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Prolog

In sicherem Abstand folgte er dem Mädchen vom Bahnhof in Blaubeuren bis zum Blautopf.

 

Sie war keine der Touristen, die durch das Land zogen, um sich die Sehenswürdigkeiten anzusehen, Fotos zu schießen und in dem Café einzukehren.

 

An dem grünen See enthüllte sie ein Transparent, mit dem sie der Welt verkündete, dass sie doch bitte ihren Müll irgendwo anderes hinwerfen sollten, und befestigte es gut sichtbar für die Wanderer.

 

Er stand im Schutz der Bäume nicht weit von dem Wanderweg entfernt und hatte sein Ziel im Visier. Während das Mädchen damit begann, Plastikbecher aus ihrem Rucksack zu ziehen und sie in den Blautopf zu werden, lud er die Waffe und entsicherte sie.

 

Mit ruhiger Hand visierte er sein Ziel an, suchte den geeigneten Moment und gab einen gezielten Schuss ab, der sein Opfer direkt in den Kopf traf.

 

Sie fiel kopfüber ins Wasser, das sich um ihren toten Körper blutrot färbte.

 

Der laute Knall löste ein chaotisches Durcheinander aus, wie er es erwartet hatte. Menschen rannten wild durcheinander, jemand versuchte, über die Absperrung zu klettern, um sie aus dem Wasser zu ziehen, mehrere Leute hatten ihr Smartphone am Ohr, um den Notruf zu verständigen und andere konnten nicht widerstehen, das tote Mädchen inmitten der Plastikbecher zu fotografieren.

 

In dem Chaos schlüpfte er unbeobachtet durch die Menge und verschwand, so unauffällig wie er gekommen war.

 

 

 

 

 

Katzen, Kühe und Pferde

Iris kam aus der Schule. Die Busfahrt durch die ganzen Dörfer war wie immer eine Tortur. Der Bus war voll und heiß, und in jeder Kurve wurden sie durcheinandergeschüttelt, dass ihr beinahe schlecht wurde.

 

Ihre beste Freundin Sarah stieg in Upfingen aus und ging zu Fuß die wenigen Schritte nach Hause. Jetzt war es nicht mehr weit nach Lonsingen, wo Iris mit ihrer Familie auf einem Bauernhof lebte.

 

Die Nachfrage nach regionalen Produkten aus biologischem Anbau war so hoch, dass sie von den Erträgen gut leben konnten, doch sie mussten alle hart arbeiten, um das zu erreichen.

 

Iris kümmerte sich um die Tiere des Hofs, fütterte sie, melkte die Kühe und brachte die Pferde auf die Weide, wo sie ein glückliches Leben führten. Sie fütterte die Hühner, sammelte die Eier ein, die sie gelegt hatten, und führte die Hunde aus.

 

Sammy, ihre Katze, war trächtig. Sie sah nach ihr, streichelte und fütterte sie und freute sich, dass es ihr gut ging.

 

Sie liebte Tiere über alles, besonders ihren schwarzen Hengst Nero, den sie täglich lange bürstete und striegelte und mit ihm ausritt, so oft sie die Zeit dafür fand.

 

Ihre Schwester Diana kümmerte sich um den Gemüsegarten, die Gewächshäuser und die Blumenbeete, wo Sonnenblumen, Rosen und andere Blumen wuchsen, die auf dem Markt verkauft wurden. Sie ernährte sich vegan und war damit zufrieden, denn durch ihren Einsatz bekam sie immer das frischeste Obst und Gemüse, das der Garten bot, und im Sommer war es besonders herrlich, wenn die Kirschen reif waren oder man an den Sträuchern Brombeeren und Himbeeren ernten konnte.

 

Iris dagegen aß gerne Fleisch. Nicht jeden Tag, aber hin und wieder liebte sie ein saftiges Steak, den Braten, den ihre Mutter kochte, oder knusprige Hühnerflügel, wenn geschlachtet wurde oder eines ihrer Hühner alt genug war.

 

Ihre Mutter Dorothea Müller war die Chefin des Ganzen. Sie betrieb den Hofladen, bestellte die Felder und erntete. Sie ging einmal in der Woche ins Backhaus, um das köstliche Bauernbrot zu backen und kümmerte sich um vieles mehr, das getan werden musste. Sie war alleinstehend und selbstbewusst, arbeitete hart und fiel jeden Abend nach ihrem langen Arbeitstag erschöpft ins Bett.

