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Abschied

London, im Jahre 1870. Jenny Holmes, die bekannte Meisterdetektivin,  stand gedankenverloren am Fenster und blickte auf das emsige Treiben auf der Baker Street in der sich ihre Detektei befand. In der Hand hielt sie einen langen Brief ihrer Schwester Jane. Sie schrieb ihr, dass es doch mal an der Zeit wäre, sie in den Vereinigten Staaten von Amerika zu besuchen. Schwester Jane ist vor einigen Jahren Mutter geworden und ihre Tochter drängt nun darauf die berühmte Tante endlich mal kennen zu lernen. Jenny grübelte und stellte sich die Frage, was sie hier noch soll. Ständig irgendwelchen Ganoven das Handwerk zu legen und sich in Gefahr zu begeben kann doch nicht alles im Leben sein. Schließlich wird sie auch nicht jünger. Und Inspektor Guby machte es ihr auch nicht immer leicht.

 

Ihr Entschluss stand fest. Sie gab die Kanzlei auf und beschloss in die Vereinigten Staaten zu ziehen, wo es Menschen gab, die auf sie warteten.  Sie reiste nach Lemonshire um ihren alten Freund Lord Lemon noch einmal zu besuchen. Bei einer Tasse Tee und etwas Gebäck plauderte sie ausgelassen mit Lord Lemon über ihre Zukunftspläne.

„Wenn ich jünger wäre, liebste Jennifer ", sagte Lemon amüsiert, „Dann würde ich glatt mit ihnen reisen".

Jenny musste schmunzeln, denn das traute sie dem alten Knaben durchaus zu. Sie bat ihn ihre Sachen nachzuschicken, sobald sie eine passende Unterkunft für sich gefunden hätte. Man verabschiedete sich herzlich und dann machte sie sich wieder zurück auf den Weg nach London.

 

Es vergingen noch etliche Wochen bis sie alle Formalitäten erledigt hatte und dann hielt sie freudestrahlend ihre Passage für die Überfahrt in den Händen. Ihre Koffer, die sie mit auf die lange Reise nahm, standen längst gepackt im Flur. So wartete sie ungeduldig auf die Kutsche, die sie zum Hafen bringen sollte. Noch ein letztes mal schaute sie sich in ihrer Detektei um. Vermissen würde sie hier nicht wirklich was. So schloss sie die Türe hinter sich ab und begab sich auf die Fahrt in ein neues Leben. „Lebe wohl, Good Old England", sagte sie leise zu sich selber.

 

Der Kutscher hatte ganz schön was zu asten, waren ihre Koffer doch nicht gerade leicht, aber was braucht man als Frau nicht alles, wenn man auf Reisen geht mit der festen Absicht nicht wiederzukehren. Doch als Jenny Holmes ihm ein beachtliches Trinkgeld zu steckte hellte sich seine Miene schlagartig wieder auf. Grinsend schaute sie aus dem Fenster und sah noch einmal ihr altes Leben an sich vorüber ziehen. Endlich raus aus diesem steifen englischen Mief, dachte sie und konnte sich ein lautes Lachen nicht verkneifen.

Schon bald kam der Hafen in Sicht. Das bunte Treiben dort, Schiffe wurden entladen wieder andere beladen, ein nicht enden wollendes Gewusel an Menschen rannte hin und her, beeindruckte sie immer wieder aufs Neue. Jenny Holmes stieg aus und der Kutscher schleppte das Gepäck hinter ihr her, in der Hoffnung noch mehr Trinkgeld zu kassieren. Seine Hoffnungen wurden nicht enttäuscht. 

Da lag sie nun vor Anker, die "Abyssinia" ein stolzes Schiff mit drei Masten und einem Schornstein in der Mitte, 110 Meter lang und gut 12 Meter breit. 200 Passagiere waren in der ersten Klasse zugelassen und eine davon war sie, Jenny Holmes. Dieses Schiff wird sie in gut zwei Wochen sicher in New York an Land bringen. 

 

Die Überfahrt

 

Die Überfahrt verlief recht ruhig. Miss Holmes genoss die intensiven Gespräche beim Abendessen mit einigen Leuten, die sie näher kennen gelernt hatte und recht angetan von ihr waren. Dass sie, als Frau, so ein Abenteuer wagte und dann noch ganz alleine. Ganz besonders liebte sie die Konversation mit einem jungen Mann, der sich Frank Davis nannte. Stundenlang standen sie an Deck und philosophierten über Gott und die Welt. Frank Davis hatte wie Jenny ebenfalls England verlassen um sein Glück in Amerika zu suchen. Sie hatten fest ausgemacht, sobald sie einen festen Wohnsitz hatten, sich zu schreiben und eventuell sich mal wieder zu sehen.

 

An einem nebeligen Morgen im Oktober erreichte die „Abyssinia“ Ellis Island. Jenny Holmes stand an Deck und schaute rüber nach New York. Nur noch durch die Einwanderungsbehörde kommen, dann hat sie es fast geschafft. Die Koffer wurden von Bord gebracht und Miss Holmes reihte sich geduldig in die lange Schlange der Wartenden und Hoffenden ein, zu denen sie ja schließlich auch gehörte. So manch einer verließ die Insel unter Tränen, da ihm die Einreise verweigert wurde und er die lange Fahrt zurück nach Hause antreten musste. Doch nicht so  Jenny Holmes, sie hatte Glück und konnte ohne große Mühen das ihr völlig fremde Land betreten. Sie bekam ihre Einreisedokumente und begab sich sogleich mit ihrem Gepäck zur Fähre, die sie über den Hudson nach New York bringen sollte. Sie schaute empor zu der Freiheitsstatue und konnte ihr Glück nicht fassen endlich ein Teil ihrer Reise geschafft zu haben.

Auf der Fähre begegnete sie auch Frank Davis wieder,der sich wirklich freute sie zu sehen. Man plauderte bis die Fähre ihr Ziel erreichte und die Passagiere in alle Himmelsrichtungen verteilte. Viele wurden sehnsüchtig von Freunden erwartet, man lag sich in den Armen und so manch eine Träne wurde vergossen.

 

Jenny wurde von niemandem begrüßt, da ihre Schwester unten im Süden lebte und sie auf der Farm unabkömmlich war. Doch sie hatte ihr genau beschrieben, wie sie von New York nach Louisiana kommen konnte. Doch bevor sie die lange Reise mit dem Zug in den Süden antreten wollte, mietete sie sich in ein einfaches Hotel ein um sich ein wenig von der langen Überfahrt zu erholen. Sie wusste, dass noch so einiges an Abenteuer auf sie wartete. Sie nahm noch ein leichtes Abendessen zu sich und begab sich rasch auf ihr Zimmer um bald darauf in einen tiefen, traumlosen Schlaf zu fallen.

 

Ab in den Süden

 

Am nächsten Morgen verließ sie das Hotel nahm eine Kutsche und fuhr direkt zum Bahnhof um dort den Zug nach Louisiana zu nehmen. Es herrschte ein lebhaftes Treiben auf den Bahnsteigen. Sie hatte alle Mühe ihr Gepäck zusammenzuhalten. Sichtlich unwohl wartete sie auf den Zug, der sie aus diesem Gewimmel von Menschen heraus bringen sollte. Es kamen ihr Zweifel, ob das ihr neues Leben wirklich sein sollte. Doch weiter kam sie nicht, denn plötzlich grinste sie jemand an. Frank stand wie aus heiterem Himmel vor ihr und ihre Gedanken waren wie weggefegt.

„Ich kann sie doch unmöglich alleine den Gefahren des wilden Westens aussetzen.", lachte er schelmisch.

Jenny schmunzelte und dachte im Stillen: "Wenn Du wüsstest, was ich alles schon erlebt habe."

Sie zwängten sich durch den engen Gang bis sie ein Abteil fanden, wo noch gerade zwei Plätze frei waren. Jennys Gepäck verfrachtete man in den letzten Wagen, der extra dazu diente um größere Gepäckstücke dort zu lagern. Sie fühlte sich nicht sonderlich wohl in dem völlig überfüllten Zug, doch auch das würde sich legen, je länger die Reise dauerte. Außerdem hatte sie ja mit Frank einen charmanten Begleiter, der ab und an, wenn sie gerade aus dem Fenster sah, einen flüchtigen Blick auf sie warf. Sie schaute auf Städte die an ihnen vorbei zogen, überquerten unzählige Brücken und allmählich wurde die Landschaft grüner. Felder auf den Menschen ihre tägliche Arbeit verrichteten zogen an ihr vorbei. Sie sah das erste mal eine Büffelherde die ganz nahe an ihrem Wagon vorbei raste, aufgeschreckt durch das Schnaufen der Dampflokomotive. „Fehlen bloß noch die Indianer," lachte Frank.

Jenny schaute ihn grinsend an. Er ahnte wohl was sie dachte. Je weiter sie von New York fort kamen, desto leerer wurde das Abteil, was die beiden nun ganz für sich hatten. Die Ruhe tat ihr gut und so dauerte es nicht lange bis sie einschlief.

 

Sie wusste nicht wie lange sie geschlafen hatte, doch plötzlich stupste Frank sie sachte an.

„Miss Holmes, Aufwachen! Der Zug hält hier für eine Stunde."

Jenny schreckte hoch, wusste erst gar nicht wo sie sich befand. Doch dann stieg sie mit Frank aus um sich ein wenig die Beine zu vertreten. Der Zug musste seinen Vorrat an Kohle erneuern und Wasser wurde auch nachgefüllt. Frank und Jenny liefen an den Baumwollfeldern lang, wo gerade Sklaven dabei waren sie zu pflücken und in große Säcke zu stopfen. Männer, Frauen und sogar Kinder waren dabei rasch die Baumwolle zu pflücken. Immer unter den Augen mehrerer Weißer, die auf ihren Pferden saßen und die Sklaven nicht aus den Augen ließen. Jenny beobachtete wie eine offensichtlich schwangere Frau nicht mehr konnte und sich für einen Moment hin setzte. Sofort schnauzte sie einer der Wachmänner an und hob seine Reitgerte um sie damit zu schlagen. „Hey, was soll das, lassen sie die Frau in Ruhe!", schrie ihn Jenny an. „Sehen sie nicht, dass sie müde ist und nicht mehr kann?!"

