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Prolog


Aufzeichnungen der westlichen Rebellen


London im Jahre 2473:


In den fünfhundert Jahren nachdem die ersten Kinder mit besonderen Fähigkeiten geboren worden sind, ist die Welt wieder in die Lebensweise des späten 17.Jahrhunderts zurückgefallen, wenn auch die Aufzeichnungen der Medizin und Technik erhalten geblieben sind. Denn mit jenen ungewöhnlichen Kindern, den Insolitae, die heute nicht mehr ganz so selten sind, kamen die Piraten wieder, die eigentlich nach der Jahrtausendwende fast ausgestorben waren. Die beinahe vollkommene Demokratie der Erde bröckelte. Adelige, Könige und Kaiser wurden ernannt. Die Insolitae nahmen ihren Besitz und versteckten sich zusammen mit ihren Familien in den am wenigsten bevölkerten Gebieten der Erde, denn die seltenen Kinder werden wegen ihrer Fähigkeiten gejagt. Sollte jemand mehrere von ihnen gefangen nehmen, ist zu vermuten, dass jener das neue Herrscheroberhaupt wird. Die Insolitae sind jedoch nicht leicht zu fangen, denn mit jeder Generation werden sie stärker, weil manche von ihnen die Fähigkeiten ihres besonderen Elternteils erben, anstatt nur ein oder zwei eigene zu entwickeln. In dieser Zeit ist London zur Handelsmetropole der neuen Weltordnung herangewachsen. Alles was Rang und Namen hat, besitzt hier einen Wohnsitz. Im Moment ist alles friedlich, weil kaum einer es in den letzten zweihundert Jahren gewagt hat eine Rebellion oder einen Krieg anzuzetteln. Unser Rebellenbund agiert auch erst noch im Hintergrund. Anscheinend hat sich der Großteil der Menschheit mit der Weltordnung abgefunden und der Fortschritt ist für den Moment erstarrt. Doch die Bevölkerung wird unruhig, denn es soll ein merkwürdiges Phänomen gesichtet worden sein: Ein Drache.
Aber das ist nicht das Beunruhigendste. Nein, es ist die Insolitae, die auf seinem Rücken geritten sein soll. Eine Insolitae mit Locken in der Farbe des Himmels und in silber getauchten Haarspitzen. Höchstwahrscheinlich ist sie die verschollene Tochter der sagenhaften Rebellen Key und Blaze.
Celeste Anféal.


Der Beginn der Reise


Das langsame Sinken der Sonne beobachtend, lasse ich meinen Blick über das Land schweifen. Von hier oben, dem Rand des Kraters, der den Vulkan Askja umschließt, lässt sich alles mit Leichtigkeit ausmachen. Nachdem ich eine der vielen, widerspenstigen, silbernen Strähnen zurückgestrichen habe, die sich von dem Rest meiner hellblauen Haare unterscheiden, ziehe ich nachdenklich die Beine heran, schlinge meine Arme um diese und lege mein Kinn ebenfalls darauf. Fast ein wenig verträumt, genieße ich die letzten Lichtstrahlen auf meinem Gesicht. Es ist ein angenehmes Gefühl. Beinahe wie die zarte Berührung von warmen Fingerspitzen. Schlussendlich verschwindet die Sonne hinter dem Horizont und es wird Nacht. Jetzt ersetzt kaltes Vollmondlicht die Wärme von vorhin. Es ist Zeit aufzubrechen. Einen Seufzer ausstoßend löse ich meine Position und wende mich kniend dem Vulkaninneren zu, welches bedrohlich in die Tiefe ragt. Der Boden ist nicht zu erkennen. Dann stütze ich meine Hände an der Kante ab, beuge mich hinunter und hole tief Luft, die ich sogleich mit einem Schwall Worte in die Tiefe schicke. „Red! Es ist soweit! Die Sonne ist untergegangen!“
Nach dem Ruf entferne ich mich ein wenig von dem Abgrund, um mich abwartend zurückzulehnen. Er müsste jeden Moment zu hören sein. Aus den Tiefen des Vulkans ist ein lautes Summen zu vernehmen. Beinahe ein Dröhnen. Meine Ohren spitzen sich, als ich das herbeigesehnte Geräusch mitbekomme. Wahrscheinlich sammeln sich gerade die Luftmassen unter seinen riesigen, glutroten Federschwingen, welche sich bereitmachen ihn aus dem Vulkaninneren zu tragen. Gespannt blicke ich in die Schwärze, aus welcher Rion Ezekiel Drake, schlicht Red genannt, emporschießt. Begeistert seine riesige Gestalt betrachtend, starre ich in den Sternenhimmel, wo er seine Runden zieht und dabei bei jeder Kurve einen Feuerschweif hinterlässt, der seiner Rasse alle Ehre macht. Schließlich ist er ein Phönix-Drache.
Als Red sich ausgetobt zu haben scheint, landet er elegant neben mir auf dem mehrere Meter dicken Kraterrand und wirbelt dabei so viel Luft auf, dass mir meine Haare ins Gesicht fliegen. Grinsend puste ich ein paar Strähnen von meiner Wange.
„Du solltest sie dir einfach schneiden. Das habe ich bereits gewollt, als du hier angekommen bist. Es ist immer so eine Qual dir dabei zuzusehen wie du dich jeden Tag abmühst sie zu kämmen. Außerdem wird es schwer sein deine Mähne zu verstecken, sobald wir losziehen. Auch wenn du das Formenversteck inzwischen beherrscht, wird es lästig sein. Glaub mir.“, belehrt Red mich mit einer leicht zischelnden Stimme. Immer noch grinsend deute ich dann auf sein ebenfalls sehr langes Haar. „Wenn ich sie schneide musst du auch.“, meine ich schlicht. Sein entsetzter Blick ist Antwort genug. Mit einem zufriedenen `Geht doch` an mich gerichtet, werfe ich meinen selbstgemachten Ochsenleder-Rucksack mit allem erforderlichen Proviant und nicht wenig Goldstücken über die Schulter und sehe meinen störrischen alten Drachen abwartend an. Er seufzt ergeben, dann passiert etwas in meinen Augen immer noch sehr Faszinierendes. Ein goldenes Licht strömt auf einmal aus Red heraus und blendet mich für einen kurzen Moment. Als ich wieder hinschaue, liegt statt ihm bloß ein breiter, goldener, mit roten Rubinen verzierter Armreif da. Mit einem Lächeln beuge ich mich hinunter, hebe den Armreif auf und ziehe ihn auf mein linkes Handgelenk, damit Reds andere Gestalt mich nicht beim Schwertkampf stören kann.

Impressum

Texte: Der blau-schwarze Hintergrund ist von riedels GalerieDie Augen irgendwo aus GoogleMaske und Armreif aus Werbungen für Indien und Venedig
Tag der Veröffentlichung: 15.02.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für die Sängerin Lena Deine Songs "Maybe" und "Taken by a stranger" sind die Hintergrundmusik für dieses Buch

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