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Mehr als eine Affäre

Mehr als eine Affäre

 

 

1. Kapitel

 

 

„Offene Beziehung?!“ Silvi stellt ihr Glas so hart auf dem Tisch ab, dass der Rotwein darin gefährlich nah an den Rand schwappt.

„Ja.“

„Aber … wieso? Ihr zwei seid jetzt wie lange zusammen? Ich dachte, ihr seid inzwischen in der Phase, in der man drüber nachdenkt, sich eine Eigentumswohnung zu kaufen.“

Ich schnaube. „In München? Wohl kaum.“

Sie rollt die Augen. „Bildlich gesprochen. Weil das ja irgendwie der nächste Schritt ist. Schließlich kann keiner von euch schwanger werden.“

Irritiert sehe ich sie an. Liegt es an dem Wein oder ergeben ihre Worte tatsächlich keinen Sinn? Andererseits tun das meine Worte auch nicht. Eigentlich wollte ich ihr gar nichts von Karstens erschütterndem Vorschlag erzählen.

Ich beuge mich vor und greife nach der Weinflasche. Sie ist überraschend leicht und als ich mir nachschenke, ist das Glas nicht einmal halb gefüllt. Ich halte Silvi die Flasche entgegen.

„Hast du noch eine?“

Sie sieht mich mit schief gelegtem Kopf an. „Die Frage ist doch wohl eher: Willst du noch eine?“

Muss sie so ekelhaft vernünftig sein? Normalerweise übernehme ich diesen Part. Da will ich einmal über die Stränge schlagen und sie macht mir einen Strich durch die Rechnung. Andererseits ist Alkohol auch keine Lösung.

„Ich glaub, der ganze Alkohol der Welt würde nicht ausreichen, um diese Situation erträglich zu machen.“

„Womit wir wieder beim Thema wären: offene Beziehung?“

Ich seufze und vergrabe das Gesicht in einer Hand, während aus Silvis Tablet-PC die ersten Takte von Overload aus dem Dirty Dancing-Soundtrack erklingen.

Offene Beziehung. Bei diesen Worten möchte ich mich am liebsten verstecken. Das ist doch nichts anderes als eine Lizenz zum Fremdvögeln. Und das bedeutet, dass Karsten nicht mehr zufrieden mit mir ist. Nicht mehr befriedigt ist. So hat er es zwar nicht ausgedrückt, aber das steckt doch dahinter, oder?

„Ich hab noch nicht zugestimmt. Gott, Silvi... Wie kann ich bei so was überhaupt zustimmen?“

Plötzlich zieht sich meine Brust so heftig zusammen, dass ich kaum noch atmen kann. So geht es mir seit zwei Tagen. Hin- und hergerissen zwischen einem bodenlosen Loch der Verzweiflung und einer Welle des Zorns. Immer, wenn der Zorn nachlässt, falle ich in das Loch, das darunter lauert.

„Dann mach’s nicht.“ Sie legt eine Hand auf mein Knie und wartet, bis ich sie ansehe. „Wenn du keine offene Beziehung willst, mach’s nicht.“

„Er will aber eine.“

„Soweit ich weiß, müssen bei einer offenen Beziehung beide zustimmen, sonst nennt man es Fremdgehen.“

Ich zucke zusammen. Egal, wie ich es drehe und wende, für mich ist es immer Fremdgehen. Ob ich nun davon weiß oder nicht. Ob ich dem zustimme oder nicht. Ich will Karsten für mich. Für mich ganz allein. Ich kann nicht verstehen, dass er das nicht will. Oder wie er überhaupt auf die Idee mit der offenen Beziehung kommt. Vielleicht will er die nur, weil er mir schon längst fremdgeht und nur keine Lust hat, es länger zu verstecken.

Der Gedanke bereitet mir erst Übelkeit, ehe er die Welle des Zorns wieder hochpeitscht und mich aus dem Loch herauskatapultiert wie ein Geysir. Grimmig greife ich nach meinem Weinglas und stürze es auf ex hinunter.

„Vielleicht sollte ich mich einfach von ihm trennen“, sage ich grimmig, als ein dröhnendes Motorengeräusch, untermalt mit deutschem Rap, durch das offene Fenster hereinweht.

„Was?“

Silvi schießt so schnell von ihrem Stuhl hoch, dass ihr langer, blonder Pferdeschwanz wie eine Peitsche durch die Luft zischt. Ruppig packt sie das Fenster ihres französischen Balkons und knallt es zu. Sofort wird sowohl die Musik als auch das Motorengeräusch gedämpft, allerdings verschwindet auch die leichte Brise, die Silvis Wohnung zumindest ein wenig erträglich gemacht hat.

„Scheißproll“, knurrt sie und späht durch das Fenster nach unten in den Innenhof, in dem sich eine Reihe Garagen befindet, die zu ihrem Wohnkomplex gehört. „Park halt endlich ein. Mann!“ Kopf schüttelnd sieht sie im schwachen Schein der Stehlampe wieder zu mir „Hast du eben gesagt, du willst dich trennen?“

„Vielleicht sollte ich mich trennen. Wenn Karsten eh mit anderen schlafen will, macht’s uns das beiden leichter.“ Nur dass ich mich nicht trennen will. Ich liebe Karsten, verdammt.

„Nicht so schnell.“ Sie kneift die Augen zusammen. „Wenn Karsten dich nicht mehr lieben würde, hätte er keine offene Beziehung vorgeschlagen, sondern sich gleich von dir getrennt.“

„Warum hat er es dann vorgeschlagen, wenn er mich liebt?“

Sie zuckt die Schultern. „Keine Ahnung. So gut kenne ich ihn nicht.“

Als der Scheißproll unten endlich seinen Wagen in die Garage gefahren hat, erstirbt sowohl das Motorengeräusch als auch der Rap schlagartig. Silvi zieht das Fenster wieder auf und begrüßt die hereinströmende Luft mit einem kleinen Seufzen. Von der tagelangen Hitze ist ihre Wohnung im vierten Stock so aufgeheizt, dass sie auch jetzt um kurz vor halb zehn abends nur ein weit fallendes Top und Hotpants trägt. Letztere lässt ihre ohnehin schon langen Beine schier unendlich werden.

„Ich glaube, der Idiot macht sich einen Spaß draus, andere auf die Palme zu bringen“, schimpft Silvi, als sie sich zurück auf ihren Stuhl fallen lässt.

Irritiert hebe ich den Kopf. „Karsten?“

Sie deutet zum Fenster. „Der Kerl da unten. Für die letzte Woche kann ich dir ganz genau sagen, wann er weggefahren und wann er wiedergekommen ist. Und ob er eine albern kichernde Trine dabei hatte.“

„Toll“, sage ich wenig enthusiastisch und drehe mein leeres Weinglas auf dem Tisch zwischen den Fingern. Falls das ein Ablenkungsmanöver sein sollte, muss ich sie enttäuschen. Seit zwei Tagen kann ich an nichts anderes denken als daran, dass Karsten mit meiner Erlaubnis mit anderen Männern schlafen will. Ein wildfremder Kerl mit schlechtem Musikgeschmack und einer Vorliebe für laute Autos und kichernde Frauen wird daran erst recht nichts ändern.

„Okay, sorry.“ Sie macht eine abwinkende Handbewegung. „Weswegen will er die offene Beziehung? Läuft’s bei euch im Bett nicht mehr?“

Ein unerwartet heftiger Stich trifft mich mitten in die Brust. Getroffen zucke ich zusammen und wende den Blick ab. Wieder flaut die Wut ab und ich sehe den Boden des Lochs mit rasanter Geschwindigkeit auf mich zurasen. Silvi muss es auch gemerkt haben, weil sich eine beklemmende Stille zwischen uns ausbreitet.

Plötzlich halte ich es nicht mehr auf meinem Stuhl aus. Ich komme mir vor wie gebrandmarkt. Jedes Mal, wenn die Sprache darauf kommt, leuchtet das Brandzeichen nicht nur für jeden sichtbar auf, sondern schmerzt so sehr, als würde es mir wieder aufs Neue auf die Haut gesetzt.

Ich stehe auf, weil ich mich bewegen muss. Silvis Wohnung ist keine vierzig Quadratmeter groß und besteht aus nur einem Zimmer plus Küche und Bad. Nach einer Durchquerung fühle ich mich bereits wie ein Tiger im Käfig. Vom Tisch mit den zwei Stühlen am französischen Balkon sind es drei Schritte bis zum Sofa, fünf bis zum Bett und sechs bis zum Expedit.

Die meisten Fächer des IKEA-Regals sind mit Schubfächern ausgefüllt oder hinter Schranktüren verborgen. In einem Fach stehen sieben angestaubte Bücher wie vergessene Zinnsoldaten. Drei davon sind Sachbücher und befassen sich mit dem Thema Marketing. Eins ist ein Thriller von Karen Rose, den ich ihr Anfang des Jahres zum Geburtstag geschenkt habe. Zu dem Zeitpunkt kannte ich sie noch nicht so gut. Heute würde ich den Fehler nicht noch mal machen.

„Felix?“, höre ich Silvi sanft hinter mir.

Ich bleibe mit dem Rücken zu ihr am Regal stehen. „Er möchte gerne mal was anderes ausprobieren.“ Ich schließe die Augen. „Was wohl heißt: Er möchte gerne mal jemand anderes ausprobieren“, sage ich bitter.

„Hat er das so gesagt?“

„Nein. Aber das meint er doch damit, oder nicht? Warum…“ Zitterig hole ich Luft. „Warum kann er was anderes nicht mit mir ausprobieren?“

Es ist bescheuert, ihr diese Frage zu stellen, wenn nicht mal Karsten eine Antwort darauf gewusst hat. Was das Ganze noch schlimmer macht. Weil es mehr als deutlich sagt, dass er mit mir gar nichts mehr ausprobieren will. Er will andere Männer vögeln. Und ich bin sein verdammtes Sicherheitsnetz, falls er niemanden findet.

„Wie gesagt“, meint Silvi leise hinter mir, „so gut kenne ich ihn nicht, aber… Also, das geht absolut über alles, was ich jemals von deiner Beziehung wissen wollte, aber… oh Mann.“ Sie stößt ein unbehagliches Seufzen aus. „Vielleicht will Karsten… Dinge im Bett machen, die du nicht machen willst? Hat… hat er dich schon mal nach irgendwas gefragt, was du abgelehnt hast?“

Ich schnaube, drehe mich um und bleibe mit dem Rücken am Regal gelehnt stehen. „Ich bin nicht prüde, auch wenn’s dir schwerfällt, das zu glauben.“

„Das wollte ich damit doch gar nicht sagen. Aber es wäre eine Erklärung für die offene Beziehung, oder? Er liebt dich, weshalb er dich nicht verlassen möchte, aber beim Sex sucht er nach was anderem.“

Noch ein heftiger Stich in meiner Brust. Nach was anderem als… mir? Aber warum? Weil es ihm mit mir keinen Spaß mehr macht? Das hätte ich doch merken müssen. Manchmal zieht er sich zwar vor mir zurück, aber bis vor zwei Tagen dachte ich, dass ich der sexuell abenteuerlustigere von uns beiden bin.

Wenn er was anders machen will, warum kann er dann nicht mit mir darüber reden? Und wenn er mit anderen Männern schlafen will, dann soll er es verdammt noch mal sagen und nicht hinter dem Deckmantel einer offenen Beziehung verstecken.

Ich schüttle den Kopf, um die Gedanken loszuwerden, die sich seit einiger Zeit nur noch im Kreis drehen. Vielleicht dachte ich unterbewusst, Silvi könnte neuen Schwung in das Karussell bringen, aber darüber zu reden, macht es auch nicht besser. Im Gegenteil. Ich fühle mich wie am Pranger.

„Hast du noch Wein da?“, frage ich, während ich bereits auf die Tür zur Küche zugehe.

„Jetzt willst du doch noch eine Flasche aufmachen?“

„Ja.“

„Aber Karsten –“

„Mir egal“, schnappe ich, ehe ich an der Tür stehen bleibe und sie entschuldigend ansehe. „Sorry. Aber damit muss er rechnen, wenn er so einen beknackten Vorschlag macht, oder?“

Daraufhin sagt sie nichts mehr und ich verschwinde in ihre kleine, längliche Einbauküche. Auf den ersten Blick scheint es hier sogar für zwei Personen zu eng zu sein, aber an ihrem Geburtstag Anfang des Jahres haben wir den Härtetest gemacht. Zu Höchstzeiten haben sich hier sechs oder sieben Leute auf der Suche nach Alkohol getummelt.

Ich gehe vor dem Unterschrank, in dem sie den Alkohol aufbewahrt, in die Hocke und ziehe die Türen auf. Hochprozentiges, Wein, Bier, Prosecco, Sekt, sogar eine Flasche Champagner – wenn ihre Wohnung nicht so winzig wäre, könnte Silvi hier glatt eine Bar eröffnen. Oder dem Ganzen einfach den Stempel einer Insider-Szene-Bar aufdrücken, dann ist es egal, ob hier nur fünf Personen auf einmal reinpassen. Kein Wunder, warum Karsten nicht so begeistert von ihr ist wie ich.

Ich finde einen Rotwein und ziehe ihn vorsichtig aus dem aufgeschichteten Flaschenstapel heraus, wobei das Glas leise klirrt. Als ich mich wieder aufrichte, kann ich beinahe Karstens Hände auf meinen Hüften spüren, die mich eng an sich ziehen, während er sein Gesicht an meinem Nacken vergräbt.

„Lass uns nach Hause gehen. Ich will dich ficken.“

Seine Stimme hallt so real in meinem Kopf wider, dass ich mich tatsächlich kurz umdrehen muss, um mich davon zu überzeugen, dass er nicht doch hinter mir steht. Eigentlich hätte ich es besser wissen müssen. Das war damals auf Silvis Geburtstagsfeier. Der Grund, warum wir leider nicht mehr mit in die Bar oder den Club gehen konnten.

Heute würde er das wahrscheinlich lieber jemand anderem ins Ohr flüstern, während er seinen Nacken mit Lippen, Zähnen und Zunge bearbeitet.

Verdammt. Verdammt!

Ich reiße die Besteckschublade auf, in der Silvi auch einen Korkenzieher aufbewahrt. Unheimlich, wie gut ich mich mittlerweile in ihrer Küche auskenne. Vielleicht bin ich doch so oft hier, wie Karsten mir immer vorwirft.

Mit einem leisen Ploppen löst sich der Korken aus der Flasche und ich kehre mit ihr zu Silvi zurück. Sie hat die Musik am Tablet gewechselt. Jetzt läuft der Soundtrack von Save the last Dance. Auch okay.

Aus irgendeinem unerfindlichen Grund hat sie eine Kerze angezündet und auf den Tisch gestellt. Darum stehen seltsam gruppiert die leere Weinflasche und unsere beiden Weingläser.

Während meiner Abwesenheit hat Silvi sich natürlich mit ihrem Handy beschäftigt und spielt auch jetzt noch daran rum. Der Schein vom Display verleiht ihrem Gesicht einen ungesunden, bläulichen Schimmer. Als ich eintrete, sieht sie kurz auf.

„Mir ist gerade eingefallen, dass ich uns noch gar nicht eingecheckt habe.“ Sie deutet auf das Arrangement auf dem Tisch. „Hab mir erlaubt, ein stimmungsvolles Foto mit anzuhängen. Man weiß ja nie, wer’s liest.“

Zwischen den Zeilen ist die Botschaft eindeutig: Karsten, zum Beispiel.

„Du weißt schon, dass du süchtig bist, oder?“ Kopf schüttelnd gieße ich erst ihr und dann mir Wein ein, ehe ich mich wieder auf meinen Stuhl fallen lasse.

„Das sagt der Richtige. Dein Handy hat auch geklingelt.“

Sie schaltet das Display aus und legt ihr Handy zur Seite. Aus schmalen Augen beobachtet sie mich, als ich nach meinem Handy greife; ein Samsung der älteren Generation, aber immerhin schon ein Smartphone. Mit Silvis iPhone kann ich hingegen nicht mithalten. Seit ich sie kenne, ist das schon ihr zweites Handy. Falls man im Marketing so viel besser verdient als in der Buchhaltung, sollte ich vielleicht über eine Umschulung nachdenken.

Ich drücke einen Knopf und lasse das Display aufleuchten. Unwillkürlich zucke ich zusammen, als ich das rote Nachrichtenfenster sehe, und werfe Silvi einen Blick zu. Hat sie das gesehen? Sie sieht mich mit hochgezogener Augenbraue an. Natürlich hat sie.

„LoveLife? Im Ernst?“ Sie klingt, als hätte sie gerade die billigsten Pornos, die je das Licht der Welt erblickt haben, in meiner DVD-Sammlung entdeckt.

Unter ihrem Blick rutsche ich auf meinem Stuhl herum. „Und?“, frage ich beinahe herausfordernd.

„Und? Wann zum Teufel hast du dich da angemeldet?“

Ich recke das Kinn ein wenig vor. „Vor zwei Tagen.“

Sie klatscht sich die flache Hand vor die Stirn und seufzt. „Felix, bei einer offenen Beziehung geht es nicht darum, sich vorsätzlich andere Sexpartner zu suchen. Habt ihr überhaupt irgendwelche Regeln festgelegt?“

„Hast du nicht zugehört? Ich hab noch gar nicht zugestimmt.“

„Und trotzdem ist das Erste, was du nach Karstens Vorschlag machst, dich bei einer Flirt-App anzumelden?“

„Als Vorbereitung“, behaupte ich und verschränke die Arme vor der Brust. Und weil ich so verletzt war, dass ich kurzzeitig nicht geradeaus denken konnte. „Außerdem, wo soll jemand wie ich sonst Männer kennenlernen?“

„Du sollst doch niemanden kennenlernen. Bei einer offenen Beziehung geht es um Sex, und zwar nur um Sex. Wenn es dich packt, sollst du dich frei fühlen, dem Verlangen nachzugeben, ohne deinem Partner gegenüber ein schlechtes Gewissen haben zu müssen.“ Sie klingt ein bisschen wie eine Sexualtherapeutin. Unwillkürlich rutsche ich auf meinem Stuhl tiefer. „Wenn du anfängst, Männer kennenzulernen oder zu suchen, hat das nichts mehr mit der eigentlichen Sache zu tun.“

„Und was genau macht dich da so zur Expertin?“

„Ich bin älter als du und hab mehr Erfahrung“, sagt sie schlicht und trinkt einen großen Schluck Wein. Ihr Handy summt, aber sie wirft nur einen kurzen Blick drauf. Wahrscheinlich hat irgendjemand ihr Foto gelikt oder kommentiert.

Schnaubend beuge ich mich über den Tisch. „Dann verrate mir doch mal, ältere und weisere Freundin: Wo soll ich jemanden für Sex finden, wenn Karsten plötzlich anfängt, wildfremde Kerle zu vögeln?“

„Auf der Straße? In einer Bar? Einem Club? In einem verdammten Café? Mann, Felix, überall, aber bestimmt nicht in einer Flirt-App!“

„Und was macht das für einen Unterschied? Ob ich jemanden in einer Bar oder sonst wo oder über eine App anspreche? Ich will ja niemanden kennenlernen. Ich will nur vorbereitet sein.“

„Worauf? Karsten mit Rachesex wehzutun?“

„Er tut mir mit seinem beschissenen Vorschlag weh.“ Ich werfe mich auf meinem Stuhl zurück, ignoriere Silvis Kopfschütteln und greife nach meinem Handy, um die Nachricht von LoveLife zu lesen.

„Ich prophezeie jetzt schon, dass das nicht funktioniert“, sagt Silvi düster.

Ich tue weiterhin, als hätte ich sie nicht gehört, und lese die Nachricht.

Dieter: Stehst du auf Daddys?

Äh, was? Inzwischen bin ich einige seltsame Nachrichten gewöhnt, aber das hat mich noch niemand gefragt. Ansonsten ist neben obszönen Angeboten und Fragen nach der einen oder anderen Sexpraktik schon alles dabei gewesen. So viel also zum Thema Kennenlernen.

Ich klicke sein Profil an. Kein Foto. Natürlich. Andererseits sollte mich das nicht wundern, weil ich selbst keins hochgeladen habe. Selbstverständlich nicht! Allerdings führt das dazu, dass ich ebenfalls entweder nur von Nutzern ohne Foto angeschrieben werde oder von den weniger attraktiven Exemplaren der Spezies Mensch. Und mit den vulgärsten Anmachen. Ob das mit Foto anders wäre? Vielleicht trauen sich die Idioten dann nicht. Aber ich würde eher im Lederoutfit zu Frau Bimsel und Dr. Schuhknecht ins Büro marschieren, als bei irgend so einer Flirt-App ein Foto von mir hochzuladen – auch wenn ich mir das Outfit dafür erst kaufen müsste.

Ich zucke zusammen, als ich Dieters Alter sehe, das vermutlich nicht geschönt ist: siebenundfünfzig. Wow. Damit könnte er locker mein Daddy sein.

