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Eins



"Es tut mir Leid, Kara. So geht das nicht weiter. Es gibt einfach keine Abwechslung mehr; weder wirst du erwachsen und nimmst dein Leben selbst in die Hand, noch arbeitest du an uns. Ich habe mir was vorgemacht die letzten Monate. Es hätte schon bei meinem ersten Zweifel aus sein sollen. Sorry; ich mache Schluss."

Ich schaue Tim ungläubig ins Gesicht. Wir sind seit drei Jahren zusammen, schon seit der zehnten Klasse. Wir haben sogar zusammen für das Abitur gelernt und schon entschieden, dass wir beide Wirtschaft studieren wollen.
`Er hat warscheinlich einen schlechten Tag`, denke ich mir und versuche ihm das wieder auszureden.
"Was sagst du denn, Tim. Sollen wir öfter was gemeinsam unternehmen? Sehen wir uns zu selten außerhalb der Schule? Wenn du willst, kann ich..."
"Ich meine das ernst, Kara. Es ist mir einfach zu viel. Diese ganzen Erwartungen von dir, genau wie am Anfang. Ich will nicht nach dem Studium hier festsitzen und Familienvater spielen müssen. Ich möchte die Welt bereisen und du hältst mich zurück, Kara." Ich hasse es, wenn er mich bei diesem Namen nennt. Langsam werde ich nervös. Er fängt wieder an sich zu entschuldigen:"Kara, ich..."
"Ich heiße Karina", schreie ich ihn wütend und verzweifelt an, als mir klar wird, dass er es ernst meint. Mir stehen Tränen in den Augen. Die Leute in der Eisdiele starren uns an. Es ist mir egal. Tim versucht meine Hand zu ergreifen, doch ich reiße mich los. "Versteh doch, Kara...,Karina", verbessert er sich schnell, doch jetzt ist es zu spät, sich um mich Sorgen zu machen. Ich kippe ihm meinen Erdbeerbecher auf den Kopf, schnappe mir meine Jacke und lasse ihn dort vor allen Leuten sprachlos sitzen.

Ich schnappe mir ein weiteres Taschentuch und wische mir die Rotze aus dem Gesicht, während weiterhin ununterbrochen `Nothing compares to you`,aus den Lautsprechern meines DVD-Players, schallt. Ich sperre mich seit zwei Tagen in meinem Zimmer ein, da ich nichts mehr machen kann, als Rotz und Wasser zu heulen. Das einzig gute an der ganzen Sache ist, dass es die Ferien nach der Abitur sind und ich mir deshalb keine Entschuldigung einfallen lassen muss, um die Schule zu schwänzen; obwohl: dieser Mistkerl Tim hat mir die ganzen Ferien verdorben. Ich fange schon wieder an zu heulen, als ich an sein verdattertes Gesicht mit der Erdbeereis-Pampa denken muss; wie ironisch, Tim hasst Erdbeeren.
Sobald ich begonnen habe, Tim zu hassen, anstatt ihm nachzutrauern habe ich Unterstützung erhofft und meine beste Freundin Veronika angerufen. Doch ihre einzigen Worte waren:"War doch klar, dass er früher oder später mit dir Schluss macht, wenn du so verklemmt bist", dann hat sie einfach aufgelegt. Dadurch bin ich wieder zurück in die Trauerphase gefallen und jetzt sitze ich hier, einem Arsch nachtrauernd, während ich, ich glaubs selbst kaum, herbei ersehne wieder von irgendeinem Lehrer oder Professor vollgelabert zu werden, damit ich nicht an Tim denken muss.
Das ist der Moment indem ich in den Spiegel schaue und mir klar wird, dass ich mindesten fünfzehn Kilo zu viel auf den Rippen habe.