 

Nach dem Mittagessen und den Schularbeiten zog sich Iris um, fütterte die Tiere, streichelte sie und redete mit ihnen. Sie vergewisserte sich, dass alle gesund und zufrieden waren, mistete den Stall aus und erledigte eine Menge anderer Dinge, die zu ihren täglichen Pflichten gehörten.

 

Schließlich war die Arbeit getan und Iris sprang unter die Dusche, zog sich um und ging zu Nero in den Stall, der schon auf sie wartete und sich freute, sie endlich zu sehen.

 

Sie begrüßte ihn liebevoll, erzählte ihm, was sie den Tag über erlebt hatte, sattelte ihn und führte ihn aus dem Stall.

 

Der abendliche Ausritt mit Nero war der Höhepunkt ihres Tages, auf den sie sich schon freute, wenn sie am Morgen aus dem Bett stieg, frühstückte und für die Schule richtete. Sie stieg auf und musste ihn nicht lange antreiben, denn Nero verstand ihre kleinen Signale mit den Schenkeln und wusste sofort, was sie von ihm wollte.

 

Nero trabte los. Iris ließ ihm freien Lauf, lenkte ihn nur sachte mit den Zügeln. Sie ließen den Hof hinter sich und trabten einen Feldweg entlang. Am Waldrand verließen sie den Weg und Iris ließ den Hengst über die Wiesen galoppieren.

 

Nero war schnell und Iris genoss den schnellen Ritt.

 

Sie näherten sich dem See und Iris lenkte ihren Hengst am Ufer entlang.

 

Auf der anderen Seite des Sees gönnten sie sich eine Pause. Iris gab Nero zu trinken und spritzte sich etwas Wasser ins Gesicht, um sich ein bisschen abzukühlen. Sie zog ihre Reitstiefel aus und streckte ihre Füße ins kühle Wasser.

 

"Hier sollten wir mal zum Baden herkommen", schlug sie ihm vor, und Nero wieherte munter, als hätte er verstanden, was sie gesagt hatte, "wir könnten ein Picknick machen, nur wir beide. Gras ist genug da."

 

Nero antwortete nicht, doch sie konnte sich vorstellen, was er sie fragen würde.

 

"Nein, es gibt keinen, den ich mitnehmen würde. Ich bin genauso alleine wie Mama, nicht so wie du Schlingel, der ständig den Stuten hinterher läuft, oder Diana, die immer einem der Bauernjungs den Kopf verdreht und sich mit ihnen oben im Heu vergnügt. Ich glaube, sie denkt immer noch, ich hätte sie nicht durchschaut."

 

Sie kicherte, und Nero antwortete mit einem kurzen Schnauben, als wäre er von Dianas Verhalten entrüstet.

 

"Komm, lass uns zurückreiten", sagte Iris zu ihrem Pferd, "du wirst sehen, irgendwann werde ich hier draußen mit einem süßen Kerl ein Picknick machen, mit ihm im See baden und eine Menge Spaß haben. Ich muss nur noch dem richtigen über den Weg laufen. Ich bin ein bisschen wählerischer, als du mit deinen Stuten, das kannst du mir glauben!"

Kunststoff

Ich saß konzentriert an meinem Bildschirm. Seit drei Stunden hatte ich recherchiert, in den Ausarbeitungen verschiedener Forschungsarbeiten gelesen, nach Beiträgen in wissenschaftlichen Journalen geblättert und mir einige Dokumente aus dem Netz heruntergeladen, um zu prüfen, ob sie möglicherweise einen Hinweis auf andere Veröffentlichungen enthielten, die mir weiterhelfen konnten.

 

Ich hatte in Tübingen Verfahrenstechnik studiert und hatte einen der begehrten Jobs als wissenschaftlicher Assistent in einem der Institute bekommen, in dem neue Werkstoffe für die Kunststoffindustrie entwickelt wurden.

 

Den ganzen Tag beschäftigte ich mich mit Plastik. Es begann schon morgens beim Frühstück, wenn ich mir ein Brötchen aus der Verpackung nahm und in den Mikrowellenherd steckte, damit es schön knusprig schmeckte.

 

Die Überreste landeten im Müll oder dem gelben Sack, in dem die Verpackungen landeten, die recycelt werden konnten.

 

Ich nahm mir eins der Brötchen aus meiner Vesperdose, die aus hochwertigem Kunststoff war und griff nach dem Einwegbecher, der auf meinem Schreibtisch stand.