„Der Traumprinz nicht dabei?“, will Silvi spöttisch wissen. „Wie viele Angebote kriegst du eigentlich so am Tag?“

„Weniger als du denkst. Und nur Schwachsinn. Mein Profil ist auch ziemlich nichtssagend, weil ich ja niemanden kennenlernen will.“

Sie legt den Kopf schief und wirft mir einen giftigen Blick zu. Dann streckt sie die Hand aus. „Lass mich mal sehen.“

Ich drücke das Handy an meine Brust, als wäre es der heilige Gral. „Nein.“

Sie verdreht die Augen. „Oh Mann, Felix, ich will dir doch nur helfen.“ Sie rutscht mit ihrem Stuhl um die Tischkante herum, bis sie neben mir sitzt. Ihr Körper strahlt eine Hitze aus, dass ich zu schwitzen anfange. „Los, zeig her.“

„Nein. Und wobei willst du mir helfen? Wenn du das Profil löschst, kann ich mir später ein neues erstellen.“

„Dabei, dass du deinen süßen Arsch nicht in irgendeine Scheiße setzt.“ Sie macht eine ungeduldige Handbewegung. „Und jetzt gib her.“

„Mein Arsch ist nicht süß.“

„Sondern knackig? Oder was ist eine von Homos bevorzugte Bezeichnung?“

Ich schüttle den Kopf, um das Thema abzuweisen. „Okay. Ich werd das Handy zwischen uns auf den Tisch legen. Wir gucken beide aufs Display, okay? Du schnappst es nicht weg.“

Sie grinst. „Jetzt machst du mich neugierig. Was hast du denn da drauf? Nacktfotos? Von dir? Von Karsten? Von Angela Merkel?“

„Silvi.“

„Schon gut.“ Sie hebt die Hände. „Ich fass es nicht an und schau nur aufs Display.“

Ich zögere noch einen Moment, in dem ich sie eindringlich mustere und zu durchschauen versuche, falls das ein Trick ist. Dann lege ich vorsichtig das Handy mit Dieters Profil zwischen uns.

„Siebenundfünfzig?“, ruft Silvi wie auf Kommando aus und deutet anklagend auf mein Handy. „Genau das meine ich damit! Du triffst dich nicht mit jemandem, der vierunddreißig Jahre älter ist als du!“

„Das hab ich doch auch gar nicht vor. Der Typ hat mir eben eine Nachricht geschrieben. Deshalb war ich auf seinem Profil.“

„Auf die Nachricht antwortest du nicht.“

Ich seufze. Ohne darauf einzugehen, rufe ich mein Profil auf und drehe ihr das Handy ein Stück zu. „Das ist mein Profil.“

Sie runzelt die Stirn. „Das ist das Profil von Max. Wer zum Teufel ist Max?“

Mein Gesicht wird heiß und ich muss mich räuspern. „Ich.“

„Du? Und wie weiter? Max Mustermann?“

Ich will ihr nicht verraten, dass genau das mein Gedankengang gewesen ist. Wenn ich ein kreativer Kopf wäre, wäre ich wie sie im Marketing gelandet. „Glaubst du, ich melde mich da mit meinem richtigen Namen an?“

„Offensichtlich nicht. Du weißt schon, dass das Ganze immer seltsamer wird, oder?“

„Willst du dir das Profil jetzt angucken oder nicht?“

Sie schnaubt, studiert es dann jedoch ausgiebig, während ich ihr Gesicht mustere. Die feinen Linien ihrer Züge werden von dem Licht des Displays scharf ausgeleuchtet. Konzentriert fliegt der Blick ihrer dunklen Augen über jede einzelne Zeile meines Steckbriefs.

„Okay“, sagt sie nach nicht einmal dreißig Sekunden. „Da steht wirklich kaum was drin. Ist akzeptiert.“

„Da bin ich aber beruhigt.“

In dieser Sekunde verblasst der Hintergrund und eine weitere rote Nachricht der Chatfunktion von LoveLife füllt den Bildschirm aus. Fast zeitgleich beugen Silvi und ich uns weiter über den Tisch und stoßen dabei beinahe mit den Köpfen zusammen.

Peer: Hey, wie geht’s?

Einen Moment lang rührt sich keiner von uns. Dann meint Silvi spöttisch: „Weniger als ich denke, hm?“

Ich ignoriere sie und ziehe das Handy ein Stück zu mir rüber, um Peers Profil aufzurufen. Auch wenn die Nachrichten noch so dämlich sind, habe ich das bisher immer gemacht. Einfach, um zu gucken, wer sich sonst noch bei dieser Flirt-App herumtreibt. Peers Nachricht allerdings ist weniger dämlich als vielmehr nichtssagend, beinahe langweilig – und damit bisher einzigartig.

Ich überfliege die Infos seines Steckbriefs, die leider so spärlich gesät sind wie bei meinem Profil. Offensichtlich ist da noch jemand vorsichtig. Er ist berufstätig, sagt aber nicht, was er macht. 1,86m, blaue Augen, schwarze Haare. Als Hobby gibt er Film & Fernsehen an, aha. Heißt das, er sitzt von morgens bis abends vor der Glotze?

„Fünfundzwanzig, das hört sich auf jeden Fall schon mal besser an“, bemerkt Silvi. „Aber warum hat er kein Foto hochgeladen?“

„Egal. Ich hab auch keins hochgeladen.“

„Egal? Du weißt schon, dass du über kurz oder lang mit einem von diesen Nutzern Sex haben willst, richtig? Da sollte zumindest im Ansatz eine gewisse körperliche Anziehung vorliegen. Vielleicht ist der Kerl hässlich wie die Nacht.“

„Bevor ich mit irgendjemandem Sex habe, werde ich mich sowieso erst mal mit ihm treffen. An einem öffentlichen Ort.“

Silvi zieht die Augenbrauen hoch. „Wow, das klingt ja direkt vernünftig.“ Sie nickt auf das Handy. „Und, schreibst du zurück?“

Ich zucke die Schultern. „Immerhin hat er mich nicht nach meiner Penislänge gefragt – also, ja.“ Ich fange an zu tippen und bemerke daher erst verspätet ihren Blick. „Was denn? Nein, auf die Frage hab ich natürlich nicht geantwortet.“

„Heißt das, du willigst in die offene Beziehung ein?“

Ich lasse das Handy sinken. Unter Peers Nachricht steht nun meine. Silvi wirft einen flüchtigen Blick darauf. Ich kann ihrem Gesichtsausdruck nicht ganz entnehmen, was sie von meiner Antwort hält, aber da sie nicht protestiert, scheint sie sie harmlos genug zu finden. Oder sie ist insgeheim froh, dass ich kein Flirt-Ass bin, weil sie die ganze Angelegenheit ja sowieso beschissen findet.

Max: Gut, und selbst?

„Nicht, wenn ich es vermeiden kann.“

Ich greife nach meinem Wein und trinke einen großzügigen Schluck. Bis eben habe ich tatsächlich für einen kurzen Moment vergessen, warum ich mich mitten in der Woche bei Silvi zu Hause betrinke und bei einer Flirt-App angemeldet habe.

„Aber ich fürchte, ich hab keine Wahl. Er fragt mich jeden Tag, ob ich mir die Sache schon überlegt hab. Das ist ihm echt wichtig.“

Zum ersten Mal erkenne ich so was wie Mitgefühl auf Silvis Gesicht. „Ihr müsst unbedingt Regeln aufstellen. Das hier ist schon grenzwertig.“ Sie nickt auf mein Handy.

Trotzig schenke ich mir noch mal aus der Weinflasche nach. „Wenn Karsten durch die Gegend vögelt, werd ich sicher nicht zu Hause rumsitzen und darauf warten, dass er irgendwann mal wieder mit mir schlafen will.“

In meinen eigenen Ohren klingt der Satz ziemlich abgebrüht, aber so, wie Silvi mich ansieht, nimmt sie ihn mir nie und nimmer ab. Ich habe selbst Schwierigkeiten damit. Es fühlt sich an, als hätte ich mir einen Anzug übergestreift, der mir vorne und hinten nicht passen will, der jetzt aber nun mal der letzte Schrei ist.

Beim Gedanken daran, dass Karsten mit einem anderen schläft, wird mir schlecht. Aber mit dem Gedanken, dass ich selbst mit einem anderen ins Bett steige, komme ich ebenfalls nicht zurecht. Ich will keinen anderen, zum Teufel. Ich wollte immer nur Karsten, und mittlerweile habe ich ihn auch seit sechs verdammten Jahren.

Mein Handy klingelt. Das Display leuchtet mit einer roten LoveLife-Nachricht auf, die Silvi und ich uns sofort durchlesen.

Peer: Auch. Lust auf Sex?

2. Kapitel

2. Kapitel

 

 

„Du kommst spät.“ Karsten stellt den Fernseher leiser, als ich ins Wohnzimmer trete. Irgendeine Krimi-Serie. Der Fernseher ist neben dem Aquarium, das Ecke leise in der Ecke summt, die einzige Lichtquelle im ansonsten dunklen Zimmer. Die Balkontür und das Fenster sind geöffnet und obwohl es in unserer Wohnung insgesamt kühler ist als bei Silvi, steht auch hier die Luft wie eine Wand aus Sirup im Raum.

„Und du bist noch wach“, sage ich von der Tür aus, gegen die ich mich lehne.

Sobald ich ihn sehe, tut es wieder weh. Alles. Mein Körper, mein Kopf, mein Herz. Die langen, muskulösen Beine ausgestreckt liegt er in dem Bogen unseres U-förmigen Sofas. Bis auf dunkelblaue Pants ist er nackt. Das Licht des Fernsehers schickt tanzende Schatten über seinen athletischen Körper, der gerade jetzt im Sommer die Farbe von flüssigem Karamell angenommen hat. Heller ist seine Haut nur an den Stellen, die sonst außer mir niemand zu Gesicht bekommt.

Außer denen, mit denen er neben mir noch schlafen will.

Karsten richtet sich auf und klopft auf das Polster neben sich. „Setz dich. Ich glaub, wir müssen noch mal über diese Sache reden.“

Ich schlucke schwer. „Über die offene Beziehung, meinst du.“

„Ja.“

Er fährt sich durch die wunderbaren, dunkelbraunen Locken, in die ich so gerne meine Finger kralle und die mit hauchzarten Berührungen über meinen Körper schweben, wenn er sich über mich beugt.

Mein Hals schnürt sich zu. Gott, ich will nicht, dass er das mit anderen macht!

„Ich glaub, du hast da was in den falschen Hals bekommen.“ Wieder klopft er neben sich aufs Sofa. „Komm, Felix, setz dich.“

„Ich will mich nicht setzen.“

Er seufzt. „Dann bleib stehen.“ Er rutscht bis an die Kante des Sofas vor, bleibt jedoch sitzen, die Ellbogen auf die Knie gestützt. „Ich will die offene Beziehung nicht, weil ich dich nicht mehr liebe. Ich dachte, das hätte ich deutlich gesagt.“

Ich verschränke die Arme vor der Brust. Von dem Gespräch mit Silvi fühle ich mich schon so ausgelaugt, dass die kleinste Erwähnung dieses Themas sich wie ein Hieb mit seinem geliebten Schwert anfühlt.

„Warum willst du dann mit anderen schlafen? Macht…“ Scheiße. Ich blinzle heftig. Der Alkohol macht mich zu emotional. Vielleicht habe ich Glück und Karsten sieht das verdammte Wasser in meinen Augen nicht. „Macht es dir mit mir… keinen Spaß mehr?“

„Nein, das hab ich doch gar nicht gesagt. Es ist nur… Ich hab das Gefühl, wir haben hier einen völlig neuen Lebensabschnitt angefangen, verstehst du? Der Umzug nach München, neue Leute, dein neuer Job, mein Studium –“

„Du hast also jemanden kennengelernt, den du mit meiner Erlaubnis vögeln willst?“ Ich gehe ein paar Schritte ins Zimmer. „Willst du dir eine neue Beziehung aufbauen und mich als Sicherheit nebenher behalten, falls es doch nicht klappt?“

Sein Kopf ruckt hoch. „Nein, Mann. Bist du verrückt? Ich liebe dich. Ich weiß nicht, ob ich’s mir auf die Stirn tätowieren muss, damit du’s kapierst.“

„Warum dann, Karsten? Ich liebe dich auch und ich will trotzdem nicht, dass du andere Männer fickst.“

„Darum geht’s doch gar nicht. Es hat etwas mit der Freiheit zu tun, dass man könnte, wenn man wollte.“

„Und du willst. Hast du dir schon jemanden ausgesucht, mit dem du willst, weil du ja kannst?“

Erneut deutet er auf die Couch. Dieses Mal klopft er nicht auf den Platz neben sich, sondern zeigt nur drauf. Soll das heißen, ich soll mich setzen, aber ihm bloß nicht zu nahe kommen? Der Schmerz in meiner Brust wird größer. Was macht er hier mit uns?

„Setz dich hin, Felix, bitte. Du machst mich nervös, wenn du da stehst. Du schwankst.“

Ich schwanke? Ich sehe mich um und mache automatisch einen Schritt zurück, als sich der Raum um mich herum anhebt, als würde ich bei starkem Wellengang auf dem Deck eines Schiffs stehen. Ist mir vorher gar nicht aufgefallen. Karsten hat meine ganze Aufmerksamkeit beansprucht.

Fluchend steht Karsten auf, packt mich am Arm und zieht mich zu sich, um mich auf das Sofa zu drücken. Sitzen fühlt sich tatsächlich besser an. Als Karsten mir so nahe kommt, verzieht er das Gesicht. Herausfordernd sehe ich ihn an. Ja, sag ruhig was dazu. Das ist nämlich deine verdammte Schuld.

„Scheiße, wie viel hast du getrunken? Bist du etwa so Fahrrad gefahren?“

„Das eine oder andere Glas Wein.“ Den Teil mit dem Fahrrad beantworte ich besser nicht. Wenn mich ein Polizist angehalten hätte, wäre ich bestimmt meinen Führerschein los – wenn ich einen besitzen würde. Auf dem Weg hierher ist mir das gar nicht so schlimm vorgekommen.

„Verarsch mich nicht. Ich hab das Foto von Silvia bei Facebook gesehen. Die Flasche war leer.“

„Vielleicht war es auch die eine oder andere Flasche.“

„Felix!“ Er umklammert meine Oberarme fester. Sein Blick ist wütend. Sehr.

Ich sehe nach unten auf seine nackte Brust, die vor meinem Gesicht schwebt. Was soll ich sagen? Dass ich ein bisschen was getrunken habe, um den Gedanken an Karsten mit anderen Männern zu vergessen? Um irgendwie mit der Idee einer offenen Beziehung klarzukommen?

Stattdessen sage ich gar nichts, hebe eine Hand und lege sie ihm vorsichtig auf die Brust. Seine Haut ist warm und weich und es kribbelt noch immer unter meinen Fingerspitzen, wenn ich ihn anfasse. Wie Tausende winzig kleine Stromstöße. Ich krümme die Finger. Das Loch der Verzweiflung droht schon wieder, mich zu verschlingen.

„Verlässt du mich, wenn ich nicht in die offene Beziehung einwillige?“

Sein Zögern ist schlimmer als jede Antwort, die er mir darauf geben könnte. Und es dauert länger an, als ich ertragen kann. Langsam hebe ich den Kopf, doch er weicht meinem Blick aus. Eine Sekunde. Zwei. Dann sieht er mich wieder an.

„Nein. Scheiße, nein, natürlich nicht.“

Wahrscheinlich meint er es in diesem Moment tatsächlich so. Vielleicht wird er es nicht sofort tun, aber über kurz oder lang doch. In dem Augenblick, als er diesen Vorschlag ausgesprochen hat, hat er unserer Beziehung eine unaufhaltsame neue Wendung gegeben. Und nicht zum Besseren.

Bei der Erkenntnis schwappt der Wein in meinem Bauch gefährlich hin und her. Irgendetwas in mir zerbricht.

„Inzwischen bereue ich fast, dass ich dich überhaupt gefragt hab.“

Endlich lässt Karsten meine Arme los und setzt sich neben mich auf die Couch. Sofort rutsche ich an ihn heran und lege meinen Kopf auf seine Schulter und meine Hand auf seinen Oberschenkel. Doch das reicht nicht. Trotz der Hitze um uns herum und der Wärme, die er ausstrahlt, brauche ich mehr. Ich brauche ihn.

Ich drehe mich ein wenig und hebe ihm mein Gesicht für einen Kuss entgegen, doch er verzieht die Mundwinkel und dreht seins weg. Genauso gut hätte er mich ohrfeigen können.

Das hat nichts mit uns zu tun. Es liegt am Alkohol. Da ist er immer schon sehr streng gewesen und jetzt gerade muss ich wie ein Weinlokal riechen, das seine sämtlichen Vorräte auf dem Boden ausgekippt hat.

Trotzdem tut es weh. Es tut so weh.

„Ich will Regeln“, höre ich mich heiser sagen.

„Was?“ Er dreht den Kopf wieder in meine Richtung, aber inzwischen habe ich meinen abgewandt und starre meine Hand auf seinem Bein an. Wenigstens ist er davor nicht auch zurückgewichen.

„Für die offene Beziehung. Ich will klare Regeln, an die wir uns beide halten.“

Ich kann beinahe spüren, wie Karsten den Atem anhält. „Okay“, sagt er gedehnt. „Heißt das… ja?“

Das heißt, ich bin verrückt. Absolut und komplett verrückt.

Aber was für eine Wahl habe ich denn? Wenn ich Nein sage, fängt er irgendwann an, mich hinter meinem Rücken zu betrügen, oder er verlässt mich und ich werde es immer der offenen Beziehung zuschreiben. Und da ich Ja gesagt habe, bekommt er vielleicht die Freiheit, die er glaubt, mit mir nicht zu haben. Er liebt mich. Alles andere ist nur Sex. Daran muss ich mich klammern.

Ich nicke stumm. Hoffentlich habe ich damit nicht alles nur noch schlimmer gemacht.

Karsten entfährt ein kurzes Auflachen. „Wow.“ Er legt eine Hand an meine Wange und hebt mein Gesicht an, um mir einen Kuss auf die Wange zu drücken. Wenigstens etwas. „Danke, Felix.“

Ich schließe die Augen und lehne mich der Berührung entgegen. Wie gerne würde ich jetzt mit ihm schlafen. Gleich hier direkt auf dem Sofa. Mich auf ihn stürzen und ihm auch noch den letzten Fetzen Kleidung vom Leib reißen. Fühlen, dass er mich liebt. Dass das mit uns mehr als Sex ist.

Aber mit meiner Alkoholfahne kriege ich ihn wahrscheinlich nicht mal mit vorgehaltener Waffe dazu.

Stattdessen streichle ich über seinen Oberschenkel, fahre mit den Fingern über die Innenseite und lasse sie federleicht über seinen Schritt tanzen. Er ist halb steif. An mir kann das in dieser Situation kaum liegen. Also muss ihn allein der Gedanke erregen, es bald ohne Konsequenzen mit anderen treiben zu können.

Oh Gott, Felix, du musst damit aufhören!

„Regeln“, flüstere ich.

„Ja, klar. Alles, was du willst.“

„Nicht bei uns in der Wohnung“, sage ich sofort. Schon die Vorstellung, dass er es mit irgendwelchen Kerlen in unserem Bett macht – du sollst aufhören!

„Klar, kein Problem“, kommt es genauso schnell von ihm.

Wahrscheinlich ist er so glücklich darüber, dass ich überhaupt eingewilligt habe, dass er allem zustimmen würde. Wenn ich mir zu komplizierte Regeln einfallen lasse, verliert er vielleicht den Spaß an der Sache.

„Nicht immer mit demselben Kerl.“

„Okay“, sagt er jetzt schon bedächtiger. „Was genau heißt das? Nicht öfter als zwei-, dreimal?“

Scheiße, er hat doch schon jemanden im Sinn. Und dieser Jemand ist es, der für diese ganze beschissene Angelegenheit verantwortlich ist!

Nicht öfter als einmal, liegt mir auf der Zunge, weil es eigentlich das ist, was ich will. Wozu dieser Mist mit der offenen Beziehung doch da ist: Sex. Da muss es nicht immer dieselbe Person sein. Doch damit nehme ich nicht nur ihm den Spaß, sondern mache es mir auch schwer, mit ihm gleichzuziehen. Karsten hat vielleicht schon eine Liste im Kopf, die er abarbeiten will und von der allenfalls fünf Prozent ablehnen würden, aber ich habe da mehr Schwierigkeiten.

„Nicht öfter als… nicht regelmäßig.“

Karsten schnaubt belustigt. „Kannst du da deutlicher werden?“ Als ich ihm einen finsteren Blick zuwerfe, sagt er: „Ich will nur alles richtig machen.“

Ich ziehe meine Hand von seinem Schenkel und reibe mir mit beiden Händen übers Gesicht. „Okay, sagen wir, nicht nur mit demselben Kerl.“

„Okay, verstanden.“

Dass ihm das so leicht fällt. In meinem Magen brodelt der Wein, während ich mir Regeln für ein Spiel ausdenke, das ich überhaupt nicht spielen will.

