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Prolog

Suchend wanderten die Augen des Jungen über den Schulhof und checkte die Mädchen ab.

 

Ein Mädchen stand verloren etwas abseits. Sie hatte lange, blonde Haare, eine tolle Figur und war hübsch, und er wunderte sich, dass sie ihm noch nicht aufgefallen war.

 

Er beobachtete sie einen Moment und ging schließlich zu ihr hinüber, um sie anzusprechen.

 

"Hallo, meine Hübsche, so ganz alleine hier?"

 

"Hey", antwortete sie und lächelte. Mit diesem Lächeln in Gesicht war sie noch viel hübscher. Er musste sie unbedingt kennenlernen.

 

"Ich bin neu hier", fuhr sie fort, "wir sind neulich erst nach Wuppertal gezogen."

 

"Na dann herzlich Willkommen hier in Einsteins Hölle", grinste er und sie kicherte, "ich bin Fabian."

 

"Lena", antwortete sie, "achte Klasse seit heute."

 

"Du hast hübsche Augen und ein bezauberndes Lächeln", fuhr er fort. Der Spruch wirkte jedes Mal Wunder.

 

"Dankeschön, schön dich kennenzulernen."

 

"Bist du bei WhatsApp?" versuchte er einen weiteren Vorstoß, "du könntest mich als Freund hinzufügen, wenn du möchtest."

 

"Na ja, in solchen Sachen bin ich nicht so gut", meinte sie, "mein Telefon ist meistens irgendwo in meiner Tasche vergraben. Aber du weißt ja, wo du mich findest."

 

"Gehst du mal mit mir aus?" fuhr er fort und hoffte, dass sie nicht gleich Nein sagte.

 

"Gerne", lächelte sie, "du kannst mir ja mal mehr von Wuppertal zeigen."

 

"Das werde ich", versprach er.

 

Sie hatte angebissen. Wenn er es nicht total vermasselte, würde er sie innerhalb eine Woche ins Bett kriegen.

 

Von weitem hatte ein anderes Mädchen die beiden beobachtet und war nicht so sehr erfreut darüber. Sie wollte Fabian schon immer, doch jetzt hatte sie wieder einmal Konkurrenz bekommen.

 

Irgendwann hat deine Pechsträhne ein Ende, dachte sie, er wird das blonde Ding fallenlassen, wenn er von ihr genug hatte, und dann gehörte er ihr.

 

Sie musste sich etwas einfallen lassen.

 

Umzug

Lena war schrecklich aufgeregt. Ihr Papa hatte ein großes Geschäft erfolgreich abgewickelt und damit eine Menge Geld verdient.

 

"Wir kaufen ein Haus", hatte er stolz verkündet, "ein Smart Home um genau zu sein. Mit allem Drum und Dran. Und ihr bekommt jede ein eigenes Zimmer."

 

Ihre Schwester Alexa jubelte laut.

 

"Wird auch langsam Zeit", meinte sie, "Lena ist zwar lieb und nett, doch ich musste oft genug spazieren gehen wenn sie mit Fabian rumgemacht hat."

 

"Wir haben überhaupt nicht 'rumgemacht'", protestierte Lena, "wir haben unsere Schulaufgaben zusammen und ich habe ihn ein paar Mal gezeichnet."

 

"Uhh, Aktzeichnungen", spottete Alexa, "da geh ich doch lieber spazieren."

 

"Was auch immer..."

 

Lena hatte keine Lust, mit ihrer Schwester über das Thema zu diskutieren. Alexa konnte manchmal sehr anstrengend sein, vor allem wenn ihr die Argumente ausgingen und sie erkennen musste, dass sie mit ihrer Argumentation nicht Recht bekam.

 

Sie wunderte sich, was mit Alexa los war. Gönnte sie ihr nicht, dass sie mit Fabian zusammen war? Dabei war sie bei den Jungs recht beliebt und sie konnte sich auswählen, mit wem sie zusammen sein wollte, auch wenn es meistens Vollpfosten waren, die sie mit nach Hause brachte.

 

"Was genau ist ein Smart Home?" wechselte Lena das Thema.

 

"Es ist gut, dass du danach fragst", antwortete ihr Vater, "es ist ein Haus, das mitdenkt und selbständig die Probleme löst, wenn keiner zuhause ist. Zum Beispiel der Kühlschrank. Wenn er feststellt, dass die Milch leer ist, bestellt er automatisch neue nach. Das Licht reagiert auf Spracheingabe und passt sich automatisch deinen Vorlieben und den programmierten Regeln an."

