Deines Vaters Augen
Ich war noch sehr klein, etwa 3 Jahre alt, als mein Vater uns verließ.
Von diesem Tag an hatte ich nichts mehr von ihm gehört, bis zu meinem 18. Geburtstag. An diesem Tag kam ein Brief für mich, ohne Absender.
„ Von wem der wohl ist?“, fragte ich mich.
„Mama komm mal bitte.“, rief ich den Flur entlang.
„Ja, was ist denn?“, antwortete meine Mutter.
„ Hier, der lag im Briefkasten…“, sagte ich.
„Mach ihn doch einfach mal auf!“, forderte meine Mutter mich auf.
Ich nahm ein Messer und öffnete den Umschlag. Darin war ein gefaltetes Stück Papier worauf stand:
„ Liebe Anna,
Heute nun ist dein 18. Geburtstag. Wie doch die Zeit vergangen ist. Zu gerne hätte ich dich aufwachsen gesehen … doch es ging leider nicht. Ich wollte nicht, dass deine Mutter oder du mit bekommst, wie sehr mich die Leukämie hinraffte. Doch nun haben mich die Engel erlöst von meinem Leiden. Es tut mir Leid das ich in meinem Leben nicht einmal zu dir sagen konnte: „Ich hab dich lieb, meine kleine Prinzessin!“
Doch ich habe auch ein Geschenk für dich, wenn du wissen willst was es ist, geh zu dem Rechtsanwalt Lenz und zeig ihm den Brief….
Ich hoffe du kannst mir eines Tages verzeihen….
In liebe dein Vater.“
Mein Gesicht verlor jegliche Farbe und in meinem Herz stach es. Meine Mutter hatte den Brief mitgelesen und war den Tränen nahe…
„Warum hatte er nichts gesagt?“, hauchte sie.
„Ich weiß es nicht Mama…“, antwortete ich.
Auch mir standen die Tränen in den Augen, der Mann, den ich immer sehen wollte war nun tot… ich fühlte mich taub, am ganzen Körper. Nach etwa 20 Minuten sah meine Mutter mich an und sagte: „Wir sollten morgen zu diesem Anwalt fahren…“, geistesabweisend nickte ich. Wie hatte er wohl ausgesehen, war ich ihm ähnlich? Vielleicht hatte ich ja die Augen von ihm und die Gabe mich zu verteidigen, auch ohne Kampfsport…
Am nächsten Tag fuhren wir zu diesem Anwalt. Vor der Kanzlei wurde mir sehr mulmig, doch meine Mutter nahm meine Hand und zog mich mit hinein. Sie war sehr klein, aber auch gemütlich.
„Darf ich fragen, was sie hier wollen?“, fragte die Sekretärin.
„Wir wollen mit Herrn Lenz sprechen, wegen diesem Brief.“, antwortet meine Mutter und legte den Brief auf den Schreibtisch. Aufgeregt rannte die Sekretärin in ein anderes Zimmer und riss fast alles mit, was sie mitreißen konnte. Ich rannte hin und versuchte noch etwas aufzufangen. Doch ich konnte nur noch eine Maus retten, die fast von den Büchern erschlagen wurde. Aus dem Zimmer trat ein älterer Mann mit weißem Haar.
„Wie ich höre, sind sie die Tochter des Leonard Wort?“, fraget er.
Ich nickte, denn der Name meines Vaters war mir bekannt.
„Schau mich an.“, befahl er.
Ich sah ihm in die eisblauen Augen. Erstaunt musterte er mich.
„Kommen sie mit...“, sagte er.
Ich grub mich aus den Büchern, dann folgten wir ihm in sein Büro. Dort sah er abwechselnd zu mir und meiner Mutter.
„Ihr Vater hat Ihnen seine Firma überlassen, sie sind nun Chefin der „Black Woriers Companie“, sagte er als wäre es nichts.
„Oh mein Gott, das ist doch die Firma, die Bodyguards ausbildet und vermittelt. Oder?“, hauchte ich.
„Wie ich sehe, ist diese Firma bei Ihnen bekannt.“, schlussfolgerte der Anwalt.
„Ja, ich habe da mein Praktikum gemacht.“, antwortete ich geistesabwesend.
„Ist Ihnen nie aufgefallen, dass ihr Vater dort Chef war?“, fragte er wieder.
„Nein…“, antwortete ich total abwesend.
„Gut, dann brauch ich Ihnen nicht zu erklären, dass sie nun dort die obere Hand haben, oder?“ Ich schüttelte den Kopf.
