Michael E. Tritscher
Pferdenasen
Und das Ende von Fucking
Roman
(Psyfiction)
Copyright © 2014 Michael E. Tritscher
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Lektorat: Mag. Jeannette Bachner
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"Wer sich auf Sprach- und Gedankenexperimente nicht einlassen kann oder möchte, sollte von diesem Zeug verdammt noch Mal echt Abstand halten. Wer auf derartiges Lust hat: Reinziehen! Pflicht!
"Johannes Stühlinger"
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„Leeloo ist eine Pferdenase“, schnaubte David und zog sich seine knallrote Badehose über den Kopf. Sie schimpfte ihn „PEEP PEEP“und ihre Zöpfe begannen enthemmt zu beben.
So traten die beiden kurz vor Sonnenaufgang in mein Leben und es spielt sich noch immer vieles in meinem Kopf ab, das dort schon zu lange für Chaos gesorgt hat. Außerdem will ich meine Welt wieder so sehen, wie sie wirklich zu sein schien.
Ich mag vergissmeinnichtblau, weil der Himmel unsere Augen in dieser Farbe besticht, wenn das Wetter schön genug ist, um auf Postkarten zu passen. Und diesen Morgen strahlt er, das Geschehene ignorierend, in einem Frequenzbereich zwischen 600 und 700 Terahertz. Aber das reicht nicht, um meine Mundwinkel zu sich nach oben zu ziehen und mich lächeln zu lassen. Ich treibe im Wasser, neben einer sattgrünen Wiese in der Nähe von PEEPing. Ich friere und der Gedanke, ich hätte Uschis Tod mit zu verantworten, falls sie es war, die starb, zermürbt mich mehr als alles andere.
Die Gewissheiten, die mich plagen sind meine fehlende Brustwarze, der Tod hunderter von Zulas und dass PEEPing – ich buchstabiere es langsam, F… U… C… K… I… N… G… – nicht mehr existiert. Dieser kleine, für die CHMABL unaussprechliche Ort in Oberösterreich, den amerikanische Touristen besuchten, um sich dort vor der PEEPinghilarious Ortstafel zu fotografieren, wurde durch pralle Busen innerhalb des Bruchteils einer Sekunde ausradiert. Meine Brustwarze hingegen wurde mir nur abgenagt.
Leeloo hat mich mal gefragt, ob ich mutig genug sei, meine Wahrnehmung als Realität zu akzeptieren. Dann drehte sie sich um, streifte ihr silbrig glitzerndes Abendkleid, das sie für Amsterdam besorgt hatte, ab, warf mir einen wohlig provozierenden Blick über ihre linke Schulter zu und ging in die Grachten baden. David schnürte daraufhin seine Badehose so eng zusammen, dass er fast erstickte. Auch die beiden sind verschwunden.
Aber ich fange mit meiner Geschichte einfach von ganz vorne an, ordne meine Erinnerungen und lass mein Leben inklusive der darin eingebetteten Impressionen mit all ihren Sinnestäuschungen ohne feste Ordnung Revue passieren.
Mein Leben wand sich in Spanien bei Xalvadora, als ich Michelle bereits kannte, aus der Normalität heraus. In jener Nacht, auf irgendeinem Strand, in der mir Leeloo und David erschienen sind und sich meine Gedanken auf einmal wie ein kaputter VHS-Videorecorder, dessen PLAY, PAUSE, REWIND und FORWARD-Tasten nicht funktionieren, anfühlten.
Und da unser Dasein so ist, wie es ist und aus reichlich unzusammenhängenden Zusammenhängen besteht, deren Bedeutung oft erst nachträglich in Erscheinung tritt, beginne ich lange vor Spanien und ihren Töchtern.
< PLAY > Vor über 20 Jahren
Ich studierte im ersten Semester Psychologie und hatte Ferien.
|| PAUSE ||
Mich schmerzt meine von Becky Lee abgenagte Brustwarze, die Haut fühlt sich taub an und das Konzentrieren fällt mir schwer. Außerdem lassen sich wieder bunte Falter auf meiner Nase nieder, die zögernd funkeln. Das ärgert mich, weil im Bauch fühlen sich Schmetterlinge einfach besser an als im Kopf.
Ich fixiere schwarze, verkohlte Flossen mit gelben Punkten und einen versengten Pyjama, auf dem es rosa Schweinchen miteinander tun. Kate Moss liegt neben mir und ein T-Shirt auf dem Fishpower geschrieben steht, lässt Melodien in meinen Kopf entstehen. VerPEEPt, ich beginne mich wieder zu verlieren. Zurück in die Geschichte.
< PLAY >
Ich hatte Weihnachtsferien, eine Zeit, die in Schi-Regionen wie jener, in die ich geboren wurde, als Jagdsaison galt. Jagd auf Frischfleisch Made im Ausland, in Form junger williger Wintersport-Touristinnen.
|| PAUSE ||
Schihaserl waren die Hübschen und PEEPfetzen jene, die meinen lose definierten optischen Anforderungen nicht stand hielten und höchstens nach dem Genuss unzähliger Biere für einen schlichten PEEP in Frage kamen. Michelle war ein Schihaserl, aber keine Zula, wie Leeloo das Abziehbild der Mädchen meiner Träume nannte.
Das Schicksal, bestand Leeloo, nachdem Michelle mich verlassen hatte, wollte von Anfang an, dass eine Zula mein Herz wie eine reife Birne vom Apfelbaum pflückt und schwuppdiwupp einsteckt. Jedoch, links statt rechts oder umgekehrt, beziehungsweise tiefgefrorene Hühner und Löcher im Schnee, manövrierten mich direkt in Michelles Fänge.
„Was hätte das für einen Sinn?“, fragte ich Leeloo, als sie mit der Geschichte über Zula los legte.
„Warum sollte das Schicksal etwas planen, wenn es sich nicht erfüllt?“
„Weil es kraftloser ist, als alle annehmen!“
Und während mir Leeloo das offenbarte, erschlafften ihre Zöpfe wie verwelkte Blumen.
„Du hättest eine Zula im Mutterschiff kennen gelernt!“, flüsterte sie und fauchte: „Rewind!“
Leeloo stellte mein zulabares Leben, das sich in irgendeiner Parallelwelt vor Milliarden Jahren abgespielt hat, sich bald ereignen könnte oder gerade jetzt erst passiert, dar.
