Copyright © 2017 Madison Clark
Annette Eickert, Renzstraße 2 B, 67547 Worms am Rhein
Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
1. Auflage Februar 2017
www.madisonclark.de
www.storysofblackdesire.wordpress.com
Umschlaggestaltung: Madison Clark
Coverfotos: www.123rf.com
Satz: Madison Clark
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Alle in diesem Buch geschilderten Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären zufällig und nicht beabsichtigt.
Das Buch enthält intime Handlungen zwischen Männern.
ISBN-10: 1542779162
ISBN-13: 978-1542779166
ASIN: B06WRX1LRT
Madison Clark wurde im Herbst 1978 in Worms am Rhein geboren. Inspiriert von vielen Romanen aus dem Genre Fantasy, Thriller und Horror erschuf sie schließlich ihre eigenen Geschichten. Das Schreiben und Lesen ist zu ihrer größten Leidenschaft geworden. Unter ihrem Geburtsnamen sind bereits mehrere Romane im Bereich Fantasy und Mystery erschienen.
Madison Clark steht künftig für eine Vielzahl von Genres, u.a. Gay-Romance, Gay-Fantasy, Gay-Romance-Thrill, All Age Fantasy, Horror, Mystery und Thriller.
Im Dezember 2014 veröffentlichte Madison unter ihrem Pseudonym Jana Martens im Bookshouse Verlag.
www.storysofblackdesire.wordpress.com
Bisher erschienen unter Jana Martens:
Dieses Buch enthält die drei Kurzgeschichten Angel’s Guardian, Es geschah im Advent und Es kommt immer anders, als du denkst.
Es mag augenscheinlich so aussehen, als wären es Weihnachtsgeschichten. Die Adventszeit und auch Weih-nachten spielen eine Rolle, jedoch nur eine unter-geordnete. Was alle Geschichten tatsächlich verbindet, ist der Men’s Club BLACK DESIRE.
Die Handlungen und Figuren haben als Dreh- und Angelpunkt den Club. Kurz gesagt, jede Geschichte könnte auch im Frühling, Sommer und Herbst stattfinden.
Warum Angel’s Guardian und Es geschah im Advent in der Weihnachtszeit spielen hat zwei Gründe. Der erste ist schlichtweg der Zeitraum, in dem beide geschrieben wurden. Angel’s Story war zudem eine Advents-geschichte auf meiner Website. Der zweite Grund ist die romantische Komponente. Wer verliebt sich nicht gerne in einer Zeit, wo Nächstenliebe und Gefühle schon immer einen großen Stellenwert in der Gesellschaft ein-nahmen.
Wer gefühlvolles Feeling mag, gepaart mit einem Hauch Drama, und gegen intime Handlungen zwischen Männern keine Abscheu hegt, den lade ich herzlich ein in die Welt von Gabriel und Riley, Sean und Finn und Tyler und Matt einzutauchen.
Nun bleibt mir nur noch eines zu sagen … ich wünsche Euch viel Spaß beim Lesen.
Eure Madison
Wo bin ich jetzt schon wieder gelandet, fragte sich Gabriel und schüttelte amüsiert den Kopf.
Neugierig ließ er seinen Blick durch den Raum wandern. Dafür, dass er in einem Büro saß, entdeckte er hier mehr Antiquitäten und Luxus, als er je für möglich gehalten hätte. Der elegante Mahagonischreibtisch kostete sicher so viel, wie er in einem Monat verdiente. Dazu gesellten sich offenbar sehr kostbare Ölgemälde, die fein säuberlich in belüfteten Hightech-Glasrahmen präsentiert und stilvoll von kleinen Lampen ausgeleuchtet wurden. In der Mitte des Arbeitszimmers stand ein Billardtisch. Das Ungewöhnlichste und wahrscheinlich Teuerste befand sich an der hinteren Wand in einer Vitrine. Vor wenigen Minuten hatte Gabriel dort aufmerksam gestöbert. Darin entdeckte er mehr als dreißig Erstausgaben unterschiedlicher Schriftsteller wie Daniel Defoe, Oscar Wilde, Edgar Allan Poe, William Shakespeare, als auch eine uralte Ausgabe der Beowulf-Saga und zwei mittelalterliche Bibeln, in echtem Leder gebunden. Daneben hingen ordentlich aufgereiht Samurai-Schwerter. Allesamt augenscheinlich seltene Antiquitäten.
Mit käuflicher Liebe scheint sich durchaus jede Menge Kohle verdienen zu lassen, dachte Gabriel und grinste in sich hinein, während er sich von den Schwertern abwandte und die paar Schritte zum Fenster überbrückte. Aus dem fünften Stock hatte er eine wunderschöne Aussicht auf die Londoner Skyline. Bis heute Morgen hätte er sich nicht träumen lassen, jemals so ein Etablissement von innen zu sehen. Geschweige denn dieses hier. Es hatte sich herumgesprochen, dass es einmalig in London und Umgebung war. Gabriel erinnerte sich nur zu gut an die vergangenen Medienberichte. Vor einem Jahr war dieses Gebäude komplett renoviert, umgebaut und neu eröffnet worden. Die Neueröffnung war der Aufmacher auf den Titelseiten der Regionalzeitungen und das Highlight der Regionalsender gewesen.
»Es tut mir leid, dass du so lange warten musstest«, riss ihn eine Stimme unerwartet aus dem Staunen.
Er straffte die Schultern, wandte sich von der Aussicht ab und sah sich einem gut aussehenden Mann Anfang Dreißig gegenüber. Adrett in dunklem Anzug und Krawatte gekleidet, dazu ein charmantes Lächeln auf den Lippen. Der Mann reichte ihm die Hand.
»Ich bin Sean. Sean Ashton. Du musst Gabriel White sein. Bitte nimm doch Platz.«
Sean deutete mit der Hand auf einen der zwei Besucherstühle vor dem Schreibtisch und nahm selbst in einem ledernen Chefsessel Platz. Gabriel setzte sich ihm gegenüber.
»Ja. Ich bin Gabriel White«, sagte er verblüfft über das lockere Auftreten des Clubbesitzers.
»Es freut mich, dass du so schnell Zeit gefunden hast. Matthew hat dich in den Himmel gelobt, als ich ihn fragte, ob er mir einen guten IT-Spezialisten empfehlen kann.«
Überrascht über das unerwartete Kompliment, lächelte er Sean an. »Danke. Aber manchmal neigt Matt doch zur Übertreibung.«
Sean zwinkerte ihm zu. »Man sollte sein Licht nie unter den Scheffel stellen.«
Gabriel spürte, wie ihm die Hitze ins Gesicht schoss. Ob es nun an den Worten oder an seinem attraktiven Gegenüber lag, wusste er nicht.
»Was genau ist eigentlich das Problem bei Ihrer der IT-Anlage?«, erkundigte er sich, um den peinlichen Moment zu überspielen.
»Unser Server zickt herum«, antwortete Sean und seufzte. »Er hat schon ein paar Jahre auf dem Buckel. Leider konnte der Computer-Notdienst am Wochenende nicht viel ausrichten, aber zumindest hat er die Daten gerettet und der Server läuft wieder, wenn auch schleppend. Aber das ist keine Dauerlösung. Ich dachte an einen neuen, leistungsstärkeren Netzwerkrechner, dazu neue Computer und ein neues Netzwerk, sodass ich auch im unteren Büro jederzeit Zugriff auf alle Daten habe.«
Gabriel nickte. »Kein Problem. Ich kann alles einrichten und kenne den Inhaber eines guten Computerfachhandels. Wenn ich das benötigte Zubehör dort bestelle, gibt es sogar noch Rabatt.« Vor seinen Augen leuchteten bereits die Pfundnoten auf. Wenn er den Auftrag annahm, würde er im vierstelligen Bereich verdienen und sich endlich ein neues Auto leisten können.
»Ich bin einverstanden. Und bitte duze mich. Wenn du Sie sagst, fühle ich mich so alt.« Sean lachte. »Aber zurück zum Thema. Würdest du mir einen Kostenvoranschlag für die Unterlagen erstellen? Der Preis spielt keine Rolle.«
»Klar doch. Ich werde alles in die Wege leiten.« Gabriel musste sich zusammenreißen. So einen Kunden war er noch nie begegnet. Gedanklich umarmte er seinen besten Freund Matthew. Er musste ihn später unbedingt anrufen.
»Wunderbar. Wenn du möchtest …« Jemand klopfte an die Tür. »Entschuldigung. Herein.«
Gabriels neugieriger Blick wanderte zu einem jungen Mann, der den Raum betrat. Für einen Moment vergaß er zu atmen und glaubte, sein Herz würde einen Schlag aussetzen, um dann in rasendem Tempo weiterzuschlagen. Der Fremde balancierte in der einen Hand ein Tablet, in der anderen hielt er eine Serviette und Besteck. Doch das alles war nebensächlich. Nie zuvor war Gabriel so einem bildschönen Mann begegnet. Er trug eine helle Bluejeans und ein eng anliegendes T-Shirt, das viel von seinem gut trainierten Oberkörper erahnen ließ. Die weiße Schürze, die er sich lässig um die Hüften gebunden hatte, betonte seine schmale Taille. Dunkelbraune verwuschelte Haare rahmten ebenmäßige Gesichtszüge ein. Um seine Handgelenke hatte er zwei Lederarmbänder und ein silbernes Armkettchen geschlungen, die gut zu seiner Haut passten. Die Kette aus dunklen Holzkugeln, die er um den Hals trug, stand im guten Kontrast zu seinen leuchtenden saphirblauen Augen. Diese sahen ihn kurz an und dazu schenkte er ihm ein zauberhaftes Lächeln, das alles um ihn herum verblassen ließ.
Gabriel war froh bereits zu sitzen, sonst wäre er vermutlich auf der Stelle umgekippt. So atemberaubend schön hatte er sich immer einen Engel vorgestellt. Allein die pure Anwesenheit dieses Mannes brachte den Raum zum Strahlen.
»Sean, entschuldige, ich wusste nicht, dass du Besuch hast«, sprach der junge Mann mit sanfter Stimme.
Er sieht nicht nur aus wie ein Engel, er hört sich auch so an, dachte Gabriel.
»Kein Problem, Riley«, sagte Sean und winkte ihn zu sich. »Das ist Gabriel. Ich habe ihn gerade engagiert, um unser Computersystem auf Vordermann zu bringen.«
Riley kam näher und nickte Gabriel höflich zu. Anschließend stellte er das Tablett mit einem Teller voll duftenden Essens vor Sean auf dem Schreibtisch ab.
»Was hast du denn heute für mich gezaubert?« Sean musterte interessiert das Gericht und Gabriel erwischte sich, wie er es ihm gleich tat und ihm dabei das Wasser im Mund zusammenlief.
»Das ist Jambalaya«, antwortete Riley und wirkte stolz.
»Ich liebe kreolische Küche«, platzte es aus Gabriel heraus.
»Da scheint jemand deine Vorliebe zu teilen.« Sean lachte.
»Ich versuche mich gern an neuen Rezepten.« Ein zartes Lächeln erhellte Rileys Gesicht. »Zurzeit lasse ich mich von einem neuen Kochbuch inspirieren. Aber ich möchte nicht stören. Ich lasse euch wieder allein.«
»Danke Riley.«
Gabriel sah dem Engel wie hypnotisiert hinterher und fragte sich, ob er ihn noch einmal wieder sehen würde. Erst ein leises Räuspern versetzte ihn zurück in die Gegenwart.
»Sind wir uns also einig?«, erkundigte sich Sean.
»Ähm … ja. Ich denke … schon.«
»Gut.« Sean grinste wissend und Gabriel senkte beschämt den Blick. »Du besorgst alles, was nötig ist, der Preis spielt keine Rolle. Ach ja … hier noch meine Visitenkarte.« Er griff in die Innentasche seines Jacketts und holte ein silbernes Etui heraus. Galant überreichte er Gabriel eine Karte. »Auf dem Handy bin ich rund um die Uhr zu erreichen. Wenn ich nicht hier bin, ist Sam da. Frag einfach einen der Jungs. Es wäre gut, wenn du mir spätestens heute Abend Bescheid geben könntest, wann genau du anfangen kannst.«
Gabriel erhob sich. »Eigentlich sofort. Aber ich werde mich erst einmal um den neuen Server und die Computer kümmern. Vorher müsste ich allerdings nachsehen, was zurzeit benutzt wird und wo sich die ganzen Leitungen befinden und noch so ein paar Kleinigkeiten.«
»Kein Problem. Das kann dir mein Assistent alles zeigen.«
Sean griff zum Telefon, tippte auf eine Kurzwahltaste und kurz darauf bat er Sam in sein Büro. Gabriel schätzte Sam auf Anfang Vierzig. Er passte vom Äußerlichen so gar nicht in das Bild, für was dieses Etablissement stand. Der Mann war ein wenig untersetzt, trug einen Pferdeschwanz und am Hals und an den Händen entdeckte er gleich mehrere Tattoos. Mit seinem Erscheinungsbild hätte Gabriel ihn eher der Rockerszene zugeordnet.
Sean stellte sie einander vor und bat Sam ihm alles zu zeigen. Doch als Gabriel sich verabschiedete und das Büro verlassen wollte, rief Sean ihn zurück.
»Warte kurz.«
Überrascht drehte er sich mit einem fragenden Blick um. Sein zukünftiger Arbeitgeber war aufgestanden und hatte seine Brieftasche geöffnet. Sean zückte mehrere Scheine und drückte sie ihm in die Hand.
»Betrachte es als Vorschuss. Für deine Ausgaben.«
»Aber … aber …« Sprachlos starrte Gabriel die Geldscheine an. Es waren lauter Fünfzigpfundnoten, und wenn er richtig zählte, hatte er ihm soeben fast fünftausend Pfund überreicht.
»Nimm es. Und wenn du nicht wiederkommst, frage ich Matthew, wo du dich versteckst. Immerhin ist mein Bruder mit ihm zusammen.«
An dieses kleine Detail hatte Gabriel gar nicht mehr gedacht. Erst jetzt, wo Sean es erwähnte, wurde ihm wieder bewusst, dass Tyler der Halbbruder von Sean Ashton war. Das war auch der Grund, warum er diese Einladung angenommen hatte.
»Keine Sorge, ich hau bestimmt nicht ab«, sagte Gabriel.
»So schnell bin ich nicht in Sorge. Da bin ich Schlimmeres gewohnt.«
»Okay.«
Gabriel steckte die Geldscheine in die Hosentasche und verließ in Sams Begleitung das Büro.
