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Prolog

Die junge Frau sah nicht sehr glücklich aus. Wutentbrannt stürmte sie durch das Zimmer in der kleinen Wohnung, zog ein paar Sachen aus ihrem riesigen Kleiderschrank und warf sie in eine Reisetasche.

 

Immer wieder griff sie zu ihrem Smartphone, wählte dieselbe Nummer und seufzte, wenn wieder einmal keiner den Anruf beantwortete.

 

Warum nur ging alles schief, wieso saß sie noch immer in diesem Loch fest? Ihre Freundin hatte längst den begehrten Platz auf dem Titelbild von 'Swimsuit International' bekommen, der eigentlich ihr zustand.

 

Ihr Freund hatte sicherheitshalber die Wohnung verlassen. Wenn sie zornig war, konnte sie gefährlich werden, und dann eskalierte in winziger Streit schnell in eine heftige Auseinandersetzung.

 

Die langen, braunen Haare fielen ihr ins Gesicht. Sie waren ihr Markenzeichen, so wie ihre Figur und ihre vollen Brüste, für die sie noch immer die Raten der Operation bezahlen musste.

 

Eines Tages würde sich ihre Investition hoffentlich gelohnt haben. Sie war bereit, alles für ihre Karriere zu tun, selbst wenn sie noch einmal mit dem alten Mann aus Amsterdam schlafen musste, um endlich ihr Ziel zu erreichen.

 

Sie warf einen ihrer Badeanzüge in die Tasche und schloss den Reißverschluss. Jetzt aber nichts wie weg, bevor sie noch vollkommen durchdrehte!

 

Ein paar Tage am Strand würden ihr gut tun. Sie würde ihren Agenten später anrufen und mit ihm die Details für das Shooting besprechen.

 

Sie warf die Türe hinter sich zu, als sie aus dem Haus stürmte, und steuerte eilig auf das Telepad zu, das sie von hier fortbringen würde.

 

Hastig wählte sie ihr Ziel aus, drückte auf den Knopf und wartete auf die Übertragung.

 

Nichts geschah.

 

Elender Mist! Heute ging auch alles schief!

 

Systemfehler irgendwas, las sie auf dem bunten Display.

 

Ungeduldig wiederholte sie ihre Auswahl, um es noch einmal zu versuchen.

 

Dann endlich spürte sie das Vibrieren und Kribbeln, als der Teleporter ihren Körper scannte, die Daten an das Ziel ihrer Reise übertrug und sie sich dort wieder materialisierte.

Systemfehler

"Hast du Lust auf ein paar Tage Strand und Sonne pur?" fragte mich Miriam, "ich bin das Regenwetter in der Großstadt wirklich leid. Schau nur, wie hell meine Haut geworden ist!"

 

Miriam hatte Recht. Nach drückender Hitze regnete es seit zwei Wochen fast ununterbrochen.

 

"Außerdem haben wir die letzten Wochen nicht viel Zeit füreinander gehabt", fuhr sie fort, "wir hatten so viel Arbeit und Stress mit der neuen Kampagne."

 

"Das ist eine gute Idee", antwortete ich, "wie lange ist es her, seit wir das letzte Mal auf Kreta an unserem Strand gewesen sind?"

 

"Viel zu lange!"

 

Rasch packten wir ein paar Sachen zusammen. Viel würden wir sowieso nicht brauchen. Ein paar Badesachen, Waschzeug, etwas zum Lesen und solche Dinge.

 

Miriam teleportierte als erste. "Bis gleich", sagte sie als der Teleporter sie scannte und sie vor meinen Augen verschwand.

 

Ich nahm meine Tasche und stellte mich auf das Telepad. Das Ziel war schon eingestellt und ich drückte auf den 'Teleport'-Knopf.

 

Nichts geschah. Nur eine Meldung: Systemfehler 4436 - Ihre Übertragung konnte nicht gestartet werden. Bitte versuchen Sie es in wenigen Minuten noch einmal.

