Das ich ein Monster habe, wusste ich erst nach Ostern. Davor stand ich vor einem Problem, dass ich so noch nicht kannte.
Ostern 2019 habe ich auf der geschützten Station in Saalfeld verbracht. Ich hatte Selbstmordgedanken. Im nachhinein sagte ich, dass es gut war, dass ich da war. Es hat mir geholfen. Es hat mir letztes Jahr soweit geholfen, dass ich mich beruhigen und Abstand von der Welt draußen nehmen konnte. Ich fing an meine Umwelt mehr zu bewundern. Das lag vorallem daran, dass ich zusammen mit anderen Patienten einen begrenzten Raum hatte, indem wir uns bewegen konnten. Manchmal konnten wir mit 2 Pflegern nach draußen auf das Klinikgelände und dort einen Spaziergang machen. Das ging nur mit den Patienten, von denen das medizinische Personal sicher war, dass sie nicht weg laufen würden.
Letztes Jahr um und nach Ostern hat viel die Sonne geschienen und es war warm. Ich war zusammen mit anderen Patienten in dem geschützten Garten der Station. Und während wir dort Musik hörten und uns unterhielten zeichnete ich meine Gedanken auf Papier. Und dabei entstand das Monster. Ich hatte endlich ein Bild:
Meine Depression stand nun vor mir und ich hatte etwas das ich ansprechen konnte. Das Monster hat 2 Hörner (so wie der Teufel) und ein weinendes- und ein zorniges Auge. (Das weinende Auge steht für das Leid und das andere Auge kennzeichnet die Zerrissenheit des Innern wieder. Meines Innern.) Es ist haarig und hat hat einen kräftigen Körperbau. Außerdem hat es eine risiege gezackte Narbe auf seinem Rumpf. Das Monster selber ist eigentlich gar nicht so schlimm. (Zumindest dachte ich das letztes Jahr.) Viel schlimmer ist sein Schwanz (meine Zwangsgedanken). Der konnte sehr gemein werden und zuschnappen. Er ist wirklich bissig. (Mittlerweile ist es umgekehrt: Das Monster pisackt mich und der Schwanz ist ruhig.) Das Monster in seinem Gesamtbild steht für die Zerrissenheit die meine Depression mit sich brachte.
Dass mich eine Depression heimgesucht hatte, wusste ich aber erst als ich die Psychologin der Station fragte. Sie hatte mir Fragebögen gegeben die ich ausfüllen sollte. Ich habe alle ausgefüllt. Und wenn ich nicht gefragt hätte, wüsste ich wohl bis heute nicht was ich habe.
Das Monster ist nicht das einzige das gekommen ist. Es ist eine Weile vergangen. Ein bis zwei Wochen vielleicht, dann ist noch jemand gekommen. Der Gnom:
Er ist auch kein Geselle den man falsch einschätzen sollte. Der Gnom ist klein, grün hat ein leichtes Hemd an mit halblangen Ärmeln und einer 3/4 Lederhose und besitzt ein Schwert. Wenn er nichts zu tun hat, liegt er in seiner Hängematte und wenn er Lust hat, mich zu necken, tut er sich mit dem Monster zusammen. Dann kitzelt er mich mit seiner Schwertspitze und kreist um meinen Kopf. Aber manchmal reicht ihm das nicht. Dann greift er an und richtet sein Schwert auf mich. Dann möchte er, dass ich mich verletze; das ich mir weh tu.
Und letztes Jahr hat er es geschafft. Ich habe mir weh getan, wobei richtig weh getan hat es gar nicht. Es hat hinterher nur etwas gejuckt.
Leider wissen das Monster und der Gnom schon seit über 1/2 Jahr wie sie sich zusammen schließen können um mich bis an den Abgrund zu schicken. Ich stand schon mehrfach am Abgrund. Ich habe nicht nur dort gestanden. Ich war so getrieben, dass ich den Abgrund wirklich bezwingen wollte. Es hat nicht geklappt, obwohl ich es auf 4 Arten versucht habe. Ich war einfach stärker. Das Monster und der Gnom konnten meinen Lebenserhaltungstrieb nicht komplett ersticken.
Das wir miteinander kämpfen, macht das Leben für mich nicht einfacher! Wenn ich in die Zukunft sehe, frage ich mich ob sich so mancher Schritt überhaupt lohnt. Was ist wenn mir die beiden Gestalten erneut im Weg stehen und es schaffen mich den Abgrund hinunter zu stoßen? Dann war alles umsonst.
Zu Leben ist für mich nicht mehr selbstverständlich. Ich befasse mich häüfiger als noch vor ein paar Jahren mit dem Tod im Allgemeinen und versuche sogar Gesprächspartner zu finden. Das gestaltet sich jedoch schwierig. Versuch mal dich im Alltag mit jemandem über Tod zu unterhalten.
Es ist eine Zeit vergangen und ich habe zum 5. mal den Abgrund bezwingen wollen. Ich wollte hinab gehen, getrieben von meinen Gedanken, getriggert von der Musik die ich nicht hören soll. Doch es hat wieder nicht geklappt und ich lebe immernoch.
Nun bin ich wieder auf Station und spiele allen vor, ich wolle leben. Doch ich denke weiter über den verlockenden Abgrund nach. Einfach der Sehnsucht nach geben. Gehen, damit sich keiner mehr sorgen muss, damit alle in Ruhe ohne mich leben können.
Ohne mich, der allen hilft und sich manchmal benutzt fühlt.
Tag der Veröffentlichung: 27.10.2020
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