Zwei Stunden später stehe ich geduscht, erfrischt und in Sportsachen vor der Tür meines neuen Apartments, während ich mich mental darauf vorbereite, nach einem halben Jahr mehr zu tun, als dreimal auf der Stelle zu hüpfen wenn ich der Meinung bin, alle anderen Mädchen hätten nur halb so viel gegessen wie ich. Als ich vorhin in diesen Spiegel geschaut habe ist mir nicht nur mein Übergewicht bewusst geworden, sondern auch, dass ich ganz allein daran Schuld bin, da ich mich habe gehen lassen, seit ich mit Tim zusammen war. Ich habe überhaupt nicht mehr an meinem Aussehen gearbeitet, da ich schon eine Beziehung hatte. Doch jetzt wird es Zeit wieder auf Jungsfang zu gehen.
`Lasst die Jagd beginnen`, denke ich zynisch. Dann renne ich los. Fünf Minuten später lehne ich keuchend an einer Bank im Park, gegenüber von meiner Straße. Schmunzelnd läuft ein Jogger an mir vorbei und wirft mir einen amüsierten Blick zu. "was gibts da zu grinsen?", rufe ich ihm zischend hinter her. Da bleibt er auf einmal stehen , wirft mir kurz einen Blick zu und geht dann zum nächstgelegenen Automaten. Nachdem er sich ein Wasser geholt hat, kommt er in meine Richtung, dann streckt er mir die Hand mit der Flasche hin:"Friede?", fragt er mich mit einem reuvollen Blick. Dankbar nehme ich die Flasche entgegen und trinke einen Schluck."Danke", sage ich lächelnd. Währenddessen setzten wir uns beide auf die Bank und ich betrachte ihn nun genauer. `Er sieht eigentlich ziemlich gut aus mit den dunklen Haaren und den grünen Augen; das komplette Gegenteil von Tim´, denke ich bewundernd. "Wie heißt du?", fragt er mich plötzlich und reißt mich damit aus meinen peinlichen Gedanken. "Karina", antworte ich knapp. Er sieht mich wieder mit diesem amüsierten Ausdruck in den Augen an und ich werde rot:"Kein:`Aber meine Freunde nennen mich...?"
"Nein, nur Karina", sage ich schnell und frage ihn wiederum:"Und wie heißt du?" `Oh Schmunzelnder`, füge ich in Gedanken dazu.
Irgendetwas an meinem Gesichtsausdruck findet er wohl irre komisch, denn er fängt auf einmal wie wild an zu lachen, dann sagt er mit Lachtränen in den Augen:"Ich bin Lars, aber du kannst mich nennen, wie du willst."
"Schön dich kennenzulernen, Lars."
"Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Mylady", sagt er und grinst mich an. Auf einmal muss auch ich anfangen zu lachen. Da sitzen wir nun kichernd auf dieser Bank, obwohl ich gerade Sport machen sollte.

Nachdem wir uns eine Weile unterhalten haben und er Sachen erfahren hat, über die ich eigentlich nur mit Veronika spreche (ich weiß auch nicht, warum ich ihm das alles erzähle)schlägt er mir vor, dass ich heute erst einmal ein paar Dehnübungen mache und mich dann zuhause ausruhe. "Schließlich sollst du dir nicht gleich am ersten Tag eine Zerrung holen", meint er unschuldig lächelnd. Ich schaue ihn zweifelnd an, dann zeigt er mir schlichte Bewegungen um meine Muskeln zu lockern. Nach einer Viertelstunde Aufwärmen drehen wir noch eine gemeinsame Runde um den Park wobei wir uns für den nächsten Tag verabreden. Erschöpt lasse ich mich eine Weile später aufs Bett sinken und bin erfreut festzustellen, dass ich überhaupt nicht mehr an Tim denken musste in der letzten Stunde. Jetzt da meine Gedanken nach der Runde Sport wieder klar sind, erscheint mir auch die Reaktion von Veronika am Telefon merkwürdig. Ich muss unbedingt irgendwann mit ihrer darüber reden, dass sie mich in so einem Moment im Stich gelassen hat, aber das kann warten. Zuerst einen Cola und mich dann kräftig auf dem Sofa von meinen anstrengenden sportlichen Betätigungen erholen.

Impressum

Texte: Cover von Google Alle Figuren von mir
Tag der Veröffentlichung: 09.07.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
An alle die etwas zu verlieren haben

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