„Und nicht öfter als… als einmal im Monat. Insgesamt. Mit allen.“ Das heißt, er kann im Jahr neben mir mit zwölf anderen Männern schlafen. Ein ganzer Jahreskalender mit One-Night-Stands. Ich glaube, mir wird schlecht.

„Nein.“

Ich nehme die Hände runter und sehe ihn an. „Nein?“

Er schüttelt den Kopf, als würde er befürchten, dass ich die Bedeutung des Wortes nicht kapiere, und rückt dann ein Stück von mir ab. Meine rechte Seite ist von seiner Nähe ganz verschwitzt und kühlt jetzt minimal ab – er lässt ein kaltes Gefühl zurück.

„Nein“, wiederholt er noch mal bestimmt. „Das widerspricht dem Gedanken einer offenen Beziehung. Dem können, wenn man will.“

Wieder wird mir die Luft abgeschnürt. Als hätte jemand die Hände um meinen Hals gelegt und würde gnadenlos zudrücken.

„Du hast gesagt, alles, was ich will“, sage ich rau.

„Das nicht. Wir müssen beide mit den Regeln einverstanden sein.“

Ich bin mit der ganzen beschissenen offenen Beziehung nicht einverstanden! Zählt das auch?

„Noch was?“

„Ich will’s nicht wissen“, platzt es aus mir heraus. „Ich will nicht wissen, was du machst oder mit wem oder wo.“ Ich will’s nicht mal mitkriegen.

Er stockt und sieht mich eindringlich an. Für den Bruchteil einer Sekunde habe ich die irre Hoffnung, dass er die ganze Sache abblasen wird. Dass er sieht, wie sehr mich das verletzt, und dass er mich genug liebt, um auf dieses Experiment zu verzichten. Doch dann nickt er langsam.

„Gut, wenn du willst. Soll… soll ich dir alles darüber verheimlichen? Ich meine, ob ich überhaupt…?“

„Ja.“

Jetzt scheint er sich doch ein wenig unwohl in seiner Haut zu fühlen, so wie er auf dem Sofa herumrutscht. Seine beginnende Erektion ist verschwunden.

Eine Weile sagt er nichts, als müsste er sich diese Regel erst durch den Kopf gehen lassen. Wollte er mir etwa brühwarm und in allen Farben des Regenbogens unter die Nase reiben, was für versaute Sachen er ausprobiert hat, die mit mir leider nicht möglich gewesen sind?

„Okay. Noch was?“

„Niemals ohne Kondom.“

Er schnaubt. „Natürlich nicht.“

So natürlich finde ich das nicht. Karsten und ich schlafen seit Jahren ohne Kondom miteinander. Nicht, dass er das Gummi im Eifer des Gefechts vergisst, weil er sich so sehr daran gewöhnt hat oder weil es sich besser anfühlt.

Als Karsten mich abwartend ansieht, zucke ich die Schultern. „Mehr weiß ich grad nicht. Kann ich nachträglich Regeln hinzufügen?“

„Nur, wenn wir beide damit einverstanden sind. Weil diese Regeln auch für dich gelten“, sagt er, als würde ich gleich morgen losrennen und die ersten zehn Kerle, die ich finde, in unserer Wohnung ohne Kondom flachlegen. Mehrmals. Offensichtlich überschätzt er mich.

„Klar.“ Selbst ich höre den sarkastischen Unterton in meiner Stimme, kann aber nichts daran ändern. An den Fingern zähle ich auf: „Nicht in unserer Wohnung, nicht nur derselbe Mann, wir erzählen uns nichts davon, nie ohne Kondom.“ Ich halte ihm die vier Finger wie ein Protestschild entgegen. „Hab ich was vergessen?“

„Nein, aber ich würd gern was korrigieren.“ Die Pause, die er macht, dauert so lange, dass ich gerade nachhaken will, als er sagt: „Du willst nichts davon wissen. Ich schon. Ich möchte, dass du mit mir darüber redest.“

Ich blinzle ihn an. „Was?“ Deshalb hat er so lange über diese Regel nachgedacht. Warum zum Teufel will er das wissen?

„Ich will wissen, was du machst oder mit wem oder wo“, wiederholt er meine Worte von eben mit minimaler Abweichung. Minimaler, aber bescheuerter Abweichung.

„Warum? Damit du es mir heimzahlen kannst? Mit… Sex auf der Uni-Toilette, wenn ich Sex auf der Toilette im Büro hatte?“ Eine gruselige Vorstellung; der Altersdurchschnitt bei uns in der Firma liegt etwa bei fünfundvierzig.

Zwischen Karstens Augenbrauen bildet sich eine steile Falte, als er mich verärgert ansieht. „Es geht hierbei nicht ums Heimzahlen, verdammt. Außerdem hoffe ich, dass du nie Sex auf irgendeiner Toilette hast.“

Trotzig recke ich das Kinn. „Wer weiß. Vielleicht steh ich ja drauf. Du scheinst ja auch drauf zu stehen, wenn mich andere ficken.“

Etwas blitzt in seinen Augen auf. Heiß, wütend und voller Besitzgier. Es schießt mir direkt in den Schwanz und setzt meinen Unterleib in Flammen. Gleichzeitig schlägt mein Herz vor diebischer Freude ein wenig schneller.

Aha, das Kopfkino gefällt ihm also auch nicht. Gut. Das ist irgendwie beruhigend. Und es macht die Regel gleich weniger schlimm. Wenn ich ihm ein paar wilde Geschichten auftische, will er den Mist mit der offenen Beziehung vielleicht ganz schnell wieder vergessen.

„Du kapierst es immer noch nicht.“ Seiner Stimme haftet ein erregendes Grollen an. „Natürlich steh ich nicht drauf, dass du mit anderen… Glaubst du, diese ganze Sache fällt mir leicht?“

„Hab ich so den Eindruck, ja.“

„Tut sie aber nicht. Ich will es wissen, damit wir darüber reden können.“

„Weil wir sonst so wenig miteinander zu reden haben?“

„Um damit zu arbeiten. Um daran zu wachsen. Um uns weiterzuentwickeln.“

Schnaubend schüttle ich den Kopf. Wer hat ihm bloß diese Grütze eingetrichtert? Es muss jemand von der Uni sein. Oder von seiner Schwertkampftruppe. Oder aus dem Sportladen.

„Deswegen solltest du dir überlegen, ob du wirklich nichts wissen willst.“

Da muss ich nicht lange überlegen. „Nein, will ich nicht. Aber ich erzähle dir gerne in allen Einzelheiten, was ich so treibe, wenn du es unbedingt wissen willst. Vielleicht solltest du da noch mal drüber nachdenken.“

Er verspannt sich etwas und sein Kiefer sieht ebenfalls ziemlich verkrampft aus. „Ich überleg’s mir, nachdem du das erste Mal eine Märchenstunde aus der Sache gemacht hast. Mann, dabei geht es auch um Vertrauen. Du vertraust mir und ich vertraue dir. Nicht nur, dass wir die Regeln einhalten, sondern auch, dass wir den anderen nicht unnötig verletzen.“

Ich fühle mich ein klitzekleines bisschen enttarnt. Als hätte er meine Gedanken gelesen. Außerdem fühle ich mich angeklagt. Natürlich vertraue ich Karsten. Aber wer zum Teufel wäre nicht misstrauisch, wenn der eigene Freund plötzlich mit der Idee einer offenen Beziehung um die Ecke kommt? Damit verletzt er mich unnötig, weil das das Vertrauen auf eine ganz schön harte Probe stellt.

„Also“, sagt Karsten in einem Tonfall, als würde er nach einem Referat ein Fazit ziehen, „sind wir uns einig?“

„Ja.“ Wieder dieser spöttische Unterton. Aber ich kann wirklich nichts dagegen tun. „Wir sind uns einig.“

 

***

 

Peer: Auch. Lust auf Sex?

Ich starre Peers Nachricht im roten Chatfenster von LoveLife an, allerdings fällt mir immer noch keine gute, witzig spritzige Antwort ein. Ich habe das Gefühl, trotz der beiden Ventilatoren im Büro fließt mir das Hirn weg. Noch fünf Minuten länger und es tropft mir aus sämtlichen Körperöffnungen und verunreinigt meinen Arbeitsplatz. Frau Bimsel wäre begeistert.

Ich fange an, zu tippen: Sorry, dass ich mich so lange nicht gemeldet hab

Klasse. Das klingt wirklich unglaublich sexy. Ich würde mich sofort flachlegen.

Grimmig lösche ich die Worte und fahre mit der freien Hand am Kragen meines Hemds entlang, das wie eine zweite Haut an meinem verschwitzten Körper klebt. Scheiß Dresscode. Bei dreißig Grad kann man da ruhig mal eine Ausnahme machen, finde ich.

Wahrscheinlich ist all die Grübelei eh völlig umsonst. Nach über einer Woche hat Peer Zeit genug gehabt, dieselbe Frage zwanzig anderen zu stellen, und darunter sind sicher einige weitaus begeistertere und willigere Kandidaten gewesen.

„Erwarten Sie einen wichtigen Anruf, Herr Wildner? Sie sehen heute ständig auf Ihr Handy.“

Ertappte sehe ich über den Rand meines Bildschirms hinweg in das mürrische Gesicht von Dr. Schuhknecht. An guten Tagen sieht er so aus, als hätte ihm jemand einen Tritt mitten ins Gesicht verpasst. An schlechten – so wie heute – wie etwas, das in einem Schuhkarton vergessen worden und zwischenzeitlich verreckt ist.

Verdammt. Wieso ist der immer noch nicht in der Mittagspause? Hat sich in seinem Büro verkrochen und sich so leise in meins und Frau Bimsels geschlichen, dass ich ihn überhaupt nicht gehört habe.

Mit einem Räuspern schalte ich das Display aus und lege das Handy zurück auf den Schreibtisch. Hoffentlich schiebt er es auf die Hitze, dass mein Gesicht auf einmal sehr warm wird.

„Nur die Wochenendplanung“, sage ich, weil mir spontan keine herzzerreißende Geschichte über meine Lieblingsoma einfällt, die bei diesem Wetter zu Hause aus den Latschen gekippt ist – Scheiße. Egal. Zug abgefahren.

„Verlegen Sie das in Ihre Mittagspause.“ Mit einer knappen Bewegung wischt er sich eine Fuhre Schweiß von der Stirn. Die tropischen Temperaturen haben sogar ihn in die Knie gezwungen, sodass er heute auf Krawatte und Jackett verzichtet. „Bei dieser Affenhitze wird sowieso schon zu wenig gearbeitet.“ Er nickt auf den leeren Stuhl von Frau Bimsel am Schreibtisch gegenüber meinem. „Frau Bimsel ist in der Mittagspause?“

„Ja.“ Wo soll sie sonst sein? Sie wird sich kaum auf der Suche nach Abkühlung unter ihrem Mousepad verkrochen haben.

Dr. Schuhknecht nickt. „Haben Sie schon die Daten über die Kanzlei in Suhl ausgewertet? Die Geschäftsführung will bald darüber entscheiden, wo sich am besten expandieren lässt.“

Ich weiß. Ich mache seit zwei Wochen nichts anderes. Dr. Schuhknecht scheint zu glauben, ich hätte die Aufmerksamkeitsspanne eines Säuglings. Mittlerweile sollte er wissen, dass ich meine Arbeit gründlich, schnellstmöglich und gut erledige. Selbst Frau Bimsel traut mir inzwischen mehr zu.

Ich schaue kurz auf die Uhr unten in der Taskleiste. „In circa einer Stunde.“

„Gut. Ich brauche die Daten spätestens heute Nachmittag, bevor Sie Feierabend machen.“

„Wie gesagt, in ungefähr einer Stunde haben Sie sie.“

„Gut, gut.“ Wieder wischt er sich über die Stirn, dann wendet er sich abrupt der Tür zu. „Ich bin eben in der Mittagspause.“

„Mahlzeit.“

Als er endlich weg ist, öffne ich einen weiteren Knopf an meinem Hemd und fächle mir mit dem Stoff ein wenig Luft zu. Irgendwie wird mir automatisch noch heißer, wenn ich einem anderen beim Schwitzen zusehen muss.

Ich warte fünf Minuten, ob Dr. Schuhknecht vielleicht was vergessen hat. Als er nicht vorzeitig zurückkommt, greife ich erneut nach meinem Handy und stehe von meinem Stuhl auf. Mit einem Ächzen zupfe ich hinten an meinem verschwitzten Hemd und an der Stoffhose, damit sich das Material von meinem Körper löst, während ich an die breite Fensterfront trete. Sehnsüchtig schaue ich zwischen den heruntergelassenen Lamellen nach draußen auf das bunte Treiben der glücklichen Münchner und Münchnerinnen, die um kurz vor eins an einem Freitagmittag nicht in einem stickigen Büro hocken müssen.

So wie Karsten. Vorhin hab ich bei Facebook ein Foto von ihm gesehen, die Sonnenbrille auf der Nase, ein strahlendes Grinsen im Gesicht, die Isar im Hintergrund und eine eiskalte Bierflasche in der Hand, mit der er dem Betrachter zuprostet. Perfekter Start ins Wochenende!, lautet der neidisch machende Status dazu, in dem er sechs andere markiert hat.

Das alkoholfrei auf der Flasche sieht man nur, wenn man drauf achtet, trotzdem haben einige seiner neueren Facebook-Kontakte es entdeckt und ein paar stichelnde Kommentare dazu gemacht. Irgendwie beruhigt mich das ein wenig. In letzter Zeit hat er so viele neue Freunde dazugewonnen, dass ich mir schon wie ein Eremit auf einer abgeschiedenen Hütte vorgekommen bin, aber offensichtlich wissen die Leute nur halb so viel über ihn wie ich.

Auch jetzt rufe ich Facebook auf, entdecke ein paar neue Likes unter Karstens Foto, sonst jedoch nichts Auffälliges. Na ja, er wäre sicherlich nicht so dreist, seine Sexdates öffentlich per Facebook zu terminieren. Falls er überhaupt noch Lust dazu hat. Seit wir uns einig geworden sind, hat sich das Thema irgendwie im Sand verlaufen.

Ich rufe LoveLife auf und starre wieder auf Peers Nachricht. Klingt Prinzipiell schon doof? Oder Vorher würd ich dich gern erst mal sehen abschreckend? Was ist mit: Ja, aber erst, wenn mein Freund anfängt, durch die Gegend zu vögeln?

Wenn ich allerdings erst zu suchen anfange, nachdem Karsten das erste Mal von der offenen Beziehung Gebrauch gemacht hat, finde ich im schlimmsten Fall erst Wochen später einen Sexkandidaten. Und kann Karsten damit auch erst Wochen später davon erzählen, während er in der Zwischenzeit wer weiß wie viele andere…

Ich unterbreche den Gedanken, schalte das Display aus und gehe an meinen Platz zurück. Scheiße. Vielleicht habe ich ja Glück und er will wirklich nur das Gefühl, dass er mit jemandem Sex haben könnte, wenn er wollte – ohne das Ganze in die Tat umzusetzen.

Schnelle Schritte auf dem Flur kündigen die Rückkehr von Frau Bimsel an, kurz bevor sie ins Büro stürmt. Ich werfe einen Blick auf die Uhr am unteren Bildschirmrand. Die Hitze ist für allerlei kuriose Überraschungen gut: Frau Bimsel ist ganze vier Minuten zu spät!

„Entschuldigung, Entschuldigung“, sagt sie auch sogleich, wirft ihre Handtasche auf den Boden und lässt sich in ihrem sackartig geschnittenen Businesskostüm auf ihren Stuhl fallen. Wenigstens kann sie im Gegensatz zu mir einen Rock anziehen, auch wenn sie ihre Beine definitiv lieber verstecken oder zumindest besser pflegen sollte. „So. Sie können jetzt in die Mittagspause, Herr Wildner.“

„Keine Eile.“

„Hach, diese Hitze“, stöhnt sie und streicht sich eine verirrte Haarsträhne, die sich aus ihrem streng nach hinten frisierten Dutt gelöst hat, hinters Ohr. „Da spielen die Leutchen alle verrückt, absolut verrückt. Und es soll ja noch heißer werden, hab ich gehört. Oje, wo soll uns das bloß noch hinführen?“

Bevor Frau Bimsel eins ihrer Lieblingsthemen vertiefen kann – neben dem Wetter sind das vor allem der Straßenverkehr, das unverständliche Verhalten all ihrer Mitmenschen, dass schon wieder alles teurer geworden ist oder ihre drei Meerschweinchen Tick, Trick und Track, was zugegebenermaßen ganz witzig ist, wenn man weiß, dass sie seit der Gründung durch Sir Francis Drake 1579 absolut alles über Entenhausen weiß –, stehe ich auf und greife nach meinem Handy.

„Ach ja. Ja, ja, gehen Sie in Ihre wohlverdiente Mittagspause, Herr Wildner“, sagt sie und scheucht mich mit einer Handbewegung Richtung Tür. „Und suchen Sie sich ein schattiges Plätzchen. Ich bin vorhin an einem Thermometer vorbeigekommen. Zweiunddreißig Grad. Zweiunddreißig! Früher hätte es bei so unmenschlichen Temperaturen hitzefrei gegeben.“

„Hm-hm“, mache ich und hebe kurz die Hand, als ich auf die Tür zugehe. „Mahlzeit.“

„Mahlzeit, Herr Wildner. Oh, und falls Sie sich ein Eis holen wollen: Die Eisdiele an der Ecke hat die Preise schon wieder erhöht. Das haben sie doch erst letztes Jahr gemacht, wenn ich mich recht erinnere. Gibt’s denn so was?“

„Danke für den Hinweis“, sage ich, ohne stehen zu bleiben, und schlüpfe auf den Flur hinaus. Vielleicht hätte ich meine Schätzung für Dr. Schuhknecht nach oben korrigieren sollen. Frau Bimsel ist schon den ganzen Tag in Plauderlaune. Wahrscheinlich ist ihr auch zu heiß zum Arbeiten.

Das Handy vibriert in meiner Hand. Eine Nachricht von Karsten.

Karsten, 13:08

Bin heut Abend auf ner Party im Studentenwohnheim und dann mal gucken. Weiß nicht, ob wir uns noch sehen, wenn du heim kommst.

Unwillkürlich gerate ich ins Stocken, woraufhin hinter mir jemand überrascht aufschreit und mich in letzter Sekunde mit einem Schlenker umrundet.

„Herr Wildner“, mosert Frau Schmidt, die Sekretärin vom Geschäftsführer, und wirft mir einen giftigen Blick über den Rand ihrer Brille zu, „passen Sie doch auf!“

„Entschuldigung“, murmle ich und trete einen Schritt zur Seite, damit mich nicht noch jemand im Flur über den Haufen rennt.

Party im Studentenwohnheim. Ich habe mir vorher nie was dabei gedacht, wenn Karsten spontan am Wochenende irgendwo feiern gegangen ist und mich nicht mitgenommen hat. Seit er Student ist, ist das öfter vorgekommen, weil er auch schon mal in der Woche ausgeht und es meistens eh Studentenpartys sind.

Jetzt lese ich das Wort Studentenwohnheim und alles, was mir dazu einfällt, ist: Da gibt’s Betten. Haufenweise Betten und abschließbare Zimmer.

Ich fange an, zu tippen, will ihm schreiben, dass ich mitkomme, auch wenn er mich nicht gefragt hat und mich ganz offensichtlich nicht dabei haben will. Dann halte ich inne. Vertrauen. Hierbei geht’s um Vertrauen.

Trotzdem hab ich das Gefühl, dass die Luft um mich herum auf einmal noch dicker geworden ist.

Scheiße.

Ich sehe, dass Karsten etwas schreibt. Kurz darauf vibriert mein Handy wieder.

Karsten, 13:10

Ich liebe dich.

Dahinter ein Smiley, der ein Herz in meine Richtung küsst, was das Atmen noch schwerer macht.

Dann kommt mir ein schrecklicher Gedanke: Was, wenn er schon längst Sex mit einem anderen hatte? Wenn ich nur annehme, dass es noch nicht passiert ist? Weil ich es ja nicht weiß? Aber… das hätte ich doch bestimmt gemerkt, oder? Oder?

3. Kapitel

3. Kapitel

 

 

Als ich um halb sechs nach Hause komme, ist Karsten wie angekündigt nicht da. Die Umhängetasche, die er immer mit zur Uni nimmt, liegt als Stolperfalle mitten im Flur. Offenbar hatte er es eilig.

Ich versuche, mir nicht zu viel dabei zu denken, und schäle mich aus der Stoffhose und dem Hemd, ehe ich Nudelwasser aufsetze, obwohl mir nicht nach Essen ist. Silvi hat heute Abend leider keine Zeit mich abzulenken, da sie mit Freundinnen einen Mädelsabend macht.

„Wenn die anderen ein paar Augen zudrücken, kannst du bestimmt mitkommen“, hat sie mir vorhin auf dem Weg zur U-Bahn angeboten, aber ich will mich nicht aufdrängen, also habe ich abgelehnt. Ich kann darauf verzichten, als schwuler Hahn in einem Haufen Frauen zu sitzen, die im schlimmsten Fall betrunken irgendwelche Sexdetails von mir wissen wollen.