 

 

Ich wartete einen Moment. Das konnte immer mal passieren, wenn das Netz mal wieder unter Last stand oder einer der Router gerade nicht wollte.

 

Dann versuchte ich es noch einmal, spürte das leichte Kribbeln als die Übertragung startete und landete auf dem Telepad auf Kiribati.

 

"Hier bin ich", sagte ich und wunderte mich ein bisschen, dass meine Stimme seltsam hoch klang.

 

Miriam stand nicht weit von dem Telepad entfernt und hielt einen Kerl im Arm, der sich aus ihrer Umarmung löste und sie giftig anfuhr:

 

"Was soll das, Bitch! Lass mich gefälligst in Frieden!"

 

Als ich genauer hinsah, erkannte ich, dass ich das war. Der Kerl sah jedenfalls genauso aus wie ich, und er hatte meine Sachen an.

 

Er verschwand ohne ein weiteres Wort und teleportierte irgendwohin.

 

"Miriam, was sollte das?" fragte ich sie empört.

 

"Und wer bist du?" sagte sie genervt zu mir, "kennen wir uns?"

 

"Miriam, ich bin's doch", antwortete ich.

 

"Martin??! Was zum Geier ..."

 

Erst jetzt bemerkte ich, was an dieser Situation nicht stimmte: Ich steckte in einem fremden Körper! Etwas war gründlich schiefgegangen.

 

Irgendjemand war beim Teleportieren in meinem Körper gelandet - und ich in ihrem.

 

Oh Shit, es war ein weiblicher Körper. Ich bemerkte die Brüste, die ich an meinem neuen Oberkörper hatte, und unwillkürlich griff ich zwischen meine Beine und geriet fast in Panik, als ich bemerkte, wie gründlich der merkwürdige Zwischenfall mich verändert hatte.

 

Was für ein blöder Mist!

 

"Miriam, hör zu. Ich weiß nicht, wie das passieren konnte", sagte ich zu ihr, "aber wir haben ein Problem. Ich bin beim Teleportieren in diesem Körper gelandet. Keine Ahnung wie das passiert ist."

 

Sie nickte und musterte mich von oben bis unten.

 

"Das würde erklären, warum die junge Frau in deinem Körper ausgeflippt ist, als ich sie in den Arm genommen habe."

 

"Was für ein Schlamassel", seufzte ich, "dabei hätte ich jetzt wirklich ein paar stressfreie Tage gebrauchen können."

 

Miriam durchsuchte die Taschen von meinen Sachen und zog einen Geldbeutel heraus. Ein Personalausweis steckte darin.

 

"Dein Name ist Vanessa Vogelstein", erklärte sie mir, "du bist 19 Jahre alt, ledig und ein Supermodel."

 

"Wow", staunte ich, "eine Verjüngungskur. Gibt es auch eine Adresse oder eine Telefonnummer?"

 

"Eine Visitenkarte", antwortete Miriam, "sie wohnt in Göttingen. Ich probiere mal die Telefonnummer."

 

Sie nahm ihr Smartphone, wählte die Nummer und wartete. Niemand antwortete.

 

"Na dann probieren wir es später nochmal", schlug Miriam vor, "komm wir gehen ins Wasser. Ich kann dir einen Badeanzug leihen."

 

Das war gruslig. Irgendwas würde ich mir ausdenken müssen, wie ich das geregelt bekam. Ich musste die 'richtige' Vanessa finden und das Problem lösen. Irgendwie mussten wir wieder in unsere richtigen Körper zurückkehren.

 

Ein bisschen am Strand abhängen würde auf keinen Fall schaden. Zum Glück wusste bis jetzt nur Miriam, wer in dem hübschen Körper steckte.

 

* * *

 

Das Wasser war eine Wohltat und brachte mich auf andere Gedanken. Ich schwamm ein gutes Stück hinaus und ließ mich dann von der Strömung treiben.