»Was willst du als Erstes sehen?«, fragte Sam. »Ich würde sagen, wir fangen mit dem Serverraum an. Und dann zeig ich dir unten noch die zwei Büros.«
Gabriel nickte. »Gute Idee.«
Eine halbe Stunde später hatte er alles Notwendige inspiziert und sich reichlich Notizen zur Computeranlage aufgeschrieben. Er verabschiedete sich von Sam. Obwohl er auf den ersten Blick nicht den Eindruck erweckte, fand Gabriel ihn auf den zweiten doch recht sympathisch. Auf jeden Fall besaß Sam einen weichen Kern, den man nur erkannte, wenn man direkt mit ihm zu tun hatte.
Wenige Minuten später trat Gabriel mit einem glückseligen Lächeln in den Hinterhof des Black Desire. Für einen Moment schloss er die Augen und holte tief Luft. Heute Morgen hatte er noch geglaubt, er würde den Dezember ohne Auftrag überstehen müssen. Nun steckte ein halbes Vermögen in seiner Tasche und er hatte dafür noch nicht einmal etwas getan. Er musste wirklich dringend mit Matt reden und sich bei ihm bedanken.
Gerade als er loslaufen wollte, blieb er wie versteinert stehen und dankte im Stillen allen Göttern, die ihm am selben Tag und noch in der gleichen Stunde einen Engel auf Erden geschickt hatten.
Nur wenige Meter von Gabriel entfernt lehnte Riley lässig an der Hausmauer. Die Schürze hatte er gegen eine körperbetonte schwarze Lederjacke eingetauscht. Mit der einen Hand tippte er auf einem Smartphone herum, in der anderen hielt er eine brennende Zigarette.
Einen Augenblick lang überlegte Gabriel, ob er ihn ansprechen sollte, entschied sich jedoch dagegen. Sie kannten sich nicht und er war nicht der extrovertierte Typ, der einfach auf jemanden zuging und ihn ungefragt anquatschte. Ganz abgesehen davon, dass er nicht einmal wüsste, was er außer ›Hi‹ und ›Bye‹ hätte sagen sollen. Also drehte er sich um, wollte bereits loslaufen, blieb jedoch überrascht stehen. Ein kleiner weißer Hund kam auf ihn zu gerannt, bellte und hüpfte freudig an seinen Hosenbeinen hoch.
»Henry … aus«, hörte er Riley rufen.
Riley ließ das Handy in der Hosentasche verschwinden, schnippte die Zigarette fort und eilte auf sie zu. Er bückte sich und nahm den Hund auf den Arm, der ihm sofort mit der Zunge das Gesicht ableckte.
»Nein, lass das, Henry.« Riley lachte und versuchte sich vor der feuchten Hundezunge in Sicherheit zu bringen. »Ja, ich habe dich auch lieb. Aber du kannst doch nicht einfach jemanden um Leckerlis anbetteln. Wir haben vereinbart, dass du am Abend welche bekommst, wenn du den ganzen Tag über brav warst.«
»Er ist doch brav«, verteidigte Gabriel grinsend das Fellknäuel.
»Wenn er will, schon. Das mit dem Anbetteln verlernt er wohl nie. Trotz Hundeschule.« Riley gab dem Hund einen Kuss auf den Kopf und setzte ihn auf dem Boden ab, wo er bellend um sie beide herumflitzte und mit dem Schwanz wedelte. »Okay, wenn du lieb bist, bekommst du vielleicht etwas von deinem neuen Freund.« Er zwinkerte Gabriel zu und griff in die Jackentasche. Anschließend überreichte er ihm zwei kleine runde Hundekuchen. »Du hast doch keine Angst vor Hunden, oder?«
»Ich … vor ihm? Ähm … nein.« Gabriel machte aus seiner Überraschung keinen Hehl, nahm die Leckereien jedoch an. »Was ist das für eine Rasse?«
»Straßenköter de Luxé. In ihm steckt so einiges, unter anderem Terrier und Bolonka Zwetna. Die gehören zum Typ Bichon. Die Rasse stammt ursprünglich aus Russland.«
»Ah, okay«, antwortete Gabriel und spürte, wie sein Herz auf einmal wieder schneller schlug. Eben noch hatte er sich gewünscht Riley wiederzusehen. Nun stand er direkt neben ihm und sie unterhielten sich zwanglos. Trotz des grandiosen Auftrages schien dieser Moment der Höhepunkt seines Tages zu sein. Auf gewisse Weise kam er sich bei dem Gedanken kindisch vor. Mit seinen achtundzwanzig Jahren war er gewiss kein Kind von Traurigkeit, doch momentan stellte er sich eher an wie ein Schuljunge, der nicht so recht wusste, was er tun sollte.
Schließlich ging er in die Hocke und präsentierte Henry die Hundekuchen auf der flachen Hand. Der kleine quirlige Kerl schnupperte kurz und verschlang beide mit einem einzigen Happs. Lachend streichelte Gabriel ihm über den weichen Wuschelkopf und kicherte, als der Hund ihm die Finger ableckte.
»Du bist wirklich ein ganz Braver, Henry. Wir sehen uns bestimmt noch einmal. Denn in den nächsten Tagen arbeite ich hier.«
Als Gabriel aufstand, blickte er in zwei saphirblaue Augen, die ihn mit einer ihm unbekannten Neugier durchbohrten und die seine Wangen zum Glühen brachten. Wenngleich er Riley nicht kannte, war er sich in jenem Augenblick sicher, dass er bisher noch keinem Mann begegnet war, der ihn so verlegen werden ließ.
»Sean sagte, dass du das Computersystem überarbeitest?« Riley holte nebenbei eine zusammengedrückte Zigarettenschachtel aus der Jackentasche. »Ich kenne mich damit überhaupt nicht aus. Ich weiß, wie man einen Computer einschaltet und im Internet surft, das war‘s auch schon.« Er lächelte zaghaft, nahm sich eine Zigarette und hielt ihm die Schachtel entgegen »Rauchst du? Möchtest du auch eine?«
»Ja. Danke.« Gabriel zog sich eine heraus.
»Feuer?«, meinte Riley und hielt ihm das Feuerzeug unter die Nase, noch bevor er sein eigenes griffbereit hatte.
Nachdem beide jeweils einen ersten Zug genommen hatten, beobachtete Gabriel den Hund, der freudig einem Tennisball hinterher jagte.
»Magst du wirklich die kreolische Küche?«, überrumpelte ihn Riley. »Das ist jetzt das dritte Mal, wo ich sie ausprobiere. Aber am liebsten esse ich indisch.«
Gabriel schluckte und wusste zuerst nicht, was er antworten sollte. »Ich muss zugeben, ich habe kreolisch erst ein Mal probiert. Das ist schon etwas länger her. Damals war ich mit einem Freund vier Wochen in den Südstaaten unterwegs. Aber ich erinnere mich noch gut daran, dass es sehr lecker war. Persönlich stehe ich mehr auf Fast Food.« Leicht beschämt biss er sich auf die Unterlippe.
»Oh nein, das geht gar nicht. Gesundes Essen ist genauso wichtig wie gesunder Schlaf«, rügte Riley ihn und lachte. »Frag bei Gelegenheit Sean. Früher war Fish und Chips sein Lieblingsessen. Seitdem er nicht mehr regelmäßig ins Fitnessstudio geht, sorge ich dafür, dass er nicht zunimmt und nebenbei gesünder lebt. Sobald du mit deiner Arbeit beginnst, koche ich eine Portion für dich mit.
»Aber …«
Einen flüchtigen Moment später, legte sich Rileys Zeigefinger über seine Lippen. »Kein aber ... ich koche gern. Außerdem bleibt immer etwas übrig. Mit dem Portionieren habe ich es nicht so.«
Gabriel vergaß beinah zu atmen und war nur zu einem Nicken fähig. Seine Gedanken rasten, genauso wie sein Herz. Riley strahlte eine Wärme aus, die ihm ein Kribbeln über den Rücken jagte. Dabei sog er den süßlich herben Duft von Rileys Eau de Toilette ein. Dieser Typ sah nicht nur verdammt heiß aus, sondern er roch auch noch so verführerisch, dass er ihn am liebsten auf der Stelle geküsst hätte. Gabriel musste sich zusammenreißen und biss sich schnell auf die Zunge, damit er sich nicht über die Lippen leckte. Dabei war er überhaupt nicht die Sorte Mann, die sich gleich dem erstbesten an den Hals warf. Vor allem dann nicht, wenn er ihn gerade erst kennengelernt hatte.
Gabriel war kein Draufgänger. In die schwule Szene Londons ging er nur mit guten Freunden, um Spaß zu haben, und nicht, um sich von einem anderen Typen für einen One-Night-Stand abschleppen zu lassen. Seinen ersten Freund hatte er mit neunzehn während des Studiums kennengelernt. Den zweiten Partner vor drei Jahren, bei Matthews Einzugsparty. Beide Beziehungen hielten jedoch nur wenige Monate. Manchmal fühlte er sich einsam. Oft war er jedoch froh, allein zu sein, hatte doch sein derzeitiges Singledasein den Vorteil tun und lassen zu können, was er wollte. Zurzeit war das der Aufbau seiner Selbstständigkeit im Bereich IT. Die stand gegenwärtig im Mittelpunkt seiner Interessen – von dem Typ vor ihm mal abgesehen.
Was tat Riley nur mit ihm? Am besten wäre es, er würde sich verabschieden, irgendwo einen Kaffee to go trinken und sich auf den neuen Auftrag konzentrieren.
»Entschuldigung, da muss ich schnell ran«, hörte er wie aus weiter Ferne Rileys Stimme. Gabriel benötigte einen Augenblick, bis er verstand, dass sein Gegenüber sich von ihm weggedreht hatte und das Handy ans Ohr hielt. Das Klingeln hatte er überhaupt nicht wahrgenommen.
Er nickte und zog an der Zigarette. Schließlich sah er sich nach Henry um und entdeckte ihn, keine zwei Meter entfernt mit dem Ball. Er ging in die Hocke und lockte den knuffigen kleinen Kerl zu sich heran, der sich das kein zweites Mal sagen ließ. Seine Hand fuhr ihm durch das weiche Fell und er freute sich, Henry in den kommenden Tagen öfter zu sehen. Vielleicht würde er ihm sogar einen Hundeknochen kaufen. Immerhin hatte er etwas bei ihm gut, ohne das Tier, wäre er sicherlich nie mit seinem Herrchen ins Gespräch gekommen.
»… was heute?«, vernahm er Rileys Stimme. »Ich dachte, heute Abend sollte …«. Es entstand eine Pause. »Nein, das wusste ich nicht. Das hat er mir nicht gesagt.« Wieder wurde er still und Gabriel beobachtete, wie Riley nervös an der Zigarette zog und auf den Boden starrte. »Ja, das für Sonntag hat er mir gesagt.« Er seufzte. »Gut. Ich geh nur noch schnell mit Henry eine Runde in den Park. Bis gleich.«
»Es hat Spaß gemacht mit dir zu reden. Leider muss ich los. Heute rennt die Zeit nur so davon. Wir sehen uns bald wieder. Ich wohne übrigens oben im Penthouse. Nicht vergessen, du bist zum Essen eingeladen,« wandte sich Riley an Gabriel.
»Keine Sorge, das vergesse ich nicht.« Gabriel lächelte und streichelte Henry ein letztes Mal. »Und danke für die Zigarette.«
Riley winkte ab und rief Henry zu sich.
»Übrigens, ich bin Gabriel. Aber du kannst mich ruhig Gab nennen. Alle meine Freunde nennen mich so.«
»Aber nur, wenn du mich Angel nennst«, sagte Riley und zwinkerte ihm zu.
Angel. Gedanklich wiederholte er den Namen gleich mehrmals. Riley hätte wohl keinen passenderen Spitznamen haben können.
»Okay, dann sehen wir uns morgen, Angel.«
Kaum waren die letzten Worte ausgesprochen, war Riley bereits mit Henry um die Ecke gebogen und aus Gabriels Sichtfeld verschwunden.
*
Übermüdet gähnte Gabriel und streckte sich. Ein kurzer Blick auf den unteren Bildschirmrand verriet, dass es kurz vor sieben Uhr morgens war. Erschrocken stellte er fest, dass er die ganze Nacht kein Auge geschlossen hatte. Nun blieb ihm keine Zeit mehr sich ins Bett zu legen, um wenigstens eine oder zwei Stunden zu schlafen. Um neun Uhr erwartete Frank ihn am Black Desire.
Gabriel hatte gestern am späten Nachmittag noch ein längeres Telefonat mit seinem besten Händler für Computerzubehör geführt, und heute sollte bereits alles geliefert werden. Ihm war es recht, denn so konnte er schneller mit der Arbeit beginnen und sich von seinen derzeitigen Gedanken ablenken, die um seinen künftigen Arbeitsplatz kreisten.
Seufzend stand er auf und spürte ein heftiges Ziehen in der Lendenwirbelsäule. Sein mit Leder überzogener Bürostuhl war an und für sich bequem, aber nicht, wenn man stundenlang wie ein besessener Nerd systematisch eine Website studierte, und förmlich am Bildschirm klebte. Es war sicherlich nicht die erste Nacht, die er sich um die Ohren geschlagen hatte, und würde auch bestimmt nicht die Letzte sein, doch für den Rücken war ein ordentliches Bett eindeutig besser.
Immer noch fasziniert von den vielen Eindrücken der letzten Stunden, schlurfte er ins Bad und zog sich auf dem Weg dorthin aus. Gabriel stieg unter die Dusche und drehte das warme Wasser auf. Genießerisch schloss er die Augen und ließ sich von dem angenehmen Wasserstrahl verwöhnen, der wie eine leichte Massage auf seinem Rücken niederprasselte.
Zum hundertsten Mal fragte er sich, wo er da nur hineingeraten war, nachdem seine Neugier ihn gestern Abend auf die Website des Black Desires geführt hatte. Immer wieder spukten die Bilder durch seinen Kopf und brachten seine Fantasie auf Hochtouren. Der öffentliche Teil war ein ganz normaler Bar- und Tanzbereich, wie in einem der zahlreichen Gay-Clubs, sogar einen Darkroom gab es. Damit endete allerdings der Vergleich. Der Club bot exklusive Zimmer an, die man für eine Nacht mieten konnte. Dazu einen der vielen Callboys, die ebenfalls auf der Internetseite angepriesen wurden. Einer aufreizender als der andere. Das allein war etwas, dass ihn sicherlich noch lange beschäftigen würde.