Als das Wasser auf dem Herd steht, gehe ich ins Wohnzimmer und scrolle durch die Kontaktliste meines Handys. Mit André aus der Personalabteilung habe ich schon ein paar Mal was gemacht und Jenny, die mit Silvi zusammen im Marketing sitzt und sich um die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit kümmert, ist auch ganz nett. Aber mit keinem von beiden bin ich so gut befreundet wie mit Silvi. Andererseits… Ablenkung ist Ablenkung.

Ich schicke beiden eine halbherzige Whatsapp-Nachricht und bin nicht überrascht, als Jenny nur fünf Minuten später mit Bedauern absagt; sie ist bei Freunden zum Grillen eingeladen. Andre braucht ein paar Minuten länger, aber er geht heute mit seiner Freundin ins Autokino nach Aschheim.

Scheiße.

Ich scrolle weiter, aber damit endet meine Bekanntenliste in München auch schon. Die restlichen Kontakte stammen alle aus meiner Schul- und Unizeit und sitzen entweder in meiner Heimatstadt oder kreuz und quer über Deutschland verteilt – oder sind Studentenfreunde von Karsten.

Ich sollte nicht neidisch darauf sein, dass er innerhalb der acht Monate hier in München schon deutlich mehr Bekanntschaften geschlossen hat als ich. An Unis rennen naturgemäß viele kontaktfreudige, gleichaltrige Menschen rum, während ich mich tagsüber hauptsächlich mit Frau Bimsel und Dr. Schuhknecht befassen darf.

Trotzdem bin ich es. Neidisch.

Als das Wasser kocht, kippe ich eine Portion Nudeln hinein und greife aus lauter Verzweiflung wieder zum Handy, um meine Eltern anzurufen. Während ich wie üblich in Sachen Familie und Bekannte auf den neuesten Stand der Dinge gebracht werde, stelle ich mich ans Aquarium und beobachte die Lachsroten Regenbogenfische.

Das dunkelrote Schillern von Igors Schuppen erscheint mir heute noch intensiver als sonst. Träge gleitet er durchs Wasser, während seine Artgenossen mit kleinen, ruckartigen Bewegungen durchs Becken zucken. Igor war schon immer anders. Gelassener. Liegt vielleicht an seiner Position als Alpha-Fisch.

Es beruhigt mich ein wenig, Igor beim Schwimmen zuzuschauen. Seine großen, runden Fischaugen beobachtet mich, als würde er darauf warten, dass ich den Arm hebe, um Futter ins Aquarium zu kippen – oder sich bereit machen, seinen Schwarm zu warnen, falls ich mich als Bedrohung herausstellen sollte.

„Und, was macht ihr zwei heute Schönes? Ist es in München auch so heiß?“, will meine Mutter wissen und vertreibt damit die Ruhe, die sich gerade bei mir eingestellt hatte.

Ich räuspere mich. „Ja, ist es. Karsten ist mit ein paar Leuten von der Uni unterwegs. Ich werd’s mir hier gemütlich machen. Später vielleicht auf den Balkon raus, wenn’s nicht mehr so warm ist.“ Und weil ich eh nicht schlafen können werde.

Ich versuche, mir vorzustellen, wie meine Mutter wohl reagieren würde, wenn ich ihr die Neuigkeit von unserer offenen Beziehung verkünde. Entsetzt? Verständnislos? Mitleidig? Ein schwuler Sohn hat das Weltbild meiner Eltern schon ziemlich ins Wanken gebracht, was richtet dann erst eine offene Beziehung an? Seit ich nicht mehr zu Hause wohne und obendrein in eine andere Stadt gezogen bin, hat sich unser Verhältnis zwar wieder verbessert, aber Frank ist seit meinem Outing trotzdem zum Lieblingssohn aufgestiegen. Vorher habe ich als Nesthäkchen diese Position innegehabt.

„Denk bitte daran, dass Opa im Juli achtzig wird, ja?“, erinnert sie mich zum Schluss noch. „Karsten und du kommt doch?“

„Ist fest eingeplant.“

Das Ereignis des Jahres. Schließlich darf man sich keine Gelegenheit entgehen lassen, einem Haufen konservativer älterer Herrschaften vom Land ein schwules Paar vorzuführen. Warum hat Oma noch mal drauf bestanden, dass ich Karsten unbedingt mitbringen muss?

„Gut. Wegen eines Geschenks setzen wir uns noch mal zusammen. Marie hat vorgeschlagen, dass wir vielleicht für eine Kreuzfahrt zusammenlegen können, die wollte Opa schon immer mal machen.“

„Kreuzfahrt?“ Ich blinzle Igor an, der daraufhin ein paar ruckartige Schwimmbewegungen macht, als hätte ich ihn erschreckt. „Hat Marie vergessen, dass nicht jeder von uns mit einem reichen Erben verlobt ist?“

Die Lebenshaltungskosten in München sind nicht nur hoch, mein Gehalt als Junior Controller ist auch nicht gerade üppig – ganz zu schweigen von Karstens Lohn für seinen Studentenjob in dem Sportladen.

„Sie meint, es gäbe da verschiedene Varianten, auch mit günstigeren Modellen. Je nach Strecke oder Fahrt oder Unternehmen… Ach, das soll sie dir selbst erklären. Ruf sie doch bei Gelegenheit mal an, ja?“

Im Hintergrund höre ich, wie mein Vater irgendetwas durchs Haus ruft, woraufhin meine Mutter einen überraschten Laut von sich gibt.

„Oh, schon so spät. Felix, ich muss auflegen. Papa und ich sind heute drüben bei den Lessings grillen und ich muss noch schnell das Dressing für den Salat machen.“

Super. Sogar meine Eltern sind gefragter als ich.

„Cool. Dann grüß mal schön.“

Jetzt höre ich meinen Vater lauter rufen, woraufhin meine Mutter „Ja, ja, gleich!“ zurückbrüllt. „Schatz, ich muss jetzt wirklich Schluss machen. Wir telefonieren demnächst wieder, ja?“

„Okay.“ Wir verabschieden uns und ich erinnere mich zu spät an meine Nudeln, die inzwischen verkocht sind. Verdammt.

 

***

 

Es ist kurz nach halb vier morgens, als ich endlich Karstens Schlüssel im Schloss höre. Ich weiß nicht, ob ich nach den langen Stunden des Wachliegens tatsächlich eingeschlafen bin oder nur gedöst habe, aber der Laut fährt mit der Intensität einer Kreissäge, die neben meinem Kopf gestartet wird, in mein Gehirn.

Er ist schon später nach Hause gekommen. Ist das ein gutes oder schlechtes Zeichen?

Ich lausche auf die Geräusche im Flur, als er die Schuhe auszieht, obwohl er dabei wirklich leise ist. Da er nie was trinkt, macht er auch nie betrunken Radau, wenn er nach Hause kommt. Ich höre ihn im Bad. Erst das Klo, dann das Waschbecken. Wenn er die Dusche benutzt…

Hör auf!

Die Dusche wird angedreht. Wie Tausende winzig kleine Nägel fallen die Wassertropfen aus dem Duschkopf und landen mit erschütternder Kraft in der Wanne. Ich spüre jeden einzelnen davon.

Ich kneife die Augen zusammen. Nein, nein, nein!

Das muss kein Indiz sein. Wenn er den halben Tag in der Sonne zugebracht hat, dann auf einer Studentenparty und Feiern gewesen ist, würde ich auch duschen wollen. Den Schweiß und den Stress abspülen. Und den Geruch eines anderen Kerls. Seine Berührungen. Seine Küsse.

Atmen. Gott, atme, Felix!

Hastig hole ich tief Luft, als hätte jemand meinen Kopf zu lange zu Igor und seinem Schwarm ins Aquarium getaucht. Mein Herz schlägt so laut und so schnell, dass es fast meine Brust durchbricht.

Das Wasser wird abgedreht. Eine kurze, schnelle Dusche. Ein Duschquickie für einen Sexquickie.

Ich presse den Handballen gegen meine Schläfe. Wieso kann ich nicht aufhören, daran zu denken?

Als die Tür zum Badezimmer geöffnet wird, nehme ich den Arm runter, schließe die Augen und bleibe ruhig liegen. Ich zwinge mich dazu, regelmäßig ein- und auszuatmen, auch wenn sich meine Lungen dabei anfühlen, als würden sie platzen. Ihrer Meinung nach laufe ich gerade einen Marathon und müsste wie verrückt nach Luft ringen. Die Kommunikation zwischen ihnen, meinem Herzen und meinem Gehirn ist eindeutig gestört.

Leise wird die Tür zum Schlafzimmer aufgeschoben und kurz darauf wieder geschlossen. Seine Gestalt huscht durchs Zimmer, dann stöpselt er sein Handy ans Ladegerät an. Die Matratze bewegt sich, als er vorsichtig ins Bett klettert.

Wir schlafen in seinem alten 1,60m-Bett, kein Doppelbett, sodass ich die erfrischende Kühle seines Duschquickies spüre. Er riecht nach Shampoo und Seife. Nur nach Shampoo und Seife. Obwohl ich den Geruch eindeutig ihm zuordnen kann, hat er noch nie so fremd gerochen. So neutral. So nichtssagend. Es scheint meine Atemwege zu verstopfen und das Atmen schon wieder so unerträglich schwer zu machen.

Er rührt sich nicht. Ungewöhnlich. Vielleicht. Plötzlich kann ich mich nicht mehr erinnern, ob er sich sonst an mich schmiegt oder ob wir nachts spontan noch Sex haben, wenn er nach Hause kommt. Zumindest Letzteres ist schon eine Weile nicht mehr vorgekommen.

Allerdings schlafen wir sonst auch mit Bettdecke. Wegen der Hitze haben wir die aber in eine Ecke des Schlafzimmers verbannt, wofür ich gerade sehr dankbar bin. Ich will jetzt nicht mit ihm unter einer Decke liegen. Ich kann nicht.

Hat er es wirklich gemacht? Hat er es durchgezogen? Bis zum Ende?

Mein Arm fängt zu kribbeln an. Scheiße. Irgendwie habe ich mich in eine so beschissene Position gelegt, dass sich irgendwo das Blut staut. Und irgendwas juckt an meiner Nase. Ist er schon eingeschlafen? Atmet er überhaupt? Ich höre nichts.

Dann ein langes Ausatmen. „Bist du noch wach?“, fragt er leise. Seine Stimme klingt seltsam rau und unsicher.

Nein. Ich bleibe still liegen, obwohl das Kribbeln in meinem Arm zu einem unangenehmen Prickeln wird. Eine Panikreaktion. Ich will nicht reden. Hatte er wirklich… Sex mit einem anderen?

„Felix?“

Kurz glaube ich, seine Fingerspitzen an meinem nackten Rücken zu fühlen, doch die Berührung ist so vage und so schnell wieder vorbei, dass ich mir nicht sicher bin.

Nach einer Weile bewegt sich die Matratze wieder, als Karsten sich anders hinlegt. Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergeht, aber es kommt mir vor wie Stunden, in denen ich allein mit meinen Gedanken und meinem unnatürlich lauten Herzschlag bin, während mein Arm langsam abzusterben droht. Das Kribbeln an meiner Nase hat sich von allein gelegt. Dann höre ich Karstens tiefe, regelmäßige Atemzüge.

Vorsichtig drehe ich mich um und verkneife mir ein Ächzen, als mein Arm protestierend wieder zum Leben erwacht. Karsten liegt von mir abgewandt und so weit weg, als wäre ein Fußballfeld zwischen uns. Durch das Licht von der Straße, das durch ein paar Ritzen in der heruntergelassenen Jalousie fällt, kann ich vage die Umrisse seines Körpers und ein paar widerspenstige Locken erkennen.

Er hatte Sex mit einem anderen. Oh Gott, er hatte Sex mit einem anderen.

Ich schließe die Augen und drehe mich wieder um. Ich kann das nicht. Ich will das nicht. Was reizt ihn so an der Vorstellung einer offenen Beziehung? Was reizt ihn an anderen Männern? Was? Was?

Ich reiße die Augen wieder auf und taste blind über meinen Nachtschrank, bis ich mein Handy gefunden habe. Ich rufe die LoveLife-App auf und dann den Chat mit Peer.

Peer: Auch. Lust auf Sex?

Mit einem Mal weiß ich ganz genau, was ich darauf zurückschreiben muss. Ich zögere nur kurz, obwohl sich die Antwort in meinem Kopf bereits geformt hat. Wenn Karsten Details zu meinen Seitensprüngen hören will, dann soll er, verdammt noch mal, auch welche bekommen.

Max: Ja. Wann hast du Zeit?

 

***

 

Peer antwortet nicht. Dafür hat Karsten Samstagmorgen beinahe ekelhaft gute Laune. Falls ich mir in der Nacht nicht nur eingebildet habe, dass er ein wenig zitterig geklungen hat, dann hat er das, was auch immer ihn da geplagt hat, inzwischen überwunden. Vielleicht war das das schlechte Gewissen, aber nachdem alles gemäß unserer Einigung abgelaufen ist, haben sich seine Schuldgefühle offensichtlich gelegt. Und er scheint Gefallen an dieser Scheiße zu finden.

„Was hältst du davon, wenn wir nachher an die Isar fahren? Wenn wir mit Einkaufen und so fertig sind?“, fragt Karsten, der an dem kleinen, quadratischen Tisch in unserer Küche sein Müsli löffelt und nebenbei das Wetter an seinem Handy checkt. „Soll nicht regnen.“

„Hm, ja, toll.“

Was gibt es Schöneres, als sich bei dreißig Grad mit tausend anderen Münchnern wie die Sardinen am Ufer der Isar aufzureihen? Ich ziehe mein Handy aus der Tasche. Immer noch keine Antwort von Peer. Mist. Ich bin zu spät.

„Esther hat uns heute Abend übrigens zum Grillen eingeladen. Hast du Lust? Stephan ist auch dabei.“

„Klar, wieso nicht?“

Ich scrolle die Liste der neuesten Nutzer von LoveLife durch und klicke das eine oder andere Profil an, wenn ich ein Foto ganz ansprechend finde. Schließlich entdecke ich einen Fabi, der auf seinem Foto nicht nur ganz nett aussieht, sondern sein Profil auch mit ausführlichen Informationen gespickt hat – sogar mit seiner Schuhgröße.

Ich schicke ihm eine kurze Nachricht im selben Stil von Peers Hallo, wie geht’s?, dann fällt mir auf, dass Karsten schon seit einer Weile nichts mehr gesagt hat, und hebe den Kopf.

Er beobachtet mich. Er hat nichts gesagt, als ich mich vorhin nicht zu ihm an den Tisch gesetzt, sondern mein Toast lieber im Stehen an die Anrichte gelehnt gegessen habe, aber jetzt sagt sein Blick mehr als tausend Worte.

„Was hast du gestern noch gemacht?“, will Karsten wissen.

„Nudeln gekocht. Igor und seinen Schwarm gefüttert. Mit meiner Mutter telefoniert. Magic Mike geguckt. – Und du so? Wie war’s auf der Studentenparty im Studentenwohnheim?“

Er lässt sich von meinem Tonfall nicht anstacheln. „Gut. Lustig. Feuchtfröhlich.“ Er rührt kurz in seinem Müsli, hebt dann aber doch wieder den Blick. „Felix –“

„Ich will’s nicht hören.“

„Du weißt doch gar nicht, was ich sagen wollte.“

„Doch, weiß ich. Weil ich nicht blöd bin.“ Ich reiße die Spülmaschine auf und stelle meinen leeren Teller hinein, ehe ich die Klappe wieder zuknalle. „Und nur, damit du’s weißt, du bist mir nur minimal zuvorgekommen, okay? Meinem Sexdate für gestern ist kurzfristig was dazwischen gekommen.“

Ich weiß nicht genau, wo das hergekommen ist, aber Karstens Reaktion darauf lässt es in meinem Nacken kribbeln. Er erstarrt und seine Augen weiten sich, während er den Löffel langsam in seine Müslischale sinken lässt.

„Du hattest gestern ein Sexdate?“

Ich verschränke die Arme vor der Brust und sehe ihn provozierend an. „Hätte gehabt. Dem Idioten ist was dazwischen gekommen. Großer Kerl. Blond.“ Ich nicke ihm zu. „Muskulöser als du. Aber auch mit so hübschen Locken.“ Mit einem Finger fahre ich an meinem Kinn entlang. „Und Dreitagebart.“

Beinahe macht es Spaß, so einen Adonis in farbenfrohen Einzelheiten auszumalen, insbesondere, weil Karsten sich Mr. Fiktion offensichtlich deutlich vorstellen kann. Beinahe. Während sich gleichzeitig diebische Freude über Karstens Eifersucht in mir breit macht, komme ich mir auf der anderen Seite vollkommen lächerlich vor. Es kann nicht Sinn dieser beknackten offenen Beziehung sein, dass wir uns gegenseitig wehtun.

„Und…“ Karsten bricht ab, weil seine Stimme heiser klingt, und räuspert sich kurz. „Und was ist ihm dazwischen gekommen?“

„Keine Ahnung. Hat er nicht gesagt. Ist ja nicht so, als hätten wir uns zum Reden treffen wollen.“

Gut gezielt. Karsten zuckt zusammen und weicht meinem Blick aus. Dann schiebt er die Müslischale von sich und steht auf. Mein Herz schlägt schneller. Will er dieses bescheuerte Experiment jetzt endlich beenden?

„Wo hast du ihn kennengelernt?“ Er kommt auf mich zu und bleibt dicht vor mir stehen. Das macht er gerne, weil ich dann den Kopf leicht in den Nacken legen muss.

„Ich…“ Scheiße.

In seinem Blick flackert etwas auf, das an Belustigung erinnert. Verdammt. Wenn er mich durchschaut hat, wäre das noch lächerlicher.

Er stützt die Hände rechts und links von mir an der Anrichte ab und sieht mich eindringlich an. Jetzt kann ich das Blut deutlich in meinem Schwanz pulsieren fühlen. „Wo, Felix?“

Seine Lippen sehen zum Anbeißen aus. Und sind so nah. Ich löse meine verschränkten Arme und lege die Hände auf seine auf der Anrichte.

„In der Mittagspause.“

„In der Mittagspause“, wiederholt Karsten tonlos und lehnt sich noch etwas weiter zu mir. Seine Lippen streifen federleicht über meine. Mein Atem gerät ins Stocken. „Du beschwerst dich doch immer, dass der Altersdurchschnitt in deiner Firma irgendwo bei vierzig liegt.“

„Fünfundvierzig. Und es war nicht in der Firma.“

„Nein?“

Er richtet sich auf, greift nach meinen Händen und zieht sie hinter meinen Rücken, sodass ich ihm automatisch ein Stück entgegenrücke. Gleichzeitig schmiegt sich Karsten an mich und drängt mich mit seinem Körper gegen die Anrichte. Heißes Verlangen schießt durch meinen Unterleib und lässt mich aufkeuchen.

Nur für den Bruchteil einer Sekunde kommt mir in den Sinn, dass er das hier gestern vielleicht mit einem anderen Kerl gemacht hat – oder der Kerl mit ihm. Dann reibe ich mich an Karsten, als er ein Bein zwischen meine Oberschenkel schiebt und mit seinem Mund mein Ohr berührt.

„Wo dann?“

Ich habe keine Ahnung, was er meint. Habe völlig den Faden verloren. Alles Blut sammelt sich in meinem Schritt. Trotz der Hitze will ich ihn jetzt sofort. Heißen, schwitzigen, schmutzigen Sex, nach dem wir beide wahrscheinlich noch mal unter die Dusche müssen.

Ich spüre seine wachsende Erektion an meinem Oberschenkel und übe etwas mehr Druck aus, bis Karsten leise ächzt. Als er den Kopf zurückzieht, fange ich seine Lippen ein und mache mich aus seinem Griff los, um die Arme um ihn zu schlingen und ihn an mich zu ziehen.

Sein harter, athletischer Körper ist so viel besser als die Muskelberge irgendeines Adonis. Ich schiebe die Hände unter sein T-Shirt, kralle die Finger in seine Haut und stöhne auf, als er meinen Hintern mit beiden Händen packt und mich noch dichter an sich zieht.

Ja! Mehr davon!

Er verschlingt mich mit Lippen und Zunge und ich gehe gierig darauf ein, bis mein Körper vor Verlangen vibriert. Ich greife nach dem Verschluss seiner Shorts, während Karsten ein beinahe amüsierter Laut entfährt.

„Hier? In der Küche?“

„Ja.“ Ich lege eine Hand in seinen Nacken und ziehe ihn zu einem weiteren Kuss zu mir herunter, während ich mit der freien Hand an meiner eigenen Hose nestle.

Lachend umschließt Karsten meine Hand und zieht sie von der Hose weg. „Quatsch. Komm mit.“

Als er anfängt, mich vom Tresen wegzuziehen, stemme ich mich dagegen und versuche, ihn wieder zu mir zu ziehen. Ich will jetzt nirgendwo anders hingehen. Ich will’s hier machen. Ich will’s jetzt.

„Felix –“

„Karsten. Streit jetzt nicht mit mir.“ Ich will ihn wieder küssen, als ich noch mal einen Zug an meiner Hand spüre.