 

Wie immer hatte Miriam genau gewusst, was mir gut tat. Sie kannte mich wie niemand sonst, meine Stärken und Schwächen, und wir ergänzten uns in vielen Bereichen unseres Lebens perfekt.

 

Das Wasser und die Sonne zu spüren half mir, runterzukommen und mich ein wenig zu entspannen. Hier draußen war der Alltag mit allen Herausforderungen und Schwierigkeiten weit weg.

 

Schließlich kehrte ich an den Strand zurück und legte mich in die Sonne, um mich von der Wärme trocknen zu lassen.

 

Ich schloss die Augen. Ich sollte ich ein wenig schlafen und hoffen, aus diesem Alptraum wieder zu erwachen.

 

Schön wäre das. Leider erledigten sich die meisten Probleme üblicherweise nicht von alleine. Ich würde diesen Zustand vermutlich eine Weile aushalten müssen.

Was können wir tun?

Wir trafen uns in Köln in unserem Arbeitsraum, um
zu überlegen, was wir gegen meinen momentanen Zustand unternehmen konnten.


"Bleib einfach so wie du bist", schlug Oliver vor und grinste, "dein neuer Körper ist doch heiß. Immerhin bist du nicht in einer hässlichen Alten mit Warzen im Gesicht gelandet."


Ich sah ihn giftig an, und Miriam antwortete, bevor ich eine passende Antwort parat hatte:


"Auf keinen Fall", protestierte sie, "ich will meinen Boyfriend zurück. Ich steh nicht wirklich auf Frauen!"


"Danke", antwortete ich, "wenigstens eine, die zu mir hält."


"War nicht so gemeint", lenkte Oliver ein, "klar wollen wir dich vollständig zurück mit allem Drum und Dran!"


"Sieh's mal so", fügte Karin hinzu, "so eine Erfahrung kann nicht jeder machen. Es wird deinen Horizont erweitern und du kannst eine unglaubliche Geschichte erzählen, wenn wir dich wieder zurück haben."


"Falls wir das hinkriegen", antwortete ich zweifelnd.


"Klar kriegen wir das hin", versprach Oliver optimistisch, "wenn es in die eine Richtung geht, dann geht es auch irgendwie wieder zurück. Was auch immer da genau schiefgelaufen ist, wir finden es heraus und holen dich wieder zurück."


"Als erstes müssen wir die 'richtige' Vanessa finden", bemerkte Miriam, "ich bin sicher, sie ist genauso verzweifelt wie Martin und will wieder zurück in ihr normales Leben."


"Wir haben eine Adresse und eine Telefonnummer in Göttingen", berichtete ich, "aber wir haben dort noch niemanden erreicht."


"Wir werden es auf jeden Fall weiter probieren", sagte Miriam und nahm meine Hand. Ihre Unterstützung tat mir gut und vertrieb meinen Pessimismus.


Ich ließ mir einen Kaffee aus der Maschine und nahm mir zwei Stück Zucker.


"Kann es sein, dass auch dein Kopf etwas abgekriegt hat?" fragte Oliver besorgt, "du hast den Kaffee doch immer schwarz und ungesüßt getrunken!"


"Das macht mir ja Sorgen, mehr als plötzlich Brüste zu haben", seufzte ich, "ein Teil von mir ist komplett Vanessa. Auch wenn meine Erinnerungen vollständig meine eigenen sind, gibt es Teile in meinem Kopf, die einfach nicht dazu passen."


"Solange du nicht anfängst, wie eine Wilde Schuhe zu kaufen und im Bad eine Stunde brauchst bis du dich der Welt zeigen kannst, müssen wir uns keine ernsthaften Sorgen machen", grinste Oliver.


"He, pass auf, was du sagst!", lachte Karin, "sonst werde ich mit Vanessa gleich shoppen gehen und ihr eine halbe Tonne neue Outfits kaufen!"