Ursprünglich war er in einer gut bürgerlichen und christlichen Familie aufgewachsen, die seine homosexuelle Neigung nur mit Zähneknirschen akzeptierte – und das auch nur, weil sein älterer Bruder verheiratet war und zwei Kinder hatte, die die Erbfolge sicherten. Wenn seine Eltern wüssten, wo er die kommenden Tage arbeitete, würden sie für seine Seele beten.
Grinsend seifte er sich ein. Vielleicht sollte er ihnen nicht nur verraten, dass er in einem Bordell die Computeranlage auf Vordermann brachte, sondern dass es dort auch SM-Spielzimmer gab. Bei der Vorstellung schüttelte es ihn. Er mochte es lieber sanft und gefühlvoll. Demütigungen und Schmerzen gehörten für ihn nicht zu einem erotischen Liebesspiel. Aber jeder nach seiner Fasson, war eines seiner Mottos.
Was Gabriel wirklich erschüttert hatte, war die Option ein VIP-Mitglied zu werden. Bei den unterschiedlichen Abonnements konnte man locker über zehntausend im Monat zahlen, für ein Jahr sogar hundertvierzigtausend Pfund. So viel verdiente er nicht einmal in vier Jahren und andere warfen es für ein wenig käufliche Liebe aus dem Fenster. Obwohl es ihn sehr interessiert hätte, welche exklusiven jungen Männer dort angeboten wurden, musste er auf diesen Einblick verzichten. Dazu hätte er erst Mitglied werden müssen. Trotz seiner guten Kenntnisse im Hacken von Onlinedaten war es ihm nicht gelungen, hinter die Fassade zu blicken. Wer immer die Codes geschrieben hatte verstand sein Handwerk.
»Verdammt … du solltest dich lieber auf deinen Job konzentrieren«, schimpfte er leise und griff nach dem Shampoo.
Eine halbe Stunde später war er angezogen. Aufs Rasieren verzichtete er, sonst käme er wirklich noch zu spät. Eilig schnappte er sich im Vorbeigehen ein Stück kalte Pizza vom gestrigen Abend und rannte aus der Wohnung.
Abgehetzt, aber gerade noch rechtzeitig, bevor Frank mit dem Lieferwagen vorfuhr, traf Gabriel im Hinterhof des Black Desires ein. Sam, Sean Ashtons Assistent, war ihnen behilflich und zeigte ihnen, wo die Gerätschaften vorerst zwischengelagert wurden. Von ihm erhielt er schließlich auch einen Schlüssel für das kleine Büro im Erdgeschoss, nicht weit vom öffentlichen Bereich des Clubs entfernt. Inzwischen war es mit den neuen Rechnern, Bildschirmen, Tastaturen, zwei Laptops und jeder Menge Kabeln vollgestellt. Sogar einen neuen Server hatte Frank auf die Schnelle organisieren können. Damit war im Groben alles vorhanden, was Gabriel zum Arbeiten benötigte.
»Gib mir den Lieferschein und die Rechnung«, bat Sam und nahm beides entgegen. »Ich werde veranlassen, dass Frank sein Geld bekommt. Sean ist noch unterwegs, aber ich denke, ihr beide seid euch einig?«
»Ja. Ich hatte gestern Abend noch kurz mit ihm telefoniert. Wir werden auf jeden Fall im ganzen Haus W-Lan einrichten, dann fallen auch etliche Kabel weg.«
»Gut. Dann werde ich dich mal in Ruhe arbeiten lassen. Falls du etwas benötigst, findest du mich gleich neben Seans Büro. Wo der Serverraum ist, weißt du ja schon. Der Schüssel passt.«
»Danke.« Gabriel sah dem leicht untersetzten Mann nach, als er das kleine Büro verließ.
Dann ließ er seufzend seinen Blick über die Computer wandern. Einen Moment lang überlegte er, den neuen Server stehen zu lassen, entschied sich jedoch dagegen. Er musste zu allererst einmal die kompletten Daten überspielen. Also nahm er den Server – nicht größer als ein normaler Standrechner – auf den Arm, griff im Vorbeigehen nach einigen neuen Kabeln und verließ den Raum.
»Hi Süßer«, ertönte unerwartet eine Stimme vor ihm und er zuckte zusammen.
»Oh! Sorry … wollte dich nicht erschrecken«, sprach derjenige weiter und zwei Arme verhinderten, dass seine Last sich gefährlich nach vorne neigte.
Über das Gehäuse hinweg blickte er auf und erkannte einen jungen Mann, der ihn mit einem frechen Grinsen zunickte. Der Typ sah verboten gut aus in der hautengen Jeans und der offenen Weste über dem nackten Oberkörper. Doch an Riley kam er bei Weitem nicht ran, trotz der blauen Augen und dem aufreizenden Äußeren.
»D … da … danke«, stotterte Gabriel und biss sich augenblicklich auf die Lippen. Warum musste er ausgerechnet jetzt an Riley denken?
»Soll ich dir vielleicht helfen?«
»Ähm … nein, danke. Ich muss bloß zum Aufzug.« Mehr brachte Gabriel nicht heraus. Wenn er sich recht erinnerte, hatte er sein Gegenüber letzte Nacht auf der Website des Clubs gesehen, er war einer der Luxusboys, die für eine heiße Nacht über tausend Pfund kosteten.
»Dann begleite ich dich ein Stück«, sagte dieser und stellte sich ihm kurz darauf als Jamie vor.
»Hi, ich bin Gabriel. In den nächsten Tagen werde ich hier an der IT-Anlage arbeiten.«
»Dann sehen wir uns bestimmt noch öfter«, kam als Antwort und Jamie verabschiedete sich mit einem Zwinkern, bevor er weiter den Flur hinunter lief.
Gabriel versuchte weder an Jamie und schon gar nicht an Riley zu denken, stieg in den Fahrstuhl und fuhr in den fünften Stock. Auf der kurzen Fahrt nach oben, fragte er sich, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war diesen Auftrag anzunehmen. Je länger er an diesem Ort ein- und ausging, desto öfter würde ihm sicherlich der ein oder andere Callboy über den Weg laufen. Klar sahen sie alle zum Anbeißen aus, doch genau das irritierte ihn. Sie waren zu perfekt. Er dagegen fühlte sich als Außenseiter, wie das hässliche Entlein zwischen all den wunderschönen Schwänen. Anderseits benötigte er dringend die Kohle. Sein Erspartes würde nicht ewig reichen und seine Familie wollte er nicht anbetteln müssen.
»Tja, da musst du jetzt wohl durch «, flüsterte er vor sich hin. »Du tust einfach deine Arbeit, bist freundlich und das war‘s.«
Schließlich erreichte er sein Ziel und konnte den inzwischen ziemlich schwer gewordenen Tower abstellen. Während er die Arme ausschüttelte, sah er sich interessiert um. Der Raum wirkte auf den ersten Blick wie eine Abstellkammer. In den Regalen lagerten jede Menge Büroutensilien, sowie diverse Ordner, dazwischen stand ein Schreibtisch mit Stuhl. Nebenbei bemerkte er, dass die Klimaanlage lief. Zumindest wusste derjenige, der das hier ursprünglich eingerichtet hatte, im Groben, worauf es ankam. Nur bei den Computern hatte er kein gutes Händchen bewiesen. Gabriel hatte selten solch einen Schrott gesehen.
Bevor Gabriel sich frisch ans Werk machte, beschloss er zuvor eine zu rauchen. In den kommenden Stunden würde er alle Hände voll zu tun haben, alles vorzubereiten und schließlich mit der Datenüberspielung beginnen. Er schnappte sich den Schlüssel, schloss ab und lief zurück zum Fahrstuhl. Der Aufzug ruckelte hinab ins Erdgeschoss und gerade als er die Tür zum Hinterhof öffnen wollte, hörte er auf der anderen Seite jemanden brüllen.
»Verfluchte Scheiße! Das hat ein Nachspiel!«
Die Tür wurde aufgerissen und er stand Sean Ashton gegenüber. Sein verärgerter Gesichtsausdruck verwandelte sich innerhalb Sekunden in eine freundliche Miene.
»Du bist ja schon da«, stellte dieser zufrieden fest, trat ein und steckte sein Smartphone in die Manteltasche. Ihm folgte Riley mit gesenktem Kopf.
»Hi. Ja, es ging alles schneller, als ich dachte«, antwortete Gabriel und versuchte sich auf sein Gegenüber zu konzentrieren. Sein Blick wanderte aber immer wieder zu Riley, der den Eindruck erweckte, als wollte er sich hinter Sean verstecken.
»Das freut mich. Aber lass uns später reden, Gabriel. Ich muss etwas erledigen, das leider keinen Aufschub duldet. Riley kommst du?« Sean sah über seine Schulter.
»Geh schon vor, ich rauch noch eine.« Rileys Blick ruhte auf Gabriel, den er zaghaft anlächelte.
»Gut. Danach solltest du dringend ein paar Stunden schlafen«, riet Sean und verschwand im Aufzug.
»Was hat er denn? So wie er sich gerade aufgeführt hat, könnte man meinen, er wäre dein Vater.« Gabriel hielt Riley die Tür zum Hinterhof auf und zwinkerte ihm dabei belustigt zu.
Riley lachte. »Ab und an hat er schon so eine Art seltsamen Vaterkomplex. Und nein, er ist nicht mein Vater. Aber ich bin sein Neffe.« Daraufhin senkte er den Blick und wurde schlagartig wieder ernst.
»Oh.« Überrascht folgte er Riley ins Freie. Mit dieser Offenbarung hatte er nicht gerechnet. Aber es erklärte wenigstens, warum er in der Penthouse-Wohnung wohnte und für Sean kochte.
»Hier, ich spendiere eine.« Riley reichte ihm wie gestern die Zigarettenschachtel und Gabriel bediente sich.
»Danke. Feuer?« Gabriel hielt ihm im Gegenzeug das Feuerzeug hin.
Aus den Augenwinkeln beobachtete er Riley, der heute in sich gekehrt wirkte. Außerdem fielen ihm eine aufgeplatzte Lippe auf, die sein schönes Gesicht verunstaltete, sowie ein kleines Veilchen am linken Augenwinkel. Schließlich nahm Gabriel seinen ganzen Mut zusammen. »Was ist mit dir passiert?« Dabei deutete er mit einer Kopfbewegung auf die Verletzungen.
»Ach das …«, Riley drehte sich rasch weg, sodass Gabriel ihn lediglich im Profil betrachten konnte. »Ich hatte im Dunkeln einen kleinen Zusammenstoß mit der Badezimmertür. Alles halb so wild.«
»Elektrisches Licht ist eine tolle Erfindung«, feixte Gabriel.
»In gewissen Situationen.« Riley lachte leise und seufzte schließlich.
Danach verfielen beide in Schweigen und Gabriel verspürte auf einmal den Anflug eines schlechten Gewissens. Woher es herrührte, wusste er nicht. Schließlich rauchte er seine Zigarette zu Ende und warf sie auf den Boden, wo er sie mit der Ferse des Schuhs austrat. Dann hob er den Stummel auf und blickte sich suchend um. Nicht weit vom Hintereingang entfernt, stand ein kleines Fass, gefüllt mit Sand, in dem sich schon mehrere aufgerauchte Zigaretten tummelten. Er warf seine dazu. Als er sich umdrehte, prallte er fast mit Riley zusammen, der plötzlich direkt vor ihm stand.
Seine saphirblauen Augen sahen ihn mit einem außergewöhnlichen Leuchten an. Der Blick brachte Gabriels Herzschlag zum Rasen. Seine Kehle fühlte sich trocken an. Für einen Moment hätte er am liebsten mit dem Finger sachte die verletzte Lippe berührt. Er konnte diesem Drang gerade noch widerstehen.
»Kommst du heute Mittag zum Essen vorbei? Es gibt Gnocchi-Salat mit Zucchini und Paprika. Sean wird heute sicherlich nichts essen wollen, dafür kenne ich ihn zu gut.«
Wie gebannt beobachtete er Riley, der sich an ihm vorbeischob und den Zigarettenstummel ins Fass warf. Dabei stieg ihm der süßlich herbe Duft seines Eau de Toilette in die Nase und er schloss die Augen. So müssen Engel riechen, dachte er verträumt.
»Ach ja … wenn du möchtest, bringe ich dir gern später einen Kaffee vorbei«, hörte er ihn sagen.
»Ähm … ja.« Gabriel spürte, wie ihm die Hitze ins Gesicht schoss.
»Mittagessen? Kaffee? Oder beides?«
Gabriel senkte den Kopf und atmete tief durch. Er versuchte, den Bann abzuschütteln, mit dem er ihn eindeutig belegt hatte, und erwiderte schließlich Rileys Blick, der ihn gespannt beobachtete.
»Ja … ähm … beides wäre toll.« Am liebsten hätte er sich geohrfeigt, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. In Rileys Gegenwart schien dies jedoch ein Ding der Unmöglichkeit zu sein.
»Klasse. Ich bin dann mal weg. Falls Sean dich fragt, sag ihm einfach ich schlafe.«
»Okay. Bis später.« Nachdenklich sah er Riley hinterher.
»Er ist bestimmt abgehauen, weil du dich wie ein Idiot benimmst«, rügte sich Gabriel und schüttelte mehrmals den Kopf. Frustriert griff er in seine Jackentasche und zog seine Zigarettenschachtel heraus. Er musste noch eine rauchen.
Fünf Minuten später stand er vor dem Aufzug. Als sich die Tür öffnete, kam ihm Sean entgegen.
»Hast du Riley gesehen?«, fragte er prompt.
»Er wollte nach oben und schlafen«, antwortete Gabriel.
Sean lachte und steckte sein Handy in die Manteltasche. »Das glaube ich nicht. Ich komme gerade aus dem Penthouse. Ans Handy geht der Herr auch nicht. So typisch für ihn. Falls du ihn siehst, tu mir den Gefallen und richte ihm aus, dass ich dringend mit ihm reden muss. Er weiß schon, um was es geht.«
Gabriel nickte und musste sich ein Grinsen verkneifen. Die beiden spielten offensichtlich ein Katz- und Mausspiel. Wobei er Riley gut verstehen konnte. Wenn er seine Ruhe haben wollte, dann ignorierte er ebenfalls Handy und Türklingel.