„Dann komm mit.“

Scheiße. Das ist doch jetzt nicht sein verdammter Ernst.

Abrupt lasse ich ihn los und fahre mir mit beiden Händen übers Gesicht. So plötzlich wie meine Erregung aufgeflammt ist, so schnell ist sie wieder abgeklungen. Wie ein Streichholz, das man auspustet, kaum dass es brennt.

„Felix?“

Ich schüttle den Kopf.

„Was ist denn?“

Ich nehme die Hände runter und sehe ihn geradewegs an. „Wenn du noch mit mir diskutieren kannst, wo wir’s machen, kannst du ja nicht so scharf auf mich sein.“

„Was? Was soll das denn jetzt?“ Karsten macht eine Handbewegung, die die Küche umfasst. „Wolltest du wirklich hier?“ Bei ihm klingt das so, als hätte ich von ihm verlangt, mich mit einem Korkenzieher zu vögeln.

„Ja, na und? Was ist so schlimm daran?“ Wenn ich Glück habe, schiebt Karsten die Hitze in meinem Gesicht noch auf das kurze Aufflammen der Lust. „Besser, als mittendrin abzubrechen und das Zimmer zu wechseln.“

Karsten verdreht die Augen. „Das Schlafzimmer ist gleich nebenan.“

„Bis nebenan hab ich aber keine Lust mehr.“

„Also willst du, dass ich dich in der Küche vögle? Ohne Gleitmittel?“

„Wenn’s dich überkommt, warum nicht?“

„Aber mich hat es doch gar nicht überkommen.“

„Tja, und genau das ist das Problem, oder?“

Karsten runzelt die Stirn und sieht aus, als hätte man ihn in einer fremden Stadt ohne GPS ausgesetzt. „Du wirfst mir also vor, dass ich Rücksicht auf dich nehme?“

Er versteht es nicht. Er versteht nicht, dass ich will, dass er mir ohne nachzudenken die Klamotten vom Leib reißt. Dass er mich so sehr begehrt, dass er nicht mehr geradeaus denken kann.

Karsten ist nicht der Typ, der auf Sex außerhalb des Schlafzimmers steht. Das Sofa hat ihm schon einiges abverlangt. Es ist nicht so, dass wir selten Sex haben. Aber meistens geht die Initiative von mir aus. Und manchmal weist Karsten mich zurück.

Ich dachte, wenn er jetzt schon dazu übergeht, mehr Sex zu wollen – wenn auch nicht mit mir –, könnte sich vielleicht auch das geändert haben. Fehlanzeige. Er findet mich nicht scharf genug.

„Nein, Karsten, das werfe ich dir nicht vor.“ Ich seufze und schließe den Knopf meiner Hose. „Gehen wir einkaufen.“

 

***

 

„Und ihr lebt jetzt wirklich in einer offenen Beziehung?“

Stephans Frage trifft mich völlig unvorbereitet, sodass ich beinahe die beiden eiskalten Bierflaschen, die ich eben aus dem Kühlschrank gezogen habe, fallen gelassen hätte.

„Was?“

Er zuckt die Schultern, schließt den Kühlschrank und nickt in Richtung Balkon, auf dem sich Karsten und Esther angeregt unterhalten. „Hat Esther erzählt.“

Wenn ich nicht wüsste, dass Esther seit drei Jahren mit Stephan zusammen und erst Anfang dieses Jahres mit ihm zusammengezogen ist, könnte ich sie noch weniger leiden als ohnehin schon. Nicht nur, weil sie mir schlicht unsympathisch ist, sondern auch, weil sie offensichtlich eine Klatschtante ist und obendrein ständig über Karsten hängt, als würde sie sich Hoffnungen bei ihm machen.

Auch jetzt sitzt sie trotz der Hitze so dicht neben ihm, dass sich ihre Beine berühren. Beim Reden fasst sie ihn andauernd irgendwo an und das Blitzen in ihren Augen und wie sie ihre blond gefärbten Haare zurückwirft, empfinde ich als Flirten.

Keine Ahnung, wie Stephan das aushält. Ich bin nur froh, dass sie ihr ganzes Pulver bei Karsten umsonst verschießt.

Oder nicht?

Mit einem Mal krampft sich mein Magen zusammen und ich muss die Bierflaschen abstellen, damit sie mir nicht doch noch aus den Händen gleiten.

Beinhaltet unsere offene Beziehung auch, dass er mit Frauen schlafen darf? Versucht Esther deshalb, ihn anzumachen? Mir wird schlecht. Die Regel müssen wir unbedingt noch einführen. Keine Frauen.

Stephan stupst mich an. „Und?“

„Was?“ Ich sehe ihn an, als hätte er mich gerade aus einer Tiefschlafphase gerissen.

„Habt ihr nun eine offene Beziehung, oder nicht?“

„Ist ja toll, dass das so breitgetreten wird. Wer weiß noch davon?“

Er wischt sich den Schweiß unter seiner schmalen Brille weg, ehe er sie auf seiner Nase wieder geraderückt. „Ist doch klar, dass Esther es weiß.“

Wieder sehe ich zum Balkon. Esther wirft gerade den Kopf in den Nacken, lacht dämlich über irgendwas, das Karsten gesagt hat, und klopft mit einer Hand auf seinen Oberschenkel. Haha, was ein Schenkelklopfer! Das muss so was wie ausgleichende Gerechtigkeit sein. Karsten mag Silvi nicht und ich mag Esther nicht.

„Also, ich könnte so was nicht.“

Mit hochgezogenen Augenbrauen sehe ich Stephan wieder an. Ihm sollte vielleicht mal jemand sagen, dass seine geliebte Esther gerade meinen Freund angräbt, als gäbe es kein Morgen. Verhält die sich bei jedem befreundeten Paar so? Wahrscheinlich nicht. Und wahrscheinlich findet Stephan das alles auch ganz harmlos, weil wir schließlich schwul sind.

Ich mag Stephan. Er ist ein netter Kerl, auch wenn er mir manchmal etwas einfältig vorkommt – beispielsweise wenn es um seine Freundin geht. Mit ihm kann ich deutlich mehr anfangen als mit Esther, was möglicherweise daran liegt, dass sie wie Karsten studiert und Stephan wie ich arbeitet. Irgendwas mit Computern.

„Meine Idee war’s nicht.“

„Und trotzdem hast du dich darauf eingelassen?“

Ich beiße die Zähne zusammen. „Weißt du, eigentlich will ich nicht drüber reden.“

Nach dem verhunzten Start in der Küche, hat sich der Tag doch noch so gut entwickelt, dass ich den ganzen Scheiß beinahe vergessen habe. Wir waren einkaufen, anschließend ein paar Stunden an der Isar und es hat mir überhaupt nichts ausgemacht, dass meine LoveLife-App bis auf die freundliche Frage von einem fotolosen Nutzer, ob ich dicke Eier habe, stumm geblieben ist.

„Oh“, meint Stephan unsicher. „Gut, müssen wir auch nicht.“ Trotzdem zögert er nur kurz, ehe er fortfährt: „Ich wollte nur sagen, ich könnte das nicht, aber ich kenne durchaus Leute, bei denen das super funktioniert. Meine Schwester, zum Beispiel.“

„Deine Schwester ist in einer offenen Beziehung?“ Da das hier offenbar noch länger dauert, greife ich nach meinem Bier, öffne es und trinke ein paar gierige Schlucke. Verdammt. Schon nicht mehr kalt. Wir hätten die Dinger im Kühlschrank stehen lassen sollen.

„Ja. Seit etwas mehr als einem halben Jahr. Sie haben ein paar Regeln aufgestellt und bisher hab ich noch nicht gehört, dass sie es bereut hätte.“

„Hm.“ Ich weiß, dass so was funktionieren kann. Das heißt aber noch lange nicht, dass ich so was will.

In meiner Hosentasche vibriert mein Handy kurz, doch ich schaue nicht nach. Muss eine Nachricht sein.

„Im Gegenteil.“ An Stephans Mundwinkeln zupft ein verlegenes Grinsen, als wüsste er etwas, dass er eigentlich gar nicht wissen dürfte. „Es belebt sogar ihr Sexleben. Nicht, dass ich besonders viel über das Sexleben meiner Schwester wissen will, aber –“

„Was?“, unterbreche ich ihn.

„Hm? Ich frag nicht nach oder so. Das ist nur das, was sie mir erzählt.“

Ich schüttle den Kopf. „Nein. Was hast du gesagt? Es belebt ihr Sexleben? Was soll das heißen?“

Verlegen wendet er den Blick ab. „Wie gesagt, ich frag nicht –“

„Hey, Männer!“, grölt Esther wie ein Hafenarbeiter vom Balkon aus zu uns rein. „Wir sind hier ernsthaft am Verdursten, wird das heute noch was mit dem Bier?“ Karsten versetzt ihr einen Klaps auf den Oberschenkel, der Esther zum Kichern bringt. „Was denn, ist doch wahr.“

„Komme schon“, ruft Stephan zurück, schnappt sich die drei geschlossenen Bierflaschen – inklusive des alkoholfreien für Karsten – und nickt mir und meiner offenen Flasche zu. „Kommst du?“ Er wartet keine Antwort ab, sondern marschiert los, um dem Ruf seiner Liebsten zu folgen.

Ich bleibe wie angewurzelt stehen. Es belebt ihr Sexleben.

Hat er deshalb heute Morgen die Sache in der Küche gestartet? Und ich dachte, das lag an mir und der Vorstellung, die ich in seinen Kopf gepflanzt habe! Dabei war er nur noch von letzter Nacht aufgekratzt, als er…

Scheiße. Scheiße!

Während ich einen tiefen Zug aus meiner Bierflasche nehme, fische ich mein Handy aus der Tasche. Eine rote LoveLife-Nachricht strahlt mir entgegen.

Peer: Hey, hätte gar nicht mehr mit einer Antwort gerechnet. Normalerweise kommt’s hier eher zum Schnellschuss.

Ich weiß nicht, was das für eine Antwort sein soll. Ich bin auf sein Angebot eingegangen und wollte wissen, wann wir uns treffen können, und er schreibt eine lustige Nachricht zurück? Wenigstens strotzt sie nicht vor Rechtschreibfehlern. Und fünfzig Prozent der Nutzer der App wissen offensichtlich nicht, wie sie bei ihrem Handy die Groß- und Kleinschreibung aktivieren.

Max: Mir ist was dazwischen gekommen. Hast du noch Lust auf Sex?

Ich erwarte eigentlich, dass er gleich zurückschreibt, weil noch nicht so viel Zeit vergangen ist, seitdem seine Nachricht eingegangen ist, doch das Handy bleibt stumm.

Verdammt, kann ja wohl nicht sein, dass sich bei dieser beschissenen App niemand für einen schnellen Fick finden lässt. Niemand Annehmbares. So viele Ansprüche habe ich ja gar nicht, wenn es nur darum gehen soll, Karstens und mein Sexleben zu beleben. Seit wann müssen wir das überhaupt?

Ich trinke noch einen langen Schluck Bier, um darin all die Fragen, die ich eigentlich überwunden geglaubt habe, zu ertränken. Mir egal, ob Karsten dann nachher wieder wegen meines Alkoholkonsums auf mir rumhackt. Esther kam mir gerade auch nicht mehr besonders nüchtern vor.

Ich starre das Handy an, als könnte ich es beschwören, und zucke ertappt zusammen, als Karsten plötzlich neben mir steht und eine Hand auf meinen Rücken legt.

„Hey. Alles okay?“

Hastig schalte ich das Display aus und sehe ihn an. „Ja. Wieso?“

„Du kommst nicht raus.“

„Hm, hab schnell Silvi zurückgeschrieben.“ Beinahe bin ich entsetzt darüber, wie leicht mir diese Lüge von den Lippen geht. Da ist nur ein schnelles Hämmern in meiner Brust, das meine Worte irgendwie atemlos klingen lässt, sonst nichts.

„Okay.“

Ich weiß nicht, ob er Zweifel an meiner Ausrede hat. Ob er glaubt, dass ich dem erfundenen blonden Adonis schreibe oder einem weniger attraktiven Kerl, mit dem ich mich treffen will.

Mit seiner Hand auf meinem Rücken schiebt er mich vorwärts. „Dann komm wieder raus.“

„Gleich.“ Ich lege ihm eine Hand auf den Arm, als er losgehen will. „Wissen alle deine Freunde, dass wir jetzt eine… offene Beziehung haben?“

Etwas in seinen Augen flackert auf und legt sich wie ein Stein in meinen Magen. „Ich wusste nicht, dass wir da ein Geheimnis draus machen.“

Das fühlt sich an wie ein Schlag ins Gesicht. Als hätte er mich an den Pranger gestellt und danach geohrfeigt. Seht her, der Schlaffi schafft es nicht, mich zu befriedigen, wer will’s als Nächstes versuchen?

„Also… also hast du es allen erzählt?“, krächze ich.

„Nein. Dem einen oder anderen. Gestern ist zufällig die Sprache darauf gekommen.“

„Zufällig mit dem, den du dann gefickt hast?“ Als Karsten den Mund verzieht, schüttle ich den Kopf. „Vergiss es. Ist mir so rausgerutscht.“

„Willst du die Regeln ändern?“

„Ja.“

Überrascht hebt er die Augenbrauen an und scheint im ersten Moment tatsächlich erfreut zu sein. „Okay. Inwiefern?“

„Keine Frauen.“

Er blinzelt mich an und scheint eine Sekunde lang zu glauben, ich hätte einen Witz gemacht. Er lacht. „Was?“

„Keine Frauen“, wiederhole ich deutlicher.

„Felix, du solltest doch am besten wissen, wo meine Vorlieben liegen.“

„Aber du hattest schon was mit Frauen.“

„Aber keinen Sex, nur Gefummel. Außerdem war ich mitten in der Pubertät.“

„Das heißt ja nicht, dass das nicht auch zu den Dingen gehört, die du ausprobieren willst.“

Seine Augenbrauen ziehen sich wegen meines ätzenden Tonfalls verärgert zusammen, trotzdem klingt er immer noch leicht belustigt, als er sagt: „Gut. Keine Frauen. Kommst du jetzt wieder mit raus?“

„Sofort.“ Ich schwenke mein Handy. „Ich schreib nur noch schnell Silvi.“

„Ich dachte, das hättest du gerade.“

„Hat eben noch mal vibriert“, lüge ich.

Dieses Mal kann ich sehen, dass er mir nicht glaubt, weil er die Lippen zusammenpresst. Trotzdem nickt er und geht durch die Wohnküche nach draußen auf den Balkon.

Ich rufe LoveLife auf und nachdem Fabi nichts zurückgeschrieben hat und auch Peer nicht mehr, gehe ich wieder in die Liste der neuesten Nutzer der App. Ich klicke den erstbesten ohne Profilfoto an, sehe schnell nach, wie alt er ist – sieben Jahre älter, das sollte okay sein –, und frage ihn schlicht und ohne große Vorrede, ob er Lust auf Sex hat.

Ich habe die Nachricht kaum abgeschickt, als eine neue Nachricht im Display auftaucht.

Peer: Ja. Kannst du heute?

4. Kapitel

4. Kapitel

 

 

Silvia, 18:53

Ich finde das immer noch grenzwertig. Ruf mich danach BITTE an. Und ich ruf dich so oder so in zwanzig Minuten an.

Felix, 18:54

Zwanzig nach sieben, Silvi. Ich bin doch noch gar nicht drin.

Silvia, 18:54

Ja, ja, ja. Und pass BITTE auf.

Kopf schüttelnd stecke ich das Handy zurück in die Hosentasche und sehe zur breiten Fensterfront des Café – Bar – Restaurants in Schwabing hinüber, das ich für das erste Treffen mit Peer vorgeschlagen habe.

Schon seit einer Viertelstunde stehe ich auf der anderen Straßenseite und beobachte die Leute, die reingehen oder schon drinnen und draußen sitzen. Der eine oder andere hätte vermutlich Peer sein können: 1,86m, blaue Augen, schwarze Haare. Die Kombination ist nicht so super selten, ganz abgesehen davon, dass ich nicht mit einem Maßband neben den Leuten herlaufe und ihre genaue Größe bestimme.

Vielleicht hätten wir ein Erkennungszeichen festlegen sollen. Eine bestimmte Zeitschrift oder ein spezielles Kleidungsstück oder so. Andererseits kann ich dann nicht flüchten, falls der Kerl dreihundert Kilo wiegt, aus dem Mund wie eine Mülltonne riecht und sein Alter um mehrere Jahrzehnte nach unten korrigiert hat.

Ich wische mir die schwitzigen Hände an der Jeans ab. Was zum Teufel mache ich noch mal hier? Was, wenn der Kerl mir in einem Moment der Unaufmerksamkeit irgendeine Droge ins Getränk kippt?

Ja, und was, wenn er dir vor allen Gästen eins überzieht und dich nach Timbuktu in seine Höhle verschleppt?

Ich atme tief durch. So ein Blödsinn. Im Chat hat er ganz nett geklungen. Den ganzen Sonntag über haben wir uns in unregelmäßigen Abständen Nachrichten geschickt, weil ich natürlich nicht gleich am Samstag losgesprungen bin, um mich von ihm flachlegen zu lassen. Er hat es völlig locker hingenommen, dass ich mich erst mal so mit ihm treffen will.

Mein Handy vibriert und ich verdrehe die Augen. Mann, Silvi. Selbst wenn der Kerl ein Verbrecher ist, der mich kidnappen oder sonst was will, hat sie alle nötigen Informationen, um zur Polizei zu gehen, sollte ich in zwanzig Minuten nicht ans Telefon gehen, wenn sie mich anruft. Oder sollte ich sie danach nicht anrufen.

Das Display zeigt ein rotes LoveLife-Nachrichtenfenster. Doch nicht Silvi.

Peer: Bin da. Du?

Oh, Peer gehört zur pünktlichen Sorte. Ich hebe den Kopf, sehe wieder zur breiten Fensterfront hinüber und scanne die Leute, die drinnen und draußen die Tische bevölkern. Habe ich verpasst, wie er reingegangen ist? Oder sitzt er schon länger drin?

Max: Wo sitzt du?

Wahrscheinlich werden nicht so viele Männer, auf die seine Beschreibung passt, allein an einem Tisch sitzen.

Peer: Wenn man reinkommt, rechts. Draußen war nichts mehr frei.

Sofort hebe ich wieder den Blick. Scheiße. Da gibt es nur kleine Fenster.

Mein Herz macht einen Satz. Okay, die Stunde der Wahrheit ist gekommen. Entweder gehe ich jetzt rein oder ich schwinge mich auf mein Fahrrad, um wie ein braver Freund zu Hause auf Karsten zu warten, bis der mit seinem Schwertkampfzeug fertig ist.

Ich schiebe das Handy in die Hosentasche, fahre mir noch einmal durch die Haare, überquere dann die Straße und halte auf den Eingang zu. Zum Glück ist die Tür festgestellt, dadurch muss ich meine zitternden Hände nicht aus den Hosentaschen ziehen.

Ich zögere nur ganz kurz in der Tür, dann mache ich zwei weitere Schritte vor ins Café hinein und sehe sofort nach rechts. Die meisten Leute sitzen draußen, was verständlich ist, weil die Luft hier drinnen trotz der geöffneten Türen und Fenster dick wie eine Wand und heiß wie in der Sahara ist. Auf der rechten Seite sind nur fünf Tische besetzt. Ich weiß sofort, wer Peer ist. Und er weiß offensichtlich sofort, wer ich bin.

Mein Herzschlag gerät ins Stolpern, als sich unsere Blicke treffen, und ich bleibe lieber stehen, bevor es mich noch umhaut. 1,86m kann ich nicht erkennen, aber blaue Augen und schwarze Haare sind eine Untertreibung.

Seine Augen haben die Farbe reifer Blaubeeren; ein sattes, intensives Blau, das in einem perfekten Kontrast zu den dichten, rabenschwarzen Haaren steht – wie bei dem Federvieh aus diesem Game of Thrones, was Karsten immer guckt. Er ist glatt rasiert, mit scharfen, markanten Gesichtszügen, die so männlich aussehen, dass es mir direkt in den Unterleib schießt. Er ist schlank und die Muskeln, die ich unter dem blauen T-Shirt erahnen und an seinen Armen sehen kann, zeugen von irgendeiner regelmäßig ausgeführten Sportart abseits des Fitnessstudios.

Ich glaube, die Sache mit der körperlichen Anziehung sollte kein Problem sein.

Warum zur Hölle sucht jemand wie er Sexpartner über eine Dating-App?!

Ein kleines Lächeln spielt um seine Mundwinkel, dann legt er fragend den Kopf schief und machte eine Handbewegung, die mich zum Näherkommen auffordert.

Ich weiß nicht, ob ich schon so weit bin, doch mein Körper hat bereits entschieden und setzt sich in Bewegung.

Vielleicht hat er ja eine ganz furchtbare Fistelstimme oder Probleme mit der Körperhygiene…?

