Kurz : der Staat
„...und der Staat ist kein Traum, sondern bleibt wie mein Kissen, ein mich gestaltender, die Fäden, die rissen und Welt verwaltender Zustand, der sich durch mich und mich bewegt …“, Blumfeld
In einer Zeit, in der das Finanzwesen alles entscheidet, sprechen unsere Politiker nur aus Heuchelei noch von Demokratie. Die Institutionen der Demokratie sind übrig geblieben, ihre Rituale. Wir halten Wahlen ab, so wie manche Urvölker Regentänze aufführten. Hatten ihre Tänze Einfluss auf den Gang der Wolken?
Franco «Bifo» Berardi
„Die Leistungsfähigkeit des Systems macht die Individuen untauglich für die Erkenntnis, dass es keine Tatsachen enthält, die nicht die repressive Macht des ganzen übermitteln.“ Herbert Marcuse
Es darf und es kann nicht angenommen werden, dass unser viel geehrter Bundeskanzler Sebastian Kurz nicht viel bis gar nichts vom Staat weiß. Deshalb hier auch eine Erläuteng. Helfen wird es nichts, aber versuchen kann man es ja.
Die Regierung setzt sich offensichtlich aus gewöhnlichen und nicht geheiligten Männern zusammen und ist daher ein legitimes Objekt der Kritik und sogar der Verachtung. Wenn Ihre eigene Partei an der Macht ist, kann davon ausgegangen werden, dass sich die Dinge sicher genug bewegen, aber wenn die Opposition drin ist, dann sind eindeutig alle Sicherheit und Ehre aus dem Staat geflohen. In der Praxis behandelt der Demokrat seinen gewählten Bürger jedoch nicht im geringsten mit dem Respekt eines Königs, und der hoch entwickelte Bürger würdigt die Würde auch dann nicht, wenn er sie findet. Der republikanische Staat hat fast keine Fallen, um die Gefühle des einfachen Mannes anzusprechen. Was es hat, ist militärischen Ursprungs, und in einer unmilitärischen Ära, wurden selbst militärische Fallen kaum gesehen. In einer solchen Zeit verschwindet der Sinn des Staates fast aus dem Bewusstsein der Menschen.
Was ist der Staat? Kann das unser Bundeskanzler beantworten? Wir wissen es nicht und vielleicht ist das auch ganz gut so.
Aristoteles unterscheidet zwischen sechs Staatsformen: die Monarchie (Alleinherrschaft), die Aristokratie (Herrschaft der Besten) und die Politie als gute Formen sowie deren entarteten Pendants Tyrannis, Oligarchie (Herrschaft weniger) und Demokratie (bei ihm als Herrschaft der frei geborenen Armen definiert; zur Differenzierung zum heutigen Demokratiebegriff heute auch als Ochlokratie bezeichnet). Aristoteles glaubt, eine gute Staatsform neige zur Entartung, aus dieser entarteten Form gehe dann die nächste gute Form hervor usw. Um diesem Kreislauf zu entgehen, plädiert er für eine Form der Mischverfassung zwischen Demokratie und Oligarchie, die er auch wieder als Politie bezeichnet.
Monarchie → Tyrannis,
Tyrannis → Aristokratie,
Aristokratie → Oligarchie (bzw. Plutokratie als Unterfall),
Oligarchie → Politie,
Politie → Demokratie bzw. Ochlokratie,
Demokratie → Monarchie …
Der Staat braucht drei Dinge, die ihn zu einem Staat machen. Das sind:
1. das Staatsgebiet, dabei handelt es sich um ein geographisch abgegrenztes Gebiet der Erdobefläche;
2. das Staatsvolk, also die Summe der Staatsangehörigen;
3. die Staatsgewalt, eine stabile Regierung, die hocheitlich ihre Gewalt ausübt.
Was ist nun die Republik Österreich? Die Republik ist ein Bundesstaat, der aus neun selbstständigen Bundesländern gebildet wird. Der bundesstaatliche Charakter ist ein Verfassungsprinzip, das nur auf Grund einer Volksabstimmung abgeändert werden kann.
Als Staatsvolk wird zunächst die Bevölkerung des Staates bezeichnet, also alle Personen die einen festen Wohnsitz im Staatsgebiet haben, unabhängig von ihrer (Ethnie, Herkunft). Dabei handelt es sich nämlich um die Gesamtheit derjenigen, die am status activus teilhaben können, also um diejenigen, die sich aktiv (zum Beispiel durch Wahlen) am Staat beteiligen können.
Die Staatsgewalt wird in der Bundesrepublik Österreich auf die Legislative, die Exekutive und die Judikative verteilt. .
