Paulus an die Epheser
vierter Platz im Wettbewerb
5,21 Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter wie dem Herrn
5,31
Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und an seiner Frau hängen und sie werden ein Fleisch sein.
„Du Papa, Florians Eltern lassen sich scheiden. Hat Florian denn dann keine Mama und keinen Papa mehr?“
Überrascht blicke ich von meiner Lektüre auf und lege die Zeitung beiseite. Florians Eltern sind gute Freunde von uns und unsere Kinder besuchen dieselbe Klasse. Von einer bevorstehenden Trennung höre ich deshalb zum ersten Mal.
„Woher weißt du denn das, Engelchen?“, frage ich meine achtjährige Tochter, neugierig und doch mit einem Anflug leichten Unbehagens. Melanie zuckt nur kurz mit den Schultern, während sie unserem Langhaardackel Purzel gekonnt und fachfraulich einen Lockenwickler nach dem anderen ins Fell dreht. Mit erstaunten Augen bewundere ich die fast schon stoische Ruhe des Rüden.
„Das hat Florian heute in der Schule erzählt. Seine Mama hat zu seinem Papa gesagt, dass sie nicht sein Untertan ist. Sonst wären sie geschiedene Leute. Papa, was heißt das?“
Als Vater muss man lernen sehr flexibel zu denken und ich ahne, was geschehen sein könnte. Der arme kleine Junge hat sicher ein Gespräch seiner Eltern mitbekommen und möglicherweise die falschen Schlüsse daraus gezogen. Mein Freund Marius ist Diakon und neckt seine Frau gerne mit dem berühmten Paulus Wort aus dem Epheser 5, Vers 22 „Das Weib sei dem Manne untertan!“
In unserem Bekanntenkreis wurden seit Anfang des letzten Jahres leider schon drei Ehen geschieden und aus allen waren Kinder hervorgegangen, mit denen die unseren gespielt hatten. Natürlich waren sie nun auch verwirrt und konnten nicht begreifen, mit welchen Veränderungen die Freunde plötzlich zurecht kommen mussten. Ich bin Lehrer von Beruf und mir waren die ängstlichen Blicke meiner Tochter nicht verborgen geblieben, wenn eine Auseinandersetzung mit meiner Frau mal etwas heftiger ausfiel. Aber für uns kommt allein schon unseres Kindes wegen eine Trennung derzeit gar nicht in Betracht. Allerdings denke ich auch, dass es für Kinder wichtig ist, wenn sie sehen, wie sich die Eltern nach einem Streit wieder versöhnen. Das Leben ist nicht immer Friede, Freude, Eierkuchen. Man muss in Partnerschaft und Ehe ständig Kompromisse eingehen. Es kommt darauf an, wie man sich den Herausforderungen des Alltags stellt und ob man bereit ist, mit dem Partner nach konstruktiven Lösungen zu suchen.
Nachdenklich betrachte ich mein Töchterchen, deren blondes Haar hell im Sonnenlicht glänzt. Sie wird sicher einmal ein sehr hübscher Teenager werden und ich denke bereits mit Grausen daran, dass irgendwann ein fünfzehn oder sechzehnjähriger Junge vor unserem Haus auf sie warten und mir meinen kleinen Sonnenschein in die Disco entführen wird, so wie ich es vor vielen Jahren mit ihrer wunderschönen Mutter getan habe.
Unser Hund hat inzwischen die ersten Dauerwellen seines Lebens mit einer wirklich beneidenswerten Ruhe über sich ergehen lassen.
„Weißt du was, ich rufe mal bei Florians Eltern an und frage einfach, was da los ist“, erkläre ich meiner Süßen spontan und greife mir bereits in der nächsten Sekunde das Handy.
Einen Augenblick später ist Marius am Telefon.
Er ruft seine Frau Sabine sofort zu sich, als ich ihm von Florians Verdacht erzähle. Wie erwartet fallen die beiden aus allen Wolken, bedanken sich immer wieder bei mir für den Anruf und geloben, sofort mit ihrem Sohn zu sprechen, wenn er vom Fußballtraining nach Hause kommt. Erleichtert lege ich den Hörer auf. Wieder eine verwirrte Kinderseele gerettet!