Aber je näher ich ihm und dem Tisch komme, desto schneller wird mein Herzschlag und desto schlimmer wird das Krampfen in meinem Bauch. Wahrscheinlich lässt er sich gleich von einem guten Freund oder einer guten Freundin anrufen, um ihn von diesem grauenvollen Date mit Quasimodo zu erlösen.

„Max?“, fragt er, als ich an seinen Tisch trete, und seine Stimme hat einen angenehm dunklen Klang.

Für einen Moment bin ich verwirrt und drehe mich um, ob er nicht vielleicht doch jemand anderes meint, was ihn leise lachen lässt. Verdammt, ich bin ja Max.

„Komm, setz dich.“

Wieder ist mein Körper schneller als mein Hirn und lässt mich nach dem Stuhl ihm gegenüber greifen und mich hinsetzen, noch bevor ich die bewusste Entscheidung dazu getroffen habe.

Gott, Felix, reiß dich zusammen!

Ich weiß nicht, was mich mehr aus der Bahn wirft. Dass ich tatsächlich so unfassbares Glück habe, so einen attraktiven Mann über diese beknackte App gefunden zu haben, oder dass er noch nicht aufgesprungen und gegangen ist, was heißen könnte, dass wir heute oder in naher Zukunft Sex haben könnten.

So unauffällig wie möglich räuspere ich mich, weil ich sonst sicher keinen vernünftigen Ton rausbringe. „Peer?“, frage ich sicherheitshalber nach.

„Ja.“

Er ist es wirklich.

Vermutlich steht er auf irgendwelches abartiges Zeug, weshalb er seine Sexpartner über eine App finden muss. Oder er ist ein Serienkiller, der sich seine armseligen Opfer gerne über die moderne Technik sucht und die ihm wie dem Rattenfänger von Hameln in irgendein dunkles Loch im Perlacher Forst folgen, wo er sie dann in aller Seelenruhe in ihre Einzelteile zerlegt.

Und ich habe den Köder glatt geschluckt. Aber ich kann verdammt noch mal nicht anders, wenn er mich so angrinst.

„Ich vermute mal, du machst das nicht oft?“

„Steht mir auf der Stirn geschrieben, was?“ Wow. Wenigstens kann ich noch reden.

„Ein bisschen. Aber das ist okay, weil du dann nicht merkst, wie nervös ich bin.“

„Du bist nervös?“, schnaube ich und schüttle den Kopf. „Sieht man nicht. Machst du so was öfter?“

„Nein. Sozusagen mein erstes Mal. Die meisten Leute bei der App sind… gewöhnungsbedürftig.“

Sehr diplomatisch ausgedrückt. Ich muss grinsen. „Wem sagst du das?“

Damit scheint sich das Thema erschöpft zu haben und es entsteht ein Moment peinlicher Stille, den ich beim besten Willen nicht überbrücken kann. Ich kann nicht aufhören, ihn anzustarren, und er macht es mir nicht leichter, weil er zurückstarrt. Ob er mich mustert?

Scheiße, natürlich mustert er mich. Er will potentiell mit mir schlafen. Bei dem Gedanken nistet sich ein Kribbeln in meinem Unterleib ein – was gut ist, auf der anderen Seite aber auch schlecht. Normalerweise würde ich solche Gefühle unterdrücken oder der Versuchung ausweichen, aber jetzt sollte ich sie eigentlich so gut wie möglich hegen und pflegen.

Wie zum Teufel kriegt Karsten diesen Mist hin?

Ich bin unendlich erleichtert, als eine Kellnerin an unseren Tisch tritt und ich eine gute Entschuldigung habe, seinem Blick auszuweichen. Mir ist heiß. Und die Hitze in diesem verfluchten Lokal hilft da auch nicht unbedingt weiter.

„Kann ich euch schon was zu trinken bringen, Jungs?“

„Für mich ein Radler“, sagt Peer und ich sehe überrascht auf. Er trinkt Alkohol. Natürlich trinkt er Alkohol. Er ist nicht Karsten.

„Für mich auch.“ Vielleicht wäre ich mit einem halben Liter Wodka besser bedient, aber das macht bestimmt keinen guten ersten Eindruck.

Als sich die Kellnerin entfernt, warte ich auf die nächste befremdliche Schweigerunde, nach der er sich dann unweigerlich entschuldigen und das Weite suchen wird, aber Peer sagt: „Also, Max, du wolltest dieses Treffen. Was erhoffst du dir davon?“

Seine Stimme klingt, als wäre er der Moderator einer Talkshow, in der die Gäste alle ihre Zunge verschluckt haben. Nur am Ende höre ich so was wie leichte Unsicherheit heraus. Und der Fake-Name irritiert mich extrem. Kommt mir immer noch vor, als würde er mit jemandem am Nachbartisch sprechen.

„Hm, ich glaube, das hat sich schon geklärt.“

Seine Mundwinkel zucken. „Okay. Es ging also darum, zu gucken, ob eine gewisse körperliche Anziehung vorhanden ist.“

Nervös, erstes Mal, haha, von wegen. Klingt, als würde er das doch öfter machen. Wenn ich nicht langsam mal auf diesen Zug aufspringe, rast er mir davon und ich stehe am Ende alleine im Bahnhof.

„Ja, auch. Und vor allem, ob du echt bist.“

„Und?“

Aus einem Impuls heraus greife ich über den Tisch nach seiner Hand und taste über seine kräftigen Finger, Handfläche und -rücken und bis hoch zur weichen Haut an der Unterseite seines Handgelenks, als hätte man mir einen Gegenstand in die Hand gedrückt, den ich mit verbundenen Augen erraten soll.

Hübsche Hände. An der Unterseite leicht schwielig. Entweder verbringt er nicht den ganzen Tag am Schreibtisch oder seine Freizeitaktivitäten führt er vorrangig mit den Händen aus – so wie Karsten, dessen Hände vom Training auch rau sind. Ob es sich ähnlich anfühlt, wenn Peer mich berührt?

Das Herz schlägt mir bis zum Hals, trotzdem lasse ich Peer nicht aus den Augen. Er sieht nicht weg. Vielleicht hämmert sein Herz genauso heftig. Jedenfalls hat er nicht mit der Berührung gerechnet, das erkenne ich an seinem Gesichtsausdruck.

„Fühlt sich für mich echt an“, sage ich und lasse meine Finger noch einen Moment an seinem Handgelenk liegen, ehe ich sie zurückziehe. Meine Fingerspitzen kribbeln und mein Schwanz ist inzwischen halbsteif.

Oh Gott, das fühlt sich an wie fremdgehen.

Peer atmet langsam aus, als hätte er die Luft angehalten. „Ähm, ja.“ Er starrt auf sein Handgelenk hinunter, als hätte ich dort einen sichtbaren Abdruck hinterlassen. „Für mich auch.“

Die Kellnerin kehrt mit unseren Getränken zurück. Kaum hat sie sie abgestellt und ist wieder verschwunden, greifen wir fast gleichzeitig nach unseren Gläsern, um einen großen Schluck zu trinken.

Ich muss lachen, und Peer lacht zurück, während er sich durch die Haare fährt. „Warum hast du kein Foto hochgeladen?“, frage ich neugierig. „Vielleicht hätte dir das ein paar Anfragen von weniger gewöhnungsbedürftigen Nutzern eingebracht.“

Er zuckt die Schultern. „Du hast doch auch keins hochgeladen.“

Ich habe auch einen falschen Namen benutzt, aber das verrate ich ihm ganz sicher nicht. Vielleicht ist seiner auch nicht echt. „Weil ich das Ganze erst mal austesten wollte.“

„Und was wolltest du austesten? Warum hast du dich angemeldet?“

„Ähm… für… Sex?“ Ist das nicht der Grund, weshalb wir uns hier treffen?

„Gut. Ich will nämlich auch nichts Festes, nur ein bisschen… Ablenkung.“

„Wieso Ablenkung?“ Ich beiße mir auf die Unterlippe. „Vergiss es, das geht mich nichts an.“

Wieder zuckt er die Schultern, aber dieses Mal kann er das Thema nicht so einfach abschütteln; es hängt ihm deutlich sichtbar nach. „Böse geendete Beziehung.“

Mir liegt auf der Zunge, nachzufragen, aus reinem Interesse, doch ich halte mich zurück. Weil es mich wirklich nichts angeht und weil es nicht wichtig ist. Vielleicht ist ihm sein Ex auch mit einer offenen Beziehung gekommen und er hat sich nicht drauf eingelassen. Oder sie haben sich drauf eingelassen und es ist in einer Katastrophe geendet.

Ich rutsche auf meinem Stuhl herum, weil ich unweigerlich an Karsten denken muss. Was genau bedeutet eigentlich böse geendet?

„Wie lange ist deine letzte Beziehung her?“, will Peer wissen und nimmt einen Schluck von seinem Bier.

Ich zögere. Ich will ihm nicht von der offenen Beziehung erzählen. Nachher will er nicht mit mir vögeln, während sich mein eigener Freund woanders seine Befriedigung sucht. Da weder dieser Fabi noch der Nutzer ohne Profilfoto bis heute auf meine Nachrichten reagiert haben, könnten Wochen verstreichen, bis ich wieder so einen Glückstreffer wie mit Peer lande. Bei ihm stimmt alles. Aussehen, Anziehung… und er ist nett.

Außerdem stehe ich unter Zeitdruck, weil Karsten schon mit jemandem Sex hatte. Und was macht schon eine Lüge mehr oder weniger?

„Ein paar Monate“, sage ich langsam, ehe ich einer Eingebung folge: „Seit ich nach München gezogen bin. F…Fernbeziehung war nicht praktikabel.“

Selbst ich höre das Zittern in meiner Stimme, aber vielleicht schiebt Peer es auf die Nervosität. Diese Lüge hat sich jetzt definitiv wie Fremdgehen angefühlt. Nein, wie Betrügen. Ich verleugne Karsten.

Mein Herz pocht, als wäre ich wieder dreizehn und hätte im Supermarkt eine Packung Kaugummis eingesteckt, weil Klauen ja so verdammt cool und Teil irgendeiner beschissenen Mutprobe mit Tim Walther gewesen ist. Alle haben es gemacht, sogar Karsten. Aber wer wurde erwischt? Ich.

Inzwischen ist meine Erregung komplett verflogen.

„Wann bist du hergezogen?“

Ich glaube nicht, dass er das wissen muss, wenn er nur Sex mit mir haben will. „Im September letztes Jahr“, antworte ich dennoch.

„Und wo kommst du her?“

Ich rutsche auf meinem Stuhl herum. „Ein kleines Kaff in –“ Ertappt zucke ich zusammen, als mein Handy vibriert. Ein Anruf. Karsten! Er ist früher vom Training nach Hause gekommen und wundert sich jetzt –

Oh, und wenn schon. Es ist völlig okay, was du hier tust. Wer weiß, was er Freitagnacht alles getan hat!

Und trotzdem bin ich unendlich erleichtert, als ich Silvis Namen auf dem Display sehe. Der verabredete Rettungsanruf, falls sich Peer als Totalausfall entpuppt hätte. Sitzen wir tatsächlich schon zwanzig Minuten hier?

Ich werfe Peer einen entschuldigenden Blick zu. „Sorry, könnte wichtig sein, da muss ich kurz dran gehen.“ Denn wenn ich es nicht tue, alarmiert Silvi garantiert die Polizei.

Peer grinst mich breit und wissend an. „Mach nur.“

„Hi, Silvi“, sage ich locker, um ihr gleich die Panik zu nehmen. „Was gibt’s denn? Du weißt doch, dass ich gerade verabredet bin.“

„Oh mein Gott, und offensichtlich läuft es super?“

„Hm-hm.“

„Wow. Damit hätte ich wirklich nicht gerechnet. Wie ist er so?“

„Das kann ich nicht –“

„Ach ja, ja, ja, er sitzt dir ja gegenüber. Oder seid ihr schon nicht mehr im Café und schon dabei?“

Als ob ich dann ans Telefon gegangen wäre. „Nein.“

„Aber er sieht gut aus?“

Mein Blick zuckt zu Peer zurück, der mich immer noch breit angrinst, als hätte er irgendwie die Fähigkeit, Silvis Teil des Gesprächs mitanzuhören. „Ja.“

Silvi lacht auf. „Mann, du hast ja ein Glück. Okay. Und er ist nett?“

„Schon. Aber ich muss jetzt auch auflegen, okay? Lass uns da später drüber reden.“

„Und wie wir da später drüber reden werden. Pass aber trotzdem auf dich auf, ja? Die Hübschen und Netten sind meistens die Schlimmsten.“ Sie hält inne. „Hm, klingt es blöd, wenn ich dir jetzt noch viel Spaß wünsche? Ich meine, ich mag Karsten nicht besonders, aber trotzdem fühlt es sich falsch an, dir mit einem anderen viel Spaß zu wünschen.“

Was zum Teufel soll ich denn darauf sagen, wenn Peer mir gegenübersitzt? „Ich ruf dich später an“, sage ich nur. „Bis dann, Silvi.“

Ich lege auf und stecke das Handy wieder ein. Überrascht stelle ich fest, dass Peer noch immer grinst und jetzt sein Handy aus der Hosentasche zieht. Noch ein iPhone-Anhänger. Vielleicht hat er damit bei Silvi gegenüber Karsten gleich schon einen Pluspunkt mehr.

„War das dein Notausstieg-Anruf?“

„Mein was?“, stelle ich mich dumm und wische mir über die verschwitzte Stirn.

„Ach, komm. Ich mach das zwar auch zum ersten Mal, aber mein Anruf kommt in zehn Minuten.“ Er winkt mit dem Handy. „Den ich übrigens jetzt absage.“ Er zögert. „Hast du doch auch gemacht, oder?“

Na gut, was soll’s? „Ja“, sage ich und nicke.

„Okay. Dann Sekunde.“

Er tippt mit fliegendem Daumen auf seinem Display herum. Außerdem wirkt er erleichtert. Hat er ernsthaft gedacht, ich würde vor ihm flüchten wollen? Was stimmt nicht mit ihm? Ich meine, ein Typ wie er sucht sich seine Sexpartner doch nicht übers Internet, egal, ob das nun eine App oder ein Onlineportal ist.

Als er das Handy wieder wegsteckt, frage ich: „Was machst du beruflich? In deinem Profil steht nur, dass du irgendwo angestellt bist.“

„In deinem auch. Was machst du beruflich?“

Okay. Offensichtlich hat er absichtlich so wenige Informationen über sich preisgegeben. „Ich sag’s dir, wenn du’s mir sagst.“

Er lacht. Sehr angenehm. Nicht laut und dröhnend, aber auch nicht so, als würde er nur alle Jubeljahre mal was witzig finden und hätte ansonsten einen furchtbar dicken Stock im Arsch.

„Okay. Ich bin Mediengestalter in Bild und Ton. Also, das ist das, was ich gelernt hab, mit Schwerpunkt Schnitt. Im Moment arbeite ich bei einem Fernsehsender und mache da eine bunte Mischung an Aufgaben.“

„Wow.“ Jetzt macht das Hobby Film & Fernsehen plötzlich sehr viel mehr Sinn. „Das klingt spannend. Was genau machst du da?“

„Einiges“, sagt er. Es klingt nicht prahlerisch, sondern eher, als wüsste er vor lauter Arbeit nicht, wo er ansetzen soll. „Viele Mediengestalter sind Freiberufler, also muss man ein bisschen über den Tellerrand gucken, wenn man eine Festanstellung will.“

„Zum Beispiel?“, hake ich nach, weil ich nicht so schnell locker lassen will. Ich kann mir darunter gar nichts vorstellen. „Schneidest du irgendwelche Filme zusammen und bist dann für die ganzen Schnittfehler verantwortlich? Ich glaube, allein bei Dirty Dancing gibt es zwanzig oder so.“

Das Beispiel lässt ihn stutzen, dann macht er eine vage Handbewegung. „Hm, ich eher weniger. Ich schneide viele On Air-Trailer zusammen oder manchmal auch Beiträge für Magazine.“ Als ich ihn nur fragend ansehe, legt er den Kopf schief. „On Air-Trailer oder Magazinbeiträge?“

„Unter letzterem kann ich mir vage was vorstellen“, sage ich zu meiner Verteidigung, auch wenn ich mir gerade ziemlich dämlich vorkomme. Andererseits hat er dafür bestimmt Probleme mit den Zielgrößen und Kennzahlen, mit denen ich mich täglich beschäftige.

„Ein On Air-Trailer ist die Werbung, die ein Fernsehsender für sich selbst macht. Für den großen Sonntagsblockbuster zum Beispiel. Oder für einen Thementag, eine Serie und so. Damit werden Sendungen angeteasert. Beiträge für Magazine ist das, was du siehst, wenn der Moderator den nachfolgenden Beitrag ankündigt.“ Er richtet sich ein wenig auf und plötzlich klingt er wieder wie ein professioneller Sprecher, als er sagt: „Unser Redakteur XY hat für Sie die besten Tipps zusammengestellt, um auch bei dieser Hitze gut durch den Sommer zu kommen… oder so.“

Ich starre ihn an. „Klingt eher, als solltest du die Beiträge anmoderieren und nicht zusammenschneiden.“

Er winkt ab, allerdings mit einer Selbstverständlichkeit, als wäre ich nicht der Erste, der ihm das sagt. „Und was machst du?“

„Ich bin Junior Controller bei einer überregionalen Steuerkanzlei.“

Peer reißt die Augen auf. „Was? Im Ernst?“ Er lacht. „Da wäre ich im Leben nicht drauf gekommen.“

„Wieso? Sehe ich so aus, als könnte ich zwei und zwei nicht zusammenzählen?“

„Nein, das nicht, aber… ist das nicht unheimlich langweilig?“

Ich zucke die Schultern. Die Frage musste ich mir von Karsten schon hundert Mal anhören, dabei ist er derjenige, wegen dem wir nach München gezogen sind, damit er hier BWL studieren kann. An Kennzahlen kommt er da ganz sicher nicht vorbei.

„Für mich nicht. Ich kann gut mit Zahlen. Und ich weiß, was mich erwartet, wenn ich bestimmte Werte sehe. So viel Interpretationsspielraum gibt’s da nicht.“

„Und was genau machst du mit deinen Zahlen? Ich meine, wie häufig muss man die schon ausrechnen?“

„Controlling ist ein fortlaufender Prozess. Weil man eigentlich ständig alles kontrollieren muss. Wenn du die Zahlen nicht kennst, weißt du nicht, wo’s mit dem Unternehmen hingeht. Ich bin der Unternehmensentwicklung zugeordnet. Das ist vor allem viel Berichtswesen für die Geschäftsführer. Wir wollen expandieren und planen im Moment die Integration weiterer Kanzleien. Dazu müssen wir herausfinden, in welcher Stadt sich eine zusätzliche Kanzlei rentiert.“

„Klingt immer noch nicht besonders spannend.“

„Deswegen bist du wahrscheinlich beim Fernsehen und nicht bei einer Steuerkanzlei.“

„Wahrscheinlich“, stimmt Peer lächelnd zu und greift nach seinem Bier. „Aber wir wollen uns ja auch nicht gegenseitig anwerben.“

Da liegt ein dunkler Unterton in seiner Stimme, der meine abgeflaute Erregung wieder anstachelt. Der Blick in seinen Augen ist auch anders geworden. Plötzlich sind wir wieder beim eigentlichen Thema und mein Puls beschleunigt sich.

„Nein, wollen wir nicht.“ Mein Hals ist zu trocken und meine Stimme klingt kratzig.

Kurzzeitig ist unser Gespräch so normal verlaufen, dass ich ganz vergessen habe, worum es hier eigentlich geht. Peer hätte ein guter Kumpel oder Freund sein können, den man nach langer Zeit mal wieder getroffen hat, um sich auszutauschen.

Aber auf einmal ist alles, was da im Hintergrund lauert, wieder da. Peer hält meinen Blick fest, während ich die Hitze um uns herum deutlicher als zuvor spüre. Ich wische meine schwitzigen Handflächen an der Jeans ab und trinke großzügig von meinem Radler. Seins ist auch fast leer.

Und was dann?

„Hast du… irgendwelche besonderen Vorlieben oder Abneigungen?“

„Du meinst… sexuell?“ Oh, blöde Frage, was sollte er sonst meinen? Er berät mich schließlich gerade nicht bei der Klamottenauswahl.

Seine Mundwinkel zucken aufwärts. „Ja.“

„Hm, nein.“ Ich spiele an meinem Glas herum, ehe ich frage: „Du?“ Jetzt hat die Stunde der Wahrheit geschlagen. Was, wenn er auf irgendwelches abstruses Zeug abfährt?

Er schüttelt den Kopf. „Nein. Bist du lieber aktiv oder passiv?“

Die Frage projiziert automatisch Bilder in meinen Kopf, bei denen mir heiß wird. „Ähm, passiv.“ Andersherum haben Karsten und ich es zwar mal ausprobiert, dabei geblieben sind wir aber nicht.

„Trifft sich gut“, grinst Peer.

Ich schlucke. In meinem Nacken kribbelt es und zieht sich wie an einem Faden meine Wirbelsäule entlang. War das jetzt der Startschuss?

„Okay“, sage ich langsam.