Im Bereich der Legislative, die sogenannte gesetzgebende Gewalt, sind daher die Organe des Bundestages und des Bundesrates zu nennen. Diese Gewalt liegt somit beim Parlament als Leitgewalt in der Demokratie.
Im Bereich der Exekutive, die sogenannte ausführende Gewalt, ist insbesondere die Bundesregierung zu nennen. An ihrer Spitze steht der Bundeskanzler, der die Richtlinien der Politik vorgibt.
Der Bundespräsident ist zwa als Staatsoberhaupt ebenso ein Staatsorgan, hat jedoch eher eine repräsentative Funktion.
Im Bereich der Judikative, der sogenannten rechtsprechenden Gewalt, stehen das Bundesverfassungsgericht sowie die fünf obersten Bundesgerichte.
Im Gegensatz zu einem zentralistisch organisierten Staat sind in einem Bundesstaat Gesetzgebung und Vollziehung auf Bund und Länder aufgeteilt. Die Landesgesetze und das Gemeinderecht werden von den Landtagen beschlossen. Die Landesregierungen besorgen die Landesverwaltung. Auch die BürgerInnen eines Bundeslandes haben die Möglichkeit, im Rahmen der direkten Demokratie auf die Landesgesetzgebung einzuwirken.
Österreich ist ein föderalistisch aufgebauter Staat, der sich aus neun Bundesländern zusammensetzt (Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg und Wien). Das bundesstaatliche Prinzip bedeutet: Die staatlichen Aufgaben sind zwischen Bund und Ländern aufgeteilt.
Wie ist Österreich aufgebaut? Der Aufbau Österreichs ist durch folgende Elemente gekennzeichnet:
Bund und Länder haben eine eigene Gesetzgebung.
Bund und Länder haben eine eigene Vollziehung.
Die Bundesländer wirken an der Verwaltung des Bundes durch die mittelbare Bundesverwaltung mit.
Bund und Länder haben jeweils eigene Finanzwirtschaften, das heißt ein eigenes Budget. Sie können auch eigene Abgaben einheben. Wesentliche Steuern, wie Einkommensteuer, Mehrwertsteuer etc. werden jedoch nur vom Bund eingehoben. Die Länder erhalten im Rahmen des Finanzausgleichs Mittel aus dem gesamten Steuereinkommen des Bundes. Dieser gilt immer nur für einige Jahre und wird regelmäßig neu verhandelt.
Das bundesstaatliche Prinzip ergibt sich nicht nur aus Art. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG), sondern auch aus weiteren Bestimmungen des B-VG, durch die den Ländern eine relativ autonome Landesgesetzgebung und Landesverwaltung eingeräumt wird.
Das war ein ganz kleiner Auszug was ein Bundeskanzler wissen sollte. Jetzt werden wir auf das zu sprechen kommen was unser Bundeskanzler nicht weiß und auc nicht wissen möchte: die Verfassung.
Was weiß jetzt der Bundeskanzler Sebastian Kurz über die Verfassung? Hier ein kleiner Auszug:
Kurz hatte [] klar gemacht, dass er keine Reparatur der eilig beschlossenen Gesetze und Verordnungen, die möglicherweise nicht verfassungskonform sind, plant, weil diese ohnehin nicht auf Dauer gelten sollen. Bis eine Überprüfung durch die Höchstgerichte stattgefunden habe, "werden sie nicht mehr in Kraft sein", so Kurz.
Der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried fand es "beunruhigend, wenn ein Chef einer Regierung sich so wenig um Rechtsstaatlichkeit und Rechtskonformität kümmert und einen so schlampigen Umgang pflegt".
Muss der Rechtsstaat nicht gewahrt werden, auch in schweren Zeiten. Gerade da brauchen wir Rechtssicherheit! Mit der Verfassung, der Grund- und Freiheitsrechten muss besonders ein Regierungschef ganz sorgsam umgehen. Niemand darf sich außerhalb des Gesetzes bewegen! “Kanzler Kurz ist ja offenbar der Meinung, dass man es bei den... Maßnahmen mit der Verfassung nicht allzu genau nehmen muss”, meinte sogar der FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl. Offenbar hatte die Schönheit der Verfassung für den Bundespräsidenten Van der Bellen, in dem Moment ihren Reiz verloren, in dem sie auch dem Kanzler nicht mehr besonders wichtig zu sein schien. Ist das hinnehmbar? Braucht es nicht in allen Zeiten einen verantwortungsvollen Umgang mit der Verfassung und mit den Grundrechten der Bürger?