In ihrer Geschichte gehe ich mit Freunden ins Mutterschiffauf ein Bier.
Wie jedes Jahr ist wenig los am ersten Jänner. Der Schädel brummt von der Silvesternacht und ich habe auf nichts Lust – außer vielleicht auf Bier.
„Links oder rechts?“, fragt ein Freund. Ohne meine Umgebung nach Schihaserln zu scannen, raunze ich „Links“ und setze mich ans Ende des Tresens. In der Hoffnung meine Kopfschmerzen verschwänden, schließe ich die Augen und denke an Zebras, die in Zeitlupe rückwärts laufen. Das hilft. Und nachdem ich den liebsten meiner fünf Sinne wieder der Umgebung aussetze, erblicke ich eine Zula. Sie ist alleine, trinkt einen PEEPtail und wirkt wachsam.
Zula ignoriert, dass ich sie wie eine Kuh, die ein Ufo bei der Entführung ihres Bauern beobachtet, anglotze. Sie stochert mit einem Strohhalm im Milchgetränk und man sieht ihr eine Touristin an, die vom Hoteliers-Sohn, Bauernbub oder Schilehrer versetzt wird. Obwohl ich gerade erst zu nichts Lust hatte, entflammt in mir der Trieb, sie als flotte Beute für eine Nacht zu akzeptieren.
Zula bemerkt das, aber ich kann mich nicht festlegen, ob sie deswegen lächelt. Egal! Sie lächelt. Und zwar so, dass es dem Mutterschiff eine sonnige Atmosphäre aufzwingt.
„Na und? Ich werde gerade versetzt!“, eröffnet Zula. Dabei bedient sich ihr Mund kühner Formen und tritt in mir unerwartet das Abenteuer Hirnstoffwechsel los. Sie niest, senkt verlegen ihren Kopf und grinst den Boden an. Zula sieht klar, dass sie für mich und ich für sie bestimmt bin.
|| PAUSE ||
Innerhalb weniger Tage spürt Zula einen Seelenverwandten in mir auf und katapultiert mich in einen Gemütszustand, den ich „heiter“ nennen möchte. Bis dahin wagte ich nicht mal zu vermuten, abseits von Film & Fernsehen gäbe es Derartiges.
< PLAY >
Zulas Blick ist nach wie vor gesenkt, als ich frage: „Auf welche Musik stehst du so?“
„Keine gute Frage für den Anfang!“, sagt sie und jetzt suche ich den Boden verlegen nach einer Antwort ab.
„Nach welcher schau ich für dich denn aus?“, will sie wissen.
Und ich denke an meine Lieblingsband.
„Glaubst du an Das auf den ersten Blick?“, hakt sie nach, als desinteressiere sie mein Schweigen.
„Ich weiß nicht“, flüstere ich.
„Wie soll ich dann wissen, nach welcher Musik ich für dich aussehe?“
„Ich kann nicht ganz folgen!“, merke ich an und denke: „Ich mag dich!“
„Na dann…“, meint Zula und niest noch mal.
Sie beginnt meinen Hirnstoffwechsel zu dirigieren, zu einer Musik, die uns beiden gefällt. Ich registriere Anmut - sie hat fabelhaft lange Beine, Sommersprossen auf der Nase und zwei Brüste.
David titulierte unseren PEEP in jener Nacht als „ungemein unheilvoll und typisch für eine fehlgeleitete Jugend, die es nicht mehr versteht, mit ihren Gefühlen und ihrer PEEPualität achtsam umzugehen“ und ließ seine rote Badehose laut schnalzen. Leeloo hingegen segnete unser erstes Mal als Superfunken, während ihre Zopfspitzen rot glühten und „ungeschminkte Liebe“ in die Luft brannten.
Zula PEEPt ausschweifend, unbeugsam und insgeheim schmutzig. Sie duftet nicht nach Erdbeeren sondern nach Pfirsich und belebt in mir die Hoffnung, mit dem Leben hätte es mehr auf sich, als allgemein befürchtet. Jeder, der einem PEEP mit einer Zula auch nur nahe kam, weiß, was ich meine.
Und so fordert Zula von mir, ihr in unserer ersten Nacht ungebremst zu verfallen. Dabei bedient sie sich der Gewalt des Superfunkens und ihrer ungesitteten Liebe. Ich würde gerne ein Buch, einen Roman, Film oder ein Lied über Zula schaffen, doch sehe ich mich außerstande, das was sie war, wäre sie schon gewesen, in Worte oder Bilder zu zwängen. Ich käme nie über den Titel meines großartigen Zulawerks hinaus: Superfunken!
Und von einem solchen geblendet, liegen wir in feinster postkoitaler Manier im Bett. Wir staunen uns wortlos ein paar Sekunden blinzelnd in die Augen, bis Zula das durch charmantes Niesen unterbricht und in mein linkes Ohr flüstert:
„Ich würde gerne wissen, du kleine PEEP… wer von uns gerade den besseren PEEP hat?“
Wir müssen kichern und ich frage sie nach ihren Namen.
Es folgt Grinsen, Lachen, in Zeitlupe über grüne Wiesen laufen, gedankenreiche Gespräche und PEEPen, begleitet von wolkenlosen Liebesschwüren und seltenen Tiernamen. Das dauert zirka einen Monat.
Zula und ich schätzen die Natur, deshalb beschließen wir dort zu bleiben. Am Fuße irgendeines Berges könnten wir unser von Glück geschwängertes Leben behaglich zu Ende führen.
„Könnten“, denn eines Abends gehen wir bei Vollmond im Wald spazieren, während wir Händchen haltend in Schnee gehüllte Nadelbäume genießen, die glitzern und funkeln als wuchsen sie auf einem fernen Planeten einer alten Star Trek-Episode.