Der Mann ließ von der Frau ab und ritt auf Jenny zu.

„Guten Tag, Madam.", sagte er. „Steigen sie wieder in den Zug und kümmern sie sich nicht um Dinge, die sie einen feuchten Dreck angehen.", zischte er sie an.

In Jenny stieg der blanke Zorn hoch, doch bevor sie noch was sagen konnte, packte Frank sie am Arm und zog sie zurück in den Zug.

Es dauerte eine Weile bis er sie wieder beruhigen konnte und erklärte ihr, dass das im Süden hier so üblich ist. Jenny hatte alle Mühe das zu verstehen und wusste, dass das noch einiges an Ärger mit sich bringen würde.

Womit sie mal wieder Recht haben sollte. Bis die Reise wieder weiter ging, saßen beide wortlos im Abteil und Jenny blickte auf die Felder, wo die Sklaven ihre Arbeit taten. Während sie die Wolle pflückten, stimmten sie in ein Lied ein. Erst einer, dann immer mehr, bis alle sangen und rhythmisch dazu in die Hände klatschten. Das beeindruckte sie doch sehr und auch als sie längst wieder unterwegs waren, klang das Lied der Sklaven noch in ihrem Ohr.

 

 Endlich, fast hätte Jenny es nicht mehr für möglich gehalten, erreichte der Zug sein Ziel. Zischend und schnaufend blieb er stehen. Jenny, die fast eingeschlafen wäre, regte sich und stupste Frank an, der in einem tiefen Schlaf versunken war.

„Louisiana, Endstation!", brüllte der Bahnhofvorsteher den Leuten ins Ohr.

Miss Holmes blickte aus dem Fenster, während Frank so allmählich aus dem Schlaf erwachte. Draußen rannte alles kreuz und quer durcheinander. Feine Damen in ihren langen Kleidern mit Schirmchen auf den Schultern um sich vor der Hitze zu schützen, die Herren trugen elegante Anzüge und in der Hand meist einen Gehstock. Dazwischen mühten sich die Gepäckträger ab, die kaum den feinen Herrschaften folgen konnten. Es waren meist Schwarze aller Altersklassen die diese Dienste leisteten. Selbst Kinder sah sie mit Koffern, die fast größer waren, als sie selbst. Jenny erschrak bei dem Anblick.

Frank, der nun vollends wach war, schnappte sich das Gepäck und die beiden verließen den Zug. Jenny blickte sich um, ob schon was von ihrer Schwester zu sehen war, doch konnte sie in dem Trubel niemanden erkennen.

„Miss Holmes?", fragte plötzlich jemand.

Sie drehte sich um und nickte. Neben ihr stand ein junger Schwarzer, der sie freundlich an lächelte.

„Ihre Schwester schickt mich, ich soll sie zu ihr bringen. Mein Name ist Jeremy.", stellte er sich vor.

Jenny lächelte und reichte ihm zur Begrüßung die Hand. Sein Blick wurde verstörend. Eine weiße Frau reichte ihm die Hand. Er wusste nicht, wie er reagieren sollte und schüttelte den Kopf. Jenny verstand und zog ihre Hand wieder zurück.

„Kommen sie bitte, da drüben steht unsere Kutsche."

Jeremy schnappte sich das Gepäck, Frank half ihm dabei, was ihm sichtlich unbehaglich war. Jenny und Frank nahmen Platz und los ging die Fahrt zum Gut ihrer Schwester Jane.

 

Familientreffen

 

Wohin man auch blickte, überall sah man Baumwollfelder, die bis zum Horizont reichten, so hatte sie zumindest den Eindruck. Auch hier das gleiche Bild. Schwarze, die dabei waren die Wolle zu pflücken und sie in große Säcke zu stopfen. Durch die Reihen ritten die Aufpasser mit der Peitsche in der Hand. In ihr stieg der Groll auf und sie hoffte, dass Jane nicht auch so war wie diese Typen, denen sie bereits begegnet war. Sie würde sich schwer tun mit dem klarzukommen, das stellte sie schon nach kurzer Zeit fest. Was sie ein wenig fröhlicher stimmte, waren die Lieder, die die Sklaven dabei sangen. Jeremy, der während der Fahrt noch kein Wort gesprochen hatte, stimmte auf dem Kutschbock mit in eines der Lieder ein.

 

Endlich nahmen selbst die Baumwollfelder mal ein Ende und die ersten Häuser wurden sichtbar, große weiße Herrenhäuser mit den typischen Säulen vor dem Eingang. Lange Alleen führten zu ihnen. Wer hier wohl leben mag, dachte Miss Holmes. Dann bog auch Jeremy in eine dieser Alleen ein. Pappeln ragten links und rechts hoch in den Himmel und spendeten Schatten gegen die Mittagshitze, die allen schwer zu schaffen machte. Da nutze auch der Fächer nichts mit denen sie sich Luft zu fächerte. Frank war wieder bei seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Schlafen. Jenny grinste und dann endlich erschien es, das Haus in dem ihre Schwester Jane, ihr Mann David sowie Tochter Avery lebten. Jenny staunte nicht schlecht. Das Haus war prächtig und unterschied sich kaum von denen, die sie auf der Reise hierher gesehen hatte. Vor dem Eingang standen sie und winkten als sie die Kutsche kommen sahen. Jenny stieß ihren Ellenbogen in Franks Seite ,der sofort hellwach wurde.

„Aufwachen, du Schlafmütze!", lachte sie,  „Wir sind endlich am Ziel."

 

 Jenny war schwer beeindruckt, als die Kutsche vor dem Haus hielt. So imposant hatte sie es sich nicht vorgestellt. Avery hielt nichts mehr. Mit einem freudigen Schrei riss sie ihre Arme hoch und rannte die Treppe hinunter um ihre Tante zu begrüßen, die sie nun endlich zu sehen bekam.

„Tante Jenny!", rief sie laut und riss sie beinahe zu Boden, so stürmisch war ihre Begrüßung.

Frank der direkt dahinter stand schaffte es noch soeben beide aufzufangen. Jane bestrafte Avery mit einem strengen Blick und den Worten, sie möge sich doch ein wenig zusammenreißen. Doch Jenny lachte nur und drückte ihre Schwester erstmal ganz feste, die sie etliche Jahre nicht gesehen hatte. Dann war ihr Mann David an der Reihe. Auch ihn hatte sie seit der Hochzeit mit ihrer Schwester nicht mehr gesehen.

„Möchtest Du uns nicht Deinen Begleiter vorstellen?", sagte David.

Jenny wurde verlegen hatte, sie ihn doch beinahe vergessen. Doch er nahm es mit Gelassenheit und grinste breit übers ganze Gesicht. Nachdem sie die Neugierde ihrer Verwandtschaft gestillt hatte, bat Jane ihre Schwester und Frank ins Haus. Um das Gepäck kümmerten sich ihre Bediensteten.

 

Jane begleitete Jenny zu ihrem Zimmer, in dem sie die nächsten Monate leben würde. Alles war stilvoll eingerichtet, so dass es ihr an nichts fehlen sollte. Jenny Holmes war sich recht sicher, dass sie sich hier schnell heimisch fühlen würde. Auch Frank bekam ein Zimmer zugewiesen, auch wenn man nicht mit ihm gerechnet hatte. Doch das Haus war so groß, dass dies überhaupt gar kein Problem darstellte.

„Packe in Ruhe aus, mach Dich frisch und dann kommst Du runter zum Abendessen.", sagte Jane und verschwand wieder nach unten.

Jenny warf einen Blick aus dem Fenster und genoss die Aussicht auf die herrliche Allee von Pappeln, durch die sie gekommen waren. Sie konnte sich gut vorstellen hier für immer zu leben, doch davon würde sie ihrer Schwester erst später erzählen.

 

Als Jenny und Frank zum Abendessen kamen, saßen schon alle an dem prächtig geschmückten Tisch. Ein riesiger Kronleuchter hing von der Decke, auf dem Tisch standen herrliche Blumenbouquets mit den schönsten buntesten Blumen, die Jenny je sah. Es gab Wein, Truthahn, Schinken, einfach alles, was das Herz begehrte. Frank, der von Natur aus ein guter Esser war, haute rein, als ob es keinen Morgen gab. Avery, die natürlich neben ihrer berühmten Tante sitzen wollte, hörte gar nicht mehr auf Jenny zu löchern. Sie wollte einfach alles über die gefährlichen Abenteuer wissen. Geduldig versuchte Jenny ihre Fragen alle zu beantworten. Bis spät in die Nacht saß man beisammen, lachte und erzählte von früher. Irgendwann am frühen Morgen fiel Jenny Holmes todmüde in ihr Bett und mit einem Lächeln im Gesicht schlief sie ein.

 

Am späten Nachmittag nahm Avery ihre Tante an die Hand und zeigte ihr ein wenig das riesige Anwesen. Vorbei an den Baumwollfeldern bis zu den Unterkünften der Sklaven.

„Mama sieht es nicht gerne, dass ich mich hier aufhalte.", sagte Avery. „Doch ich schleiche mich immer heimlich weg, denn Big Mama Bertha macht den besten Apfelkuchen.", grinste sie.