»So sind Neffen wohl«, meinte Gabriel grinsend. Er musste an seine eigenen denken. Luca und Daniel waren zum Glück noch klein. Luca lernte seit Kurzem das Laufen und Daniel ging gerade erst in die Vorschule.
Einen Moment blickte Sean ihn überrascht an, dann lächelte er. »Ja … so kann man das auch sagen. Riley hat gerne ab und an seinen eigenen Kopf. Manchmal kann es allerdings auch nerven.« Nach einer kurzen Pause und fügte er hinzu. »Sam hat mir erzählt, dass bereits alles geliefert wurde. Du musst nur mit der Alarmanlage aufpassen, die ebenfalls über das System gesteuert wird. Die Passwörter und Zahlencodes gebe ich dir noch. Die sind im Tresor.«
»Kein Problem. Ich kenne mich gut mit solchen Systemen aus. Ist nicht die erste Anlage, die ich installiere.«
»Ich wusste doch, dass Matt einen guten Riecher hat. Er hat mich gestern nach unserem Telefonat übrigens noch angerufen und gefragt, ob du den Auftrag bekommen hast.«
»Oh … der sorgt sich ja scheinbar richtig um mich.« Gabriel wäre am liebsten im Boden versunken. Es kam ihm vor, als wollte sein bester Freund ihn bevormunden. Außerdem fiel ihm ein, dass er sich unbedingt noch bei ihm bedanken musste.
»Besser so, als umgekehrt«, sagte Sean, griff nebenbei in die Manteltasche und zog sein Smartphone heraus, das eine leise Melodie von sich gab. »Entschuldige mich, da muss ich ran.«
»Kein Problem. Ich … ich bin dann oben.« Gabriel stieg in den Aufzug und drückte auf den Knopf für das 5. Stockwerk.
Sean bedachte ihn mit einem Nicken. »Was ist denn los, Finn? Ich dachte, du bist …«
Mehr bekam Gabriel nicht mit, da sich die Tür schloss.
Finn. Dieser Name kam ihm bekannt vor. Wenn ihn seine Erinnerung nicht trog, hatte Matthew einmal einen Finn erwähnt.
*
Es klopfte zweimal an der Tür und Gabriel sah zum ersten Mal seit Stunden vom Monitor auf. Seine Armbanduhr verriet, dass es bereits zwei Uhr nachmittags war.
»Ich möchte dich nicht stören«, hörte er Rileys Stimme. »Aber das Essen ist fertig.«
Gabriel drehte sich mit einem Lächeln um. »Sorry, das habe ich ganz vergessen.«
»Dachte ich mir.« Riley grinste. Neugierig trat er ein und starrte auf den Bildschirm, der inzwischen mit dem neuen Server verbunden war. »Kommst du gut voran?«
»Ja. Ein Teil der alten Daten ist bereits überspielt. Der Server läuft gut. Aber da steckt noch Menge Arbeit drin.« Während er sprach, legte er den Kopf in den Nacken und streckte sich. »Wenn nur nicht diese blöden Nackenschmerzen wären.«
»Verspannt?«, erkundigte sich Riley.
»Ein wenig. Liegt wohl daran, dass ich die halbe Nacht unbequem vor meinem Rechner saß und ...« Die restlichen Worte, die ihm bereits auf der Zunge lagen, schluckte er herunter. »Sagen wir es mal so … ich bin’s gewohnt. Nichts, was eine heiße Dusche nicht wieder hinbekommt.«
»Komm her, ich massiere dich«, bot Riley an und drehte ihn samt Bürostuhl wieder gen Bildschirm.
»Aber …«, mehr brachte Gabriel nicht heraus, da legten sich bereits zwei Hände auf seine Schultern und begannen vorsichtig seine verhärtete Muskulatur durch den dünnen Pullover hindurch zu massieren. Genussvoll schloss er die Augen und spürte seinen beschleunigten Herzschlag. Zugleich fühlte er ein angenehmes Kribbeln über den Rücken und die Arme wandern.
»Das tut gut«, sagte Gabriel und stöhnte leise. »Hast du das schon öfter Leute massiert?«
»Manchmal. Mit Massageöl ist das allerdings viel effektiver. Ich glaube, ich muss dich später auf einen kleinen Ausflug mitnehmen, bevor der Trubel hier beginnt.«
»Einen Ausflug?« Gabriel öffnete die Augen und drehte sich zu ihm um.
Mit einem breiten Grinsen blickte Riley ihn an. »Das Black Desire hat einen eigenen Spa-Bereich. Eigentlich ist er nur für die ganz besondere Kundschaft. Aber wenn ich sage, dass du ein Freund bist, meckert keiner.«
»Ist das dein Ernst?«, fragte Gabriel überrascht. In Gedanken erinnerte er sich an die Bilder der Website. Komfort pur.
»Ja klar. Alle Jungs, die hier arbeiten, benutzen ihn auch privat. Und wenn man es genau nimmt, arbeitest du ja auch jetzt hier.« Riley zwinkerte ihm zu.
Gabriel seufzte sehnsüchtig und brachte lediglich ein Nicken zustande.
»Dann ist es also beschlossene Sache.« Riley ergriff Gabriels Hand und zog ihn auf die Beine. »Und jetzt wird erst mal was Ordentliches gegessen.«
Überrumpelt und mit leicht zittrigen Knien ließ er sich aus dem Raum führen und begleitete Riley zu dessen Wohnungstür, die nur angelehnt war.
»Schau dich nur nicht so genau um«, sagte Riley. »Susann hat zurzeit Urlaub und ich bin nicht so gut im Ordnung halten. Katy und Paula, die die unteren Zimmer reinigen, haben genug zu tun. Die können sich nicht auch noch um meine Bude kümmern.«
Innerlich musste Gabriel grinsen. Wenn Riley nur wüsste, wie es bei ihm zu Hause aussah. Chaos beschrieb nicht einmal annähernd die Katastrophe, die sich in seinen vier Wänden ausgebreitet hatte. Umso neugieriger folgte er ihm ins Penthouse. Staunend schaute er sich um. Die komplette Wohnung war in Weiß gehalten und strahlte puren Luxus pur aus.
Vom Eingang aus kamen sie direkt ins Wohnzimmer. Gabriel schätzte es doppelt so groß wie seine gesamte Zweizimmerwohnung. Die linke Außenwand bestand aus einer Glasfront, bis auf eine Ausnahme. In der Mitte gab es ein ungefähr zwei Meter breites, festes Mauerwerk und dort hing ein großflächiger Plasmafernseher. Darunter befanden sich in einem Glasregal ein Receiver sowie eine Stereoanlage und jede Menge CDs. Die Lautsprecherboxen hingen an der gegenüberliegenden Wand, oberhalb einer weißen Ledercouch mit beigefarbenen Sofakissen. Davor war ein Couchtisch aus schwarzem Marmor und mit roten Füßen platziert, der auf einem hellen, runden Flauschteppich ruhte. Der Boden selbst war mit Parkett ausgelegt. Zu beiden Seiten des Ledersofas gab es zwei kleine weiße Beistelltische. Auf dem einen stand eine Lampe mit beigefarbenem Schirm, auf dem anderen eine mit einem schwarzen Schirm. An den Fenstern hingen schwarze Vorhänge.
Im hinteren Bereich befand sich zwischen zwei geschlossenen Türen ein raumhoher Schrank, der von oben bis unten mit Büchern vollgestopft war.
Rechts vom Wohnbereich stach Gabriel eine offene Küche mit Kochinsel sowie einem Glastisch und weißen Lederstühlen ins Auge. Die Küchenzeile war mit den modernsten Gerätschaften ausgestattet und vom Herd wehte ein köstlicher Duft herüber. Von besagtem Chaos konnte er allerdings nicht viel entdecken, außer dem benutzten Kochgeschirr.
»Wow, du hast ja sogar den Tisch gedeckt«, erfreute sich Gabriel beim Anblick des Küchentisches.
»Na klar. Was wäre ich sonst für ein Gastgeber.«
Beide lachten und Riley lief voraus, Gabriel folgte ihm langsam, während er immer noch fasziniert die Einrichtung betrachtete. Obwohl so viel Weiß im Penthouse vorherrschte, verliehen die farblichen Akzente der Einrichtung einen besonderen Flair.
»Dieses gesamte Gebäude ist einfach nur Luxus«, sagte Gabriel und schüttelte kaum merklich den Kopf.
»Du hättest es mal vor dem Umbau sehen sollen«, sagte Riley und lud Gabriel mit einer Geste ein, auf einem der Stühle Platz zu nehmen. Anschließend ging er zum Ofen und nahm zwei fertig angerichtete Teller heraus, die er dort warmgehalten hatte. »Alles hier ist neu, nicht nur das Penthouse. Den Spa-Bereich gab es vorher überhaupt nicht. Der war Seans Idee. Die Zimmer sind alle renoviert und neu eingerichtet. Früher, als Edward den Club noch führte, da war alles so dunkel und ich habe mich nie richtig sicher gefühlt. Aber jetzt, mit Sean, ist es hell und freundlich. Edward verließ sich immer viel zu sehr auf seine Bodyguards, die wie Soldaten durch das Haus patrouillierten. Jetzt gibt es eine neue Alarmanlage und unauffällige, aber dennoch gut geschulte Security-Leute.«
»Bodyguards?« Überrascht setzte sich Gabriel und beobachtete Riley, der beide Teller abstellte und ebenfalls Platz nahm. Der angekündigte Gnocchi-Salat mit Zucchini und Paprika roch köstlich und ihm lief das Wasser im Mund zusammen.
»Edward hatte so einen Tick, dass alles und jeder hinter ihm her wäre. Er war ein Spinner.«
Gabriel runzelte die Stirn. »Ich will ja nicht neugierig sein, aber wer ist Edward?«
»Stimmt, den kannst du gar nicht kennen.« Riley seufzte. »Er ist ... oder eher war ... Seans und Tylers Vater. Sean hat von ihm alles geerbt, inklusive der Millionen auf dem Konto.«
»Okay. Ich lerne heute etliches dazu.« Grinsend nahm Gabriel die Gabel und betrachtete sehnsüchtig das schmackhaft aussehende Essen.
»Iss, bevor es kalt wird.« Riley tat es ihm nach, probierte und schloss genießerisch die Augen. »Mhhh … einfach lecker.«
Gabriel kostete ebenfalls und stellte mit einem seligen Seufzen fest, wie perfekt abgeschmeckt das Gericht war.
»Ich lade mich jetzt jeden Tag bei dir ein.« Er zwinkerte seinem Gastgeber verschmitzt zu.
»Kannst du gerne tun… ich mag Besuch.« Riley zwinkerte grinsend zurück und Gabriel senkte verlegen den Kopf. Wieder einmal raste sein Puls und die Nervosität kehrte zurück.
Schließlich versuchte er, sich auf das Essen zu konzentrieren, aber es fiel ihm zunehmend schwerer. Immer wieder erwischte er sich, wie er zu Riley hinüberschielte. Dieser junge Mann besaß etwas, was er nicht einmal annähernd in Worte fassen konnte, selbst wenn er es gewollt hätte. Seine natürliche Schönheit hatte sicherlich etwas damit zu tun, doch es war mehr als das. Riley war nicht wie die Männer, die er bisher kennengelernt hatte. Er schien auf seine ganz eigene Art etwas Besonderes zu sein.
Schweigend genossen sie das Essen, als es plötzlich an der Wohnungstür klingelte. Riley entschuldigte sich und eilte davon. Von seinem Platz aus konnte Gabriel alles gut einsehen und hören. Als die Tür geöffnete wurde, folgte lautes Gebell. Wie ein Pfeil schoss ein weißes Fellknäuel auf ihn zu.
»Hi Henry. Dich habe ich ja ganz vergessen.« Gabriel beugte sich zu dem Hund und streichelte dem kleinen, quirligen Kerl über den Kopf.
»Ihr seid früh zurück, Sam«, sagte Riley. »Willst du mit uns essen?«
»Es ging ziemlich schnell beim Tierarzt«, antwortete Sam mit seiner tiefen Bassstimme. »Jetzt habe ich keine Zeit, aber du kannst mir gerne etwas aufheben. Wegen des Treffens mit dem Architekten bin ich auch länger hier.«
»Okay. Ich stelle es dir später runter in die Küche. Werde auch einen Zettel dazu legen, nicht dass Andy dir wieder alles wegschnappt.« Riley lachte und Sam fiel mit ein. »Danke wegen Henry.«
»Kein Problem«, sagte Sam. »Gabriel, lass es dir schmecken«, rief er unerwartet laut in die Wohnung hinein. »Du hast Glück bei einem der besten Köche von London eingeladen worden zu sein.«
»Ähm … danke«, antwortete Gabriel und spürte, wie ihm die Verlegenheit erneut ins Gesicht schoss.
Während er Henry weiter streichelte, beobachtete er aus den Augenwinkeln Riley, der sich von Sam verabschiedete und zurückkam. Kaum saß er, raste Henry zu ihm hinüber und gab erst Ruhe, als er den Hund auf den Schoß nahm. Mit einem Grinsen sah er zu, wie Henry Rileys Gesicht mit Hundeküssen bedeckte.
»Wie alt ist er?«, erkundigte sich Gabriel, der als kleiner Junge, zusammen mit seinem fünf Jahre älteren Bruder Simon, einmal einen Golden Retriever gehalten hatte.
»Er wird nächsten Monat ein Jahr. Sam war mit ihm wegen einiger Impfungen beim Arzt. Eigentlich wollte ich ja selbst mit ihm gehen, aber heute ist nicht so mein Tag.« Dabei deutete er mit einer schiefen Grimasse auf die Blessuren im Gesicht.
Gabriel nickte verständnisvoll. »Hat Sean dich inzwischen erreicht?«
»Ja … leider«, antwortete Riley. Es war nicht zu übersehen, dass ihm das Thema unangenehm war. »Aber lass uns lieber über etwas anderes reden. Wie kommt man eigentlich dazu, sich für Computer zu interessieren?«
Das war eine berechtigte Frage und er beantwortete sie gern. »Seit ich meinen ersten Computer mit zwölf bekam, wollte ich wissen, wie sie funktionieren, wie sie aufgebaut sind und was man damit alles anstellen kann.« Gabriel aß zwei Gabeln voll, bevor er fortfuhr. »Natürlich habe ich auch Computerspiele gezockt und verbrachte die meiste Zeit im Internet, wo ich vieles über Computer und ihre Funktionsweisen und so weiter recherchierte und mir das ein oder andere Wissen aneignete. Und so kam es, dass aus einer Leidenschaft ein Beruf wurde. Nach der Schule bin ich aufs College und studierte Informatik. Bis vor einem Jahr arbeitete ich noch in einer großen IT-Firma. Leider mussten sie Stellen abbauen und ich war mit einem Schlag arbeitslos. Da kam ich auf die Idee, mich selbstständig zu machen.«
»Das klingt richtig interessant. Vielleicht kannst du mir ja irgendwann mal zeigen, wie man am Computer spielt.« Riley lächelte und setzte Henry auf dem Boden ab. Dann nahm er seinen halb leeren Teller und gab die Reste dem Hund, der sich sofort darauf stürzte.