Das öffentliche Leben lag in Österreich seit dem 16. März weitestgehend still: Es gelten Ausgangsbeschränkungen, sämtliche Lokale und die meisten Geschäfte waren geschlossen. Österreich verkündet einen neuen Fahrplan an. Die österreichische Bundesregierung hatte die Bürger über das weitere Vorgehen im Kampf informiert. Bald wurden die ersten Lockerungen der drastischen Maßnahmen verkündet.
Kurz erklärte, dass auch über das Tracking der Bevölkerung nachgedacht wurde. Auf die Frage, ob eine verpflichtende App kommen werde, um Kontakte zu registrieren, antwortete Kurz: “Wir arbeiten an dieser Frage. Die Grundproblematik ist: Kann ich mich erinnern, zu wem ich aller in den vergangenen zehn Tagen Kontakt hatte? Ich könnte das nicht. Niemand wird wissen, neben wem er im Bus gesessen ist.“ Auch über Lösungen für Personen, die kein Smartphone besitzen, dachte die österreichische Regierung nach: “Hier wird es die Möglichkeit geben, einen entsprechenden Schlüsselanhänger zu entwickeln. Die Mehrheit der Österreicher befürwortet diese Initiative. Tracken, testen, isolieren.” Neben einer Tracking-App sollen auch Tests und die Isolierung von Infizierten Teil der Strategie sein, um die Verbreitung einzudämmen.
Sind diese genannten Ausgangsbeschränkungen rechtsmäßig? Die in Kraft gesetzten Freiheitsbeschränkungen sind vor allem unter zwei Gesichtspunkten problematisch: Für viele Maßnahmen fehlt eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage; und es ist fraglich, ob sie verhältnismäßig sind. Als Ermächtigungsgrundlage nutzt die Regierung das Infektionsschutzgesetz (IfSG), nach dem unterschiedlicheMaßnahmen angeordnet werden können, zum Beispiel eine Quarantäne, allerdings nur im Zusammenhang mit einem konkreten Infektionsfall oder -verdacht. Auch nach dem Polizei- und Ordnungsrecht der Länder, das Rechtsgrundlagen für behördliche Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren beinhaltet, kann nur in konkreten Einzelfällen ein Verbot ausgesprochen werden, bestimmte Orte zu betreten. Ganze Gebiete kann man aber auf Grundlage dieser Gesetze nicht sperren. Schließlich bietet das Katastrophenschutzrecht der Länder die Möglichkeit, wenn einmal ein Katastrophenfall ausgerufen wird, bestimmte Maßnahmen zu treffen – Ausgangssperren sind auch dort nicht geregelt. Mangels spezieller Eingriffsgrundlage stellt sich die Frage, ob Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen auf eine sogenannte “Generalklausel“ gestützt werden können, also eine sehr allgemein formulierte Auffang-Eingriffsnorm. Im Infektionsschutzgesetz gibt es eine Generalklausel für „notwendige Schutzmaßnahmen“. Es sprechen aber gewichtige Gründe dagegen, dass diese Generalklausel dafür ausreicht. Bei so weitreichenden Grundrechtseingriffen wie zurzeit bedarf es grundsätzlich einer speziellen, mit genauen Voraussetzungen versehenen Rechtsgrundlage. Erforderlich sind sie, wenn es kein milderes Mittel gleicher Wirkung gibt. Das juristische Urteil über die aktuellen und noch kommenden Grundrechtseingriffe steht allerdings vor demselben Problem wie die Politik: Wir wissen nicht, wie viele Neuansteckungen pro Tag unser Gesundheitssystem aushält. Tausend? Hundert? Fünftausend? Wie lange dürfen es wie viele sein? Und wir wissen auch nicht, welche Maßnahmen die Pandemie tatsächlich am wirkungsvollsten eindämmen können. Bei so viel Unsicherheit gewährt das Recht der Politik einen großen Beurteilungsspielraum.
Die Maßnahmen müssen etwas bringen, sonst sind sie rechtswidrig. Vor dieser Schranke musste ein Vorschlag des Bundesgesundheitsministeriums halt machen: Die Behörden sollten die über Funkzellen ermittelten Standortdaten der Handys von Infizierten anfordern können, um Kontaktpersonen zu ermitteln.
Die Beschränkungen der Freiheit müssen auch in sich schlüssig sein. Es darf zum Beispiel nicht, wer sich seit Monaten an seinem Zweitwohnsitz aufhält, zur Rückkehr in seine Heimat gezwungen werden,
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 12.05.2020
ISBN: 978-3-7487-4060-5
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