Als sie sich den Barracken näherten, kam ihnen eine furchtbar dicke Frau grinsend entgegen. Das musste Big Mama Bertha sein, dachte Jenny. Ihr Kopf war groß und ihr Gesicht kugelrund. Ihre schneeweißen Zähne blitzen, als sie ihren Mund auf machte und Avery freundlich begrüßte.

„Oh, Miss Avery kommt heute nicht alleine!?", sagte sie erstaunt.

Avery erzählte ihr, wer das ist und gleich wurde Jenny von ihr in den Arm genommen und fast zerdrückt.

„Kommt rein, ich habe gerade Apfelkuchen gemacht.", lachte Bertha laut.

Das ließ sich Avery nicht zweimal sagen und zog ihre Tante mit in die Küche. Sie hatte recht, lachte Jenny, das war mit Abstand der beste Apfelkuchen ihres Lebens. Hier fühlte sich Jenny Holmes gleich wie zu Hause und war dankbar das Avery sie hierher mit genommen hatte.

 

Erste Gefahren

 

Avery, ihre Tante Jenny, sowie die Köchin Bertha saßen vergnüglich schwatzend bei einem Stück herrlichen Apfelkuchen, als plötzlich aus der Ferne ein Reiter auftauchte. Bertha stand auf und eilte schleunigst in die Küche. Jenny schaute ihr verwundert nach. Als der Reiter näher kam, lupfte er seinen Hut und sagte freundlich: „Guten Tag, die Damen."

Jenny Holmes und ihre Nichte erwiderten den Gruß.

„Es wird hier nicht gerne gesehen, wenn sich weiße Ladies in den Unterkünften der Nigger aufhalten.", grinste er höhnisch.

Miss Holmes musterte den Kerl von oben bis unten. Er trug einen weißen Leinenanzug, dazu einen passenden ebenfalls weißen Hut. Er war dick und schwitzte stark. In der einen Hand hielt er die Zügel, in der anderen eine Peitsche.

„Sie sind fremd hier, Lady.", sagte er zu Jenny Holmes, die es durch ein Nicken bestätigte. „Aber Dich kenne ich! Du bist die Tochter von Jane und David."

Avery schaute beschämt nach unten.

„Und wer sind sie?", fragte Jenny.

„Mein Name ist John Copper.", antwortete der Mann. „Mir gehört das Land direkt neben diesem hier. Aber die Damen werden mich entschuldigen, ich muss nach meinen Niggern sehen.", lachte er und ritt davon.

Jenny Holmes schaute dem üblen Kerl noch lange nach. Man trifft in seinem Leben immer mal jemanden, den man nicht wirklich gut kennt,  aber auf Anhieb nicht mag. Dieser Kerl war so jemand.

 

Nach dem Abendessen saß Miss Holmes noch eine ganze Weile alleine auf der Veranda und schaute in den Abendhimmel. Welch eine Ruhe, nur ein paar Vögel zwitscherten in den Bäumen und aus der Ferne drangen die Gesänge der Sklaven an ihr Ohr, die sie schon auf der Reise hierher gehört hatte. Sie saßen vor ihren Hütten, aßen zusammen und stimmten in uralte Lieder ein, die von ihrem Leid klagten. Gedankenverloren lauschte sie den Klängen, als sie plötzlich ihre Nichte in den nahegelegen Wald verschwinden sah.

Jenny schreckte hoch und begab sich sofort daran Avery zu folgen. Es dauerte nicht lange, da sah sie sie dort unter einem Baum mit einem ihr unbekannten jungen Mann sitzen. Sie hockten eng beisammen und redeten und lachten ab und an. Jenny musste grinsen und machte sich wieder auf den Weg zum Haus ihrer Schwester.

Am nächsten Morgen, als sich alle zum Frühstück versammelten, flüsterte sie ihrer Nichte leise ins Ohr: „Na, hattet ihr gestern Abend noch Spaß?"

Avery wurde rot, hatte man sie doch gesehen. War sie nicht vorsichtig genug? Nur gut, dass es Tante Jenny war und nicht etwa ihre Eltern.

Nach dem ausgiebigen Frühstück gingen die beiden noch ein wenig spazieren und Avery erzählte ihrer Tante mit wem sie sich desöfteren dort traf. Der junge Mann hieß Joshua. Er war ein Sklave und stand im Dienste ihres Vaters. Sie redeten oft über ihre Zukunftspläne und über alles was sie so bewegte. Doch Jenny wusste, dass wohl nur die ihrer Nichte in Erfüllung gehen würden. Sie versprach Avery niemanden davon zu erzählen, denn die Folgen wären fatal für Joshua.

 

Einige Tage später gleich nach dem üppigen Mittagessen beschloss Jenny Holmes noch einen kleinen Spaziergang zu machen. Sie schlenderte gedankenverloren den staubigen Weg zu den Pappeln entlang. Aus einiger Entfernung sah sie eine kleine Gruppe Männer, die lauthals diskutierten und in der Mitte von Ihnen stand ein junger Schwarzer. Sein Gesicht war geschwollen, Blut rann ihm aus der Nase. Jenny beschleunigte ihre Schritte, um zu sehen, was dort vor sich ging. Als sie näher kam, erkannte sie John Copper, dieser fiese dicke Kerl, den sie irgendwie nicht mochte.

„Was geht hier vor?", blaffte Jenny ihn an.

Er schaute ganz verdutzt, denn sowas war er von einer Frau nicht gewohnt.

„Das geht sie einen Scheißdreck an, Miss!", bellte er sie zornig an.

„Was hat der Junge ihnen getan, dass er so dermaßen misshandelt wird?"

„Der Nigger hat mich schief von der Seite angeglotzt. Das reicht um ihn an dem nächsten Baum aufzuknüpfen!"

Jenny war erschrocken, als sie sah, dass jemand dabei war ein Seil über den Ast zu werfen und eine Schlinge daraus zu knüpfen. Der Junge wurde gepackt und seine Hände auf den Rücken gebunden. Er wehrte sich kaum. Hatte er sich in sein Schicksal ergeben?

Jenny traute ihren Augen nicht und rannte wütend auf den Mob los. „Lassen sie sofort den armen Kerl los!", schrie sie verzweifelt.

Mister Copper verpasste ihr einen heftigen Stoß, sodass sie zu Boden stürzte. Dann geschah das Unfassbare. In Windeseile wurde der Junge zum Baum geführt, ihm die Schlinge um den Hals gelegt und dann zog man ihn hoch. Seine Beine zappelten wie wild, die Augen schienen aus den Höhlen zu quellen, dann war es vorbei. Leblos baumelte seine Leiche im Wind. Jenny sah Copper mit hasserfülltem Blick an.

„Das wird ihnen noch leid tun, sie Dreckskerl!"

Copper drehte sich um, grinste und spuckte vor ihr auf den Boden. Dann schwang er sich auf sein Pferd und ritt davon. Jenny Holmes kniete weinend im Staub und sah wie sich die Leiche immer noch im Südwind bewegte. Ein Bild, das sie für den Rest ihres Lebens nicht mehr vergessen würde.

 

Völlig am Boden zerstört betrat sie das Haus ihrer Schwester und berichte was sie soeben erlebt hatte. Doch zu ihrer Verwunderung war die Empörung bei Jane und ihrem Mann nicht sehr groß. Man erzählte ihr das sowas hier im Süden normal sei. Man missbilligt das zwar, aber dagegen was zu tun, gedenke man auch nicht.

„Tja, Liebes.", sagte Jane, „Der arme Kerl war zur falschen Zeit am falschen Ort."

Jenny war baff, dass man das einfach so abtat, als ob es das normalste von der Welt sei. Sie ging in ihr Zimmer, schloss sich dort ein und kam erst am nächsten Tag wieder heraus. Sie hatte beschlossen diesem Kerl das Handwerk zu legen, dazu war sie zu allem bereit. Das konnte und wollte sie nicht ungestraft durch gehen lassen. Ihrer Schwester und ihrem Mann wollte sie nichts davon erzählen, einzig Frank und Avery weihte sie ein, die auch gleich zustimmten und auf ihrer Seite standen. "Tante Jenny, pass nur gut auf Dich auf, dieser Kerl ist mächtig hier und sehr gefährlich", sagte Avery.

 

 

Der Unmut wächst

 

Avery hatte beschlossen ihre Tante Jenny auf andere Gedanken zu bringen. Sie hatte natürlich bemerkt wie sehr dieser Vorfall von neulich sie beschäftigte. Also ließ sie kurzerhand drei Pferde satteln, um mit ihr und Frank einen Ausritt zu machen. Jenny war ganz angetan von dieser netten Ablenkung und sagte auch sofort zu. Auch Frank ließ sich nicht lange bitten und schwang sich in alter Cowboymanier in den Sattel. Avery zeigte den beiden das Land, was ihrem Vater gehörte. Frank und Jenny waren beeindruckt von der Größe und wie schön es doch hier war. An einem kleinen See machten sie Halt. Avery hatte jede Menge Proviant dabei und so ließ man sich unter einem schattenspendenden Baum nieder und genoss all die Köstlichkeiten die Mama Bertha für sie eingepackt hatte.

 

Frank hatte beschlossen ein kleines Nickerchen zu machen, schob seinen Hut ins Gesicht und begann recht bald zu schnarchen. Jenny und Avery mussten lachen und gingen, um ihn nicht zu stören, ein Stück weit spazieren, als sie in der Ferne Joshua erblickten, der gerade dabei war einen Zaun zu reparieren.

„Komm, lass uns zu ihm gehen.", lachte Avery.

Doch gerade als die beiden auf ihn zugehen wollten, erblickten sie einen Reiter, der auf Joshua zuritt. Jenny Holmes erkannte ihn sofort. Es war wieder dieser John Copper. Sie nahm Avery an der Hand und zog sie hinter einem Baum. Jenny ahnte nichts Gutes und sie sollte Recht behalten. Copper zog seine Peitsche und schlug wie ein Verrückter auf Joshua ein, der schützend seine Hände vor sein Gesicht hielt.