"Dafür bin in erster Linie ich zuständig", widersprach Miriam und lachte. Sie wusste nur zu gut, dass für mich Klamotten kaufen immer eine Qual gewesen war und ich ungern gelangweilt herumsaß, während sie mit Begeisterung hunderttausend Outfits anprobierte.


"Gute Idee", antwortete ich, "meine eigenen Schuhe sind mir viel zu groß, und in Vanessas Badelatschen kann ich auch nicht ständig herumlaufen. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob ich auf hohen Schuhen laufen kann."


"Keine Angst, zuerst fangen wir mit flachen Absätzen an", versprach mir Miriam, "und später üben wir miteinander, auf High Heels zu laufen, so wie ich es mit Ilonka trainiert habe. Schließlich kannst du nicht in Badelatschen oder Turnschuhen auf den Laufsteg."


Oliver kicherte und ich verdrehte die Augen. Langsam verursachte die Vorstellung mir leichtes Unbehagen.


* * *


"Was jetzt?" fragte mich Miriam nach unserer Besprechung.


"Ich will mir später das Programm in den Teleportern noch einmal ansehen", antwortete ich, "vielleicht haben wir etwas übersehen."


"Hältst du das für wahrscheinlich?" fragte Miriam.


"Keine Ahnung. Es gibt nur zwei Möglichkeiten", überlegte ich, "entweder gibt es noch einen Fehler im Steuerprogramm des Teleporters oder es hat jemand die Software gehackt und absichtlich etwas geändert, um den Teleporter zu manipulieren."


"Warum sollte sich jemand die Mühe machen?" wunderte sich Miriam, "schließlich nützt der Zwischenfall niemandem etwas."


"Und trotzdem ist es passiert", antwortete ich nachdenklich, "und das beunruhigt mich sehr. Möglicherweise hat Vanessa Feinde oder neidische Konkurrentinnen, die sie unschädlich machen wollten."


Ich war kein Freund wilder Verschwörungstheorien, aber manchmal war mein Vertrauen in das Gute in Menschen etwas, das uns alle in enorme Schwierigkeiten brachte.


* * *


Noch einmal sah ich mir die Sachen in Vanessa Tasche an. Eine große Auswahl hatte ich nicht. Miriam hatte mal wieder vollkommen recht: ich brauchte dringend noch mehr zum Anziehen. Schließlich konnte ich ja auch nicht ständig Miriams Kleiderschrank plündern.


Wir teleportierten in ein gut sortiertes Kaufhaus in der Altstadt und sahen uns in der Damenabteilung um.


"Fangen wir mit ein paar Sommerkleidern an", schlug Miriam vor, "und dann Schuhe."


Ich stimmte ihr zu und wir fanden schnell ein paar süße Kleider, Jeans, Oberteile, drei Paar Schuhe, Sandalen und ein Menge anderer Sachen.


Dann gingen wir in die Wäscheabteilung.


"Ein paar Garnituren einfache Slips sind nie verkehrt", schlug Miriam vor, "aber vielleicht magst du auch ein paar aufregendere Teile. Seide, Spitze, vielleicht ein paar Bodys."


"Das klingt gut", lächelte ich mühsam.


Auch hier wurden wir mit Miriams fachkundiger Hilfe schnell fündig und ich erstand einige wirklich süße Teile. Trotz dem ganzen Unbehagen konnte es kaum erwarten, sie zu tragen.

Der Lover

Ich war unheimlich nervös, als ich schließlich nach Göttingen in die gemeinsame Wohnung mit Vanessas Partner Ralf teleportierte. Ich hatte es lange vor mir hergeschoben, aber irgendwann musste ich mich der Begegnung mit ihm stellen. Daher hatte ich beschlossen,

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Bildmaterialien: Jenni Eales
Cover: Jenni Eales
Tag der Veröffentlichung: 03.03.2023
ISBN: 978-3-7554-3411-5

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