Vollmond, Schnee und Mitternacht. Das ist hell, aber nicht hell genug um Todesgefahren im Wald aus dem Weg zu gehen. Zula wird vom Erdboden verschluckt und meine Hand ist entsetzlich leer. Ich höre noch ein Niesen, dem ein dumpfes Knacksen folgt. Neben mir im Schnee tun sich ein dunkles Loch und die Gewissheit auf: Zula wird mir fehlen.
|<< REWIND (ein paar Sekunden)
Im Mondlicht spaziere ich mit meiner Zula durch einen verschneiten Wald und das Letzte, was ich wahrnehme, abgesehen ihres Niesens ist: „Wenn wir Pferde…“
News & Tits schreibt über ein Mädchen, das während eines nächtlichen Spazierganges in ein drei Meter tiefes Loch zu Tode stürzte. Dieses, so wird berichtet, hatte ein Bauer gegraben, um überproduzierte Milch, die sein vorgeschriebenes Kontingent überschritten und somit seine Fördergelder gekürzt hätte, zu entsorgen. Weil die Temperatur weit unter Null lag, gefror die Milch tief unten im Schneeloch und ließ Ulla Z. hart genug aufschlagen, um ihr Genick dumpf knackend zu brechen.
|| PAUSE ||
Leeloo erzählte mir diese Geschichte in jener Nacht, in der Michelle abgehauen ist und Xalvadora sich ihre goldene Dose zurückgeholt hatte. Sie führte mir damit vor Ohren, was verpasste Möglichkeiten im Leben anstellen können und dass ich von Anfang an auf Michelle hätte PEEPen sollen. Vielleicht wollte sie mich auch nur wissen lassen, dass das zulahafte Mädchen aus dem Mutterschiff ohnehin dem Tod geweiht war.
|| PAUSE ||
Das Sterben ist schrecklich besorgniserregend!
„Ist es nicht, Dummkopf!“, knurrte Leeloo sanft und beruhigte mich mit einer Geschichte über Erdmännchen, die ihren Gefühlen durch Haarschnitte, Zöpfe und allerlei anderer Hilfsmittel Ausdruck verliehen. Nachdem Leeloo diese komplex aufgebaute Fabel beendet hatte, riet sie mir:
„Denk nie an Erdmännchen, die es miteinander tun! Lieber an Zebras, die in Zeitlupe rückwärts laufen!“
„Rewind!“,schrei jetzt ich und nicht Leeloo. Zurück in meine Geschichte!
< PLAY >
Um ihrer Snow & Fun-Schöße willen hielt ich im Mutterschiff nach Schihaserl Ausschau.
„Rechts“, raunzte ich und begab mich ans falsche Ende der Bar. In der Hoffnung, ich bezwänge die Kopfschmerzen der Silvesternacht, schloss ich meine Augen und dachte an Erdmännchen, die es miteinander tun. Als sie damit fertig waren, saß eine Franzi neben mir. Da sie nicht so schlecht aussah und ich davon ausging, sie quassle beim PEEPjobben weniger als beim Reden, lauschte ich geduldig ihren Studentengeschichten. Als ich den Ordoliberalismus diskutieren wollte, interessierte sie sich aber plötzlich für meinen Freund.
Ungebremst und wie ein betrunkener Schilehrer am Klo einer Aprés-Ski-Bar mit seinem Spiegelbild, turtelten die beiden ohne großen Anlauf los. Das nervte mich, deshalb beobachtete ich lieber einen Typ mit tiefen Solariumspuren im Gesicht, inklusive einer verPEEPten Rose in der Hand, auf ein Mädchen am richtigen Ende der Bar zusteuern, das eine Zula war. Das wäre noch zu verkraften gewesen, denn es kann schon mal passieren, dass man einen weiblichen Körper in seiner Nähe weiß, der für immer unerreichbar ist. Es waren Melanie MelodysTM volksdümmliche Melodien, die mich endgültig aus dem Mutterschiff trieben. Beim Rausgehen hörte ich den Typ dem zulabaren Mädchen am richtigen Ende der Bar verkünden: „Das wird unser Lied!“
FORWARD >>| (einige Wochen)
Franzi und ihr „neuer Freund“ schmissen eine Party, bei der weiße Kleidung obligat war. Und so war ich dort natürlich ein dunkler Fleck, auf den sehr bald etwas Weißes zugestürmt kam, das mit amerikanischem Akzent lallte:
„Duo, bisst schon eines bis zu den anderen Malen hierr geweasen...?“
„Sowieso“, sagte ich und es lachte, nannte mich „Crazy fool“ und sich Condoleezza. Trotzdem ging ich, ein überlanges Kleingespräch und Unmengen Wodka später, mit ihr nach Hause.
|| PAUSE ||
Condoleezzas Nacktheit ließ mein geistiges Auge vorübergehend erblinden und ihre schmatzenden Bauchfalten machten eine Verfilmung meines Lebens aus Pietätsgründen eigentlich unmöglich.
< PLAY >
Als ich neben ihr aufwachte, schmerzten mein Kopf, Hals, meine Knie und vor allem die Augen.
Bevor ich mich davon schleichen konnte, kam ihr gewaltiger Körper auf mich zugewälzt und die Öffnung unter der Nase grunzte: „Hello? Heeeeeeelloo!!!! Yur cute!“
|| PAUSE ||
„Pfui!“, schimpfte Leeloo und „Pfui“ stimmte David zu, als ich Jahre später die Nacht mit Condoleezza vor Uschi rechtfertigen sollte. David ließ seine Badehose schnalzen und jammerte:
„Ungemein unheilvoll und typisch für eine fehlgeleitete Jugend, die es nicht mehr versteht, mit ihren Gefühlen und ihrer PEEPualität achtsam umzugehen.“
< PLAY >
„Pfui!“, dachte ich, als Condoleezza kotzte, meine linke Hand mit ihrem feuchten Strahl streifte und meine Schuhe mit kleinen farbenfrohen Schleimbröckchen füllte.
„Darf ich duschen?“, war meine Reaktion und ich begab mich, ohne eine Antwort zu bekommen, ins Badezimmer. Ich füllte die Wanne und schrubbte darin mit einer nie zuvor praktizierten Heftigkeit meinen Körper. Als ich mit Seife meine Mundhöhle wegen eines widerlichen Geschmacks, dessen Ursprung ich erst gar nicht auf den Grund gehen wollte, auswusch, kam fröhlich summend ein Mädchen durch die Badezimmertür getrottet.
|| PAUSE ||
Erst nach der dritten Begegnung mit Condoleezzas Roommate, in ferner Zukunft also, sollte ich erfahren, dass dieses Mädchen nicht nur eine Zula war, sondern auch so genannt wurde.