„Verdammter Nigger, was hast du an dem Zaun verloren?! Na warte, ich werde es dir zeigen!", brüllte er hasserfüllt. Doch Joshua setzte sich zur Wehr, ergriff einen Stein und traf Coppers Pferd am Kopf. Es stieg hoch und warf John Copper im hohen Bogen aus dem Sattel. Dann gab Joshua Fersengeld, er lief so schnell er nur konnte, bis er im nahegelegen Wald verschwunden war. Jenny und Avery mussten lachen, als sich der dicke Kerl wieder erhob und sich wütend in den Sattel schwang. Als die beiden grinsend wieder zurückkamen, war auch Frank vom Schlaf erwacht und wunderte sich über die Fröhlichkeit der beiden.

 

Als man am Abend zusammen am Tisch saß und das Abendessen einnahm, ertönte plötzlich draußen eine Glocke. Avery´s Vater sprang sofort hoch und rief: „Feuer, es brennt!".

Alle sprangen von den Stühlen und eilten geschwind nach draußen.

„Du meine Güte.", seufzte Jane.

Die Unterkünfte der Sklaven standen in Flammen, es brannte lichterloh. Sofort wurden Eimer geschnappt und man versuchte zu retten, was noch zu retten war. Jenny die ebenfalls mit anpackte, war klar wer dahinter steckte. Das Feuer konnte nur John Copper gelegt haben. Die meisten Sklaven konnten sich in Sicherheit bringen. Viele hatten leichte Verbrennungen, um die sich Jane, Avery und Jenny kümmerten. Doch niemand konnte in dem Chaos Joshua entdecken. Avery mochte gar nicht daran denken, ob er vielleicht in den Flammen umgekommen sei. Jenny, die sah wie Avery den Kopf hängen ließ, nahm sie in den Arm und drückte sie fest an sich.

 

Die Suche nach Joshua blieb erfolglos, aber da man in dem niedergebrannten Gebäude keine Leiche fand, musste er überlebt haben. Alle packten mit an um die Unterkünfte der Sklaven schnell wieder bewohnbar zu machen. Auch Jenny Holmes, ihre Schwester, sowie Avery waren fleißig zu Gange, als John Copper und zwei seiner Leute sich ihnen näherten. Janes Mann begrüßte ihn, doch Copper war noch immer voller Zorn und blaffte ihn sofort an: „Wenn ich Deinen Nigger erwische, dann knüpfe ich ihn am nächsten Baum auf, das schwöre ich Dir!".

Frank, der dicht daneben stand, sah ihn hasserfüllt an und sagte: "Bevor das geschieht, schicke ich sie dahin, wo sie hingehören ... in die Hölle!"

Copper grinste verächtlich, gab seinem Pferd die Sporen und die drei ritten eiligst davon.

 

Schon am Abend waren die Unterkünfte soweit fertig, dass man dort wieder wohnen konnte. Man saß draußen bei lauem Sommerwetter zusammen. Es gab „Gumbo“, ein Eintopfgericht, das man hier im Süden gerne zu sich nahm. Es wurde gesungen und gelacht. Einer der Sklaven hatte sich aus einer Schippe eine Gitarre gebastelt, ein paar Drähte genommen und sie über die Schaufel gespannt und so als Gitarre genutzt. Jenny genoss diesen Abend an dem Schwarze und Weiße zusammen saßen, als wenn es das natürlichste auf der Welt wäre. Was es doch auch eigentlich war, wenn, ja wenn es nur diesen Hass nicht gäbe. Erst spät in der Nacht verließ sie mit Schwester Jane und ihrer Nichte Avery das Fest, man hakte sich ein und ging lachend nach Hause.

Von Joshua fehlte nach wie vor jede Spur. Copper hatte mit seinen Leuten die ganze Gegend abgesucht, doch alles ohne Erfolg.

Avery machte sich unterdessen auf um weiter beim Aufbau zu helfen. Sie war fast am Ziel, als sie jemand von hinten packte, ihr den Mund zuhielt und sie ins Gebüsch zerrte.

„Psssst, ich bin es." flüsterte eine ihr vertraute Stimme.

Sie riss die Augen auf und erkannte Joshua. Schnell schlug ihre Angst in Freude um und sie strahlte übers ganze Gesicht.

„Wo hast Du dich bloß die ganze Zeit versteckt?", sagte sie.

„Besser Du weißt es nicht. Das ist sicherer für Dich.", antwortete er rasch. „Kannst Du mir etwas zu essen besorgen? Ich hatte seit Tagen nichts und wenn es geht eine Waffe."

Avery erschrak, doch war sie bereit alles für ihn zu tun.

„Warte hier." sagte sie und lief rasch zu Bertha, die noch reichlich vom Gumbo über hatte.

Dann machte sie sich zurück zu der Stelle, an der Joshua auf sie wartete. Wie ein Wilder stürzte er sich auf den Eintopf, Avery musste lächeln, als sie ihn so schlingen sah. Doch tat er ihr auch gleich wieder leid, dass er so lange hungern musste.

Nachdem er gegessen hatte, fragte er sie "Was ist mit der Waffe?"

„Ich versuche eine zu besorgen. Warte, bis es dunkel wird, dann komme ich und bring sie Dir."

Joshua blickte Avery dankbar an, dann machte sie sich zurück auf den Weg nach Hause.

 

Sie glaubten sich in Sicherheit, doch der Schein trügte. John Copper lauerte Avery heimlich auf und ohne das sie was davon ahnte, führte sie den Schurken direkt zu Joshua. Copper schlug noch nicht gleich los, er wusste ja jetzt von dem Plan der beiden und machte sich die Ahnungslosigkeit der Zwei zunutze. In der Nacht als alles schlief, schlich sich Avery in das Arbeitszimmer ihres Vaters. Sie wusste, wo er dort seine Waffen hatte. Schnell öffnete sie den Schrank und entnahm dort eine seiner Waffen. Dann lief sie schnell und unbemerkt wieder in ihr Zimmer und wartete dort bis zum Morgengrauen.

Unter einem Vorwand verdrückte sie sich gleich nach dem Frühstück und machte sich auf den Weg zu Joshua. John Copper lauerte in Deckung im nahegelegenen Gebüsch. Die ganze Nacht hatte er dort verbracht. Zu groß war seine Wut auf den Jungen, der es gewagt hatte, sich ihm zu widersetzen. Er würde seine gerechte Strafe dafür erhalten, das war ihm klar. Seine Hände waren klamm von der Kälte der Nacht, als er endlich Avery kommen sah. Kurz darauf traf auch Joshua dort ein. Die beiden umarmten sich kurz, sie reichte ihm was zu essen, was er gierig verschlang und dann gab sie ihm den Revolver.

Avery und Joshua wollten sich gerade verabschieden als ganz plötzlich eine ihnen vertraute Stimme erklang.

„Sieh an, ein Nigger mit einem Revolver."

Joshua erschrak und ließ bald vor Schreck die Waffe fallen.

„Jetzt bist du fällig, ich lege dich um!“, sagte Copper mit hasserfüllter Stimme.

„Lassen sie ihn gehen.", flehte Avery ihn an, doch Copper dachte nicht daran.

Er spannte den Abzugshahn und drückte ab. Ein Schuss fiel, doch Joshua war nicht getroffen. Er schaute mit weit aufgerissenen Augen in die Richtung aus der der Schuss kam. John Copper stieß einen Schrei aus und die Waffe flog ihm aus der Hand.

„Der nächste Schuss trifft!", sagte Jenny Holmes.

„Das wird ihnen noch leid tun.", raunte Copper. „Das wird euch Niggerfreunden noch alle leid tun!"

Er hob sein Schießeisen auf und machte sich auf den Weg nach Hause. Avery stand noch immer wie angewurzelt dort. Nicht fähig ein Wort zu sagen.Als der Schock nachgelassen hatte erzählte ihr Jenny, dass sie am Abend im Wohnzimmer der Familie über einem Buch eingeschlafen sei. Dann durch ein Geräusch in der Nacht geweckt wurde. Sie sah dort, dass Avery eine Waffe an sich nahm und neugierig, wie sie nun mal war, folgte sie ihrer Nichte bis hier her. Avery war erleichtert und konnte ihren Dank Jenny gegenüber gar nicht genug in Worte fassen. Sie beschlossen erst einmal die Geschehnisse für sich zu behalten. Joshua ging zurück in sein Versteck und Tante Jenny nahm ihre Nichte bei der Hand und sie musste ihr versprechen, ab jetzt keine Alleingänge mehr.

 

Flucht in die Sümpfe

 

Joshua hatte die Nacht über kaum geschlafen. Die Geschehnisse ließen ihn nicht zur Ruhe kommen. Auch hatte er beschlossen sein Versteck zu wechseln. Es schien ihm nicht mehr sicher genug zu sein. Er nahm seine wenigen Sachen, die er hatte, und machte sich im Schutz der Dunkelheit auf den Weg. Doch wollte er nicht gehen ohne Avery Bescheid zu geben. Durch die Baumwollfelder gelangte er ohne gesehen zu werden zu den Unterkünften der Sklaven. Er wusste, dass sich Avery dort gerne noch abends aufhielt, um mit ihnen zu singen und die Geschichten von Old George zu hören, wie er als junger Mann von den Weißen nach Amerika verschleppt wurde. Doch an diesem Abend hatte er Pech. Avery war nicht zu sehen, so beschloss er sein Vorhaben abzubrechen und kehrte der Farm den Rücken.

 

John Copper trieb sich mit einigen seiner Männer in der Gegend herum. Noch immer in der Hoffnung Joshua zu erwischen und ihn an den nächstbesten Baum zu knüpfen.