Melanie hat sich inzwischen in meine Arme gekuschelt und kitzelt mich am Ohr.
„Aber sag mal Papa, warum müssen denn nun die Frauen dem Manne untertan sein?“
Ich kenne meine wissbegierige Tochter und will gerade antworten, dass sie das gar nicht müssen, als plötzlich meine Ehegattin mit umgebundener Küchenschürze und gespitzten Ohren in der Türe steht.
„Was habt Ihr denn für ausgefallene Gesprächsthemen? Meine Tochter wird niemals in ihrem Leben einem Mann untertan sein, sondern natürlich eine selbstbewusste und emanzipierte Frau werden“, höre ich sie mit einem nichts Gutes verheißenden gefährlichen Unterton in der Stimme sagen.
Ich kenne nach neun Ehejahren auch meine Frau und die verschiedenen Klangfärbungen ihrer Stimme.
In Augenblicken wie jetzt ist äußerste Präzision vonnöten! Vorsichtig ordne ich deshalb meine Gedanken.
Einer Auseinandersetzung mit meiner Gattin sollte man(n) besser aus dem Wege gehen, obgleich auch mir es nicht immer gelingt, die Wogen wieder zu glätten.
„Ich wollte es unserer Tochter gerade erklären. Der Satz des Paulus muss natürlich in seinem ganzen Zusammenhang gesehen werden. Es geht doch darum, dass die Menschen grundsätzlich Gott mehr zu gehorchen haben als dem Menschen.
In Vers 21 heißt es deshalb „Und seid einander untertan in der Furcht Christi." Dann folgt leider in Vers 22 der unglückselige Ausspruch, dass die Frau dem Manne untertan sei. Aber in den Versen 25 und 28 relativiert Paulus seine Aussage ja wieder, indem er sagt:
„Ihr Männer, liebt Eure Frauen, gleich auch Christus geliebt hat die Gemeinde und hat sich selbst für sie gegeben…
So sollen auch die Männer ihre Frauen lieben wie ihren eigenen Leib.“
Ich möchte nebenbei bemerken, dass meine Frau einige Semester Theologie studiert hat. Sie blickt mir forschend und ziemlich streng in die Augen. Gottseidank kenne ich mich in der Bibel etwas aus. Mit Marius und unserem Pfarrer treffe ich mich des öfteren zum abendlichen Plausch. Wir sind alle drei einem guten Tropfen Wein nicht abgeneigt und unterhalten uns dabei dann auch gerne über Berufliches. Der Paulus Satz ist natürlich stets ein beliebtes Thema unter bibelfesten Männern.
Meine geliebte holde Gattin wendet sich mit gekräuselter Stirn und zusammen gekniffenen Lippen dem Wohnzimmerschrank zu. Schweigend öffnet sie langsam die Schublade mit den Soßenkellen, während ich jede ihrer Bewegungen aufmerksam verfolge. Man muss bei ihr auf alles gefasst sein, dass weiß ich inzwischen nur zu gut. Mit verzücktem Blick scheint sie gefunden zu haben, wonach sie suchte. Sie fährt mit abgespreiztem Finger in die Lade, ergreift eine Soßenkelle und dreht sich, besagtes Teil bedrohlich in meine Richtung schwenkend, behände auf dem Absatz um.
„Das Essen ist gleich fertig“, schmunzelt sie und verschwindet sogleich wieder in der Küche.
Melanie krault gedankenverloren an meinem Haaransatz.
Beim Kampf der Geschlechter gibt es keine Gewinner, aber viele Verlierer: unsere Kinder. Wegen des Paulus Briefes werden meine Frau und ich uns wohl niemals ernsthaft streiten.
Texte: alle Rechte liegen beim Autor
Tag der Veröffentlichung: 05.11.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
4. Platz beim Wettbewerb:
"Kampf der Geschlechter"