< PLAY >
Ich schrubbte gegen Condoleezzas Nachgeschmack auf meiner Zunge an und ließ die Seife erstaunt aus dem Mund fallen, als mich eine Zula erschrocken mit inhaltslosem Schrei begrüßte und anschließend nieste.
|| PAUSE ||
Ihre Haare blitzten rubinrot in der Frühsonne und sie war, wie bei Mädchen morgens in Badezimmern üblich, nur sehr spärlich bekleidet. Sie trug ein enges T-Shirt, auf dem Superfunken stand und ein winziges Höschen, das ich nie wieder vergessen sollte.
< PLAY >
Zula schnappte sich den Haarföhn, hielt ihn mir wie eine Pistole entgegen und drohte, ihn in der Wanne zu versenken, falls ich nicht heraus stiege. Alles, was ich an Argumenten entgegenbrachte, war „Condoleezza“ zu rufen.
Zula schüttelte den Kopf und besann sich. Doch als erneut Kotzgeräusche von Condoleezza ins Badezimmer drangen, schleuderte Zula den Föhn ins Wasser und pfauchte: „Es reicht, raus jetzt!“
Mir reichte es auch und ich schrie und zuckte zwischen Seifenblasen um mein Leben. Nach ein paar Sekunden hievte ich meinen Körper über den Wannenrand und ließ mich auf den Boden plumpsen. Auf den nassen Fliesen begriff ich, dass mein Leben nie bedroht gewesen war. Der Stecker des Föhns pendelte unplugged über mir und machte sich über mich lustig. Mit meiner Nase zwischen Zulas Zehen lag ich nackt auf dem Bauch. Ihre Augen funkelten und genossen den Moment meiner Demütigung. Ich bat sie, ihre Blicke von meiner Blöße abzuwenden, was sie auch tat. Dann stand ich auf, ergründete ihren wundervollen Hintern und suchte etwas zum Überziehen. Aus einem Wäschekorb schnappte ich etwas Flauschiges, das ich im Laufen, fernsehgerecht wie Batman beim Aufbrechen in ein neues Abenteuer, anzog. So entkam ich ohne Schuhe, gefolgt von Zulas Schrei: „Der Pyjama… Der gehört mir!“
|| PAUSE ||
Abgesehen vom eiskalten Gehsteig, an dem meine Fußsohlen kleben blieben und dem frostklirrenden Darmleergut der Hunde Wiens, störte mich, dass ich in einem Pyjama mit kleinen rosa Schweinchen, die es miteinander tun, durch die Stadt rannte.
FORWARD >>| (Zehn Minuten)
In einer U-Bahn-Station fuhr ich eine Rolltreppe abwärts. Dabei zog etwas an meinem Blickfeld vorbei, das meine Aufmerksamkeit mehr erregte als die Gefahr einer Unterkühlung.
|| PAUSE ||
Ein Werbeplakat schrie mich an. Was sollte eine bezahlte Botschaft, die an U-Bahn-Wänden klebt, sonst auch machen? Doch dieses Plakat tat mehr, als an der Wand zu kleben um sein Umfeld zu bezirzen.
< PLAY >
Das Sujet, an dem ich auf der Rolltreppe entlang schwebte, weckte in mir das Verlangen, mich auf der Stelle verlieben zu wollen. Egal, ob mit oder ohne Schweinchenpyjama, ich wollte der Überproduktion von Serotonin verfallen. Gleich den beiden Models, die sich auf dem Plakat so übernatürlich happy in die Augen starrten und ihr kosmisches Glück nichts anderem als Haargel für Chaos-Effekt verdankten. Das Gel vollendete, was ihr linker Busen versprach: Glänzendes Volumen!
In meinem Sehnsuchtsanfall nach Liebe wollte ich auf der Stelle dieses halbnackte Model oder wenigstens ihr Haargel besitzen. Ich verzehrte mich nach geschminkter Liebe, die virtuos gestylt und mit Photoshop aufgeschmeichelt wurde. Ich wollte mich der Perfektion in der Hyperrealität bedingungslos hingeben.
„I want a perfect body, I want a perfect soul and I want perfect hair”, forderte das Plakat und mir war zum Heulen. Mir fiel nämlich ein, dass mein Geld in der Hose steckte, die ich in Condoleezzas Zimmer zurück lassen musste. Ohne Hose kein Geld und ohne Geld kein Gel für Chaos-Look.
FORWARD >>| (Ein bis zwei Minuten)
Ich summte das Lied von Radiohead, als mich zwei Mädchen bedauerten. Die eine meinte zur anderen: „That’s so sad!“ und die andere bestätige das der einen mit „Si!“.
„Reichlich Ami-Tussen in letzter Zeit“, dachte ich. Im Gegensatz zu Condoleezza war die eine, mit kleinen Brüsten und großer Einkaufstasche, zumindest ansehnlich. Von der anderen war wenig zu sehen, da eine rot-gelb-rote Wollmütze ihr Gesicht vermummte. Bevor ich einen Spruch loslassen konnte, um die Herzen der beiden zu erwärmen, drückte mir die andere einen Zwanzigschillingschein in die Hand. „Die halten mich für einen Penner!“, dachte ich.
„Actually my boyfriend‘s!“, erklärte die eine und kramte nagelneue Sneakers aus ihrer Einkaufstasche hervor. „For you!“, ergänzte sie und synchron zu traurigen Wimpernschlägen versprach sie, für meine lost soul zu beten. Ich beugte mich vorn über und zog mir die viel zu großen Schuhe an. Als ich wieder aufblickte, waren die beiden verschwunden. Mein Herz schlug schneller als gewohnt und ich fühlte mich darin bestätigt, das ultrastarke Haargel für Chaos-Look besitzen zu müssen.
Ich bemerkte etwas am Boden liegen. Eine Mini-Bibel war der einen aus ihrer Einkaufstasche gefallen. Ich hob das winzige Buch der Bücher auf, öffnete es und fand den Namen Michelle und eine bemerkenswerte Adresse darin gekritzelt.
|| PAUSE || |<< REWIND || PAUSE ||
„So ein Zufall aber auch!“, knurrte Leeloo und ihre Zöpfe vibrierten, als ich ihr erzählte, wo Michelle damals wohnte.