„Lass uns heimreiten, Boss.", sagte einer der Männer.

Doch John Copper winkte ab und gab seinem Gaul die Sporen. Hatte er doch einen Schatten durch die Baumwollfelder huschen sehen.

„Da ... da ist er! ", schrie er plötzlich los und schon trieben sie ihre Pferde in Richtung der Felder.

Joshua bemerkte rasch, dass er entdeckt wurde. Er nahm die Beine in die Hand und rannte um sein Leben. Die Dunkelheit war jetzt sein einziger Freund. Er wusste, wenn sie ihn schnappen, war das sein Ende. Hinter den Feldern lagen die Mangrovensümpfe. Wenn er die erreichen könnte wäre er gerettet. Also lief er so schnell er konnte, schlug einen Haken nach dem anderen, wie ein Hase. Die Schreie der Männer und das Getrappel der Pferde wurden leiser. Gleich hatte er die Baumwollfelder hinter sich. Da vorne begannen schon die Mangrovensümpfe. Nur noch ein paar Meter.

 

Joshua legte sich flach auf den Bauch und wagte kaum zu atmen, er holte noch einmal tief Luft sprang mit einem Satz auf und lief, als ob der Teufel hinter ihm her sei.

„Verdammt! Ich sehe den Mistkerl nicht mehr.", schnauzte Copper seine Leute an. „Wenn er den Sumpf erreicht, haben wir keine Chance mit den Pferden ihm zu folgen."

„Lass uns umkehren und morgen weiter nach ihm suchen."

Knurrend gab Copper nach und die Gruppe ritt zurück zur Farm von John Copper. Joshua blieb kurz vor dem Erreichen der Sümpfe stehen und blickte sich um. Er sah wie die Reiter kehrt machten und völlig außer Puste ließ er sich auf den Boden fallen. Sein Atem ging schwer und er spürte wie heftig sein Herz schlug. Bis zum Hals hinauf. Er blieb eine Weile so liegen, bis er wieder bei Atem war. Dann erhob er sich und begab sich auf den beschwerlichen Weg in die Mangrovensümpfe, wo es nur so wimmelte von Schlangen und Krokodilen. Doch wollte er überleben musste er diesen Weg gehen. Er wusste, dass Copper keine Ruhe geben würde, bis er ihn endlich hatte.

 

Avery hatte schon seit längerem kein Lebenszeichen von Joshua, weswegen ihre Stimmung auch im Keller war. Jenny bemerkte natürlich, dass ihre Nichte niedergeschlagen wirkte und so beschloss sie mit ihr einen Spaziergang zu machen. Avery zeigte sich nicht gerade begeistert aber willigte dann doch in Jennys Vorschlag ein. Als sie das Haus gerade verlassen wollten, erschien John Copper mit seinen Leuten.

„Guten Tag, die Ladies.", grinste er höhnisch. „Ich bin auf den Weg in die Sümpfe um mir den schwarzen Teufel zu holen."

Dann gab er dem Pferd die Sporen und ritt eiligst davon. Die beiden schauten sich verdutzt an. Jetzt wussten sie, wo sich Joshua aufhielt. Schnell liefen sie zu den Reitställen und der Stallbursche machten ihnen zwei Pferde fertig. Sie wussten, dass jede Sekunde zählen würde, denn wenn Copper ihn zuerst erwischt, ist er verloren.

 

Joshua hatte sich am Tage durch die Sümpfe gekämpft. Jetzt, da es Nacht wurde, suchte er Schutz unter einem alten Baum. Er fror, seine Kleidung war völlig durchnässt. Feuer konnte er keines machen, denn das würde man meilenweit sehen. Zusammengekauert mit angezogenen Knien saß er nun da und zitterte wie Espenlaub. Immer wieder nickte er vor Erschöpfung ein und schreckte dann plötzlich wieder hoch, weil er glaubte Geräusche zu hören. Seine großen Augen blickten in die Nacht, er wollte wach bleiben, sich keiner Illusion hingeben, sonst würde er noch verrückt. Seine Gedanken kreisten um Avery. Wird er sie jemals wiedersehen? Es raschelte und Joshua fuhr erschrocken hoch. Nein, das bilde ich mir nur ein, sagte er immer wieder zu sich selbst. Doch das leise Klopfen an seiner Schulter war keine Einbildung. Er drehte sich urplötzlich herum und stieß einen spitzen Schrei aus. Vor ihm stand eine kleine, ziemlich verwahrloste Frau. Ihre grauen zottigen Haare hingen wirr in ihrem Gesicht herum, die Kleidung völlig verschmutzt und zerrissen. Sie musste schon eine ganze Ewigkeit hier leben.

 

Jenny Holmes und Avery ritten wie die Teufel in Richtung der Sümpfe, kannte Avery doch einen Weg, der sie schneller an ihr Ziel brachte. So erreichten sie schließlich die Mangrovensümpfe. Von Copper war noch nichts zu sehen. Sie banden ihre Pferde an die Bäume und machten sich auf den Weg durch gefährliches Terrain. Doch wo sollten sie nach ihm suchen? Das Sumpfgebiet war riesig. Er konnte quasi überall sein. Jenny achtete auf Fußspuren oder schaute, ob sie abgeknickte Zweige fand. Doch so sehr sie sich auch bemühte, sie fand keine Spur von Joshua. Avery war verzweifelt und dachte bereits ans Aufgeben, doch da kannte sie ihre Tante Jenny schlecht. Was sich eine Jenny Holmes einmal in den Kopf setzt, das bringt sie auch zu Ende. So liefen sie also weiter in die Sümpfe hinein mit dem Vorhaben Joshua zu finden und ihn nach Hause zu bringen. Mittlerweile hatte auch John Copper die Sümpfe erreicht ,schwerfällig wuchtete sich der dicke Kerl aus dem Sattel, der Schweiß lief in Strömen an ihm herunter. Er nahm sein Gewehr und band sein Pferd an einen Baum, seine Leute taten es ihm nach.

„Jeder von uns geht einen der Pfade lang. Wer den Nigger sieht, gibt einen Schuss in die Luft ab.", befahl er seinen Leuten.

Dann marschierten sie los, mit dem Vorhaben den armen Joshua ins Jenseits zu befördern.

 

 

Liza

 

Die verwahrlost wirkende Frau legte ihren Finger auf den Mund und forderte Joshua auf ihr zu folgen. Etwas zögerlich lief er ihr nach, was blieb ihm auch anders übrig. Vielleicht kennt sie ein gutes Versteck wo ich eine zeit lang unter kommen kann?, dachte er und verschwand mit der sonderbaren Frau im Dickicht des Waldes.

 

Jenny und Avery suchten ebenfalls das Gebiet nach Spuren von Joshua ab, ihre langen Kleider erwiesen sich als äußerst hinderlich in diesem sumpfigen Gelände. Auch ihr Schuhwerk hielt die beiden nur auf anstatt sie eilig voran zu bringen. Jenny Holmes hatte die Nase voll. Sie zerriss die untere Hälfte ihres Rockes sowie den Unterrock und ermutigte Avery dazu das gleiche zu tun. Sie zögerte nicht lange und tat es ihrer Tante gleich. So kamen sich doch wesentlich schneller voran. Den zerrissenen Rest ihrer Kleidung versteckten sie sorgsam, dass sie Niemanden auf ihre Spur bringen konnten. Ziemlich planlos irrten sie durch den Sumpf bis sie an die Stelle kamen, an dem Joshua die seltsame Frau getroffen hatte. Ohne es zu ahnen ruhten sich die beiden Ladies im Schatten des Baumes ein wenig aus. Die beiden hatten schwer mit den Mücken zu kämpfen, die sie immer wieder attackierten.

„Diese verdammten Biester.", maulte Jenny Holmes und fuchtelte wild mit ihren Armen herum.

„Schau Tante Jenny.", sagte Avery ganz plötzlich. „Da, das sind doch Fußspuren?"

Avery hatte Recht. Das waren eindeutig Spuren und sie schienen noch recht frisch zu sein. Jenny bemerkte, dass hier zwei Personen unterwegs waren. Der eine war barfuß und die andere Person trug Schuhe, wie Jenny deutlich erkennen konnte.

 

Die Frau brachte Joshua in ihr Versteck, es war eine alte Hütte, gut getarnt mit Blättern und Ästen, so dass man sie auf Anhieb nicht erkennen konnte. Sie öffnete die Türe und bat ihn herein. Etwas zögerlich betrat er ihr kleines Reich. Ein Tisch, ein Bett und einen Stuhl. Mehr Gegenstände befanden sich nicht im Raum, anscheinend brauchte sie nicht viel zum Leben.

„Hier bist du erstmal in Sicherheit.", sagte sie wie aus dem Nichts. Joshua war erstaunt, dass sie so plötzlich sprach, hatte sie doch auf dem Weg hier hin kein einziges Wort gesagt.

„Mein Name ist Liza.", sprach sie weiter.

„Jo - Joshua heiße ich.", stammelte er.

„Setz dich und erzähle mir was Dich in den Sumpf treibt, denn freiwillig wagt sich kaum jemand hierher."

Joshua nahm Platz und begann die ganze Geschichte zu erzählen. Aufmerksam hörte Liza ihm zu, hier und da verzog sie ihre Miene, dann lauschte sie wieder seinen Worten. Nachdem er fertig war stellte sie ihm ein paar Bohnen und einen Kanten Brot auf den Tisch, die er gierig verschlang.

„Wenn Du müde bist und schlafen möchtest, spanne ich die Hängematte auf.“

Joshua nickte, fielen ihm doch bald die Augen schon im Stehen zu. Liza befestigte die Hängematte an zwei Haken, die sie angebracht hatte und Joshua legte sich sofort hinein um rasch in einen tiefen traumlosen Schlaf zu fallen.