 

"Wie zum Beispiel 'Licht aus um zehn, wenn am anderen Tag Schule ist'", erläuterte Frau Thiel.

 

"Mist, dann muss ich mit der Taschenlampe lesen", grinste Alexa.

 

"Ich hab noch nie gesehen, dass du liest", antwortete Lena, "außer wenn einer deiner Lover dir eine Textnachricht schickt."

 

"Dann hat das Smart Home auch ein schnelles WLAN?" wollte Alexa wissen.

 

"Schnell wie der Blitz", antwortete Herr Thiel stolz, "Anbindung über Glasfaser. Wir wollen ja nicht gleich wieder ausziehen weil das Internet in Wuppertal nicht schnell genug ist."

 

"Wuppertal?"

 

Jetzt war Lena überrascht. Das war weiter weg, als sie erwartet hatte.

 

"Ja", antwortete Herr Thiel, "wieso?"

 

"Na ja, ich werde dann wohl nicht mehr mit dem Fahrrad zur Schule fahren können", erklärte Lena, "und Chris unterwegs abholen."

 

"Wenn das alles ist", grinste Herr Thiel, "Christiane kann dich jederzeit besuchen. Mit der Stadtbahn ist es nicht weit und mit der Smart Home App kannst du dann auf dem Smartphone einstellen, wer dich wann besuchen darf."

 

"Wow toll!" freute sich Alexa.

 

"Aber keine Jungs nach 22 Uhr", fügte ihre Mutter hinzu.

 

"Lässt sich alles programmieren", versprach Herr Thiel, "das ist ja das Tolle an dem System."

 

"Na toll", maulte Alexa, "werden die auch um 10 gleich aus dem Haus geworfen, wenn sie zu lange bleiben?"

 

"Nein, aber wir können Regeln definieren, die den Zugang dann zukünftig begrenzen", antwortete Herr Thiel.

 

"Super", stöhnte Alexa, "das ist ja fast wie im Knast."

 

"Wohl kaum", widersprach ihr Vater, "im Knast sind die Zimmer viel kleiner und das Essen deutlich schlechter. Außerdem kommt man in ein Gefängnis leichter rein oder raus, als in ein Smart Home."

 

"Moment, wie kann das... Ding denn erkennen, ob es ein Junge ist, der uns besucht?"

 

"Gesichtserkennung", antwortete Herr Thiel zufrieden, "das System ist mit dem kompletten Datenbestand Europas verbunden und identifiziert jede Person innerhalb von wenigen Sekunden."

 

"Wow!"

 

Das klang jetzt wirklich beeindruckend.

 

* * *

 

Wenige Wochen später kam dann der große Tag des Umzugs. Lena und Alexa hatten ihre Sachen in Kartons gepackt und in allen Zimmern standen hohe Stapel davon, bereit für den Umzug.

 

Sie hatten gerade gefrühstückt und die Zähne geputzt als ein großer Umzugswagen vor dem Haus hielt und einer der kräftigen Männer klingelte. Es dauerte nicht lange bis Möbel, Kartons, Taschen, Koffer und was sich sonst noch in der alten Wohnung befand in den großen Wagen verladen war und sie sich auf die Fahrt machten.

 

Alexa schoss noch rasch ein paar Bilder mit dem Smartphone und lud sie auf ihre Instagram-Seite, während Lena in dem leeren Zimmer stand und gedankenverloren Abschied nahm und ein paar Zeilen in ihr Tagebuch schrieb:

 

16. Mai

Adieu, mein altes Zuhause. Ich war gerne hier. Ich hoffe, die Menschen, die hier bald leben, werden ebenfalls glücklich sein.

 

War ich glücklich? Ich denke schon, auch wenn ich mich nie intensiv mit dem Glücklichsein beschäftigt habe. Vielleicht muss ich das auf meine TODO-Liste setzen, damit ich es nicht vergesse...

 

Nach einer kurzen Fahrt erreichten sie ihr neues Zuhause. Papa hatte es sich nicht nehmen lassen, alle in seinen neuen BMW zu chauffieren, auch wenn Alexa eine Bemerkung machte, dass dicke Autos nicht mehr zeitgemäß wären, doch Papa liebte den Wagen, auch wenn er sein Büro bequem mit der Stadtbahn erreichen konnte.