„Schicksal!“, gluckste David und stickte einen Smiley auf die Badehose.
< PLAY >
Ich begann dem Schicksal zu vertrauen, steigerte spontan meine Hormonproduktion und verfiel der darauf aufgebauten Illusion von Liebe auf den ersten Blick. Denn nicht einmal der größte Zufall würde Michelle grundlos in meinem Geburtsort wohnen lassen.
|| PAUSE ||
Michelle verbrachte einige Monate in einer religiösen Institution namens Herzerlhof. Diese Einrichtung war laut Eigenbeschreibung ein internationales christliches Zentrum mitten in den Alpen, das Freizeitveranstaltungen und Kurzbibelschulen anbot: Bibelforschungs-Programme für Jugendliche, bei denen Jesus Christus als persönlicher Herr und als Quelle ihres Lebens kennen gelernt werden sollte.
< PLAY >
All diese Gegebenheiten veranlassten mich, das folgende Wochenende mit einer Dose Haargel nach Hause zu meiner Familie zu fahren. Im Zugabteil lag eine News & Tits Ausgabe, von deren Titelseite Melanie MelodyTM mit der Headline „Warum ich keine Interviews gebe!“ smilte.
|| PAUSE ||
Melanie MelodyTM war das erste weibliche Wesen, durch das ich meinen PEEPuellen Fantasien manuell Ausdruck verlieh. Ihr Name war eigentlich Natascha – im Umkreis von 50 Kilometern der coolste und süßeste Teenager mit Sprachfehler. Außerdem war sie die kleine Busenfreundin meiner großen Schwester.
Natascha liebte Depese Mode und hob sich durch ihren Sprachfehler, den ein Logopäde einer „mangelhaft ausgebildeten Mundmuskulatur“ zuschrieb, noch mehr von allen anderen ab, als ohnehin schon zu viel war. Natasa konnte kein „SCH“ aussprechen. Doch dieses Handicap wurde zur Essenz ihrer Karriere und sie fiel nie durch die gängigsten Kraftausdrücke auf. Ihrer mangelhaft ausgebildeten Mundmuskulatur wollte man durch Gesangsstunden die fehlende Kraft antrainieren. Diese Therapie fruchtete insofern, als dass sie das „SCH“ zwar weiterhin nicht aussprechen, aber immerhin singen konnte. Mit sechzehn änderte sie ihren Namen und ab siebzehn erstarkte ihre Mundmuskulatur so sehr, dass sie ihren ersten Plattenvertrag und ein hartnäckiges Herpes-Virus einheimste.
Nachdem Natascha zu Melanie MelodyTM mutiert war, zog sie ihrer Karriere wegen nach München, da der Markt in Deutschland mehr Möglichkeiten eröffnete. Erst nach Jahren sollte ich wieder auf die volksdümmliche Ikone Melanie MelodyTM treffen, als ich mir pro forma die Schnürsenkel band, um unter einem knappen Rock eine Pferdenase zu entdecken.
< PLAY >
Mit ultrastarkem Gel in meinen Haaren und einem Chaos-Herzen, das meinte, sich nach einer Michelle zu sehnen, schlenderte ich zum Herzerlhof. Am Straßenrand gegenüber rauchte ich eine Zigarette, wie es Spanner gerne tun und versuchte einen Blick hinter die Kulissen dieser religiösen Institution der Alpen zu erhaschen. Durch die Fenster schallte fröhliches Singen, beschwingtes Lachen und anderes fideles Zeugs, von einem leuchtenden Schein geleitet und der Umgebung etwas Heiliges versprechend. Ich überlegte, ob ich die kleine Bibel zusammen mit einer Nachricht vor die Tür legen sollte, beschloss aber, eine bessere Gelegenheit abzuwarten, um Michelle für mich zu gewinnen.
|| PAUSE ||
Der Herzerlhof strahlte ähnlich wie das Heaven’s Gate, das mich Jahre später in Amsterdam verführen wollte.
< PLAY >
Am nächsten Tag begab ich mich zum Supermarkt, um für meine Familie die Einkäufe zu erledigen. Zwischen frischem Gemüse und tiefgekühltem Fleisch ärgerte ich mich, weil meine älteste Schwester „Tampons (aber nur MMCL)“ auf die Einkaufliste geschmuggelt hatte, obwohl sie wusste, wie sehr ich es hasste, derartige Hygieneartikel zu besorgen. Meine Laune erhellte sich aber jäh, als die Zula aus dem Mutterschiffvor mir stand. Sie lächelte und hielt, gleich einer Mutter ihr Baby, eine Flasche Milch an sich gepresst.
|| PAUSE ||
„Warum verPEEPt, lass ich mir immer so leicht den Kopf verdrehen?“, grübelte ich oft, während ich in der Badewanne mit Christy Turlington spielte.
„Warum, verPEEPt, laufen dir permanent Weiber über den Weg, die sich anders nennen, als sie heißen?“, fragte Leeloo hin und wieder und formte ihre Zöpfe zu Fragezeichen.
„Warum, in Gottes Namen, enthält dein Leben mehr als eine Lady mit Sprachproblemen?“, wollte David wissen, während er energisch an seiner Badehose kaute.
< PLAY >
Ich war verwirrt, weil mein Herz, gerade erst auf eine Michelle zugeschnitten, sich zielstrebig aufmachte, unrhythmisch für jemand anderen zu schlagen. Und das zulahafte Mädchen, mit der an die Brust gepresste Milchflasche, näherte sich. Im kühlen Neonlicht der Tiefkühlregale des Supermarktes, zwischen all den vereisten Hühnern und zerstückelten Kühen, sah sie noch heißer aus, als in meinem episodischen Gedächtnis vor Monaten abgespeichert.
Ist das der Moment im Leben, in dem man auf die Liebe seines Lebens stößt und einem plötzlich Gemüse schmeckt?
|<< REWIND
Ich ärgerte mich, weil ich meiner ältesten Schwester Tampons der MMC Linie mitbringen sollte, als mich eine Zula angrinste. Mit einem Liter fettarmer Milch an sich gepresst, schlenderte sie entlang von Obst und Gemüse auf mich zu. Mit den Fingerspitzen streifte sie anmutig ein paar Gurken, die ihr rechts zur Seite lagen. Und was dann passierte, war die logische Konsequenz aus der Summe aller Ereignisse der darauf folgenden Minuten.
