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Prolog


Wie die Knochen einer halb verwesten Kreatur ragten die Balken bloß und abgenagt in den Himmel. Waren schwarz von den leckenden Flammen, die inzwischen längst verschwunden waren. Hier und da zuckte eine grobe Folie wie etwas Lebendiges über den Boden. Hauchte eine zischende Klage in die Nacht und imitierte Leben, wo sich längst der Tod in seiner Vollkommenheiten niedergelassen hat.
Im Bauch des Kadavers aus Holz und Stein ruhten die traurigen Reste verbrannter Geschöpfe. Hier die zerfetzten Überbleibsel einer Antilope, deren wollende Eingeweide längst geschmolzen waren. Dort ein sibirischer Tiger, welcher sich gekrümmt den Schatten zugewandt hatte. All ihre starren Augen waren längst im Feuer geschmolzen und innerhalb einer Nacht wirken sie seit Jahren, Jahrzehnten das erste Mal still und friedlich. Tod.
Die Menschen hatten es trotz der vergangen Zeit noch nicht gewagt etwas in diesem Friedhof aus längst gebleichten Knochen anzurühren. Sie tapsten im Dunkeln wie die Kinder die sie wahren. Denn würden sie die Ohren offen halten, wäre ihnen das geflüsterte Gerede der Feuerwehrleute nicht entgangen. Das Gerede über bösartiges Feuer, welches sich mit zischen und Fauchen brüllend gegen das Wasser warf. Wie ein Geschöpf mit Verstand war es gewesen. Gerissen und schwer beizukommen bis es plötzlich genauso schnell verschwunden war, wie es begonnen hatte. Zurück blieben nur Asche, Staub und Fragen, die kein Sterblicher würde beantworten können. Denn zwischen Scherben und Ruß stand der Beginn eines neuen Zeitalters geschrieben.
Lautlos wie der Nachtwind landeten zwei Gestalten auf den hervorstehenden Balken. Wirkten in der leicht gekauerten Haltung wie Raubvögel, deren scharfe Klauen bereit waren zu töten. Einen Moment hielt sich dieses Bild, dann sprang die erste geschmeidig auf dem Rußgeschwärzten Boden. Ihr Gefährte folgte nach einem Moment des Lauschens und bemerkte nicht den sich bewegenden Schatten, welcher dunkler war als seine Brüder.
»Hier ist es also.«
Es war keine Frage in diesen Worten nur leise, fast flüsternde Traurigkeit. Doch mit diesem Ort hatte sie nur wenig zu tun. Sie lag tiefer. Viel tiefer als die meisten Wesen bereit waren zu schauen.
»Ja.«
Die Antwort klang unbeteiligt. Fast gelangweilt. Ein scharfer Kontrast dem die Stille die Klinge wetzte. Ein leises Knurren war die Erwiderung. Gereizt. Trügerisch sanft. Alles in nur einem Ton vereint.
»Was erwartest du hier zu finden, Acrabiel«? Man hörte, dass der Sprecher wenig beeindruckt war von der Reaktion seiner Gefährtin. Viel mehr lauschte er dem Flüstern von Stein und kaltem Feuer, das seine Erinnerungen mit ihm zu teilen bereit war. Es war ein wiedererkennen an diesem Ort, welchen er mit seinen Flammen verbrannt hatte.
»Ewige Qual und grausamen Tod«, knurrte sie als Antwort und es war wie ein Lockruf für den Schatten in ihrem Rücken. Lautlos glitt er Näher. Gefährlich Nahe und schob sich dann mit einem dunkeln Schnurren unter die Hand von Acrabiel. Im fallen Licht schienen die Augen des Raubtiers genauso hell zu glühen wie die seiner Herrin.
Irrlichter flackerten auf und vertrieben die Dunkelheit um sie herum. »Hier wirst du nur noch Schatten davon finden«, bemerkte eine Stimme, so vertraut für diesen Ort das ein dunkles Raunen durch die Mauern zog. Azer beachtete es nicht weiter. Beobachtete nur wie Acrabiel über den Kopf der dunklen Löwin strich.
»Du irrst dich.« Sie gab der Löwin mit einem Wink ein Zeichen. Auf lautlosen Sohlen glitt das Tier zurück in den Schatten. »Wir sind genau am richtigen Platz um das Ende dieses Sündenblutes zu schreiben.«
Der Engel schwieg darauf. Seine Sinne griffen nach vorn durch den Schatten, durch Stein und Schutt doch was immer seine Gefährtin hier sich erhofft zu finden blieb ihm verborgen. Vielleicht war es ihre Macht, die ihr etwas ins Ohr schnurrte, das ihm verborgen geblieben war. Azers Augen verengten sich leicht als er ihr Folgte. Vorbei an Blicklosen Augen, die Treppe hinab auf deren Mitte sich noch immer ein teil des Neuseeländischen Bücherwurms in den dunklen Streben des Geländers verbissen hatte. Und je weiter sie kamen, desto mehr nahm die Zerstörung um sie herum ab. Sah man einmal von den herumliegenden Büchern und den umgestürzten Regalen ab. Azer kannte von jedem einzelnen die Geschichte in jener Nacht, an dem es ein unbedeutender Hase geschafft hatte, sich ihm zu entziehen.
Die Löwin ging weiter. Ihre Schritte waren ohne zögern und gaben dem aufmerksamen Betrachter Beleg darüber, das sie diesen Weg nicht das erste Mal gegangen war. Was auch immer Acrabiel hoffte hier zu finden, hatte ihre pelzige Verbündete längst ausmachen können.
Vor einem Regal das wie hundert andere aussah, setzte sie sich. Die Engelin fuhr ohne zögern mit den Fingern über die Rücken der Bücher. Veraltete Worte, verstaubtes Wissen. Etwas strich wie ein britzeln über seine Sinne. Nur kurz. Ein Funkenschlag in der Nacht das ihm entglitt als das Hochgefühl seiner Gefährtin ihn wie aus dem nichts überschwemmte.
Er knurrte.
Sie Lachte.
Ein Buch lag in ihren Händen. Die Seiten raschelten als sie darin blätterte. Dann ein freudiges Aufatmen ein Schnurren von der Löwin. Wieder zarter Funkenflug über seine Macht. Azer senkte den Blick und sah zwei dunkle Blutstropfen, welche sich an das Papier krallten, als würden sie die Bedeutung ihrer Entdeckung begreifen.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 21.09.2017

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieses Buch ist für alle, die Ruby, Shun und Co so geduldig durch ihr Abenteuer begleitet haben. Ohne euch wäre sie nie so weit gekommen.

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