Gabriel ließ sich seine Überraschung nicht anmerken. Ein Mann seines Alters, der nichts über Computerspiele wusste, war ihm bisher nicht begegnet. »Klar, warum nicht«, sagte er nach einer kurzen Pause. »Glaub mir, so interessant ist mein Beruf auch wieder nicht, aber er bereitet mir Spaß. Und was ist mit dir? Bist du Koch?«
Riley senkte den Blick. »Kochen ist eher eine Leidenschaft von mir. Besser gesagt ein Hobby. Vor vier Jahren habe ich damit begonnen. Seitdem ich Henry habe, gehen wir zwei oft in den Park. Wenn ich Zeit und Lust habe, dann lese ich auch gern. Am liebsten mag ich Science-Fiction- und Horror-Bücher.«
»Das kann ich gut verstehen, ich lese auch sehr gern. Wobei ich mehr auf Krimis und Thriller stehe.« Gabriel erinnerte sich an das Bücherregal, das er beim Eintreten gesehen hatte. »Du müsstest mal meine kleine Bude sehen. Die ist vollgestellt mit einem riesigen Bücherregal.«
»Möchtest du eigentlich etwas trinken? Das habe ich total vergessen!« Riley sprang vom Stuhl auf und lief zu einem der Küchenschränke. »Ich bin wirklich ein schlechter Gastgeber«, fügte er leise hinzu, aber nicht leise genug. Gabriel hatte den Eindruck, als wollte Riley vor ihm flüchten.
»Ein Wasser wäre klasse. Du bist übrigens ein toller Gastgeber. So gut habe ich schon lange nicht mehr gegessen und dann auch noch in so toller Gesellschaft.« Kaum hatte Gabriel die Worte ausgesprochen, biss er sich auf die Lippen. Obwohl er Riley erst seit gestern kannte, fühlte er sich in seiner Gegenwart wie ein kleiner Junge, der ständig das Gefühl hatte, etwas Falsches zu sagen. Was wohl daran lag, dass er unglaublich von Riley fasziniert war.
»Meinst du das ernst?« Riley wirbelte herum und strahlte über das ganze Gesicht.
»Warum sollte ich lügen?« Ein wenig unsicher grinste er sein Gegenüber an und beschloss das Thema zu wechseln. »Darf Henry meinen Rest auch noch essen? Es war wirklich sehr lecker, aber ich bin echt satt.«
»Klar. Henry lässt sich nichts entgehen. Ich weiß, das spricht nicht gerade für eine gute Erziehung, und das Essen ist nicht so gesund für meinen Kleinen. Aber er hat seinen eigenen Kopf und ich gebe viel zu schnell nach. Gib sie ihm nur.« Riley drehte sich wieder um und Gabriel stellte seine fast leeren Teller auf dem Boden ab.
Sofort stürzte sich Henry auf die übrig gebliebenen Gnocchis. Offensichtlich schien es ihm ebenso gut zu schmecken wie Gabriel.
Mit zwei Gläsern Wasser kam Riley an den Tisch zurück und zog eine Zigarettenschachtel aus der Hosentasche.
»Du verrätst mich doch nicht, oder? Bis unten auf den Barbereich und im Aufenthaltsraum der Jungs ist eigentlich im gesamten Gebäude Rauchverbot. Manchmal habe ich aber einfach keine Lust nach unten zu gehen.«
»Nur, wenn ich diesmal eine ausgeben darf.« Gabriel trank einen Schluck Wasser und reichte Riley seine Zigarettenschachtel hinüber.
»Danke. Feuer?«, revanchierte er sich.
Gabriel lehnte sich satt und zufrieden zurück und zog genüsslich an der Zigarette.
»Ich darf gar nicht dran denken, dass ich eigentlich seit fast zwei Jahren aufhören will.«
»Sean ist auch der Meinung, ich sollte endlich davon loskommen«, sagte Riley und kicherte. »Da stößt er bei mir allerdings auf taube Ohren. Bis vor ein paar Jahren hat er selbst noch geraucht und dann plötzlich von einem Tag auf den anderen aufgehört. Seitdem ist er sehr kritisch bei diesem Thema.«
»Da kann er meinem Dad die Hand reichen.« Gabriel lachte und sah seinen Vater vor sich, der ebenfalls dieses Laster von heute auf morgen abwerfen konnte und seitdem jedem einen Vortrag über die bösen Glimmstängel hielt, der es wagte sich in seiner Nähe eine Zigarette anzustecken – egal ob derjenige es hören wollte oder nicht. »Was sagen deine Eltern dazu?«
Riley seufzte tief, nahm das Glas und trank es in einem Zug leer. Als er es wieder abstellte, stand er auf und lief hinüber zu einem der Fenster, die hier genauso zahlreich waren wie im Wohnbereich. »Ich weiß nicht, was sie sagen würden. Meine Mutter ist gestorben, da war ich gerade vier. Mein Vater hat sich verabschiedet, als ich neun war. Davor hat er viel getrunken.«
Beschämt sah Gabriel auf die Tischplatte. »Tut mir leid.«
»Muss es nicht. Du konntest es doch nicht wissen«, kam es von Riley. »Wie lange wirst du heute noch arbeiten? Denn wenn ich mit dir in den Spa-Bereich will, dann sollten wir uns besser beeilen.«
Wie aufs Stichwort spürte Gabriel wieder seine verspannte Nackenmuskulatur. Sollte er auf den Vorschlag eingehen? Er war sich unsicher, wobei das Angebot wirklich verlockend war.
»Ähm … ich … ich …«
»Wenn du nicht willst, musst du nicht. Ich dachte nur, so ein wenig Entspannung könnte dir ganz gut tun.«
Gabriel sah ihn verlegen an.
»Falls du dir Sorgen wegen Sean machst, dann vergiss die gleich wieder.« Riley kam zurück zum Tisch und brachte einen Aschenbecher mit. »Betrachte es eher als ein Privileg. Du gehörst eben einfach zu den wenigen, die dafür nichts zahlen müssen.« Er nahm den letzten Zug und drückte die Zigarette aus.
»Nun gut«, sagte Gabriel schließlich mehr zu sich selbst. »Gib mir noch eine halbe Stunde, dann bin ich so weit.«
*
Ohne die letzten dreißig Minuten wirklich etwas getan zu haben, schaltete Gabriel schließlich den Bildschirm aus. Das Überspielen der restlichen Daten während der nächsten Stunden brauchte er nicht zu überwachen. Zur Sicherheit, falls Sean oder sein Assistent Sam vorbeikommen und sich fragen sollten, wo er denn steckte, hinterließ er einen Notizzettel mitsamt seiner Handynummer. Nervös schnappte er sich die Tasche und Jacke, verließ den Serverraum und schloss sorgfältig hinter sich ab. Gerade als er überlegte, was er jetzt tun sollte, kam Riley auf ihn zu, der etwas unter dem Arm trug.
»Ich hoffe, sie passt dir«, sagte er und überreichte Gabriel eine Badehose. »Aber so wie ich das sehe, haben wir ungefähr die gleiche Größe.«
»Danke«, nuschelte Gabriel scheu und folgte Riley zum Aufzug.
Sie fuhren in den vierten Stock und betraten einen geräumigen Korridor, der sich deutlich vom Rest des Gebäudes unterschied, soweit er das sagen konnte, denn er hatte noch längst nicht alles gesehen. Die hellen Wände waren dunkleren Farben gewichen, und die Beleuchtung war dezent. Es wirkte, als würden die Wände selbst ein diffuses Licht ausstrahlen.
Riley führte ihn zu einer Tür mit der Aufschrift ›Privat‹, hinter der sich eine puristisch anmutende Umkleide verbarg. Zwei Bänke in der Mitte und mehrere Spinde zu beiden Seiten des Raumes waren alles, was sich hier befand.
»Du kannst deine Sachen ruhig liegen lassen. Die sind hier sicher«, sagte Riley und begann sich völlig ungeniert vor Gabriels Augen zu entkleiden. Zuerst zog er seinen schwarzen Pullover aus, anschließend knöpfte er die Jeans auf. »Na komm schon. Ich beiße nicht.«
»Schade«, antwortete Gabriel prompt und lachte.
»Soll ich es mal ausprobieren?« Riley zwinkerte.
»Lieber erst nach deiner versprochenen Massage.« Gabriel grinste und legte die Tasche und die Jacke ab. Er war sich sicher, dass sein Kopf einer überreifen Chilischote glich. Ohne weitere Worte tat er es seinem Gegenüber gleich, schielte dabei aber immer wieder aus den Augenwinkeln zu ihm hinüber. Er konnte seinen Blick einfach nicht von dem wunderschönen Mann lassen. Riley zog ihn magisch in seinen Bann. Sein wohlgeformter und gut trainierter Körper war von einigen Tattoos verziert und wirkte auf ihn schlichtweg unwiderstehlich. An seinem rechten Oberarm erkannte er ein brennendes Kreuz, und auf der linken Seite der Brust sah er einen Phoenix, der die Flügel ausgebreitet hatte, als würde er sich gerade in die Luft erheben. Das Aufregendste war jedoch ein Tribal-Tattoo, das sich von oberhalb der rechten Taille abwärts schlängelte und nur vom Bund, der bis zu den Knien reichenden Badehose unterbrochen wurde. Einen Sekundenbruchteil fragte er sich, wie es wohl im Ganzen aussehen würde. Jeglicher Gedanke daran löste sich allerdings augenblicklich in Luft auf, als Riley sich umdrehte und ihm seinen Rücken präsentierte.
Zwei große Engelsflügel erstreckten sich über die gesamte Rückenpartie. Die Schatten jeder einzelnen Feder waren auf der Haut deutlich zu sehen, und je länger er sie anstarrte, desto echter wirkten sie.
»Die … die sind ja … der Hammer«, stammelte Gabriel völlig fasziniert.
»Du meinst die Flügel?« Riley wandte sich ihm zu. »Die waren ein Geburtstagsgeschenk von Sean. So gut sie aussehen, so lange hat es auch gedauert und es war nicht gerade angenehm.«
»Das glaube ich dir sofort.«
»Zieh dich in Ruhe um, ich gehe schon einmal vor, Gab.« Mit diesen Worten öffnete Riley eine milchige Glastür am Ende der Umkleide und verschwand.
Gabriel musste erst einmal tief durchatmen und setzte sich auf eine der beiden Bänke. Dieser Typ verdrehte ihm seit zwei Tagen im wahrsten Sinn des Wortes den Kopf. Nicht nur, dass er ihn eben zum ersten Mal bei seinem Spitznamen nannte. Nein. Riley berührte etwas in seinem Inneren, etwas, dass er vorher noch nie so intensiv empfunden hatte und auch nicht kannte. Es war mehr als pure Schwärmerei für einen anderen Mann. Aber auch keine bloße Verliebtheit, wie bei einem Teenager, der wegen einem gut aussehenden Typen blind durch die Gegend lief. Beinah fühlte es sich an, als würde Riley seine Seele berühren.
»Hör gefälligst auf mit diesen blöden Gedanken«, schimpfte er sich und entledigte sich hastig seiner restlichen Kleidung. Anschließend zog er die Badehose an. »Du benimmst dich ja wie ein verliebter Idiot.«
Erstaunt stellte er fest, dass Riley recht gehabt hatte und ihm die Hose wie angegossen passte. Seufzend nahm er all seinen Mut zusammen und folgte ihm durch die Glastür in den Spa-Bereich.
Augenblicklich wurde er von unaufdringlichem, aber dennoch eindrucksvollem Luxus und einer entspannten Atmosphäre eingehüllt. Vor ihm erstreckte sich ein Pool. Auf der einen Seite entdeckte er Ruheliegen, die von Vorhängen voneinander abgetrennt waren, und einige geschlossene Türen. Auf der anderen gab es zwei Whirlpools, die im Boden eingelassen waren. Im hinteren hatte es sich Riley bereits gemütlich gemacht. Entspannungsmusik drang aus versteckten Lautsprechern und es lag ein angenehmer Geruch in der Luft, den er jedoch nicht so recht einzuordnen wusste. Zudem war alles in ein sanftes orangefarbenes Licht getaucht. Ganz am Ende befand sich das Bistro, von dem er auf der Website gelesen hatte und das durch eine Glaswand vom Spa-Bereich abgetrennt war.
Mit einem leicht mulmigen Gefühl näherte er sich Riley, der ihn ungeduldig aufforderte, zu ihm ins warme Wasser zu steigen. In der Hoffnung, nicht einer Ganzkörpertomate zu ähneln, stieg er langsam die wenigen Stufen ins sprudelnde Wasser und setzte sich neben Riley. Gabriel lehnte sich zurück, schloss die Augen und bemerkte nach einigen Minuten erstaunt, dass er tatsächlich im Begriff war, sich fallen zu lassen.
»Wenn du Sean fragst, erlaubt er dir bestimmt öfter hierher zu kommen«, flüsterte Riley ihm plötzlich ins Ohr. »Natürlich nur, wenn kein Betrieb ist.«
Überrumpelt, weil er unerwartet so nah bei ihm war, konnte Gabriel nur nicken. Schon im nächsten Moment spürte er Rileys Hände auf seiner Schulter.
»Du musst dich vor mich hinsetzen, sonst funktioniert das nicht. Am besten setzt du dich auf meine Knie.«
Sanft, aber bestimmend zog er Gabriel näher zu sich heran, bis er in der richtigen Position war. Rileys Finger begannen ihm zuerst behutsam über die Schultern und den Nacken zu streicheln, dann bewegten sie sich gezielt zu den ertasteten Knoten und kneteten seine verspannte Muskulatur. Es war die beste Massage, die er je bekommen hatte, doch die Situation, in der er sich befand, trug nicht gerade dazu bei, dass er sich wirklich entspannen konnte. Sein Herz klopfte wie wild und ein heißer Schauer erfasste Gabriels Körper. Leise stöhnend genoss er Rileys Zuwendung, als er plötzlich ein eindeutiges Ziehen in den Lenden verspürte. Das Blut schoss in seine Körpermitte und brachte ihn in Erregung.