FORWARD >>| (Eine Woche nach dem Summenstrich)
Ich fuhr mit Michelle durch Österreich. Weil sie wenig von diesem „tiny winy“ Land gesehen hatte und, wie sie meinte, Romantik darin lag, mit dem Auto an Landschaften vorbei zu „cruisen“. Doch diese Romantik war scheu und zeigte nicht andeutungsweise ihre wohlwollende Silhouette. Zum einen war ich unentspannt, weil ich am Psychologie-Institut einiges zu erledigen gehabt hätte. Zum anderen dachte ich ständig an die weit aufgerissenen Augen der Zula im Supermarkt, die dort wegen eines blöden Huhns ihr Leben lassen musste.
Als wir einen kleinen Ort in Oberösterreich kreuzten, erreichte unsere vierrädrige Zweisamkeit ihren Tiefpunkt. Denn die PEEPinger Ortstafel schockierte Michelle und machte sie fassungslos, dass ein Ort, in dem Kinder wohnten, so heißen durfte. Sie wollte den Bürgermeister aufsuchen, um ihrer Abscheu Ausdruck zu verleihen. Nur durch einen Klaps auf den Hintern hielt ich sie davon ab, was in Streit mündete, unser Cruisen beendete und uns, ohne ein Wort zu wechseln, nach Hause trieb. Das alles ließ uns spüren, dass wir nicht zusammen passten. Und als Michelle nach weiteren drei Wochen voll mühsamer Diskussionen, die sich auf meine PEEPistische und vulgäre Persönlichkeit beschränkten, ihre Heimreise antrat, war ich mehr als froh darüber.
|| PAUSE ||
Wenn ich in der Badewanne sitze und nicht gerade darüber sinniere, was schöner wäre: einmal Heidi Klum in die Fresse zu hauen oder Elle MacPhersons linke Titte in der rechten Hand halten zu dürfen, pflege ich über Fügung und andere Entbehrlichkeiten nachzudenken. Während ich im warmen Wasser sitze und mit Christy Turlington, meiner gelben Plastikente, spiele, erinnere ich mich gerne an Erlebnisse, von denen ich glaube, dass sie bedeutsame Weichen in meinem Leben darstellen. Aus der Perspektive der damaligen Gegenwart, der Vergangenheit sozusagen, oder mit den Augen Christy Turlingtons, versuche ich den Moment, als ich Michelle das erste Mal sah, zu betrachten und blende mein Wissen aus, wie diese Fremde mein Leben verändert hat und als ranghöchste Pferdenase in die unendliche Geschichte des globalen Terrorismus eingegangen ist.
Das Spiel mit der gelben Ente und die platzenden Seifenblasen zwingen mich, Michelle aus der damaligen Perspektive, der passierten Gegenwart, gewissermaßen der Vergangenheit, zu betrachten. Ich würgte Christy Turlington, wüsste ich, dass ich, in einem Pyjama mit PEEPenden Schweinchen, Michelle begegne und sie mich für einen Penner hält. Ich ließe heißes Wasser in die Wanne laufen, weil ich mich später in Michelles ehemalige Zimmerkollegin vom Herzerlhof verliebe. Ich gösse Badesalz mit Lavendelblütenduft ins lauwarme Wasser, erführe ich, dass mich diese Spanierin verPEEPt und Michelle mir mit Hintergedanken Trost und eine Möglichkeit in den USA zu studieren anbietet. Mir wäre nach eiskaltem Wasser zumute, sagte man mir, in Michelles Leben hätte PEEPen vor der Ehe keinen Platz. Doch stimmte mich die Tatsache froh, dass für Michelle weniger als Penetration nicht als PEEPen gilt und somit sündenfrei wäre. Ich zöge verheult den Stöpsel aus der Wanne, erzählten mir Becky Lee & Lou, was Michelle und die CHMABL anrichten werden.
Aber zurück zum Wesentlichen, in meine Geschichte.
FORWARD >>| (ein paar Monate)
Eine neue Jagdsaison auf Snow & Fun-Schöße war eröffnet und mein Versuch, ein Schneehaserl im Mutterschiff ob erotischer Ziele zu beugen, hatte mit Kaugummi in meiner linken Augenbraue geendet. Alkohol machte es sich langsam heftig in meinem Körper gemütlich, aber die Musik im Mutterschiff wurde dadurch nicht feiner.
|| PAUSE ||
Irgendwie bewundere ich volksdümmliche Musik mit ihren auf den kleinsten gemeinsamen Nenner rationalisierten Melodien und Texten. Anheizer fürs Schunkeln, Grölen und Saufen, die von Hansi Hinterseern oder Melanie MelodynTM, assoziiert mit Almflair, Hüttengaudi oder Bergidylle, als alpin-authentisch verkauft werden. Titel wie Bei uns zu Hause in den Bergen oder Für meine Heimat würd’ i bluten lassen Bauernbuben mit Dreadlocks zusammen mit deutschen Haserln und Fetzen ausgelassen auf Tischen tanzen. Brutal vereinfachte Tonfolgen, die heute neben Richard Wagner auf der ganzen Welt erklängen, wäre den Nazis ihr Krieg gelungen.
< PLAY >
Ich verließ frühzeitig das Mutterschiff, um mir zuhause den Kaugummi aus der Augenbraue zu schneiden. Der Schnee knirschte unter meinen Füßen und aus allen Richtungen drang volksdümmlicher Sound, David Hasselhoff oder Loser von Beck.
In einer dunklen Ecke, hinter Mülltonnen, wo Becks Musik überwog, entlastete ich meine Blase. Motiviert durch die geistige Beeinträchtigung des Alkohols und frustriert vom Versagen meines Haargels, schaute ich dabei in die Ewigkeit des funkelnden Firmaments. Ich fragte mich, ob diese Sterne auch gerade von irgendeiner Zula bestaunt würden und versuchte PEEP in den Schnee zu pinkeln.
|| PAUSE ||
Falls mein Leben verfilmt würde, könnte man diesen Moment aufpeppen, indem man mich beim Urinieren unbewusst eine Melanie MelodyTM Melodie pfeifen lässt. Diese eher belanglose Szene gewänne dadurch mehr Dramatik und mein widersprüchliches Wesen würde unterstrichen. Mein Hosenstall müsste jedoch verschlossen bleiben, damit keine jugendgefährdenden Inhalte in die Kamera hingen.