 

Schnell sprangen die beiden auf um den Spuren zu folgen. Aus der Ferne hörten die beiden Stimmen, die durch den Wald hallten.Ddas konnten nur Copper und seine Leute sein. Jetzt hieß es sich zu beeilen, wollten sie doch nicht entdeckt werden. Beiden zogen ihre unbequemen Schuhe aus und liefen rasch in die Richtung in der die Spuren führten. Jenny hatte sich einen Ast abgebrochen um ihre Spuren zu verwischen. Sie wedelte damit herum, um es Copper so schwer wie nur irgendwie möglich zu machen. Jetzt, wo sie barfuß durch den Wald liefen, kamen sie rasch voran und die Stimmen waren kaum noch zu vernehmen. Hatten die beiden John Copper abgehängt ?

 

Was anfänglich recht gut aussah gestaltete sich immer schwieriger, desto tiefer sie in den Wald eindrangen. Der Boden wurde immer morastiger, so dass beide bis zu den Knien im Sumpf steckten. Die unzähligen Stechmücken machten den beiden Frauen das Leben auch nicht gerade leichter. Avery hatte Mühe voran zu kommen, so dass sie für einen Moment stehen blieb und da passierte es. Sie stieß einen kurzen Schrei aus. Jenny drehte sich rasch nach ihr um und sah gerade noch wie sich eine Schlange ins Gebüsch verkroch. Jetzt musste es schnell gehen. Mit allen ihr zur Verfügung stehenden Kräften zog sie ihre Nichte ans Ufer wo der Boden fester war. Sie schaute sich ihr Bein an und sah sogleich die beiden kleinen Punkte wo das Reptil zugebissen hatte.

 

Joshua, der sich von den Strapazen bei Liza erholte, saß zu diesem Zeitpunkt mit einer Angel am See und versuchte das Mittagessen auf den Tisch zu bekommen. Liza stand ein Stück abseits von ihm und schaute ihm amüsiert dabei zu, als beide fast gleichzeitig diesen Schrei hörten. Sie verharrten und schauten sich fragend an. Zuerst dachte Joshua, es sei Copper mit seinen Leuten, doch der Schrei kam aus der Kehle einer Frau. Liza und Joshua machten sich sodann auf in die Richtung aus dem der Schrei kam.

 

Jenny zog eine ihrer langen Haarnadeln heraus und ritzte so gut es damit ging eine Wunde in Averys Bein, so dass das Gift heraus laufen konnte. Dann saugte sie das Blut auf und spuckte es sogleich wieder aus. Avery stöhnte vor Schmerzen und Schweißperlen rannen von ihrem Gesicht.

„Tante Jenny, werde ich sterben müssen?", sagte sie mit angstvollem Blick.

„Keine Sorge. So lange Tante Jenny bei Dir ist, wirst Du es schaffen.",  sagte sie und begann wieder das verunreinigte Blut auszusaugen.

Sie war so damit beschäftigt, dass sie nicht bemerkte wie Liza und Joshua ganz plötzlich aus dem Gebüsch hervor traten. Jenny erschrak,  doch im selben Moment war sie sowas von erleichtert ein bekanntes Gesicht zu sehen, dsas sie fast vor Freude weinen musste. Liza warf einen Blick auf die Bisswunde und gab Joshua den Befehl Avery schleunigst in ihre Hütte zu bringen. Joshua lief so schnell, dass Jenny ihm kaum folgen konnte.

In der Hütte legte er Avery auf den Boden, den Liza weich ausgelegt hatte. Schnell mischte sie eine Tinktur aus Kräutern zusammen und schmierte das Zeugs auf ihr Bein, danach wurde ihr Bein verbunden und Avery fiel in einen heilsamen Schlaf.

 

Jenny saß völlig erschöpft auf einen der wenigen Stühle die es gab. Liza setzte sich zu ihr und gab ihr einen Tee zu trinken, der Wunder bewirken konnte. Kaum hatte sie ihn getrunken, fühlte sie sich wieder stark und von Erschöpfung keine Spur. Die beiden Frauen unterhielten sich eifrig über heilende Kräuter und Jenny hörte aufmerksam zu. Joshua saß unterdessen neben Averys Nachtlager und ließ kein Auge von ihr, bis er schließlich neben ihr einschlief. Jenny und Liza mussten schmunzeln bei dem Anblick und beschlossen es den beiden gleich zu tun, denn der neue Tag wird sicher kein guter werden, davon war Jenny Holmes überzeugt.

 

Die beiden Frauen legten sich zu Joshua und Avery auf den Boden und schliefen sodann auch schnell ein. Jenny wachte ein paar Mal auf durch die schwüle der Nacht. Sie war schweißnass gebadet. Sie stand auf und blickte durchs Fenster in die stockdunkle Nacht. Sie lauschte dem Zirpen der Grillen. Frösche schienen ihr zu Ehren ein Konzert zu geben. So friedlich das alles auch schien, sie wusste, irgendwo da draußen ist John Copper und über kurz oder lang wird er sie finden.

 

John Copper und seine Leute übernachteten im Freien. Zum Schutz gegen Mücken und anderes Viehzeugs hatten sie ein großes Feuer entfacht, doch gegen diese kleinen Biester nutzte es recht wenig. Seine Leute fluchten wie die Droschkenkutscher und machten die Nacht kaum ein Auge zu. John Copper erging es nicht anders, sein Gesicht war übersät mit Mückenstichen. Er nahm noch einen letzten Zug von seiner Zigarette und fluchte leise vor sich hin.

„Ein Grund mehr um dich kleinen Bastard an den nächsten Baum zu knüpfen."

 

Als der Morgen graute war Jenny Holmes längst wach und saß vor der Hütte und starrte in die Richtung aus der sie gekommen waren. Liza trat heraus und brachte ihr eine Tasse frischen Kaffee. Sie lächelte Liza an und nahm sogleich einen großen Schluck. Der heiße Kaffee wärmte sie und tat ihr sichtlich gut. Dann stand sie auf und betrat die Hütte und sah mit Verwunderung, dass es Avery wieder erstaunlich gut ging. Jenny trat zu ihr und nahm sie liebevoll in den Arm.

„Na, da werde ich mir ganz schön was von Jane anhören müssen.", lachte sie.

Liza hatte unterdessen ein prächtiges Frühstück gezaubert, das man gar nicht hier im Moor vermutet hätte. Joshua hatte vor der Hütte Posten bezogen und ließ die Gegend vor ihm nicht aus den Augen. Er lauschte gedankenverloren dem Singen der Vögel, als ihn ein lautes Knacken aufschrecken ließ. Sofort ergriff er die Flinte, die ihm Liza gegeben hatte und die ganze Zeit neben ihm auf dem Boden lag. Das Gewehr im Anschlag stand er da und war bereit jederzeit loszuschießen, falls jemand durchs Dickicht kam.

 

Der Kampf entbrennt

 

John Copper und seine Männer hatten sich früh auf den Weg gemacht. An Schlaf war eh nicht zu denken gewesen und so erreichten sie alsbald die Hütte, in denen sich die Vier versteckt hielten.

„Da, Boss!", rief einer seiner Leute. „Da ist eine Hütte, dort müssen sie sich versteckt halten."

„Da magst du Recht haben, jetzt sitzen sie in der Falle!", lachte Copper dreckig.

Joshua bekam es mit der Angst zu tun und ging rasch in die Hütte und teilte den Ladies mit was geschehen war. Liza zögerte nicht lange und reichte Jenny und Avery jeweils ein Gewehr, dann bezog jede ihren Posten am Fenster. Joshua kletterte aufs Dach und hatte so ein gutes Schussfeld. Es herrschte eine gespenstische Ruhe. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Dann sahen sie Copper und seine Bande aus dem Dickicht kommen. Liza zielte kurz, drückte ab und der Erste von seinen Leuten fiel mit einem Schrei zu Boden. Dann ging die Schießerei los. Jenny, die eine gute Schützin war, verpasste gleich dem nächsten einen Treffer ins Bein, der jaulend zu Boden fiel. Copper fluchte, so hätte er keine Chance den Kampf zu gewinnen. Da gab es nur eines, er musste die Hütte in Brand setzen und so Jenny Holmes und ihre Freunde auszuräuchern.

 

Copper hatte ein paar Sträucher aufgesammelt und sie rasch zusammen gebunden. Da das Gehölz knochentrocken war brannte das Zeugs wie Zunder. Er grinste diabolisch, als er die Fackel in Richtung der Hütte warf. Und sein dreckiges Grinsen wurde noch teuflischer, als er sah, dass die Fackel auf dem Dach landete und sogleich ein Feuer entfachte. Joshua, der auf dem Dach lag und als erster das Feuer bemerkte, sprang auf um es mit seinen Füßen auszutreten. Mr. Copper hatte auf so eine Gelegenheit nur gehofft. Er legte an und Joshua wurde von einer Kugel getroffen. Mit einem lauten Schrei fiel er vom Dach.

Das Dach von Lizas Hütte brannte mittlerweile lichterloh und Rauch erfüllte den Raum, in dem sich die drei Frauen befanden. Schnell banden sie sich nasse Tücher vors Gesicht um den Qualm nicht unnötig ein zu atmen. Doch die Sicht wurde immer schlechter und die Luft knapper. Avery, die als Einzige bemerkt hatte, dass Joshua zu Boden gefallen war, öffnete die Türe einen Spalt um nach ihm zu sehen. Da lag er regungslos auf der Erde. Avery sah, dass er ein ganzes Stück weg vom Haus lag und beschloss sofort ihn in die Hütte zu ziehen. Sie sprang auf und noch bevor ihre Tante Jenny als auch Liza noch was sagen konnten, rannte sie zu ihm rüber. Die Kugeln pfiffen ihr nur so um die Ohren, sodass sie sich immer wieder auf den Boden werfen mussten.

