin bereits die Hoffnung auf. Dominik hat mit ihr gesprochen, ihr gesagt, dass es der falsche Weg sei, doch sie hört nicht auf ihn. Sie glaubt fest daran, dass die Verbindung zwischen Schatten und Licht nicht mehr existiert, dass Rebekka, als Gegenpol zu Mika, sich weiterhin dem Bösen hingibt. Sie glaubt deswegen, dass die Hoffnung verloren sei, da der Kern der Elemente elementare Störungen aufweist. Das Gleichgewicht der Welten wird von Tag zu Tag schwächer und jeder von uns merkt, dass unsere Göttin nicht mehr genügend Kraft hat um den Kern alleine aufrecht zu erhalten. Dominik hat letztens stark mit der Göttin im Raum des Kernes diskutiert. Sie haben sich gegenseitig angebrüllt Kira, sie haben sich bedroht. Ich habe das ganze Gespräch mitverfolgt und mitbekommen, wie sie über Rebekka geredet hatten, dass sie gestoppt werden muss und der einzige Weg um den Kern zu retten, der Tod des Schattenkindes sei.
Doch Kira, dies will ich nicht für wahrhaben. Zum Licht gehört auch der Schatten und zum Schatten gehört das Licht dazu. Diese Schlacht kann niemals mit dem Tod des Schattenkindes gewonnen werden, sondern nur, wenn Licht und Schatten vereint gegen das Böse kämpfen. Wenn die Göttin Dominik überredet, dieses Vorhaben durchzuführen, dass Rebekka geopfert werden soll, wird bestimmt eine einzige Person in Frage kommen, die Rebekkas Opfer vollstrecken soll. Ich denke da an Nick, Kira. Du musst ihn genau im Auge behalten, wenn er sich komisch verhält, in Gedanken ist und euch nicht zu hört, wird Dominik ihm bestimmt beauftragt haben. Dominik wird Nick bestimmt mit Mika dazu bringen, dies zu tun. Du musst daher ein gutes Auge auf Nick halten. Wenn der Zeitpunkt günstig ist und du dir sicher bist, dass jemand anderer von den Briefen erfahren sollte, rede zuerst mit Niklas darüber, was ich dir in diesen Briefen mitgeteilt habe, doch bitte ihm, dass er nichts gegen Nick unternimmt bis die Große Schlacht eröffnet ist.
Versprich es mir Kira, dass du auf dich aufpasst und weiterhin das Lichtkind mit all deiner Kraft unterstützt. Ich habe dich lieb meine Kleine und ich bin mir sicher, dass wir uns eines Tages wiedersehen werden.
Dein Sebastian.
Liebe Kira,
Ich bin mir sicher, dass du sehnsüchtig auf diesen Brief gewartet hast, denn ich habe dir vorhin etwas versprochen, nämlich, dass wir uns wiedersehen werden, meine Kleine. Du fragst dich nun bestimmt wann und wie und wo es sein wird, doch hab etwas Geduld mein kleiner Wirbelwind. Ich werde dir alles in diesem Brief in aller Ruhe erzählen.
Wie soll ich nur anfangen, es dir am besten zu beschrieben. Ich glaube, ich fange mal so an, dass ich dir den Unterschied zwischen den Geistern aus der Geisterwelt und den Geistern in der Welt der Göttin erkläre. Die Diener der Göttin, auch Krieger des Lichts genannt, haben manchmal die Erlaubnis in die Menschenwelt zurück zu kehren doch, wenn sie dies machen, kommen ihre Geister nach dem Tod weder zu Göttin noch in die Geisterwelt zurückkehren, sondern sie kommen in die dritte Welt, dem Nichts. Das Nichts ist eine Welt Kira, wo jeder Geist alleine auf sich gestellt ist, er kann weder die anderen Geister im Nichts hören, noch sie sie sehen. Er ist sozusagen gefangen in seinen Alpträumen und leidet an Qualen und die Schmerzen. Sie sind für immer in ihrer kleinen Welt gefangen.
Je nachdem ob ein Geist sich entscheidet zurück zu kehren oder nicht, muss er damit rechnen was ihm passieren könnte, wenn er erneut stirbt. Ich habe mir oft überlegt zurück zu kehren Kira, dich in meine Arme zu schließen und dir persönlich zu sagen, wie sehr ich dich lieb habe und du für mich immer mein kleines Mädchen sein wirst. Doch ich fürchte mich davor im Nichts zu enden. Ich fürchte mich zu sehen, wie dir etwas zu stößt, wie du sterben könntest, weil ich nicht mehr bei dir war, um dich zu beschützen. Diese Entscheidung wieder zurück zu kehren, würde unsere Verbindung, die wir haben, trennen, meine Kleine und dies will ich dir nicht antun, dass wir uns nie mehr wiedersehen können. Als Krieger des Lichts habe ich die Möglichkeit, dich in deinen Träumen zu besuchen, zwar nicht oft, doch mir ist es wenigstens erlaubt dich zu sehen und mit dir zu reden. Ich hoffe daher, dass du mich verstehst, wieso ich nicht entschieden habe zu euch als Mensch zurück zu kehren.
Irgendwann, wenn deine Zeit gekommen ist, werden wir uns im Reich der Göttin wiedersehen, Kira. Bis dahin, genieße dein Leben, genieße die Freude und deine Zeit mit deinen Freunden. Ich habe dich lieb.
Dein Sebastian
Tag der Veröffentlichung: 01.12.2016
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für Kira Sternenlicht, die in ihren Mentor einen Vater sieht.