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Die Suche nach dem bleibenden Ich

Es war einmal ein Mann, der ging gerade durch den Wald spazieren und machte sich Gedanken über das Ich und das Sein. Er dachte sich: „Ich lebe, ich Bin, Ich bin bekannt. Doch was ist, wenn ich sterbe? Es werden sich Menschen an mich erinnern, doch was ist, wenn diese auch sterben? Ich werde vergessen, ich werde ein Niemand sein.“ Diese Gedanken beunruhigten ihn, er blieb stehen. Als er sich umdrehte sah er seine Fußstapfen und dachte sich: „Das ist es! Meine Fußstapfen bleiben, sie sind also Teil meines bleibenden Ichs. Hätte ich keine Fußspuren, wüsste man nicht, dass ich hier war, dank der Fußspuren erinnert etwas an mich! Plötzlich kam er an eine gepflasterte Brücke über einem kleinen Rinnsal. Als er sie betrat bemerkte er, dass er hier keine Fußspuren hinterließ. Er überquerte die Brücke schnell und verließ sie somit auch wieder. Nun hinterließ er in dem lehmigen Boden wieder Spuren, mit anderen Worten: sein bleibendes Ich erweiterte sich. Auf dem Weg nach Hause lief er wo es ging über Erde, um Spuren zu hinterlassen.

Zu Hause angekommen dachte er: „Hm, in der Erde hinterlasse ich vielleicht Spuren, aber wenn es zum Beispiel regnet verwischen diese auch wieder. Was kann ich tun, um für längere Zeit mein bleibendes Ich zu erweitern? Was wäre, wenn ich Abdrücke in Beton mache und warte, bis er fest geworden ist?“. Er fand seine Idee so gut, dass er sich gleich an die Arbeit machte. Er nahm mehrere flache Schüsseln und füllte sie mit Beton. Dann trat er in jede hinein und hinterließ einen Abdruck. Bevor der Beton trocknete drückte er jeweils in die Mitte des Abdruckes einen persönlichen Gegenstand. Nun nahm er diese Beton Blöcke und verteilte sie im ganzen Park. Jetzt hatte er zwar im Park sein bleibendes Ich erweitert, aber nicht auf einer großen Fläche.

Also machte er eine Weltreise um die ganze Welt, um sein bleibendes Ich zu erweitern. Er flog nach Tokio, Washington, Paris, Moskau und letztlich auch nach Kairo. Als er dort war, fertigte er wie auch in all den anderen Städten einen Abdruck an und deponierte ihn in der Wüste, nahe den Pyramiden von Gizeh. Als er an ihnen vorbei kam, ging er zu einer der nicht allzu spannenden, kleineren Nebenpyramiden, die nicht bewacht waren und trat ein. Durch einen steilen, nach unten führenden Gang gelangte er zu einer steinernen Tür, die verschlossen war und unberührt aussah. Er las flüsternd die Innenschrift vor: „جلب ضحية ل سيجن“, was so viel bedeutet wie: „Bringe Opfer um zu Siegen“.

Er wunderte sich, plötzlich konnte er Arabisch und verstand, was dort an der mysteriösen Tür stand. Das war sein letzter Gedanke, den er klar denken konnte, danach befand er sich in einer Art Trance Zustand. Er nahm sein Taschenmesser, enteignete sich einem Finger und drückte diesen gegen die Tür. Diese öffnete sich in Zeitlupentempo und er trat ein. Mit dem Schritt durch die Tür wurde die Trance immer stärker. Er taumelte zum Sarg und las auch hier erneut: „جلب ضحية ل سيجن“. Ihm wurde immer schwindeliger, er hatte wohl zu viel Blut verloren. Gleichzeitig wurde die Trance immer stärker. Somit enteignete er sich einem weiteren Finger und drückte ihn gegen den Sarg. Auch dieser, wie die Tür, öffnete sich. Danach lag die Mumie frei. Er zog sie aus dem Sarg und legte sie auf einen steinernen Tisch, der am Rande des Raumes aus der Wand ragte. Dann wickelte er sie aus den Bandagen und zündete sie an. Nun ging er zu dem Prachtvollen Altar am anderen Ende des Raumes und wickelte sich vor ihm in die Bandagen ein, in denen wenige Minuten zuvor noch die Mumie in ihrem Sarg lag. Anschließend ging er noch einmal zu der brennenden Leiche und nahm einen auf dem Tisch liegenden Dolch. Mit diesem schlitze er sich den Bauch auf und wankte hinüber zum Altar.  Dort ging er auf die Knie und murmelte ein Gebet, bevor er elendig verblutete.

Seine letzend Gedanken dabei waren: „Ich habe es geschafft, mein bleibendes Ich ist vollendet!“

 

Ende

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 19.07.2015

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für meine Familie und die fabelhafteste Schwester, die es gibt.

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