„Diese elenden Feiglinge!", schimpfte Jenny. „Die haben keine Skrupel auf ein Mädchen zu schießen.", fügte sie noch wütend hinzu.

Jenny nahm ihren Platz am Fenster wieder ein und gab ihrer Nichte Feuerschutz so gut es ging. Erst jetzt sahen die beiden Frauen weshalb Avery die Hütte verlassen hatte. Sie kniete neben Joshua und hielt seinen Kopf in beiden Händen. Jenny und Liza hielt es nun nicht mehr in der Hütte. Die Luft wurde dort immer knapper und so gab Liza der Tür einen ordentlichen Tritt und beide schossen wie die Teufel um sich. Zwei von Coppers Leuten fingen sich eine Ladung Blei ein und sackten leblos zu Boden. Sein Plan war gescheitert, als er sah, dass sich seine Leute aus dem Staub machten. Wütend fluchte er ihnen hinterher.

 

Doch Copper war kein Mann der so schnell die Flinte ins Korn warf. Er ging in Deckung und zielte auf Jenny Holmes die gerade dabei war zu Avery und Joshua zu gehen. Kurz bevor sie die beiden erreichte fiel ein Schuss. Jenny und Liza blieben wie angewurzelt stehen und sahen wie Copper aus dem Gebüsch hervor kam und auf sie zu taumelte. Die Waffe fiel ihm aus der Hand, er tat noch ein paar Schritte, dann sackte er mit einem Stöhnen zu Boden. Erstaunt sahen sich alle an. Was war geschehen? Woher kam der Schuss? Während der Stille trat plötzlich Frank aus dem Dickicht und grinste.

„Na, da bin ich wohl gerade noch rechtzeitig gekommen."

Jenny lief auf ihn zu und umarmte ihn, eine Gefühlsregung die sie selber nicht an sich kannte, aber die ganze Erleichterung fiel von ihr ab. Joshuas Wunde wurde versorgt, die zum Glück nicht so ernst war wie Avery erst dachte. Auch Liza hatte etwas abbekommen, was sie erst später bemerkten. Lizas Hütte war komplett niedergebrannt und Jenny beschloss sie mit zu ihrer Schwester zu nehmen. Frank ritt voraus um Hilfe für die Verletzten zu holen. Und am Abend befanden sich alle wohlbehalten auf der Farm wieder.

 

 

Coppers Racheplan

 

Es gab viel zu erzählen an diesem Abend. Jane, Averys Mutter, war alles andere als begeistert, als sie den Erzählungen von Jenny, Liza und Avery lauschte. Wie leicht hätte dieses Abenteuer auch schief gehen können. Nach dem Essen musste sich Jenny Holmes noch eine deftige Standpauke anhören und musste ihrer Schwester schwören, Avery demnächst aus solchen Unternehmungen raus zu lassen.

John Copper, auf den Niemand mehr nur einen Blick geworfen hatte, rappelte sich, nachdem alle die Hütte verlassen hatten, langsam wieder auf. Es hatte ihn böse erwischt und er blutete stark und wusste nicht, ob er es noch bis nach Hause zu seiner Farm schaffen würde. Doch der Hass, der in ihm keimte, war stärker als der Tod. Seine Leute hatten den Überall auf Lizas Hütte nicht überlebt, reglos lagen sie am Boden. Sie hatten mit ihren Leben bezahlen müssen. Copper schleppte sich zu seinem Pferd und schaffte es soeben noch sich in den Sattel zu hieven. Er lag mehr auf dem Rücken seines Pferdes, als er saß und doch brachte er es fertig nicht herunter zu fallen und dort elendig zu verrecken. Er wusste wenn er es schafft seine Farm zu erreichen würde seine Rache furchtbar sein.

 

Unterdessen ging das Leben auf dem Anwesen von Jenny´s Schwester weiter. Auf den Feldern wurde Baumwolle gepflückt und Avery und Joshua trafen sich wieder an ihrem Baum wo sie oft saßen und über ihre Zukunft sprachen. Dabei sahen sie dem emsigen Treiben auf den Feldern zu. Joshua war klar, dass das nicht seine Zukunft war und sprach oft darüber wie es wohl wäre ein freier Mensch zu sein. Das man leben konnte wo und wie man wollte. Avery schaute ihn dabei lächelnd an und würde ihm dabei helfen so gut sie konnte. Aber die beiden wussten auch, dass es ein schwerer Weg werden würde. Denn selbst wenn ihr Vater es wollte, so einfach war es nicht ihm die Freiheit zu schenken.

 

Er hatte es tatsächlich geschafft, nur noch über diesen Hügel dann konnte er seine Farm schon sehen. Jetzt bloß nicht aufgeben, dachte Copper, das Ziel ist greifbar nahe. Langsam trabte sein Pferd auf sein Anwesen zu und blieb vor dem Portal des Hauses stehen. Dann verließen ihn die Kräfte und er rutschte mit einem lauten Stöhnen vom Pferd. Sein Verwalter, der ihn als erstes bemerkte, rannte sofort zu ihm rüber und gab einigen der Angestellten Anweisungen ihn vorsichtig ins Haus zu tragen. John Copper war ohne Bewusstsein. Zu viel Blut hatte er verloren doch er war ein zäher Knochen und wollte dem Sensenmann ein Schnippchen schlagen. Schnell schickte man einen der Sklaven zum Doc in die Stadt, dass er sich eiligst um ihn kümmere. Der Arzt zögerte nicht lange und stieg in die Kutsche. Wie ein Irrer raste er zur Farm von John Copper um zu sehen, ob es noch Hilfe für ihn gab. Man hatte ihn in der Wohnstube auf den Tisch gelegt und sofort begann der Doc damit die Kugel aus seinem Körper zu entfernen. Es dauerte fast zwei Stunden, dann hatte er die Kugel in der Hand.

„Er hatte richtig Schweingehabt, denn einen Zentimeter weiter und die Kugel hätte sein Herz getroffen.", sagte der Arzt erleichtert.

Die Wunde wurde verbunden und Copper bekam Bettruhe verordnet. Fast einen Monat lag er dort dann begann es ihm besser zu gehen. Er hatte lange Zeit gehabt um seinen Racheplan zu schmieden, nun sollte es bald soweit sein.

 

Avery ging, wie so oft, zu dem alten Baum, der alleine auf einer kleinen Anhöhe stand, setzte sich nieder und wartete auf Joshua. Eigentlich wie jeden Tag und doch sollte sich schon bald alles für sie ändern. Sie saß im Schatten des großen knorrigen Baumes der ihr genügend Schatten gegen die unerträgliche Hitze gab. Sie schloss die Augen und lauschte wie der Wind sanft durch die Blätter wehte. Sie liebte dieses Geräusch und genoss es jedes Mal. Da Joshua noch auf den Feldern war, beschloss sie ein wenig zu schlafen. Das Rauschen der Blätter und die schwüle Luft halfen ihr dabei.

 

John Copper, der wieder völlig genesen war, wollte endlich seinen Racheplan in die Tat umsetzen. Als er mit seinem Pferd einen Ausritt machte, sah er wie Avery an einem Baum lehnte und allem Anschein nach schlief. Das war der Moment auf den er gewartet hatte. Er sprang vom Pferd und lief leise die kleine Anhöhe hinauf, wo Avery nichts ahnend schlief. Er holte ein Tuch aus seiner Hosentasche und sprang blitzschnell auf sie zu. Bevor sie reagieren konnte schlug der Kerl sie mit einem Fausthieb nieder, knebelte sie mit dem Tuch und warf sich ihren Körper über seine Schulter. Er war gerade dabei zu seinem Pferd zu gehen, als er eine Stimme hörte.

„Lassen sie Miss Avery sofort los!"

Es war die Stimme von Joshua, der  gerade von seiner Feldarbeit kam um sich mit ihr wie immer zu treffen.

„Was willst du Nigger?", fuhr ihn Copper an.

„Ich habe eine Waffe auf sie gerichtet.", sprach Joshua mit zitternder Stimme.

Natürlich hatte er keine Waffe, aber wie sonst hätte er ihr jetzt helfen können? 

„Schon gut, Nigger, ich lasse sie jetzt langsam zu Boden gleiten und jeder geht seines Weges.", sagte Copper mit einem höhnischen Grinsen im Gesicht.

„Ok, so machen wir es, aber keine falsche Bewegung, sonst drücke ich ab!", stotterte Joshua.

Copper legte Avery sanft zu Boden und griff unbemerkt von Joshua an sein Hosenbein. Blitzschnell zog er ein Messer, drehte sich und warf es in seine Richtung. Joshua riss erstaunt seine Augen weit auf und blickte nach unten, wo in seiner Brust ein Messer steckte. Seine beiden Hände umklammerten den Griff der Waffe, Blut rann aus seinem Mundwinkel, dann sackte er stöhnend zusammen. 

„Goodbye Schwarzer Hund.", zischte Copper, schnappte sich die immer noch bewusstlose Avery ,legte sie aufs Pferd und ritt wie der Teufel davon.

Joshua erwachte aus seiner tiefen Ohnmacht. Er lag in einer riesigen Blutlache. Er versuchte krampfhaft auf die Beine zu kommen und nach einiger Zeit gelang es ihm auch. Mühevoll schleppte er sich zum Anwesen  ihrer Eltern, dann wurde ihm schwarz vor Augen, doch er wollte, ja, er musste es schaffen. Sollten doch alle wissen, was mit Avery geschehen ist. Da, endlich die Baracken der Sklaven, gleich hatte er es geschafft. Er taumelte auf sie zu und die dicke Köchin Bertha erblickte ihn als Erste. Schnell lief sie auf ihn zu und rasch kamen aus den Hütten die Anderen, um zu sehen was passiert sei. Einer der Sklaven rannte zum Haus der Familie um sie zu informieren. Als Jenny Holmes und die Anderen eintrafen, stand Bertha vor der Türe ihrer Küche und schüttelte wortlos den Kopf. Joshua hatte es mit letzter Kraft nach Hause geschafft, doch der Tod war stärker als er. Kaum hörbar erzählte er Bertha was geschehen war bevor er seine Augen für immer schloss.

