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Darf ich mich vorstellen? Ich bin ein Buch. Ob Herr oder Frau Buch kann ich nicht so genau sagen. Es ist nicht sehr einfach bei uns Büchern zwischen Mann und Frau zu unterscheiden. Manche meiner Kollegen meinen sie seien Männer oder Frauen nur weil ihre Schöpfer welche waren. Andere meinen das bestimmt sich durch die Hauptcharaktere, die auf ihren Seiten vorkommen. Und wiederum andere glauben, dass sich das Geschlecht je nach Leser, die ganze Zeit ändert. Stell sich mal einer vor, wird ein Buch von Hand zu Hand durchgegeben und muss es sich nun sowohl als Frau, als auch Herr Buch vorstellen.
Wie auch immer, ich für meine Person denke dass Bücher, Bücher sind und basta!
Mein Autor war ein ruhiger Mensch, dem aber einfach nicht die Worte einfallen wollten. Ich wusste, dass ich ihn manchmal zur Verzweiflung trieb, wenn nicht dass ich und meine leeren Seiten ihn narrisch machten.
Seine verzweifelte Miene war doch ein bemitleidenswerter Anblick. Und hätte einer seiner späteren Kollegen, einige der größten und berühmtesten Bestsellerautoren, auf Platz eins der New York Times Bestsellerlisten, ihn bei seiner Arbeit gesehen, die hätten sich vor Lachen kaum noch die Bäuche halten können.
Seine Verzweiflung konnte ihn bis zum Heulen bringen. In späteren Zeiten, als ich dann fertig geschrieben auf einem Bücherregal lag, unterhielt ich mich einmal mit einem anderen Artgenossen. Er erzählte mir, dass sein Autor ein optimistischer Mensch war. "Mit voller Begeisterung schrieb er Tag und Nacht an mir", sagte es. "Und worum geht es bei dir?", fragte ich es neugierig. Es war das erste Mal, dass ich mit einem anderen Buch sprach. Ich fragte mich, worüber ein "begeisterter" Mensch wohl geschrieben hatte. "Bei mir geht es um Wissen, das alphabetisch geordnet ist. Alles was auf dieser Welt wichtig ist steht in mir drin. Die Menschen nennen mich ein Lexikon." - "Menschen?", fragte ich dann verdattert, so einen Ausdruck hatte ich noch nie gehört. "Was ist das?" Das dicke Buch mit den vielen hundert Seiten kicherte: "Wie? Du weißt nicht wie unsere Autoren alle zusammen heißen?" - "Achso, dann sind Menschen, alle Autoren zusammengefasst?" - "Nun, nicht alle Menschen sind Autoren." - "Nicht? Und was ist dann der Rest?" - "Mein lieber Kollege, der Rest macht ganz andere Dinge. Zum Beispiel müsste es ja auch die Maler und Photographen geben, die Bilder in uns hineindrucken." - "Hm, da ist wohl was Wahres dann." Und damit war unser Gespräch vorerst beendet. Wenige Tage später, nachdem mein Autor mich mehrere Male durchgeblättert hatte, begann das Lexikon wieder eine Unterhaltung. "Und was steht in dir drin?", fragte es neugierig. "Nun, also mein Autor wusste oft nicht wie es weiter gehen sollte, aber schließlich hatte er es einigermaßen geschafft. Es geht um verschiedene Dinge." - "Was denn zum Beispiel?" - "Um verbotene Liebe, um einen Mord und nun, aber am Ende geht alles einigermaßen gut aus." - "Ist das nicht sehr typisch und voraussehbar was passiert?" - "Wieso, denn?" - "Herz - Schmerz, jemand stirbt, aber am Ende ist alles klar und die Bösen sterben und die Guten sind glücklich." - "Nun, es gibt trotzdem Menschen die mich lesen werden." - "Mein Autor setzt eher auf Wissen und das Wirkliche." - "Jeder wie er will", meinte ich ein wenig beleidigt, "Mich wird man trotzdem lieben, weil nicht alles wie die Wirklichkeit ist. Und die Realität ist nicht immer schön. Hast du denn noch nie an etwas anderes gedacht, zum Beispiel an Vampire, Einhörner oder magischen Fähigkeiten?" - "Achso, dann geht es also auch um andere Dinge? Fanatsie und Fabelwesen?" - "Ja, alles mögliche." - "So, so", murmelte das Lexikon.
Eines Tages wurde ich in einigen Schichten Papier verwickelt und in, wie ich später erfuhr, in eine Druckerei geschickt. In mir wurde einige Male geblättert und gelesen. Schließlich hörte ich meine Leser sagen: "Das ist gut, das wird gedruckt." Ich wusste bereits, was das bedeutete - mein Inhalt würde verfielfacht und veröffentlicht werden. Zufrieden lag ich auf einem Tisch, einem Schreibtisch, neben dem Bücherregal, einer meiner Lieblingsplätze.
In dieser Zeit lernte ich viele andere Bücher, die ebenfalls in die Druckerei gelangten, kennen. Einige wurden gedruckt, andere nicht. Meine Brüder, beziehungsweise Schwestern, die den gleichen Inhalt besaßen, wie ich, sah ich nur während wenigen, seltenen Momenten. Ich verstand mich sehr gut mit ihnen, mit allen von ihnen. Immerhin, wir hatten das gleiche Thema zu diskutieren. Eine Zeit später wurde ich zurück zu meinem Autor geschickt. Zu meiner Freude war das Lexikon verschwunden und ein Liebesroman hatte seinen Platz eingenommen. Auch mit dem hatte ich ein freundschaftliches Verhältnis.
Meinen Autor hörte ich immer wieder, wie er seiner Frau die Bestsellerlisten vorlas. Einmal fand ich ihn in einem fröhlichen Zustand vor. Seine Frau starrte ihn fragend an und wiedermal rasselte er die Bestsellerliste der New York Times runter. Mit einer Freude, die ich zuvor noch nie empfunden hatte, hörte ich den Titel, den ich mit Stolz auf meinem Einband trug. Mein Autor umarmte zuerst sein Frau und dann nahm er mich und küsste meinen Einband.
Viele Jahre sah ich zu, wie Menschen kamen um sich meine Brüder und Schwestern, von meinem Autor unterschreiben zu lassen. Ich war immer mit dabei und war unheimlich stolz.
Ich lernte wieterhin viele Bücher kennen, ich traf sogar das Lexikon wieder, der an meinem Ruhm nicht glauben wollte und der noch immer die Wirklichkeit predigte. Vielleicht wisst ihr, dass Bücher, vor allem berühmte Erstausgaben, sehr langlebig sind. Ich erlebte noch viele Generationen nach meinem Autoren, die mich stehts als Familienheiligtum betrachteten.
Wahrscheinlich haben viele Schriften und Bücher, wie ich den Glanz des Ruhms kennengelernt. Trotzdem finde ich, auch ein Buch soll einmal über sich selber und nicht über seinen Inhalt erzählen.
Jetzt kann noch so ein großes Feuer kommen und mich zu Asche verbrennen, ich habe meine Geschichte erzählt.

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Tag der Veröffentlichung: 17.01.2009

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