< PLAY >
Während ich mit dem M kämpfte, kotzte mir jemand auf meine Fersen und beschwor in mir beängstigende Erinnerungen an Condoleezza herauf. Erschrocken rotierte ich um meine eigene Achse und platzierte einen Teil des Ms auf Xalvadoras Haare.
|| PAUSE ||
Hätte Xalvadora bemerkt, dass ich sie angepinkelt habe, wäre ihre Einladung nach Spanien wahrscheinlich ausgeblieben.
< PLAY >
Rechtzeitig, bevor sich Xalvadora sammelte, schüttelte ich den Körperteil, dem kritische Frauenstimmen gerne Denkvermögen andichten, ab und ließ ihn in der Hose verschwinden. Mit feuchten Haaren saß Xalvadora im Schnee und raunzte:
„Lo siento mucho!“
Ich konnte sie nicht verstehen, dafür riechen. Sie duftete nach Magensäften, Alkohol und Red Bull. Ich half ihr auf und klopfte ihr den Schnee vom Po, was sie mit „No!“ stoppte. Sie strich sich ihre Haarsträhnen aus dem Gesicht, musterte mich und stellte fest: „Ich kenne dir!“
|| PAUSE ||
Wenn ich Xalvadora jetzt visualisiere, entdecke ich große Ähnlichkeit mit Jennifer Walcott, einem Playmate aus dem Internet. Ungeschminkt und schlecht ausgeleuchtet, wäre sie mit meiner spanischen Amiga leicht zu verwechseln gewesen. Xalvadora zierte jedoch eine zirka drei Zentimeter lange Narbe, vom rechten Auge senkrecht die Wange entlang und kurz über ihrem Mundwinkel endend. Diesen Schmiss, der ihr Anmut und Geheimnisvolles verlieh, hielt ich anfangs für eine Träne, die es ihr beim Kotzen raus getrieben hatte.
< PLAY >
„Wie Michelle?“, fragte ich.
„Si!“, antwortete mein Playmate of The Month August aus dem fernen Jahr 2001.
„Michelle?“, hakte ich nach. Xalvadora erwiderte wieder „Si!“ und erkundigte sich in gebrochenem Deutsch, ob ich etwas bei mir trüge, mit dem sie sich den Mund abwischen könne. Ich spendierte ihr ein Oh, it’s a Feh und sie wandte sich ab, um den letzten Schleim um ihre Mundpartie zu entfernen. Dann unterhielten wir uns über Sangria-Rezepte und Michelle. Es stellte sich heraus, dass sie das Mädchen mit der rot-gelb-roten Wollmütze in der U-Bahn-Station gewesen war. Und mit Michelle ein Zimmer im Herzerlhof geteilt hatte. Ein Jahr später war Xalvadora nach Österreich zurückgekehrt. „In diese schöne Region“, die sie Maite, einer Amiga, empfahl, um dort für ein paar Wochen als Au-Pair-Mädchen Deutsch zu lernen. Ich staunte „Wirklich?!“ und fragte, ob sie den nächsten Tag mit mir auf der Schipiste verbringen wolle. Xalvadora antwortete „Si“ und zupfte mir den Kaugummi aus der Augenbraue.
FORWARD >>| (ein paar Stunden)
Nächsten Morgen quälte mich ein Kater und ich hatte wenig Lust aufzustehen. Ein säuerlicher Geruch aus meinen Schuhen erinnerte an Xalvadora. Eine halbe Stunde später brach ich im Auto meiner kleineren Schwester, für die ich nie Tampons aus dem Supermarkt mitbringen musste, da sie das peinlich fand, zum Schifahren mit einem Snow & Fun-Exemplar aus Spanien auf.
Xalvadora hatte ihre rot-gelb-rote Wollhaube übergezogen und war so zwischen anderen Schifahrern und Snowboardern leicht auszumachen.
„Hola!“, grüßte sie und rechtfertigte ihren Mageninhalt auf meinen Schuhen. Sie behauptete, üblicherweise nie so viel zu trinken. Ihr Amigo war der Grund dafür und auch warum sie mit Freundinnen Maite besuchte. Sie wollte Schifahren, feiern und den Hijo de puta vergessen.
Während des obligaten Aprés-Skis gestand Xalvadora, sie wäre auf Michelle „envidiosa“ gewesen, weil sie mich auch „suss“ fand. Ich fragte überrascht, ob sie mit Michelle noch in Kontakt sei. Doch Xalvadora wechselte das Thema und erzählte, dass ihnen Maites Au-Pair-Papá „eine kleine Haus im Berg“ zur Verfügung stellte. Sie lud mich zu ihrer Silvesterparty dorthin ein und ich freute mich auf den Jahreswechsel.
FAST FORWARD >> >>|
Wir verschanzten uns in einer kleinen Kammer und ließen die anderen ohne uns ins neue Jahr feiern. Als die ersten Knallkörper die Nacht zerrissen, lag ich mit meiner spanischen Chica, die aussah wie ein Playmate aus der fernen Zukunft, bekleidet in einem zu kleinen Bett und hielt es nicht mehr für nötig an Zulas zu denken. Ich betrachtete Xalvadoras Gesicht, auf deren Haut die Farben des Feuerwerks schimmerten und löcherte sie wegen ihre Narbe. Doch Xalvadora blieb stumm. Ich spürte, sie erwartete das Gleiche von mir. Darum schliefen wir, nicht miteinander, aber umschlungen, ein.
Ein, zwei Stunden später wurde ich wach, weil Xalvadora an meinen Lippen lutschte. Zunächst dachte ich, sie ließe mich an sich ran, doch schien sie nur von jemandem zu träumen, der stärker war als ich.
|| PAUSE ||
Leeloo wickelte amüsiert eine Zopfspitze um ihren kleinen Finger, als ich von dieser Nacht erzählte und David atmete erleichtert auf, bevor er seine Badehose in die Luft warf.