 

Joshuas Tod

 

Der Tod von Joshua ging allen sehr Nahe. Jane klammerte sich an ihren Mann David und vergoss bittere Tränen. Auch über die Wangen von Jenny Holmes kullerten die Tränen. Frank, der das sah, reichte ihr sein Taschentuch, das nicht ganz sauber war aber ihr war es egal in diesem Moment. Joshua wurde in die Unterkunft gebracht wo alle Sklaven nochmal Abschied nehmen konnten.

 

David beschloss einen Trupp zusammen zu stellen um den Mörder zu finden und ihm seine gerechte Strafe zu erteilen. Frank ließ sich nicht lange bitten. Auch Jenny war dabei. Sie hatte das Gefühl, als kenne sie den Täter ganz genau, nur fehlten ihr die Beweise. Sie wollten gerade los, als Jane aus dem Haus gelaufen kam und fragte, ob jemand Avery gesehen hätte. Alle schüttelten den Kopf. Aber da sie sehr oft mit Joshua sich traf, befürchtete Jenny das Schlimmste. Ließ sich aber nichts anmerken.

„Mach Dir keine Sorgen, Jane.", sagte Jenny. „Sie treibt sich sicher auf den  Feldern herum.", lachte sie und gab ihrem Pferd die Sporen.

 

Copper hatte längst sein Anwesen erreicht. Ohne dass ihn irgend jemand sah brachte er das bewusstlose Mädchen in sein Haus. Unten im Keller hatte er eine geheime Kammer, die außer ihm niemand kannte. Dort wird sie sicher sein und keiner sie je finden, grinste er verächtlich. Er legte sie auf das schäbige Bett, was dort stand, verschloss die Türe und begab sich wieder nach oben. 

Avery öffnete schlagartig ihre Augen. Wo war sie nur? Es roch modrig und es war kalt. Sie fror am ganzen Körper. Die Feuchtigkeit des Raumes zog ihr in alle Knochen. Sie versuchte sich krampfhaft daran zu erinnern was geschehen war, doch alles war wie ausgelöscht in ihrem Kopf. Langsam, als sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, stand sie auf und tastete sich vorsichtig durch das Zimmer bis sie die Türe erreichte. Wild schlug sie mit beiden Händen so kräftig es ging dagegen und rief dabei laut um Hilfe, doch nichts regte sich, kein Laut war zu hören. Verzweifelt hockte sie vor der Türe und weinte bittere Tränen.

 

Inzwischen hatte der Suchtrupp den Ort erreicht an dem Joshua sein Leben lassen musste. Überall sah man Blut und jede Menge Spuren. Frank, der ein ausgezeichneter Fährtenleser war, sah, dass hier drei Leute waren. Ein kräftiger Mann und eine Frau, so deutete er die Spuren, müssen hier gewesen sein. Etwas weiter fand er die Hufspuren von Coppers Pferd. David wurde blass ob es sich bei den Spuren der Frau um seine Tochter Avery handelte.

„Was siehst Du noch Frank?" fragte er.

„Das Pferd hatte,  als der Kerl davon ritt, deutlich mehr zu tragen. Die Spuren sind tiefer, ich denke es waren zwei Personen auf dem Klepper.",  sagte Frank. 

„Also los, Leute! Folgen wir der Spur, dann haben  wir den Mistkerl bald!", rief David.

Jeder gab seinem Pferd die Sporen und folgte Frank, der vorausritt  immer mit einem Blick auf die Hufspuren, bis sie in der Ferne Coppers Farm sahen.

„Hatte ich doch Recht.", dachte Jenny im Stillen. 

 

Finale

 

Copper sah aus der Ferne einen Trupp Reiter auf sein Anwesen zureiten. Sofort begriff er den Ernst der Lage und rief seine Leute zusammen. „Bringt euch in Schussposition und sobald ich das Kommando gebe,  ballert ihr aus allen Rohren. Schießt sie aus den Sätteln.“

Frank sah, wie Coppers Leute wild wie ein Hühnerhaufen umher liefen und ahnte was geschehen würde. Er hob seinen rechten Arm und der Trupp hinter ihm stoppte sofort.

„Runter von den Gäulen!", rief er.

Alle folgten sogleich seiner Aufforderung und sprangen aus den Sätteln. Man trat zusammen und beratschlagte, was jetzt zu tun sei. Man beschloss die Farm von mehreren Seiten  anzugreifen.

„Das hohe Gras wird uns ein wenig schützen, so werden sie uns nicht gleich sehen", sagte Frank und gab das Kommando zum Angriff.

Jenny, die ein buntkariertes Hemd  und eine bequeme Reithose trug, robbte sich wie alle Anderen durch das Gras an Coppers Farm heran.

„Verdammter Mist!", brüllte der Schurke. „Ich kann die verfluchte Brut nicht sehen. Sobald sich was tut, wird geballert!", gab er Anweisung an seine Leute.

Die Nerven waren zum zerreißen gespannt, hüben wie drüben. Frank hatte immer ein Auge auf Jenny Holmes. Er robbte dicht hinter ihr durch das hohe Präriegras. Als er der Meinung war jetzt ist ein günstiger Zeitpunkt rief er laut: "Feuer!"

Kaum ausgesprochen, da ging die Schießerei auch schon los. Gleich zwei von Coppers Leuten wurden getroffen und brachen zusammen. Einer von den Schurken ging auf Jennys Konto. Frank hob grinsend den Daumen und Jenny lachte zurück.

 

Avery schreckte auf, als sie die Schüsse draußen vernahm. Das wird ihr Vater sein, Tante Jenny und all die anderen. Sofort begann sie zu lächeln. Doch sie musste irgendwas tun. Diesem Dreckskerl musste das Handwerk gelegt werden. Sie schaute sich um, ihre Augen hatten sich längst an die Dunkelheit gewöhnt, und sie erblickte in einer Ecke eine große Kiste, die voll mit Dynamit gefüllt war. Dieser Anblick zauberte ein weiteres noch viel breiteres Lächeln auf ihr Gesicht. Doch wie sollte sie die Lunte nur zum brennen bringen? Da fiel ihr ein was ihr Vater ihr mal gezeigt hatte. Fix suchte sie ein bisschen Stroh zusammen, was reichlich auf dem Boden verstreut lag, nahm zwei kleine Stücke Holz und rieb sie feste zusammen bis allmählich Rauch aufstieg und das Stroh zu brennen begann.

 

Draußen tobte unterdessen eine wilde Schießerei. Auch David hatte einige seiner Leute verloren. Copper sah seine Chance gekommen. Wenn er jetzt seine Leute auf die Pferde jagte und die Angreifer damit überrumpelte dann konnte er sie alle nieder machen. Schnell schickte er einen seiner Schurken in den Stall die Pferde zu holen und seinen teuflischen Plan in die Tat umzusetzen. Frank hatte ein mulmiges Gefühl und ahnte was der Kerl im Schilde führte.

„Wir müssen zurück, sonst knallt der Kerl uns alle ab!" rief er.

Copper und seine Leute schwangen sich gerade auf ihre Pferde, da gab es einen ohrenbetäubenden Knall. Avery hatte es geschafft und die erste Dynamitstange zünden können. Mit Schwung warf sie das Ding aus dem kleinen Fenster in ihrem Verließ und schaute zu wie das Dynamit explodierte. Die Pferde scheuten durch den plötzlichen Knall und warfen die meisten der Reiter ab. Das war ihre Chance. Frank gab das Kommando und man stürmte los Richtung Farm. Coppers Leute sahen die Ausweglosigkeit  und hoben rasch die Hände. Diejenigen die weiter kämpften wurden erbarmungslos niedergemacht. Nur Copper konnte fliehen. Er ritt wie der Teufel durch das offene Tor seiner Farm direkt auf Jenny Holmes zu. Sie riss ihre Büchse hoch, zielte und drückte ab. Copper schrie hielt sich die Brust und sackte sogleich von seinem Pferd, das im vollen Galopp weiter ritt.

Jenny warf einen Blick auf Copper und sah, dass ihr Schuss genau in sein Herz getroffen hatte. Dieser Kerl hatte bekommen, was er verdient hat. Mitleid hatte sie keines und machte sich auf den Weg zu Coppers Farm, wo Frank sie in seine starken Arme nahm. Avery wurde aus ihrem Gefängnis befreit und fiel ihrem Vater ebenfalls überglücklich in die Arme.

Als ein wenig Ruhe einkehrte erzählte ihr Tante Jenny was mit Joshua geschehen war und sie brach bitterlich weinend zusammen.

 

Joshua wurde auf dem kleinen Hügel begraben, wo er so oft mit Avery gesessen hatte. Sie war sich sicher, dass er das so gewollt hätte. Jede Woche ging sie dort hin und legte frische Blumen auf sein Grab und jedes mal kullerte eine Träne ihre Wange hinunter.

Jenny und Frank standen Hand in Hand auf einem Hügel und schauten der untergehenden Sonne entgegen und auf die kleine Farm dort unten, die Frank für sich und Jenny gebaut hatte, in der sie bis an ihr Lebensende glücklich lebten.

 

 

 E N D E

Lesetipp: Jenny Holmes und das Vermächtnis der indischen Lampe

 

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Impressum

Texte: Vanessa Moonlight
Bildmaterialien: "Hoeing Cotton" von William Aiken Walker (Ausschnitt)
Lektorat: Fizzy Lemon
Tag der Veröffentlichung: 20.11.2022

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