Eigentlich war ich überhaupt keine Heulsuse, aber als meine Eltern mich mit diesen gequälten Blick bedachten, konnte ich meine fast nicht Tränen unterdrücken.
Ich wusste, was passieren würde, schließlich war ich nicht auf dem Kopf gefallen. Dennoch kämpfte ich tapfer gegen meine Tränen an, für meine Mutter, für mein Vater, aber vor allem für meine kleine Schwester wollte ich stark sein und ihnen keinen Kummer bereiten.
Seit dem Augenblick, an dem meine Eltern, meine Schwester und mich in dieses fremde Haus brachten, wusste ich, dass eine von uns Kindern, wenn nicht sogar beide, hier bleiben würden. Uns wurde das Blut abgenommen, um zu überprüfen, ob wir geeignete DNA hatten, oder was auch immer. So wollten sie heraus finden, inwiefern ihnen unser Leben zu gebrauchen war und ließen und Kinder im Wohnzimmer zurück, um alles weitere im Arbeitszimmer zu besprechen.
Ihre zwei Kinder saßen mit uns auf der überdimensional großen roten Couch und starrten Löcher in die Wand. Wir beachteten uns nicht weiter, oder ich sie jedenfalls nicht.
Meine kleine Schwester nuckelte seelenruhig an ihrem Daumen, einzelne blonde Haarsträhnen verirrten sich in ihren Mund, aber das bemerkte sie gar nicht, oder es war ihr schlichtweg egal gewesen, mir übrigens auch.
Der halbe Vormittag war fast vergangen und als das ruhige Sitzen langsam unerträglich wurde, kamen sie aus ihrem Büro heraus und ich bemerkte diesen traurigen und gequälten Blick meiner Mutter.
Meine Eltern tätschelten mir den Kopf, knieten sich zu mir und murmelten irgendetwas unverständliches, aber es wurde mir schlagartig bewusst, was es zu bedeuten hatte. Ich würde nicht mit ihnen nach Hause fahren. Sie würden mich hier mit diesen fremden Menschen zurücklassen und ich würde sie vermutlich nie wieder sehen.
„Alles wird gut, das verspreche ich dir“, meine Mutter weinte unaufhörlich und mein Vater konnte mir kaum in die Augen sehen.
„Alles wird gut mein Schatz,“ aber ich glaubte es ihnen nicht. Ich wusste das nichts gut werden würde. Ich wusste dass das schlimmste, was einem Kind passieren könnte, gerade mir passierte.
Ich wurde gerade verkauft.
„Wir kommen dich ganz oft besuchen, versprochen“ schniefte meine Mutter, ich wollte es so gerne glauben, wissen, dass sie ihr Versprechen halten würden, aber etwas in meinem Gefühl wusste, dass es nichts als eine Lüge war. Trotzdem versuchte ich tapfer zu sein, egal aus welchem Grund meine Eltern mich hier abgesetzt hatten, sie liebten mich, redete ich mir immer und immer wieder ein. Sie taten es nur, weil sie mich liebten, was das Beste für mich war.
Aber woher zum Teufel wollten sie bitte wissen, was gut für mich war und was nicht? Das Beste für ein Kind war es, bei seinen Eltern zu sein und nicht bei irgendwelchen fremden Menschen, die ständig mit Arztkittel durch die Gegend liefen und einen ansahen, als sei man ein hervorragendes Versuchskaninchen. Mit verheulten Augen und meiner kleinen Schwester in den Armen, verschwanden sie mit einem „Wir sehen uns bald wieder“ aus meinem Leben.
Zurücklassen stand ich da und hielt meine Tränen zurück. Nein, ich würde nicht weinen, keine einzige Träne würde ich vergießen, denn das würde ein endgültiger Abschied sein, den ich noch nicht bereit war zu geben. Meine „neue“ Familie versuchten auf mich einzureden, aber ich hörte ihnen nicht zu, ich konnte es nicht. Ich verstand, warum es so kommen musste, in dieser Welt war so etwas normal, aber ich konnte und wollte nicht einsehen, warum es ausgerechnet mir passieren musste. „Du bist unsere „Princeps“, du wirst ein gutes Leben haben“, aber auch ihnen vertraute ich nicht. Ich vertraute keinem mehr, das nahm ich mir vor. Die Zwillinge,etwa in meinem Alter, zeigten mir mein neues Zuhause und mein Zimmer. Sie stellten sich vor, aber zu diesem Zeitpunkt hörte ich ihnen überhaupt nicht zu. Es verging ein Jahr, bis ich endlich wieder zu reden begann und mich mit meinem neuen Leben hier abgefunden hatte. Ein Jahr in dem ich nur diese Gedanken hatte.
Ich hatte kein Recht auf ein normales Leben, in der ich für mein Dasein kämpfen, lernen und aussuchen konnte.
Ich hatte kein Recht darauf, zu entscheiden, wie mein Leben verlaufen soll, in wen ich mich verlieben möchte.
Ich hatte kein Recht auf ein Leben voller Freiheit.
Denn ich war eine „Sponsa Lamia“, eine seltene Vampirbraut.
Tag der Veröffentlichung: 19.09.2013
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