„Gut“, sagt er und leert sein Radler in einem Zug. „Hast du heute noch was vor? Ich… ich wohne drüben in Schwabing-West. Es sei denn, du wohnst näher.“

Oh Gott. Mein Herz pocht wie wild in meiner Brust. Das war der Startschuss. Jetzt oder nie. Scheiße, und warum auch nicht? Peer sieht gut aus, wir verstehen uns gut genug, um Rettungsanrufe abzusagen und in Gesprächen zu versinken. Und ich fühle mich körperlich zu ihm hingezogen. Das ist doch das Wichtigste.

Nur dass mein Herz das nicht so sieht. Das denkt, dass es das Wichtigste ist, Karsten treu zu sein und nicht zu hintergehen. Nur dass ich ihn nicht hintergehe, weil er dieses verdammte Spiel angefangen hat. Und den ersten Spielzug schon gemacht hat. Ich will nicht hinter ihm zurückstecken.

Peer ist perfekt. Ich muss die Gelegenheit beim Schopf packen.

Langsam schüttle ich den Kopf. „Nein, du wohnst näher.“ Mal ganz davon abgesehen, dass ich die Regel, nicht bei uns in der Wohnung, selbst aufgestellt habe. Und ich kann ihn wohl kaum mit zu mir nehmen, wo überall Fotos von Karsten und mir rumstehen.

Peer nickt, dann sieht er sich nach der Kellnerin um. „Wir zahlen dann, bitte.“

5. Kapitel

5. Kapitel

 

 

Was, wenn Peer nicht gut küssen kann? Oder wenn er sich ganz komisch unter meinen Händen anfühlt? Eckig? Kalt? Nicht richtig? Was, wenn er mich nicht so anfasst, wie ich es mag? Falls er mich überhaupt anfasst... Vielleicht wird das nur eine schnelle Rein-Raus-Nummer? Mit Klamotten noch an? Nur ein Schwanz und ein Arsch?

Genau das soll es ja sein. Man könnte, wenn man wollte.

Wie oft wollte Karsten in den vergangenen sechs Jahren schon und hat es nicht getan, weil er nicht konnte?

Ich mustere Peer, der mir in der Trambahn gegenübersitzt und genau wie ich seit einer Weile nichts mehr gesagt hat. Stattdessen schaut er abwechselnd nachdenklich mich an und dann wieder aus dem Fenster. Wenn ich Single und ihm irgendwo über den Weg gelaufen wäre und er mich angeflirtet hätte, wäre ich vermutlich ohne zu zögern darauf eingegangen.

Ist das das Freiheitsgefühl, das Karsten gemeint hat? Geht es darum?

Aber ich muss ja nicht mit Peer mitgehen, weil ich einen heißen Freund zu Hause habe, mit dem ich all die Dinge machen kann, an die ich mich mit Peer erst herantaste.

Das ist mein Freiheitsgefühl.

„Die nächste müssen wir raus“, sagt Peer, als die Tram gerade wieder anfährt. Ich nicke nur.

Seit wir das Café verlassen haben, hat er mich kein einziges Mal berührt oder zu küssen versucht oder so. Vielleicht mag er das in der Öffentlichkeit nicht. Trotz aufgeklärter Zeiten schauen einen manche Leute dennoch komisch an oder reden hinter vorgehaltener Hand über einen.

Karsten mag das nicht. Im Kreis seiner Freunde oder in den seltenen Fällen, in denen wir in Schwulenclubs unterwegs sind, ist das kein Problem, aber unter fremden Menschen hält er sich sehr zurück. Da könnte man uns auch für zwei gute Bekannte halten.

Vorhin, als Peer und ich in die Tram eingestiegen sind, hatte ich das Glück, hinter ihm gewesen zu sein. Seine Rückseite muss sich wie der Rest von ihm nicht verstecken. Hübscher Hintern. Füllt seine Jeans sehr gut aus. Ob er schon einen genaueren Blick auf meinen Hintern geworfen hat?

Als wir uns der nächsten Haltestelle nähern, steht Peer auf und ich folge ihm zur Tür. Es ist kurz vor acht und gerade hier in Schwabing-West und an der Haltestelle herrscht noch reges Treiben auf den Straßen.

Er legt eine Hand auf meinen unteren Rücken, als ich mich in die verkehrte Richtung drehe, und deutet die Straße entlang. „Da lang.“ Er lässt die Hand einen Augenblick länger als nötig liegen, aber als wir loslaufen, nimmt er sie runter.

Ich sollte das gut finden, weil es hier um nichts als um Sex geht, aber ich komme mit dieser Distanziertheit nicht klar. Ich mag Körperkontakt. Andererseits sollte ich ihn nicht mit Peer mögen. Es fühlt sich weiterhin falsch an. Wie Verrat.

Die Häuser sind hier nicht ganz so schön und nicht vorrangig im Jugendstil gehalten wie in Schwabing, aber es ist immer noch eine tolle Wohngegend und sehr viel zentraler als Trudering, wo Karsten und ich wohnen.

Wir biegen um eine Ecke und am nächsten Gebäude bleibt Peer stehen, um den Schlüssel aus seiner Hosentasche zu ziehen. Ich sehe an dem grauen Gebäude hoch. Vier Stockwerke und jede Menge Balkone, die mal mehr, mal weniger gepflegt aussehen. Einer ist geradezu überladen mit verschiedenen Rosenarten in allen möglichen Farben: in Blumenkästen, als Ranken seitlich die Wände hoch, in Schalen von der Decke hängend und stehend, vermutlich in Blumentöpfen.

Es gibt keinen Fahrstuhl und ich bin leicht außer Atem, als wir im obersten vierten Stock ankommen. Peer hat die Stufen ohne Schwierigkeiten erklommen und wirft mir am oberen Treppenabsatz einen belustigten Blick zu.

„Sport scheint nicht zu deinen Hobbys zu zählen.“

Darüber beschwert sich Karsten auch immer, wenn ich nicht mit ihm Joggen gehen will.

Scheiße, musst du ausgerechnet jetzt an Karsten denken?!

Ich schüttle den Gedanken ab und wische auch seinen Kommentar beiseite. Er hat sicherlich gesehen, dass ich nicht so durchtrainiert bin wie er. Meine Statur ist hauptsächlich meinem guten Stoffwechsel und der Tatsache, dass ich viel Fahrrad fahre, geschuldet.

„Nur horizontaler Sport.“

Überrascht weiten sich Peers Augen, dann schüttelt er grinsend den Kopf, ehe er die Tür aufschließt. „Dann fangen wir besser mit dem Work-out an. Nach dir.“

Ich betrete die Wohnung und stehe in einem langen, engen Flur, in dem sich eine hohe, schmale Kommode, ein unordentlicher Schuhhaufen und eine Garderobenstange drängen. Es gehen insgesamt vier Türen ab; zwei davon sind geschlossen, durch die anderen beiden kann ich einen Blick auf ein Badezimmer und eine Wohnküche erhaschen. Gegenüber der Eingangstür am anderen Ende des Flurs ist ein weißer Einbauschrank in die Wand eingelassen.

Da ich nicht weiß, wohin mit mir, drehe ich mich erst einmal wieder um. „Nett –“

Peers Lippen liegen auf meinen und verschlucken, was immer ich als Nächstes sagen wollte. Seine Hand liegt fest in meinem Nacken und übt erregenden Druck aus, um mich in Position zu halten, während seine Zunge nach meiner sucht.

Mein erster Impuls ist, ihn wegzustoßen. Ich bin mit Karsten zusammen. Mit Karsten! Bis zu mir durchgedrungen ist, dass das hier okay ist, weil Karsten will, dass wir mit anderen schlafen, bin ich unter Peers Mund steif geworden. Zum einen in meiner Hose – er kann definitiv küssen! –, zum anderen am ganzen Körper.

Zumindest letzteres hat Peer ebenfalls bemerkt. Er zieht sich zurück und sieht mich fragend an. Für den Bruchteil einer Sekunde begegne ich dem unsicheren Blick aus seinen leuchtend blauen Heidelbeeraugen. Wenn ich was sage, wäre das Ganze hier und jetzt beendet, davon bin ich überzeugt.

Aber ich sage nichts. Stattdessen lege ich die Hand auf sein T-Shirt und fahre kurz über seine Brustmuskeln, ehe ich die Finger in den Stoff kralle und ihn wieder an mich ziehe. Das Blut rauscht in meinen Ohren. Mein Bauchgefühl schreit mir noch immer zu, dass ich verdammt noch mal die Finger von dieser Sache lassen soll, auch wenn sie sich noch so verboten gut anfühlt, aber ich ignoriere es. Ich schließe die Augen und lasse mich treiben, als ich meine Lippen auf Peers presse und seinen Mund mit meiner Zunge erobere.

Mein Gegenangriff überrascht Peer und er braucht einen Augenblick, um sich wieder zu fangen, doch dann küssen wir uns so heftig, dass ich schon nach kurzer Zeit so atemlos bin, als wäre ich die Stufen zu seiner Wohnung fünfzigmal nacheinander rauf und runter gelaufen.

Seine Hände liegen warm und fest auf mir und verstärken das Pochen in meinem Schwanz, das seine Zunge bereits in Gang gesetzt hat. Ungeduldig zerre ich ihm das T-Shirt über den Kopf und lasse mir meins ebenfalls von ihm ausziehen. Ich bin deutlich klappriger als er und mir fehlen so ziemlich überall die fein modellierten Konturen, die seinen Körper seine Klamotten perfekt ausfüllen lassen, doch das scheint ihn nicht zu stören.

„Schlafzimmer“, sagt er atemlos. „Da drüben.“ Er deutet auf die geschlossene Tür gegenüber der zur Wohnküche.

Er schiebt mich darauf zu und massiert dabei mit einer Hand meinen Hintern, was mich aufkeuchen lässt. Die Jalousien sind wegen der Sonne fast ganz heruntergelassen, sodass ich nicht viel im Zimmer erkennen kann. Bett, ein Nachttisch, Kleiderschrank. Damit ist der vorhandene Platz absolut ausgereizt.

Ich gehe auf das Bett zu, das ganz an die Wand geschoben steht, sodass man nur von einer Seite oder vom Bettende hineinsteigen kann. Hinter mir höre ich das Klimpern eines Gürtels und über die Schulter sehe ich, wie Peer sich weiter auszieht. Der Jeans folgt schnell die schwarze Pants.

Mir bleibt die Luft weg. Mein Herz rast schneller, obwohl wir uns gerade nicht anfassen, und meine Erektion drängt sich schmerzhaft gegen meine Jeans.

Er sieht umwerfend aus. Athletisch schlank, mit langen Gliedmaßen und hübschen, wohlproportionierten Muskeln, die sich dem Betrachter nicht aufdrängen, sondern den Blick wie magisch anziehen. Er hat einige Zeit in der Sonne verbracht, ich kann blasse T-Shirt-Ränder an seinem Oberkörper erkennen und auch unten…

Ich stöhne auf und presse eine Hand auf meinen Schritt. Sein Schwanz ist wunderschön. Und hart. So hart…

Er kommt auf mich zu, schiebt meine Hand von meiner Erektion und legt stattdessen seine eigene auf meinen Penis. Keuchend lege ich den Kopf in den Nacken, was für ihn genau der richtige Winkel ist, um mich zu küssen.

„Zieh dich aus“, murmelt er, während er bereits am Verschluss meiner Jeans herumfummelt.

Ich fange seine Lippen ein und lasse mich stattdessen von ihm ausziehen. Er ist ungeduldiger als Karsten. Etwas ruppiger, obwohl seine Hände nicht ungeschickt sind. Nur sehr zielgerichtet. Er weiß ganz genau, was er will.

Und im Moment bin das ich.

Seine Stimme ist rauer. Die Lust vibriert fast greifbar darin und läuft in Wellen über meinen Körper, wie bei einem Stein, den man in ein ruhiges Gewässer geworfen hat. Alles ist in Bewegung. Er küsst auch ganz anders als Karsten. Intensiver. Das Gefühl rast von meinen Lippen bis in meine Zehenspitzen und wieder zurück. Bei Karsten ist es eher –

Hör auf, die beiden miteinander zu vergleichen!

Aber Karsten ist mein Nonplusultra und ich kriege die Vergleiche nicht aus meinem Kopf heraus. Weil es sich jetzt schon besser anfühlt als mit Karsten. Kann das sein? Soll das so sein? Und Peer? Gefällt es ihm auch? Hoffentlich merkt er nicht, dass sich meine sexuelle Erfahrung auf genau einen Kerl beschränkt.

Ich schlinge die Arme um Peers Nacken und ziehe ihn mit mir, als ich rückwärts auf sein Bett zugehe. Zwischenzeitlich verliere ich meine Jeans und die Unterhose und steige vorsichtig aus beidem heraus, ehe wir zusammen auf dem Bett landen, Peer über mir.

Er wiegt mehr als Karsten. Sein Gewicht drückt mich auf erregende Weise in die Matratze, während seine Hände fest über meinen Körper streichen und überall kleine Flammen entzünden. Und er ist größer, und damit ist nicht seine Körpergröße gemeint. Mein Herzschlag wird schneller.

Ich spreize die Beine. Er passt perfekt dazwischen. Seine Haut fühlt sich fantastisch an meiner an. Heiß und lebendig. Er rollt sich über eins meiner Beine, sodass mein Oberschenkel gegen seine Erektion drückt, und richtet sich halb auf einen Ellbogen auf, um etwas von seinem Gewicht von mir zu nehmen. Und damit er Platz hat, seine Hand um mich zu schließen.

Ich stöhne auf und zucke seiner Hand entgegen. Er weiß ganz genau, was er da tut, benutzt genau die richtige Geschwindigkeit, genau den richtigen Winkel, den richtigen Druck… Als sein Griff fester wird, wird auch das Ziehen in meinem Unterleib schlimmer. Auf der Suche nach Halt klammere ich mich an seinen Schultern fest. Meine Hand verirrt sich in seinen Nacken und ich grabe die Finger in die erstaunlich weichen Haare dort. Gelegentlich streicht sein Daumen über meine feuchte Eichel und jedes Mal zucke ich empfindlich zusammen.

Gott, wenn er so weitermacht… Wie kann es sein, dass er mich in so kurzer Zeit so sehr erregt? Ist es das, was Karstens und meine Beziehung beleben soll?

Ich wölbe mich ihm entgegen und lege den Kopf weiter in den Nacken, auch wenn sich dabei seine Lippen von meinen lösen. Oder vielleicht gerade deshalb. Luft, ich brauche Luft, weil mein Puls so rast und mich ganz schwindelig macht.

Sofort presst er seinen Mund auf meinen Hals, wo er warm und fest auf meiner Halsschlagader liegt. Die Vorstellung, dass er dort das Hämmern meines Herzens spürt, löst in meinem Unterleib ein Prickeln aus, das meinen Kopf auszuschalten droht.

Ich versuche, nicht den Verstand zu verlieren, irgendwie mit ihm mitzuhalten, und schließe ebenfalls eine Hand um seine Erektion.

Heiß, pochend, weich, hart, seidig… alles zusammen. Ich spüre seiner Länge nach, nehme jede kleine Unebenheit, jede Vene wahr und stelle mir vor, wie es sich anfühlt, wenn…

Wieder muss ich daran denken, wie anders er sich im Gegensatz zu Karsten anfühlt – und wie erregend dieser Gegensatz auf einmal ist. Ich will wissen, wie sich der Unterschied in mir anfühlt.

Peer sieht mich direkt an, während ich ihn streichle, so intensiv, als könnte er die Bilder in meinem Kopf sehen. Verlangen flackert so deutlich in seinem Blick, dass es mir den Atem nimmt – weil ich dafür verantwortlich bin, weil er mich begehrt. Ich recke mich ihm entgegen, um ihn zu küssen.

Sein Atem beschleunigt sich, wird erst zu einem Keuchen und dann zu einem hinreißenden Stöhnen, das ihm direkt in meinen Mund entfährt. Ein wohliger Schauer läuft mir über den Körper, als ich seine Laute gierig von seinen Lippen küsse.

Dann zieht er sich zurück, holt ein Kondom und eine Tube Gleitgel aus dem Nachtschrank und legt beides aufs Bett. Karsten und ich benutzen längst keine mehr. Wahrscheinlich starre ich sie zu lange an. Und Peer auch, während er etwas von dem Gel auf seine Finger verteilt. Der Anblick lässt mich vor Vorfreude erbeben.

Oh Gott, mach endlich! Vor Erregung wimmere ich leise auf, dann spreize ich auffordernd die Beine. Ich bin so erregt, dass ich das hier wahrscheinlich nicht mal abbrechen könnte, wenn ich wollte – und ich will nicht. Ich will wirklich nicht.

Peer stöhnt auf und presst seinen Mund erneut auf meinen, während ich berauscht die Augen schließe. Dann spüre ich seine Finger an meinem Eingang. Ich ziehe ein Bein für ihn an, dann gleitet er in mich. Ich erschauere, versuche, mich weit für ihn zu öffnen, und irgendetwas daran scheint Peer zu gefallen, weil sein Kuss fahriger wird.

Schnell nimmt er einen zweiten Finger hinzu, schiebt sie weiter in mich und… oh Gott. Stöhnend grabe ich die Finger ins Laken, als er meine Prostata streift. Noch mal. Noch mal! Ich dränge mich ihm entgegen und muss noch mal aufstöhnen, als er dieselbe Stelle wieder trifft.

In meinem Inneren baut sich ein köstlicher Druck auf, der immer unerträglicher wird, je länger er mich reizt. Keuchend unterbreche ich den Kuss, weil ich das Gefühl habe, keine Luft mehr zu bekommen. Wie von selbst bewege ich die Hüften, während mein Schwanz zuckt und sich Lusttropfen auf der Eichel bilden, doch es reicht nicht. Stattdessen werde ich nur so empfindlich, dass ich beim kleinsten Lufthauch zusammenzucke.

Atemlos sehe ich Peer an, der mich im Halbdunkel beobachtet. Was soll das werden? Will er denn nicht… will er so?

Ächzend löse ich die Finger aus dem Laken. Im ersten Moment will ich nach meinem Schwanz greifen und das Ganze mit zwei, drei schnellen Strichen beenden, doch ich zwinge mich, stattdessen nach seinem Handgelenk zu greifen. Ich ziehe seine Hand weg und drehe mich auf den Bauch.

Mit einem Aufstöhnen krümme ich mich zusammen, als die Reibung an der Matratze mich für einen Augenblick gefährlich dicht an den Rand des Orgasmus bringt. Meine Hüften zucken und es hätte nicht viel gefehlt und ich hätte dem schier überwältigenden Drang in meinem Inneren nachgegeben.

Aber dann höre ich die Kondomverpackung knistern, höre Peers schnelle Atemzüge und reiße mich zusammen. Ich komme auf Ellbogen und Knie hoch und presse die Stirn ins Laken, während ich ihm meinen Hintern anbiete und die Beine weiter auseinander schiebe.

Peers Atmung klingt abgehackt, als hätte er sich an irgendwas verschluckt, dann streichelt seine Hand über meinen Hintern den Rücken hinauf und seine Finger fahren federleicht über meinen Nacken. Mit der anderen führt er seinen Penis an meinen Eingang und dann schiebt er sich endlich, endlich in mich.

Sofort merke ich, dass er größer ist als Karsten, und ein Schauer rieselt kribbelig über meinen Rücken. Er will es langsam machen. Ich spüre das Zittern seiner Anstrengung, aber das ist nicht notwendig. Ich will es schnell. Ich will es jetzt. Bevor ich explodiere und gar nichts mehr mitbekomme.

Ich warte, bis er mit der Spitze in mich eingedrungen ist, ehe ich mich ihm fordernd entgegen dränge – und weiter und weiter, als könnte ich nicht aufhören, bis er mich ganz ausfüllt. Kann ich auch nicht. Mein Kopf hat sich ausgeschaltet und mein Körper nimmt sich einfach, was er braucht.

Mit festem Griff klammert Peer sich an meine Hüften. „Gott…“, ächzt er und das hilflose Verlangen in seiner Stimme fließt wie eine Droge durch mich und direkt in meinen Schwanz.

Ich zucke zusammen und umschließe die Basis meines Schafts fest, um nicht sofort zu kommen. Doch als Peer sich zu bewegen anfängt, habe ich kaum noch Kontrolle über irgendwas. Schnell, tief und hart stößt er in mich und ich kann jede einzelne Bewegung bis in die Zehenspitzen fühlen. Ich komme ihm entgegen, so gut ich kann, aber er bestimmt den Rhythmus und den Winkel, er bestimmt alles.

Als er meine Prostata trifft, gibt es einen Kurzschluss in meinem Kopf. Für ein paar Sekunden bestehe ich nur noch aus Gefühlen, die in meinem Körper wie auf einem Schlachtfeld wüten. Ich sacke weiter nach vorne, spüre Peers Hand an meiner um meinen Schwanz und dann fängt er an, mich im Takt seiner Stöße zu pumpen, was kaum noch nötig ist.

Ich komme so heftig, dass ich kurzzeitig alles vergesse. Meinen Namen, wo ich bin, was ich bin, dass da draußen eine Welt abseits dieser mitreißenden Lust existiert, die mich mit ganzer Kraft überwältigt und vollkommen leer zurücklässt.