„Gut, ich werde Sie nun hinfahren, damit Sie ihren ersten Tag dort meistern können!“ „ Danke...“ Die Autofahrt war eine einzige Qual. In mir war ein einziges Gefühlschaos. Was sollte ich davon halten… wir kamen an ein schlichtes Haus, doch als wir hineingingen, hatte ich Angst meine Augen würden mir aus dem Kopf fallen… „ Das hatte mein Vater mir vererbt?“
„So, wir sind da!“ Herr Lenz führte mich in das Büro. Überall waren Fotos von mir. Eine ältere Frau kam herein und packte ein Stapel Akten auf den Tisch. „ So, Sie müssen diese nun bis 16 Uhr fertig haben … oder sind Sie wie die Andere?“ „Andere?“ „Ein Ergebnis aus einer Affäre.. die Anspruch erhoben hatte. Doch das ist nun egal… viel Spaß…“, sagte Herr Lenz und nahm meine Mutter mit hinaus. „ Mama?“ „ Ja!?“ „ Ich hab dich lieb!“ „Ich dich auch mein Schatz!“ Wenig später kam die Bürokraft zu mir und sah mich an. „Die Andere war eine schlechte Frau. Sie war nicht deines Vaters gleich…“ „ OK, ich kannte ihn nicht… leider...“ „ Schau mich an!“ Ich sah auf zu ihr und sie erstarrte. „ Es sind die Augen deines Vaters. Er hatte genau solche Augen.“ „ Was ist an ihnen so besonders… Es gibt viele Menschen mit grünen Augen…“ „Aber nicht solchen Augen in denen der Smaragd gegen den Ozean kämpft.“ „Wie meinen Sie das?“ Ich bekam keine Antwort. Seit dem Tag sind nun schon 4 Wochen vergangen und die Einzige, die mich respektierte war die Bürokraft… alle anderen im Team hatten zwar meinen Respekt, aber ich nicht den ihren. Eines Abends ging ich durch das ganze Gebäude. Als ich an einer der zwei Hallen ankam, hörte ich Geräusche. Leise schlich ich an die Tür und versuchte genau zu hören, ob ich wen erkannte. Auf einmal sprang die Tür auf und ich wurde hinein gezogen. „Wie ich sehe hat sich das kleine Püppchen hierher verirrt…“ „Ich bin nicht dein Püppchen, verstanden, nur weil ich etwa 10 Jahre jünger bin als du!“ „ Oh wie süß. Weißt du, wenn dein Vater uns gesagt hätte, dass er nur zwei Töchter hat, dann hätten wir ihm den Respekt gezollt den er bei uns hatte… und den, den du niemals bekommen wirst von uns.“ „ Mein Vater war stolz auf mich!“ „Ach und warum hat er euch dann verlassen?“ „Weil er nicht wollte, dass wir ihn leiden sehen...“ „Das denke ich nicht…“ „ Halt die Klappe und misch dich nicht in Dinge ein, die dich nichts angehen!!“ „Oh, was willst du tun? Aber weißt du was, besieg mich und dann werden wir dich respektieren!“ „Was seid ihr für Gestalten, wie ihr euch nur an eine Meinung klammert?“, brach es aus mir heraus. „ Let‘s fight!“, brüllte er. Und schon lag ich auf dem Boden, meine Lippen waren vollkommen taub und ich schmeckte Blut. Ich sprang auf meine Beine und versuchte ihn zu treffen und seinen Schlägen auszuweichen. Nach dem 4. Treffer lag ich halb benommen auf dem Boden.
„Du wirst niemals deinem Vater Stolz und Ehre bieten können. Wenn er noch leben würde, würde er sich schämen.“ Mein Gegner brüllte vor Lachen. Ich atmete tief durch und hievte mich nach oben.
„Lass es uns beenden…“, sagte mein Gegner in einem belustigten Ton. Noch bevor er ausholen konnte, prallte er mit ganzer Wucht auf den harten Betonboden. Er sah mich entgeistert an: „ Was?“ „ Ich bin kein Kerl, doch bin ich der Stolz meines Vaters, wenn er sogar nach dem Tod an mich denkt!“ Ich blickte meinem Gegner tief in die Augen und er sagte nur noch: „Du hast deines Vaters Augen!“ Noch bevor ich etwas sagen konnte, hörte ich die Stimme der Sekretärin: „ Ich hab‘ s dir ja gesagt, dass sie die Richtige ist! Denn niemand hat dich je geschlagen, außer ihm. Und sie ist seine Erbin, also gebt ihr den Respekt, den sie sich gerade verdient hat. Denn sie hat wirklich das Herz und die Augen ihres Vaters!“
Tag der Veröffentlichung: 01.11.2011
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