< PLAY >
Ich schob meine Hände unter ihre Bluse und hechelte „Namm Namm“. Sie wurde wach und gab mir eine Ohrfeige, die unspektakulär mundete, nicht in geringster Weise schmerzte und keinen Laut erzeugte. Ich sagte trotzdem „Aua!“ um zu signalisieren, ich verstünde ihre Botschaft und kam zu dem Schluss: Ohrfeigen klingen in Filmen natürlicher und voller. Ich fragte, ob ich gehen sollte, doch sie meinte, ich dürfe bleiben, wenn ich aufhörte „sovielen Worten“ zu palavern und nicht mehr auf ihre „Tetas“ fasste. Das wollte ich nicht, da zu „viele Worten“ in mir aufblühten, wenn ich an Xalvadoras Tetas dachte. So bediente ich mich des zweitstärksten mir bekannten Dosenöffners und zitierte aus einem Buch, das Xalvadora den Satz aufzwang:
„Verwöhnes mich!!!“
Ich gehorchte, bis sie einschlief.
|| PAUSE ||
Der Umstand, dass Xalvadora keine Pferdenase war, lässt mich befürchten, dass ich für sie eventuell mehr als tiefgründige Fleischeslust hegte. Warum sollte man sonst etwas verwöhnen, das ohne Haare besser aussieht und schmeckt?
< PLAY > (Nächster Morgen)
Unser Hasta Luego war undramatisch, dafür sorgte Xalvadora, indem sie „keinen Worte, vor allem keine wie diesen…“ von mir hören wollte. Welche die anderen Worte waren, wusste ich nicht, darum küsste ich sie stumm auf die Stirn und trottete aus ihrer Bildfläche.
FAST FORWARD >> >>| (ein paar Wochen)
Einzig wegen der Postkarte aus Denia, auf die Xalvadora gekritzelt hatte, sie liebe den Schnee in Österreich und es täte ihr leid, weil sie so distanziert war und wünschte sich, sie könnte so gut Schifahren wie ich, saß ich ein paar Tage später im Zug.
|| PAUSE ||
Leeloos Zöpfe vibrierten, als ich ihr davon erzählte. Sie sagte, ich hätte sie von meiner Dummheit überzeugt und bewiesen, wie wenig ich von ihren Geschlechtsgenossinnen verstünde, die meiner Sprache nicht mächtig sind. Sie behauptete, Frauen, die auf Postkarten „Max gut!“ schrieben, würden damit nicht auf den Wunsch eines Wiedersehens hinweisen. David ließ die Badehose schnalzen.
FORWARD >>| (Spanien)
Meine spanische Amiga Guapa empfing mich distanziert. Anstatt mir lachend und weinend zugleich, in Zeitlupe entgegen zu laufen, wartete sie außerhalb des Bahnhofs und rauchte im Zeitraffer eine Zigarette. Beim Begrüßen vermied sie Körperkontakt. Das interpretierte ich positiv und schrieb es ihrer Schüchternheit, die meine Aura in ihr entfachte, zu.
„Jetzt bist du also hiere!“, stellte Xalvadora fest. Und in mir wurde das Hirngespinst geboren, sie platzierte diese Aussage, tollpatschig aber immerhin, als dezenten Vorwurf.
|| PAUSE ||
Leeloo meinte später, ich wäre ein ganz ein Schlauer und formte ihren Zopf zu einem spitzen Rufzeichen.
< PLAY >
Xalvadora murmelte: „No sabes lo que te pasa, si él te encuentra!“
Ich schaute fragend drein und sie griff nach meinen Händen, um sie befriedend zu drücken.
Nach dieser gut verfilmbaren Szene (die Kamera fährt von oben direkt in Xalvadoras Ausschnitt) gingen wir essen. In einem kleinen romantischen Restaurant, direkt am Meer, bestellte Xalvadora Köstlichkeiten, die ich nicht aussprechen konnte, mit Rotwein. Sie stammelte erneut „Jetzt bist du also hiere!“ und nahm ihren ersten kräftigen Schluck von vielen.
Mit meiner betrunkenen Xalvadora torkelte ich aus dem Restaurant. Maite, die auch wieder in Spanien war, wartete bereits und chauffierte uns, mit Xalvadora diskutierend, zu der Wohnung einer Freundin, die auf Geschäftsreise in Madrid war.
FORWARD >>| (ein paar Autominuten)
Xalvadora und ich fanden uns direkt am Meer in einem Liebesnest mit Balkon wieder. Hollywood-like und wie es sich alle, die auf Liebe am Meeresrand hoffen, vorstellen. „In den Meer“, wie es Xalvadora nannte, sah man Mastlichter der Schiffe leuchten, sich den Mond idyllisch spiegeln und hörte das Wasser leise und verträumt ans Dock schlagen. Xalvadoras Narbe tat sich in diesem James Bond-Ambiente extra hervor und wirkte erneut wie eine eingetrocknete Träne. All das war so romantisch, dass es fast zum Kotzen war, wie Leeloo diesen einen meiner schöneren Momente im Leben entwertete und dabei an ihren Zöpfen zupfte.
Durch all die verkitschte Romantik, die zwischen der warmen nächtlichen Seeluft schwelgte, wurden wir zurück ins Haus getrieben und küssten uns.
Während meine Zunge hilflos in ihrer Mundhöhle herumirrte, gab sie mir durch Ziehen an meinen Ohren zu verstehen, ich sollte „meine Faz“in ihrem Schoß versenken. Das tat ich und genoss ihre Hände, die durch meine Haare strichen. Sie liebkoste mit ihren Fingerspitzen mein Genick und ließ mich schnurren wie ein junges Zebra, das sich in Zeitlupe rückwärts überschlägt.
|| PAUSE ||
Jetzt ist mir klar: Xalvadora wollte verhindern, ich entdeckte das Geheimnis in ihren Augen und reagierte darauf.
< PLAY >
Mit dem Gesicht in ihren Schoß gepresst, protestierte ich „Mmpf, Mmpf“, doch Xalvadora drückte meinen Kopf nur noch fester in sich und flüsterte mir ins Ohr. Da ich den Klang von Spanisch mochte,
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: www.buchhelden.at
Bildmaterialien: Cover: Shutterstock's Images
Lektorat: Mag. Jeannette Bachner
Tag der Veröffentlichung: 19.08.2014
ISBN: 978-3-7368-3292-3
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Dem Pferdemädchen