Peinlich berührt zuckte er zusammen. Fast im selben Moment hörte er eine Stimme, die nach Riley rief. Erschrocken hüpfte er ein wenig zur Seite und spritze ihnen beiden dabei Wasser ins Gesicht.
»Immer langsam mit den jungen Pferden. Du sollst dich doch entspannen.« Lachend zwinkerte ihm Riley zu.
Das war zu viel für Gabriel, der instinktiv weiter ins Wasser hinabrutschte und am liebsten tief im Erdboden versunken wäre.
»Da bist du ja«, sagte die Stimme und aus den Augenwinkeln heraus erkannte er Sam.
»Sean will dich sehen. Keine Ahnung, um was es geht, aber du sollst dich bei ihm blicken lassen, bevor das Geschäft losgeht. Und? Wie gefällt dir unser Spa?« Die letzten Worte richtete er an Gabriel.
»G… gut«, stotterte er und versank bis zur Nasenspitze im Wasser.
Riley seufzte. »Das heißt dann wohl im Klartext … sofort. Gab, wir müssen unsere Massage leider verschieben. Aber du kannst gern noch eine halbe Stunde hierbleiben.«
»Mach … ich, Riley.«
»Nenn mich doch Angel. Alle Freunde nennen mich so.«
*
Nach einer fast schlaflosen Nacht und wirren Gedanken, die sich ausschließlich um Riley drehten, wäre Gabriel am liebsten zu Hause geblieben. Er war nicht nur hundemüde, sondern auch noch unsicher, wie er sich ihm künftig gegenüber verhalten sollte. Zum Glück hatte er nicht mitbekommen, was ihm im Whirlpool passiert war, auch wenn er nicht ganz unschuldig an dem Missgeschick gewesen war. Aus diesem Grund beschloss Gabriel, Angel – wie er ihn künftig nennen sollte –, für heute aus seinen Gedanken zu verbannen und sich ausschließlich auf die Arbeit zu konzentrieren. Mit schnellen Schritten lief er weiter und sah schon bald das Leuchtschild mit der Aufschrift Black Desire.
»Hi Gab«, hörte er hinter sich eine Stimme, die er gut kannte. Überrascht drehte er sich um.
»Hi Matt.« Gabriel grinste von einem Ohr zum anderen. »Ich hätte jetzt mit jedem gerechnet, aber nicht mit dir. Was tust du hier am frühen Morgen?«
Sein bester Freund Matthew Harker kam ihm auf dem Bürgersteig vor dem Club entgegen geschlendert und beide umarmten sich. Der schicke dunkelblaue Anzug kleidete ihn gut.
»Ich habe einen Termin mit Sean Ashton.« Matt deutete auf seinen Aktenkoffer. »Seit fast einem Jahr bin ich jetzt neuer Rechtsbeistand. Wobei ich sagen muss, Tyler war nicht so ganz unschuldig daran, dass ich meinem früheren Chef den Rücken kehrte.«
Verwundert sah Gabriel ihn an. »Warum hast du mir das nie erzählt? Ich dachte, du arbeitest dich immer noch krumm und bucklig für den alten Miesepeter.«
»Sagen wir mal so«, antwortete Matt und lächelte verschmitzt. »Seans Rechtsanwalt musste leider krankheitsbedingt aufhören und ich war zu dem Zeitpunkt gerade am Überlegen, ob ich mich beruflich verändere. Tyler kam auf die Idee, ich sollte mal mit Sean reden. Und wie du siehst, habe ich den Job angenommen. Ich verdiene jetzt sogar mehr als vorher.«
»Du machst mich fertig.« Gabriel klopfte Matt auf die Schulter. »Gratuliere. Und ich muss mich bei dir für den Auftrag bedanken. Eigentlich wollte ich dich schon seit zwei Tagen anrufen, aber ständig kam etwas dazwischen.«
»Glückwunsch. Darauf müssen wir anstoßen.«
»Auf jeden Fall«, meinte Gabriel und zündete sich eine Zigarette an. »Wenn ich mit allem fertig bin, kann ich mir auch endlich ein neues Auto leisten.«
»Kleiner Tipp … Versuch nie wieder mit einem Kleintransporter auszufechten, wer Vorfahrt hat.«
»Danke.« Gabriel seufzte. »Auf die Idee wäre ich ohne dich nie gekommen.«
»Immer wieder gern.« Matt lachte und Gabriel konnte einfach nicht anders und fiel mit ein.
Fünf Minuten später fuhren sie gemeinsam mit dem Aufzug in den fünften Stock. Gabriel wollte sich gerade von Matt verabschieden, als dieser ihn zurückhielt.
»Warte noch einen Moment. Du solltest vielleicht besser mitkommen.«
»Aber … aber ich … kann doch nicht … einfach bei eurer Besprechung rumlungern … das geht mich doch gar nichts an!«
»Klar kannst du. Ich bin heute zwar noch wegen anderen wichtigen Dingen hier, aber eine Sache betrifft dich.«
Konsterniert starrte Gabriel seinen Freund an. »Dann wusstest du also schon, dass Sean mich wegen der IT-Anlage engagiert hat?«, argwöhnte er.
»Das wusste ich bereits fünf Minuten später.« Matt zwinkerte ihm zu.
»Das nenne ich eine Verschwörung.«
»Ein Dankeschön reicht völlig.«
»Du Idiot.« Gabriel boxte ihm feixend gegen den Oberarm. »Danke. Wann gehen wir was trinken?«
»Am Wochenende hat Tyler wieder Dienst. Dann laden wir dich ein. Glaub mir, Tyler mixt dir die besten Cocktails dieses Planeten – und wahrscheinlich auch aller anderen. Versprochen.«
Gabriel schluckte. Er hatte mit allem gerechnet, aber nicht, sich mit Matthew und Tyler ausgerechnet im Black Desire zu treffen.
»Guck nicht so. Die Bar ist ein ganz normaler öffentlicher Bereich. Obwohl ich gestehen muss, als mich Harry damals zur Neueröffnung her schleifte, sah ich in etwa genauso aus, wie du gerade.« Matt seufzte. »Inzwischen bin ich froh, dass ich an jenem Abend mitgegangen bin, sonst wäre ich Tyler womöglich nie begegnet.«
Gabriel nickte. Die Geschichte hatte Matt ihm schon einige Male erzählt. Harry, einer seiner Freunde, hatte ihn zur Neueröffnung des Clubs mitgenommen, wo er zufällig mit Tyler zusammengestoßen war und sich dabei die Hose mit Alkohol ruiniert hatte. Tyler hatte ihm eine Jeans angeboten und wollte auch für die Reinigung aufkommen. Völlig aus dem Häuschen war Matt aus dem Club geflohen. Dabei hatte er allerdings seinen Geldbeutel vergessen. Zum Glück für ihn war Tyler ein ehrlicher Finder gewesen. Aber erst bei einem gemeinsamen Abendessen waren sich beide nähergekommen und seitdem unzertrennlich.
Matt ging inzwischen wie selbstverständlich in der Bar ein und aus, wie er ihm schon mehrmals erzählt hatte, aber bisher waren sie nie gemeinsam dort gewesen. Ob Gabriel den Abend genauso ungezwungen würde genießen können, stand noch in den Sternen. Schon wieder musste er an die Website des Black Desires denken. Zumindest wusste er eines, Tyler arbeitete nicht als Callboy, sondern war einer der zwei Barkeeper.
Matt lächelte und klopfte an Seans Bürotür. Ohne abzuwarten, öffnete er sie und beide blieben wie angewurzelt stehen. Bisher hatte Gabriel nur geahnt, dass Sean schwul war. Den Beweis dafür sah er jetzt mit eigenen Augen. Auf Seans Schoß saß ein junger Mann, beide Arme um seinen Nacken geschlungen. Die beiden waren in einen sehr intensiven Kuss versunken, der Gabriel mal wieder die Hitze ins Gesicht trieb. Wobei es weniger die Intimität der beiden war, die ihn verlegen werden ließ, sondern mehr die Tatsache, dass Sean überhaupt geküsst wurde. Wieso und warum auch immer, war er die ganze Zeit davon ausgegangen, er wäre Single.
Ein Räuspern von Matt unterbrach die anregende Szene.
»Entschuldigung, wir wollten nicht reinplatzen.«
»Tut ihr nicht«, sagte Sean lachend, während der junge Mann den Kopf an seine Halsbeuge bettete. Zu Gabriels Überraschung wirkte er noch sehr jung. Er schätzte ihn höchstens auf Achtzehn. »Dieser Herr hat mal wieder nicht locker gelassen. Sonst wäre er schon längst in der Schule. Er hat heute spontan beschlossen zu schwänzen.«
»Finn, hast du wieder deinen Sturkopf durchbekommen?«, fragte Matt und setzte sich auf einen der zwei Stühle, die vor Seans Schreibtisch standen. Er winkte Gabriel herbei, der sich zwar ein wenig fehl am Platz fühlte, aber der Aufforderung nachkam. Immerhin war seine Neugierde geweckt.
»Ich erinnere euch nur daran«, antwortete Finn und blickte zuerst Sean und anschließend Matt an, »dass es nicht meine Idee war. Ich wäre nie wieder in die Schule gegangen. Aber du hast ihn ja dazu überredet.« Er deutete mit dem Kinn auf Matt und grinste ihn frech an.
»Nur noch ein halbes Jahr, dann hast du den Abschluss. Ich versichere dir, es wird sich lohnen.« Sean schüttelte amüsiert den Kopf. »Ansonsten bekommst du eine Tracht Prügel und kannst mindestens eine Woche nicht mehr richtig sitzen.«
»Falls du das tust, sag ich es Tyler und er hält dir dann eine Predigt«, konterte Finn und Gabriel lachte in sich hinein.
Allerdings war er auch irritiert. Niemals hätte er damit gerechnet, dass Sean so einen jungen Freund hatte, und schon gar nicht jemanden, der noch zur Schule ging.
»Ihr solltet diesen Süßen hier vielleicht aufklären«, deutete Finn unerwartet auf Gabriel, wobei ihn seine stahlblauen Augen verschmitzt ansahen. »Ich kann seinen Kopf schon rauchen sehen. Er versteht nur Bahnhof.«
»Ist das so offensichtlich?« Warum in drei Teufels Namen hatte nur jeder in den vergangenen Tagen anscheinend das dringende Bedürfnis, ihn in Verlegenheit bringen zu müssen?
»Stimmt.« Sean nickte und schob Finn von seinem Schoß. »Tu, was immer du tun willst, aber morgen gebe ich nicht nach. Verstanden?«
»Alles klar.« Finn salutierte, streckte ihm die Zunge heraus und marschierte in Richtung Bürotür. Dort drehte er sich noch einmal um. »Ich bin bei Riley und zocke ein wenig. Und du, lass dich von denen nicht ärgern. Die haben es faustdick hinter den Ohren.«
»Danke für den Tipp. Ich bin übrigens Gabriel.«
»Ich bin Finn.« Er nickte Gabriel zu und verschwand.
Sean seufzte und lehnte sich auf seinem, mit schwarzem Leder überzogenen Bürostuhl zurück. »Ich habe das Gefühl, je älter er wird, desto kindischer benimmt er sich.«
»Das siehst du falsch. Als ich ihn kennenlernte, war er ein verschreckter junger Mann, der überall Gefahr witterte«, bedeutete Matt. »Inzwischen ist ein ganz anderer aus ihm geworden. Nur leider hat er durch sein jugendliches Aussehen manchmal mehr Vorteile, als gut für ihn ist.«
»Wie alt ist er denn?«, erkundigte sich Gabriel.
»Er wurde letzten Monat zweiundzwanzig«, sagte Sean.
Die Antwort überraschte Gabriel.
»Es waren ein paar Beziehungen notwendig, damit er auf eine normale Schule gehen kann, und bis auf die Lehrer und der Direktor weiß niemand, dass er eigentlich keine siebzehn mehr ist. Dass er von der Schule nicht viel hält, hast du ja gerade erlebt«, fügte Sean erklärend hinzu. »Aber wo bleiben überhaupt meine Manieren. Guten Morgen.« Er reichte Gabriel die Hand und schüttelte sie kräftig. Dann tat er das gleiche bei Matt. »Ich freue mich, dass du Gabriel gleich mitgebracht hast.«
»Das war mehr Zufall als gewollt«, nuschelte Gabriel.
»Das ›Wie‹ ist egal. Hauptsache du bist hier«, sagte Sean. »Es geht um deine Arbeit.«
Plötzlich begann, Gabriels Puls schneller zu schlagen. Hatte er einen Fehler begangen? Oder war Sean vielleicht verärgert, weil er, ohne ihm Bescheid zu geben, einfach früher aufgehört hatte zu arbeiten? Oder weil er ungefragt den Spa-Bereich besucht hatte?
»Keine Sorge, nach dem was ich bisher mitbekommen habe, machst du deinen Job sehr gut. Sam hat dich gestern Abend sogar lobend erwähnt. Du bist aber hier, weil ich dir einen Vorschlag unterbreiten möchte und ich vielleicht noch einen Auftrag für dich hätte.«
Innerlich seufzte Gabriel erleichtert auf und nickte.
»Zum einen habe ich einen guten Freund, der momentan für seine Firma einen IT-Fachmann sucht, der sich um einen neuen Server kümmert. So genau ist er nicht ins Detail gegangen. Als er mir aber davon erzählte, musste ich sofort an dich denken. Das ist aber noch nicht alles.» Sean legte eine bedeutungsvolle Pause ein, bevor er fortfuhr. »Zum anderen suche ich künftig einen vertrauenswürdigen Administrator, der sich um die sensiblen Daten und um die ganzen Gerätschaften hier im Haus kümmert. Natürlich gegen ein großzügiges Gehalt versteht sich. Du hast natürlich Zeit, es dir in Ruhe zu überlegen. Falls du ja sagen solltest, wird Matt einen Arbeitsvertrag aufsetzen, der dann deinen Job genau regelt.«
Gabriel stierte Sean mit offenem Mund an. Er hatte mit vielem gerechnet, aber ganz gewiss nicht damit, dass er heute gleich zwei neue Jobangebote bekommen würde.