 

Der Kaffee war inzwischen kalt. Ich goss den Kaffee ins Waschbecken und warf den Becher in den Müll. Es würde sich lohnen, wenn hier an der Uni der Müll wenigstens getrennt würde, dachte ich, doch vermutlich waren die Reinigungskräfte damit schon wieder überfordert, denn deren Zeitplan war knapp kalkuliert. An der Uni wurde nicht nur bei den Forschungsmitteln, sondern auch beim Personal extrem gespart.

 

"Du siehst aus, als könntest du ein Tässchen vertragen", unterbrach meine junge Kollegin meine Gedanken und stellte einen neuen Einwegbecher mit heißen Kaffee auf meinen Schreibtisch.

 

"Danke, Hanna", sagte ich zu ihr und grinste, "du kennst meine Bedürfnisse und bist immer zur Stelle, wenn ich Nachschub brauche."

 

"Ich kenn dich doch", lachte sie und kam näher an mich heran, "und ich weiß, dass du den Kaffee genauso nötig braucht, um zu funktionieren, wie den Computer den Strom oder dein Auto Benzin."

 

"Mein Hirn wird mit Kaffee betrieben", antwortete ich, "ohne regelmäßigen Nachschub arbeitet es nicht richtig."

 

"Zu schade, dass du dich nicht genauso sehr um meine Bedürfnisse kümmerst", sagte sie zu ihm, "du weißt, dass Kaffee nicht das einzige ist, das du von mir kriegen könntest."

 

"Hannah...", antwortete ich, "das haben wir doch schon so oft besprochen. Du und ich - das würde niemals funktionieren."

 

"Du hast zu hohe Erwartungen", antwortete sie, "aber das habe ich dir auch schon hundertmal gesagt. Was hindert dich daran, ein bisschen Spaß zu haben, während du darauf wartest, dass dir deine Traumfrau über den Weg läuft?"

 

Hannah hatte es sich in den Kopf gesetzt, mich zu verführen. Manchmal wunderte ich mich, dass es Frauen gab, die so hemmungslos ihre Reize spielen ließen oder wie ein Obermacho flirteten, um einem Kerl ins Bett zu kriegen.

 

Dabei hatte Hannah das nicht nötig. Mit ihrer Figur und ihrer einnehmenden Art war sie leichte Beute in jedem Club, in dem sich seine Kommilitonen nach den Mädchen umsahen, um sie für eine heiße Nacht mit nach Hause zu nehmen.

 

Natürlich hatte ich Hannahs körperliche Reize wahrgenommen. Wenn sie in ihrem engen Top und den noch engeren Short vor mir herumstolzierte und mit dem Hintern wackelte, fiel es mir zunehmend schwerer, ihrer Versuchung zu widerstehen. Doch ich musste nicht alles haben, nur weil es mir gefiel.

 

"Was machen die Recherchen", fragte sie, "immer noch auf der Suche nach dem Super-Kunststoff mit den idealen Eigenschaften? Recyclebar, umweltfreundlich, hitzebeständig und formstabil?"

 

"Es gibt ein paar verheißungsvolle Ansätze", antwortete ich, "ein japanisches Labor hat die Ergebnisse einer Studie veröffentlicht, und ich würde das Herstellungsverfahren gerne im Labor untersuchen. Ich möchte mit Oliver darüber reden und bin dabei, Hintergrundmaterial für den Projektvorschlag zusammenzustellen. Du weißt ja, unsere Mittel sind begrenzt, aber ich hoffe, dass wir mit einem guten Proposal einen Sponsor aus der Industrie finden, der mit uns zusammenarbeiten möchte."

 

"Das wäre schon cool", meinte sie, "wenn ich dich dabei irgendwie unterstützen kann, musst du mir nur Bescheid sagen."

 

"Das werde ich", lachte ich, "und ich meine damit nicht nur die Kaffeeversorgung."

 

"Dann werde ich weiter darauf hoffen, dass du mich irgendwann erhörst und wir uns ein bisschen näher kommen", grinste sie mit einem Augenzwinkern.

 

"Niemals", antwortete ich, "aber probier's ruhig weiter. Die Hoffnung stirbt zuletzt."

Fachschaftsparty

Ich hatte beschlossen, auf die berüchtigte Party der Fachschaft Physik zu gehen, ein paar Biere zu trinken und Hannah möglichst aus dem Weg zu gehen.

 

Immer nur arbeiten, Fachbücher lesen und Musik zu hören war auf Dauer einfach eine zu einseitige Beschäftigung.

 

Und natürlich hoffte ich, ein paar nette Mädchen kennenzulernen, vielleicht ein bisschen zu flirten

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 03.03.2023
ISBN: 978-3-7554-3417-7

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