Ich kriege nicht mal mit, wie Peer kommt, aber er muss wohl gekommen sein. Als ich wieder klar denken kann, liegen wir seitlich im Bett, er hinter mir. Und immer noch in mir. Träge pulsiert sein Schwanz in mir wie ein zweiter Herzschlag. Er ist nicht ganz im Takt mit meinem, aber nahe dran.

Peers schnelle Atemzüge streichen über die verschwitzte Haut in meinem Nacken und ich bilde mir ein, seinen hämmernden Herzschlag an meinem Rücken zu fühlen. Auf meinem Bauch klebt mein Sperma und wird langsam kalt.

Ich hab’s getan. Ich hatte Sex mit einem anderen als Karsten.

Und es war gut. Besser als gut. Besser als mit –

Peer zieht sich aus mir zurück und verlässt das Schlafzimmer, um das Kondom zu entsorgen. Keine Ahnung, wie er sich so schnell wieder bewegen kann. Ich fühle mich so erledigt, dass mir die Beine unter dem Körper wegknicken würden, wenn ich jetzt aufstehen müsste. Kurz darauf höre ich Wasser rauschen und er kommt mit einem Waschlappen zum Bett zurück.

Offensichtlich bedeutet zwangloser Sex, dass beim Quickie keine Dusche inbegriffen ist. Nur ein Waschlappen.

„Hier.“ Er drückt mir das warme Stück Frottee in die Hand.

„Danke.“

Ich wische über meinen Bauch und zwischen die Beine, werde aber um eine Dusche nicht herumkommen. Bei uns zu Hause. Bei Karsten und mir zu Hause.

Karsten... Inzwischen ist er bestimmt zurück und fragt sich, wo ich bin.

Plötzlich fühle ich mich schlecht. Vermutlich das schlechte Gewissen. Oder Schuldgefühle. Oder beides. Ich schließe die Augen. Weil es so gut war. Weil ich mich so habe gehen lassen. Weil ich es gleich noch mal machen will...

„Das war…“ Peer bricht ab. Federleicht streicht er mit einem Finger über meine Seite. Fühlt sich gut an. Irgendwie vertraut. Trotzdem wäre es mir lieber, er würde das lassen. Peer räuspert sich. „Ich hätte nicht gedacht, dass du... dass es bei der App auch normale Leute gibt.“

Dass ich was?

„Ich auch nicht.“ Allerdings fällt Peer nicht gerade in die Kategorie normal. Ich taste über das Laken, bis ich die feuchte Stelle finde. „Hab allerdings dein Bett eingesaut.“

„Egal. Hab eine Waschmaschine.“

Na klar, so einfach ist das. Eine Ladung Wasser, etwas Waschmittel, für mich ein bisschen Seife und weg sind die verräterischen Spuren.

Aber bis dahin rieche ich vermutlich nach Peer. Und sobald ich durch die Tür trete, wird Karsten wissen…

Verdammt. Karsten will Details. Alle schmutzigen Einzelheiten. Jede Bewegung, jede Empfindung... alles. Keine Ahnung, ob ich ihm so einfach erzählen kann, was ich hier eben gemacht habe. Jetzt gerade fühlt es sich wieder sehr nach Fremdvögeln an – falls sich das so anfühlt.

Ich richte mich auf, rutsche an den Rand des Betts und will aufstehen, als er mich am Arm festhält. Ich sehe ihn an. Seit wir miteinander geschlafen haben, ist es das erste Mal. Schon vorher hat er meinen Blick wie magnetisch angezogen. Aber wenn ich ihn jetzt ansehe, fühle ich ein Echo dessen, was ich gerade mit ihm erlebt habe.

„Alles okay?“

„Klar, wieso?“ Ich schüttle seine Hand ab und stehe auf, um nach meiner Pants und der Jeans zu greifen und hineinzusteigen.

„Du bist… etwas verkrampft, obwohl du gerade eigentlich ziemlich entspannt sein solltest.“

„Ich bin entspannt.“

„Aha.“ Als ich mich zu ihm umdrehe, sieht es so aus, als wollte er noch etwas sagen, scheint es sich dann aber anders zu überlegen. Er steht auf und geht an mir vorbei aus dem Schlafzimmer, ohne sich anzuziehen. „Willst du was trinken? Oder vielleicht noch ‘ne Kleinigkeit essen?“

„Nein.“ Wo zum Teufel ist mein T-Shirt? „Ich denke, ich geh jetzt.“ Ach ja, im Flur.

Gott, wir haben uns im Flur die Klamotten vom Leib gerissen. Ich kann an den Fingern abzählen, wie oft das bisher mit Karsten passiert ist: genau zweimal. Und bei beiden Malen war nicht er derjenige, der mir an die Wäsche gegangen ist. Eigentlich sollten wir das jetzt, da wir eine eigene Wohnung haben, viel häufiger tun.

„Okay.“ Peer lehnt in der Tür zur Wohnküche und sieht so lässig aus, wie ich sein sollte. Wie ich es wünschte zu sein. Ihm merkt man an, dass da nicht das erste Mal ein mehr oder weniger wildfremder Kerl in seiner Wohnung ist, den er gerade gevögelt hat. „Wo musst du denn hin?“

„Trudering.“ Ich bücke mich nach meinem T-Shirt und ziehe es über.

„Ah, cool, dann kannst du hier ja gleich in die U2 steigen.“

„Hm-hm.“

Nur dass ich mir dazu eine Fahrkarte kaufen müsste. Mein Rad steht noch bei dem Café, in dem wir uns getroffen haben. Scheiße. Wir sind ja mit der Tram hergefahren. Ich bin schwarzgefahren. Da hab ich vor lauter Aufregung und Nervosität gar nicht dran gedacht.

Ich schlüpfe in meine Schuhe und taste anschließend meine Hosentaschen ab, ob ich auch nichts verloren habe: Handy, Geldbeutel, Schlüssel. Alles da. Wäre super unangenehm, wenn ich irgendwas davon hier vergessen würde.

„Okay.“ Ich drehe mich zu Peer um und zucke überrascht zusammen, weil er inzwischen auf mich zugekommen ist.

„Okay, Max.“ Der Name irritiert mich kurz. Noch mehr als der trockene Kuss, den er mir auf die Lippen drückt, ehe er nach der Türklinke greift und sich hinter die Tür stellt, als er sie aufzieht. „Komm gut nach Hause.“

 

***

 

Für die Rückfahrt zum Café löse ich mir ein Ticket. Ich hätte auch laufen können, um es noch in die Länge zu ziehen, bis ich nach Hause muss, und um den Kopf frei zu bekommen, aber auf mich wartet sowieso noch eine knappe Dreiviertelstunde Rückfahrt auf dem Rad.

Mein Handy zeigt mir zwei verpasste Anrufe an, einer natürlich von Silvi und einer von meiner Schwester. Verdammt. Ich habe vergessen, sie anzurufen. Egal, jetzt habe ich keinen Nerv, mich mit ihr und ihrem tollen Vorschlag einer Kreuzfahrt auseinanderzusetzen.

Mit Silvi will ich allerdings auch nicht reden. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich weiß noch nicht mal, was ich Karsten sagen soll, wenn er mich nachher nach dem Sex fragt. Vielleicht muss ich ihm gar nichts sagen, wenn er nicht mitbekommt, was ich gemacht habe… was unwahrscheinlich ist, weil er mir nämlich eine Nachricht geschrieben hat.

Karsten, 20:43

Hey, gerade vom Schwertkampf zurück. Wo bist du denn?

Das Dumme am Zusammenleben ist, dass der andere meistens genau weiß, wie der eigene Kalender so aussieht. Meiner ist im Vergleich zu Karstens ziemlich leer, wenn man abzieht, dass ich ohnehin einen Großteil des Tages in der Steuerkanzlei hocke. Er weiß vielleicht nicht, wo ich stecke, aber vermutlich kann er sich denken, warum ich nicht wie immer zu Hause bin oder er nicht bei Facebook gesehen hat, dass ich mit Silvi unterwegs bin.

Verdammt.

Ich schreibe Silvi eine kurze Nachricht, damit sie nicht die Polizei verständigt oder Telefonterror schiebt, und vertage das Gespräch mit ihr auf morgen.

Karsten schreibe ich nichts. Den sehe ich ja gleich sowieso. Mal ganz davon abgesehen, dass ich immer noch nicht weiß, was und wie ich es sagen soll.

Das ändert sich auch nicht während der Fahrt nach Hause. Oder während ich vor unserer Wohnungstür stehe und mit dem Schlüssel herumhantiere. Scheiße. Sich Geschichten auszudenken, ist leichter, als mit der Wahrheit rauszurücken. Wer weiß, wie viel Karsten tatsächlich wissen will. Wirklich alles?

Ach, zum Teufel. Es war schließlich seine bescheuerte Idee!

Ich ramme den Schlüssel ins Schloss und betrete unsere Wohnung. Karsten sitzt im Wohnzimmer und der Fernseher läuft, so viel kann ich erkennen. Allerdings rufe ich nur eine schnelle Begrüßung, ehe ich ins Badezimmer flüchte.

Feigling. Beschissen feiger Feigling. Er wollte es doch so! Aber vielleicht will er den anderen Kerl nicht zwangsläufig an mir riechen. Immerhin hat er sich danach auch geduscht.

Ich ziehe mich aus, drehe das Wasser in der Duschwanne auf und steige unter den Strahl, bevor ich den Duschvorhang zuziehe. Keine Sekunde zu früh.

„Felix?“ Karsten schiebt die Tür zum Bad auf und kommt rein. Mist. Nicht abgeschlossen. Macht der Gewohnheit. „Alles okay?“

„Hm? Ja, alles gut.“

Hastig greife ich nach dem Shampoo, das mir jedoch aus der Hand rutscht und polternd in der Wanne landet. Großartig. Die Haare sind bestimmt eh nicht so schlimm wie die Haut, also schnappe ich mir stattdessen das Duschgel.

„Wo warst du?“

Trotz des Wasserrauschens ist die Anspannung in Karstens Stimme unüberhörbar. Er bemüht sich sehr um einen lockeren Tonfall, aber es klingt aufgesetzt, als würde ihm jemand ein Messer an die Kehle halten und dazu zwingen.

„Unterwegs.“ Jetzt bücke ich mich doch nach dem Shampoo, um auch meine Haare zu waschen.

Karsten sagt eine Weile nichts, dann: „Mit wem?“

Mein Herz hämmert. Ich bin froh, dass ich bereits unter der Dusche stehe, weil mir gerade der Schweiß ausbricht. Mit diesem Kreuzverhör fühle ich mich, als hätte ich etwas falsch gemacht. Als hätte ich ihn absichtlich betrogen.

Ich könnte lügen. Aber das ist nicht Sinn der Sache. Er will es wissen. Er will es, verdammt noch mal, wissen!

„Mit Peer.“

Ich lege den Kopf in den Nacken und spüle mir das Shampoo aus den Haaren. Gleichzeitig kommt es mir wie eine Ewigkeit vor, bis Karsten seine Stimme wiedergefunden hat.

„Peer?“

Ich drehe das Wasser ab und ziehe den Duschvorhang zur Seite. Karstens wutverzerrtes Gesicht rifft mich wie ein Streich mit seinem Schwert. Etwa eine Sekunde lang. Dann strafft er die Schultern und versucht, mich nicht sehen zu lassen, wie wütend er ist.

Ach. Er darf, aber ich nicht, oder was? Jetzt hat er schon bekommen, was er wollte, und es passt ihm trotzdem nicht.

Ich angle nach meinem Handtuch, das über dem Handtuchhalter hängt, und trockne mich ab.

„Und?“, will Karsten wissen, während er mir zuschaut, ohne mir jedoch ins Gesicht zu sehen.

„Was, und?“

„Wie… war’s?“

„Gut.“ Das trifft es nur unzureichend und hängt trotzdem wie eine Giftwolke im Raum. Hätte fantastisch uns dann beide auf der Stelle umgebracht?

Karsten nickt langsam. „Schön.“

Das ist alles? Mehr will er nicht?

Ich steige aus der Wanne und merke, dass ich mir keine frischen Sachen mitgebracht habe. Egal, weder lohnt es sich jetzt noch, sich was anzuziehen, noch hat es sich zum Abend hin nennenswert abgekühlt.

„Gibst du mir Details?“

Ich begegne seinem Blick. Inzwischen hat Karsten sich so weit gefasst, dass da tatsächlich so was wie Neugier in seinen Augen schimmert. Wie kann er das wissen wollen? Ich will nicht wissen, dass sich der Sex mit anderen so ganz anders anfühlt als unserer.

„Was denn für Details?“

Karsten zuckt die Schultern. „Was ihr gemacht habt.“

„Sex“, sage ich geradeheraus. „Wir hatten Sex.“

„Das hab ich mir schon gedacht. Warst du passiv?“

„Ja.“ Das Gespräch fühlt sich vollkommen surreal an. Wie ein Heiratsantrag auf einer Beerdigung oder so.

„Wo wart ihr?“

„Bei ihm.“

„Schlafzimmer?“

„Ja.“

„Bett?“

„Ja. – Karsten, warum fragst du das alles?“

Aber er antwortet nicht, sondern schüttelt nur leicht den Kopf, als wollte er die Frage abwimmeln. Seine hübschen Locken sind noch feucht von seiner eigenen Dusche nach dem Schwertkampf. In der heißen, schwülen Luft kringeln sie sich noch mehr als sonst.

„Was habt ihr gemacht? Was hat er gemacht?“

Ich rolle die Augen. „Wir haben uns geküsst. Wir haben uns ausgezogen. Dann sind wir ins Bett und haben gevögelt.“ Gott, will er vielleicht auch noch hören, wie lang Peers verdammter Schwanz ist?

„Und wie hat es sich angefühlt?“

Als würde ich fremdgehen. „Sagte ich doch schon. Gut.“

„Nur gut? Weil… er ist doch auch erst der zweite, mit dem du geschlafen hast, oder nicht?“

Und wenn ich mit einer ganzen Fußballmannschaft schlafe – was ändert das an meinen Gefühlen für Karsten? „Was willst du von mir hören?“

Ich drehe mich um, sodass ich mich und ihn im Spiegel ansehen kann, und greife nach dem Kamm, jedoch ohne ihn zu benutzen. Stattdessen halte ich Karstens Blick im Spiegel fest. Inzwischen ist er näher an mich herangetreten. Ich spüre seinen Körper dicht hinter mir, auch wenn er mich nicht berührt.

–Unter normalen Umständen hätte ich mich vielleicht nach hinten an ihn gelehnt. Jetzt tue ich es nicht. Ich will nicht.

Wieder geht er nicht auf meine Frage ein, sondern beugt sich stattdessen vor und platziert einen hauchzarten Kuss auf meiner Schulter. Den Blick hält er dabei über den Spiegel auf mich gerichtet. Seine Lippen lösen eine schwache Gänsehaut auf meiner Haut aus, die höchst verwirrend ist.

„Hat er dich hier geküsst?“, flüstert er und wandert mit den Lippen an meiner Schulter entlang bis zu meinem Hals. Während er sich zu meinem Ohr hocharbeitet, lässt er mich seine Zähne und Zunge spüren.

Ich erschauere – allerdings nicht auf gute Art. „Was…?“ Als er mich ins Ohrläppchen zwickt, zucke ich zusammen.

Er packt mich, dreht mich herum und schiebt mich nach hinten gegen den Rand des Waschbeckens. Die kalte Keramik drückt sich unangenehm gegen meinen Rücken. Klar, dass ich nicht so erregt bin wie sonst, wenn Karsten ausnahmsweise mal den ersten Schritt macht, da ich quasi eben erst gekommen bin. Aber irgendwie ist da noch was anderes.

„Oder hier?“ Seine Lippen streichen über meine und wecken einen Ekel in mir, der mich selbst erschreckt. „Hat er dich hier angefasst?“ Die Finger seiner linken Hand streichen über meine rechte Brustwarze.

Meine Hand schnellt vor und hält seine fest, bevor sich das seltsam schmutzige Gefühl weiter in mir ausbreiten kann. Seine Berührungen fühlen sich nicht gut an. Nicht echt.

„Karsten, was soll das?“

„Ist das nicht offensichtlich?“

„Willst du wieder was anfangen, das du dann lieber im Schlafzimmer beenden willst?“ Das Zimmer ist mir eigentlich völlig egal. Ich will jetzt nicht. Nicht, wenn ich Peer noch in mir spüren kann und sich Karstens Berührungen so kalt wie die eines Roboters anfühlen.

Er lehnt sich zu mir, aber bevor er mich küssen kann, drehe ich den Kopf weg. Sein Mund liegt an meinem Ohr, als er flüstert: „Vielleicht will ich ja gleich hier?“

„Seit wann?“ Erst, als er sich ein Stück zurückzieht, sehe ich ihn wieder an. „Seit es dich scharf macht, wenn ein anderer mich vögelt? Wenn du einen anderen vögelst?“

Ich erinnere mich an Samstagmorgen, als er nach seinem Sexabenteuer ebenfalls auf mich zugekommen ist – in der Küche. Mein Hals schnürt sich zu. Ich weiß nicht, ob ich kurz davor bin, zu heulen oder zu kotzen.

Zwischen seinen Brauen bildet sich eine ärgerliche Falte. „Beschwerst du dich jetzt, wenn ich scharf auf dich bin?“

„Wenn du deinen Schwanz dazu erst in einen anderen stecken musst, ja.“

Entweder liegt es an meiner Wortwahl oder an meinem unterkühlten Tonfall, dass er zurückfährt, als hätte ich ihn mit einem Elektroschocker attackiert. Bei seinem wütenden Blick zieht sich mein Herz schmerzhaft zusammen.

„Du hast deinen Arsch auch verdammt schnell dem Erstbesten hingehalten, also tu nicht so scheinheilig.“

Ich starre ihn an. An diesem Satz ist so viel falsch, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Es fühlt sich an, als hätte er mir ein Messer in die Brust gerammt, ohne genau zu wissen, wo sich mein Herz befindet, um dem Ganzen ein schnelles Ende zu bereiten.

Irgendwas bohrt sich schmerzhaft in meine rechte Handfläche. Der Kamm. Obwohl meine Hand pocht, muss ich mich mit aller Macht zwingen, meinen Griff darum zu lockern. Als ich es endlich geschafft habe, drehe ich mich um, um meine Haare zu kämmen.

Karstens wütender Blick trifft mich im Spiegel. Ich beiße die Zähne so fest zusammen, dass sie knirschen. Er hat kein verdammtes Recht, so sauer auf mich zu sein!

Du wolltest, dass ich meinen Arsch dem Erstbesten hinhalte, du wolltest die offene Beziehung!, hallt es in meinem Kopf, aber ich würge die Worte runter und sage stattdessen: „Törnt es dich an, wenn du und ich mit anderen schlafen? Wolltest du das deshalb? Um unseren Sex…“ – ich schnaube abfällig – „zu beleben?“

„Eine offene Beziehung soll frischen Wind ins Sexleben bringen.“

Hält er mich für dämlich? Das ist keine Antwort auf meine Frage.

„Und? Tut sie’s?“

„Wenn du mich abweist, wohl nicht.“

Ich schließe die Augen. Hört sich das nur in meinen Ohren wie eine Anklage an oder ist das seine Absicht? „Dann sollten wir damit wohl besser aufhören.“

Er schweigt. Ich spüre seinen Atem an meiner Schulter und bekomme schon wieder eine Gänsehaut. Als ich nach einer Ewigkeit die Augen öffne, ist sein Blick im Spiegel weicher geworden.

„Ich finde, es ist zu früh, um die Sache jetzt schon aufzugeben.“

Mir entfährt ein Laut irgendwo zwischen höhnischem Auflaufen und abfälligem Schnauben. „Zu früh ist besser als zu spät.“

„Felix…“ Vorsichtig, als wäre er nicht sicher, wie ich darauf reagiere, lehnt er die Stirn gegen meine feuchten Haare. „Ich liebe dich. Bitte lass uns nicht beim ersten Problem abbrechen.“

Sondern? Beim fünfundzwanzigsten?

Ich seufze, hebe einen Arm und lege die Hand auf seinen Kopf. „Ich kann danach nicht mit dir schlafen, Karsten. Das fühlt sich… ich… kann nicht.“

„Okay“, murmelt er und küsst mich sanft auf die Schulter. „Dann lassen wir das.“ Er löst sich von mir, lächelt mich im Spiegel an und verlässt das Badezimmer.

Irgendwie kommt es mir so vor, als hätte er gerade akzeptiert, seltener mit mir zu schlafen, damit er öfter mit anderen schlafen kann.

 

***

 

Dies ist das Ende der Leseprobe zu »Mehr als eine Affäre«. Der Roman erscheint voraussichtlich am 04.11.2016 im Cursed Verlag und ist dann als E-Book auf allen bekannten Plattformen erhältlich. Das gedruckte Buch erscheint zur Buch Berlin am 19.11.2016.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 23.10.2016

Alle Rechte vorbehalten

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