*
Gabriel konnte es immer noch nicht fassen. Vor einer halben Stunde hatte er den besten Arbeitsvertrag seines bisherigen Berufslebens unterschrieben. Ab dem kommenden Jahr, sprich, in nicht einmal drei Wochen, war er offiziell der Administrator der IT-Anlage des Black Desire. Damit konnte er erst einmal seine Selbstständigkeit ohne Gewissensbisse an den Nagel hängen. Zudem hatte er den Auftrag erhalten, für Seans Freund einen neuen Server einzurichten und ein großes Netzwerk zu erstellen. Mit dem Geld, das dabei herausspringen würde, könnte er sich gleich zwei neue Autos kaufen.
Endlich schien das Schicksal es gut mit ihm zu meinen. Mit diesen neuen Nachrichten konnte er ohne eine Notlüge erfinden zu müssen, an Weihnachten nach Hause fahren und seinen Eltern stolz gegenübertreten. Zur Feier des Tages hatte ihm Sean den restlichen Tag freigegeben. Das wollte er jetzt ausgiebig nutzen.
Gabriel schnappte sich flugs seine Sachen, verließ den Serverraum und schloss die Tür sorgfältig ab. Bevor er zum Aufzug lief, warf er einen Blick über die Schulter auf Angels Wohnungstür. Der Name Angel gefiel ihm viel besser als Riley, vor allem schien er umso passender, im Hinblick auf die beiden großartig tätowierten Engelsflügel. Leider hatte er ihn das letzte Mal gestern gesehen. Heute Morgen hätte er beinahe Sean gefragt, wo Angel abgeblieben war, doch diesem Drang konnte er rechtzeitig widerstehen. Gabriel fand, dass es zu aufdringlich wirken und zudem verraten könnte, wie sehr er sich für ihn interessierte.
Seufzend fuhr er mit dem Aufzug ins Erdgeschoss. Gerade als er im Begriff war über den Hinterhof davonzumarschieren, rannte etwas Quirliges mit fliegenden Ohren auf ihn zu. Bellend und hüpfend umrundete der Hund ihn, bis Gabriel in die Hocke ging und ihn streichelte.
»Henry! Wo kommst du denn her?«
Nebenbei griff er in die Jackentasche und holte zwei Hundeleckerlis heraus, die er Henry vor die Schnauze hielt. Mit einem blitzschnellen Happs waren sie verschwunden. Gabriel kraulte dem Tier lachend über das weiche Fell.
»Kleiner Vielfraß. Schling nicht so! Wo hast du dein Herrchen gelassen?«
»Das ist hier«, ertönte die angenehme Stimme eben desjenigen. Gabriel spürte sein Herz schneller schlagen. Ein warmes Kribbeln wanderte über seinen Rücken. Voller Vorfreude hob er den Kopf. Angel stand vor ihm und strahlte ihn an.
»Wir waren gerade spazieren«, sagte er und nahm Henry auf den Arm. »Vorn an der Ecke ist er dann einfach weggerannt.«
»Das tut man aber nicht«, rügte Gabriel den Hund und fuhr ihm nochmals mit den Fingern durchs Fell, woraufhin der ihn eifrig abschleckte.
»Ich glaube, er hat gespürt, dass du hier bist«, sagte Angel augenzwinkernd. »Übrigens … herzlichen Glückwunsch zum neuen Job.«
»Woher weißt du das? Ich habe doch eben erst unterschrieben.«
»Als Engel hat man so seine gewissen Quellen.« Er grinste frech. »Quatsch. Sean hat mir gestern Abend von seiner Idee erzählt. Und deinem seligen Grinsen nach zu urteilen, hast du das Angebot angenommen. Dann werde ich dich also künftig viel öfter sehen. Vor allem kann ich für dich mitkochen.«
Gabriel lachte. »Ich bitte darum. Und ich zahle auch. Du sollst mich ja nicht aushalten.«
»Keine Sorge. Auf meinem Konto ist genug, damit wir zwei schon nicht verhungern und Sean trotzdem seine regelmäßigen Mahlzeiten bekommt. Sein Freund kann leider nicht kochen, obwohl ich ihm das schon mehrmals versucht habe beizubringen.«
»Ah, du meinst Finn.«
»Du kennst ihn?« Angel wirkte überrascht.
»Kennen ist wohl etwas übertrieben«, antwortete Gabriel. Er konnte kaum seinen Blick von Angels wunderschönen Augen lassen, die ihn mit einer ihm ungekannten Intensität bedachten und dabei ein atemberaubendes Funkeln ausstrahlten. »Ich habe ihn nur ganz kurz oben im Büro kennengelernt.«
»Finn ist ein lieber Kerl und gerade mal ein halbes Jahr jünger als ich«, sagte Angel und setzte Henry wieder auf dem Boden ab, wo er sofort anfing, im Hinterhof herumzurennen und zu bellen. »Sean hat ihn mehr oder weniger von der Straße aufgelesen. Er hat dort gelebt. Die beiden haben sich Hals über Kopf ineinander verliebt und sind seitdem unzertrennlich.«
Gabriel nickte. Angel hatte ihm gerade verraten, wie alt er war. Diese Information saugte er förmlich in sich auf.
»Hast du schon Feierabend, oder gerade Pause?«, erkundigte sich Angel und deutete mit dem Kinn auf Gabriels Tasche.
»Feierabend. Sean hat mir für heute freigegeben.«
»Wenn das so ist … ich wollte gleich in die Stadt. Vielleicht kann ich dich ja irgendwo absetzen.«
Sprachlos über dieses Angebot sah er Angel an.
»Ähm … ja, klar. Das wäre super, dann muss ich nicht mit dem überfüllten Bus fahren.«
»Klasse. Dann bringe ich nur schnell Henry nach oben. Bin sofort zurück.«
Angel rief nach seinem Hund und verschwand mit ihm im Gebäude. Fünf Minuten später war er zurück und lenkte Gabriel zu einer Tür im hinteren Bereich des Hofs. Dahinter führte eine Treppe hinab in eine Tiefgarage.
»Ich wusste gar nicht, dass es hier eine Garage gibt«, sagte Gabriel erstaunt.
»Eigentlich gehört sie zum Nachbarhaus. Da befindet sich auch die Einfahrt. Die Parkplätze vor dem Haus und im Hof sind für die Kunden reserviert«, erklärte Angel, der vorauslief.
Als sie schließlich vor einem königsblauen Lamborghini stehen blieben, riss Gabriel verblüfft die Augen auf. Angel, aktivierte über den Autoschlüssel die Entriegelung mit einem typischen Piepton.
»Das … das ist … deiner?«, stammelte Gabriel, der es kaum fassen konnte, welcher Wagen vor ihm parkte.
»Ein Aventador SV-Coupé mit einem V-12 Motor, ledernen Sportsitzen und 750 PS«, sagte Angel stolz und strich zärtlich mit den Fingern über die Karosserie. »Auf freier Strecke erreicht er locker über 200 km/h. Das ist mein Baby und außerdem ist er schallisoliert.«
»Der war doch bestimmt sauteuer!«
»Wäre er vielleicht gewesen, doch ich habe ihn einem Freund von Sean abgekauft.«
»Darf ich fragen, für wie viel?« Gabriel kam aus dem Staunen nicht heraus.
»Dreihunderttausend und er hatte zu dem Zeitpunkt erst eine Inspektion und TÜV hinter sich. Wobei ich sagen muss, ich komme in letzter Zeit selten dazu, ihn zu fahren. Auch für heute muss ein Kurztrip in die Innenstadt leider ausreichen.«
Fassungslos beobachtete Gabriel Angel, der ihm die Beifahrertür aufhielt und kurz darauf selbst einstieg. Die Sitze waren erstaunlich bequem, wenn auch etwas ungewohnt. Bisher hatte Gabriel noch nie in einem Sportwagen gesessen und schon gar nicht in einem so noblen. Für einen Moment war er versucht zu fragen, woher Riley eigentlich so viel Kohle hatte. Doch seine Eltern hatten ihm beigebracht, dass man über Geld nicht redete. Entweder man hatte es oder man hatte es nicht. Eines stand sicher fest, für so einen Wagen müsste er bis zu seinem Lebensende sparen.
»Bist du bereit?«, erkundigte sich Angel.
»Bin ich«, log er und war nur wenig später überrascht, wie unfassbar leise sich der kraftvolle Motor trotz seiner Wahnsinnsmaschine im Innenraum anhörte.
Verloren ohne dich von Jana Martens
(Gay Romance)
ca. 299 Seiten
erhätlich als eBook & Taschenbuch
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Lucas wird nach dem tödlichen Autounfall seiner Eltern von der Familie Patton adop-tiert, doch Liebe und Anerkennung bleiben für ihn Fremdwörter. Inzwischen ist er achtzehn Jahre alt und wird als kostenlose Arbeitskraft missbraucht. Sein Adoptivvater schlägt ihn grundlos, seine Adoptivmutter schikaniert ihn, wo sie nur kann. Eines Tages tritt der freche Nachbarssohn Ben in sein Leben und Lucas’ Welt steht plötzlich Kopf. Die beiden werden Freunde und endlich scheint sein trostloses Dasein einen Sinn zu ergeben. Ben zeigt Lucas, dass das Leben nicht nur aus Arbeit besteht, vor allem aber, was Freundschaft wirklich bedeutet. Unerwartet spielen ihre Gefühle füreinander verrückt und sie verlieben sich Hals über Kopf ineinander. Eine zarte und gleichsam leiden-schaftliche Liebe entbrennt, doch sie wird durch ein Netz aus Lügen auf eine harte Probe gestellt.
erschienen im Bookshouse Verlag
(www.bookshouse.de)
In deinen Armen – Verraten und Verkauft von Jana Martens
(Gay Romance Thrill)
ca. 266 Seiten
erhältlich als eBook & Taschenbuch
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Marc ist ein aufstrebender Rechtsanwalt. Als er einen neuen Klienten vertritt, deutet zunächst alles auf einen gewöhnlichen Fall hin. Bevor er sich jedoch richtig in die Mate-rie einarbeiten kann, wird er schon mit Widersprüchlichkeiten konfrontiert, die sein Können auf eine harte Probe stellen. Zur gleichen Zeit lernt er den frechen und charis-matischen Eric kennen. Fasziniert von ihm erfährt Marc, dass Eric in seinen neuen Fall involviert ist. Eric zieht ihn immer tiefer in seinen Bann, dabei verwandelt sich Marcs Faszination in Verlangen, und beide finden sich in einem verwirrenden Gefühlschaos wieder. Doch darf es Liebe zwischen ihnen geben?
Plötzlich beginnen die Gegenspieler, ihre Spuren zu verwischen, und scheinen selbst vor Mord nicht zurückzu-schrecken. Erst viel zu spät bemerkt Marc, dass er sich in ein Netz aus Intrigen und Erpressung verstrickt hat. Wird es ihm dennoch gelingen, den Fall zu lösen, oder wird die Liebe zu Eric sein Untergang sein?
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Brennende Herzen – Dark River von Jana Martens
(Dystopie & Romance)
ca. 295 Seiten
erhätlich als eBook & Taschenbuch
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Das Jahr 2165: Die Erde, wie wir sie kennen, existiert nicht mehr. Verheerende Sonnen-stürme haben den Blauen Planeten in eine Wüstenlandschaft verwandelt. Die wenigen Über-lebenden fanden Zuflucht in sieben Großstädten. Die ver-änderten Lebensum-stände, ebenso wie das Voranschreiten der Wissenschaft führten zu Genmanipulation und die Er-schaffung des Lebens im Reagenzglas wurden zur Normalität. Eine Nor-malität in einer Welt, die alles andere als normal erscheint. In New London strebt der unangefochtene Macht-haber Rushton nach der Alleinherrschaft aller Städte. Ohne Skrupel bedient er sich der fortschrittlichen Gentechnik und eines tödlichen Virus. Die Rebellen Kayden und Paige wollen Rushton für seine grausamen Methoden am liebsten tot sehen. Gemeinsam mit dem Anführer der Rebellen scheint ihr Plan aufzugehen, doch der Preis, den sie für die Freiheit zahlen sollen, ist hoch. Gelingt es ihnen, Rush-tons skrupellose Ab-sichten zu vereiteln? Ein Zukunftsroman mit einer gehörigen Por-tion Romance und Action.
erschienen im Bookshouse Verlag
(www.bookshouse.de)
Der Mond versteckte sich hinter einer dunklen Wolkenwand. Erst vor wenigen Minuten hatte der Wind nachgelassen, dafür schüttete es inzwischen wie aus Kübeln. Die Straßen und Gehwege waren nass und rutschig vom herabgefallenen Laub. Nicks durchtränkte Kleidung klebte ihm unangenehm auf der Haut. Er wollte nur noch so schnell wie möglich in sein warmes Zimmer, heiß duschen und danach ins Bett. Morgen früh würde sein Wecker um sechs Uhr klingeln, denn es stand eine wichtige Vorlesung auf dem Plan, die er auf keinen Fall verpassen wollte.
Zusammen mit seinen Freunden schlich Nick um das Studentenwohnheim zur Hintertür. Der vordere Eingang war bereits abgeschlossen, wie immer unter der Woche kurz nach Mitternacht. Nur an den Wochenenden gab es Ausnahmen. Aus diesem Grund wollten die Freunde über den Notausgang einsteigen und ungesehen am Wachmann vorbeischleichen.
In Cornwell herrschten strenge Regeln. Jeder noch so kleine Verstoß wurde vom Wachpersonal geahndet und schriftlich festgehalten. Im schlimmsten Fall sogar dem Direktor vorgelegt, der seine Studenten nur allzu gern maßregelte. Bisher hatte Nick sich nichts zuschulden kommen lassen und war noch nie nach der Sperrstunde unterwegs gewesen. Seine fünf Kommilitonen dagegen waren in dieser Hinsicht Profis. Sie kannten überall Schleichwege und Hintertüren.
»Seid leise«, flüsterte Percy und zog einen Schlüssel aus der Hosentasche. Triumphierend hielt er ihn im diffusen Licht der Außenbeleuchtung in die Höhe.
»Wo hast du den her?« Überrascht blickte Nick ihn an.