 

Die Männer von der Umzugsfirma hatten bereits begonnen, Möbel in die Zimmer zu tragen und die Kartons überall zu verteilen.

 

"Lasst uns rasch in das Smart Home-System einchecken", schlug er vor und sie mussten sich alle nacheinander vor die Kamera am Eingang stellen, ihre Namen sagen und bekamen schließlich eine Mail von dem System, mit dem sie Zugang zu der Steuerung bekamen.

 

"Ich führe euch geschwind vor, wie das geht", fuhr er fort.

 

Gabi, dimme das Licht in der Halle auf 40%!

 

Die Lampen in dem Eingangsbereich, den Herr Thiel mit 'Halle' im System gespeichert hatte, wurden langsam dunkler.

 

"Wow!" staunte Alexa, "das ist cool!"

 

"Gabi? Echt jetzt?!" bemerkte Lena.

 

"Du kannst in der App jeden beliebigen Namen speichern", antwortete Herr Thiel.

 

"Dann werde ich das Ding 'Sina' nennen", verkündete Lena und damit war das beschlossen.

 

 

 

Freundinnen

Lenas beste Freundin Christiane Glaser lebte mit ihren Eltern in Düsseldorf. Sie hatte einen großen Bruder und eine kleine Schwester.

 

Bei den Glasers war Lena immer willkommen. Auch wenn die Familie eher in bescheidenen Verhältnissen lebte, waren sie glücklich und gastfreundlich, so dass Lena ihre Freundin gerne besuchte.

 

Wenn nur ihre Familie ein bisschen was von den Glasers hätten, dachte sie hin und wieder. Na ja, die Eltern kann man sich nicht aussuchen.

 

"Bist du schon in deinem neuen Zuhause angekommen?" fragte Chris ihre Freundin.

 

"Ich habe mich schnell daran gewöhnt", antwortete Lena und lächelte, "Papa war ganz heiß darauf, uns dir ganze Technik zu erklären, und Alexa ist froh, dass sie endlich ihr eigenes Zimmer hat."

 

"Ja, sie kann manchmal etwas... anstrengend sein", sagte Christiane.

 

"Trotzdem komme ich mir manchmal vor, als wären wir in einem schlechten Film", bemerkte Lena, "wir spielen 'Heile Welt' und jeder lebt für sich. Keiner darf sehen, was sich hinter der Fassade verbirgt."

 

"Hmm, das ist blöd", antwortete ihre Freundin, "könnt ihr nicht mal darüber reden?"

 

"Nicht wirklich", stöhnte Lena, "es ist ja schon eine Seltenheit, wenn wir mal alle vier gleichzeitig zuhause sind."

 

"Dann solltet ihr euch dafür einfach mal Zeit nehmen", schlug Christiane vor, "wenn ihr nicht miteinander redet, ist irgendetwas nicht in Ordnung."

 

"Gestern habe ich lange mit meinem Vater geredet", sagte Lena, "aber er hat fast die ganze Zeit über diesen elektronischen Quatsch in unserem Smart Home geredet, über den Erfolg bei seinem Job und sich selber. Solange wir ihm keinen Ärger machen, können wir tun, was wir wollen. Es ist ihm ziemlich gleichgültig."

 

"Wenigstens hast du Fabian", antwortete Chris.

 

"Und dich", fügte Lena hinzu, "Fabian kann man sich ohne sein Smartphone kaum noch vorstellen. Er legt es nur weg, wenn er schläft oder am Computer sitzt und keine Hand frei hat."

 

"Hat er denn keine Hobbys?"

 

"Doch", grinste Lena und verdrehte die Augen, "er spielt stundenlang mit seinen Kumpels irgendwelche blödsinnigen Ballerspiele. Selbst Bücher hält er für Zeitverschwendung."

 

"Na toll", kommentierte Chris, "so ein Freund hat mir gerade noch gefehlt."

 

"Wenigstens redet er mit mir", grinste Lena, "auch wenn er meistens nur jammert, dass er endlich mit mir schlafen will."

 

"Tja so sind eben Jungs", lachte Chris, "in dem Alter denken sie an nichts anderes mehr."

 

"Na ja, Fabian muss wohl noch lernen, dass er nicht immer das bekommt, was er will", antwortete Lena.

 

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 03.03.2023
ISBN: 978-3-7554-3416-0

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