»Wärst du nicht so ein Stubenhocker, wüsstest du es. Der ist natürlich nachgemacht. Ich habe das Original geklaut, einen Abdruck gemacht und ihn zurückgebracht, bevor es dem Hausmeister aufgefallen ist. War eine Sache von wenigen Minuten.«
»Quatsch nicht, beeil dich lieber. Ich ersauf hier draußen gleich«, beschwerte sich Cole, der seine Jeansjacke fest um sich schlang.
»Ich tu wenigstens etwas für mein Studium«, raunte Nick und sah Percy zu, wie dieser die Tür aufschloss. Obwohl sein Gesicht im Schatten lag, konnte er sich dessen schiefes Grinsen gut vorstellen.
»Sei nicht immer so ein Streber«, feixte Milo und klatschte sich mit Marvin ab, der zustimmend nickte.
»Seid nachsichtig mit unserem Maestro!« Cole legte Nick einen Arm über die Schulter und zog ihn zu sich heran. Zusammen huschten sie hinein, die anderen folgten. Als sie sich vergewissert hatten, dass die Luft rein war, kicherte Cole.
»Ich mache drei rote Kreuze am Kalender. Es ist eine Weltsensation. Nicolas Harper war heute mit seinen Kumpels Einen trinken und schleicht sich danach heimlich zurück aufs Zimmer.« Aus Spaß wuschelte er Nick durch die feuchten Haare. Cole Thompson war Nicks bester Freund am College und zugleich sein Zimmergenosse. Im Gegensatz zu ihm, nahm Cole es jedoch mit seinem Studium nicht so ernst.
»Lass das«, beschwerte sich Nick und trat demonstrativ einen Schritt zur Seite. »Wir werden noch alle auffliegen und wenn mein Vater davon erfährt ...«
»Hör auf! Du hast für einen Abend genug Moralapostel gespielt«, stöhnte Lance. Er war schon den ganzen Tag schlecht gelaunt gewesen.
»Du musst echt lockerer werden«, bestätigte Percy und boxte ihm leicht in den Bauch.
»Genau, sei kein Spielverderber.« Cole lachte und die anderen fielen mit ein.
»Seid verdammt noch mal leise!«, zischte Nick. »Macht euch ruhig lustig über mich. Mein Konzert ist schon in einem Monat. Da kann ich nicht einfach mit euch losziehen.«
»Behaupte jetzt nicht, es hätte dir keinen Spaß gemacht.« Marvin schüttelte fassungslos den Kopf.
Cole zog Nick verschwörerisch zur Seite. »Die Blondine mit dem roten Top ist voll auf dich abgefahren. Außerdem hatte sie eine bombastische Oberweite. Die hättest du echt ansprechen sollen.« Mit eindeutiger Handgeste formte er ihre Brüste nach.
Nick spürte, wie seine Wangen anfingen zu glühen. Natürlich hätte er das tun sollen, wenn er denn auf Mädchen stehen würde. Nur tat er das nun mal nicht und hätte somit nichts davon gehabt. Das dachte er jedes Mal, wenn sein Zimmergenosse mit diesem Thema anfing, aber er war zu feige es auszusprechen.
»Oh Mist. Ich habe sie vergessen.« Panisch blieb Nick stehen und griff vergeblich in seine Jackeninnentasche.
»Was denn?«
»Meine Noten!«
»Vergiss die dämlichen Noten! Die liegen morgen früh immer noch im Musiksaal und warten auf dich.« Cole schnappte Nick am Arm, jedoch er entzog sich ihm.
»Das verstehst du nicht. Es ist mein Stück.« Nick drehte sich um und rief über seine Schulter hinweg: »Lasst die Tür angelehnt, ich bin gleich wieder zurück.«
»Ich warte auf dich, also beeil dich lieber«, sagte Cole, während sich die anderen verzogen.
Nick rannte in die Richtung, aus der er mit seinen Freunden gekommen war. Doch anstatt den Campus durch das Eingangstor zu verlassen, bog er hundert Meter davor nach links ab und hielt auf ein großes Gebäude zu. Das alte Bauwerk stammte aus der Gründerzeit des Colleges. Das Hauptgebäude war Mitte des neunzehnten Jahrhunderts erbaut worden. In den letzten Jahrzehnten waren nach und nach einige weitere Nebengebäude hinzugekommen. Das Gelände beherbergte zudem vier Wohnheime und ein Observatorium.
Von Weitem sah Nick, dass in den Fenstern des vierstöckigen Backsteinhauses mit dem Glockenturm kein Licht brannte. Zu seinem Glück. Wäre ein Professor oder der Direktor um diese Uhrzeit noch am Arbeiten, was schon oft der Fall gewesen war, hätte er nicht so einfach hineinspazieren können. Er wäre vermutlich erwischt und zur Rede gestellt worden.
Direktor Louis Bennett und sein Vater waren Freunde. Schulfreunde. Sie gingen früher gemeinsam auf die Highschool und später nach Harvard, wo sie Rechtswissenschaften studiert hatten. Während sein Vater in die Politik gegangen war, hatte sich Louis Bennett als leitender Direktor in Cornwell etabliert. Das war Nicks Verhängnis. Er stand mehr als jeder andere Student auf dem Campus unter Beobachtung. Jeden Fehltritt, jeden Zwischenfall bekam sein Vater mitgeteilt, der sich postwendend bei ihm meldete und ihn rügte.
Sein Vater durfte nie erfahren, dass er es gewagt hatte, mit seinen Freunden in der Stadt etwas trinken zu gehen. Nick schwor sich, bei der nächsten Einladung abzulehnen. Sein Musikstudium war ihm heilig, genauso seine Noten. Das anstehende Konzert lag ihm am Herzen. Er hatte es eigenhändig komponiert. Deshalb war es besonders wichtig, seine Noten umgehend zurückzubekommen, schließlich gab es nur diese eine Abschrift: seine handgeschriebene Partitur. Es war ihm immer noch schleierhaft, wieso er sie hatte liegen lassen. Wäre sie verschwunden, würde er sich das niemals verzeihen.
Außer Atem kam Nick vor der Eingangstür zum Stehen. Achtsam beobachtete er die nähere Umgebung, dann prüfte er, ob die Tür verriegelt war. Zu seiner Erleichterung ließ sie sich problemlos öffnen und er schlich hinein. Kein Geräusch drang an seine Ohren. Nick huschte weiter bis zur Treppe, die in der Mitte des Schulgebäudes bis in den Glockenturm führte. In der dritten und letzten Etage angekommen, steuerte er direkt auf den Musiksaal zu. Dort spielte er fast jeden Abend stundenlang Klavier. Obwohl der große Raum in halbdunkle Schatten getaucht war, genügte ihm das Licht der brennenden Laternen vor dem Gebäude, um sich zurechtzufinden. Vorsichtig lenkte er seine Schritte zur Bühne, wo das Klavier stand und seine Notenblätter noch genauso auf dem Stuhl lagen, wie er sie abgelegt hatte.
Ihm fiel ein Stein vom Herzen. Eilig schnappte er sich die Partitur und wollte verschwinden, als er Schritte vernahm. Erschrocken duckte er sich hinter dem Flügel und schob den Hocker zu sich heran. Beides schützte ihn vor unliebsamen Blicken.
Plötzlich hörte er ein leises Zischen und eine kleine Flamme brannte auf, die sofort wieder erlosch. Der Geruch von Tabak stieg ihm in die Nase. Jemand hatte sich eine Zigarette angezündet und näherte sich.
Nicks Herz raste. Wer auch immer gekommen war, versperrte ihm den Weg zur Tür. Er konnte sich nicht verdrücken, ohne bemerkt zu werden. In Gedanken vor sich hin fluchend, war er zum Warten verdammt.
Momente später wurde nur wenige Meter von ihm entfernt die kleine Lampe neben der Bühne angeknipst.
»Wie oft hab ich dir gesagt, hier wird nicht geraucht.«
Überrascht von der Stimme des ihm wohlbekannten Mannes, kroch Nick weiter unter das Klavier und spähte vorsichtig zu den beiden Personen. Den jungen dunkelhaarigen Unbekannten in Lederjacke und Kapuzenshirt hatte er auf dem Campus noch nie gesehen.
Louis Bennett entriss ihm gerade die Zigarette, warf sie zu Boden und trat sie mit dem Absatz aus.
»Reg dich nicht auf, das riecht später eh keiner«, kommentierte der Fremde und steckte seine Hände in die Hosentaschen seiner ausgewaschenen zerfransten Jeans.
»Halt die Klappe«, wurde er sogleich angeschnauzt und sein Gegenüber verpasste ihm eine schallende Ohrfeige, noch bevor er überhaupt reagieren konnte. Wütend presste der junge Mann die Lippen aufeinander und fixierte den Direktor mit geballten Fäusten. Man konnte ihm ansehen, dass es ihm einige Überwindung kostete, nicht zurückzuschlagen.
»So ist es schon besser, Kenny. Du weißt also doch noch, wie man sich benimmt«, säuselte Bennett.
Nick verzog angewidert das Gesicht. Er hatte den Freund seines Vaters noch nie ausstehen können. Ihn jetzt so reden zu hören, war ungewohnt und passte nicht zu dem ansonsten souveränen Auftreten des Collegedirektors, der immer die besten Maßanzüge trug und dem die grauen Strähnen im braunen Haar der ohnehin strengen Miene harte Züge verliehen.
»Was willst du von mir?«, fragte der junge Mann, der augenscheinlich Kenny hieß.
»Na was schon. Du hast dich drei Tage nicht blicken lassen. Dafür müsste ich dir normalerweise etwas von deinem Lohn abziehen.« Die Hand des Direktors streichelte zärtlich über die Wange, die er geohrfeigt hatte. Kennys Schultern spannten sich bei dieser Berührung sichtbar an.
»Sag schon. Wo warst du?«
»Ich bin einundzwanzig und dir keine Rechenschaft schuldig«, antwortete er schroff.
Nick glaubte, Kenny würde jeden Moment den Arm von Bennett wegschlagen, stattdessen ließ er es zu, dass er ihn auch mit der anderen Hand streichelte und an sich heranzog.
»Du bist zwar volljährig, aber das Geld habe immer noch ich. Du brauchst doch Geld, oder? Sonst hättest du mich nicht um ein Treffen gebeten.«
»Du hast mich hierher bestellt, nicht ich dich.« Kenny lächelte, aber das Lächeln erreichte nicht seine Augen. Es wirkte so falsch wie Bennetts Tonfall.
»Du weißt doch, wir beide profitieren von unseren Treffen.« Die Finger des Direktors wanderten unter Kennys Shirt.
Nick schluckte. Er wusste nicht, was er von dieser Szene halten sollte. Vor seinen Augen machte sich Bennett an den jungen Mann ran und es war offensichtlich, dass diese Intimität zwischen den beiden nicht zum ersten Mal stattfand. Unweigerlich spürte er einen Stich in der Magengegend.
Louis Bennett entblößte Kennys Oberkörper. Abwechselnd leckte und biss er in die Brustwarzen des jungen Mannes, während seine Finger über dessen Brust wanderten. Schließlich verschloss er ihre Lippen mit einem gierigen Zungenspiel.
Überrascht schnappte Nick nach Luft. Das Bild war so grotesk und der Stich in seinem Magen wurde heftiger. Kenny ließ es widerstandslos zu, doch seine Bewegungen wirkten seltsam mechanisch.
Unerwartet ließ Bennett den jungen Mann los und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Bühne. Er öffnete seine Hose und schob sie ein wenig nach unten, dann riss er Kenny an den Haaren zu sich heran. Dieser ging in die Knie und bearbeitete mit dem Mund das erregte Glied. Stöhnend genoss der Direktor den Blowjob.
Abermals hatte Nick den Eindruck, als wüsste Kenny genau, was folgen würde. Denn schließlich öffnete er unaufgefordert seine Jeans, zog sie runter und stützte sich mit den Händen am Rand der Bühne ab. Nick beobachtete das Geschehen mit weit aufgerissenen Augen und wünschte sich in diesem Augenblick weit weg. Warum hatte er nur seine Noten vergessen?
Als Louis Bennett mit einem stöhnenden Brummen kam, glühten Nicks Wangen und er schämte sich in Grund und Boden. Er hatte die beiden nicht nur heimlich beobachtet, darüber hinaus auch weitaus mehr mitbekommen, als ihm lieb war. Kenny hatte sich nicht freiwillig hingegeben, so viel stand fest. Allerdings hatte er sich auch nicht dagegen gewehrt.
Nachdem beide wieder angezogen waren, griff Bennett in die Innentasche seines Jacketts und holte ein paar Geldscheine hervor, die er dem jungen Mann vor die Füße warf.
»Das sind fünfzig Dollar«, sagte er bar jedweder Emotion. Sein Blick glitt abfällig nach unten zu Kenny, der die Scheine vom Boden aufsammelte und in die Hosentasche steckte. »Für mehr hat es heute nicht gereicht. Beim nächsten Mal will ich mehr Gefühl.«
»Wann ist das nächste Mal?«
»In zwei Tagen.«
»Und der Saal?«
Bennett legte die Stirn in Falten. »Morgen Nacht. Keine Stunde länger, als beim letzten Mal.«
»Was? Nur morgen?« Kenny starrte ihn säuerlich an. »Wir brauchen ihn mindestens für zwei Nächte.«
»Dann hättest du dich eben mehr anstrengen sollen.« Louis Bennett grinste hämisch und drehte sich um. Während er auf die Tür zusteuerte, rief er Kenny über seine Schulter hinweg zu: »Das ist dann auch das letzte Mal. Sucht euch gefälligst einen anderen Platz. Bis Donnerstag will ich die restlichen Spuren beseitigt haben. Wenn das jemand sieht, wirft das nur unnötige Fragen auf. Haben wir uns verstanden?«
Kenny knirschte mit den Zähnen. Als der Direktor sich mit schnellen Schritten entfernte, fischte er eine Zigarettenschachtel hervor und zündete sich eine an.
»Arschloch«, flüsterte er und trat mit dem Fuß gegen die Bühne. »Beim nächsten Mal beiße ich dir höchsten deinen Schwanz ab, du Wichser.« Anschließend knipste Kenny die Lampe aus und schlurfte ebenfalls zum Ausgang. Momente später war er verschwunden und Nick wieder allein.
Erschienen am
27. Oktober 2017
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Texte: Madison Clark
Bildmaterialien: banauke - https://de.123rf.com/profile_banauke, theartofphoto - https://de.123rf.com/profile_theartofphoto
Cover: Madison Clark
Satz: Madison Clark
Tag der Veröffentlichung: 23.03.2017
Alle Rechte vorbehalten